Plenarprotokoll 19/50 (neu)

Deutscher

Stenografscher Bericht

50. Sitzung

Berlin, Freitag, den 14. September 2018

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) (CDU/CSU). 5276 A a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Michael Groß (SPD). 5277 A Gesetzes über die Feststellung des Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Bundeshaushaltsplans für das Haus- (CDU/CSU). 5278 B haltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019) Drucksache 19/3400. 5259 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Einzelplan 15 Finanzplan des Bundes 2018 bis 2022 Bundesministerium für Gesundheit Drucksache 19/3401. 5259 B , Bundesminister BMG. 5279 D (AfD). 5281 C Einzelplan 11 Dr. (SPD). 5282 D Bundesministerium für Arbeit und Soziales Christine Aschenberg-Dugnus (FDP). 5284 B , Bundesminister BMAS. 5259 B Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . 5285 B (AfD) . 5261 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU). 5262 D DIE GRÜNEN). 5286 C Johannes Vogel (Olpe) (FDP). 5264 B (CDU/CSU). 5287 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . 5266 A Dr . Birgit Malsack-Winkemann (AfD). 5288 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ Sonja Amalie Stefen (SPD). 5289 D DIE GRÜNEN). 5267 A (FDP). 5291 A (SPD). 5268 B (DIE LINKE). 5292 A Ulrike Schielke-Ziesing (AfD). 5269 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). Dr. (CDU/CSU). 5270 D 5293 A (CDU/CSU). 5294 A (FDP). 5272 B Bärbel Bas (SPD). 5295 B (DIE LINKE) . 5273 C Alexander Krauß (CDU/CSU). 5296 B Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 5274 B Dr. (FDP). 5297 A Dr. (fraktionslos). 5275 B (CDU/CSU). 5297 C II Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Schlussrunde: Otto Fricke (FDP). 5313 B Haushaltsgesetz 2019 Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ Johannes Kahrs (SPD) . 5299 A DIE GRÜNEN). 5314 C (AfD). 5300 B Dr. h. c. (CDU/CSU). 5315 C Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . 5302 A Sonja Amalie Stefen (SPD). 5317 A Dr . (FDP). 5303 D Nadine Schön (CDU/CSU). 5318 A Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . 5305 A Nächste Sitzung . 5319 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 5306 D , Bundesminister BMF. 5308 A Anlage 1 (AfD). 5309 B Entschuldigte Abgeordnete. 5321 A (Erfurt) (SPD). 5310 D Peter Boehringer (AfD). 5311 B Anlage 2 (CDU/CSU)...... 5311 C Amtliche Mitteilungen. 5321 D Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018 5259

(A) (C)

50. Sitzung

Berlin, Freitag, den 14. September 2018

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: der deutschen Einheit und die zweitniedrigste Erwerbs- Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- losenquote in der Europäischen Union. gen! Die Sitzung ist eröfnet. (Dr. [AfD]: Nach der Statistik!) Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungs- Bei allen Fragen, die im Moment diskutiert werden: Das punkte 1 a und 1 b – fort: ist etwas, worauf dieses Land durchaus stolz sein kann. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die der CDU/CSU – Zuruf von der AfD) Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das – Warten Sie mal ab. Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019) Gleichwohl ist es so, dass der Blick auf die gesamt- Drucksache 19/3400 wirtschaftliche Lage nicht den Blick dafür verstellen (B) Überweisungsvorschlag: darf, dass es zwar vielen Menschen in diesem Land gut (D) Haushaltsausschuss geht, aber eben nicht allen. Klar ist auch, dass trotz der guten wirtschaftlichen Lage auch bei vielen Menschen, b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- denen es heute wirtschaftlich gut geht, sich Sorgen und gierung Ängste breitmachen, dass sich Zukunftsängste in diese Finanzplan des Bundes 2018 bis 2022 Gesellschaft fressen. Es gibt politische Scharlatane, die versuchen, aus diesen Ängsten ein Geschäftsmodell zu Drucksache 19/3401 machen. Überweisungsvorschlag: (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ach, diese Phra- Haushaltsausschuss sendrescherei! Das ist ja nur Phrasendresche- Wir haben am Dienstag für die heutige Aussprache rei! Bla, bla, bla! Grauenhaft! Sie haben ja eine Redezeit von 4 Stunden und 30 Minuten beschlos- noch nie außerhalb der SPD gearbeitet!) sen. Wer das nicht will, der muss dafür sorgen, dass die Men- schen sich auf einen starken Sozialstaat verlassen kön- Jetzt beginnen wir mit dem Geschäftsbereich des nen, und genau dafür arbeiten wir. Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Einzel- plan 11. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- wie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Das Wort hat der Bundesminister Hubertus Heil. Braun [AfD]: Haben Sie denn jemals gearbei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tet, Herr Heil?) der CDU/CSU) Um es an konkreten Beispielen darzustellen: Wir sind als Koalition im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpo- Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Sozi- litik auf dem Weg, entscheidende Schritte voranzugehen. ales: Wir haben die Brückenteilzeit auf den Weg gebracht, da- mit die Arbeit zum Leben passt, damit es die Chance gibt, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolle- tatsächlich von Teilzeit in Vollzeit zurückzukehren. ginnen und Kollegen! Ohne Zweifel ist Deutschland ein starkes Land. Wir haben eine außerordentlich erfreuliche (Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie wissen ja nicht und starke wirtschaftliche Entwicklung, die sich auch einmal, wie ein normaler Lohnzettel aussieht! am Arbeitsmarkt niederschlägt. Wir haben den höchsten Das kennen Sie doch gar nicht! Sie kennen ja Stand sozialversicherungspfichtiger Beschäftigung seit nur Steuerbescheide!) 5260 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Bundesminister Hubertus Heil (A) Wir haben dafür gesorgt, dass der soziale Arbeitsmarkt Grundsicherung, bessergestellt werden als diejenigen, (C) auf den Weg kommt, damit auch langzeitarbeitslose die nie eingezahlt haben. Das ist eine Frage des Respekts Menschen in Deutschland nicht abgehängt sind, sondern vor der Lebensleistung, und dafür werden wir im nächs- die Chance auf selbstbestimmte, sozialversicherungs- ten Jahr sorgen, meine Damen und Herren. pfichtige Arbeit haben, und dafür investiert diese Koali- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) tion 4 Milliarden Euro. Ich fnde, das ist der richtige Weg. Wir werden auch die Selbstständigen im nächsten Jahr (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) in das System der Alterssicherung in Deutschland ein- Ebenfalls zentral ist, dafür zu sorgen, dass ein Kern- beziehen. Es ist übrigens vor allen Dingen das deutsche versprechen unseres Sozialstaates in diesen Zeiten er- Handwerk, das das seit vielen Jahren fordert. Ich fnde neuert wird. Dieses Kernversprechen ist, dass man nach es wichtig, dafür zu sorgen, dass wir auch diese Men- einem Leben voller Arbeit eine angemessene, eine or- schen in den Schutz der Alterssicherung einbeziehen und dentliche Alterssicherung hat. Weil in der öfentlichen dass nicht zu wenig Vorsorge da ist und am Ende andere Debatte einiges durcheinandergeht, würde ich gern mal mit ihren Steuern diese Menschen über die Grundsiche- erläutern, wie wir vorgehen. Wir haben den „Rentenpakt rung unterstützen müssen. Auch das ist ein Beitrag zur für Deutschland“ auf den Weg gebracht, der insgesamt Verlässlichkeit eines Sozialstaats; auf den können sich vier Elemente hat. Menschen, eben auch Selbstständige, und das gesamte System dann verlassen, meine Damen und Herren. Es geht zum einen um die doppelte Sicherungslinie. Es geht darum, dass wir das Rentenniveau, das heißt das (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Verhältnis von allgemeiner Lohn- und Gehaltsentwick- Der Rentenpakt ist der erste Schritt. Das, was ich gera- lung zur Erhöhung von Renten, in einem ersten Schritt de beschrieben habe, 2019, ist der zweite Schritt. bis 2025 bei 48 Prozent sichern werden und gleichzeitig dafür sorgen werden, dass die Beiträge nicht über 20 Pro- Der dritte Schritt ist sicherlich der schwierigste. Des- zent steigen werden. halb wird darüber in unserer Gesellschaft diskutiert und gerungen. Wir haben die Rentenkommission auf den Das heißt zum Zweiten, dass wir die Erwerbsminde- Weg gebracht. Die wird Anfang 2020 Vorschläge machen rungsrenten für zukünftige Fälle, für Menschen, die nicht für die Frage: Wie geht es eigentlich von 2025 bis 2040 mehr können, verbessern werden, weil die Erhöhung des weiter? Wir alle wissen, dass dann die Generation der so- gesetzlichen Renteneintrittsalters für diese Menschen genannten Babyboomer nach und nach in Rente gehen nicht zur Falle werden darf. wird, das heißt die Generation der Menschen, die in den Das heißt zum Dritten, dass wir die Kindererziehungs- 50er- und frühen 60er-Jahren geboren wurden, und das (B) zeiten für Frauen – aber auch für Männer –, die vor 1992 ist eine große Generation. Später, nach dem Pillenknick, (D) Kinder zur Welt gebracht und erzogen haben, verbessern werden es dann weniger; in meiner Generation werden es werden. Ich bin den Damen und Herren Kolleginnen und weniger . Das heißt, ab 2040 werden mutmaßlich weni- Kollegen von der Union, Herr Dobrindt, außerordent- ger Menschen in Rente gehen, aber bis dahin eine ganze lich dankbar, dass wir eine Lösung gefunden haben, dass Menge mehr. das für jedes Kind in Deutschland gilt. Davon proftie- Ich fnde, es ist des Schweißes der Edlen wert, dass wir ren 10 Millionen Eltern in Deutschland. Auch das ist ein tatsächlich darum ringen, wie wir das System langfristig wichtiger Schritt. stabil halten. Die Position meiner Partei ist bekannt und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ist auch nicht neu. Wir wollen, dass das Rentenniveau der CDU/CSU) über 2025 hinaus bei 48 Prozent bleibt. Andere gehen an- dere Wege. Ich sage das in Richtung FDP: Dann sagen Viertens entlasten wir Geringverdiener. Geringverdie- Sie den Menschen doch nicht nur, was Sie nicht wollen, ner kann man nicht so sehr über die Senkung von Lohn- sondern auch, was Sie wollen, nämlich dass die Rente und Einkommensteuern oder des Soli entlasten, weil schrumpft und dass die Lebensarbeitszeit steigt. Das ist viele von ihnen gar keine oder wenig Lohn- und Einkom- nicht unser Weg; das ist Ihr Weg. mensteuer und auch keinen Soli zahlen. Deshalb werden wir sie bei den Beiträgen entlasten, und zwar ohne dass (Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP) sie sich in ihren Rentenanwartschaften verschlechtern. Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Zukunft Das, meine Damen und Herren, ist ein wesentlicher der Alterssicherung entscheidet sich aber nicht nur im Schritt zur Alterssicherung. Dieser Rentenpakt geht in System der Rente oder der privaten und betrieblichen Al- die richtige Richtung. Das ist der erste Schritt, den wir tersversorgung, sondern vor allem am Arbeitsmarkt. Die gehen werden. spannenden Fragen in den 20er- und 30er-Jahren werden sein: Wie viele Menschen sind in Arbeit? Was sind das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für Arbeitsverhältnisse? Wie ist das Arbeitszeitvolumen? der CDU/CSU) Wie ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen? Wie ist die Der zweite Schritt im System der Alterssicherung, der allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung? Deshalb ist in der Koalition vereinbart ist, betrift das nächste Jahr. das, was wir am Arbeitsmarkt jetzt einleiten, entschei- Wir werden im nächsten Jahr die Grundrente einführen, dend für die Frage der Sicherungssysteme, aber auch für damit diejenigen, vor allen Dingen Frauen, die ihr Lebtag die Frage, wie wir es schafen, möglichst vielen, wenn gearbeitet und eingezahlt haben, aber so niedrige Löhne nicht gar allen Menschen, die im erwerbsfähigen Alter hatten, dass die Rente am Ende nicht höher ist als die sind, eine Chance auf selbstbestimmte Arbeit zu guten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5261

Bundesminister Hubertus Heil (A) Arbeitsbedingungen und Löhnen zu geben; das ist für das Gefühl haben, dass sie sich in diesen Zeiten des Wandels (C) System der Alterssicherung mindestens genauso wichtig. auf einen handlungsfähigen Sozialstaat tatsächlich ver- lassen können. Nicht Frust und Angst, sondern realisti- (Beifall bei der SPD) sche Zuversicht, konkretes Handeln schafen Vertrauen Lassen Sie mich an einem konkreten Beispiel zeigen, in unsere soziale Demokratie. Dazu leistet dieser Etat was wir da machen. Wir haben in den letzten Wochen seinen Beitrag. hart gearbeitet, in der Koalition auch intensiv diskutiert und gemeinsam etwas geschaft, worauf ich sehr stolz Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. bin, nämlich dafür gesorgt, dass wir angesichts der gu- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ten wirtschaftlichen Lage mit den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit verantwortungsvoll umgehen. „Verantwortungsvoll umgehen“ heißt, eine Balance zu Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: schafen. Nächster Redner ist der Abgeordnete Uwe Witt, AfD. Auf der einen Seite stehen die notwendigen Rückla- (Beifall bei der AfD) gen bei der Bundesagentur für Arbeit für konjunkturell schwierigere Zeiten. Vor zehn Jahren haben wir das er- lebt, als die Weltwirtschaftskrise uns auf den Kopf ge- Uwe Witt (AfD): fallen ist und wir mit dem Mittel der Kurzarbeit – Olaf Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen Scholz war damals Arbeitsminister – Hunderttausenden, und Kollegen! Werte Gäste des Hohen Hauses! Herr Millionen von Menschen in Deutschland geholfen haben, Arbeitsminister Heil, Sie und Ihre Parteifreunde spie- nicht arbeitslos zu werden. Dafür brauchen wir Rückla- len sich nicht nur als vermeintliche Vertreter der kleinen gen; die haben wir. Leute auf, sondern neuerdings auch als Richter über Gut Auf der anderen Seite haben wir Entlastungsspiel- und Böse. Entscheidend für Ihre Klassifkation von Gut räume, und die haben wir in verantwortungsvoller Art und Böse ist bei Ihnen weder die Wahrheit noch die Ver- und Weise genutzt. Wir werden den Arbeitslosenver- nunft, sondern lediglich Ihre verdrehte linke Ideologie. sicherungsbeitrag gesetzlich zum 1. Januar 2019 um 0,4 Prozentpunkte senken und dann noch einmal um (Beifall bei der AfD – Katja Mast [SPD]: Oh 0,1 Prozentpunkte per Rechtsverordnung. Das sind Mil- Gott! Oh Gott!) liardenentlastungen, die auch notwendig sind, um die Das haben Vertreter Ihrer Partei wieder einmal in der Lohnnebenkosten angesichts von Kostensteigerungen Plenardebatte am Mittwoch hier in diesem Hohen Hause zum Beispiel bei der Pfege stabil zu halten. Auch das ist (B) eindrücklich unter Beweis gestellt, als sie einen neuen (D) ein verantwortungsvoller Weg. negativen Meilenstein in der Geschichte der SPD dar- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) stellten. Sie und Ihre Genossen sind es, die dieses Land mit ihrer linken Ideologie dauerhaft gespalten haben. Und: Wir haben etwas getan, was für die Zukunft der Arbeit, vor allen Dingen im digitalen Wandel, aus mei- (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald ner Sicht eine der wichtigsten Weichenstellungen ist, [DIE LINKE]: Wenn die mal links wären! – nämlich dafür gesorgt, dass wir Beschäftigte und Unter- Heiterkeit bei der CDU/CSU) nehmen, vor allen Dingen kleine und mittelständische Unternehmen, die in Weiterbildung, in Qualifzierung Sie selber haben in einem Zeitungsinterview auf die investieren, gezielt unterstützen können, und zwar alle Frage, was denn mit den Flüchtlingen, die bereits in Unternehmen, die im Strukturwandel sind. Mein Ziel Deutschland sind, geschehen soll, ist, dass wir zukünftig im digitalen Wandel, der in kür- zerer Zeit die Arbeitswelt intensiv verändern wird, die (Widerspruch bei der SPD – Johannes Vogel Chancen nutzen. Denn die gute Nachricht ist: Es wird [Olpe] [FDP]: Eine Minute! Zack, die Flücht- uns nach allem, was wir wissen, die Arbeit in Deutsch- linge!) land nicht ausgehen. Aber die anstrengende Nachricht einen Satz gesagt, der Ihre Ideologie deutlich macht. ist: Es wird in vielerlei Hinsicht eine andere Arbeit sein. Sie sagten: Wir müssen zusehen, dass wir uns nicht ein Deshalb werden wir jetzt in Beschäftigungsfähigkeit ideologisches Bein stellen und die Falschen wieder zu- und Qualifzierung investieren. Mein Ziel ist, dass wir rückschicken. – Dieser eine Satz zeigt deutlich, welche Arbeitslosigkeit zukünftig verhindern, bevor sie entsteht. Haltung Sie sich ofenbar in Bezug auf Ihr politisches Deshalb gehen wir mit diesen Investitionen einen ersten Wirken zu eigen gemacht haben. Die Grundlage für das Schritt auf dem Weg Richtung Arbeitsversicherung. politische Handeln gewählter Volksvertreter sollte doch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten um Gottes willen nicht ideologisch sein. Wenn Politi- der CDU/CSU) ker per Stellenanzeige gesucht würden, dann wird darin nichts von Ideologie stehen, sondern von Vernunft, Ver- Zum Schluss, meine Damen und Herren – ich habe antwortung und Qualifkation, es vorhin gesagt –: Wir haben eine widersprüchliche Si- tuation: eine wirtschaftlich gute Lage, aber gleichzeitig (Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann Zukunftsängste. Ich glaube, dass unsere Aufgabe ist, ge- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Merken Sie meinsam in diesem Parlament im Bereich Arbeit und So- sich das mal als Leitlinie! Das können wir sehr ziales dafür zu sorgen, dass die Menschen das berechtigte empfehlen!) 5262 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Uwe Witt (A) und zwar Verantwortung für das eigene Volk an erster geführten Bundesregierungen bis heute (C) Stelle und globale Interessen allenfalls an zweiter Stelle, produziert haben, dann gewinnt man immer mehr den nicht umgekehrt. Eindruck, als wollten sie ihr eigenes Land wie ein Stück Zucker im Kafee aufösen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jetzt aber mal was zur Rente! Da bin Zurück zum Haushaltsplan: Für die Grundsicherung ich gespannt! – [FDP]: Das für Arbeitsuchende wollen Sie 2019 insgesamt 36,1 Mil- kommt nächstes Jahr!) liarden Euro zur Verfügung stellen. Dank Ihrer ideolo- gischen, verantwortungslosen und vor allen Dingen Vernunft und Verantwortung, Herr Bundesminister, nicht an den Bedarf der Wirtschaft angepassten linken das ist es, was Ihr politisches Handeln bestimmen sollte, SPD-Zuwanderungspolitik leben in Deutschland heute und das ist es, was die Wähler von ihrer Regierung er- 2 Millionen Migranten und Flüchtlinge von Hartz IV. warten – nicht Ideologie. Darum gestatten Sie mir, dass ich Ihren Satz geringfügig umformuliere: Wir müssen zu- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- sehen, dass wir uns nicht ein ideologisches Bein stellen NIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Flüchtlinge le- und die Falschen ins Land holen. ben nicht von Hartz IV! Die Flüchtlinge krie- gen gar kein Hartz IV!) (Beifall bei der AfD) Das sind 34 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger. Im Jahr Zum Haushaltsplan. In der Einleitung des siebten Ka- 2011 lag dieser Anteil noch bei 19 Prozent. pitels des Einzelplans 11 mit dem schönen Namen „Ar- beitswelt im Wandel, Fachkräftesicherung“ beschreiben Dieses Land braucht einen Paradigmenwechsel in der Sie, warum sich die Arbeitswelt in einem tiefgreifenden Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik – weg von Ideo- Transformationsprozess befnde, der Unternehmen und logie, hin zu Vernunft und Verantwortung. Es sind sicher Beschäftigte unter Druck setze. Als Gründe geben Sie nicht die heutigen Regierungsparteien, die darauf die neben der Digitalisierung den seit vielen Jahren disku- richtige Antwort haben. Daher lehnen wir Ihren Haus- tierten demografschen Wandel, die Globalisierung und haltsentwurf ab. den Wertewandel an. Den Hauptgrund, Ihre linke Ideo- Danke schön. logie zu transportieren, verschweigen Sie; denn dieser ganze Haushaltsposten trieft von Ihrer Ideologie. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Ich nenne den Haushaltstitel 684 08, „Förderung von Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß, CDU/ (B) Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Verant- CSU. (D) wortung von Unternehmen …“. Hier wollen Sie die ge- sellschaftliche Unternehmensverantwortung fördern und (Beifall bei der CDU/CSU) zum Beispiel Unternehmen bei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung unterstützen, um zu einer sozialen und Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): ökologischen Gestaltung der Globalisierung beizutragen. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Ganze gipfelt darin, dass Sie in Titel 544 06-165 Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Bundes- 600 000 Euro dazu verwenden, um sich selber und Ih- haushalt zu sprechen komme, erlauben Sie mir eine rer Partei bei einer SPD-Show durch Deutschland – bei Vorbemerkung zu der ersten Oppositionsrede, die wir in Ihnen Dialogtour genannt – ein weiteres Mal mit Steu- dieser Debatte gehört haben. Ich fnde, zur Opposition ergeldern ein Denkmal zu setzen. Wissen Sie, wenn es gehört auch, dass man zu den harten Fakten der Arbeits- die Abschiedstournee für Sie und Ihre Partei ist, sind die markt- und Sozialpolitik Stellung nimmt und dazu viel- Steuergelder endlich einmal richtig von Ihnen verwendet leicht auch konzeptionell etwas sagt. Das hat leider völlig worden. gefehlt. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Kommen wir zurück zur Digitalisierung der Arbeits- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- welt. Jeder weiß, dass die jetzige Stufe der Digitalisie- geordneten der FDP und der LINKEN) rung unsere Arbeitswelt und unser Leben nachhaltig Das zeigt, was man von dieser Seite des Hauses zu den verändern wird. Insbesondere darum muss man sich in Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu erwarten der Regierung kümmern. Aber was soll dabei heraus- hat, nämlich schlichtweg nichts. kommen, wenn man die Umsetzung der Digitalisierung genau jenen anvertraut, die in Bezug auf den demograf- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem schen Wandel, die Globalisierung und den Wertewandel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- seit vielen Jahren alles getan haben, um dieses Land zu- geordneten der FDP) nehmend in eine Identitäts- und Existenzkrise zu stürzen, und die die Gesellschaft durch ihr unverantwortliches Der Bundeshaushalt 2019 ist für uns der Auftakt zu ei- Handeln gespalten haben? ner zukunftsweisenden sozialpolitischen Gesetzgebung. Ich bitte alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, trotz aller Ich will ja gar nicht kleinlich sein. Man kann auch Miesmacherreden zur Kenntnis zu nehmen, dass wir die- an seinen Aufgaben wachsen und aus Erfahrung lernen. se vom Bundesarbeitsminister bereits geschilderte außer- Wenn man sich aber die Ergebnisse ansieht, die die von gewöhnlich gute wirtschaftliche Situation dazu nutzen, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5263

Peter Weiß (Emmendingen) (A) echte Leistungsverbesserungen für die Menschen einzu- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Jobcentern (C) führen, die es auch dringend nötig haben. zu fnanzieren. Außerdem erhöhen wir die Mittel, die wir einsetzen, um über 4 Milliarden Euro über die gesamte (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der Legislaturperiode, um Langzeitarbeitslose gezielt wieder FDP: Mehr Geld für alle!) in Arbeit zu bringen, zu fördern und zu unterstützen. Das Das ist doch ein großartiger Erfolg in dieser Situation. ist eine großartige Botschaft, dass wir auch diejenigen an diesem wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben lassen Dazu gehört für mich zuallererst: Wenn wir schon bei wollen, die es bisher am Allerschwersten hatten. Steuern und Sozialabgaben eine so gute Einnahmesitua- tion haben, wie wir sie haben, und genügend Rücklagen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) haben, müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern, den Wir ermöglichen durch einen Haushaltsvermerk zum Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch den ersten Mal das, was wir konzeptionell ja über viele Jahre Unternehmen etwas zurückgeben. Deswegen weise ich strittig diskutiert haben, nämlich den sogenannten Pas- auf eine der aus meiner Sicht wichtigsten Verabredun- siv-Aktiv-Tausch. Die Botschaft des Passiv-Aktiv-Tau- gen, die die Große Koalition für diesen Herbst getrofen sches ist: Es ist besser, Arbeit zu fnanzieren, als Arbeits- hat, hin: Wir wollen den Beitrag zur Arbeitslosenversi- losigkeit zu fnanzieren. Dieses Prinzip wird mit diesem cherung nicht nur um die 0,3 Prozentpunkte, die im Ko- Haushalt noch einmal stark unterstrichen. Damit wird alitionsvertrag stehen, senken, sondern wir wollen sie auch für die Bundesländer eine neue Möglichkeit auf- insgesamt um 0,5 Prozentpunkte absenken und haben getan, einzusteigen. Jawohl, wir fnanzieren Arbeit und dann in Nürnberg, bei der BA, trotzdem eine noch weiter nicht Arbeitslosigkeit. Das ist die Botschaft dieses Bun- anwachsende Rücklage, um gerüstet zu sein, falls wir in deshaushaltes. Krisenzeiten mal schnell handeln müssen. Das heißt, wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger, wir entlasten die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Unternehmen in Deutschland deutlich, und gleichzeitig der SPD) betreiben wir Vorsorge für die Zukunft. Etwas Besseres kann es nicht geben. Das ist eine großartige Botschaft, Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Tat ist die wir in diesem Herbst senden. die Frage, wie sich unsere Arbeitswelt durch die Digita- lisierung verändert, was das für die Unternehmen bedeu- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) tet, was das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet, eine der großen Zukunftsfragen, der wir uns Wenn man dann noch die Einführung der vollen Pa- stellen. Der Punkt ist der: Man kann so etwas mit Angst- rität bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenver- macherei betreiben. Angst ist aber ein schlechter Ratge- sicherung hinzunimmt, was die Arbeitnehmerinnen und (B) ber, auch für die Politik. Unser Ansatz ist: Wir zittern (D) Arbeitnehmer und übrigens auch die Rentnerinnen und nicht voller Angst vor dem, was auf uns zukommt. Wir Rentner ebenfalls noch einmal entlastet, dann kann man sorgen nicht für zusätzliche Verunsicherung. Vielmehr sagen: Das ist eine gute Botschaft. Der wirtschaftliche wollen wir die Digitalisierung als eine Chance begreifen, Erfolg kommt konkret bei den Bürgerinnen und Bürgern auch als eine Chance zur weiteren Humanisierung der an. Arbeitswelt. Da liegen die wahren Potenziale und Mög- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) lichkeiten der Digitalisierung, der digitalisierten Arbeits- welt in der Zukunft. Wir nehmen da Leistungsverbesserungen vor, wo wir es für notwendig halten und wo es die Bürgerinnen und (Beifall bei der CDU/CSU) Bürger auch erwarten. Das sind die Leistungsverbesse- Aber natürlich muss man, muss jede Arbeitnehmerin rungen bei der Mütterrente, und das sind vor allen Din- und jeder Arbeitnehmer sich darauf vorbereiten können. gen die Leistungsverbesserungen bei der Erwerbsmin- Deshalb werden wir eine nationale Weiterbildungsstrate- derungsrente. Gerade diejenigen, die wegen Krankheit, gie umsetzen, deshalb werden wir noch in diesem Herbst Unfall vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müs- erste Elemente beschließen, nämlich einen erweiterten sen, verdienen die besondere Solidarität der Gesellschaft, Zugang zur Weiterbildungsförderung für beschäftigte des Staates, der Versichertengemeinschaft. Insofern set- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine Stärkung zen wir mit dieser starken Anhebung bei der Erwerbs- der Weiterbildungs- und Qualifzierungsberatung durch minderungsrente ein klares Zeichen: Ja, wer nicht mehr die Bundesagentur für Arbeit. kann, der hat zu Recht Anspruch auf die Solidarität des Sozialstaates, und wir gewähren diese Solidarität auch. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das zeigt: Wir haben keine Angst vor der Gestaltung der Zukunft, eine (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Angst, mit der ofensichtlich etliche politische Kräfte in Die anhaltend gute Entwicklung auf dem Arbeits- Deutschland ein Geschäft betreiben wollen, sondern wir markt nutzen wir zu Recht dafür, jetzt denjenigen Lang- packen die Chancen für mehr und bessere Qualifzierung zeitarbeitslosen, die in der Vergangenheit kaum eine oder bei den Hörnern. Digitalisierung ist, wie gesagt, für uns gar keine Chance auf einen Weg in Arbeit und Teilha- kein Angstmacher, sondern eine Chance für eine bessere be hatten, diese Möglichkeit aufzutun, ob man das nun Zukunft, auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hartz IV nennt oder Grundsicherung für Arbeitsuchende, (Beifall bei der CDU/CSU) wie es im Gesetz heißt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir legen mit diesem Bundeshaushalt mehr Geld Dann befnden wir uns in diesem, aber erst recht im auf den Titel für die Verwaltungskosten, um genügend nächsten Jahr in der Umsetzung des in der vergangenen 5264 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Legislaturperiode beschlossenen Bundesteilhabege- nanzierbar ist in der Rentenpolitik aber unverantwortlich, (C) setzes. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses liebe Kolleginnen und Kollegen. große Ziel, wirklich zu einer inklusiven Gesellschaft zu (Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald werden, in der Menschen mit Behinderungen so selbst- [DIE LINKE]: Herr Kollege, das ist komplett verständlich und natürlich mit uns leben und zusammen- falsch!) arbeiten, wie es auch für Menschen ohne Behinderungen gilt, ist eine tolle Vision, die unser aller Anstrengung be- Die SPD will damit übrigens eine Rentenformel dau- darf. Ich darf daran erinnern, dass im nächsten Monat, erhaft zulasten der Jungen manipulieren, die sie selber im Oktober, die Wahlen zu den Schwerbehindertenver- einmal eingeführt hat. tretungen stattfnden werden. Es ist auch ein Element des Bundesteilhabegesetzes, dass wir die Stellung der (Katja Mast [SPD]: Das stimmt überhaupt Schwerbehindertenvertretung gestärkt haben. Wir haben nicht!) die Freistellungen verbessert, wir haben auch die tech- Gerade der Bundesfnanzminister weiß – oder er müsste nische und administrative Unterstützung verbessert, und zumindest wissen –, über welches Volumen wir hier re- wir haben auch die Beteiligungsrechte verbessert. Mei- den. Allein im Jahr 2035 – da sind wir noch nicht einmal ne sehr geehrten Damen und Herren, ich hofe, dass sich bei 2040 – reden wir über 80 Milliarden Euro zusätzlich viele engagierte Menschen mit Behinderungen, die in un- Jahr für Jahr. seren Betrieben arbeiten, für die Wahl zur Schwerbehin- dertenvertretung zur Verfügung stellen. Diese Schwer- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie behindertenvertreter in unseren Betrieben machen einen hoch ist dann das Bruttoinlandsprodukt?) tollen Job, und sie verdienen unser aller Unterstützung. Wie soll das fnanziert werden? Soll der Rentenbei- tragssatz zulasten der Jüngeren explodieren, was gera- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP de Geringverdiener überfordern würde? Setzen Sie auf und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie wundersame Brotvermehrung im Steuertopf? Wollen Sie des Abg. [DIE LINKE]) die Steuern erhöhen? Um das Volumen einmal klarzu- Mehr fördern denn je, Leistungsverbesserungen für machen: Das wäre eine Mehrwertsteuersatzerhöhung in diejenigen, die besonders der Hilfe und Unterstützung Höhe von 6 Prozentpunkten oder das vierfache Volumen bedürfen, verantwortungsvolle Zukunftsvorsorge tref- des heutigen Solis. Diese Fragen müssen Sie beantwor- fen – das ist die, wie ich fnde, gute Botschaft des Bun- ten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Ko- deshaushaltes 2019. Es ist eine insgesamt gute Botschaft alition. für unser Land und für unsere Mitbürgerinnen und Mit- ( [SPD]: Das tun wir auch, (B) bürger. keine Sorge!) (D) Vielen Dank. Das tun Sie aber nicht, (Andrea Nahles [SPD]: Doch, gerne!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) und das ist erschreckend; denn „Wünsch dir was“ ist kein Politikkonzept, liebe Kolleginnen und Kollegen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der FDP – Andrea Nahles [SPD]: Nächster Redner ist der Kollege Johannes Vogel, FDP. Was ist denn Ihr Konzept? Was wollen Sie (Beifall bei der FDP) denn? Sagen Sie lieber, was Sie wollen!) Kommen Sie mir nicht mit der Begründung, die der Bundesfnanzminister in den letzten Wochen in einem Johannes Vogel (Olpe) (FDP): Zeitungsinterview gegeben hat. Da hat er nämlich ge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In sagt: Ja, der Bundeshaushalt steigt im Schnitt um etwa der Tat kann man nicht in der ersten Debatte zu Arbeit 3 Prozent Jahr für Jahr, und damit könnte man die Mehr- und Soziales nach der Sommerpause und erst recht nicht ausgaben fnanzieren. – Er hat vergessen, zu erwähnen, in einer Haushaltsdebatte sprechen, ohne auf das Schau- dass auch in den letzten Jahren der Rentenzuschuss spiel einzugehen, das Union und SPD in diesem Sommer ohnehin jedes Jahr um 3 Prozent gestiegen ist, weil die in der Rentenpolitik veranstaltet haben. Löhne steigen und wegen Ihrer allgemeinen Rentenpoli- tik. Dasselbe Geld zweimal ausgeben, geht nicht, liebe (Katja Mast [SPD]: Welches Schauspiel? Das Kolleginnen und Kollegen. Für neue Rentenausgaben war kein Schauspiel!) können Sie das nicht verwenden. Vom Bundesfnanzmi- nister erwarte ich mehr, nämlich ein Konzept und keine Das Rentenpaket der Großen Koalition ist noch nicht ein- Milchmädchenrechnung. mal durch den Bundestag, da will ausgerechnet der Bun- desfnanzminister die milliardenschweren Mehrausgaben (Beifall bei der FDP) der Großen Koalition, die Gießkannenpolitik, die Sie in Nicht besser als die SPD – das muss ich allerdings der Rente machen, auch noch dauerhaft festschreiben, auch sagen – ist die Union. ohne zu sagen, wie er das fnanzieren will. Liebe Kol- leginnen und Kollegen, das zeigt, dass Ihre Politik An- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sprüche schaft, die dauerhaft unfnanzierbar sind. Unf- sehe ich aber anders!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5265

Johannes Vogel (Olpe) (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben über den ganz konkrete individuelle Rente schrumpft, wenn Sie (C) Sommer ein bisschen auf mich gewirkt wie der Zau- von sinkendem Rentenniveau reden. berlehrling: die Geister, die ich rief. Wir haben immer gefragt: Wie sollen die Ansprüche, die Sie in Ihrem Ren- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ver- tenpaket jetzt postulieren, dauerhaft fnanziert werden? gleichen Sie einmal die Zugangsrenten! Dann Sie haben gesagt: Ja, bis 2025 ist das kein Problem. – werden Sie sehen, wie die Rente sinkt!) Die Debatte über den Sommer zeigt, dass man so schnell Die Wahrheit ist aber: Die Renten steigen auch künftig – nicht von Ansprüchen runterkommt, die man einmal in nur etwas weniger stark als die Löhne. Einen anderen die Welt gesetzt hat. Eindruck zu kreieren, halte ich, gerade angesichts der Herausforderungen durch Populisten, für fatal. Liebe Kollegen, was macht in der Lage ausgerechnet die CSU? Die nutzt den Sommer auch, um schon wie- (Beifall bei der FDP – Andrea Nahles [SPD]: der neue versicherungsfremde Leistungen zu fordern. Da Es hat nie jemand etwas anderes behauptet!) fragt man sich doch: Was für ein Gedanke steht eigent- lich hinter Ihrer Sozialpolitik? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer glaubt, dass er bei Herausforderungen durch Populisten einfach nur (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ge- das Portemonnaie zücken muss, der wird scheitern. Ein rechtigkeit!) Scheitern können wir uns hier aber nicht erlauben. Wissen Sie: Was mich am meisten stört, ist, dass all diese (Beifall bei der FDP) Vorschläge, die im Wochentakt von Ihnen kommen, nicht Ich will zum Abschluss noch auf einen Punkt einge- zielgerichtet gegen Altersarmut helfen, sondern Sie viel- hen, den ich eben vom Kollegen Peter Weiß gehört habe. mehr das Geld mit der Gießkanne auskippen. Lieber Peter Weiß, ich fnde schon bemerkenswert, dass die Große Koalition sich hierhinstellt und sagt: Wir sind (Beifall bei der FDP) stolz darauf, dass wir die Menschen durch die Senkung Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in der des Arbeitslosenversicherungsbeitrags um 0,5 Prozent- Rentenpolitik endlich wieder in Jahrzehnten denken und punkte entlastet haben. – Das ist – zurückhaltend formu- nicht in Legislaturperioden. liert – irreführend. (Otto Fricke [FDP]: Genau!) Wirklich erschreckend ist – das ist mir wichtig, weil ich fnde, dass das die Ebene ist, über die wir hier in der Sie beschließen zum einen eine Senkung des Ar- Debatte sprechen müssen – die Begründung des ganzen beitslosenversicherungsbeitrags um 0,5 Prozentpunkte. (B) Vorschlags, das – so haben wir gelesen – verhindere einen Auf der anderen Seite kündigen Sie an, dass Sie genau (D) deutschen Trump. Ähnliches haben wir übrigens auch im selben Zeitraum den Pfegeversicherungsbeitrag um schon vom Bundesinnesminister, von , 0,5 Prozentpunkte heben werden. in den letzten Monaten gehört. Ich fnde es wirklich be- sorgniserregend, wenn das der Stand der Analyse der (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Bundesregierung in der Frage ist, wie man auf die He- Wir wollen doch eine bessere Pfege!) rausforderungen durch Populisten reagiert, und es ist auf Gleichzeitig sorgt Ihre Rentenpolitik dafür, dass der mehreren Ebenen abwegig. Rentenbeitrag schneller und stärker steigen wird als ur- sprünglich geplant. Erstens. Wir haben ja schon in der letzten Legislatur- periode eine beispiellose Leistungsausweitung in der So- (Katja Mast [SPD]: Was will denn die FDP?) zialpolitik erlebt – so stark wie in den letzten Jahrzehnten nicht –, und nach dieser Legislaturperiode sitzt eine neue Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind vielleicht rechtspopulistische Kraft hier im Parlament. Also ofen- mit dem Ziel einer Entlastung der Bürgerinnen und Bür- bar funktioniert das Konzept nicht. ger gestartet, sind aber bei einer perspektivischen Mehr- belastung der Bürgerinnen und Bürger angekommen. Da Zweitens. Wir müssen doch einmal gemeinsam über- sollten Sie auch keinen anderen Eindruck erwecken. Das legen: Was macht Populisten stark? Ich glaube, es sind in ist unehrlich. erster Linie Ängste, weil sie die Ängste dann in Richtung (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- Minderheiten lenken oder an beiden Rändern des politi- ten der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE schen Spektrums einfache Antworten für komplexe Pro- LINKE]: Sie wollen doch nur die Beiträge der bleme versprochen werden können. Arbeitgeber niedrig halten!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Stop! Bei uns gibt es komplexe Antworten auf kom- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: plexe Probleme!) Herr Kollege Vogel, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit. Ängste schüren aber auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition. Lieber Hubertus Johannes Vogel (Olpe) (FDP): Heil, ich habe eben auch von dir wieder gehört, die Ren- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ich hatte mit te würde schrumpfen. Wir können ja auch einmal eine dem Kollegen Fricke vereinbart, dass die Zeit bei ihm Umfrage machen, wie viele Menschen glauben, dass ihre entsprechend abgezogen wird. 5266 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Durch die soziale Spaltung wird die Verunsicherung (C) Der Arme. vorangetrieben und damit auch die innere Sicherheit in unserem Land aufs Spiel gesetzt. Das dürfen wir nicht (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) zulassen.

Johannes Vogel (Olpe) (FDP): (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. – Liebe Schauen wir auf die Kinderarmut. Sie ist höher als Kolleginnen und Kollegen, geben Sie der Sozialpolitik ofziell angegeben. Nach Schätzung des Kinderschutz- eine ganz andere Richtung! Helfen Sie durch Maßnah- bundes tauchen etwa 1,4 Millionen bedürftige Kinder men in der Rentenversicherung zielgerichtet gegen Al- in ofziellen Sozialhilfestatistiken überhaupt nicht auf. tersarmut! Modernisieren Sie die Rente, zum Beispiel Die Gründe sind bürokratische Hindernisse oder auch die durch fexiblen Renteneintritt, und machen Sie die kapi- Scham der Eltern. Es leben also 4,4 Millionen Kinder in talgedeckte Vorsorge, die wir in einer alternden Gesell- einem der reichsten Länder der Welt in Armut. Das ist schaft brauchen, endlich besser! nicht nur eine Schande, sondern auch das verstärkt die (Pascal Meiser [DIE LINKE]: Weil die ja soziale Unsicherheit und muss dringend bekämpft wer- funktioniert! – Andrea Nahles [SPD]: Das den. funktioniert ja hervorragend!) (Beifall bei der LINKEN) Das wäre moderne Rentenpolitik. Schauen wir auf den Mindestlohn. Wir als Linke ha- Vielen Dank. ben viele Jahre für die Einführung des Mindestlohnes gekämpft. Es ist gut, dass es ihn endlich gibt. Aber wir (Beifall bei der FDP) wissen genau: Er ist zu niedrig. Der Mindestlohn muss auf mindestens 12 Euro pro Stunde erhöht werden, damit Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die Menschen wirklich anständig davon leben können. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, (Beifall bei der LINKEN) Fraktion Die Linke. Schauen wir uns den immer unsicherer werdenden (Beifall bei der LINKEN) Arbeitsmarkt an. 7 Millionen Menschen arbeiten in un- serem Land im Niedriglohnsektor, bei 1,2 Millionen Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Menschen reicht der Lohn nicht zum Leben, sie müssen Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten zum Amt gehen und aufstocken, und eine weitere Million (B) Damen und Herren! Der Etat für Arbeit und Soziales ist Menschen sind als Leiharbeiter tätig, ganz zu schweigen (D) der größte Einzelplan im Bundeshaushalt, und darum, von den 3,2 Millionen Beschäftigten, die nur befristet fnde ich, müssen wir ihn auch in einen größeren Zusam- angestellt sind. So viel soziale Unsicherheit im Arbeits- menhang stellen. Es ist der zehnte Jahrestag der Finanz- leben ist eine Gefahr für unsere Demokratie, und wir krise, und die Krisenkosten haben eben nicht die 1 Pro- müssen unsere Demokratie verteidigen, meine Damen zent Superreichen und auch nicht die kriminellen Banker und Herren. bezahlt, sondern die Menschen, die ihr Geld auf ehrliche Weise verdienen. Das ist ungerecht und unsozial, und das (Beifall bei der LINKEN) werden wir immer wieder anprangern. „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, sagte Karl Marx, (Beifall bei der LINKEN) und er hatte recht. Im Unterschied zur FDP, die gerade vor mir gespro- Schauen wir auf die Rente. In meinem Wahlkreis chen hat, fordern wir natürlich höhere Steuern, und zwar Berlin-Lichtenberg hat sich die Zahl der Menschen, die für die richtigen Leute. Wir fordern eine Vermögen- und Grundsicherung im Alter beziehen müssen, weil die Ren- eine Finanztransaktionsteuer. Dann könnten wir unser te nicht reicht, in nur vier Jahren um 25 Prozent erhöht. Land auch sozialer gestalten. Altersarmut ist besonders in Ostdeutschland ein zuneh- mendes Problem. Sie wissen alle, dass die Menschen, (Beifall bei der LINKEN) die 1990 in Rente gegangen sind, 100 Jahre alt werden Ich will das mit der Finanzkrise vielleicht noch etwas müssen, um vergleichbare Renten zu bekommen wie ihre konkreter erklären: Eine vierköpfge Familie hat mindes- Brüder und Schwestern, oder vielleicht nur Cousinen tens 3 000 Euro für die Pleitebanken bezahlt. Nun ist ja oder Cousins, in Westdeutschland. ein Familienentlastungsgesetz beschlossen worden. Da- Nun hat sich die vergangene Koalition dafür gefeiert, durch wird eine Familie mit zwei Kindern und einem dass die Ost- und die Westrenten angeglichen wurden. Jahresbruttoeinkommen von 66 000 Euro im Jahr knapp Ich will Ihnen erklären, warum das nicht ehrlich ist. Mit 600 Euro mehr in der Tasche haben. Das heißt also, dass „Mogelpackung“ ist das viel zu nett umschrieben; erst nach fünf Jahren die Belastung durch die Finanzkri- se ausgeglichen wird. Das ist doch eine Veralberung der (Beifall bei der LINKEN) Menschen. Das ist keine Politik für die Mehrheit, aber denn die Umrechnung der Ostlöhne, von vielen fälsch- genau das brauchen wir: eine Politik für die Mehrheit der lich als „Höherwertung“ bezeichnet, wird abgeschaft. Menschen in unserem Land. Das heißt konkret: Eine heute 54-jährige Verkäuferin im (Beifall bei der LINKEN) Osten wird mit ihrem Rentenbeginn wegen der wegfal- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5267

Dr. Gesine Lötzsch (A) lenden Umrechnung 360 Euro weniger Rente im Jahr be- Jetzt komme ich zu dieser Mütterrente II, weil Sie sich (C) kommen als ihre Kollegin in den alten Ländern. damit so rühmen. Ja, Sie machen jetzt etwas gesetzlich: Mütterrente II und Verbesserungen bei der Erwerbsmin- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist derungsrente. Bei dem Grundsatzstreit zur Rente wird es das!) aber bleiben; denn Sie haben eine Kommission einge- Ich fnde, das ist ungerecht und spaltet weiter. Das dürfen setzt, die sich mit dem Thema beschäftigen soll. Damit wir nicht zulassen. schieben Sie die eigentlichen Entscheidungen auf die lange Bank, weil Ihre doppelte Haltelinie nur von kurzer (Beifall bei der LINKEN) Dauer ist. Ich bezweife, dass diese Regierung wirklich Meine Damen und Herren, wir werden im kommen- etwas zur Nachhaltigkeit der Rente beitragen wird. Sie den Jahr 30 Jahre Mauerfall und im daraufolgenden werden erst einmal die Ergebnisse abwarten, dann wer- Jahr 30 Jahre deutsche Einheit feiern. Ich fnde, es ist den Sie darüber reden, und am Ende wird nichts dabei unerträglich, dass es in unserem Land noch solche Unter- herauskommen, und dann können wir uns wieder mit schiede gibt. Solche Unterschiede verstärken die soziale Wahlprogrammen beschäftigen, aber nicht mit dem, was Unsicherheit. Wir wollen Sicherheit für unser Land, und Sie verändert haben. dafür kämpfen wir. Dahinter steckt auch die Absicht, dass Sie verdecken Vielen Dank. wollen, was Sie mit der Mütterrente II wirklich machen. Man muss die Zahlen einmal nennen. Auch die Mütter- (Beifall bei der LINKEN) rente II wird nicht über Steuermittel fnanziert, wie es sich eigentlich gehören würde – denn das wäre die Soli- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: darisierung aller –, sondern nur von Beitragszahlerinnen Jetzt hat das Wort die Kollegin Ekin Deligöz, Fraktion und Beitragszahlern. Ich nenne Ihnen die Zahl: Von 2014 Bündnis 90/Die Grünen. bis 2025 werden die Beitragszahlerinnen und Beitrags- zahler alleine 90 Milliarden Euro aufbringen müssen, um (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das zu fnanzieren. Sie nennen das gerecht, ich nenne das ungerecht. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Das ständige Gezerre der Ko- Und dann legen Sie noch eins drauf: Die CSU ist im alition, das uns seit gestern schon wieder durch die Nach- Wahlkampf. Sie muss jetzt mit irgendetwas trumpfen. richten begleitet, hat leider auch vor dem größten Etat (B) Sie hat in Bayern gelernt, dass sie viele Geldgeschenke (D) des Haushalts keinen Halt gemacht. Ja, es ging hoch her, verteilen kann, und jetzt kommt sie mit der Mütterren- es wurden viele Themen behandelt, aber, ehrlich gesagt, te III. Diese Mütterrente III würde wiederum nur die hat sich das alles gar nicht rentiert. Ich will Ihnen auch Beitragszahlerinnen und Beitragszahler jährlich 3,8 Mil- sagen, warum. liarden Euro kosten. Sie sollten aus Bayern lernen. Die Herr Scholz hat die Rente leider nicht gerettet. Der Ar- Leute sind nicht so doof. Sie lassen sich nicht durch fal- beitsminister konnte sich bei den zusätzlichen Beitrags- sche Konstruktionen und irgendwelche Geldgeschenke satzsenkungen bei der Arbeitslosenversicherung nicht locken. Sie wollen Nachhaltigkeit und Zuverlässigkeit, durchsetzen. Dafür steigt der Beitragssatz zur Pfegever- sie wollen, dass Sie Verantwortung übernehmen. sicherung nicht wie angedacht um 0,2 Prozentpunkte, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sondern um 0,5 Prozentpunkte. Und nein, Herr Weiß, es geht nicht allein darum, ob die BA eine Rücklage hat Das Einzige, was Sie hier machen, ist Parteipolitik; aber oder nicht, sondern es geht darum, ob wir genug Mittel für Rentenstabilität sorgen Sie damit nicht. im BA-Etat haben werden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: sowie des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP]) Haben wir!) für Qualifzierung und Weiterbildung, um die Menschen Nur beim Thema Altersarmut sind Sie echt ruhig. Da in unserem Land ft zu machen für eine sich wandelnde geht es sehr ruhig zu. Bei der Erwerbsminderungsrente Arbeitswelt. unternehmen Sie jetzt einen Schritt nach vorne – da wäre mehr drin; (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!) (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Na!) Genau den Spielraum aber kürzen Sie zulasten der Bür- gerinnen und Bürger, und das ist falsch. das wissen Sie selbst –; aber bei der Grundrente, die frü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – her mal Lebensleistungsrente genannt wurde – es ist egal, Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: wie Sie das Kind nennen –, passiert eigentlich gar nichts. Nein!) Wenn es um Altersarmut geht, bemerkt man bei Ihnen keine Bewegung. Damit lassen Sie sich viel Zeit. Nicht Die ursprüngliche Idee war viel besser; aber Sie wollten nur wir Grüne, sondern auch die Wirtschaftsforschungs- es ja so. institute wie zum Beispiel das DIW sagen: Hier muss 5268 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Ekin Deligöz (A) ganz dringend gehandelt werden; hier muss wirklich et- den Zuschauerrängen hier oben! Wir leben in einer Zeit, (C) was geschehen. Aber wir sehen nichts. in der unsere Demokratie täglichen Angrifen ausgesetzt ist. Wir leben in einer Zeit, in der unsere Grundwerte – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – damit meine ich vor allen Dingen auch unsere Grund- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Euer rechte – Vorschlag ist auch nur 42 Euro über Grund- sicherung!) ( [AfD]: Besonders die Mei- – Herr Kollege, Sie kennen also unsere Vorschläge; die nungsfreiheit!) sind gut genug. täglich angegrifen werden. Deshalb ist es so wichtig, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist dass wir an dieser Stelle heute klarmachen, dass wir keine Lösung, 42 Euro mehr als die Grundsi- Verunsicherung, Hass und Hetze nur mit einer klaren cherung!) Haltung und dem Engagement für Sicherheit begegnen können. – Stellen Sie mir eine Frage, dann geht das nicht von mei- ner Redezeit ab. Wenn ich das Wort „Sicherheit“ in der Debatte zum Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia- Jetzt komme ich zu dem Bereich Arbeit: sozialer Ar- les unter der Federführung unseres Bundesarbeitsminis- beitsmarkt. Das ist ein Paradigmenwechsel. Das fnden ters Hubertus Heil in den Mund nehme, meine ich als wir super; aber Sie müssen das natürlich konsequent um- Sozialdemokratin vor allen Dingen soziale Sicherheit. setzen, und zwar auch im Etat. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die bisherigen Maßnahmeprogramme haben nämlich ge- Denn sie war gestern wichtig, sie ist heute wichtig, zeigt: Wenn Sie zu knapp kalkulieren, dann funktionieren und sie wird auch morgen wichtig sein. Wir Sozialde- diese Maßnahmen nicht, sondern laufen ins Leere. Ler- mokratinnen und Sozialdemokraten haben sie zu jedem nen Sie daraus. Der Erfolg hängt davon ab, ob wir genug Zeitpunkt fest im Blick. Denn es geht konkret darum: Finanzmittel dafür einstellen und ehrgeizig vorangehen. Machen wir das Leben der Menschen jeden Tag Schritt für Schritt besser? Genau darüber diskutieren wir heute, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wenn es um diesen Bundeshaushalt geht. Auch die Jobcenter haben wir im Blick. Da fexibili- (Beifall bei der SPD) sieren Sie jetzt ein bisschen. Das ist gut so. Im Verfahren wird sich zeigen, ob das genug ist oder nicht. Für die BA Lassen Sie mich dazu kommen, wo wir das tun. In die- (B) wird das aber trotzdem eine harte Zeit. ser Debatte wurde schon mehrfach angesprochen, dass (D) wir über den Sommer eine engagierte und, wie ich fnde, Auf zwei Punkte will ich am Schluss noch hinweisen. sehr gute Debatte über die Sicherheit der Rente, Leider passiert überhaupt nichts an der Stelle, an der wir den dringendsten Handlungsauftrag haben – dazu höre (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ich nichts –, nämlich beim Bildungs- und Teilhabepaket. NEN]: Na ja, na ja!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die den Generationenvertrag neu begründet, geführt ha- sowie des Abg. [FDP]) ben, auf Initiative von Olaf Scholz, dem Vizekanzler in Was ist mit Kinderarmut? Was können wir dagegen tun? dieser Bundesregierung. Was können wir auch präventiv tun? Damit beschäftigen (Otto Fricke [FDP]: Schlimm, dass diese Ini- Sie sich noch nicht einmal. tiative vom Bundesfnanzminister kommen Gott sei Dank passiert jetzt etwas bei den Rehamo- musste! – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Wie dellvorhaben. Das wurde auch Zeit. Sie haben sich damit fand eigentlich eure Rentenkommission diese wirklich lange Zeit gelassen. Endlich kommt da Schwung Initiative? Fühlte sie sich besonders ernst ge- rein. Das haben wir all den Menschen zu verdanken, die nommen?) sich aus der Zivilgesellschaft heraus stark dafür engagiert Ich bin dankbar, dass wir diese Debatte führen. Denn wir haben. Diese Menschen können das. Herr Minister, Sie haben in der Koalition in der letzten Legislatur gelernt, sollten das bitte auch tun. dass es nicht nur darum geht, mit konkreten Gesetzen für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) soziale Sicherheit zu sorgen – da waren wir auch in der letzten Legislatur unter unserer Arbeits- und Sozialminis- terin Andrea Nahles engagiert –, sondern dass wir auch

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Debatten über die Zukunft dieses Landes führen müssen. Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Mast, SPD. Ja, wir haben gemeinsam eine Rentenkommission (Beifall bei der SPD sowie des Abg. eingesetzt – ich darf Mitglied dieser Rentenkommission Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]) sein –, die sich mit der Zeit nach 2025 beschäftigt. Aber es ist auch wichtig, dass die Menschen in diesem Land Katja Mast (SPD): mit uns darüber diskutieren: Was heißt „Generationenge- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und rechtigkeit“? Was heißt es, nicht Jung gegen Alt auszu- Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf spielen? Was heißt es, für Sicherheit in der ersten Säule Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5269

Katja Mast (A) der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Land zu Drittens geht es um mehr Chancen auf Qualifzierung (C) sorgen? Genau das haben wir getan. in Zeiten der Digitalisierung, um bessere Mieten und vie- les, vieles Weitere, und zwar nicht nur bei der Debatte zu (Beifall bei der SPD) diesem Einzelplan, sondern in der gesamten Woche. Ich In diesem Haushalt fndet sich der erste große Schritt bin froh, dass diese Regierung das Leben der Menschen auf dem Weg dorthin. Arbeitsminister Heil hat es schon Tag für Tag besser macht. Wir müssen viel öfentlich ausgeführt – deshalb muss ich keine Details mehr nen- darüber diskutieren, auch darüber, wo die Unterschiede nen –: Wir setzen die doppelte Haltelinie bis zum zwischen den zwei bzw. drei Koalitionspartnern sind. Jahr 2025 um. Das heißt, endlich steigen die Renten wie- Nur dann kommt in diesem Land an, dass wir um dieses der so wie die Löhne. Das ist ein neues Versprechen an Leben der Menschen jeden Tag ringen. Ich bin froh, dass Alt und Jung in diesem Land. Dass wir die doppelte Hal- wir diesen Haushalt heute einbringen und eben mit Zu- telinie einführen, bedeutet auch, dass die Beitragssätze versicht in die Zukunft schauen. stabil bleiben. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Streng- mann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Das hat doch mit der Bundesregierung nichts Jetzt hat das Wort die Kollegin Ulrike Schielke-­ zu tun!) Ziesing, AfD. Wir schafen es zum allerersten Mal, durch Steuergelder (Beifall bei der AfD) eine Demograferücklage aufzubauen; das wird aus mei- ner Sicht noch viel zu wenig erwähnt. Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: „Rücklage“? Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ver- Wo wird das denn angespart, Katja?) ehrte Gäste! Was war das für ein Sommertheater, als Fi- Hier sorgen wir also ganz konkret für soziale Sicherheit. nanzminister Scholz Mitte August plötzlich ein stabiles Damit treten wir auch den Angrifen auf unsere Demo- Rentenniveau bis 2040 propagierte. Da spielte er den kratie jeden Tag engagiert entgegen. starken Mann, ein entsprechendes Finanzierungskon- zept bleibt er aber bis heute schuldig. Die Ankündigung Zweiter wichtiger Punkt: der soziale Arbeitsmarkt. hätte zu keinem Zeitpunkt ungünstiger sein können: Der Wir haben bzw. ich persönlich habe 13 Jahre gebraucht, Minister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, vertei- um meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU digt bis heute sein Rentenpaket als eine Bereicherung für (B) vom Konzept des sozialen Arbeitsmarktes als gesetz- Deutschland. (D) licher Grundlage zu überzeugen. Es geht dabei darum, dass Menschen, die in diesem Land am Rand stehen, (Zuruf von der SPD: Ist es ja!) endlich eine würdevolle Arbeit bekommen, eine Arbeit mit einem Arbeitsvertrag, die Perspektiven liefert und ih- Dabei werden wieder versicherungsfremde Leistun- nen wieder einen Grund gibt, in dieser Gesellschaft mit gen eingeführt, die die gesetzliche Rentenversicherung dabei zu sein. Ich fnde, das ist eine ganz große Errun- schröpfen und damit ein stabiles Rentenniveau bis 2040 genschaft. Denn wenn wir über soziale Sicherheit reden, enorm gefährden. Die SPD muss sich hier schon einigen, dann geht es nicht nur darum, ob die Leute von diesem was sie möchte: auf Kosten der Versicherten und Rentner Sozialstaat Geld bekommen, sondern es geht auch um weitere Geschenke verteilen oder die Rente zukunftssi- Teilhabe, Chancen und neue Perspektiven. Genau das cher gestalten? Mit Ihrem Sommerlochgetöse waren Sie schafen wir mit dem sozialen Arbeitsmarkt. nicht besonders hilfreich und verunsichern eher die Men- schen. (Beifall bei der SPD – Sven Lehmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit die- (Pascal Meiser [DIE LINKE]: Was wollen sem Gesetzentwurf!) Sie? – [SPD]: Was will die AfD?) In diesem Haushalt wird dafür von den 4 Milliarden Euro, die wir in der Koalition gemeinsam verabredet ha- Mit großem Brimborium hat Minister Heil sein Ren- ben, 1 Milliarde Euro bereitgestellt; das ist gut. In diesem tenpaket vorgestellt, das nichts Geringeres verspricht Haushalt fndet sich noch etwas, worüber wir uns schon als Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen. viele Jahre austauschen, nämlich die Finanzierung von Es geht um die doppelte Haltelinie, Verbesserungen bei Arbeit statt Arbeitslosigkeit in diesem Land. Endlich ha- Mütterrente und Erwerbsminderungsrente und die Ent- ben wir es durch den Haushaltsvermerk hinbekommen, lastung von Geringverdienern. Geringverdiener sollen dass 700 Millionen Euro jährlich im Rahmen eines Pas- bei den Sozialbeiträgen entlastet werden, um der Alters- siv-Aktiv-Transfers bereitstehen. Damit fnanzieren wir armut vorzubeugen. Diese Maßnahme geht rein technisch auch die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten für Lang- zulasten der zukünftigen Rentner, da diese Zuschüsse zeitarbeitslose, die in Zukunft wieder ein Vorbild für ihre durch eigene Rentenversicherungsbeiträge gestützt wer- Kinder sein können, weil sie einen Grund haben, mor- den müssen. Dazu sollen nämlich keine Steuermittel auf- gens aufzustehen. Ich fnde, was wir hier zusammen hin- gewendet werden. Dies bedeutet also, dass der Versuch, bekommen haben, ist eine große Leistung. Altersarmut zu bekämpfen, die gesetzliche Rentenver- sicherung ein weiteres Mal belastet. Die Besserstellung (Beifall bei der SPD) einer Einkommensgruppe darf aber nicht zulasten einer 5270 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Ulrike Schielke-Ziesing (A) anderen Einkommensgruppe gehen. Daher ist diese fk- keine Zuwanderung in unsere überlasteten Sozialsyste- (C) tive Höherbewertung eine versicherungsfremde Leistung me. und müsste aus Steuermitteln fnanziert werden. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Schafen Sie endlich mehr sozialversicherungspfich- Die Verlängerung der Zurechnungszeit bei Erwerbs- tige Stellen durch Anreize für die Wirtschaft statt mehr minderungsrenten ist grundsätzlich richtig und sinnvoll. Planstellen für Ihr Ministerium. Menschen, die in sozi- Aber auch diese Leistung ist versicherungsfremd und alversicherungspfichtigen Berufen tätig sind, stützen aus Steuermitteln zu fnanzieren. Wenigstens haben Sie unsere gesetzliche Rentenversicherung; das ist das beste sich nun bei der Mütterrente II in die richtige Richtung Rentenkonzept, das wir in Deutschland haben. bewegt und weichen von der Vorgabe aus dem Koaliti- (Beifall bei der AfD) onsvertrag ab, dass die Mütterrente II erst ab dem dritten Kind angerechnet werden soll. Allein diese Änderung Es ist bezeichnend, dass Sie für das gesamte Kapi- könnte bis zu 3,8 Milliarden Euro im Jahr kosten. Ich tel 1107 „Arbeitswelt im Wandel, Fachkräftesicherung“ gehe davon aus, dass sich wenigstens diese Leistung im gerade einmal 43 Millionen Euro zur Verfügung stellen, Haushaltsplan des BMAS niederschlägt, da die Beitrags- während für den Posten „berufsbezogene Deutschsprach- zahlungen für Kindererziehungszeiten im Kapitel 1102 förderung“ von Flüchtlingen 470 Millionen Euro bereit- extra ausgewiesen werden. Dass ich die Erhöhung die- gestellt werden. Damit investieren Sie keineswegs in die ses Titels bis jetzt nicht im Haushaltsplanentwurf fnden Zukunft Deutschlands. konnte, ist sicherlich nur ein Versehen des Hauses. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversi- Sie sind mit den hausgemachten Problemen überfordert, cherung schrammt im Jahr 2019 knapp an der 100-Mil- und das sehen die Bürger. liarden-Euro-Grenze vorbei. Der Zuschuss für versiche- rungsfremde Leistungen und die Beitragszahlungen für (Beifall bei der AfD) Kindererziehungszeiten liegen bei über 40 Milliarden Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Einzelplan 11 Euro. Würde man die versicherungsfremden Leistungen setzt wieder nicht die richtigen Akzente. Unser Minister ehrlich ansetzen, läge der Bundeszuschuss weit höher. für Arbeit und Soziales belastet mit seinen Reformen Bis dahin zahlen die Rentner durch eine geringere Ren- weiterhin sowohl Arbeitnehmer als auch Rentner in te und die Beitragszahler durch höhere Beiträge für die Deutschland. Dabei zahlen die Deutschen längst euro- Wahlgeschenke, die Minister Heil macht. paweit die höchsten Sozialabgaben. Eine Mehrbelastung (B) (Beifall bei der AfD) können wir ihnen einfach nicht mehr zumuten. (D) Damit haben Sie, verehrter Minister Heil, das Ziel – Si- (Beifall bei der AfD) cherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen – klar Lassen Sie die Arbeitnehmer nicht für Ihr Versagen verfehlt. bezahlen. Wir benötigen eine zukunftsfähige Sozialpoli- tik für Deutschland und nicht die allbekannten Eingrife In den anderen Kapiteln unterscheidet sich der Einzel- in die Rentenkasse. plan 11 des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2019 von dem des Vorjahres nur in wenigen Bereichen. Es werden Vielen Dank. weiterhin dieselben falschen Schwerpunkte gesetzt, ein Lernefekt ist nicht erkennbar. Wieder werden 470 Mil- (Beifall bei der AfD) lionen Euro in berufsbezogene Deutschsprachförderung gesteckt, obwohl der Abruf der Mittel weitaus geringer Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ist; 2017 lag er gerade mal bei rund 60 Millionen Euro. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Matthias Zimmer, Im Jahr 2018 sind wir im Moment bei 99 Millionen Euro CDU/CSU. angelangt. Das zeigt doch, dass die Migranten sich ent- weder nicht für eine berufsbezogene Sprachförderung in- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) teressieren oder es ihnen an Motivation mangelt, einen Beruf überhaupt ausüben zu wollen. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): (Beifall bei der AfD) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Haushalt, so schien es mir bei der Lektüre, kreuzen sich Ihre Wunschvorstellung, dass diese Menschen recht zwei Entwicklungslinien, die für die Defnition unseres schnell in die Sozialkassen einzahlen würden, hat sich Sozialstaats und der sozialen Marktwirtschaft in den nicht bewahrheitet. Es stellt sich die Frage, wie viel Pro- nächsten Jahren entscheidend sind. zent von ihnen überhaupt je in die Sozialkassen einzah- Da ist zum einen die Frage nach den Renten. Die Bun- len werden. deszuschüsse zur Rentenversicherung steigen deutlich (Beifall bei der AfD) an. Sie liegen im Haushaltsentwurf bei 93 Milliarden Euro. Das ist der bei weitem größte Ausgabeposten im Ein Industriestaat wie Deutschland benötigt qualifzierte Etat des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, um den wirtschaftli- Anstieg hat mit der Einführung der Mütterrente und der chen Aufschwung so weit wie möglich fortzuführen, und Verbesserung der Erwerbsminderungsrente zu tun – ein Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5271

Dr. Matthias Zimmer (A) entsprechendes Rentenpaket beraten wir demnächst im len Revolution wappnen: durch Investitionen in Aus- und (C) Deutschen Bundestag. Weiterbildung, auch in den Betrieben selbst; der Minister hat es in seiner Rede besonders erwähnt. Gleichzeitig machen wir uns Gedanken darüber, wie wir die Rente nachhaltig gestalten wollen. Menschen Ein weiterer Punkt erscheint mir wichtig, wenn wir brauchen in ihren Biografen, auch in ihren Nacharbeits- die Szenarien der Arbeitswelt in den nächsten Jahren biografen, ein Stück Berechenbarkeit. Deswegen war es aufspannen, die Frage nämlich, welche Investitionsbe- richtig, dass wir eine Rentenkommission eingesetzt ha- dingungen in Deutschland vorherrschen. Unser Standort- ben, die diese Fragen für uns klärt. vorteil war bislang: ein hoher sozialer Friede durch eine funktionierende Sozialpartnerschaft, gut ausgebildete Richtig ist auch, dass wir gesagt haben: Wir machen Menschen und eine gute Infrastruktur. Wir waren immer bis 2025 eine doppelte Haltelinie, und zwar sowohl be- ein wenig teurer, aber auch ein wenig besser. Das soll zogen auf den Beitrag als auch auf das Rentenniveau. so bleiben. Deswegen brauchen wir ein Zuwanderungs- Ich fnde, das ist schon eine beachtliche Leistung. Für gesetz, das gut ausgebildeten Menschen in Deutschland die CDU sage ich: Wenn das unsere Idee gewesen wäre, eine Perspektive bietet – damit sie helfen, Deutschland hätten wir diese ordentlich abgefeiert. eine Perspektive zu geben. (Beifall des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- [CDU/CSU]) ordneten der SPD) Ich will den Kollegen der Sozialdemokratie ja keine Rat- Wir brauchen starke Sozialpartner und nicht Firmen, schläge erteilen, aber der positive kommunikative Efekt die lediglich Trittbrettfahrer der Sozialpartnerschaft sind. dieser Haltelinie ist durch die zeitgleiche Blutgrätsche Deswegen ist es richtig, Flexibilisierungsmöglichkeiten des Finanzministers leider verpuft. für Firmen von einer funktionierenden Sozialpartner- (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) schaft abhängig zu machen. Das war keine kommunikative Meisterleistung. Wir brauchen schließlich und vor allem eine ofene Gesellschaft, weil wir nur so in einer globalisierten Wirt- (Beifall bei der FDP) schaft bestehen können. Ich persönlich glaube, dass ein Aber zu ernsteren Themen. Meine Damen und Herren, Protektionismus, wie ihn die Vereinigten Staaten zurzeit schaut man sich Szenarien der langfristigen Entwicklung vorleben, zu Wohlstandsverlusten führt. Und ich bin zu- von Rentenniveau, Bundeszuschuss und Beitragshöhe an, tiefst davon überzeugt, dass nationalistische und frem- so basieren diese Szenarien in der Regel auf bestimmten denfeindliche Parolen nicht helfen, den Standort zu ent- Grundannahmen. Einige Grundannahmen sind recht sta- wickeln und attraktiv zu halten, weder in den USA noch (B) bil, etwa der demografsche Aufbau unserer Gesellschaft, hier. (D) andere sind es nicht, etwa die Frage des Wachstums, der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Produktivität oder der Attraktivität unseres Standorts. SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE Das bringt mich zur zweiten Entwicklungslinie, sym- GRÜNEN) bolisiert im Haushalt an dem verdienstvollen Vorhaben, Meine Damen und Herren, in einem kleinen Büchlein eine Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft einzurich- las ich dieser Tage den Satz, das Konservative sei eine ten. Lebensnotwendigkeit für eine gleichgewichtige, das Hu- Meine Damen und Herren, die Debatte darüber, mane achtende gesellschaftliche Entwicklung. Das fnde welche Konsequenzen die digitale Revolution für das ich richtig; denn wir dürfen Menschen bei der rasanten Arbeitsleben hat, ist längst in vollem Gange. Viele Be- Entwicklung der Globalisierung nicht überfordern. Wir obachter scheinen der Ansicht zu sein, dass wir Zeiten dürfen nicht zulassen, dass das, was den Menschen wich- entgegengehen, in denen sich Arbeitsbeziehungen und tig ist, zerstört wird: Familie, Freunde, religiöse Bezü- Arbeitsformen ebenso disruptiv, also revolutionär, verän- ge, die Freude an der Natur und vieles mehr. Das macht dern wie zu Beginn der industriellen Revolution. Menschen krank, und kranke Menschen sind keine Leis- tungsträger. Das hatte vielleicht auch Papst Franziskus Eine Studie des IAB aus dem Jahr 2018 schätzt die im Auge, als er von einer Wirtschaft sprach, die tötet. Arbeitsplatzverluste für die Bundesrepublik auf etwa Eine solche Wirtschaft wollen wir nicht. 25 Prozent ein, sprich: Ein Viertel aller Arbeitsplätze entfällt durch digitale Innovation, durch Robotik, durch (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜND- 3-D-Druck und viele andere technologische Revoluti- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- onen. Gegenzurechnen sind die Arbeitsplätze, die neu ten der SPD) entstehen. Aber diese Anzahl ist deutlich schwerer abzu- Wir wollen aber auch nicht, dass das Humane durch schätzen. falsche Frontstellungen zerstört wird: Frontstellungen Somit kreuzen sich zwei Szenarien. Auf der einen Sei- zwischen Jung und Alt, zwischen den Geschlechtern, te wollen wir brauchbare und valide Zahlen, auf denen zwischen unterschiedlichen Herkunftsbiografen in wir unsere Planung für die Renten bis 2040 basieren kön- Deutschland. Auch das macht die Stärke unseres Wirt- nen. Auf der anderen Seite macht uns die digitale Revo- schaftsstandorts aus. Wer Menschen wegen ihrer Her- lution deutlich, dass solche Zahlen vermutlich auf Sand kunft oder ihrer Hautfarbe unter Generalverdacht stellt, gebaut sein könnten. Deswegen erscheint mir richtig, wer zum Jagen aufruft und sich dann klammheimlich dass wir uns gegen absehbare Konsequenzen der digita- freut, dass dies als Auforderung zum Zuschlagen durch- 5272 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Dr. Matthias Zimmer (A) aus richtig verstanden wurde, der darf sich nicht wun- Reden wir darüber? Sagen wir, dass wir da fexibler (C) dern, wenn ein Standort wie Deutschland an Attraktivität sein müssen? Nein! Insbesondere Sie von der linken Sei- einbüßt. Ich verstehe es, wenn man zögert, in einem Land te gaukeln den Menschen vor, zu investieren, in dem es zu Jagdszenen gegen Minder- heiten kommt, in einem Land, in dem Kleinkriminelle, (Zurufe von der LINKEN) Neonazis und AfD-Funktionäre eine unheilige Allianz dass Sie, wenn Sie konkrete Zahlen versprechen, sie auch eingehen. einhalten können. Das Nichteinhalten liegt doch nur an einer einzigen Sache: Sie können nicht rechnen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Sie können nicht Rente!) Das Fehlen dieser Investitionen zerstört aber die Zukunft vieler Menschen, die auf einen sicheren Arbeitsplatz hof- Ich will das mal ein wenig verdeutlichen: Wenn wir fen, die berechenbare Lebensperspektiven wollen. Diese uns die geplanten Mehrausgaben angucken – auch der Fi- mutwillige Zerstörung der Zukunft dieser Generationen nanzminister sagt ja, dass sie alle in Zukunft dem Bereich hat aber mit dem Humanum oder dem Konservativen nun „Arbeit und Soziales“ zustehen; er sagt auch, dass wir bei rein gar nichts zu tun. einem Wachstum von 3 Prozent jeden Rentenzuschuss hinbekommen –, dann gebietet es die Ehrlichkeit, zu sa- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gen: Von den geplanten Mehrausgaben, die der Finanz- der SPD) minister in der Finanzplanung, über die wir heute auch reden, vorgesehen hat, entfallen allein 50 Prozent auf die Meine Damen und Herren, der Autor der Zeilen über großen Rentenzuschüsse. Wenn man das zusammenrech- das Humane und das Konservative war im Übrigen net, dann sieht man: 65 Prozent aller Mehrausgaben sind . Lange ist es her. alle rentenpolitischen Leistungen. Wenn Sie den Haus- halt für Arbeit und Soziales insgesamt betrachten, dann (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) erkennen Sie, dass 70 Prozent der Mehreinnahmen bis 2022 alleine für diesen Haushalt rausgehen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Das ist eine riesige Verantwortung, der Sie nicht ge- Jetzt hat das Wort der Kollege Otto Fricke, FDP. recht werden; denn mit den anderen 30 Prozent muss auch die Zukunft dieses Landes gestaltet werden. Wenn (Beifall bei der FDP) ich die Beiträge der Großen Koalition, aber auch der Lin- ken in dieser Debatte hier höre, dann wird mir klar, dass (B) es Ihnen nur um diesen Haushalt geht. Sie müssen aber (D) (FDP): Otto Fricke doch irgendwann auch mal erkennen, dass dieser Haus- Geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- halt nicht das Einzige ist, was dieses Land groß macht. nen und Kollegen! Herr Kollege Zimmer, ich danke für Dass Ihnen 70 Prozent der Mehreinnahmen in Zukunft die nachdenkliche Rede; eine solche tut auch einmal gut. zustehen – darüber muss man noch reden –, mag der Ich konnte vielem zustimmen, an einem Punkt aber will Finanzminister mit seiner Äußerung auch noch unter- ich direkt ansetzen: Sozialpolitik muss neben der Ver- stützen, aber, verdammt nochmal: Zukunft ist mehr als antwortung für den Mitmenschen am Ende immer auch immer nur das Versprechen von neuen Leistungen, von stimmen, muss sich rechnen – nicht im Interesse von Ein- denen Sie nicht wissen, wer sie bezahlen soll. zelnen, sondern im Interesse der Gesellschaft. Wenn Sie beim Thema Rente von den zwei Haltelinien gesprochen (Beifall bei der FDP – Dr. [DIE haben, haben Sie bewusst die beiden anderen Haltelinien, LINKE]: Das sagt die FDP!) nämlich die Frage des Renteneintrittsalters und die Frage – Das sagt die FDP, ja. des Bundeszuschusses, nicht erwähnt. Dass der andere Teil nie richtig erwähnt wird, ist die eigentliche Krux bei Zu den Themen Verantwortung, Mitmenschlichkeit dieser Debatte. und anderes: Es war für mich in dieser Woche aus per- sönlichen Gründen sehr interessant, zu sehen, wie wir Wenn wir über die Frage reden, wann man denn in Abgeordneten unsere persönliche Verantwortung wahr- Rente gehen kann: Der hinter mir sitzende Präsident hat nehmen. Ich fnde es immer schön, wenn das angespro- durch seine Leistung gezeigt, dass die Antwort auf die chen wird. Frage, wann das richtige Alter für den Renteneintritt ist, Eben gab es zum Beispiel dieses hämische Lachen, nichts mit einer Zahl zu tun hat, sondern damit, welche weil der Kollege Vogel mir angeblich eine Minute Re- Leistungen man erbringen kann, und wenn es solche dezeit weggenommen hat. Erstens war es besprochen, sind, wie die am Dienstag in der Rede, dann sind sie gut. zweitens ist es, selbst wenn es nicht besprochen gewe- Damit müssten wir uns eigentlich viel mehr beschäftigen sen wäre, eine gute Tat und nichts, worüber man lächeln als mit der reinen Zahl; kann, wenn ich einem Freund eine Minute mehr Redezeit (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gebe. (Zurufe von der LINKEN) denn es gibt Menschen, bei denen es mit 60 nicht mehr geht, es gibt aber auch Menschen, wie wir hier ja erlebt – Das ist genau wieder dieselbe Art. Für Sie geht es bei haben, bei denen es mit über 70 noch geht. der Frage, wer sozial verantwortlich ist, immer nur um Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5273

Otto Fricke (A) Gleichmacherei. Für uns ist das eine Frage der Verant- Katja Kipping (DIE LINKE): (C) wortung. Fragen Sie doch mal in Ihrer ach so sozialen Herr Präsident! Werte Zuschauerinnen und Zuschau- linken Fraktion nach, wie viele Abgeordnete einen Aus- er! Meine Damen und Herren! Herr Fricke, Ihre Einlas- zubildenden haben. Wenn Sie diese Frage mit „null“ be- sungen zum späteren Renteneintrittsalter waren wirklich antwortet haben, dann können wir sehr gerne weiter über entlarvend. Ofensichtlich kommt es Ihnen nicht in den soziale Verantwortung reden. Es kommt auf das Handeln Sinn, dass die Arbeitssituation für etwas betagtere Men- und nicht auf das Reden an. schen, zum Beispiel in der Altenpfege oder beim Gerüst­ bau, so schwer ist, dass man sie nicht einfach mit der (Beifall bei der FDP) Arbeit hier im Bundestag vergleichen kann. Meine Damen und Herren, ich möchte kurz noch auf (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- die Bundesagentur für Arbeit eingehen. Herr Minister neten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Das habe Heil, ja, wir senken den Beitrag. Kollege Vogel hat sehr ich doch genau gesagt! Genau das habe ich ge- schön dargestellt, was an dieser Stelle noch fehlt, dass sagt! – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Schon Sie nämlich auch hätten sagen müssen, dass es dafür an zuhören, nicht selektiv hören!) anderer Stelle zu einer Erhöhung kommt. Das wird gleich der Kollege Spahn tun, und er wird sagen: Wir erhöhen. – Dieser Haushaltsentwurf zeigt vor allem eins: die Be- Das ist dann auch sicherlich nicht falsch. grenztheit dieser Bundesregierung. Die Lage im Land ist verdammt ernst. Zukunftsängste, Ausgrenzung, soziale Kollege Heil, Sie hätten wenigstens so ehrlich sein Spaltung treiben die Gesellschaft auseinander. Die Fein- sollen, zu sagen, dass Sie in arbeitsmarktpolitisch besten de der Demokratie nutzen das für ihre Zwecke. Zeiten die Bundesagentur für Arbeit mit neuen Ausgaben belasten und dabei auch den Beitragszahler einbeziehen. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, genau! „Feinde Sie hätten den Beitrag noch weiter senken können. Wenn der Demokratie“!) Sie sich Ihre Vereinbarungen im Koalitionsvertrag angu- Wir stehen also vor großen Aufgaben: Es gilt, die Demo- cken, dann hätten Sie auch ehrlich sagen müssen: Es läuft kratie zu verteidigen und die soziale Spaltung in diesem zwar alles gut, aber, lieber Beitragszahler, wir bauen die Land zu überwinden. Beides erfordert Mut: den Mut zu Leistungen noch einmal aus. grundlegenden Alternativen. Kosmetische Korrekturen Selbst wenn das in Ordnung ist, weil man irgendwann werden dem Ernst der Lage nicht gerecht. ja auch mal für neue Leistungen aus den Beitragsgeldern (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- sorgen muss, müsste man als Minister doch eigentlich neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) auch sagen: In guten Zeiten brauchen wir bestimm- (D) te Leistungen vielleicht nicht. – Streichen Sie wirklich Nun sehe ich ja, dass sich die SPD redlich müht, Leistungen in diesem Bereich? Nein, das tun Sie nicht. Konfikte mit der Union einzugehen: bei der Rente, Sie geben mehr Geld für alle von niemandem, und das beim Wohnen und in der Arbeitsmarktpolitik. Was aber soll am Ende noch irgendjemand glauben. Das funktio- am Ende als konkretes Regierungshandeln rauskommt, niert einfach nicht. bleibt oft auf dem Niveau kosmetischer Korrekturen. Auch eine kleine Verbesserung wie bei der Erwerbs- (Beifall bei der FDP) minderungsrente ist möglich. Aber am Ende, wie zum Beispiel beim Rentenniveau, bleibt es vor allen Dingen Zum Schluss will ich kurz sagen: Wir werden uns in Symbolpolitik. Liebe SPD, das wird dem Ernst der Lage den Haushaltsberatungen sehr genau angucken, was mit wirklich nicht gerecht. den Leistungen für Langzeitarbeitslose, für die wir was tun müssen, wirklich passiert, ob § 16e und § 16i SGB II (Beifall bei der LINKEN) funktionieren. Ich fürchte, dass da leider dasselbe he- rauskommen wird wie bei diesem Haushalt: Sie können Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht. An der Seite dieser weder Mathematik, noch können Sie rechnen, aber Sie Union wird die SPD die soziale Spaltung im Land nicht können im Sommer schöne Erklärungen abgeben. überwinden. Ja, diese Regierung hat einfach ausgedient. (Beifall bei der LINKEN) Herzlichen Dank. Ich will aus Zeitgründen nur einige Probleme von (Beifall bei der FDP – Peter Weiß [Emmen- vielen ansprechen, die auch im Haushalt deutlich wer- dingen] [CDU/CSU]: Man muss es halt ver- den. Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, dass der suchen! Ohne Versuch haben wir gar nichts! – Hartz-IV-Regelsatz nur eine sehr kleine Anzahl Men- Gegenruf des Abgeordneten Otto Fricke schen im Land und immer nur die anderen trefen würde. [FDP]: Deshalb gucken wir es uns an!) Tatsache ist aber, dass 7,4 Millionen Menschen direkt von der Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes betrofen sind Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: und von diesem Geld abhängig sind. Umso mehr, sage ich, ist es unerträglich, dass dieser Satz immer wieder Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping, gezielt politisch kleingerechnet wird. Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten der SPD) 5274 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Katja Kipping (A) Unter den 7,4 Millionen Menschen sind auch eine hal- Fangen wir bei den Kindern und Familien an: Es ist (C) be Million armer Altersrentner mit der Grundsicherung. unerträglich, dass in einem reichen Land wie Deutsch- Wir wissen, dass viele, die Anspruch darauf hätten, die land knapp 2 Millionen Kinder in Hartz IV leben und Leistungen nicht beantragen: aus Scham, aus Unsicher- noch mehr Kinder armutsgefährdet sind. Kinder haben heit und Angst. Zur ofziellen Armut kommt also noch eigene soziale Rechte. Deswegen wird es Zeit, die Fami- die verdeckte Armut hinzu. Wir reden auch über Men- lienförderung endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen, schen, die nach einem langen Leben, womöglich mit so und es wird Zeit, eine Kindergrundsicherung zu schafen, manchem Schicksalsschlag, am Ende mit einer mickri- von der alle Kinder proftieren. gen Rente ihren Lebensabend fristen müssen und ihre Rente oft noch durch Flaschensammeln aufbessern müs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sen. Ich fnde, diese Menschen haben einfach ein Recht Dafür bräuchte es aber den Mut zum Systemwechsel, und auf einen würdevollen Lebensabend. genau der fehlt dieser Bundesregierung, liebe Kollegin- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nen und Kollegen. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen gibt es einen Flickenteppich an Einzel- Deshalb reicht es nicht, dass Rentenniveau zu halten, maßnahmen. Die Erhöhung von Kindergeld und Kin- sondern das Rentenniveau muss deutlich erhöht werden, derfreibeträgen geht komplett an armen Familien vorbei. auf mindestens 53 Prozent. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle, zum Beispiel, um die Kinderregelsätze endlich so auszugestalten, dass Fa- (Beifall bei der LINKEN) milien in Hartz IV sich auch mal einen Ausfug oder ein Geburtstagsgeschenk leisten können. Das können näm- Deshalb brauchen wir soziale Garantien, die alle Men- lich viele dieser Familie nicht. schen in diesem Land sicher vor Armut schützen, wie eine solidarische Mindestrente, damit kein Rentner und Auch beim Bildungs- und Teilhabepaket herrscht gro- keine Rentnerin unter 1 050 Euro fällt. ße Mutlosigkeit. Die Idee war ja eigentlich, Kindern den Zugang zu Bildung, Kultur und Sport zu ermöglichen, (Beifall bei der LINKEN) die sich das sonst nicht leisten können. Herausgekommen Um es zusammenzufassen: Nötig ist ein mutiger Ein- ist aber ein großes Bürokratiemonster. Rund 3 Millionen satz für ein Land, in dem alle garantiert vor Armut ge- Kinder in Deutschland haben einen Anspruch darauf, und schützt sind, in dem die Mitte deutlich besser gestellt ist gerade einmal rund 600 000 nehmen diese Leistungen in und in dem die Arbeit sicher vor Armut schützt. Ja, so Anspruch. Das ist eine verdammt schlechte Bilanz, liebe können wir die soziale Spaltung in diesem Land überwin- Kolleginnen und Kollegen. (B) den. So können wir die Demokratie verteidigen. Doch (D) dieser Haushalt wird diesem Anliegen nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Insofern sage ich: Dieser Haushaltsentwurf ist für mich vor allem eins: ein Ansporn, für eine andere Re- Jetzt kündigt die Union an, die Leistungen für den gierung weiterzukämpfen und für andere Mehrheiten in Schulbedarf um 20 Euro erhöhen zu wollen. Schön und diesem Land, und zwar für fortschrittliche Mehrheiten. gut, aber ich sage Ihnen: Seien Sie doch einfach mutig! Schafen Sie das Bildungs- und Teilhabepaket ab! Ge- Vielen Dank. ben Sie das Geld lieber in höhere Kinderregelsätze, und geben Sie es den Kommunen, damit die vor Ort gute An- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- gebote für Kinder kostenfrei ermöglichen können. Das neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wäre mutige Sozialpolitik, die die Kinder und Familien auch spüren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nächster Redner ist der Kollege Sven Lehmann, Bündnis 90/Die Grünen. Apropos Mut. Die Sommerpause stand ja ein bisschen unter dem Motto: Die SPD möchte ihr sozialdemokrati- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sches Profl wieder stärken. Und ich sage Ihnen: Ich fand das sogar gut. Ich fand es gut, dass die Republik endlich Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): einmal über Themen diskutiert, die die Menschen im All- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tag wirklich bewegen. Mehr soziale Gerechtigkeit ist in der Tat das, was sich immer mehr Menschen in Deutschland sehnlichst wün- Aber was ist daraus geworden? Die Ankündigung schen. Mehr soziale Gerechtigkeit ist aber eine Frage des von Andrea Nahles, die harten Sanktionen für junge politischen Mutes und der richtigen Prioritäten. Davon Hartz-IV-Bezieher zu entschärfen, fnde ich richtig. Aber ist dieser Haushalt leider Lichtjahre entfernt. was passiert eigentlich nach der Ankündigung? Ich habe die Regierung gefragt: nichts. Es ist kein Gesetz geplant. Es gibt mit der Gießkanne überall etwas mehr, ohne aber an die wirklichen Ursachen von Armut und Unge- Oder nehmen wir die Rentendebatte: Die Debatte, wie rechtigkeit heranzugehen. So macht man keine mutige das Rentenniveau gesichert werden kann, ist wichtig. Sozialpolitik, Herr Minister. Aber genauso wichtig wäre es, gezielt dafür zu sorgen, dass Menschen nach einem langen Erwerbsleben nicht in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Altersarmut rutschen. Das betrift vor allem Frauen, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5275

Sven Lehmann (A) und Altersarmut von Frauen bekämpft man eben nicht len Steuerzahlern und den zukünftigen weiter in die Ta- (C) mit der Mütterrente, sche zu greifen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: (Zuruf von der SPD: Was schlagen Sie denn Doch!) vor?) für die Sie mal eben mit knapp 4 Milliarden Euro tief in Meine Damen und Herren, Kinder sind unsere Zu- die Beitragskassen greifen. kunft. Aber die Alten sind nicht unsere Vergangenheit. Deswegen: Legen Sie endlich ofen, wie viele renten- Altersarmut würden Sie bekämpfen mit einer Garan- fremde Leistungen im Rententopf versteckt sind! Misten tierente, die sicherstellt, dass Menschen trotz langer Er- Sie den gesamten Bundeshaushalt aus, und entlasten Sie werbszeiten im Alter nicht zum Sozialamt gehen müssen. die Bürger, damit Bürger privat vorsorgen können! Der Das wäre ein wirksamer Beitrag gegen Altersarmut, liebe Kapitalmarkt gibt das aktuell nicht her. Aber Wohneigen- Kolleginnen und Kollegen. tum ist eine wesentliche Altersvorsorge. Sie tun nichts (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dafür, dass sich mehr Bürger in Deutschland eigenes Wohneigentum leisten können. Jetzt zur größten Enttäuschung: Ihr Vorhaben, einen sozialen Arbeitsmarkt einzuführen und damit Chan- (Katja Mast [SPD]: Baukindergeld!) cen für Langzeitarbeitslose und Menschen mit geringer Noch etwas: Wir brauchen endlich eine aktivieren- Qualifkation zu schafen, begrüßen wir ausdrücklich. de Politik für mehr Arbeit. 36 Milliarden Euro pro Jahr Das haben wir auch immer gefordert. Aber so wie Sie für die Grundsicherung, davon 20 Milliarden Euro für das umsetzen – Mindestlohn statt Tarifohn, sieben Jahre Hartz IV, ofenbaren, dass Sie gerade nicht das tun, was Leistungsbezug als Voraussetzung und damit quasi ein Sie vorgeben zu tun. Sie schafen keine besseren Rah- Ausschluss für Menschen mit Fluchtgeschichte –, droht menbedingungen für Arbeit. Hartz IV – um es klar zu sa- dieses so wichtige Vorhaben zum Rohrkrepierer zu wer- gen – verhindert Arbeit. Jede Hartz‑IV-Familie kennt es: den. Deswegen braucht es deutliche Korrekturen an die- Anrechnung von Vermögen, Bedarfsgemeinschaften und sem Gesetz, damit es ein Erfolg wird, liebe Kolleginnen vor allem die sträfiche Verrechnung von Zuverdiensten und Kollegen. gerade auch aus der Kindergeneration produzieren einen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hartz‑IV-Teufelskreis. Wenn heute der 17‑jährige Sohn neben Schule und Ausbildung Geld verdienen geht, um Ich komme zum Schluss. Ihr Etat, Minister Heil, ist unabhängig vom Staat, von Sozialleistungen zu werden, sozialpolitischer Flickenteppich, und zwar ein Flicken- dann nehmen Sie diesem 17‑Jährigen nicht nur Hof- (B) teppich dort, wo wir eigentlich ein dicht gespanntes Netz nung, sondern Sie nehmen ihm bis zu 80 Prozent des (D) bräuchten, das Menschen wirksam vor Armut schützt, verdienten Geldes wieder ab. Das ist keine Sozialpolitik. das sie fördert und stärkt. Gute Sozialpolitik wird aus Das ist menschenunwürdig. Mut gemacht. Freuen Sie sich also auf viele gute und mutige Änderungsanträge von uns im Ausschuss. (Katja Mast [SPD]: Das stimmt nicht! 100 Euro Freibetrag!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jeder, der arbeitet, muss defnitiv mehr – und zwar nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nur ein bisschen mehr, sondern signifkant mehr – haben als jeder Arbeitslose. Dann kann man Hartz‑IV-Sätze per- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: spektivisch auch schrittweise senken, wenn mehr gear- beitet werden kann. So können wir Millionen Menschen Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Frauke zur Arbeit aktivieren. So senken wir sekundäre soziale Petry. Kosten und Gesundheitskosten, die im Einzelplan 11 na- (Beifall des Abg. [fraktions- türlich nicht auftauchen. los]) (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wer ist denn „wir“? Wir beide?) Dr. Frauke Petry (fraktionslos): Hilfe zur Selbsthilfe, das sollte der Leitspruch für eine Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten gute Sozialpolitik sein. Die Bürger sind mündig und von Damen und Herren! Mit 144 Milliarden Euro beträgt der uns als solche zu fördern und zu fordern. Davon sind Sie Einzelplan 11 fast 40 Prozent des gesamten Bundeshaus- mit Ihrer Politik weit entfernt. haltes. Er ist der größte Teilhaushalt. Und doch können wir wiederholen, was schon 2013 in der Zeitung stand: (Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktions- Die Rente frisst den Bundeshaushalt. los]) Fast 100 Milliarden Euro fießen aus diesem größten Teilhaushalt in den trotzdem immer klammen Renten- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: topf, und in der Tat: Sie haben bisher kein Konzept, wie Nächster Redner ist der Kollege Peter Aumer, CDU/ das Absinken des Rentenniveaus respektive das weitere CSU. Ansteigen des Beitragsniveaus verhindert werden kann, außer immer wieder das Gleiche zu fordern: den aktuel- (Beifall bei der CDU/CSU) 5276 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) Peter Aumer (CDU/CSU): Dazu gehört aber auch, weiter daran zu arbeiten, dass (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und wir Vollbeschäftigung in unserem Land erreichen. Die Kollegen! In den letzten Tagen reden wir sehr viel über Union hat hier in den letzten Jahren sehr viel erreicht; den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. aber es gibt noch einiges zu tun. Der Haushalt spiegelt Am trefendsten hat das aus meiner Sicht unser Bundes- das wider, sehr geehrter Herr Minister, mit mehr Geld für tagspräsident in dieser Woche formuliert, als er sagte: die Jobcenter und deren wichtige Arbeit, aber auch für Wir erkennen erst jetzt so richtig, welche Auswirkun- das neue Regelinstrument Teilhabe am Arbeitsmarkt, um gen der Zustrom an Flüchtlingen und Migranten auf den gerade langzeitarbeitslosen Menschen Perspektiven auf gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land hat. dem Arbeitsmarkt zu geben. Weiter sagte er: Punkt zwei: die großen Herausforderungen unserer Nur der Ausgleich untereinander wird zu mehr Ak- Zeit verlässlich politisch begleiten und gestalten, keine zeptanz für den unausweichlichen gesellschaftli- Wahlkampfrede halten, sondern Themen ansprechen, die chen Wandel führen. die Menschen in unserem Land aus meiner Sicht auch bewegen. Das eine Thema ist die Digitalisierung, die die Dieser Ausgleich untereinander funktioniert nur, Welt verändert. Dies müssen wir ins Arbeitsleben mit wenn wir den Haushalt Arbeit und Soziales zukunftsfest aufnehmen und bei unseren politischen Entscheidungen und zukunftssicher machen. Ich glaube, dass der Haus- hinsichtlich der Arbeitswelt von morgen berücksichtigen. halt, dessen Entwurf heute vorliegt, seinen Beitrag dazu Hierzu gehört unter anderem, wie es auch der Haushalt leistet. darstellt, die Förderung von innovativen Projekten, aber auch die neue Denkfabrik digitale Arbeitsgesellschaft, Mehr Akzeptanz für unsere Politik, wie von Bundes- Herr Minister. Ich bin gespannt, was da rauskommt. tagspräsident Schäuble angemahnt, schafen wir nur, Die Erwartungen sind groß, und es ist auch viel Geld im wenn alle in unserem Land auch von unserer wirtschaftli- Haushalt vorgesehen. Ich glaube, da muss man schon chen Stärke proftieren. Mehr Akzeptanz für unsere Poli- schauen, dass man diesen Prozess gut und verantwor- tik schafen wir nur, wenn wir den Menschen in unserem tungsvoll begleitet. Land zeigen, dass wir die großen Herausforderungen un- serer Zeit wie die Digitalisierung, die unsere Gesellschaft Eine der großen Herausforderungen, die wir aktuell zu verändert, verlässlich politisch begleiten und gestalten. bewältigen haben, ist der Umgang mit dem Fachkräfte- Mehr Akzeptanz für unsere Politik schafen wir nur, mangel in unserem Land. Es ist gut und wichtig, dass wir wenn es in unserer Gesellschaft gelingt, dass es gerecht das Fachkräftezuwanderungsgesetz schnell auf den Weg zugeht. Als Schlagwort möchte ich hier nur den Genera- bringen. Hofentlich zeigt es schnell Auswirkungen, dass tionenvertrag nennen. gerade unsere Handwerker und die mittelständischen Be- (B) triebe neue Fachkräfte bekommen. (D) (Zuruf von der AfD: Ach was!) Der dritte Punkt: Es muss gerecht zugehen in unse- Lassen Sie mich bitte auf diese drei Punkte eingehen. rer Gesellschaft. Mit dem Rentenpakt wurden wichtige Punkt eins: Alle müssen von der wirtschaftlichen Punkte auf den Weg gebracht. Uns war wichtig, dass das Stärke unseres Landes proftieren. Deshalb war es ge- Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabilisiert wird. rade für die CSU wichtig, dass es zu einer Absenkung Zur Gerechtigkeit gehört aber auch die Ausweitung der um 0,5 Prozentpunkte bei der Arbeitslosenversicherung Mütterrente. Dies hat die CSU im Koalitionsvertrag ge- kommt, eine Entlastung von 6 Milliarden Euro. Sehr ge- fordert, und das haben wir umgesetzt. Wir haben Wort ehrter Herr Vogel, es ist unverständlich, eine Rechnung gehalten. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger An- aufzumachen, die das eine mit dem anderen vergleicht. haltspunkt für Gerechtigkeit – auch wenn es der ein oder andere anders sieht. Aber den Menschen vor Ort, insbe- (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ach so?) sondere den Frauen, kann man schlecht erklären, warum Leistungen vor 1992 anders behandelt werden als Leis- Wir müssen nur schauen, vor welch großen Herausforde- tungen nach 1992. rungen wir in der Pfegeversicherung stehen. Wir bieten insbesondere den Familien neue Leistungen an. Daher (Beifall des Abg. [CDU/ ist es, glaube ich, klar, dass man – das sollte gerade ei- CSU]) nem FDPler geläufg sein –, wenn man mehr Leistungen Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der anbietet, Mehrkosten hat und diese durch Geld decken wichtigsten Aufgaben wird es sein, den Generationen- muss. vertrag zukunftsfest zu machen. Hier hat die eingesetzte (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Vogel Rentenkommission eine wichtige Aufgabe. Zur Gerech- [Olpe] [FDP]: Aber das belastet die Bürger!) tigkeit gehört auch, dass man vor allem diejenigen von staatlichen Leistungen proftieren lässt, die es am meis- Das darf man nicht verrechnen. Wir haben das Möglichs- ten brauchen. te herausgeholt, und das ist auch gut so. Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Diskussion Die CSU schaut vor allem – das hat unser Landes- zum bayerischen Landespfegegeld und zum Familien- gruppenvorsitzender in seiner Rede angesprochen – auf geld in Bayern war unverständlich. Diese Diskussion die Entlastung der politischen Mitte. Dazu gehören der hat die Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen Abbau des Solidaritätszuschlags, aber auch der Abbau sind, zutiefst verunsichert. Ich denke, dass wir gerade in der kalten Progression. diesem Bereich den Menschen, die Kinder erziehen, die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5277

Peter Aumer (A) Angehörige pfegen, dieselben Leistungen zukommen Rede, dass der Finanzminister Olaf Scholz eine Blutgrät- (C) lassen müssen wie denen, die keine Grundsicherung er- sche durchgeführt hat. Dazu kann ich nur sagen: Es war halten. ein intelligenter Pass in die Spitze, um ein Tor zu schie- ßen, und nichts anderes! (Beifall der Abg. Max Straubinger [CDU/ CSU] und [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Haus- halt setzt die richtigen Schwerpunkte, verantwortungs- Wir haben nämlich vor, die Rente auch über 2025 hinaus voll und vernunftorientiert – ganz im Gegensatz zu dem, durch einen belastbaren Generationenvertrag abzusi- was Sie behauptet haben, Herr Kollege Witt. Gemessen chern. Olaf Scholz hat auch Vorschläge gemacht, wie das werden wir sicher daran, ob es uns gelingt, unsere Ge- zu refnanzieren ist. sellschaft wieder zusammenzuführen. Die wichtigste (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Welche Aufgabe von uns allen in diesem Hohen Haus ist es, den denn?) gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Dazu gehört – Das können Sie ja nachlesen; das muss ich jetzt nicht in der soziale Zusammenhalt, der gestärkt werden muss. meiner Zeit noch mal referieren. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ach so!) (Beifall bei der CDU/CSU) Er hat gesagt: Wir müssen die höheren Einkommen stär- ker besteuern. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Uwe Witt [AfD]: Noch stärker?) Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Groß, SPD. Aber das ist eine lange Diskussion. (Beifall bei der SPD) Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass wir in der Arbeitswelt – das war auch schon Thema – Veränderun- gen haben, und wir müssen natürlich darauf eingehen, Michael Groß (SPD): indem wir wesentlich mehr für diejenigen tun, die sich Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und weiterbilden müssen, die sich im Arbeitsleben umstellen Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Haus- müssen, aber auch für diejenigen Arbeitslosen, die wie- halt ist davon gekennzeichnet, dass er zukunftsweisend der in den Arbeitsprozess wollen. Deswegen ist es rich- ist, dass er für die soziale Sicherheit in diesem Land sor- tig, dass wir eine Qualifzierungsofensive durchführen. (B) gen muss und kann und dass er für Solidarität und Zu- Das Haus hat das auf den Weg gebracht. Neben der Be- (D) sammenhalt sorgt. Dafür möchte ich Hubertus Heil au- schäftigung mit der Frage: „Wie müssen Menschen im ßerordentlich danken, weil es ein Haushalt ist, der uns Arbeitsleben qualifziert werden?“, wollen wir die Bera- in die Zukunft führen kann. Herzlichen Dank, Hubertus, tung wesentlich verbessern, damit Menschen frühzeitiger an dein Haus und an deine Mitarbeiterinnen und Mitar- wissen: Wohin muss ich mich im Berufsleben umorien- beiter! tieren? Was kann ich tun, um meinen Beruf zu behalten (Beifall bei der SPD) oder einen Wiedereinstieg zu fnden? Was tun wir hier? Wir investieren in Menschen. Neben Der soziale Arbeitsmarkt ist ein ganz wichtiges Instru- den 38 Milliarden Euro Investitionen in Steine, Beton, ment für die Regionen, in denen die Langzeitarbeitslosig- Schienen, digitalen Ausbau investieren wir in Menschen keit besonders hoch ist. Im Ruhrgebiet beträgt der Anteil in Deutschland, und das ist notwendig und richtig. Wir der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen 60 Prozent, investieren in Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also höher als im Durchschnitt in Deutschland. Von daher in Rentner und Rentnerinnen, in Menschen mit Behin- ist es enorm wichtig, dass diese Menschen wieder den derung. Wir investieren aber auch in Menschen, die in Weg in den Beruf fnden, dass sie Vorbild für ihre Kinder unseren Behörden arbeiten, etwa in den Jobcentern. Ich sind. Wir müssen Ihnen das Erlebnis vermitteln: Ich kann möchte den Menschen, die im Bundesversicherungsamt, wieder von meiner Arbeit leben, selbstbestimmt leben, im Bundessozialgericht, im Bundesarbeitsgericht arbei- brauche kein soziales Taschengeld – es ist auch kein sozi- ten, herzlich danken, dass sie so eine hervorragende Ar- ales Taschengeld – und schafe selbst etwas. Wir müssen beit leisten. natürlich erreichen – das ist auch wieder eine Forderung, die wir gemeinsam in der Koalition umsetzen müssen –, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass wir statt Mindestlohn Tarifohn fnanzieren können. der CDU/CSU) Das ist auch wichtig für die Städte im Ruhrgebiet, die ansonsten diesen sozialen Arbeitsmarkt wahrscheinlich Ich möchte auf die Rentendiskussion eingehen. Was nicht werden umsetzen können oder dürfen. passiert zurzeit? Wir haben als Koalition – das muss man hier auch noch mal außerordentlich hervorheben – ein Ich möchte noch was zum Bundesteilhabegesetz sa- Rentenpaket auf den Weg gebracht, das bis 2025 dafür gen. Hier wird immer kolportiert: Wir tun zu wenig. – Es sorgt, dass Rentnerinnen und Rentner erst einmal sicher gibt dort den größten Aufwuchs, nämlich über 30 Pro- sein können, dass ihre Kaufkraft nicht zurückgeht. Es zent Aufwuchs auf über 400 Millionen Euro. Für die geht um die Kaufkraft, und es geht um die Frage: Wie Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung sind 58 Mil- wird mein Lebensstandard sein? – Gerade war davon die lionen Euro etatisiert. Es geht ja darum, dass wir Men- 5278 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Michael Groß (A) schen durch eine gezielte, objektive, neutrale Beratung zukünftiger Verantwortlicher in Politik und Gesellschaft (C) ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie ein. sollen so beraten werden, dass Angehörige und Betrofe- Meine Damen und Herren, Bundestagspräsident ne selbst sich zurechtfnden. Das ist eine Riesenleistung Wolfgang Schäuble hat sich diese Woche besorgt über des Hauses. Ich will das nur noch mal betonen, weil das die Situation im Land geäußert. Er sprach von wachsen- heute mehrfach kritisiert wurde. der Verunsicherung und einer zunehmenden Spaltung der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Gesellschaft. Als Ursache für die von Wolfgang Schäuble der CDU/CSU – Zurufe von der FDP) angesprochene Verunsicherung sehe ich wachsendes Un- verständnis, das sich in der Bevölkerung breitmacht. Ein letzter Satz an den Kollegen Witt von der AfD. Herr Witt, Sie haben am Anfang gesagt: Das ist Ideolo- Sehen wir uns einmal wesentliche mediale Ereignisse gie. – Es geht darum, dass wir das Leben der Menschen der zurückliegenden Sommerpause an: Da ist der gesell- verbessern. Ich bin stolz darauf, dass es hier nicht um schaftlich gut integrierte afghanische Bäcker, der selbst ideologische Auseinandersetzungen geht, sondern um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirt- die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen, schaftet und strafrechtlich nie in Erscheinung getreten um Solidarität und Zusammenhalt. ist, der aber trotzdem abgeschoben werden soll. Demge- genüber steht der Fall eines vielfach strafällig geworde- (Beifall bei der SPD) nen Gefährders aus Nordafrika, der jahrelang auf Kosten Ich hatte mal einen Statistikprofessor, der hinsichtlich der Allgemeinheit gelebt hat und dessen zunächst erfolg- Wechselbeziehungen, Korrelationen, gesagt hat: Immer reiche Abschiebung gemäß Gerichtsbeschluss rückgän- wichtig ist die Annahme, die man am Anfang hat. – Um gig gemacht werden muss. Ich habe mich gefragt: Was mal ein Beispiel zu geben: Wenn die Mutter sagt: „Die halten die Menschen wohl von einem Staatswesen, das Störche bringen die Kinder“, und man beobachtet: „Es solche Ergebnisse produziert? Wie verlässlich schätzen gibt weniger Störche“, dann schließt man: Also kommen sie es wohl ein? weniger Kinder. – Oder andersherum: Man beobachtet Dann gab es die Ereignisse im sehr fnanzschwachen „Es kommen mehr Störche“ und schließt daraus: Also Duisburg, wo Polizei und Staatsanwaltschaft, nicht etwa gibt es mehr Kinder. – Wenn man so denkt, ist man, glau- die Behörden selbst, gegen Sozialmissbrauch vorgegan- be ich, dieser Welt nicht mehr gewachsen. gen sind. Was denken die Menschen in der U-Bahn oder Herzlichen Dank. im Bus, die frühmorgens zur Arbeit fahren? Welches Si- gnal geht hiervon aus? Wird gegen Sozialmissbrauch erst (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) dann vorgegangen, wenn die Mitarbeiter unübersehbar (B) Schwierigkeiten haben, zwischen den Luxuskarossen der (D) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: angeblich sozial Bedürftigen ins Gebäude zu kommen? Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen , Mit welchem Gefühl schaut der arbeitende Bevölke- CDU/CSU. rungsteil in Deutschland wohl auf diese Ereignisse? Ver- trauen in unsere Verwaltung schaft man anders. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, trotz jährlich ansteigender Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Sozialleistungen wächst Unzufriedenheit und Neid auf Leistungen für Migranten. Dieser wird von bestimmten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gruppen dann auch noch geschürt, und das, obwohl die- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft se nur die Minimalleistungen erhalten. Das gipfelt dann brummt. Der Arbeitsmarkt ist robust; 3 Millionen sozi- oft im unterschwellig transportierten Pauschalvorwurf, alversicherungspfichtig Beschäftigte mehr als vor vier Migranten wären ohnehin nur zum Abgreifen von Sozial- Jahren. Die Arbeitslosigkeit sinkt; 200 000 Arbeitslose leistungen gekommen und wären ansonsten arbeitsscheu. weniger als im Vorjahr. Löhne und Transfereinkom- Und in der Tat sind nur wenige der neu Hinzugekomme- men steigen. Die Renten sind erheblich gestiegen. Die nen sofort in unseren Arbeitsmarkt integrierbar. Aber ich Bundesregierung hat gerade eine weitere Erhöhung des frage Sie: Ist das verwunderlich? Notwendige Vorausset- Hartz-IV-Regelsatzes beschlossen. zungen wie Fachwissen, Fertigkeiten und Arbeitshaltung Die Kehrseite ist ein sich verschärfender Arbeitskräf- fallen ja nicht vom Himmel. temangel. Und die sprudelnden öfentlichen Einnahmen Wie lange und wie viel haben wir in junge Menschen führen natürlich zu neuen Begehrlichkeiten: immer neue investiert, bis sie nach 18, 21 oder 26 Jahren oder noch Verwendungs- und Verteilungswünsche und Umvertei- viel später in den Arbeitsmarkt eingetreten sind? Allein lungsinitiativen. So soll der Haushalt für den Bereich die Konsumausgaben betragen bis zur Volljährigkeit Arbeit und Soziales steigen, von 136 Milliarden Euro im mehr als 130 000 Euro. Hinzu kommen die Kosten für die Jahr 2017 auf nun 144 Milliarden Euro im kommenden staatliche Kinderbetreuung, die Beschulung, die betrieb- Jahr. Der Kollege Mattfeldt hat gestern hier betont, dass lichen Ausbildungskosten, die Kosten für Berufsschulen, das mehr als 40 Prozent der gesamten geplanten Aus- Hochschulen, um nur einige Beispiele zu nennen. Da lie- gaben des Bundes für das nächste Jahr sind. Aktuelle gen wir schnell bei weit über 200 000 Euro, selbst wenn Beschlüsse der Bundesregierung drohen zu erheblichen kein Medizinstudium fnanziert wurde. Belastungen zukünftiger Leistungserbringer zu werden. Sie gehen mit wachsenden Risiken für zukünftige Bun- Die Bundesregierung geht hier dankenswerterweise deshaushalte einher und engen die Haushaltsspielräume mit großen Schritten in die richtige Richtung. Für Inte- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5279

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (A) grationskurse und berufsbezogene Sprachförderung von Deutschland. Diese Unternehmen sind letztendlich der (C) Migranten sind im Entwurf des Bundeshaushalts rund Ort, an dem motivierte Arbeitnehmer, zu denen vielleicht 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Hinzu kommen Mittel dann auch viele gut ausgebildete und integrierte Migran- zur Integration in den Arbeitsmarkt. Damit wollen wir ten gehören, den Wohlstand erarbeiten bzw. produzieren, denjenigen Migranten eine Perspektive geben, die bereit von dem die Menschen in Deutschland einst leben wer- sind, am Arbeitsmarkt teilzunehmen und sich in die Ge- den. sellschaft zu integrieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der von der Bun- Neben dem Bund sind aber insbesondere die Länder desregierung vorgelegte Haushalt wird aktuellen He- gefordert. Junge Menschen aus anderen Kulturkreisen rausforderungen im Bereich des Arbeitsmarkts gerecht. brauchen Deutschunterricht und Wertevermittlung. Des- Im Bereich der Rentenversicherung kommt die Bun- halb begrüße ich ausdrücklich die Initiative von Bayerns desregierung ihren bestehenden Verpfichtungen nach. Ministerpräsident Markus Söder, der in seinem Bundes- Mit Blick auf die Zukunft brauchen wir aber nicht nur land Geld in die Hand genommen und Lehrer eingestellt vonseiten der Bundesregierung dringend positive Signa- hat, um jungen Migranten vor der Eingliederung in den le und Veränderungen, die das Vertrauen der Menschen Regelunterricht die für einen Lernerfolg notwendigen in unseren Staat, seine Behörden und unser Sozialsystem Sprachkenntnisse und Verhaltensweisen des Zusammen- befördern. lebens zu vermitteln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Matthias ordneten der SPD und der FDP) Zimmer [CDU/CSU]: Haben die in Hes- Diesen Herausforderungen werden wir in den Haushalts- sen auch gemacht! – Zuruf des Abg. Stefan beratungen gerecht werden. Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielen Dank. Meine Damen und Herren, der größte Ausgabenpos- ten im Sozialhaushalt wie im Bundeshaushalt insge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- samt werden auch im kommenden Jahr die Zuschüsse ordneten der SPD und des Abg. Jürgen Braun des Bundes an die Rentenversicherung sein. Mit etwa [AfD]) 100 Milliarden Euro im kommenden Jahr gibt der Bund nämlich ein Vielfaches als Zuschuss für die Versorgung Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: unserer Rentner aus im Vergleich zu dem, was für die Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen berufiche Integration von Migranten aufgewendet wird. mir nicht vor. Dieser Bundeszuschuss wird in den kommenden Jahren (B) und Jahrzehnten weiter stark anwachsen müssen. Wir kommen damit zu dem Geschäftsbereich des (D) Bundesministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15. Wie reagiert nun die Bundesregierung auf diese He- rausforderung? Die Bundesregierung verschärft unter an- Ich bitte, die unvermeidlichen Platzwechsel möglichst derem mit der doppelten Haltelinie die Probleme der Fi- zügig vorzunehmen. Das gilt auch für diejenigen, die ge- nanzierung unseres Sozialsystems weiter. Würde das so rade in der letzten Debatte gesprochen haben; denn auch umgesetzt und beibehalten, müsste der Bundeszuschuss beim nächsten Geschäftsbereich haben die Redner An- perspektivisch auf mehr als 200 Milliarden Euro jährlich spruch auf volle Aufmerksamkeit. Herr Kollege Fischer, anwachsen. Der „Focus“ titelte letzte Woche: „Zeitbom- Herr Bundesminister Heil, nehmen Sie bitte Platz, oder be Altersversorgung“. Und der Demografebeauftragte hindern Sie jedenfalls nicht den Fortgang der Beratun- der Unionsfraktion, unser geschätzter Kollege Michael gen. – Wer will noch eine persönliche Auforderung? Frieser, schreibt in einem aktuellen Beitrag in der „FAZ“ Dann erteile ich das Wort dem Bundesminister für Ge- dazu – ich zitiere –: sundheit, Jens Spahn. Generationengerechtigkeit scheint nur noch eine (Beifall bei der CDU/CSU) Worthülse. Anstatt also zu einer nachhaltigen Fi- nanzierbarkeit beizutragen, ist das Ziel wohl die Bundesminister für Gesundheit: Abschafung des Rentensystems durch Nichtfnan- Jens Spahn, zierbarkeit. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziemlich exakt auf den Tag genau vor sechs Monaten ist (Zuruf des Abg. Johannes Vogel [Olpe] die neue Bundesregierung angetreten. Wir sind angetre- [FDP]) ten, um auch im Bereich der Gesundheits- und Pfegepoli- tik ganz konkret den Alltag von 5,5 Millionen Menschen, Meine Damen und Herren, schon heute ächzen die die jeden Tag im Gesundheitswesen arbeiten – Ärzte, Leistungserbringer in Deutschland unter der Last von Pfegekräfte, Apotheker, Heilmittelerbringer, viele, vie- Steuern und Abgaben. Es ist daher wenig verwunder- le andere –, aber auch von Millionen Menschen, die als lich, wenn vonseiten der Wirtschaft Vorschläge für die Pfegebedürftige, als Patienten, als Angehörige von Pati- Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 72 Jahre erfolgen. enten und Pfegebedürftigen mit dem Gesundheitswesen Denn eine solche enorme Finanzlast engt nicht nur die in Kontakt kommen, besser zu machen. fnanziellen Spielräume des Bundes ein, sie senkt auch die zukünftige Attraktivität des Landes für mobile, quali- Ich habe hier vor der Sommerpause in den ersten fzierte Arbeitskräfte. Das schwächt massiv die Zukunfts- Haushaltsberatungen für dieses Jahr drei Projekte aus un- fähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in serem Haus angekündigt, die bis zum Sommer angesto- 5280 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Bundesminister Jens Spahn (A) ßen sein sollen. Wenn ich auf das schaue, was wir auf den voll fnanziert. Das ist eine klare Ansage: Kein Geld für (C) Weg bringen konnten, was wir vorlegen konnten bis zur Pfegekräfte ist keine Ausrede mehr für Krankenhausge- Sommerpause, dann kann ich sagen: Genau das ist auch schäftsführer. Das Geld in den Krankenhäusern wird ab gelungen. Diese drei Gesetze zeigen im Übrigen auch: dem 1. Januar da sein. Jede zusätzliche Pfegekraft wird Zwar ist der Etat des Bundesministeriums für Gesundheit fnanziert. bei weitem nicht der größte innerhalb des Bundeshaus- haltes, aber mit Blick auf die gesetzliche Krankenver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sicherung und die private Krankenversicherung, für die ordneten der SPD) wir ja auch den Rahmen setzen, sehen wir, wie viele Mil- Außerdem gibt es 13 000 neue Pfegestellen in der Al- lionen Menschen jeden Tag aufs Neue im Alltag mit dem tenpfege; das ist ein erster Schritt. Ich weiß, dass Weite- Gesundheitswesen, mit der Pfege zu tun haben. Und da res nötig ist; aber es ist ein klares, wichtiges Signal, dass ganz konkret Alltags-, Lebenssituationen, oft übrigens das Ganze zum ersten Mal durch die Sozialversicherung existenzielle und sehr intime Lebenssituationen berührt voll fnanziert wird. sind, ist das eben doch ein Politikfeld, das am Ende mehr oder weniger für alle 80 Millionen Bürgerinnen und Bür- Die Tarifbezahlung in den Krankenhäusern wird voll ger in Deutschland ein wichtiges, ein großes Thema ist. fnanziert schon ab diesem Jahr. Das Gleiche wollen wir bei der Tarifvergütung in der Altenpfege. Hubertus Heil Man muss ja nur eine konkrete Situation nehmen: die und ich sind da in Gesprächen mit den Arbeitgebern, mit Pfege eines älteren Mannes in einer Pfegeeinrichtung, den Gewerkschaften, um regelhaft zu einer Tarifvergü- der dort dann bis ins Sterben hinein begleitet wird. tung in der Altenpfege zu kommen, wie wir sie in der Da ist natürlich der Pfegebedürftige selbst, für den es Krankenpfege heute schon haben. wichtig ist, dass er gut gepfegt wird, dass die Pfegekräf- te gut ausgebildet sind, aber vor allem auch, dass Zeit ist, Und: Ja, auch wir wissen: Das eine ist, Stellen zu um Fürsorge, um Miteinander zu leben. schafen und zu fnanzieren, das andere ist, sie jetzt auch zu besetzen. Ich weiß, dass viele sagen: reicht nicht, zu Da sind die Angehörigen, die sich die Frage stellen: wenig, zu klein, ist nur ein erster Schritt. – Ja, aber jede Geht es Vater gut im Pfegeheim? Geht es dem Mann, Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Wenn wir in ei- dem Partner gut in der Pfegeeinrichtung? nem Bereich, in dem so viel Vertrauen verloren gegangen Da sind die Pfegekräfte, die jeden Tag mit viel Ein- ist wie in der Pfege, wo viele Pfegekräfte, wie ich es satz, mit viel Empathie dabei sind, die aber eben auch, am Samstag in Paderborn bei einer Veranstaltung wieder nachdem es in den letzten Jahren an vielen Stellen eine erlebt habe, gar nicht wirklich daran glauben, dass wir große Arbeitsverdichtung gegeben hat, immer wieder überhaupt verstanden haben, worum es geht, und dass (B) Privatleben, Dienstpläne, die Anforderungen des Alltags wir etwas ändern wollen, wenn wir da Vertrauen zurück- (D) zusammenbringen müssen. Ihre Familien bekommen na- gewinnen wollen, dann geht es eben darum, an ganz vie- türlich mit, was los ist, wenn der Vater, die Mutter in der len Stellen konkret zu arbeiten: von der Schafung der Pfege arbeitet, und spüren, was das oft dann eben auch Finanzierung von Stellen über die Ausbildungsofensive für das Familienleben bedeutet. in der Konzertierten Aktion Pfege und die Frage, wie wir Menschen, die einmal in der Pfege gearbeitet haben, er- Da ist der Arbeitgeber, der im Moment Fachkräfte muntern können, in die Pfege zurückzukommen, bis hin sucht vor dem Hintergrund eines Arbeitsmarktes, der zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland und in ganz Deutschland ziemlich leer gefegt ist, was dazu zur Tarifbezahlung. Denn das ist der beste Weg, um Ver- führt, dass oft auch Anfragen – im Moment jedenfalls, trauen zurückzugewinnen. insbesondere in der ambulanten Pfege –, ob Unterstüt- zung gegeben werden kann durch Pfegedienst in der Fa- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- milie, leider abgelehnt werden müssen. ordneten der SPD) Das ließe sich beliebig fortsetzen mit Blick auf Ärz- Das Gleiche gilt für das Versichertenentlastungsge- te, auf Heilmittelerbringer, auf Krankenhäuser, die sehr setz. Damit entlasten wir Arbeitnehmer, Arbeiter, Rentne- konkret für diese einzelne Situation – ein älterer, pfe- rinnen und Rentner in Deutschland bei den Krankenver- gebedürftiger Mann in einer Pfegeeinrichtung – Alltag sicherungsbeiträgen. Damit verbessern wir ganz konkret gestalten, in sehr intimen, persönlichen, existenziellen die soziale Situation von Selbstständigen und Soloselbst- Situationen zusammen sind. ständigen, zum Beispiel Kioskbesitzer, Taxifahrer oder viele andere. Für ihre soziale Absicherung haben sie ja Genau da setzen wir an: keine Luftschlösser verspre- im Monat oft nur 1 000 oder 1 200 Euro übrig. Wir hal- chen, keine Milliarden. Ich halte auch nichts von diesem bieren den Mindestbeitrag zur Krankenversicherung und Wettbewerb: Wer fordert mehr Stellen? 50 000, 80 000, helfen damit ganz konkret. Das geht weiter damit, dass 120 000. Vielmehr wollen wir konkret schauen: Wie ma- wir sagen – angesichts der guten Finanzentwicklung bei chen wir Dinge im Alltag besser? den Krankenkassen fühlen wir uns seitens der Bundesre- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gierung darin in unserem Vorschlag bestärkt –, dass da, wo es sehr hohe Rücklagen gibt – bei einzelnen Kassen Das Sofortprogramm Pfege umfasst da ein erstes Paket sind es zwei, drei, vier Monatsausgaben –, die nicht für von Maßnahmen. die Versorgung benötigt werden, die Versicherten dann Wir sagen zum einen: Im Krankenhaus wird jede auch entlastet werden sollen. Es ist ihr Geld, es sind ihre zusätzliche Stelle ab dem 1. Januar 2019 in der Pfege Beiträge. Geld für die Versorgung ja, aber nicht Geld hor- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5281

Bundesminister Jens Spahn (A) ten. Das ist nicht die Aufgabe von Krankenkassen. Auch weil wir gesagt haben, dass wir in den ersten Monaten (C) das haben wir im Versichertenentlastungsgesetz geregelt. zeigen wollen, dass das, was wir uns in der Koalition vor- genommen haben, tatsächlich einen Unterschied macht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen konkret jeden Tag daran arbeiten, nicht, dass Mit einem Gesetz für schnellere Termine und eine wir das Paradies schafen – das macht im Zweifel sowie- bessere Versorgung gehen wir das große Aufregerthe- so jemand anders –, aber dass es konkret besser wird im ma der Wartezeiten bei der ambulanten ärztlichen Ver- Alltag. Dafür ein herzliches Dankeschön an all diejeni- sorgung an. Jeder hat schon einmal die Situation erlebt: gen, die da mithelfen. Der Nachbar ist privatversichert und hat schon nächste (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Woche den Termin, der gesetzlich Versicherte aber beim selben Facharzt vielleicht erst in zwei, drei, vier Mo- naten. Ja, viele Ärzte machen keinen Unterschied zwi- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: schen privat und gesetzlich Versicherten, aber zu oft wird Nächster Redner ist der Kollege Detlev Spangenberg, er eben doch gemacht. Wir wollen das nicht lösen, in- AfD. dem alle drei, vier Monate warten, sondern wir wollen im gesetzlichen System Anreize setzen, und zwar ganz (Beifall bei der AfD) konkret: mit einer Terminservicestelle, die 24 Stunden erreichbar sein soll, mit einer Aufösung der Problema- Detlev Spangenberg (AfD): tik, dass ein Arzt, wenn er zusätzlich Patienten annimmt, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! nicht fnanziell bestraft wird, sondern die Leistung auch Eine echte Oppositionspartei wie die AfD und auch die angemessen vergütet bekommen soll, und durch Unter- Scheinoppositionen von links, grün und gelb können na- stützung vonseiten des Hausarztes in konkreten Situati- türlich alle viel vorschlagen. Ändern können wir grund- onen dabei, beim Facharzt einen Termin zu bekommen. sätzlich nichts. An dieses Aufregerthema, das zu Recht eines ist, werden wir herangehen und mit kleineren und größeren Maßnah- (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/ men ganz konkret für Verbesserungen sorgen, damit eben DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Niema Menschen, Patienten, bei denen es medizinisch angezeigt Movassat [DIE LINKE]: Dann können Sie ist, schneller einen Termin bekommen. Ihre Rede ja gleich beenden!) Auch für die ländlichen Räume – die beste Terminser- Daraus folgt: Die Regierungsparteien müssen sich wie- vicestelle hilft nicht, wenn keine Ärzte da sind, zu denen der die Kritik anhören, die schon bei der letzten Haus- man vermitteln kann – haben wir Maßnahmen im Paket. haltsrede angebracht wurde. Das heißt, ich gehe wieder (B) Hier geht es darum, fnanzielle Anreize zu setzen, zum auf die Titel ein, die aus unserer Sicht fragwürdig und (D) Beispiel die Frage der Zusammenarbeit im ländlichen ungenügend sind. Raum, auch telemedizinisch, weiter auszubauen und zu Zum Titel 681 01, zur freiwilligen privaten Pfegevor- verbessern, sowie klare Signale zu senden, dass es attrak- sorge. Der Bundesminister hat eben von kleinen Schrit- tiv ist und sich lohnt, sich auch im ländlichen Raum und ten gesprochen. Das ist wirklich ein kleiner, mickriger in bestimmten Stadtteilen, in denen wir das Problem üb- Schritt. Der ist so mickrig, dass es schon direkt peinlich rigens auch schon haben, niederzulassen. Wir honorieren ist: 60 Euro im Jahr für eine Pfegeversicherungsvorsor- es, wenn sich Ärzte und Ärztinnen entscheiden, genau ge, meine Damen und Herren. Das kann man so einfach dort in die Versorgung zu gehen. nicht akzeptieren. Was ist denn los? Die Leute haben das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Land aufgebaut. Die werden in dieser Richtung abge- ordneten der SPD) speist. Also, das ist aus meiner Sicht entsetzlich, meine Damen und Herren. Eine Unterdeckung bei diesem Be- Diese und andere Themen zeigen, dass es ganz kon- trag, den Sie zwar erhöht haben – ich nehme an, aufgrund kret um die Verbesserung des Alltages von Bürgerinnen unserer letzten Einlassung – von 51 auf 53 Millionen und Bürgern, von Millionen Menschen jeden Tag geht. Euro, 2 Millionen Euro sind ja Verwaltungsausgaben, Darum geht es auch in der Debatte über die Organspen- schaft da auch keine Abhilfe. Es scheint sehr knapp ge- de. Der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, be- strickt zu sein. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Der zweckt, mehr Zeit und mehr Geld für die Abläufe in den Hauptgrund ist wirklich der zu geringe Ansatz. Außer- Kliniken zu haben, um Organspender zu identifzieren. dem muss sichergestellt sein, dass keine Anrechnung Darum geht es bei der Novelle des Arzneimittelgesetzes, beim Sozialbezug stattfndet. Dieses Geld sollte wirklich womit wir Aufsicht, Kontrolle verbessern, damit ein sol- den Leuten im Alter dazu dienen, einen höheren Standard cher Vorfall, wie er jetzt konkret bei Valsartan passierte, in den Pfegeeinrichtungen zu erhalten, sodass sie sich so nicht wieder vorkommen kann. mehr leisten können; es sollte also nicht verrechnet wer- Bei all dem – damit bin ich beim Finale, Herr Prä- den. Das, meine Damen und Herren, wäre das Wichtigste sident – möchte ich vor allem auch Dankeschön sagen. bei diesem Titel. Ich denke, in einer Haushaltsdebatte, in der es auch um (Beifall bei der AfD) Stellen geht und um die Frage, wie ein Ministerium aus- gestattet ist, ist ein Dankeschön an die Mitarbeiterinnen Ich komme zum Titel 1505 „Internationales Gesund- und Mitarbeiter und Kolleginnen und Kollegen im Bun- heitswesen“. Da haben wir mehrere Positionen, die da- desministerium für Gesundheit angebracht. Sie leisteten rauf ausgerichtet sind, das Geld ins Ausland zu bringen, in den letzten Wochen und Monaten viele Überstunden, um dort in irgendeiner Form Hilfe zu leisten. Wir ha- 5282 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Detlev Spangenberg (A) ben den Betrieb von Zentren mit der WHO, wir haben hofe, dass das nicht der Fall ist, meine Damen und Her- (C) 1,5 Millionen Euro für die Entwicklung deutscher Vor- ren. stellungen auf dem Gebiet der internationalen Gesund- (Beifall bei der AfD) heitspolitik. Wir haben den Titel 686 01 „Stärkung der internationalen öfentlichen Gesundheit“ in Höhe von Wie sieht es mit Transparenz aus? Das Finanzwissen- 72 Millionen Euro; als Begründung steht dort: „für die schaftliche Forschungsinstitut an der Uni in Köln spricht multilaterale Zusammenarbeit“. Bei dieser Position bin von Ausgaben in Höhe von 11 268 Euro pro Monat pro ich sehr kritisch. Das muss man einmal im Verhältnis zu Asylbewerber. In dieser Untersuchung wird auch Trans- unseren Rentnern sehen. Fürs Alter geben wir da 53 Mil- parenz gefordert, damit man weiß, wofür die Leistungen lionen aus, und hier liegen wir gleich bei rund 80 Milli- sind, wo sie hingehen und wie sie überhaupt zusammen- onen Euro. laufen. Für den Bürger in Deutschland ist es natürlich schnurzpiepe; der muss es eh bezahlen. Aber es wäre Ich habe allerdings eine kleine innere Revision für hochinteressant, mal zu wissen, wie das überhaupt zu- mich gemacht. Wir hatten gestern die Informationsver- sammenkommt. Er muss es ja bezahlen. Und wenn dort anstaltung mit Frau Baehrens im Unterausschuss Globa- Gesundheitsaufwendungen drin sind – und da sind ga- le Gesundheit. Was mich dort wirklich beruhigt hat, war rantiert welche drin –, dann sollten die auch im Einzel- die Aussage der dort vertretenen Sachverständigen, dass plan 15 sichtbar sein und nicht irgendwo versteckt wer- diese Mittel, die wir ins Ausland bringen, wirklich Hilfe den, damit der Bürger denkt, es ist gar nicht so schlimm. zur Selbsthilfe sind und dass sie auch an die Bedingung Nein, diese Aufwendungen gehören in den Haushaltsti- geknüpft sind, dass die Nehmerländer auch eigene Leis- tel, in den sie auch hingehören, wenn solche Ausgaben tungen mit einbringen müssen. Da muss ich sagen: Da gemacht werden, nämlich in den Gesundheitshaushalt. war ich sehr beruhigt. Da freue ich mich darüber. Inso- fern kritisiere ich nur die Verhältnismäßigkeit, nicht die (Beifall bei der AfD) Summe selbst. Ich kritisiere die Verhältnismäßigkeit, Zu meinem letzten Punkt, dem Asylbewerberleis- was die Mittel für unsere eigene Bevölkerung und die tungsgesetz. Ich sehe keinen Grund, bei den Sozialleis- Mittel für das Ausland angeht. Aber ansonsten muss ich tungen nach Sozialgesetzbuch XII Nichtdeutsche den sagen: Das hat mir sehr gefallen. Vielen Dank für diese deutschen Staatsbürgern gleichzustellen. Das sage ich Ih- Veranstaltung. nen klipp und klar. Nach 15 Monaten werden sie gleich- (Beifall bei der AfD – Tino Sorge [CDU/ gestellt. Meine Damen und Herren, Hilfe bedeutet nicht CSU]: Dann haben Sie ja einen sehr großen Gleichsetzung. Das sind Steuermittel, die Leute müssen Erkenntnisgewinn endlich mal!) das erarbeiten. Ich fordere Sie noch mal auf: Denken Sie an die eigene deutsche Bevölkerung. Wenn jemand Hilfe (B) (D) Ich komme zu den Beiträgen an internationale Organi- bekommt, dann ist das eine dolle Sache, aber er muss sationen; das hatten wir schon bei der letzten Debatte. Ich doch nicht gleichgestellt werden und damit die gleichen kritisiere grundsätzlich, dass wir bei Verträgen, die wir Leistungen erhalten. Das sollte auch kein Dauerzustand schließen, immer noch eins draufgeben. Ein Vertrag wird sein. geschlossen und eingehalten. Ich sehe keinen Grund, dass wir immer noch freiwillige Leistungen draufpacken. (Beifall bei der AfD) Das sind die Positionen 4. und 5. des Titels 687 01. Dafür Ich fordere in aller Deutlichkeit die Beachtung der deut- habe ich kein Verständnis. Es reicht, wenn wir Verträge schen Beitragszahler und Steuerzahler in diesem Bereich. einhalten. Deutschland muss nicht immer die Spendier- hosen anhaben, wenn es darum geht, Geld ins Ausland Fazit: Wir erkennen die Bemühungen des Bundesmi- zu schafen. nisters für Gesundheit an, insbesondere die Überschüsse der Krankenkassen zur Absenkung der Belastung für die (Beifall bei der AfD) deutschen Bürger heranzuziehen. Wir fordern aber mit Ich komme zum Titel 531 05, „Aspekte der Migrati- Nachdruck: Tun Sie mehr für die eigenen Bürger, die on und Integration im deutschen Gesundheitswesen“. Da dies alles bezahlen müssen. Die Bürger haben ein Recht hatten wir beim letzten Mal schon 4,3 Millionen Euro. darauf. Es ist etwas weniger geworden. Die Begründung ist nach Recht vielen Dank. wie vor abenteuerlich: um Fehlinanspruchnahme zu verhindern. Ich könnte mir jetzt vorstellen: Ich gehe als (Beifall bei der AfD) Bürger nach Australien und sage: So, stellt mal ein bissel Geld ein, damit ich mich dort zurechtfnde. – Hier wird Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: doch schon wahnsinnig viel Geld für solche Menschen Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach, ausgegeben. Das geht in die Milliarden, meine Damen SPD. und Herren. Müssen wir denn da noch einmal eine Positi- on reinbringen? Deswegen habe ich den bösen Verdacht, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass das womöglich als Unterstützung an diese ominösen der CDU/CSU) Migrationsorganisationen geht. Ich denke da an diesen furchtbaren Integrationsgipfel, dessen Zielsetzung die Dr. Karl Lauterbach (SPD): Aushöhlung des Grundgesetzes und eine Schwächung Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und der deutschen Gesellschaft ist. Ich habe Angst, dass das Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herz- dahintersteckt. Es gibt zumindest so einen Verdacht. Ich lich dafür bedanken, dass wir in der Großen Koalition Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5283

Dr. Karl Lauterbach (A) in den Bereichen Gesundheit und Pfege bisher gut zu- rückkehren könnten, dann wäre der nächste Schritt er- (C) sammengearbeitet haben. Das muss hier einmal gesagt reicht. Aber auch der Schritt, den wir jetzt gehen, ist ein werden. ganz wichtiger Schritt zum Schutz vor Altersarmut und vor Verarmung von Selbstständigen, die nicht gut ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dienen. Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht. Diese Dyna- mik beobachten wir nicht in allen Bereichen. Derzeit sind (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) einige Gesetze in der Vorbereitung – der Minister hat sie Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Kran- eben vorgetragen –, die sehr stark die Handschrift der kenkassen kein Geld horten dürfen. Das ist in der Tat SPD aus der Koalitionsvereinbarung tragen. Dass diese richtig. 10 Milliarden Euro Überschüsse im Gesundheits- Gesetze mit dem gleichen Enthusiasmus auf den Weg ge- fonds, 20 Milliarden Euro Überschüsse bei den Kassen bracht werden, dafür möchte ich mich im Namen meiner selbst – das sind Mittel, die den Versicherten gehören. Partei ganz herzlich bedanken. Ich will im Zusammenhang mit dieser Reserve aber aus- (Beifall bei der SPD) drücklich darauf hinweisen, dass wir zunächst einmal ungerechte Doppelbelastungen beseitigen müssen. Daher Ich will das mit Beispielen unterfüttern. Zum Ersten. gehört für uns die Beseitigung der doppelten Verbeitra- Wir haben seit Jahren dafür gekämpft, dass die Parität im gung der Betriebsrenten zu den unbedingt durchzufüh- Gesundheitssystem wiederhergestellt wird. Denn wenn renden Maßnahmen. Bevor wir Geld an alle ausschütten, die Parität nicht wieder eingeführt würde, würde das zu müssen wir erst einmal diejenigen schützen, die jetzt erheblichen fnanziellen Belastungen in unserem Ge- als Einzige in unserem System – das sind ausgerechnet sundheitssystem führen, verursacht zum Beispiel durch Rentner mit kleinen zusätzlichen Betriebsrenten – den Technologie, die rasant voranschreitet, durch steigende doppelten Beitrag zahlen. Lebenserwartung, aber auch durch den demografschen Wandel. All das wirkt sich auf das Gesundheitssystem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sehr viel stärker aus als auf das viel diskutierte Renten- der CDU/CSU) system. Man darf die Kosten nicht gegeneinander auf- rechnen, aber klar ist: Im Bereich Gesundheit werden die Die Rückführung auf die normale, einfache Betriebsren- Kostensteigerungen größer sein als im Rentensystem. tenverbeitragung ist für uns ein ganz wichtiges Anliegen. Darüber werden wir noch zu diskutieren haben. Wenn wir die Parität nicht wieder einführen würden, dann würden die Kostensteigerungen von den Arbeit- Bei der Krankenpfege machen wir einen Quanten- nehmern alleine zu tragen sein, die Arbeitgeber müssten sprung. Das ist tatsächlich so. Im Bereich der Kranken- (B) nichts schultern. Schon nach kurzer Zeit wäre das für pfege unternehmen wir zurzeit die größte Reform seit der (D) Rentner nicht bezahlbar. Das wäre im Prinzip eine Weg- Einführung der Fallpauschalen Anfang der 2000er-Jahre. nahme der jährlichen Rentenerhöhung durch eine Steige- Der springende Punkt, der wichtigste Punkt ist, dass jede rung der Kosten im Gesundheitssystem. Das können wir zusätzliche Pfegestelle zu 100 Prozent refnanziert wird, abwenden. Daher ist die Wiedereinführung der Parität, also nicht nur die Tariferhöhungen refnanziert werden, die wir beschlossen haben, ein ganz wichtiger Beitrag für sondern auch die zusätzliche Stelle am Bett selbst. So- die solide und dauerhafte Finanzierung unseres Gesund- mit hat jedes Krankenhaus die Möglichkeit, zusätzliche heitssystems. Stellen zu schafen, ohne dass man sich wirtschaftlich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verschlechtert. Das gilt dann ab sofort. der CDU/CSU) Langfristig nehmen wir ab 2020 die Pfege komplett Zum Zweiten. Sehr viele Selbstständige verdienen aus dem Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern um zum Beginn ihrer Tätigkeit nicht so gut. Viele von ihnen die Finanzierung über Fallpauschalen heraus, indem wir wählen derzeit die private Krankenversicherung, weil zurückkommen zur Erstattung der eigentlichen Pfege- sie am Anfang billiger ist. Später aber steigen die Prä- kosten. Das heißt, die Krankenhäuser bekommen dann mien stark. Dann bedauert man den Wechsel in die pri- die Pfegekosten von den Krankenkassen in der nachge- vate Krankenversicherung sehr oft, weil man die Prämi- wiesenen Höhe erstattet. Damit ist die Pfege der erste en nicht mehr bezahlen kann. Man muss dann zum Teil Bereich, der aus dem Wettbewerb der Krankenhäuser im Leistungseinschränkungen in Kauf nehmen. Gesundheitssystem komplett herausgenommen wird. Dass wir jetzt die Einstiegsbeiträge für die gesetzli- Die einzige Begrenzung wird dann sein: Wie viele che Krankenversicherung für Selbstständige halbieren, Pfegekräfte können wir ausbilden? Wie viele Menschen wird die gesetzliche Krankenversicherung für die Selbst- gewinnen wir für diesen wichtigen, unterbewerteten Be- ständigen, die am Anfang nicht so gut verdienen, im ruf? – Das werden mehr sein als heute, weil sich mit der Vergleich zur privaten deutlich attraktiver machen. Wir zunehmenden Zahl der Arbeitskräfte in der Pfege die werden damit verhindern, dass diejenigen, die sich pri- Arbeitsbedingungen verbessern werden. Und auch die vat versichern, im Alter die hohen Prämien nicht zahlen Bezahlung wird sich verbessern. Damit wird der Beruf können. Das halte ich für sehr wichtig. Wenn wir lang- attraktiver, auch für diejenigen, die über eine entspre- fristig ergänzen könnten, dass diejenigen, die sich für die chende Ausbildung verfügen, aus dem Beruf ausgestie- private Krankenversicherung entschieden haben und sich gen sind und zurückkommen wollen. Auch für junge jetzt in einer Notlage befnden, wieder in die gesetzliche Leute, die sich für eine Ausbildung in diesem Bereich Krankenversicherung oder eine Bürgerversicherung zu- entscheiden, sind das wichtige Faktoren. Das ist ein sehr 5284 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Dr. Karl Lauterbach (A) wichtiger Schritt in Richtung Verbesserung der gesamten stundenzeiten. Es gibt die Verpfichtung, mindestens fünf (C) Krankenhausversorgung in Deutschland. Stunden pro Woche als ofene Sprechstunden anzubieten; auch der Kollege Lauterbach hat das genannt. Sie wissen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten doch ganz genau, Herr Minister, dass die Mehrzahl der der CDU/CSU) Niedergelassenen den gesetzlich Versicherten im Alltag Ich komme zum letzten Punkt, zum Abbau der weit mehr als 25 Stunden anbietet. Was also soll diese Zweiklassenmedizin. An dieser Stelle sind die Budgets Regelung? Das ist nur wieder ein sozialistischer Eingrif. der Praxen das große Problem. Sie erschweren den ge- (Beifall bei der FDP) setzlich Versicherten oft den Zugang zum Facharzt. Ich sehe das nicht so wie der Minister; ich bin nicht der Mei- Die wenigen Niedergelassenen, die diese Sprechstunden- nung, dass das ein gefühltes Problem ist, also ein Aufre- zeiten nicht anbieten, haben ja möglicherweise auch Pra- gerthema. Ich bin der Meinung, dass das ein tatsächliches xisbesonderheiten, zum Beispiel, dass sie viel ambulant Problem ist. Wenn ich krank bin und mir Sorgen mache operieren. Auch diese Zeit kommt dann den gesetzlich und einen Facharzttermin brauche, dann ist das nicht nur Versicherten zugute. gefühlt ein Problem; denn wenn ich zu lange warte oder Was ich immer wieder besonders nachdenkenswert keinen Termin bekomme, dann kann ich im Notfall sogar fnde, ist, dass Sie dann sagen: Ach, na ja, diejenigen, sterben. Somit ist die jetzige Situation nicht haltbar. Das die 25 Stunden anbieten, haben doch nichts zu befürch- ändern wir, indem ofene Sprechzeiten eingeführt wer- ten. – Doch, Herr Minister, die haben etwas zu befürch- den, zu denen ich den Arzt ohne Termin aufsuchen kann. ten. Die neuen Kontroll- und Berichtspfichten – ich nen- Behandlungen, die über die Terminservicestellen, die wir ne das immer „die Sprechstundenpolizei“ – haben sie zu neu aufstellen, vermittelt werden, werden nicht auf das befürchten. Denn das ist das, wozu Ihr Gesetz führt: Es Budget angerechnet. wird viel mehr Bürokratie geschafen. Diese Zeit hätten (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das wir lieber für die Behandlung von Patienten. Ganze muss natürlich großfächig nachgeprüft (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten werden!) der AfD) Das heißt, die Ärzte werden plötzlich ein großes Interes- Für alle Niedergelassenen muss es doch wie Hohn se daran haben, diese Termine zur Verfügung zu stellen. klingen, wenn aus Ihrem Haus dann noch gesagt wird, Das wird eine deutliche Verbesserung der Versorgung das würde einen geringfügigen Erfüllungsaufwand für von gesetzlich Versicherten durch Fachärzte – aber nicht die Praxisorganisation darstellen. Statt unnötige Rege- nur in diesem Bereich – mit sich bringen. Das ist ein lungen abzubauen, setzen Sie mit dem TSVG noch or- wichtiger Schritt in Richtung Abbau der Zweiklassenme- (B) dentlich einen drauf. Das ist nicht in Ordnung. (D) dizin. Auch das werden wir in den nächsten Monaten auf den Weg bringen. Der Gesundheitsökonom Dr. Drabinski aus Kiel, aus Schleswig-Holstein, nennt Ihr Gesetz den „Einstieg in Vielen Dank. die ambulante Staatsmedizin“. Recht hat der Mann. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Maag [CDU/CSU]) Der Chef der Techniker Krankenkasse sieht die erhöhte Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Pfichtsprechstundenzahl zur Reduzierung von Warte- zeiten mit großer Skepsis. Auch er hat recht. Lieber Jens Die nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Spahn, auch aus Ihren eigenen Reihen wird das TSVG Aschenberg-Dugnus für die Fraktion der FDP. öfentlich kritisiert. Üben Sie sich doch ein bisschen (Beifall bei der FDP) mehr in kritischer Selbstrefexion, und streichen Sie die- se unnötige Regelung. Das wäre ein guter erster Schritt. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): (Beifall bei der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Mein Fraktionsvorsitzender, , hat Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Jens Spahn, am Mittwoch in der Aussprache gesagt, er hätte sich von Sie haben eben sehr eindrucksvoll geschildert, was Sie in Minister Spahn etwas mehr Merz gewünscht und heraus- den ersten sechs Monaten geschaft haben: drei Gesetze. gekommen sei mehr Blüm. Da muss ich meinem Frakti- Das ist wirklich eindrucksvoll. Na ja, Sie sind auch noch onsvorsitzenden widersprechen: Ich sehe Sie eher auf der jung, und Sie wollen vielleicht auch noch mal mehr wer- Linie von . Ich weiß nicht, ob Ihrer Fraktion den als Gesundheitsminister. Insofern ist das in Ordnung. das gefällt. Mir ist auch aufgefallen, dass Sie in Ihrer Rede gesagt haben, dass Sie den Alltag der Menschen spürbar verbes- (Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Rudolf sern wollen. Schauen wir doch einmal, ob Sie mit Ihren Henke [CDU/CSU]: Das ist aber üble Nach- Gesetzen dem Anspruch, den Sie an sich selber haben, rede!) gerecht werden. Kommen wir zum zweiten kritischen Punkt: zu den Ich nehme jetzt einfach einmal das Terminservice- Vergütungsanreizen. Bei Vergütungsanreizen bin ich ja und Versorgungsgesetz heraus – zur Pfege wird sich grundsätzlich ganz bei Ihnen. Anreize sind immer besser meine Kollegin Nicole Westig noch äußern – und da den als Zwang. Aber schauen wir uns auch das ein bisschen Part zur Anhebung der verpfichtenden Mindestsprech- näher an: extrabudgetäre Leistungen für neue Patienten, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5285

Christine Aschenberg-Dugnus (A) ofene Sprechstunde. In der Realität wird das zu einem Gesundheit aufgebracht. Natürlich wollen viele von die- (C) Ärztehopping führen. Denn was macht ein Patient, der sem Geld etwas abhaben. Wir müssen dafür sorgen, dass bei seinem langjährigen Arzt keinen Termin bekommt? es in die richtigen Hände gelangt, dass es den Richtigen Er hüpft zum nächsten, immer in die ofene Sprechstun- zugutekommt – nämlich den Menschen, die krank oder de. Negativ auswirken wird sich diese Maßnahme insbe- pfegebedürftig sind, und den Beschäftigten im Gesund- sondere auf die reguläre Versorgung. heitssystem – und nicht in private Rendite fießt, meine Damen und Herren. Lieber Jens Spahn, verkaufen Sie die Niedergelas- senen vor Ort nicht für dumm. Die sogenannten Vergü- (Beifall bei der LINKEN) tungsanreize, die Sie ihnen da vor die Nase halten, sind Seit 2003 mussten die Arbeitgeber für ihre Beschäf- nämlich nur ein kleiner Teil dessen, was Sie ihnen durch tigten weniger in die Krankenversicherung einzahlen, die Budgetierung vorenthalten und nicht ausbezahlen. die Lasten wurden den Versicherten aufgebürdet. Die Das ist doch das ganze Problem. Seien Sie mutig, und Linke hat von Anfang an gegen die Abschafung der Pa- schafen Sie die Budgetierung gleich ab. Das würde den rität bei den Beiträgen gekämpft. Jetzt scheint dies end- Alltag sowohl der Patienten als auch der Niedergelasse- lich erreicht. Das ist eine gute Nachricht. Aber auch die nen erheblich verbessern. Damit würden Sie das, was Sie Sonder- und Zusatzbeiträge müssen endlich abgeschaft eigentlich vorhaben, auch durchsetzen. werden. Meine Fraktion hat dazu einen Antrag vorgelegt; ( [CDU/CSU]: Lesen Sie mal ich hofe, dass Sie ihn alle unterstützen. das Gesetz! Das geht Schritt für Schritt! – Ge- (Beifall bei der LINKEN) genruf des Abg. Dr. [FDP]: Gesetze verstehen!) Seit Mitte 2005 haben die Versicherten allein durch Sonder- und Zusatzbeiträge 145 Milliarden Euro mehr in Jetzt zum letzten Punkt, der mich bei der ganzen Dis- die Krankenversicherung eingezahlt als die Arbeitgeber. kussion wirklich sehr nervt. Überall, wo Sie und auch an- Das ist ungerecht. Diese Ungleichbehandlung muss end- dere reden, wird immer wieder der hohe Wert der Freibe- lich aufhören. rufichkeit für die ambulante Versorgung herausgestellt und betont, wie wichtig sie für die Patientenversorgung (Beifall bei der LINKEN) ist. Ja, da bin ich ganz bei Ihnen. Aber wie sieht denn die Ein weiteres Dauerthema ist der Personalmangel im Realität aus, Herr Spahn? Gedeckelte Budgets, zentrali- Gesundheitswesen. Ein aktuelles Beispiel ist der Perso- sierte Bedarfsplanung, Pfichtstundenzahl, Zeitplausibili- nalmangel in den psychiatrischen Einrichtungen. Kürz- tätsprüfungen, bürokratischer Misstrauensaufwand: Das lich schrieben Betriebs- und Personalräte aus knapp soll junge Ärztinnen und Ärzte motivieren, sich nieder- einhundert Einrichtungen einen ofenen Brief an den zulassen? Das ist doch lächerlich. Da müssen Sie schon (B) Gesundheitsminister; sie klagten über schlechte Perso- (D) eine andere Politik machen und andere Gesetzentwürfe nalausstattung und Überlastung. Mit dem Pfegeperso- vorlegen. nal-Stärkungsgesetz werden nun einige Proteste aufge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten grifen; allerdings – und das ist unsere Kritik – beziehen der AfD) Sie, Herr Spahn, ausschließlich Pfegekräfte ein, andere Berufe in den Krankenhäusern bleiben außen vor. Wir Lieber Jens Spahn, lassen Sie die Menschen, die sich wollen als Linke auch eine bedarfsgerechte Finanzierung um die Gesundheit anderer kümmern, doch einfach von Hebammen, Ärztinnen und Ärzten und natürlich selbstbestimmt arbeiten – ohne Einmischung, ohne mehr auch des Servicepersonals; das ist die richtige Forderung. Bürokratie. Das würde den Alltag aller wirklich spürbar verbessern. (Beifall bei der LINKEN) Danke sehr. Wie dramatisch die Situation ist, zeigen wochenlange Streiks wie am Uniklinikum Düsseldorf oder am Unikli- (Beifall bei der FDP) nikum Essen oder der geplante Streik am Homburger Uniklinikum. Es geht um mehr Personal auf den Stati- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: onen, und da sind wir – bei allen Ankündigungen – von Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine einer Lösung noch weit entfernt. Lötzsch, Fraktion Die Linke. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Das Sofortpro- (Beifall bei der LINKEN) gramm Pfege ist an Ihnen vorbeigegangen! Erster Schritt!) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Meine Damen und Herren, ich war dabei, als in der Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten vergangenen Woche in Berlin-Steglitz der 50. Geburts- Damen und Herren! Wenn man sich den Haushalt des tag des Universitätsklinikums Benjamin Franklin ge- Gesundheitsministeriums anguckt – 15,3 Milliarden feiert wurde. Dieses Klinikum wurde damals mit Un- Euro –, dann kann man vielleicht ein falsches Bild be- terstützung der USA errichtet. Zeitzeugen berichteten, kommen. Denn – Kollege Spahn hat es schon gesagt – dass damals alle Berufsgruppen ausreichend Zeit hatten, für Gesundheit wird in Deutschland natürlich wesentlich miteinander zum Wohle der Patienten zu beraten und Er- mehr aufgebracht: 11,2 Prozent des Bruttoinlandspro- fahrungen auszutauschen, und wünschten dem Univer- dukts. Damit man sich das ein bisschen besser vorstellen sitätsklinikum Benjamin Franklin eine bessere Personal- kann: 1 Milliarde Euro pro Tag wird in Deutschland für ausstattung, damit das Personal auch in Zukunft wieder 5286 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Dr. Gesine Lötzsch (A) Zeit hat, gemeinsam über eine gute Arbeitsweise zum Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Nutzen und zum Wohle der Patienten zu beraten. – Das Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- ist eine Erfahrung von vor 50 Jahren aus, wie man damals be Kollegen! Mit gleich drei Gesetzesverfahren ist Jens sagte, West-Berlin. Ich fnde, da sollten wir anknüpfen. Spahn nach der Sommerpause am Start. Das klingt nach viel Aktivität, das klingt nach einem ganz großen Macher (Beifall bei der LINKEN) in der Gesundheitspolitik. Häufg werden, weil Geld für die Sanierung fehlt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Personalmittel in die Sanierung von Krankenhäusern ge- Tino Sorge [CDU/CSU]: Es klingt nicht nur steckt. Hier ist ein riesiger Investitionsstau entstanden. so, es ist so!) Wir schlagen vor, den Bundesländern für jeden Euro, den sie zusätzlich in Krankenhäuser investieren, aus Bundes- Aber leider steckt nicht viel dahinter. mitteln einen weiteren Euro zu zahlen, bis zu einer Ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) samthöhe von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr und auf zehn Jahre begrenzt. Das wäre gut angelegtes Geld – wenn da Drei Gesetzgebungsverfahren gleichzeitig, aber die nicht die Investitionsbremse der Bundesregierung wäre. wirklich großen Baustellen im Gesundheitswesen wer- Wir werden diesen Vorschlag wieder in die Haushaltsbe- den gerade nicht angepackt. Es ist mehr Schein als Sein, ratungen einbringen. Wir hofen natürlich auf Ihre Zu- und das ist leider viel zu wenig, liebe Kolleginnen und stimmung, meine Damen und Herren. Kollegen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was packt Jens Spahn unter die schöne Überschrift In meiner Rede zum Haushalt 2018 habe ich gesagt – „gute Versorgung“? Da fnden wir kräftige Honorarerhö- ich zitiere mich selbst, mit Erlaubnis des Präsidenten –: hungen für die Fachärzte. Natürlich wünschen wir jedem Wer unser Gesundheitssystem dem freien Spiel des und jeder, dass er und sie ein gutes Einkommen hat. Aber Marktes überlässt, handelt verantwortungslos ge- hilft das, die grundlegenden Strukturprobleme in unse- genüber den Patientinnen und Patienten und den rem Gesundheitswesen anzugehen? Natürlich nicht. Das Beschäftigten. ist alter Wein in neuen Flaschen. Das ist das, was wir kannten – von Herrn Bahr, von Herrn Rösler, von Herrn (Zuruf von der FDP: Was? Quatsch!) Gröhe. Das ist nun wirklich nichts Neues. Was wir tat- sächlich bräuchten, wäre eine stärkere Verzahnung der – Das ist überhaupt kein Quatsch. – Ofensichtlich hat Sektoren, eine echte sektorübergreifende Versorgung sich der Gesundheitsminister meine Mahnung zu Herzen (B) und eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Ge- (D) genommen. sundheitsberufen. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zuruf von der FDP: Lob von der Linkspar- tei! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Denn wir wissen doch alle: Landauf, landab fehlt es Das ist ein vergiftetes Lob!) an Personal in den Gesundheitsberufen. Dabei denke ich nicht nur an die Ärztinnen und Ärzte, sondern ich den- In einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ erklärt Jens ke auch an die Pfegekräfte und an die therapeutischen Spahn richtig, dass wir die Pfege nicht einfach dem Berufe. Markt überlassen können, denn: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) … die Versuchung ist naturgemäß groß, bei diesem Ich bin sehr gespannt, Herr Minister, welche Ergebnisse größten Kostenblock so zu sparen, dass es zulasten Sie aus dem gestrigen Gipfel ziehen. Wir hofen sehr, dass der Pfegekräfte und der Pfegebedürftigen geht. es solide Ergebnisse sind. Denn wer heute beispielsweise Denn zu wenig Kollegen bedeutet für die Pfege- die Hilfe eines Psychotherapeuten oder einer Hebamme kräfte Dauerstress, Krankheit, Selbstausbeutung in braucht, der muss sich entweder auf lange Wartezeiten einem eh schon sehr fordernden Beruf. oder auf weite Wege einstellen. Das ist nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten. Wir erwarten, Herr Minister, Wenn diese Erkenntnis dann noch in die Tat umgesetzt dass Sie endlich die Ärmel tatsächlich hochkrempeln. würde, wäre, glaube ich, uns allen geholfen; denn wir brauchen ein gerechtes Gesundheitssystem, das allen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dient und nicht nur denen, die viel Geld haben. Es ist richtig, dass der Mangel an Pfegepersonal in Vielen Dank. den Krankenhäusern angegangen werden soll. Aber auch bei diesem Thema bleiben Sie weit hinter dem Notwen- (Beifall bei der LINKEN) digen zurück; immerhin bewegt sich etwas. Diese Akti- vitäten müssen aus unserer Sicht Hand in Hand gehen, um die Ursachen der falschen Mittelverwendung in den Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Krankenhäusern zu beheben. Das sind doch die unzurei- Die Kollegin Katja Dörner ist die nächste Rednerin für chenden Krankenhausinvestitionen. Bündnis 90/Die Grünen. Was aber gerade nicht sein darf, ist, dass ausschließ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lich die gesetzlich Versicherten für die Versäumnisse Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5287

Katja Dörner (A) der Länder zahlen sollen, obwohl die Investitionen allen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) Patientinnen und Patienten nützen. Das ist hochgradig Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der ungerecht. Man sieht leider: Wenn es darauf ankommt, Kollege Tino Sorge. liegt Herrn Spahn die PKV doch näher am Herzen als die gesetzlich Versicherten. Das ist einfach nicht in Ordnung, (Beifall bei der CDU/CSU) liebe Kolleginnen und Kollegen. Tino Sorge (CDU/CSU): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Kollegen! Frau Dörner, Sie müssen sich entscheiden, Wir fnden es natürlich gut und richtig, dass die pa- was Sie dem Bundesminister Jens Spahn nun eigentlich ritätische Finanzierung der Beiträge wiederhergestellt vorwerfen: Ist er zu schnell? Ist er zu langsam? Macht er wird. Aber den Krankenkassen den Auftrag zu erteilen, zu viel? Macht er zu wenig? ihre Rücklagen abzubauen, und gleichzeitig Gesetze auf (Zuruf von der SPD: Alles auf einmal!) den Weg zu bringen, die zu erheblichen Ausgabensteige- rungen führen können, passt aus unserer Sicht überhaupt Kollegin Aschenberg-Dugnus, Sie haben hier schöne nicht zusammen und ist auch nicht im Sinne der Versi- Vergleiche gemacht, wem der Bundesminister denn am cherten. nächsten kommt. Wenn man bedenkt, wie viele Geset- ze auf den Weg gebracht worden sind, würde ich nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sagen, dass Jens Spahn eher in Richtung Ulla Schmidt geht oder eher in Richtung Norbert Blüm. Ich würde sa- Wenn man die drei laufenden Gesetzesvorhaben ne- gen, dass er viel PS auf die Straße bringt und eher wie beneinanderlegt, erkennt man, dass sich in den kommen- Sebastian Vettel ist. den beiden Jahren zusätzliche Ausgaben bzw. Minder- einnahmen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – von bis zu 8 Milliarden Euro ergeben. Es mag für diese Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das Ausgabensteigerungen gute Gründe geben, aber die ein- sind die unterschiedlichen Sichtweisen! – Zu- zig auf eine schnelle Schlagzeile zielende Vorgabe an die ruf der Abg. Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE Kassen, ihre Rücklagen aufzulösen, ist in dieser Kom- GRÜNEN]) bination aus unserer Sicht falsch. Das führt zu Discoun- Dies ist der fünfte Bundeshaushalt infolge ohne neue terkrankenkassen in einem ruinösen Wettbewerb um die Schulden. Unsere Krankenkassen haben 20 Milliarden niedrigsten Beiträge, und das führt garantiert nicht zu Euro an Rücklagen. Das darf uns aber natürlich auch nicht (B) einer besseren Versorgung. Deshalb kritisieren wir das blenden. Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir (D) scharf. ganz grundsätzlich unser Gesundheitssystem zukunftssi- cher entwickeln wollen. Es mag in der Gegenwart stabil (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aussehen, auch fnanziell, aber wir müssen defnieren, in welchen Bereichen wir die Versorgung weiter aktiv ge- Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe den Me- stalten und verbessern wollen, ja verbessern müssen. dien entnommen, dass Jens Spahn jetzt menschlicher auftreten will – weniger poltern, mitfühlend statt markt­ Zum Thema Pfege; es ist schon angesprochen wor- radikal. Und obwohl Horst Seehofer die Migration zur den. Ich habe den Eindruck, an einigen geht hier völlig „Mutter aller Probleme“ erklärt, springt Jens Spahn nicht vorbei, dass es zum Beispiel das Sofortprogramm Pfege auf das Thema an; kein Wort zu Chemnitz und keine gibt. Es wird immer gesagt, das sei zu wenig, da müsse Meinung zu Maaßen. Das kommt einem schon fast ko- mehr gemacht werden. Der Bundesminister hat das hier misch vor, angesprochen: Es ist ein erster Schritt, und dieser geht in die richtige Richtung. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Das passt so nicht in Ihr Weltbild!) Es geht uns darum, die Lebensqualität der Pfegebe- dürftigen zu verbessern, aber auch darum, die konkreten man muss sich fast Sorgen machen. Es ist so, als würde Arbeitsbedingungen der Pfegekräfte zu verbessern. In- Dagobert Duck mit Goldstücken um sich schmeißen. Ich sofern kann man das nicht immer so abtun und sagen, im vermute eher einen Wolf im Schafspelz. Haushalt stünde dazu nichts drin. Ich will jetzt hier nicht jede einzelne Position des Haushaltes referieren, aber Wer für die Hebammen nichts tut, wer die Logopä- wenn wir im Haushalt die Ausgaben beispielsweise für dinnen und Logopäden sowie die Ergotherapeuten so innovative Pilotprojekte in der Gesundheitsversorgung, lange im Regen stehen lässt, wer sich in der Debatte um Rehabilitation und Pfege von 500 000 Euro auf 10 Milli- den § 219a Strafgesetzbuch nicht auf die Seite der krimi- onen Euro erhöht haben, dann stelle ich fest, das ist eine nalisierten Ärztinnen und Ärzte und der hilfesuchenden Verzwanzigfachung. Das muss man einmal so deutlich Frauen stellt, der zeigt: Man kann sich zwar selbst zum sagen. mitfühlenden Minister erklären, es wäre aber viel wich- tiger, einer zu sein. Ich möchte nicht alle Themen ansprechen, sondern möchte mich nun auf das Thema Digitalisierung konzen- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. trieren. Digitalisierung ist ein Megatrend, gerade im Ge- sundheitsbereich. Wir wissen alle, dass wir gerade hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) noch viel mehr machen müssen. Man kann sich darüber 5288 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Tino Sorge (A) streiten, was in den letzten Jahren vielleicht nicht so op- Weil Jens Spahn die vielen feißigen Mitarbeiterin- (C) timal gelaufen ist, aber wir müssen uns darüber verstän- nen und Mitarbeiter in den Ministerien für die Arbeit am digen und nach außen kommunizieren, welche enormen Haushalt gelobt hat, will ich das auch für unsere Mit- Potenziale das für uns alle hat. Da kann man nicht im- arbeiterinnen und Mitarbeiter tun, die natürlich genauso mer so tun, als betrefe es einen nicht, der Einzelne darf viele Überstunden und genauso viel Arbeit investiert ha- sich nicht nur fragen, was das für ihn bedeutet, sondern ben. Herzlichen Dank an alle. wir müssen genau darstellen, was Digitalisierung für die Qualität im Alltag eines jeden bedeutet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sprechen beispielsweise über medizinische Apps. Herzlichen Dank für die Debatte. Tausende Diabeteserkrankte können über Medizingeräte, (Beifall bei der CDU/CSU) die über medizinische Apps gesteuert werden, ihre Blut- zuckerwerte unter Kontrolle halten. Dadurch steigt die Lebensqualität, die ärztliche Behandlungsqualität nimmt Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zu. Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort die Kollegin Dr . Birgit Malsack-Winkemann. In der Radiologie sprechen wir über selbstlernende Algorithmen, über bessere radiologische Diagnosemög- (Beifall bei der AfD) lichkeiten, die heutzutage teilweise schon bessere Diag- nosen geben, als es der einzelne Arzt tun könnte. Dr. Birgit Malsack-Winkemann (AfD): Im Bereich seltene Erkrankungen haben wir die Mög- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeord- lichkeit, dass wir große Mengen an Studiendaten zusam- nete! Auch beim Teilhaushalt „Gesundheit“ gilt der Pro- menführen können und damit selbst bei Indikationen mit phet im eigenen Lande nichts. Wiederholt haben wir, die nur wenigen Hundert Betrofenen Lösungsmöglichkei- AfD, angemahnt, dass es bislang keine Statistiken und ten, Behandlungsansätze generieren können. Auswertungen zu füchtlingsbedingten Kosten im Zu- sammenhang mit dem Gesundheitsfonds gibt Bei den onkologischen Erkrankungen sehen wir, dass bei den häufgsten Krebsarten, ob das nun Brustkrebs (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das oder Prostatakrebs ist, dank moderner Medizin und dank hat jetzt ja nicht lange gedauert!) einer guten Gesundheitsversorgung fünf Jahre nach der Diagnose noch rund 90 Prozent der betrofenen Men- und dieses dringend benötigt wird, um sämtliche Kosten schen leben. zu ermitteln, für die der Beitrags- und Steuerzahler – und zwar zum einen über den Gesundheitsfonds und zum an- (B) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies müssen wir po- deren über seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversi- (D) sitiv konnotiert in der Öfentlichkeit debattieren. Deshalb cherung – aufzukommen hat. brauchen wir eine Debatte, wie die Chancen der Digita- lisierung auch in der Gesellschaft besser genutzt werden (Beifall bei Abgeordneten der AfD) können. Da können wir uns nicht immer nur auf ver- Denn eine Auswertung der Zahlen des direkt dem meintliche Gefahren für die Privatsphäre und den Daten- Bundesministerium für Gesundheit unterstellten Robert-­ schutz zurückziehen, sondern müssen uns darüber ver- Koch-Instituts zu Infektionskrankheiten ergibt, dass es ständigen, wie unsere Digitalstrategie aussieht, welches hierzu allen Anlass gibt: E-Health-Zielbild wir haben und was Digitalisierung für uns alle bedeutet. Man darf nicht immer nur so tun, als Im Jahr 2014 wurden zum Beispiel 4 533 Tuberkulo- hieße das, wir würden nur noch von Robotern gepfegt, sefälle gemeldet, im Jahr 2016 5 915 – ein Anstieg um wir würden uns ärztliche Sprechstunden nur noch im In- fast 25 Prozent. Migration ist ofenbar der Hauptgrund ternet aussuchen können. Das ist nicht der Fall. Insofern für diesen Anstieg; denn der Anteil der im Ausland ge- ist der Haushalt auch für diesen Bereich eine sehr gute borenen Patienten betrug im Jahr 2016 drei Viertel aller Grundlage. registrierten Fälle, genauer gesagt: 74,3 Prozent. Ich habe mich auf die beiden Bereiche Pfege und Di- Aufällig ist das häufg junge Erkrankungsalter der 20- gitalisierung beschränkt. Anhand dieser beiden Beispiele bis 24-Jährigen bei mehr als doppelt so vielen Männern habe ich gezeigt, wie wir uns als Union die Zukunft im wie Frauen. Über die Hälfte der Erkrankten stammten Gesundheitswesen vorstellen. Wir stellen uns den demo- dabei aus vier Ländern, nämlich Somalia, Afghanistan, grafschen Herausforderungen. Wir machen uns ft für Syrien und Eritrea. den demografschen und den digitalen Wandel. Für eine Standardtherapie werden vier Antibiotika (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gleichzeitig für sechs Monate gebraucht. Wenn es sich Zehn Jahre zu spät!) um multiresistente Erreger handelt, übersteigen die Be- handlungskosten leicht 50 000 Euro. In Richtung Opposition sage ich: Dazu gehört letztend- lich auch, dass wir unser Gesundheitssystem nicht stän- Die Häufgkeit von Hepatitis B ist von 2014 mit dig schlechtreden und nur die Dinge, die vielleicht nicht 755 Fällen auf 3 006 Fälle in 2016 angestiegen, also funktionieren, nach außen kommunizieren, sondern dass um mehr als 300 Prozent, und die Zahlen steigen wei- wir Tag für Tag gemeinsam daran arbeiten, wie wir das ter. Rechnet man die diesjährigen Zahlen hoch, kommt besser machen können. Das machen wir unionsseitig, man auf 4 645 Fälle, also auf eine Steigerung auf über und wir freuen uns über Ihre Unterstützung. 600 Prozent seit 2014. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5289

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (A) Bei den Männern waren hier am häufgsten die 15- bis Wenn es um Steuer- und Beitragseinnahmen geht, (C) 19-Jährigen betrofen, bei Asylsuchenden kamen 62 Pro- scheut ebendieser Staat keine Mühe, alle Einnahmequel- zent aus Afrika. len seiner Bürger im Einzelnen zu ermitteln. Sogar die Rentner werden nicht verschont. Ja, man kommt sich als Die Erkrankungszahlen bei Hepatitis C liegen 2018 Steuerzahler als Melkkuh derjenigen vor, die sich diesen statistisch hochgerechnet mit circa 5 800 sogar noch hö- Staat zur Beute gemacht haben. her. (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die Behandlung von Hepatitis C ist dabei besonders NEN]: Hetzerei ist das! Üble Hetzerei!) teuer; denn nach dem Landessozialgericht Darmstadt haben auch Asylbewerber einen Anspruch auf eine kos- Das muss verhindert, das muss gestoppt werden. tenintensive medizinische Therapie. Das entsprechende (Beifall bei der AfD) Medikament kostet rund 600 Euro pro Tablette, die drei Monate täglich einzunehmen ist. Jeder Steuerzahler muss sehen und verstehen, dass seine Steuern und Abgaben, die er zahlt, wirtschaftlich (Abg. Dr. [BÜNDNIS 90/ wirklich sinnvoll ausgegeben werden. Voraussetzung DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwi- hierfür ist, dass sämtliche Kosten, für die er aufzukom- schenfrage) men hat, transparent und nachvollziehbar ermittelt wer- den. Und dazu gehören die füchtlingsbedingten Kosten Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Meine Damen und Herren, nach einer Metaanalyse, über die das „Ärzteblatt“ am 23. Mai 2018 berichtete, hat Dr. Birgit Malsack-Winkemann (AfD): jeder vierte Migrant in Europa antibiotikaresistente Bak- Nein. – Das sind rund 54 000 Euro pro Hepatitis-C-Pa- terien. Wenn aber jeder vierte Migrant mit antibiotikare- tient allein für Tabletten. Rechnen Sie das einmal auf cir- sistenten Bakterien besiedelt oder infziert ist und zudem ca 5 800 Erkrankungen hoch! noch die beschriebenen Krankheiten nach Deutschland kommen, bedarf es zum einen einer gründlichen Gesund- Noch teurer ist eine Behandlung von HIV, besser be- heitsuntersuchung jedes Migranten und zum anderen kannt als Aids. Allein die lebenslang notwendige Dia­ einer Form der Quarantäne der erkrankten Migranten gnostik und HIV-Arzneimitteltherapie kostet das Ge- im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung. Unsere sundheitssystem nach dem Gesundheitsministerium Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass die eigene circa 500 000 Euro pro Patient. Regierung sie vor eingeschleppten Krankheiten schützt, (B) Stand März 2016 lebten in Deutschland ausweis- (Beifall des Abg. Dr. [AfD]) (D) lich einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts circa 70 000 Infzierte. Am meisten verbreitet ist Aids in der und das nicht nur im Hinblick auf die exorbitanten Kos- Subsahara-Region. Dort werden Infektionsraten von bis ten. zu 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung erreicht. (Beifall bei der AfD) Und woher kommen viele unserer Asylbewerber? Und wenn diese Regierung das unterlässt, macht sie Meine Damen und Herren, die vorgenannten Krank- sich gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung doppelt schul- heiten sind nur eine kleine Auswahl der Krankheiten, die dig. Aber was will man von dieser Regierung, die von in Deutschland auf Kosten des Beitrags- und Steuerzah- diesen Themen bislang nichts sehen, nichts hören und lers therapiert werden, und diese Regierung hält es für vor allem nicht darüber sprechen wollte, auch anderes überfüssig, diese ofensichtlich erheblichen Kosten, die erwarten? uns alle trefen, zu ermitteln. Danke schön. (Beifall bei der AfD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen (Beifall bei der AfD) Sie doch gerade!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Welch ein Zeugnis von Arroganz und Verantwortungs- Die Kollegin Sonja Stefen ist die nächste Rednerin losigkeit! für die Fraktion der SPD. Wenn es um eine Brille geht, die ein gesetzlich Kran- (Beifall bei der SPD) kenversicherter benötigt, muss er schon fast blind sein, bevor er einen nur geringen Teil erstattet bekommt. Sonja Amalie Stefen (SPD): (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und NEN]: Üble Hetzerei!) Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Nach dieser wirklich von Hass und Häme strotzenden Rede der Frau Wenn es um Zahnbehandlungskosten geht, ist dies für Malsack-Winkemann viele mittlerweile unerschwinglich. Wenn es um Kosten für eine spätere Pfege geht, muss jeder hierfür selbst (Thomas Ehrhorn [AfD]: Wo war denn der vorsorgen. Eine ausreichende staatliche Unterstützung Hass? Das waren Fakten! – Jürgen Braun fehlt, sodass die Pfegeversicherung immer noch mit cir- [AfD]: Fakten! Mit Fakten haben Sie es ja ca 3 Milliarden Euro unterfnanziert ist. wohl nicht so!) 5290 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Sonja Amalie Stefen (A) fällt es wirklich schwer, wieder zum eigentlichen The- ßen Skandal in Deutschland gab, den sogenannten Blut- (C) ma zurückzukehren. Das will ich an dieser Stelle tun: Ich produkteskandal. Von 1981 bis 1984 wurden aus Kosten- rede heute hier als Haushälterin der SPD-Fraktion zum gründen nicht hitzebehandelte Blutprodukte verwendet, Einzelplan 15, also zum Einzelplan des Gesundheitsmi- und mehr als 4 000 Menschen – wahrscheinlich ist die nisteriums. Dunkelzifer noch viel höher –, insbesondere Bluter, in- fzierten sich damals durch verunreinigte Gerinnungsprä- Der größte Teil dieses Einzelplanes, nämlich 14,5 Mil- parate mit HIV, Hepatitis B und Hepatitis C. liarden Euro von insgesamt 15,3 Milliarden Euro, fießt, wie gesetzlich festgelegt, in einen Gesundheitsfonds. Ich will noch einmal kurz auf meine Vorrednerin ein- Das heißt, wir hier im Parlament haben darüber zu ent- gehen. Ich fnde es wirklich widerlich, dass sie hier die scheiden, wie wir die verbleibenden rund 770 Millionen Krankheiten und die Schicksale, die dahinterstehen, für Euro an Steuergeldern, die wir zur Verfügung haben, ein- ihre Hasstiraden gegen Migranten missbrauchte. setzen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, Ich möchte ganz gerne auf ein paar Bereiche ein- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE gehen, die vor allem von dem Aufwuchs in Höhe von GRÜNEN) 63 Millionen Euro proftieren. Da wäre zum Beispiel das Robert-Koch-Institut. Ich glaube, es ist an dieser Stelle Meine Damen und Herren, seit 1995 erhalten die Be- wichtig, das Robert-Koch-Institut von den Besudelun- trofenen Leistungen, und zwar bislang aus einer Stiftung, gen meiner Vorrednerin zu befreien und mit ihren kruden und diese Stiftung war auf freiwillige Zuwendungen der Kafeesatzrechnereien ein wenig aufzuräumen. Pharmaindustrie, des Deutschen Roten Kreuzes und der Länder angewiesen. Nun ist es endlich gelungen – an die- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ser Stelle möchte ich meiner Kollegin Bärbel Bas meinen ten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE herzlichen Dank aussprechen, weil ich weiß, dass sie sich GRÜNEN) dafür ganz besonders eingesetzt hat –, dass der Bund ab Kernaufgaben des Robert-Koch-Institutes sind die 2019 diese Leistungen übernimmt. Erkennung, die Verhütung und die Bekämpfung von (Beifall bei der SPD) Krankheiten. Hier werden Krankheiten auf allen Ebenen untersucht: von ADHS bis zur Zuckerkrankheit, vom Vi- Wir von der SPD-Fraktion wollen, dass wir uns in den rus in der Körperzelle bis zum Übergewicht in der Be- Beratungen zum Haushalt 2019 noch einmal mit diesem völkerung. Diese Erkenntnisse in ihrer ganzen Breite die- Titel befassen, um zu sehen, ob die Höhe noch angemes- nen als gute, als sehr wichtige Grundlage für Prävention sen ist oder ob wir hier vielleicht noch mehr Unterstüt- (B) und Früherkennung. Also reden wir hier über 125 Jahre zung leisten sollen. (D) Erfolgsgeschichte. Ich freue mich, dass wir in diesem (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Haushalt 17 Millionen Euro mehr für dieses Institut ein- stellen werden. Meine Damen und Herren, schon in den nächsten Sit- zungswochen werden wir uns nicht nur mit dem Haushalt (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin beschäftigen, sondern mit zwei weiteren sehr wichtigen Maag [CDU/CSU]) Gesetzen aus dem Bereich der Gesundheit. Über das Ver- Dazu passt auch der neue Titel für Projekte und Maß- sichertenentlastungsgesetz ist schon vieles gesagt wor- nahmen zur Stärkung der Patientensicherheit. Herr Mi- den. Vor allem mein Vorredner aus meiner Fraktion, Herr nister, hier geht es unter anderem um Aufklärung und Lauterbach, hat schon darauf hingewiesen, wie wichtig um Maßnahmen, zum Beispiel zur Vermeidung von es ist, dass wir gerade die Solo-Selbstständigen unterstüt- Krankenhausinfektionen und von Antibiotikaresistenzen. zen. Ich will noch einmal betonen: Es handelt sich hier Hierfür wollen wir in diesem Haushalt erstmalig 5 Milli- nicht immer um Berufsanfänger. Ich weiß aus meinem onen Euro einstellen und Verpfichtungsermächtigungen Wahlkreis, aber auch aus Berlin: Es gibt unglaublich vie- über insgesamt 9 Millionen Euro eingehen. Das halte ich le Solo-Selbstständige. Wir sind froh, dass sie da sind. für eine gute Sache, nicht nur, weil es notwendig ist, bes- Sie beleben das Geschäft, und sie machen das Leben sere Maßnahmen zur Verhinderung von Infektionen und leicht, weil man dann immer noch den Metzger und die Krankheiten zu ergreifen, sondern auch aus einem ganz Friseurin um die Ecke besuchen kann. Diese Menschen anderen Grund. Ich glaube, es ist wichtig, die Bevölke- werden extrem entlastet, wenn wir zukünftig den Beitrag rung besser zu informieren, um so mit manchen Ängs- von 350 Euro monatlich auf 170 Euro senken. ten aufzuräumen. Denn oftmals sind die tatsächlichen Gefahren nicht bekannt. Aufklärung ist hier besonders Ein letztes Wort noch zum Pfegepersonal-Stärkungs- wichtig. Wenn sie vom Gesundheitsministerium kommt, gesetz. Auf Wahlkreisreisen habe ich, wahrscheinlich wie ist sie glaubwürdig und seriös, und sie vermeidet nicht Sie alle auch, mit Pfegerinnen und Pfegern gesprochen. nur Erkrankungen, sondern vielleicht auch den einen Ein Gespräch hat mich da besonders beeindruckt. Ein oder anderen unnötigen Arztbesuch. Pfeger aus meinem Wahlkreis, der sieben Tage die Wo- che im Dreischichtsystem als Pfeger arbeitet und mit ei- Wir haben einen weiteren Titel im Haushalt, der gera- nem Nettoeinkommen von 1 500 Euro nach Hause geht, de uns von der SPD-Fraktion besonders freut. Das sind hat zu mir gesagt: Frau Stefen, ich freue mich, wenn Sie die 8,7 Millionen Euro für die Unterstützung der durch etwas für die Pfeger tun, sodass wir in Zukunft damit Blutprodukte HIV-infzierten Personen. Hintergrund des rechnen können, dass unsere Arbeit die Wertschätzung Titels ist, dass es Anfang der 80er-Jahre einen sehr gro- erhält, die sie braucht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5291

Sonja Amalie Stefen (A) In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen und Anschubfnanzierung für die Schulen, damit sie den Pa- (C) freue mich auf die folgenden Sitzungswochen. radigmenwechsel in der Pfegeausbildung gestalten kön- nen. Ich möchte betonen: Es handelt sich um die Ausbil- Vielen Dank fürs Zuhören. dung in einem Mangelberuf, in einem Beruf, für den wir (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) um jede Fachkraft ringen. Wo, wenn nicht hier, muss sich der Bund für die Finanzierung verantwortlich fühlen? Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei der FDP) Die Kollegin Nicole Westig spricht nun für die FDP-Fraktion. Herr Minister, Sie haben sich gestern mit Vertreterin- nen und Vertretern der Gesundheitsfachberufe getrofen. (Beifall bei der FDP) Diese sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Da- bei leisten sie überaus wichtige Beiträge, zum Beispiel Nicole Westig (FDP): in der Prävention. Prävention und Rehabilitation bieten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! große Chancen, Pfegebedürftigkeit hinauszuzögern. Nicht nur Herr Minister Spahn möchte etwas für die Das steigert nicht nur die Lebensqualität der betrofenen Pfege tun, auch die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch Menschen. Auch ergibt sich langfristig ein wirtschaftli- gesagt, dass sie da mitziehen möchte. Sie sagt, sie wol- cher Payback. Mit jedem Monat, den ein Mensch später le stärker herausstellen, dass diejenigen, die Menschen pfegebedürftig wird, sparen die Pfegeversicherung, die pfegen, einen tollen Beruf machen. Fangen wir endlich Sozialhilfe und nicht zuletzt die potenziell Pfegebedürf- damit an! tigen selbst bares Geld. Mehr Stellen in der Pfege werden geschafen und (Beifall bei der FDP) fnanziert. Das ist gut so. Jetzt gilt es, die Stellen auch zu besetzen. Alles beginnt mit einem ersten Schritt, Herr Überhaupt steht und fällt die Zukunft der Pfege mit Minister . Aber zum Beispiel aus der Konzertierten Ak- ihrer nachhaltigen Finanzierung. Herr Minister Spahn, tion Pfege muss jetzt schnell ein Gesamtkonzept für wie sieht Ihr Konzept aus? Aktuell stellen Sie eine Er- mehr Pfegekräfte hervorgehen. Sonst drängt sich uns der höhung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte in Aus- Eindruck auf, Herr Minister, Ihre Politik sei reine Flick- sicht. Dabei weiß jeder, dass dies noch nicht das Ende ist. schusterei. Was wir aber benötigen, ist ein Finanzierungskonzept, das weder die Pfegebedürftigen selbst noch nachfol- (Beifall bei der FDP) gende Generationen zusätzlich belastet. Wir Freien De- mokraten sagen ehrlich, dass es dabei nicht ohne private (B) Die Kanzlerin will zudem Tempo bei der Digitali- (D) sierung machen. Ich bin meinem Kollegen Tino Sorge Vorsorge gehen wird; denn die Pfegeversicherung ist dankbar, dass auch er dieses Thema angesprochen hat, aus gutem Grund als Teilkasko angelegt. Wir sind des- dass er eine Debatte darüber anstoßen will. Ich möchte halb froh, dass die Bundesregierung unseren Vorschlag nicht nur eine Debatte darüber anstoßen. Ich möchte Gas aus den letzten Haushaltsberatungen aufgegrifen hat, die geben in Sachen Digitalisierung. Denn digitale Anwen- Leistungen des Bundes für die Förderung der freiwilligen dungen bei Logistik und Dokumentation können helfen, privaten Pfegevorsorge zu erhöhen. Besser spät als nie! Pfegenden das zurückzugeben, was ihnen momentan am (Beifall bei der FDP) meisten fehlt: Zeit, Zeit für den Menschen, Zeit für die Pfege am Bett. Klug eingesetzt, ist die Digitalisierung Sehr geehrter Herr Minister, uns ist klar, dass dieser ein Baustein, um den Pfegeberuf attraktiver zu machen. Einzelplan nur einen Bruchteil der Pfege steuern kann. Aber digitale Anwendungen können auch eine große Den weitaus größeren Anteil daran hat die Pfegever- Hilfe für pfegende Angehörige sein. Immerhin werden sicherung. Damit besteht in diesem Bereich aber auch mehr als 70 Prozent der Pfegebedürftigen zu Hause ge- eine besondere Verantwortung gegenüber den Beitrags- pfegt. Wir dürfen diese vielen Menschen nicht aus dem zahlern. Wenn wir Politik nicht nur für diese Legislatur- Blick verlieren. periode machen wollen, sondern auch für nachfolgende (Beifall bei der FDP) Generationen, dann müssen wir jetzt beherzt umsteuern. Spätestens wenn die Babyboomer pfegebedürftig wer- Sensorik zur Sturzmeldung und Monitoringsysteme bei den, kollabiert das System. Das müssen wir verhindern. Weglauftendenzen können pfegende Angehörige entlas- Wir Freie Demokraten sind bereit, daran verantwortungs- ten. Aber diese Maßnahmen sind in der Pfegeversiche- voll mitzuwirken. rung bislang gar nicht abgebildet. Hier müssen wir dafür sorgen, dass die Leistungen der Pfegeversicherung im Vielen Dank. 21. Jahrhundert ankommen. (Beifall bei der FDP) Die Bundesregierung hat das Schulgeld für Pfegebe- rufe abgeschaft. Die Abschafung des Schulgelds für die Gesundheitsfachberufe wie Physiotherapeuten oder Lo- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gopäden soll folgen. Das ist richtig und überfällig. Aber Nächste Rednerin: die Kollegin Pia Zimmermann, wie soll die künftige Finanzierung der Ausbildungsstät- Fraktion Die Linke. ten aussehen? Die Finanzierung der Pfegeschulen wird den Ländern überlassen. Was gänzlich fehlt, ist eine (Beifall bei der LINKEN) 5292 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) Pia Zimmermann (DIE LINKE): Ich schlage Ihnen vor: Reden Sie mal mit den Pfe- (C) Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und gekräften vor Ort, Herr Spahn. Ich mache das jedenfalls Herren! Ich grüße an dieser Stelle alle Menschen mit regelmäßig. Wenn Sie das auch tun würden, dann würden Pfegebedarf, die zu Hause, in Pfegeheimen oder in Sie merken, dass die Bedingungen in diesem anstrengen- Krankenhäusern sind. Ich wünsche ihnen, dass sie gut den, aber auch sehr erfüllenden Beruf immer schlechter versorgt werden und gepfegt werden können. werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Der Bundesregierung fehlt das Verantwortungsgefühl neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- für ein Thema, das mehr als zwei Drittel der Bürgerinnen SES 90/DIE GRÜNEN) und Bürger sehr wichtig ist, nämlich das Thema „Ge- Meine Damen und Herren, Herr Spahn, wir haben eine sundheit und Pfege“. Sie könnten die Zukunft der Pfege Gemeinsamkeit. Wir haben festgestellt, dass es einen gestalten, und Sie treten laut auf; aber in der Sache du- Pfegenotstand gibt; das ist ja schon mal was. Aber umso cken Sie sich weg. Im Haushaltsentwurf fnde ich kein erschreckender ist es, dass sich dieses Thema im Haus- Pfegethema im Bereich Prävention, kein Pfegethema im haltsentwurf des Kabinetts nicht wirklich widerspiegelt. Bereich Forschung. Da frage ich Sie: Woher sollen denn Sie versichern den Bürgerinnen und Bürgern seit Mona- die Anstöße für bessere Bedingungen kommen? ten, Sie würden ihre Ängste und Sorgen um eine gute Pfege ernst nehmen. Doch das Einzige, was Sie ernst (Beifall bei der LINKEN) nehmen, ist die schwarze Null, und ihr wird weiterhin alles andere untergeordnet. Sie wollen die Menschen mit Meine Damen und Herren, längst erleben wir, dass im- Ihren Versprechungen und mit Ihren Ankündigungen ru- mer mehr Pfegeheime von Großinvestoren übernommen higstellen. werden. Die Pfege von Menschen als Renditeobjekt, das Dabei liegt es in der Verantwortung des Bundes, für ist doch der pure Wahnsinn. Ich sage Ihnen: Stoppen Sie einen guten Sozialstaat zu sorgen. Er muss für eine Fi- diese Privatisierung sofort! nanzierung sorgen, die gute Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen garantiert. Das darf nicht allein den (Beifall bei der LINKEN) Krankenversicherten aufgebürdet werden. Dasselbe gilt natürlich auch für die Versorgungsqualität in allen Be- Aber Sie diskutieren im „Handelsblatt“, welche Rendite reichen. bei Pfegeeinrichtungen wohl angemessen ist. Ich kann Ihnen sagen: gar keine. Wie entlasten Sie eigentlich pfegende Angehörige? (B) Wer stemmt die nötigen Investitionen? Wo bleibt ein ver- (Beifall der Abg. [DIE (D) nünftiges Pfegekräftegewinnungsprogramm? LINKE])

(Beifall bei der LINKEN) Geben Sie das Geld für eine gute Pfege für alle Men- Viele Fragen, viel zu wenige Antworten. Ich frage mich schen aus, und lösen Sie endlich diesen unsäglichen wirklich, wo Sie die Mittel für diese Punkte im Haushalt Pfegevorsorgefonds auf, für den jetzt schon unsägliche versteckt haben. Im Einzelplan des Gesundheitsministe- Summen an Strafzinsen gezahlt werden müssen. Geben riums kann ich sie jedenfalls nicht fnden. Sie dieses Geld da aus, wo es jetzt gebraucht wird: im Bereich Gesundheit und Pfege. Herr Spahn, die Situation spitzt sich weiter zu. Das erkennen Sie auch – sagen Sie zumindest, beispielswei- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. se mit den Worten „Konzertierte Aktion Pfege“. Hier Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/ kommt es jetzt darauf an, Ihre soziale Rhetorik zu entlar- DIE GRÜNEN]) ven. Sie wollen 2 Millionen Euro für eine Pfegekampa- gne bereitstellen, genauso viel wie 2018. Aber von dieser Ich sage Ihnen noch was: Sorgen Sie dafür, dass Men- Kampagne haben die Menschen gar nichts. Die beste schen vor Profte gestellt werden und nicht andersherum. Pfegekampagne wären Investitionen. Aber haben Sie Steuermittel für eine bessere Pfegeinfrastruktur über- Meine Damen und Herren, auch dieser Haushaltsent- haupt in Betracht gezogen? wurf ist nicht am Bedarf und an den Bedürfnissen orien- (Beifall bei der LINKEN) tiert. Sie lassen die Menschen alleine: die Beschäftigten in den Krankenhäusern, in den Pfegeeinrichtungen, in Nein, haben Sie nicht. Sie setzen weiter auf das Pficht- den ambulanten Pfegediensten und die pfegenden An- gefühl der Beschäftigten in der Pfege und der pfegenden gehörigen zu Hause. Dieser Haushaltsentwurf entlarvt Angehörigen, frei nach dem Motto von Angela Merkel: Ihre Reden und Ankündigungen, dass Gesundheit und Der größte Pfegedienst der Nation ist die Familie. – Ich Pfege besser werden sollen. Sie verbreiten nur reine kann Ihnen auch sagen: Wenn Sie so was behaupten, dann werten Sie die Berufe in der Pfege ab, weil Sie da- Sprechblasen und machen leere Versprechungen. mit zum Ausdruck bringen: Pfege kann jeder. – Und so Eine Sache möchte ich noch sagen, liebe Bundesre- ist es nicht. gierung: Wir werden weiterhin die Finger in die Wunden (Beifall bei der LINKEN) legen, bis dieses Thema endlich wirklich angemessen be- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5293

Pia Zimmermann (A) handelt wird und Pfege in diesem Land ein Menschen- rum fnden wir im Bundeshaushalt zum Beispiel keine (C) recht für alle ist. Anschubfnanzierung für die Kooperation von Kranken- und Altenpfegeschulen? Darum kümmern Sie sich nicht. Herzlichen Dank. Ich fordere Sie auf, dass wir in diesem Punkt noch mal (Beifall bei der LINKEN – Rudolf Henke nachsteuern. [CDU/CSU]: Da war nicht ein einziger Vor- schlag! Nicht ein einziger! Nicht ein einziges (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konzept! Gar nichts! Völlig leere Worte!) sowie bei Abgeordneten der FDP) Zu Ihrem sogenannten Pfegepersonal-Stärkungsge- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: setz. Ich teile viele Punkte, die darin enthalten sind, aber Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die als alleinige Maßnahme wird das zur Folge haben, dass Kollegin Kordula Schulz-Asche. erneut aus der Altenpfege Fachpersonal abgezogen wird. Diese Angst teilt der Gesundheitsminister von Nord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rhein-Westfalen. Wenn das tatsächlich passiert, bricht vor allem im ambulanten Bereich die Pfege zusammen. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das kann man doch nicht verantworten. Der Versuch, al- NEN): lein im Krankenhausbereich die Situation der Pfegekräf- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möch- te zu verbessern, reicht nicht aus. te gern mit einem Lob für den Minister beginnen; denn er (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Sommerloch sehr gut genutzt, um sich als Macher sowie bei Abgeordneten der FDP) darzustellen. In den sozialen Medien nennen die Pfege- kräfte ihn jetzt schon den Medienminister und gar nicht Deswegen das Fazit Ihres ersten halben Jahres: Es ist mehr den Gesundheitsminister. Aber Imagekampagnen Stückwerk, aber mit Katastrophenpotenzial. Deswegen allein sind keine Gesundheitspolitik. müssen wir darüber reden, was jetzt zu tun ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich mir anschaue, was an Gesetzen und Gesetz- Wir müssen die Pfege aufwerten, den Beruf als Gan- entwürfen in der letzten Zeit eingebracht wurde, wird mir zes attraktiver machen und weiterentwickeln. Wir brau- zumindest beim zweiten Blick angst und bange um die chen natürlich bessere Bezahlung, wir brauchen mehr pfegebedürftigen Menschen, um ihre Angehörigen, um Ausbildung und mehr Personal, und wir brauchen auch die Pfegeberufe und um die Pfegeversorgung insgesamt. bessere Arbeitsbedingungen. Aber ich frage Sie: Wie (B) In den nächsten 20 Jahren wird die Zahl der Menschen, ist Ihre Antwort auf die Frage, wie wir die zusätzlichen (D) die pfegebedürftig sind, auf 4 Millionen ansteigen. Das 13 000 Pfegekräfte – wir wissen, dass wir noch mehr heißt, dass wir 44 Prozent mehr Pfegekräfte brauchen, brauchen – tatsächlich rekrutieren? Wo sollen die her- um für diese Menschen zu sorgen. Das schafen wir nur, kommen? Die Vorschläge von Westerfellhaus sind bei wenn alle Gesundheitsberufe, wenn alle, die mit diesen Ihnen gar nicht auf der Tagesordnung, und deswegen Menschen zu tun haben, zusammenarbeiten. sage ich: Wir brauchen auch Antworten auf die Frage, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wo zusätzliches Personal gewonnen werden kann. Da- rauf haben Sie bisher keine Antwort. Das ist meiner Meinung nach das Zentrale. Wir brauchen den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Zusammen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN arbeit aller, die ein Interesse an pfegebedürftigen Men- sowie der Abg. Nicole Westig [FDP]) schen haben. Wir brauchen neue Pfegekonzepte, die patientenori- Nun haben Sie die Konzertierte Aktion in der Pfege entiert sind. Wir brauchen Strukturreformen in Stadt und einberufen. Ich fnde die Idee grundsätzlich gut, aber wir Land, um auch in ländlichen Räumen die Versorgung si- wissen nach über einem halben Jahr nicht mehr als die cherzustellen und vor allem professionelle Unterstützung Namen der einzelnen Arbeitsgruppen. Wir können doch für pfegende Angehörige zu schafen. Wir brauchen na- jetzt nicht ein Jahr darüber diskutieren, was man alles türlich auch – wir wissen alle, dass es teurer wird – eine machen könnte. Wir brauchen dringend die Überführung breite Aufstellung in der Finanzierung. Die muss durch von vorhandenen Ideen in die Praxis der Gesundheits- eine Bürgerversicherung gerechter werden. Wir müssen politik. sicherstellen, dass die junge Generation mit Beiträgen nicht überlastet wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) KEN) Das ist es: Wir haben viel zu tun in der Pfege. Wir Ein weiteres Beispiel: Die Ausbildungsreform ist haben viel zu tun für die Pfege und für die vielen Men- schon verabschiedet. Da wurde die Altenpfegeausbil- schen, die auf Pfege angewiesen sind und in Zukunft dung zu einer Ausbildung zweiter Klasse gemacht. In zunehmend darauf angewiesen sein werden. Deswegen der Umsetzung der Zusammenlegung der verschiedenen glaube ich, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt das Ausbildungsberufe besteht jetzt das Problem, dass in der Wichtigste ist, gerade auch angesichts dessen, was wir Altenpfege unter Umständen Ausbildungsplätze wegfal- hier an Hass und an Hetze gehört haben. Wir werden das len. Da frage ich Sie: Welche Konzepte haben Sie? Wa- Problem der Pfege nur lösen, wenn wir in einer fried- 5294 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Kordula Schulz-Asche (A) lichen Gesellschaft leben, wo alle Menschen, die bereit wird sichergestellt, dass in jedem Entnahmekrankenhaus (C) sind, mit Menschen zu arbeiten, akzeptiert sind. Die zeitnah der Hirntod festgestellt werden kann. Aktuell ist brauchen wir alle. das Problem, dass gerade kleinere Häuser nicht über das notwendige Know-how verfügen. Danke schön. Problematisch fnde ich allerdings die Forderung von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundesminister Spahn und anderen, die doppelte Wi- sowie bei Abgeordneten der SPD) derspruchslösung einzuführen. Dies halte ich nicht für die richtige Lösung. Ein Blick auf die weltweite Situ- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ation zeigt, dass es unterschiedliche Lösungen gibt mit Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der unterschiedlichen Erfolgen. So haben zum Beispiel die Kollege Stephan Pilsinger. USA, wo es die Zustimmungslösung gibt, hohe Organ- spendezahlen. In Schweden haben sich die Organspen- (Beifall bei der CDU/CSU) dezahlen trotz Einführung der Widerspruchslösung nicht verbessert. Somit kann man nicht ohne Weiteres sagen, Stephan Pilsinger (CDU/CSU): die Widerspruchslösung würde automatisch bessere Or- Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister ganspendezahlen mit sich bringen. Spahn! Meine Damen und Herren! Unser Gesundheits- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: system ist eines der besten überhaupt, und der Einzelplan Stimmt! Richtig!) Gesundheit im Bundeshaushalt leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilität dieses Systems. Bundesminis- Dies legt vielmehr den Schluss nahe, dass die schlech- ter Spahn hat den Turbo eingelegt und in seiner kurzen ten Organspendezahlen auf Probleme im Prozess der Or- Amtszeit schon einige wichtige Gesetzentwürfe ange- ganspende zurückzuführen sind. Dies wurde mir auch in stoßen, und zwar den Entwurf zum Versichertenentlas- Gesprächen mit dem Deutschen Ethikrat, der Deutschen tungsgesetz, zum Pfegepersonal-Stärkungsgesetz, zum Stiftung Organtransplantation sowie der Deutschen Terminservice- und Versorgungsgesetz und zum Gesetz Krankenhausgesellschaft bestätigt. Auch eine Studie für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel der Organspende. Ich bin fest überzeugt, dass nach seiner kommt zu diesem Ergebnis. Amtszeit unser Gesundheitssystem deutlich besser ge- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Genau worden sein wird. so!) (Beifall bei der CDU/CSU) Umso mehr ist es für mich unverständlich, dass darü- (B) Es ist aber auch wichtig, dass wir in Zeiten guter Kon- ber hinaus die doppelte Widerspruchslösung gefordert (D) junktur nicht nur Wohltaten verteilen, sondern auch in wird. Die Widerspruchslösung fnde ich ethisch äußerst die Zukunft investieren. Und deshalb bin ich der Mei- bedenklich. nung, dass wir in Zukunft verstärkt in die Themen Di- (Beifall der Abg. Christine Aschenberg-­ gitalisierung, Biotechnologie und innovative Behand- Dugnus [FDP]) lungsmethoden investieren müssen. Es freut mich als Berichterstatter für das Thema Organspende besonders, Ein bloßes Nichtssagen kann doch nicht einfach als Zu- dass wir über dieses Thema reden, und es freut mich, stimmung gewertet werden. dass für Aufklärung über Organspende 5,7 Millionen (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Euro ausgegeben werden. Dies erscheint mir umso wich- Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ tiger, wenn man sich die aktuellen Organspendezahlen DIE GRÜNEN]) in Deutschland ansieht. Diese sind erschreckend niedrig. Im vergangenen Jahr hat sich die Organspende erneut Ich bin grundsätzlich für die Beibehaltung der Ent- rückläufg entwickelt. Dies darf nicht so bleiben! Daher scheidungslösung. Sinnvoll fände ich zum Beispiel die bin ich Bundesminister Spahn auch äußerst dankbar, dass verpfichtende Entscheidungslösung. Nach diesem Sys- er sich dieses Themas angenommen hat und den Entwurf tem sollen alle Bürgerinnen und Bürger zu einer einheit- des Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere lichen Gelegenheit, zum Beispiel bei der Ausstellung Strukturen bei der Organspende erarbeitet hat. eines neuen Personalausweises oder der Gesundheitskar- te, befragt werden, ob sie Organspender sein möchten. Der Gesetzentwurf erkennt richtigerweise, dass die Dies wird zum Beispiel erfolgreich im US-Bundesstaat schlechten Organspendezahlen auf Probleme im Prozess Maryland praktiziert. Mit der verpfichtenden Entschei- der Organspende zurückzuführen sind. Und: Der Ge- dungslösung werden das Selbstbestimmungsrecht jedes setzentwurf zieht hieraus auch die richtigen Schlüsse: Er Einzelnen und die Freiheit des Menschen gewahrt, und schaft die strukturellen und fnanziellen Veränderungen auch die Integrität des Körpers wird geachtet. Um auch in den Entnahmekrankenhäusern, die notwendig sind, das Recht auf Nichtentscheidung zu wahren, ist es wich- um die Organspendezahlen nachhaltig zu erhöhen. Sehr tig, eine dritte Auswahlmöglichkeit zu bieten, nämlich: erfreulich ist auch, dass der Gesetzentwurf eine Regelung Ich möchte mich nicht entscheiden. für die Freistellung des Transplantationsbeauftragten ent- hält; so kann dieser künftig ungestört seiner wichtigen Mit der verpfichtenden Entscheidungslösung werden Aufgabe nachgehen. Ein weiterer wichtiger Punkt, den auch die Angehörigen des potenziellen Organspenders der Gesetzentwurf enthält, ist die Einrichtung neurolo- entlastet. Im Rahmen der doppelten Widerspruchslösung gischer konsiliarärztlicher Bereitschaftsdienste. Damit müssen die Angehörigen in einer emotionalen Ausnah- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5295

Stephan Pilsinger (A) mesituation eine Entscheidung für den Patienten trefen. ansteckenden Krankheiten durch die Gegend laufen, soll- (C) Dies ist emotional so nicht zuzumuten. ten Sie sich mal die Ursachen angucken. Dabei kann Ih- nen Ihr eigener Fraktionskollege vielleicht helfen. In meiner Tätigkeit als Arzt habe ich im Krankenhaus erlebt, wie belastend es für Angehörige ist, zu entschei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten den, ob lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden der CDU/CSU und der FDP) sollen, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Die An- Es ist richtig, dass wir das Thema Pfege in den Fokus gehörigen waren deutlich entlastet, wenn der Patient sei- genommen haben. Ich möchte noch einmal daran erin- nen Willen zuvor schriftlich festgehalten hatte und ihnen nern, was wir in der letzten Legislatur durchgesetzt ha- damit diese höchst emotionale Entscheidung abgenom- ben. Damals haben wir dafür gekämpft, dass das Begut- men wurde. achtungsverfahren verändert wird. Ich sage das deshalb, Daher ist es so wichtig, dass sich jeder mit dem Thema weil immer so getan wird, als würde das Thema Pfege Organspende zu Lebzeiten auseinandersetzt und doku- erst jetzt im Fokus sein. mentiert, ob er Spender sein möchte oder nicht. Dadurch Wir haben dafür gesorgt, dass viel mehr Menschen bleibt es den Angehörigen erspart, den vermeintlichen Pfegeleistungen in Anspruch nehmen können. Auch das Patientenwillen zu ergründen. war ein wichtiger Schritt. Wir hören allerdings jetzt, dass Bei der Widerspruchslösung kann man nicht mehr von die Leistungen, die wir verbessert haben, zum Teil nicht einer Organspende sprechen, da eine Spende immer auch in Anspruch genommen werden, weil die ambulanten eine Freiwilligkeit voraussetzt. Pfegedienste diese Leistungen nicht erbringen können. Deshalb müssen wir uns die Strukturen in der ambulan- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Rich- ten Pfege in der Tat noch einmal anschauen. tig!) Ich fnde es aber auch richtig, dass wir jetzt den Vielmehr müsste man von einer Organabgabepficht Schwerpunkt auf den stationären Bereich legen. Ich sprechen. Solch einen fundamentalen Paradigmenwech- persönlich würde die Konzertierte Aktion Pfege nicht sel dürfen wir nicht zulassen. unterschätzen; denn da kommen alle Berufsgruppen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zusammen, um genau die Themen, die sowohl von den der FDP) Grünen als auch von den Linken angesprochen wurden, unter Fachleuten zu diskutieren. Ich sage aber für die SPD-Fraktion: Wir warten nicht ewig. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: die Kol- (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE (B) legin Bärbel Bas. GRÜNEN]: Was passiert dann?) (D) (Beifall bei der SPD) Wir erwarten spätestens nach zwölf Monaten – so wie angekündigt – Vorschläge für Maßnahmen, die wir um- setzen können, die dafür sorgen, dass die Versorgung mit Bärbel Bas (SPD): Pfegekräften besser wird, der Beruf attraktiver wird, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! damit wir junge Menschen für diesen Beruf motivieren. Meine Damen und Herren! Im Entwurf sind für den Ge- Dabei geht es auch um Arbeitsbedingungen, um Arbeits- sundheitsetat 15,2 Milliarden Euro vorgesehen. Wir alle schutz, um Gesundheitsförderung und um die Bezahlung. wissen, dass der größte Teil dieses Geldes in den Ge- sundheitsfonds fießt. Wir haben damit, mit insgesamt Ja, wir haben einen Mindestlohn in der Pfege. Den 14,5 Milliarden Euro, im Moment eine stabile Finanzie- haben wir durchgesetzt, und das ist auch richtig. Es ist rung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch aber erschreckend, dass es viel zu wenige Tarifverträge diese Finanzierung tragen wir miteinander dazu bei, dass gibt. Da müssen wir etwas tun. das Rückgrat in der Solidargemeinschaft stabil bleibt. (Beifall bei der SPD) Karl Lauterbach hat es angesprochen: Wir kommen zu- rück zur paritätischen Finanzierung, sodass Arbeitgeber Ich bin sehr dankbar, dass sowohl Arbeitsminister Heil und Versicherte dieses System wieder zu gleichen Teilen als auch Gesundheitsminister Spahn daran arbeiten, mit fnanzieren. Das ist ein notwendiger Schritt, um die Soli- den Gewerkschaften und Arbeitgebern einen Flächenta- dargemeinschaft stabil zu halten. rifvertrag hinzubekommen. Warum ist der so wichtig? Damit wir ihn – da wird die FDP möglicherweise jetzt (Beifall bei der SPD) gleich wieder aufjaulen – für allgemeinverbindlich erklä- ren können, Ich muss doch noch auf die AfD eingehen; ich habe lange mit mir gerungen. Vielleicht können die Kollegen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sich einfach mal austauschen. Herr Spangenberg hat an- der CDU/CSU) erkennenderweise gesagt, dass die Mittel, die wir inter- damit auch dort, wo es keinen Tarifvertrag gibt, die Be- national investieren, dabei helfen, eben genau die Krank- schäftigten davon proftieren können. Das wollen wir heiten, die Frau Malsack-Winkemann angesprochen hat, als Sozialdemokraten durchsetzen, und das ist ganz ent- zu bekämpfen, und zwar weltweit. Er hat das selber an- scheidend. erkannt; vielleicht tauschen Sie sich mal aus. Anstatt hier nur zu hetzen, ganze Nationen zu beschimpfen und zu Diese Punkte, denke ich, zeigen noch einmal deutlich, behaupten, deren Bürger würden nur mit irgendwelchen dass es auch um die Frage geht: Wo sollen die Pfege- 5296 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Bärbel Bas (A) kräfte herkommen? Da gibt es im Land im Moment eine Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Volksmund sagt: (C) Debatte. Die einen sagen: Wir haben viel zu viel Zuwan- Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Das Umgekehrte gilt derung. – Die anderen sagen: Wir müssen im Ausland allerdings auch: Wo ein Spahn ist, da wird gehobelt. Arbeitskräfte anwerben. (Lachen bei der LINKEN – Sonja Amalie Ich glaube, abschließend muss man noch einmal sa- Stefen [SPD]: Das ist ein bisschen bemüht! – Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gen: Wir haben jetzt schon sehr viele Menschen, die zu- Nein, nein, nein!) gewandert sind und die in der Pfege arbeiten oder gerade eine Ausbildung machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Herr Minister, das Lob, das Sie gehört haben, war jetzt endlich auch über dieses Fachkräftegesetz, Zuwan- manchmal ein bisschen vergiftet, manchmal auch nicht. derungsgesetz, Einwanderungsgesetz – egal, wie Sie es Aber ich glaube, man kann anerkennen, dass wir jetzt nennen – reden. Wir müssen erstens diesen Menschen, viele Gesetzentwürfe haben, dass der Minister sehr viel die jetzt schon in diesen Bereichen arbeiten, eine Per- vorgelegt hat und dass dieses Thema Gesundheit sehr spektive geben, ihnen eine Zukunft geben, ihnen auch präsent ist. sagen, dass wir sie brauchen, und dürfen sie nicht aus (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dem Land hetzen. Zweitens müssen wir in diesem Be- reich viel mehr tun, um die wieder zurückzuholen, die Liebe Freunde, wir diskutieren Gesundheit nicht nur schon einmal in der Pfege gearbeitet haben. in irgendwelchen Fachmedien. Auch beim Normalbürger ist angekommen, was sich hier im Deutschen Bundestag, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) was sich hier in Berlin bewegt. Es fndet in den Talkrun- den statt, es fndet in den Zeitungen statt – selbst in der Das ist übrigens auch ein Thema der Pfegekampagne. Zeitung mit den vier großen Buchstaben. Deswegen halte ich sie nicht für unsinnig. Vielmehr ist es schon bemerkenswert, dass drei Ministerien jetzt Hand in Wir haben uns eine Menge vorgenommen. Ich möchte auf ein Gesetz eingehen, auf das Terminservice- und Ver- Hand arbeiten wollen, nicht nur das Gesundheitsminis- sorgungsgesetz. Wir haben schon Terminservicestellen terium, sondern auch das Familienministerium und der bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, die auch ganz Arbeitsminister, um Kräfte, die in der Pfege gearbeitet wichtig sind. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Als haben, mit guten Arbeitsbedingungen, guten Löhnen ich im Sommer unterwegs war, haben viele Menschen zu auch wieder in die Pfege zu bekommen. Das muss der mir gesagt: Ich habe ein Problem, bei uns im Erzgebirge Schwerpunkt sein. Das haben wir jetzt angepackt, und einen Augenarzt zu fnden. – Ich glaube, andere Kollegen (B) dafür bin ich sehr dankbar. Ich freue mich schon auf die können Ähnliches berichten, wie schwierig das ist, einen (D) weiteren Haushaltsberatungen. Termin zu bekommen. Ich fnde, wir müssen die Kas- senärztlichen Vereinigungen dabei unterstützen, dass sie Vielen Dank. das besser hinbekommen. Deswegen ist der Ansatz rich- tig, dass wir sagen: Wenn man diese Terminservicestelle (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten anruft, dann muss die rund um die Uhr erreichbar sein, der CDU/CSU) an 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr, damit man einen Termin vereinbaren kann, und zwar nicht nur einen Facharzttermin, wie das derzeit der Fall ist, sondern eben Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auch, wenn man einen Hausarzt sucht oder einen Kinder- Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege arzt. Auch einen solchen Termin sollte man bekommen. Alexander Krauß. Oder: Mich hat ein Bürger angesprochen, ein Pfarrer, der seine neue Pfarrstelle angetreten hat und zum Haus- (Beifall bei der CDU/CSU) arzt gehen wollte. Da hat man ihm gesagt: Gehen Sie doch bitte schön zu Ihrem alten Hausarzt; denn bei uns in Alexander Krauß (CDU/CSU): der Stadt gibt es eigentlich keinen mehr, der Sie behan- deln kann. – Dann hat er bei zwei Hausärzten angerufen. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Er wohnte 100 Kilometer entfernt. Das ist natürlich keine ren! Wenn die Deutschen gefragt werden, was sie vom Antwort. Wir müssen es hinbekommen, dass ein Bürger, Leben wünschen, dann antworten die meisten: mehr Ge- wenn er umzieht, dann natürlich auch einen Hausarzt sundheit. Die Gesundheitspolitik ist bei uns im Land zum für seine Familie und für sich hat, von dem er behandelt Glück kein Randthema mehr, sondern zentrales Thema, wird. das die Menschen wirklich bewegt. Wir reden zwar hier im Bundestag sehr gern über den Morbi-RSA oder Prä- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: expositionsprophylaxe oder Kryokonservierung. Damit Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von können die Normalbürger aber nichts anfangen. Doch die dem Kollegen Schinnenburg von der FDP-Fraktion? Begrife bezeichnen ja verschiedene Puzzleteilchen, die unser Gesundheitswesen besser machen. Die Menschen wünschen, ja sie erwarten, dass es eine gute medizinische Alexander Krauß (CDU/CSU): Versorgung gibt, und das, wie ich fnde, zu Recht. Ja, bitte schön. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5297

(A) Dr. Wieland Schinnenburg (FDP): Dank an Nordrhein-Westfalen, das eine neue medizini- (C) Vielen Dank, dass ich die Frage stellen kann. – Ich sche Fakultät in Bielefeld aufbaut, und vielen Dank an habe eine Frage zu den Terminservicestellen. Ist Ihnen die Bayern, die in Augsburg eine zusätzliche medizini- bewusst, dass diese keine einzige neue Arztstelle schaf- sche Fakultät einrichten wollen. All das ist richtig und fen und dass sie aus den Honoraren fnanziert werden, wichtig. Bei diesem großen Kraftakt sollten wir die Län- die jetzt schon gedeckelt sind? Das heißt, das Geld, das der unterstützen, damit es uns gelingt, die medizinische die Terminservicestelle kostet, fehlt nachher für die Be- Versorgung zu sichern. handlung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Alexander Krauß (CDU/CSU): Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie mit uns Ich gehe auf diesen Punkt noch ein. Vielen Dank für den Hobel in die Hand, damit etwas Gescheites heraus- die Frage. Ich möchte noch einen Punkt ergänzen, be- kommt. Der Minister hat gut vorgelegt. Ich bin sicher: vor ich Ihre Frage beantworte. – Die Terminservice- Wir werden etwas Gutes daraus machen. stellen sind nicht nur für die Facharzttermine da, nicht Glück auf! nur für die Vermittlung des Hausarztes, sondern es soll auch dazu kommen, dass sie in Akutfällen vermitteln. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn ich also einen Hausarzt akut brauche, weil ich eine schwere Grippe habe, dann muss auch das möglich sein. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Jetzt zu Ihrer Frage. Ich bin dankbar, dass wir nicht Der letzte Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der nur sagen: „Ihr müsst das irgendwie machen“, sondern Kollege Josef Rief, CDU/CSU-Fraktion. dass wir sagen: Es wird auch budgetär extra vergütet, (Beifall bei der CDU/CSU) wenn ihr zusätzlich ofene Sprechstunden anbietet. – Das ist eine Möglichkeit, die dazu führt, dass mehr Patien- ten behandelt werden. Es geht nicht darum, dass man das Josef Rief (CDU/CSU): Tischtuch sozusagen hin- und herzieht, sondern darum, Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und dass es größer wird. In Regionen, in denen es zu wenige Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne und zu Hause! Lie- Ärzte gibt, soll es einen Zuschlag für die behandelnden be Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Gesund- Ärzte geben. Das sorgt dafür, dass die Ärzte vielleicht heitsthema komme, möchte ich mich bei unserer Bun- gerne mehr behandeln wollen und dass es attraktiver deskanzlerin bedanken für ihre entscheidenden Worte am wird, in Regionen zu gehen, in denen es zu wenige Ärz- Mittwoch. Auch Präsident Wolfgang Schäuble danke ich te gibt. Ferner gibt es eine zusätzliche Vergütung dafür, für seinen Beitrag am Dienstag. Er hat, wie es seine Art (B) wenn man neue Patienten aufnimmt. Auch das ist ein ist, mit klaren Worten Stellung bezogen, die Situation (D) ganz wichtiger Punkt. zusammengefasst. Unser Land braucht einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Demonstrationen sind (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) selbstverständlich ein legitimes Mittel der Beteiligung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die größte Diese müssen aber zwingend gewaltfrei und ohne Hass Herausforderung im Gesundheitswesen ist für mich, wie oder gar Naziparolen stattfnden. wir es hinbekommen, dass wir auch in Zukunft genügend (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜND- Ärzte haben. Hier müssen wir mithelfen – wir sind ein NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Spieler auf diesem Spielfeld –, dass es genügend Ärzte in ten der SPD) unserem Land gibt. Ja, die Zahl der Ärzte ist in den letz- ten Jahren gestiegen. Dennoch: Die Gesellschaft ist auch Aus Untersuchungen, meine sehr geehrten Damen und älter geworden. Deswegen geht man häufger zum Arzt. Herren, wissen wir, dass die Unzufriedenheit von Teilen Hinzu kommt – das ist wahrscheinlich der Hauptpunkt –: der Gesellschaft nicht von materieller Not herrührt. Ein Wir stellen fest, dass es einen Einstellungswandel gibt, Pfarrer in meiner Heimat sagte mir so richtig, dass vor was das Thema Arbeit betrift, nicht nur bei Ärzten, son- allem Seelennot zu Unzufriedenheit führt. Ofensichtlich dern bei anderen Berufsgruppen auch. Der Präsident der leiden große Teile der Bevölkerung daran. Die Schnell- Sächsischen Landesärztekammer sagt, für einen Arzt, der lebigkeit in der heutigen Zeit führt zu weiterer Unsicher- in den Ruhestand geht, braucht er zwei bis zweieinhalb, heit und Orientierungslosigkeit. Die globale Vernetzung, die nachkommen, weil sich die Einstellung zur Arbeit die digitale Berieselung und die ständige Erreichbarkeit geändert hat. Die Hausärzte, die 70 Stunden pro Woche am Mobiltelefon bringen so einiges mit sich. In Hamburg arbeiten, die am Samstag da sind, die immer kommen, demonstrierten Kinder sogar, um ihre Eltern auf deren wenn man sie anruft, werden immer weniger. Deswegen ausufernde Handynutzung aufmerksam zu machen. Die muss es uns gelingen, wesentlich mehr Ärzte auszubil- Kinder fordern zu Recht mehr Zeit und Fürsorge für sich den. Das geht vor allem über die Schafung von mehr ein. Studienplätzen. Deswegen können wir die Länder nur (Beifall bei der CDU/CSU) ermutigen, hier mehr zu tun. Ich bin dankbar für Länder, die das tun, wie Nordrhein-Westfalen und Bayern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der Gesundheitshaushalt hat unmittelbar mit den genannten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Themen zu tun. Wir erhofen uns viele Vorteile von der – Ja, das ist wirklich einen Applaus wert, weil es viel Digitalisierung, müssen aber auch etwaige negative Fol- Anstrengung und viel Geld erfordert. Deswegen vielen gen der Entwicklung im Blick haben. 5298 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Josef Rief (A) Ich freue mich, dass der Gesundheitshaushalt, wie steht der Kampf gegen Krankenhausinfektionen, die im- (C) er uns im Entwurf vorliegt, eine deutliche Orientierung mer noch sehr hoch sind und den Behandlungserfolgen in die Zukunft hat. Dabei kommen wir nicht nur unse- entgegenstehen. rer Verantwortung im Inland nach, sondern verstärken auch unser Engagement für eine bessere internationale Zu guter Letzt will ich nicht unerwähnt lassen, dass Gesundheit. Die WHO ist hier als Hauptträger zu nen- mit 14,5 Milliarden Euro der Löwenanteil des Gesund- nen. Der Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Ebola heitshaushalts an die gesetzlichen Krankenversicherun- muss weitergehen, gerade in einer globalisierenden Welt, gen fießt. Wir fnanzieren damit viele versicherungs- nicht zuletzt zu unserem eigenen Schutz. Krankheiten fremde Leistungen. Das ist kein kleiner Beitrag für die machen nicht vor Landesgrenzen halt. Ich glaube, die Beitragsstabilität. Menschen – die meisten Menschen, auch hier – sind da- von überzeugt. Alle anderen irren. In Deutschland arbeiten mehr als 5,5 Millionen Men- schen im Gesundheitsbereich – Menschen, die sich im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schichtdienst, auch am Wochenende, um Patienten und Wir investieren in die Weiterentwicklung beim so Pfegebedürftige kümmern und unser Land mit Leben wichtigen Thema Pfege. Die Pfegekampagne wird wei- füllen. Für diesen Einsatz können wir uns nicht genug tergeführt. Neben vielem anderen fördern wir nun mit bedanken. Daraus entsteht aber auch unsere Pficht, als 10 Millionen Euro Projekte zur Entwicklung und Testung Politik und Gesellschaft, die Bedingungen für die Mit- von Versorgungs- und Ausbildungsmodellen, die uns im arbeiterinnen und Mitarbeiter in Gesundheit und Pfege Bereich Versorgung, Pfege und Rehabilitation voran- stets zu verbessern. Das fängt schon damit an, dass wir bringen. Damit werden wir Lösungen für die Zukunft aufzeigen, welch spannende und erfüllende Tätigkeiten untersuchen lassen und auch deren Umsetzung ermög- es auf diesem Gebiet gibt. Wertschätzung und Unterstüt- lichen. zung sind gefragt und nicht das Schlechtreden einzelner Für Forschung werden wir im Gesundheitsbereich im Berufsbilder. kommenden Jahr insgesamt über 105 Millionen Euro bereitstellen. Von Stillstand oder gar Rückwärtsgewandt- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) heit kann also bestimmt nicht die Rede sein, auch wenn Ich bin überzeugt, dass wir zusammen mit Minister sich die Oppositionsfraktionen in dieser Woche – auch Spahn – unserem sehr guten Minister Spahn – die rich- heute – viel Mühe gegeben haben, das immer wieder zu tigen Prioritäten setzen. Meine Damen und Herren, ich behaupten. freue mich auf die Haushaltsverhandlungen im Aus- Dazu, dass Ulla Schmidt mit Jens Spahn verglichen schuss. Ich bin überzeugt, dass wir auch für 2019 einen (B) (D) wird, muss ich sagen: Es ist immer noch besser, als wenn Haushalt beschließen, der für eine positive Entwicklung Jens Spahn mit einem Gesundheitsminister von den Li- in Deutschland sorgt und weiter ohne neue Schulden aus- beralen verglichen worden wäre. kommt. Mit diesem Haushalt bleibt Deutschland ein Hort (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – der Solidität, Innovation und Nachhaltigkeit. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Vor- sicht, Josef!) Herzlichen Dank. Da wäre dann nämlich klar gewesen, dass Jens Spahn der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) innovativste Minister von allen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Lachen bei Abgeordneten der FDP – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das scheint euch Vielen Dank, Kollege Rief. – Es liegen zu diesem Ge- ja getrofen zu haben!) schäftsbereich keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist auch interessant, dass hier diskutiert und beklagt Wir kommen jetzt zügig zur Schlussrunde. Der ers- wird, dass die Pfege- und Krankenkassenbeiträge steigen te Redner in der Schlussrunde ist der Kollege Johannes und letzten Endes zu wenig Geld für die Menschen, die in Kahrs, SPD-Fraktion. der Pfege arbeiten, bereitgestellt wird. Gleichzeitig wird beklagt, dass der böse Bund zu wenig Geld für Investitio- (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans nen in die Krankenhäuser ausgibt. Umgekehrt brüsten sie Michelbach [CDU/CSU]: Hofentlich wird er sich in den Ländern – gerade in Berlin – damit, dass sie heute sachlicher!) jetzt sogar Schulden tilgen möchten. Das geht so nicht; entweder das eine oder das andere. Ich möchte einfach Herr Kahrs, wenn Sie kurz noch warten, bis sich die sagen: Adam Riese ist vielleicht ein besserer Ratgeber in Kollegen entschieden haben, ob sie im Saal bleiben wol- Haushaltssachen als Karl Marx. len oder nicht. Bitte verlassen Sie zügig den Raum, falls Sie nicht der Schlussrunde beiwohnen wollen. – Herr (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der AfD) Kollege Kahrs, Sie haben jetzt das Wort. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit 14 Mil- (Jürgen Braun [AfD]: Jetzt geht schon die lionen Euro in den kommenden vier Jahren fördern wir FDP bei Herrn Kahrs! – Heiterkeit bei Abge- die Patientensicherheit in Deutschland. Dabei im Fokus ordneten der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5299

(A) Johannes Kahrs (SPD): geht. Ein Land ist sicher, ein Land ist lebenswert, wenn (C) Bei der AfD weiß man immer nie, ob sie bleibt oder wir die Menschen mitnehmen, wenn es allen Menschen ob sie geht. gut geht. Dafür sorgt eben auch dieser Haushalt. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten SPD) der CDU/CSU) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Gerade wir Sozialdemokraten haben gesagt: Man und Herren! Ich freue mich, dass wir jetzt die laufende muss bauen, bauen, bauen. Das ist die beste Mietpreis- Woche Revue passieren lassen können. Der vorliegende bremse. – Trotzdem braucht man auch eine richtige Miet- Haushalt wurde von der Bundesregierung erstellt, und in preisbremse, die funktioniert. Deswegen muss man die dieser Woche haben wir ihn über alle Ressorts diskutiert. Ausnahmen beseitigen. Ich kann sagen: Der natürliche Feind des Guten ist das Bessere. Das heißt, der Kollege Rehberg und ich wer- (Otto Fricke [FDP]: Eine Bremse, damit man den innerhalb der Koalitionsfraktionen aus diesem guten schneller wird?) Haushalt einen besseren machen. Das werden die Haus- haltsberatungen dann ergeben. Wir werden uns hier Ende Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass schwerpunkt- des Jahres zur zweiten und dritten Lesung trefen. mäßig bezahlbare Wohnungen gebaut werden, und man wird sehen, dass die BImA ihre Aufgabe entsprechend Wenn man sich den Haushalt anguckt, so sieht man: tun wird. Wir wollen bezahlbare Wohnungen bauen, das Wohnei- gentum fördern, den Mietwucher stoppen und den sozia- Wenn Menschen mit normalem Einkommen in den len Wohnungsbau fördern. Wir fördern auch den Bau von Großstädten immer mehr Probleme haben, überhaupt Mietwohnungen – das kam im September ins Kabinett –, eine bezahlbare Wohnung zu fnden, wir führen das Baukindergeld ein, und BImA-Grundstü- (Zuruf von der AfD: Das ist doch Ihre cke sollen vergünstigt an Kommunen abgegeben werden. Schuld!) (Beifall bei der SPD) dann muss der Staat etwas tun. Wir werden die gesetzliche Rente bis 2025 sichern. Das Rentenniveau wird gesichert. Die Rente wird nicht (Beifall bei der SPD) sinken. Wir Sozialdemokraten werden dafür sorgen, dass Ehrlicherweise muss man sagen, dass das auch die Auf- das bis 2040 fortfolgend auch so ist. gabe der Bundesregierung ist. Wir werden mit den Län- (B) (Otto Fricke [FDP]: Klar!) dern gemeinsam verhandeln, damit man entsprechende (D) Grundgesetzänderungen durchsetzen kann. Man muss jetzt die Weichen stellen. Wir als Sozialde- mokraten glauben, dass man das auch fnanzieren kann. (Otto Fricke [FDP]: Das könnt ihr gar nicht!) Mit unserem geschätzten Koalitionspartner reden wir Wir werden uns zusammen mit der CDU hier im Parla- über das 2-Prozent-Ziel. Sie glauben, dass man pro Jahr ment dafür einsetzen, dass es den Maßstab der Zusätz- 40 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr ausgeben lichkeit gibt, kann. Ich fnde, dann sollte es kein Problem sein, auch die Rente zu sichern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Über all das werden wir diskutieren, wie sich das in ei- dass das Geld obendrauf kommt. Es soll nicht so sein, ner Koalition gehört: freundlich im Ton, ab und an strittig dass wir das Geld obendrauf geben und die Länder es in der Sache. Aber wir werden uns einigen. Es hat uns ja unten wieder wegnehmen. Ich glaube, dass das wichtige ausgezeichnet, dass wir hier Entscheidungen fällen. Punkte sind. Die werden wir verankern. Am Ende wer- den natürlich Partei- und Fraktionsvorsitzende darüber (Otto Fricke [FDP]: Das fürchten wir!) zu entscheiden haben. Wir haben in der letzten Legislaturperiode und auch in diesem Haushalt viele neue Stellen geschafen, damit (Otto Fricke [FDP]: Was?) wir einen starken, einen handlungsfähigen Staat haben. Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung. Der Regierungsentwurf enthält 6 400 neue Stellen, davon Man muss im Deutschen Bundestag auch gesellschaftli- 3 100 neue Stellen für die Sicherheitsbehörden, 750 Stel- che Debatten führen. In dieser Haushaltsdebatte geht es len für den Zoll und 1 250 Stellen für den Abbau der um die Frage, ob wir in einem sozialen und gerechten sachgrundlosen Befristung. Land leben. Wir müssen aber auch eine Debatte darüber Dass dieser Haushaltsentwurf ein guter ist, hat sich bei führen, was wir in diesem Land tolerieren und akzeptie- den Beratungen der Einzeletats gezeigt. Die Wirtschaft ren wollen. brummt, die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist exzellent, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den Haushalten geht es gut, den Sozialversicherungen auch, aber es geht nicht jedem Menschen in diesem Land Wenn wir uns angucken, was wir in dieser Woche von gut. Wir werden uns in dieser Koalition für bezahlbares der AfD gehört haben, Wohnen und für sichere Renten einsetzen, damit wir auch die Menschen abholen, denen es eben nicht so gut (Sonja Amalie Stefen [SPD]: Gar nichts!) 5300 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Johannes Kahrs (A) dann stellen wir fest: Sie von der AfD wollen die Reichen im Staate noch willens ist, die zweitgrößte demokrati- (C) fördern, sche Partei Deutschlands, nämlich die AfD, zu schützen. (Dr. [AfD]: Das ist doch (Beifall bei der AfD – Stef Lemke [BÜND- Blödsinn!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit wann seid ihr die zweitgrößte Partei?) und Sie wollen nicht, dass die Rente weiterhin umlagef- nanziert abgesichert wird. Der Bundespräsident und, wenn es nach dem Willen der SPD ginge, auch der Präsident des Verfassungs- (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Auch Blödsinn! – schutzes, sollen hier ja wegfallen. Wenn man das betrach- Weiterer Zuruf von der AfD: Bleiben Sie bei tet, denkt man, Sie streben wahrscheinlich eine Gleich- der Wahrheit!) schaltung – das würde Ihnen so gefallen – der EZB, des Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsschutzes Sie können hier austeilen und diese Gesellschaft spalten an. Wenn ich mir nochmals die Diskussionen hier im Par- und trennen, aber wenn sie eine klare Ansage bekommen: lament in den letzten Tagen vor Augen führe und auch, „Bis hierhin und nicht weiter!“, wenn sie hören, dass wer das Wort „Hass“ Menschen in diesem Land, egal welchen Geschlechts, welcher Religion, welcher Rasse, gleich und anständig (Johannes Kahrs [SPD]: Macht hässlich!) zu behandeln sind, in den Mund genommen hat, muss ich sagen: Sie sind es, meine Damen und Herren von der SPD, die einen mas- (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagen Sie!) siven Anschlag auf unseren Rechtsstaat und seine noch wenn sie hören, dass wir hier nicht spalten und keinen unabhängigen Institutionen verfügen. Hass säen wollen, (Beifall bei der AfD) (Jürgen Braun [AfD]: Sie sind der Spalter!) Anscheinend mutiert die SPD in ihrem politischen Überlebenskampf zur Partei des Tabubruchs, zum Recht dass wir zusammenbleiben wollen, dann zieht die AfD des Stärkeren, zu einer Partei, die, wie ich schon sagte, aus dem Plenarsaal aus. Ich fnde, man muss in dieser zur Gleichschaltung aufruft. Ich hätte einen Bannervor- Gesellschaft einen Diskurs darüber führen: Was wollen schlag für Sie: wir uns erlauben? Wollen wir das, was in Chemnitz ist, wo diese Herren die Wegbereiter für Menschen sind, die (Der Redner hält ein Plakat hoch – Stef mit dem Hitlergruß grüßen, für Menschen, die als Mob Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr durch die Gegend laufen, wo man Angst hat, wo es Skin- Präsident!) (B) heads und nationalbefreite Zonen gibt? Das wäre doch als neues Banner für Sie ideal. Vielleicht (D) (Jürgen Braun [AfD]: Sie sind die Wegberei- sind Sie dann sogar volksnah. ter der Mörder!) (Zurufe von der SPD: Herr Präsident!) Ich glaube, das wollen wir alle nicht. Apropos „Rechtsradikale und hässliche Gestalten“, Herr Kahrs, ich sehe hier keine Rechtsradikalen im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Raum, nirgendwo. der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie blind sind auf dem rechten Auge! – Deswegen braucht keiner die AfD. Deswegen braucht Weitere Zurufe von Abgeordneten der SPD jeder einen vernünftigen Haushalt. Wir werden hier ge- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) meinsam zeigen, dass dieser Staat handlungsfähig ist. Aber ich sehe Gestalten, Herr Kahrs. Ich darf Sie zitie- Vielen Dank. ren: „Ich krieg dich, du Schlampe.“ Ich kann Sie aber be- ruhigen: Für 800 D-Mark konnten Sie damals auch noch (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhardt keinen Charakter kaufen. Rehberg [CDU/CSU]) (Beifall bei der AfD – Johannes Kahrs [SPD]: Da, gucken Sie doch! Rechtsradikale!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Es passt in Ihr Bild, in Ihr Menschenbild und in Ihren Be- Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion der Kol- wertungsmaßstab, dass Sie Herrn Edathy für einen prima lege Kay Gottschalk. Kerl halten. Alles Weitere können Sie, meine sehr ver- (Beifall bei der AfD) ehrten Damen und Herren, in der „FAZ“ und im „Abend- blatt“ über das Politsystem der SPD, der sogenannten Volkspartei, nachlesen. Also, wer hier schon längst auf Kay Gottschalk (AfD): den „Misthaufen der Geschichte“ gehört, das sind Sie, Herr Präsident! Meine verehrten Kollegen! Liebe Mit- Herr Kahrs, defnitiv. bürger hier auf den Tribünen! Ich möchte mich bedan- (Beifall bei der AfD) ken – Sie haben mir die Vorlage gegeben, Herr Kahrs; anscheinend haben Sie heute Kreide gefressen –, und Ich verleihe Ihnen den Titel „Parlamentsproll des Mo- zwar bei der Polizei, die anscheinend als letzte Gewalt nats“ oder „Politischer-Pöbel-Sprecher“ Ihrer Partei. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5301

Kay Gottschalk (A) Diesen Titel haben Sie in dieser Haushaltswoche gewon- der Gleitzone zwischen 60 000 und 66 000 Euro Jahres- (C) nen. einkommen und darüber liegen. (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Johannes Kahrs [SPD]: Sie sollten mal rech- NEN]: Wollen Sie noch was zum Haushalt nen lernen!) sagen?) Die kann man also nach Ihren Worten – und das ist Ihre – Ja, dazu komme ich jetzt. Sie scheinen meine Rede zu soziale Gerechtigkeit – plündern. Nein, meine Damen kennen. und Herren, folgen Sie bei diesen sprudelnden Einnah- men dem Antrag der AfD, der hier zur Beschlussfassung (Heiterkeit bei der AfD – Stef Lemke kommt. Schafen Sie den Solidaritätszuschlag zum 1. Ja- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Gott nuar 2019 ab! Wann denn sonst? Liebe Kollegen von der sei Dank nicht!) FDP, machen auch Sie mit! An zweiter Stelle – es handelt sich, wie ich schon sag- (Beifall bei der AfD) te, um eine Haushaltsdebatte; dieses Thema haben Sie ja verlassen; Sie sprachen vom gesellschaftlichen Diskurs – Noch ein paar Verbesserungsvorschläge – denn kreativ möchte ich mich bei den Steuerzahlern bedanken. Die sind auch wir, und wir wollen uns beteiligen –: Wie wäre haben nämlich bei diesem Haushalt in der Tat ein großes es denn, wenn Sie die Entfernungspauschale indexieren Dankeschön verdient. würden? Die Entfernungspauschale – Sie kennen sie unter dem volkstümlichen Namen „Pendlerpauschale“ – (Beifall bei der AfD) liegt seit 2004 bei 30 Cent pro Kilometer. Sie entlasten Aber eigentlich möchte ich Supersozi Scholz aufordern, also die Bürger und die Arbeitnehmer, die feißig sind sich bei den Steuerzahlern für diesen dreisten Raubzug und pendeln? Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag beträgt durch die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger zu 1 000 Euro, und er liegt seit 2011 unverändert bei diesem entschuldigen. Das wäre das Richtige. Wenn man sich Betrag. Der Behinderten-Pauschbetrag ist gar seit 1975 diesen Haushalt ansieht, muss man sagen: Sozialdemo- unverändert. Und nun kommt der Kracher: Deutschland krat sind Sie schon lange nicht mehr. Darauf will ich ein- wurde ja 1954 Fußballweltmeister. Der Werbungskosten- gehen. betrag für Sonstige Einnahmen – wenn man zum Beispiel in eine Riester-Rente oder eine Rürup-Rente investiert; (Beifall bei der AfD) auch dafür sind, glaube ich, irgendwelche Herrschaften von Ihnen verantwortlich – liegt seit 1954 bei 102 Euro. – Der Belastungs-Check des Bundes der Steuerzahler Sie sehen: Hier sitzen Raubritter, die nur vorgeben, Sie macht es deutlich: Wenn Sie, meine Damen und Herren, zu entlasten. (B) arbeiten, bleiben Ihnen von jedem Euro, den Sie verdie- (D) nen, sage und schreibe 45,7 Cent. Falls Sie auch das nicht (Beifall bei der AfD) glauben – Sie sind ja immer für Fake News, aber wir ser- vieren Fakten; Herr Kahrs will glauben, dass er die Rente Zum Schluss zum internationalen Belastungsver- rettet, nun gut –: gleich. Europaweit werden Familien in Deutschland am höchsten belastet, nämlich mit 43,6 Prozent. Nur die (Der Redner hält ein Schaubild hoch – Hilde Griechen liegen in diesem Vergleich noch vor uns. Mattheis [SPD]: Herr Präsident, wachen Sie Das Fazit ist also: Wenn ich mir viele Ihrer sogenann- mal auf!) ten Geschenke anschaue, stelle ich fest, dass es sich doch Der Steuerzahlergedenktag – das ist die Bankrotter- nur um Anpassungen handelt, die Sie als Gesetzgeber klärung der sogenannten Sozialdemokratischen Partei aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- Deutschlands – war noch 1970 am 9. Juni. Das ist der gerichts vornehmen mussten. Wesentliche Entlastungen, Tag, meine Damen und Herren, an dem Sie alle anfan- meine Damen und Herren – ich glaube, das habe ich hier gen, für die eigene Tasche Geld zu verdienen. Bis dahin dargelegt –, nehmen Sie nicht vor. Folgen Sie unseren bedient sich der Staat mit seinen „tollen“ Ausgaben und Vorschlägen! Dann sind Sie tatsächlich eine Partei, die der „Entlastung aller Bürger“, Herr Kahrs, bei Ihnen. die Bürgerinnen und Bürger – Sie dort oben auf der Tri- 2013 war es der 7. Juli. Trotz toller Steuereinnahmen und büne, die jeden Tag feißig arbeiten gehen; dafür ein gro- Entlastung – eine glatte Lüge, Herr Kahrs – ist es 2018 ßes Dankeschön – entlastet. der 18. Juli, so spät wie noch nie. Das ist keine Entlas- (Beifall bei der AfD – Johannes Kahrs [SPD]: tung der Bürger. Das nenne ich moderne Sklaverei. Keiner davon ist in der AfD!) (Beifall bei der AfD) Sie tun das nicht mehr, und wir lösen Sie ab. Auf Wie- Es bleibt also der Satz: Sozis plündern dich. – Dafür dersehen, SPD! haben Sie mit diesem Haushalt wieder einmal das beste (Beifall bei der AfD) Beispiel geliefert.

Das gilt auch für Ihre Rede. Sie sagten, 90 Prozent Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: der Bürger könnten bzw. würden Sie zum Ende der Le- Herr Kollege Gottschalk, Sie haben hier ein Plakat gislatur entlasten. Die anderen 10 Prozent – das haben hochgehalten. Sie hier ja im Prinzip so gesagt – können das also ruhig zahlen. Diese anderen 10 Prozent sind diejenigen, die in (Zuruf von der CDU/CSU: Zwei!) 5302 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Es ist in diesem Hause nicht erlaubt, derartige Demon- die Entnahme aus der Rücklage würde der Haushaltsaus- (C) strationen vorzunehmen; es ist erlaubt, sich verbal zu äu- gleich ermöglicht ßern. Ich bitte, das künftig zu unterlassen, und rüge das (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE ausdrücklich. GRÜNEN]: Ist ja so!) (Kay Gottschalk [AfD]: Jawohl, Herr Präsi- und die Schuldenbremse sei nur ganz knapp eingehalten. dent!) Erwecken Sie dadurch, auch Sie, sehr geehrter Herr Kol- Der nächste Redner ist der Kollege Dr. André lege Kindler, nicht den Eindruck unseriöser Haushaltspo- Berghegger, CDU/CSU-Fraktion. litik! Das trägt nämlich nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Erstens. Wir halten die Schuldenbremse ein. Es gibt nicht „ein bisschen einhalten“, es gibt nur „einhalten“ Dr. André Berghegger (CDU/CSU): oder „nicht einhalten“. Wir halten sie ein, auch im kom- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und menden Haushalt. Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Richtig ist, dass wir bis 2022 die Rücklage abgebaut Redezeit im Rahmen der Schlussrunde auf den Haushalt haben werden. Aber bei dem Beitrag von Frau Hajduk verwenden. wurde vergessen, dass in jedem Jahr größere Vorsorge getrofen wird im Haushalt, als Entnahmen aus der Rück- (Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Gute Idee!) lage entgegenstehen. Allein die ausgewiesene globale Die Schlussrunde dient ja dazu, die Woche Revue pas- Minderausgabe ist viel höher als die Entnahme aus der sieren zu lassen. Was haben wir erlebt? Einige kontro- allgemeinen Rücklage. verse Debatten, teilweise sehr emotionale Debatten. Wir Zusätzlich sorgen wir in verschiedensten Bereichen müssen immer bedenken, dass der Haushalt ja in Zahlen vor: Familienentlastungsgesetz ist hier ein Stichwort, das gegossene Politik ist. Da haben wir naturgemäß unter- Kindergeld, der Grundfreibetrag, der Abbau der kalten schiedliche Meinungen. Aber lassen Sie uns bitte nach Progression, und ab 2021 hat Herr Scholz die jährliche parlamentarischen Regeln debattieren und streiten! Die- Zuführung in die Rücklage „Demografevorsorge Rente“ sen Eindruck hatte ich diese Woche nicht immer unein- aufgenommen. Es gibt eine globale Mehrausgabe für In- geschränkt. vestitionen. Ich kannte dieses System vorher noch nicht; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aber es ist aufgenommen worden. All das zeigt in der Zu- sammenschau, dass wir den Haushalt konkretisieren und Zu Beginn meiner Rede möchte ich – er ist jetzt nicht quasi verschieben. Das ist eine seriöse Finanzpolitik. anwesend – meinen Kollegen von der CSU, , (B) zitieren. Er hat nämlich gestern gesagt: Wir haben die- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (D) se Woche einige gute Reden der Opposition gehört, aber Johannes Kahrs [SPD]) noch bessere der Koalition. Das Einzige, was ich – mit einem Augenzwinkern – (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Frau Hajduk in diesem Redebeitrag zugutehalten kann: und der FDP) Sie hatte nur fünf Minuten Redezeit und konnte die letz- ten Elemente nicht alle erwähnen. In diesem Sinne würde ich sagen: Der Regierungsent- wurf, den wir hier vorliegen haben, ist ausgeglichen, (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Otto seriös und vor allen Dingen solide. Wir nehmen keine Fricke [FDP]: Böse!) neuen Schulden auf. Die schwarze Null von Wolfgang Zurück zur allgemeinen Finanzdebatte. Ich betone Schäuble, 2014 das erste Mal wieder erreicht, wird hier wieder – das wurde schon erwähnt –: Ich mache mir durchgeschrieben. Wir fnanzieren die prioritären Maß- Sorgen wegen des deutlichen Anstiegs der Sozialausga- nahmen aus dem Koalitionsvertrag aus. Und seit 17 Jah- ben ren halten wir das erste Mal die Maastricht-Kriterien ein, und zwar mit der Vorgabe von 60 Prozent gesamtstaatli- (Otto Fricke [FDP]: Aha!) cher Verschuldung, am BIP gemessen. Das ist nicht nur auf inzwischen über 50 Prozent des Haushalts und we- eine einzelne Zahl. Es ist einfach glaubwürdig, sichert gen der Stagnation der Investitionen. Das ist ein ungutes fnanzpolitische Unabhängigkeit und ist vor allen Dingen Verhältnis. Wir müssen hier nachsteuern und versuchen, generationengerecht, die beste Vorsorge für unsere Kin- die Investitionen zu erhöhen. Wir müssen das Verhältnis der und Enkelkinder. zwischen Investitionen und Sozialausgaben ernsthaft (Beifall bei der CDU/CSU) korrigieren und werden im Rahmen der Haushaltsbe- ratungen, denke ich, versuchen, nachzusteuern und die Ich habe natürlich auch einige Kritik aus der Opposi- Investitionen zu erhöhen; denn Investitionen stärken un- tion wahrgenommen im Laufe dieser Woche. Wenn sie sere Zukunft und sorgen am Ende auch für Wohlstand. ernsthaft war, dann hat sie aber nicht immer getragen. Ich würde das gerne an einem Beispiel deutlich machen. Genauso werden wir uns dafür einsetzen, auch im – ich sehe sie leider nicht –, die geschätz- Rahmen einer sachlichen Diskussion, die Verteidigungs- te Kollegin von den Grünen im Haushaltsausschuss, hat ausgaben zu erhöhen, so wie wir es im Koalitionsvertrag im Rahmen der allgemeinen Finanzdebatte gesagt, wir verabredet haben, ohne aber die Herausforderungen aus hätten uns an die Überschüsse schon gewöhnt, die fnan- den Augen zu verlieren. Es gibt nämlich Herausforde- ziellen Spielräume würden fast ausgereizt und nur durch rungen für den Haushalt, die noch nicht etatisiert sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5303

Dr. André Berghegger (A) Als Beispiele seien der mittelfristige Finanzrahmen der Bundespolizei, Zoll etc. – zur Verfügung zu stellen. All (C) EU, die Auswirkungen des Brexit oder ein möglicher Eu- das ist vom BImA-Errichtungsgesetz gedeckt. Wir kön- ro-Zonen-Haushalt genannt. All das erschwert zukünfti- nen zudem Mieten am unteren Rand der ortsüblichen ge Planungen; aber wir müssen diese Stichworte im Hin- Vergleichsmieten erheben, um nicht auch noch preisstei- terkopf haben. gernd zu wirken. Wir werden im Haushaltsausschuss in Kürze eine Reform der BImA-Richtlinie besprechen, um Ich möchte noch ein wichtiges gesellschaftspolitisches nach den Erfahrungen aus der Praxis den Kommunen Thema ansprechen, das im Laufe dieser Woche auch eine noch weiter entgegenzukommen. All das ist, glaube ich, Rolle spielte: der Bereich Bauen und Wohnen. Es ist uns nur ein kleiner Baustein. Ich bin der festen Überzeugung: allen klar – jeder merkt das in seinem Wahlkreis –: Die Nur gemeinsam mit allen Beteiligten, auch und insbeson- Immobilienmärkte sind angespannt. Mieterinnen und dere mit den privaten Investoren, können wir eine Lö- Mieter müssen einen beträchtlichen Anteil ihres monatli- sung des Problems erreichen. chen Budgets für die Miete aufwenden, und für einige ist es schlicht und ergreifend nicht zu leisten, Eigentum zu Ich komme zum Schluss. Zusammenfassend haben bilden. Das beste Mittel, um diesen Markt zu entspannen, wir eine komfortable Ausgangssituation im Haushalt. ist: Bauen, bauen, bauen! Das sorgt am Ende auch für Die ist aber hart erarbeitet, von den Arbeitnehmerinnen niedrigere Mieten in diesem Land. und Arbeitnehmern sowie von den Unternehmern. Be- gleitet wurde das Ganze über Jahre durch eine seriöse Der Staat kann hier passende Rahmenbedingungen Haushalts- und Finanzpolitik. Lassen Sie uns so weiter- setzen. Wir als Koalition werden dafür sorgen, ein ausge- machen, aber die gute Ausgangslage nicht ausreizen! Es wogenes Verhältnis zwischen Miete und Eigentum anzu- bleiben Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Wir als steuern, und versuchen, entsprechende Anreize zu setzen. Parlament haben den Anspruch, eigene Akzente zu set- Die Koalition hat ein Maßnahmenbündel in Planung. zen; ich lade alle dazu herzlich ein. Danke an Sie, Herr Zwei Beispiele möchte ich gerne erwähnen – sie kom- Scholz, und Ihr Team für die gute Zusammenarbeit und men beide aus dem Innenministerium –: Zum einen ist die Vorarbeit. Ich freue mich auf die anstehenden Bera- das Baukindergeld für das kommende Jahr mit 570 Mil- tungen. lionen Euro eingeplant. Hier sollen Impulse dafür gesetzt werden, für möglichst viele Menschen den Traum vom Ich bedanke mich für das freundliche Zuhören und bin Eigenheim wahr werden zu lassen. Zum anderen geht es froh, dass alle im Sitzungssaal geblieben sind. um den sozialen Wohnungsbau; Johannes Kahrs hat das bereits angesprochen: Das ist zwar eine wichtige Aufga- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- be, aber eine Aufgabe der Länder. Der Bund stellt hierfür ordneten der SPD) (B) im kommenden Jahr, wie in den vergangenen zwei Jah- (D) ren, 1,5 Milliarden Euro bereit; so war die Absprache. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Mit der Gegenfnanzierung durch die Länder könnten, Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege über den Daumen gerechnet, 45 000 Wohnungen entste- Dr. Florian Toncar. hen. 45 000 Wohnungen! (Beifall bei der FDP) Wenn ich mir angucke, wie sich die Bautätigkeit in den letzten Jahren entwickelt hat, wird deutlich: Wir hatten 2012/2013 den Tiefstand erreicht; damals wur- Dr. Florian Toncar (FDP): den 9 800 Wohnungen im ganzen Land errichtet. 2017 Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die teilweise zu hö- haben wir nach eigenen Meldungen der Länder mit renden Loblieder, aber auch die sehr sachlichen Beiträge 26 200 Wohnungen den vorläufgen Höchststand erreicht. zum Haushalt, wie gerade eben von Ihnen, Herr Kollege Dabei war die Bandbreite riesig: Während im letzten Jahr Berghegger, stehen meines Erachtens in einem bizar- 7 200 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen errichtet wur- ren Kontrast zu dem Gesamtbild, das diese Koalition in den, waren es in Sachsen-Anhalt ganze 6 Wohnungen. dieser Woche hier abgibt. Die Causa Maaßen dominiert Ich kann nur hofen, dass diese 6 Wohnungen im ganzen die Woche. Es handelt sich um die zweite schwere Krise Land gut verteilt worden sind. Deswegen an dieser Stelle dieser Koalition, die keine sechs Monate alt ist und be- ein Appell an alle Länder: Setzen Sie das Geld, das wir reits zum zweiten Mal vor existenziellen Fragen steht. So als Bund bereitstellen, zweckentsprechend ein! Finanzie- viel Zerrüttung in einer Koalition in so kurzer Zeit gab ren Sie gegen, so wie es die Absprache war, und bauen es noch nie, und das zum Schaden unseres Landes, liebe Sie! Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der FDP) Was können wir als Bund Weiteres tun? Verschiedens- Ich kann nur sagen: Sie haben es nicht geschaft, in te Maßnahmen sind angesprochen. Ein konkreter Vor- dieser Woche dieses isolierte, überschaubare Problem schlag lautet: Wir müssen, sehr geehrter Herr Scholz, die rund um Herrn Maaßen zu regeln. Fangen Sie endlich an, BImA verstärkt nutzen, auch in ihrer Symbolwirkung. das Grundthema anzugehen! Schafen Sie faire Einwan- Sie hat zwar nicht die Größe, um all die Themen umfas- derung mit klaren Regeln im Bereich „Flucht und Asyl“ send zu lösen, aber wir können Vorbildwirkung entfalten. für einen realistischen, fairen Zugang für Qualifzierte zu Wir können mit der BImA neu bauen, nachverdichten, unserem Arbeitsmarkt! Sorgen Sie dafür, dass die Regeln, aufstocken, und zwar in Ballungsgebieten, um insbeson- die es gibt, auch vollzogen werden! Das ist wichtiger, als dere Wohnraum für Bundesbedienstete – Bundeswehr, über Personen zu diskutieren. Das ist das einzige Rezept 5304 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Dr. Florian Toncar (A) gegen die wachsende Verunsicherung und Ungeduld, die und für sonst nichts. Das ist das Profl, das wir von einem (C) wir in unserer Gesellschaft jeden Tag spüren. EZB-Präsidenten erwarten. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, Herr Bundesminister Scholz, wir alle wissen es: In diesen Tagen jährt sich zum Meine Damen und Herren, es gibt dieses Jahr noch zehnten Mal die Pleite von Lehman Brothers und damit einen anderen Jahrestag – das wird von vielen hier, gera- die Eskalation der globalen Finanzkrise. Herr Bundesmi- de von den Sozialdemokraten, peinlich verschwiegen –: nister, Sie haben dazu heute in der „Frankfurter Allge- 15 Jahre Agenda 2010; meinen Zeitung“ etwas geschrieben. Vielem davon kann (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) ich zustimmen. Trotzdem möchte ich daran erinnern – aus aktuellem Anlass –, dass die Krise vor zehn Jahren sie wurde 2003 auf den Weg gebracht. Wir Freien Demo- eben auch von der Politik kolossal unterschätzt wurde. kraten wollten damals weiter gehen, haben das aber im Bundesrat unterstützt. Ich glaube, wir müssen uns klar (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist darüber werden: Unser Land zehrt bis heute davon, dass richtig!) es damals politischen Mut gab, auf Eigenverantwortung Bundesfnanzminister Peer Steinbrück hat noch am Tag zu setzen, die Menschen stärker in die Verantwortung zu nach der Lehman-Pleite, am 16. September 2008, hier im nehmen und, insbesondere – das war damals ein erklärtes Bundestag gesagt – ich zitiere –: Ziel von Gerhard Schröder –, keine untragbaren Belas- tungen für die künftigen Generationen zu begründen. Ge- Es gibt keinen Anlass – das sage ich sehr bewusst –, nerationengerechte Sozialsysteme, das war ein Element an der Stabilität des deutschen Finanzsystems zu dieser Agenda. zweifeln. Herr Minister, deswegen fnde ich es ganz beson- Binnen Tagen wurde er von der Realität widerlegt. Des- ders bedauerlich, dass ausgerechnet Sie es sind, der als halb mein Appell aus Anlass dieses Jahrestages: Es ist Sozialdemokrat durchaus in der Tradition von Gerhard einiges getan worden, manches besser geworden. Trotz- Schröder steht, der einen Vorschlag für unser Rentensys- dem sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass wir wei- tem macht, der im Jahr 2040 Mehrausgaben von 75 Mil- tere Dinge tun müssen, damit sich solche Krisen nicht liarden Euro begründen würde. Das ist genau das Ge- wiederholen, damit das Finanzsystem wirklich stabiler genteil der sozialdemokratischen Politik, die eigentlich wird. Erfolg hatte, die in den letzten Jahren sogar dazu beige- Das bedeutet für die Bankenunion in Europa, Herr tragen hat, dass es unserem Land gut ging. Ich kann Sie (B) Minister – das ist ja ein großes Thema in diesem Jahr –: nur aufordern: Nehmen Sie davon bitte wieder Abstand! (D) Sorgen Sie dafür, dass sie auf fairen Wettbewerb und gute (Beifall bei der FDP) Geschäftsmodelle ausgerichtet wird! Sorgen Sie dafür, dass das Prinzip „Abwicklung vor Bankenrettung“ end- Das hilft nicht. Das wird keinen Bestand haben und bei lich wirklich durchgesetzt wird und dass Zombiebanken den Menschen auch nicht die Wirkung haben, die Sie er- nicht mehr mit Steuergeld gerettet werden können wie reichen wollen, weil es am Ende nicht fnanzierbar sein jüngst in Italien! Sorgen Sie dafür, dass es keine neuen wird. Töpfe gibt, über die die soliden Banken für die Abwick- Sorgen wir dafür, dass unser Land eine Agenda 2030 lung der weniger soliden am Ende haften müssen, wie bekommt! Flexibilisieren wir beispielsweise die Arbeits- beispielsweise bei Modellen für eine europäische Einla- zeiten! Das brauchen wir in der digitalen Wirtschaft, in gensicherung! Vor allem, Herr Minister: Beenden Sie die der heutigen Arbeitswelt. Flexibilisieren wir den Renten­ Pläne dafür, dass doch wieder Steuergeld für die Restruk- eintritt! Entlasten wir die Bürger bei Steuern und Abga- turierung von Banken aufgewendet wird! Sie planen auf ben! Sie werden nach der aktuellen Steuerschätzung im europäischer Ebene einen sogenannten Backstop, eine Jahr 2022 im Bund 46 Milliarden Euro mehr als 2018 Kreditlinie aus öfentlichen Geldern für Bankenrestruk- einnehmen. Es kann mir keiner erzählen, dass man mit turierung. Es ist genau die falsche Konsequenz aus der 46 Milliarden Euro Mehreinnahmen, die in den nächsten Krise rund um Lehman, dass schon wieder die Steuerzah- vier Jahren pro Jahr anfallen werden, keine substanzi- ler am Ende mit Krediten für Bankenrettungen einstehen elle Entlastung, keinen Abbau des Soli, keine Senkung sollen. der Unternehmensteuern und keinen Abbau der kalten (Beifall bei der FDP) Progression fnanzieren kann. Das ist möglich, wenn Sie wollen. Herr Minister, wir brauchen auch eine Beendigung der Politik des billigen Geldes. Natürlich führte eine exzes- (Beifall bei der FDP) sive Kreditvergabe in den USA durch zu billiges Geld Gehen Sie diesen Weg; denn wir werden uns nicht dazu, dass eine Kreditblase entstanden ist. Deswegen: mehr länger auf vergangenen Reformerfolgen ausru- Werfen Sie Ihr Gewicht und das Gewicht der Bundesre- hen können. Wir brauchen eine neue Agenda, die nach gierung in die Waagschale, wenn es darum geht, nächs- vorne weist und für Investitionen und wirtschaftlichen tes Jahr die Spitze der EZB neu zu besetzen! Mir ist die Schwung in Deutschland sorgt. Das müssen Sie durch ein Staatsangehörigkeit eines EZB-Präsidenten herzlich Umsteuern Ihrer Politik endlich hinbekommen. egal. Aber das Profl des Präsidenten muss sein, dass er für Preisstabilität sorgt – dafür muss er bekannt sein – (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5305

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Eine mindestens ebenso destabilisierende Wirkung (C) Für die Fraktion Die Linke spricht nun Dr. Gesine hatte die Agenda 2010. Die SPD sagt gerne: Reden Sie Lötzsch. nicht mehr darüber! – Das Problem ist nur, dass alles, was damals beschlossen wurde, immer noch eine drama- (Beifall bei der LINKEN) tische Wirkung hat und immer mehr Unsicherheit schaft. Ich will Ihnen das an Zahlen belegen: 7 Millionen Men- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): schen in unserem Land arbeiten im Niedriglohnsek- Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten tor . Bei 1,2 Millionen Menschen reicht der Lohn nicht Damen und Herren! Zu Beginn der Haushaltsberatun- zum Leben; sie müssen zum Amt gehen und aufstocken. gen hatte ich zwei Fragen gestellt: Erstens. Was sind die 1 Million Menschen sind als Leiharbeiter tätig, ganz zu wirklichen Probleme der Menschen in unserem Land? schweigen von den 3,2 Millionen Beschäftigten, die nur Zweitens. Bietet die Regierung mit dem vorliegenden befristet angestellt sind. So viel soziale Unsicherheit im Haushaltsentwurf 2019 die richtigen Lösungen? Der Arbeitsleben gab es noch nie. Diese soziale Unsicherheit Grundfehler ist, dass wir immer noch ein ungerechtes ist eine Gefahr für unsere Demokratie, und wir müssen Steuersystem haben. 1 Prozent der Menschen in unse- unsere Demokratie verteidigen, meine Damen und Her- rem Land ist unverschämt reich und wird nicht vernünf- ren. tig besteuert. Wir müssen endlich eine Vermögensteuer einführen, damit wir wirklich in die Zukunft investieren (Beifall bei der LINKEN) können. Der renommierte Ökonom Piketty schreibt in seinem (Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans globalen Report über die Ungleichheit, dass das Durch- Michelbach [CDU/CSU]: Immer die gleiche schnittseinkommen der unteren 50 Prozent 12 000 Euro Platte!) im Jahr betrug. Das sind also – stellen Sie sich das vor – 1 000 Euro im Monat. Wenn sie dann noch befristet be- Ich will Überlegungen zum Thema Sicherheit in den schäftigt sind, dann wundert es nicht, dass diese Men- Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen. schen an unserem Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus Von der Regierungskoalition wird „Sicherheit“ sehr und der Demokratie verzweifeln, und dem müssen wir eng gefasst. Sicherheit ist für Sie: mehr Polizei, mehr entgegentreten. Geheimdienste, mehr Bundeswehr. Wundern Sie sich nicht darüber, dass die Unsicherheit zunimmt, obwohl (Beifall bei der LINKEN) die Polizei mehr Wasserwerfer hat, die Geheimdienste mehr Telefone abhören und die Bundeswehr immer mehr Die innere Sicherheit wird auch durch die Investiti- (B) Wafen bekommt? Ofensichtlich ist mehr vom Selben onsbremse gefährdet. Es ist doch unter allen vernünftigen (D) nicht die richtige Lösung. Ökonomen Konsens, dass wir unsere Schulen, Kranken- häuser, Universitäten, Busse und Bahnen auf Verschleiß (Beifall bei der LINKEN) fahren. Die Antwort des Finanzministers auf diese riesi- ge Herausforderung lautet, die Investitionen im nächs- Ich fnde, wir müssen die innere, die äußere und vor ten Jahr zu senken und dann auf einem niedrigen Niveau allen Dingen die soziale Sicherheit betrachten, und dann einzufrieren. Aber Sie müssen sich doch einmal vorstel- stellen wir schnell fest, dass die soziale Sicherheit der len: Schulen, Krankenhäuser, Universitäten, Busse und Dreh- und Angelpunkt ist. Durch die Agenda 2010 haben Bahnen kann man eben nicht einfrieren. Die muss man in Sie die soziale Sicherheit für viele Menschen aus den An- Ordnung halten. Dafür brauchen wir Investitionen. geln gehoben, und meine Einschätzung widerspricht hier der Einschätzung der FDP diametral. (Beifall bei der LINKEN) (Otto Fricke [FDP]: Ein Glück!) Die Fixierung auf die schwarze Null gefährdet damit die Das hat unser Land nicht vorangebracht, sondern zu innere Sicherheit in unserem Land. mehr Unsicherheit geführt. Aber schauen wir einmal auf die äußere Sicherheit. Je- (Beifall bei der LINKEN) der weiß, dass sie nicht von der Bundeswehr abhängt; ein Das Ereignis, das unser Land in den vergangenen Glück, kann ich da nur sagen. Jahren am dramatischsten destabilisierte und unsere in- nere Sicherheit gefährdete, ist die Finanzkrise. Es gibt (Thomas Ehrhorn [AfD]: Ja, das stimmt!) genügend Experten, die der Aufassung sind, dass die Krise noch nicht ausgestanden ist. Von „Schlafwandlern“ Die Bundeswehr reicht das Geld der Steuerzahler nur an ist die Rede. Es gibt einfach immer noch zu viele faule die Rüstungsindustrie weiter. Diese freut sich über fette Kredite, und es gibt nichts, was wirksam dagegen getan Gewinne und liefert häufg Wafen und Geräte, die eben wird. Ich befürchte, dass eines Tages wieder ein erstaun- nicht funktionieren. Ein ziviles Unternehmen wäre auf- ter Finanzminister hier steht. Auch ich kann mich gut da- grund von Regresszahlungen schon bankrottgegangen. ran erinnern, wie Steinbrück damals sagte: Das alles hat Doch für die Rüstungsindustrie sind Regresszahlungen doch mit uns nichts zu tun. – Was für eine dramatische ein Fremdwort. Ich fnde, das ist nicht mehr hinzuneh- Fehleinschätzung! So etwas darf nie wieder geschehen. men. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) 5306 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) Vizepräsidentin : Meine Kollegin forderte Konsequen- (C) Kollegin Lötzsch, Entschuldigung, seit zwei Minu- zen für die Autokonzerne, die die Käuferinnen und Käu- ten versuche ich, Sie zu fragen, ob Sie eine Frage oder fer betrogen haben. Den Anforderungen unserer Zeit Bemerkung des Kollegen Müller aus der Unionsfraktion wurde nicht entsprochen. Das ist nicht in Ordnung. zulassen. Mein Kollege Lorenz Gösta Beutin kritisierte, dass die Bundesregierung die Kosten für den Kohleausstieg Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): den Bürgern aufaste, während die Gewinne, die die Kon- Nein, vielen Dank. – Die äußere Sicherheit, meine Da- zerne haben, unangetastet blieben. Auch hier müssen wir men und Herren, hängt vielmehr vom Welthandel ab. Die heran. Bundesregierung steht in der Kritik, die Regeln des Welt- Meine Kollegin kritisierte, dass handels massiv zu verletzen. Leistungsbilanzüberschüsse an weniger als 2 Prozent der Schulen und Kitas Essen dürfen laut EU-Absprachen 6 Prozent der Wirtschafts- angeboten wird, das die Standards der Deutschen Ge- leistung nicht übertrefen. Seit 2011 liegt der deutsche sellschaft für Ernährung erfüllt. Wie können wir uns so Überschuss beständig über dieser Höchstgrenze. Ich fn- etwas leisten, frage ich Sie, meine Damen und Herren. de, dem müssen wir entgegentreten, weil diese deutsche Handelspolitik Europa weiter destabilisiert. Das sagen (Beifall bei der LINKEN) nicht nur wir, das sagt auch die EU-Kommission. Wir müssen dem ein Ende setzen. Mein Fraktionsvorsitzender, , forder- te eine Steuerreform, die die Bezieher kleiner und mittle- (Beifall bei der LINKEN) rer Einkommen entlasten und die Superreichen belasten würde. Denn dieser Überschuss hängt direkt mit dem deut- schen Niedriglohnsektor zusammen. Französische Wis- von der Linken warnte vor einem Frei- senschaftler haben ausgerechnet, dass deutsche Dum- handelsabkommen, wonach ein afrikanisches Land alles pinglöhne in Frankreich circa 400 000 Arbeitsplätze zollfrei nach Deutschland und Deutschland alles zollfrei vernichtet haben. Die ökonomische Destabilisierung in das afrikanische Land liefern dürfe. Wer da den Kür- unserer Nachbarn destabilisiert Europa insgesamt und zeren zieht, ist ja wohl klar. damit auch die äußere Sicherheit. Meine Kollegin Sevim Dağdelen fndet es erschre- Meine Damen und Herren, innere und äußere Sicher- ckend, dass der Militärhaushalt drastisch erhöht wird, heit sind also in erster Linie von ökonomischen Fakto- statt die Mittel für Diplomatie und Entwicklungszusam- ren abhängig. Aber wer seit Jahrzehnten der neoliberalen menarbeit kräftig aufzustocken. (B) Marktgläubigkeit verfallen ist, kann das leider nicht er- (D) kennen. Aber es würde unserem Land helfen, wenn wir Meine Damen und Herren, mit dieser kurzen Zusam- endlich wieder zu einer strengen Regulierung des Mark- menfassung nur einiger Vorschläge aus meiner Fraktion tes kämen und die globalen Konzerne kontrollierten. habe ich Ihnen gezeigt, dass wir diesen Haushalt ent- Dann hätten wir auch mehr Sicherheit mit einem solida- scheidend verbessern können. Wir müssen uns einigen, rischen Sozialsystem, meine Damen und Herren. wohin wir mit diesem Land wollen: Wollen wir die Spal- tung vertiefen, oder wollen wir mehr soziale Sicherheit? (Beifall bei der LINKEN) Wollen wir ein gerechtes Land? Wenn Sie mit uns ein gerechtes Land wollen, dann setzen Sie sich für unsere Wir als Fraktion Die Linke haben in dieser Woche vie- Vorschläge ein. le gute Vorschläge gemacht; einige will ich benennen. Vielen Dank. Meine Kollege forderte wie auch die EU-Kommission, dass Konzerne öfentlich machen (Beifall bei der LINKEN) müssen, wie hoch die Gewinne und Steuerzahlungen in jedem Land sind, in dem sie wirtschaftlich aktiv sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Doch ausgerechnet der deutsche Finanzminister legte da- gegen sein Veto ein. Ein unglaublicher Vorgang, meine Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz für die Frak- Damen und Herren! tion Bündnis 90/Die Grünen. Mein Kollege kritisierte, dass der Bahn- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vorstand Teilverkäufe, Privatisierungen und harte Ein- schnitte bei den Beschäftigten plant. Die Linke sagt ganz Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): klar: Nicht mit uns! Hören Sie endlich auf, die Bahn auf Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Verschleiß zu fahren! Kollegen! Eines muss man Ihnen lassen: Die Rahmenda- ten für diesen Bundeshaushalt sind ausgezeichnet. Es gibt (Beifall bei der LINKEN) eine gute Konjunktur. Die Beschäftigungslage ist stabil. Meine Kollegin bezeichnete Stutt- Es gibt üppige Steuereinnahmen. Dieser Wohlstand wird gart 21 als die „größte Fehlinvestition der Eisenbahnge- von allen Menschen in diesem Land gemeinsam erarbei- schichte“. Sie forderte, der Stuttgarter Bahnhof müsse tet, übrigens auch von Migrantinnen und Migranten. oben bleiben. Das würde 4 Milliarden Euro sparen, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wir woanders gut gebrauchen könnten. sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- (Beifall bei der LINKEN) KEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5307

Ekin Deligöz (A) Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber ofen- investieren stattdessen in schlaue, nachhaltige Mobili- (C) sichtlich ist diese Feststellung in dieser Regierung nicht tätskonzepte. selbstverständlich. Wenn Herr Seehofer mit dem Satz da- herkommt, dass Migration die Mutter aller Probleme ist, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – diskreditiert er die Leistungen genau dieser Menschen. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und schicken die Leute in die Arbeitslosigkeit!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Integrationsfrage hat er Damit bringen Sie wirklich etwas in Bewegung. Damit gesagt!) machen Sie übrigens auch Wirtschaftsförderung, wenn Sie das so haben wollen. Warum machen wir das denn Ja, auch die Migrantinnen und Migranten haben in nicht? diesem Land einen großen Beitrag zum Wohlstand des Landes geleistet. Auch sie zahlen Steuern. Oder: Wie kommt es eigentlich, dass für bestimmte Wählergruppen – oder bestimmte Einkommensgrup- (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: pen – das Geld relativ locker sitzt wie beim Baukinder- Selbstverständlich!) geld, bei Kinderfreibeträgen und der Mütterrente? Auch sie erhalten die Sozialversicherungen aufrecht. (Sepp Müller [CDU/CSU]: Weil das gut für Auch sie sind stolz auf die Leistung, die hier erbracht die Familien ist!) wird. So wie eben alle anderen auch, und deswegen wol- len sie auch den Respekt dafür. Aber wenn es um andere Gruppen geht, geht alles beson- ders langsam, und ist besonders zu überlegen, nämlich Ja, auch die Migrantinnen und Migranten wollen, dass dann, wenn es um sozialen Ausgleich geht: Bildungs- sich in diesem Land etwas verändert, dass etwas gestal- und Teilhabepaket, Kinder in Armut, Anpassung der Re- tet und vorangebracht wird, übrigens so wie alle anderen gelsätze, Grundrente oder Kinderzuschlag. Sie kriegen Menschen in diesem Land auch. Aber die Bundesregie- nicht einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner hin, rung ist ja eher damit beschäftigt, ständig miteinander zu weil Sie in dieser Politik keinen gemeinsamen Nenner streiten, als irgendwelche Ideen zu entwickeln, wie es in haben, wenn es um Armut geht. diesem Land vorangehen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Oder nehmen wir den dritten Punkt. In den Debatten war zu hören: Die Welt ist in Aufruhr; sie verändert sich. (B) Von dem Etat lesen wir genau diese Beliebigkeit ab. Das verunsichert. Ob Brexit, Syrien, iranisches Atompro- (D) Sie tun zwar überall ein bisschen mehr, da und dort – Sie gramm oder die Rolle der USA: Wir brauchen die Diplo- stellen Ihre Parteipolitik vor das, was eigentlich gestaltet matie. Das müsste unsere Stärke sein. Wir brauchen die werden muss –, aber Sie haben keinen Kompass, keine Entwicklungshilfe und die humanitäre Hilfe. Das müsste Idee, keine Richtung, Sie haben noch nicht einmal einen unser Markenzeichen im Ausland sein. Gestaltungsanspruch, etwas voranzubringen. Das ist das Traurige an dieser Geschichte. Dann gucken wir uns die Finanzplanung an und stel- len fest: Ja, für das Verteidigungsministerium wird mehr Deshalb gehe ich einen Schritt voran. Ich nenne Ihnen Geld ausgegeben, aber nicht für Entwicklungszusam- drei Politikfelder, wo dringend heute etwas getan werden menarbeit, nicht für die Diplomatie, nicht für das Aus- muss, damit wir auch in Zukunft davon proftieren, also wärtige Amt. Das ist das, was dieses Land eigentlich als wo wir heute für morgen handeln müssen. Priorität setzen müsste, und genau das verpassen Sie im Moment. Das erste Thema ist die Klimakrise, das zweite ist Bil- dungsteilhabe und sozialer Ausgleich und das dritte ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frieden und Entwicklung. Irgendwie überrascht mich das alles aber auch nicht. Ich fange mit dem ersten Punkt an. Die volle Härte der Um neue Ideen zu haben und das Land zu gestalten, Klimakrise haben wir in diesem Sommer bemerkt. Wir brauchen Sie Willen zur Veränderung. Diese Regierung konnten eigentlich nur noch hinterherrennen und reparie- hat diesen Willen aber nicht. Sie kann gar nicht gestalten, ren. Besser wäre es aber, zu agieren, statt hinterherzuren- weil sie keine Ideen hat. Sie hat den inneren Kompass nen und zu reparieren. verloren. Gott sei Dank gibt es uns Grüne. Wir haben die Vorschläge. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Deshalb müssen Sie endlich von den 50 Milliarden Euro CSU und der SPD) für klimaschädliche Subventionen in diesem Etat runter- kommen. Das, was Sie im Gegenzug in den Klimaschutz In einem gebe ich Ihnen nicht Recht, Herr Kollege stecken, ist ein Witz. Das ist doch lächerlich. Berghegger. Ich fnde, die Reden der Opposition waren dieses Mal weit besser als die der Koalition. Nehmen Sie nur ein Beispiel, ganz einfach zu gestal- ten, von heute auf morgen: Wir schafen das Dienstwa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genprivileg ab. Wir gehen in die Dieselbesteuerung und sowie des Abg. Otto Fricke [FDP]) 5308 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: zu senken. Das ist ein gutes Ergebnis. Aber ich sage aus- (C) Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Olaf drücklich: Wir müssen alles dafür tun, damit wir, wenn Scholz. wir handeln müssen, nicht auf andere angewiesen sind und damit wir bei der Politik, die wir hier in Deutschland (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) entwickeln, nicht andere mitreden lassen müssen, weil wir keine eigenen Gestaltungsspielräume mehr haben. Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten über einen sehr guten, sehr soliden Ich habe den Haushalt einbringen und vieles sagen Haushalt mit sehr ordentlichen Zahlen. Wenn ich richtig können, was mir auf dem Herzen liegt und was ich für zugehört habe, haben fast alle Redner dieses Hauses im- die Zukunft unseres Landes wichtig halte. Im Hinblick mer wieder auf die guten Zahlen und Daten hingewiesen. auf die Debatte will ich zwei, drei wichtige Punkte auf- greifen, um sie noch einmal zu unterstreichen. (Johannes Kahrs [SPD]: Guter Minister halt!) Der erste Punkt ist, dass wir etwas für die Zukunft tun Sie haben im Übrigen erörtert, warum das alles nicht ge- müssen. Deshalb ist es richtig, dass die Investitionen ei- nügend besage. Aber ich halte fest: Tatsächlich ist dies nen so hohen Stellenwert im nächsten Haushalt und in ein Haushalt, der über sehr gute Daten verfügt und der es den folgenden Jahren haben werden. Ich sage Ihnen: Das uns ermöglicht, die wichtigsten Aufgabenstellungen für ist für die Koalition zentral. Wir werden immer stark in- die Zukunft dieses Landes zu lösen. Deshalb bin ich für vestiv geprägte Haushalte haben. Die Investitionen wer- die bisherige Haushaltsdebatte sehr dankbar und bin ge- den eine aktive Rolle bei der Haushaltspolitik der nächs- spannt auf das, was das Parlament mit dem Haushaltsent- ten Jahre spielen. wurf im Rahmen der weiteren Beratungen machen wird. Ich habe da das vollste Vertrauen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es gibt ein paar Dinge, die jetzt gesagt werden müssen. Wir werden außerdem dafür sorgen, dass wir Geld für Das eine ist der Hinweis auf die Finanzkrise und unseren die Zukunft unseres Landes ausgeben. Das betrift dann Umgang damit. Ja, mit der Finanzkrise und den daraus zum Beispiel die Mittel, die wir den Schulen zur Verfü- entstehenden Veränderungen ist damals nicht in jeder gung stellen wollen, damit eine gute Schulinfrastruktur Hinsicht gut umgegangen worden. Aus meiner Sicht ist da ist. Das betrift dann zum Beispiel die Mittel, die wir es unverändert richtig, festzuhalten, dass wir damals dafür einsetzen wollen, dass wir mit Forschung und Ent- nicht die Instrumente und auch nicht immer den Willen wicklung vorankommen. hatten, mit aller Energie dagegen vorzugehen, die not- Über das hinaus, was sich in diesem Haushalt abbil- (B) wendig gewesen wäre, damit die Beiträge, die dann die det, gibt es weitere Vorhaben, die die Koalition hat. Ei- (D) Staatshaushalte zur Sanierung von Banken und zur Stabi- nes will ich hier nennen, weil es uns in der nächsten Zeit lisierung des Finanzwesens haben leisten müssen, gerin- bewegen wird – das Bundesministerium der Finanzen ger ausgefallen wären. Deshalb ist es umso wichtiger und arbeitet sehr hart daran, einen klugen und vernünftigen umso richtiger, dass wir bei allen anstehenden Reformen Vorschlag zu entwickeln –: Wir brauchen eine steuerli- und institutionellen Verbesserungen der Europäischen che Forschungsförderung, die die Förderungsmöglich- Union dafür Sorge tragen, dass wir entsprechende Mittel keiten, die wir heute haben, durch direkte Unterstützung und Handlungsmöglichkeiten bei einer möglicherweise von denjenigen, die forschen, ergänzt. Das ist nicht ganz später eintretenden Finanzkrise hätten. Deshalb dürfen einfach – das muss man sagen –, weil wir natürlich nicht wir auch nicht zögern. Ich bin fest davon überzeugt: Wir einfach nachmachen können, was andere haben, die zum müssen die Bankenunion jetzt vollenden, damit wir die Beispiel über ein System direkter Forschungsförderung Instrumente und Möglichkeiten für die Zukunft haben. nicht verfügen, wie es in Deutschland existiert. Dieses System zu pfegen und es zu ergänzen um ein dazu gut (Beifall bei der SPD) passendes System der aktiven Unterstützung der Unter- Ein wichtiges Instrument ist ein solider Haushalt. Er nehmen, die viel Forschung in unserem Lande betreiben, eröfnet uns die Möglichkeit, auf Basis unserer Finanz- das ist eine richtige Sache. Ich sage Ihnen hier: Das Bun- lage zu handeln. Tatsächlich wird es immer wieder so desministerium arbeitet daran, dazu einen guten Vor- sein – ob das nun eine Wirtschaftskrise ist, die wegen der schlag zu machen. Finanzmärkte entsteht, oder aus anderen Gründen –, dass (Beifall bei der SPD) wir in einer wirtschaftlichen Krise über große Möglich- keiten verfügen müssen, gegenzuhalten und gegenzu- Ein zweiter Schwerpunkt, der in diesem Haushalt eine steuern. Aus diesem Grund bin ich fest davon überzeugt, Rolle spielt, ist, dass das Leben bezahlbar sein muss. Das dass der Kurs der Bundesregierung, in dieser Zeit ohne dürfen wir angesichts explodierender Mieten und Immo- neue Schulden auszukommen und den Anteil der Schul- bilienpreise nicht gering schätzen. Wer sich einmal die den im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu senken, Mietpreise oder die Immobilienpreise in Städten wie richtig ist. Wir sind noch lange nicht da, wo wir als Land London, Paris, San Francisco, Los Angeles, Boston oder schon einmal waren. Allein der Blick auf 1990 und die New York anguckt, der weiß, dass Männer und Frauen folgenden Jahre zeigt uns, dass die Schuldenquote schon mit normalem Einkommen in ganz großen Bereichen, die einmal bei 40 Prozent lag. Wir sind jetzt schon froh sich Innenstadt nennen und die zu durchfahren oft vie- und stolz, dass es uns gelingt, im Laufe dieses oder des le Stunden dauert, sich eine Wohnung dort nicht leisten nächsten Jahres die Schuldenquote auf unter 60 Prozent können. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5309

Bundesminister Olaf Scholz (A) Ich bin fest davon überzeugt, dass es eine Qualität un- Sie weigern sich ja standhaft und konsequent, die Kos- (C) seres Landes sein und bleiben soll, dass man als jemand ten und Risiken der Euro- und Bankenrettung in diesen mit normalem Einkommen in den guten Lagen unserer Haushalt einzustellen. Deshalb: Gern endlich einstellen; Städte auch eine Wohnung fnden kann, dass diejenigen, dann reden wir im Ausschuss darüber und dann auch die normale Arbeit verrichten, nicht stundenlang pendeln gern in der zweiten und dritten Lesung. müssen, nur deshalb, weil das Wohnen in den Städten zu teuer geworden ist. Wir brauchen eine Ofensive beim (Beifall bei der AfD) Wohnungsbau. Wir brauchen mehr Sozialwohnungen, Ansonsten greife ich jetzt die Debattenbrocken auf, und wir werden das mit der Politik der Bundesregierung die hier im Raum nach dieser Woche unverdaut herum- unterstützen. liegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es wurde schon erwähnt: Deutschland ist ein ausu- Das gilt im Übrigen, wenn wir über Bezahlbarkeit fernder Steuerstaat. Doch selbst 30 Jahre nach der Ein- reden, auch für Krippen und Kitas. Ich will das einmal heit weigert sich diese Bundesregierung, auch nur den unterstreichen, weil ja viele Meinungen zu diesem The- Soli abzuschafen. 50 Prozent – nicht etwa 10 Prozent, ma existieren. Aber der Test ist gemacht: Dort, wo in sondern 50 Prozent – des Soliaufkommens sollen dauer- Deutschland weitgehend Gebührenfreiheit für Krippen haft erhalten bleiben. und Kitas existiert, ist die Nachfrage sehr groß. Das hat Kollege Dobrindt, vorgestern hier im Haus: Die Grü- zu einer breiten Entlastung von vielen Bürgerinnen und nen verhindern die Abschafung des Solis. – Nun bin ich Bürgern und auch derjenigen, die zwar nicht arm sind, kein natürlicher Verteidiger der Grünen, aber das ist nicht aber einfach nur ein normales Einkommen haben, ge- wahr. Es verhindern nicht die Grünen die Abschafung führt. Ich fnde es einen Skandal, dass in einigen Orten des Solis; es ist die Koalition selbst, die das tut. Deutschlands ein Ehepaar, bei dem beide als Verkäufer in der Innenstadt arbeiten, die Höchstgebühr zahlen muss, (Beifall bei der AfD – Otto Fricke [FDP]: weil die Regelung so ausgestaltet ist. Insofern ist es ein Wohl wahr!) wichtiger Beitrag für die Bezahlbarkeit des Lebens und dafür, dass die Familien in diesem Lande ein gutes Leben Die Grünen, 9 Prozent, würden hier nichts zur Sache tun. führen können, dass wir die Kitagebühren senken und Es ist das uralte Verhalten der CSU: A sagen, B tun und dass das mit dem Gute-Kita-Gesetz vorbereitet wird. Dritte beschuldigen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Die Bürger in Bayern werden diese Heuchelei am 14. Ok- (B) Letzte Bemerkung, weil es angesprochen worden ist: (D) Ja, ich glaube, stabile Renten sind für die Zukunft unseres tober abstrafen; das ist sicher. Landes von allergrößter Bedeutung. Ich bin fest davon (Beifall bei der AfD) überzeugt, dass es eine Aufgabe demokratischer Politik ist, sicherzustellen, dass sich die Bürgerinnen und Bür- Zweitens: Investitionen. Frau Nahles, ebenfalls vor- ger darauf verlassen können. Wer jetzt mit 17 die Schule gestern: Wir haben einen waschechten Investitionshaus- verlässt, zahlt vielleicht 50 Jahre Beiträge und will dann halt. – Und Herr Scholz eben: investiv geprägter Haus- 10, 20, 30 Jahre – je nachdem, was das Lebensglück halt. – Das ist Realsatire. Es stimmt nicht. Dieser riesige ihm möglich macht – von dieser Einzahlung als Rentner Haushalt weist einen Rückgang der Investitionen aus. oder Rentnerin proftieren. Das sind so viele Jahrzehnte, dass es sehr wohl keine Sache ist, die wir irgendwie dem (Beifall bei der AfD) Schicksal überlassen können, sondern eine Frage, bei Das ist das Zahlenwerk, das vorliegt. der wir zuständig sind, Stabilität zu garantieren. Deshalb sage ich: Das ist ein Ziel guter Politik – meines ist es auf Besonders unverständlich ist, dass beim schnellen In- alle Fälle. ternet gekürzt wird. Ich bin Informatiker. Wir diskutieren diesen Glasfaserausbau seit mehr als 25 Jahren. „Fibre to Schönen Dank. the Home“ haben wir in Berater-Slides dem Vorstand der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deutschen Post AG, später der Deutschen Telekom AG, bereits 1993/94 präsentiert. Hier in meinem Buch von 1994 gibt es ein ganzes Kapitel dazu. Der Bedarf an Vizepräsidentin Petra Pau: Breitband entstand schon 1993 mit dem Aufkommen Das Wort hat der Abgeordnete Peter Boehringer für des grafschen Internets. Wir forschten schon damals an die AfD-Fraktion. den riesigen Möglichkeiten von Breitbandanwendungen und von künstlicher Intelligenz – auch ein vielbemühtes (Beifall bei der AfD) Wort hier. Das sind alles uralte Themen. Dieses Lehrbuch „Applied Artifcial Intelligence“ ist von 1993. 1993! Der Peter Boehringer (AfD): Breitbandausbau ist zwar – da gebe ich allen hier recht – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine der wichtigsten Infrastrukturaufgaben – da besteht Herr Minister Scholz, ich bin etwas überrascht. Sie spra- überhaupt kein Dissens zwischen allen Parteien –, doch chen eben von der Bankenunion. Das würde ich auch dieser Ausbau geschieht noch immer viel zu langsam. Im sehr gern tun, wie immer – es ist enorm wichtig –, aber Haushalt 2019 wird tatsächlich die weitere Bezuschus- es ist nicht Gegenstand der Haushaltsberatungen; denn sung dieses Megathemas einfach eingestellt. 5310 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Peter Boehringer (A) Nein – ich höre jetzt schon den Zwischenruf, Herr ne. Man hat natürlich auch Geld für Türkei-Finanzhilfen, (C) Dr . Berghegger –, es gibt natürlich noch unverbrauchte noch mehr, als wir schon wussten. Heute Morgen bekam Reste von 2018. Aber man hatte 25 Jahre Zeit, das zu ich noch einmal zusätzliche Hilfen in Höhe von 500 Mil- machen. Es war meistens eine CDU-Regierung, und lionen Euro auf den Tisch; das wurde in Brüssel bereits zwischendurch übrigens auch eine mit FDP-Beteiligung. beschlossen. Wirklich diskutiert haben wir über diesen Auch da war das Thema der Digitalpartei längst auf dem Aufwuchs nicht. Das ist Geld für Diktator Erdogan, der Tisch, 2009 bis 2013. Wir haben hier 20 Jahre Verspä- völkerrechtsbrechende Angrifskrieger in Syrien. tung. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Drittens. Die SPD-Wunderwafe, die Mietpreisbrem- Aber das scheint diese Bundesregierung nicht zu stören. se – das wurde ja eben fast auch schon wieder angespro- Man ist in Syrien ja sogar selbst bellizistisch unterwegs. chen –: ein durch und durch sozialistisches Konzept, Wo sind die Friedensaktivisten, wenn man sie bräuchte? das den Wohnungsmangel und den Substanzverfall der Wo ist auch hier der Verfassungsschutz? Wohnungen buchstäblich zementiert. Die DDR hat es (Beifall bei der AfD – Johannes Kahrs [SPD]: jahrzehntelang vorgemacht – die Ergebnisse waren in Ich denke, den wollen Sie abschafen?) den Städten nicht zu übersehen –, doch erfunden wurde dieses Konzept, die Mietpreisbremse, von anderen So- Siebtens. Man hat Geld für Zahlungen an die EU: zialisten, nämlich von denen der 30er-Jahre. Herrmann plus 13 Prozent, nun sind es 37 Milliarden Euro. Kolle- Lampe, ein NSDAP-Funktionär – Zitat –: ge Kiesewetter meinte dazu: Europa muss wieder mehr Der NS-Staat wird ... die Wirtschaft führen und Strahlkraft entwickeln. – Dieses EU-ropa mit seiner deshalb auch Anspruch auf Festsetzung der Mieten Regeltreue. Auch das ist Realsatire. Wir haben bei der erheben. Euro-Rettung keine Regeln mehr eingehalten, schon seit 17 Jahren nicht mehr. Das haben wir diese Woche Ja, und genau das ist 1936 dann auch geschehen. Es wur- von Minister Scholz bestätigt bekommen. Das sind alles de der Mietpreisstopp deklariert. 2018 deklariert dassel- Rechtsbrüche und Aktivitäten gegen die liberale Markt- be nun die SPD. wirtschaft. Wo sind die angeblichen Liberalen, wenn man (Beifall bei der AfD – Dr. Bernd Baumann sie bräuchte? Wo ist auch hier der Verfassungsschutz? [AfD]: Na so was!) (Beifall bei der AfD) Wo sind die Nazijäger, wenn man sie einmal wirklich bräuchte? Ich bin am Ende meiner Zeit, deshalb kürze ich es hier (B) ab: Die Heuchelei von der Verteidigung des Rechtsstaats (D) Viertens. Minister Maas, hier vorgestern: Das deut- und der Liberalität gegen die bösen Gefahren von rechts sche Interesse hat einen Namen. Es heißt „Europa“. – ist einfach nicht in Ordnung. Die wahre Bedrohung die- Gemeint hat der Außenminister natürlich EU-ropa, wie ser Werte sitzt hier auf der Regierungsbank. immer. Die EU-ropa-Politik der Bundesregierung lau- tet: Es funktioniert nicht. Also machen wir mehr Euro- Herzlichen Dank. pa. – Die SPD will gar das Einstimmigkeitsprinzip bei der EU aufgeben, also die EU-Regierung etablieren, den (Beifall bei der AfD) EU-Haushalt, den EU-Bundesstaat. Das ist alles ille- gal. Man träumt. Wie Macron träumen auch Schulz und Vizepräsidentin Petra Pau: Scholz von all diesen illegalen Dingen. Wo ist der Verfas- sungsschutz, wenn man ihn braucht? Das ist glatt illegal! Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention dem Kollegen Carsten Schneider. (Beifall bei der AfD)

Die AfD macht bei diesen Rechtsbrüchen nicht mit. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Wir machen Politik für Deutschland und Europa, aber nicht für EU-ropa. Herr Abgeordneter Boehringer, Sie haben hier eben in Ihrer Rede die SPD, die Sozialdemokraten und die von (Beifall bei der AfD) uns vertretene Mietpreisbremse mit den Aktivitäten der Fünftens: Kosten der Zuwanderung. Das ist ein Dau- Nationalsozialisten verglichen. Sie haben uns gleichge- erthema. Aber es ist nun einmal so: Selbst die ofziell setzt. zugegebenen Immigrationskosten entsprechen in diesem (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau! Nur was Haushalt der Summe der Einzelpläne der Ministerien für das angeht!) Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Umwelt und des Äußeren. Wo sind die Sozial- und Umweltaktivisten, Herr Boehringer, jemand, der die Bundeskanzlerin als wenn man sie bräuchte? „Merkelnutte“ bezeichnet, jemand, der in einer Partei ist, (Beifall bei Abgeordneten der AfD) die in Chemnitz mit rechtsextremen Hooligans auf der Straße den Schulterschluss übt, dem verbietet sich Sechstens. Man hat durchaus Geld für einige interes- sante Dinge: Distriktentwicklung in Ghana, Geschlech- (Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland tergerechtigkeit in Mosambik, Wohnraum in der Ukrai- [AfD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5311

Carsten Schneider (Erfurt) (A) – da brauchen Sie nicht lachen, Herr Gauland –, Vizepräsidentin Petra Pau: (C) Wir fahren in der Debatte fort. – Das Wort hat der Ab- (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie nennen geordnete Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion. uns ununterbrochen faschistisch! Sie haben es nötig!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Sozialdemokraten, die 1936 verboten waren, die in Kon- zentrationslagern saßen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um die Demokratie zu verteidigen, dieser Ver- Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): gleich. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen am Ende der Einbringung des (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja, das Haushalts in dieser ersten Haushaltswoche. Der Haushalt waren andere Sozialdemokraten! Das waren wird jetzt an die Ausschüsse überwiesen, insbesonde- noch Sozialdemokraten!) re an den Haushaltsausschuss. Wir werden dort in den nächsten Wochen und Monaten hart daran arbeiten. Für Ich weise das in aller Form zurück. Sie sind eine Schande diesen Haushalt gilt genau das Gleiche, was auch für Ge- für dieses Parlament. setze gilt: Kein Haushalt kommt so aus dem Bundestag (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem heraus, wie er hineingekommen ist. – Dafür haben wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- jetzt die Vorlage geschafen. geordneten der CDU/CSU und der FDP – Zu- Die Woche war geprägt davon, dass darüber diskutiert ruf von der AfD: Stehen bleiben!) wurde, dass die Einnahmesituation sehr gut ist. Das hat viele Ideen hervorgerufen, was man mit diesen Einnah- Vizepräsidentin Petra Pau: men machen kann: von Steuersenkungen bis zu Mehraus- gaben. Es gab auch den einen oder anderen oder die eine Ich erteile Ihnen das Wort zu einer Erwiderung. oder andere, denen die Einnahmen nicht gereicht haben. (Zuruf von der AfD: Aufstehen! – Carsten Die haben gesagt, es müssten noch mehr Steuern erhoben Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, das gilt da werden, und wir brauchten noch mehr Geld. Das ist die nicht! Lesen Sie die Geschäftsordnung! – eigentliche Gemengelage, die diskutiert worden ist. Johannes Kahrs [SPD]: Lesen Sie mal die Ge- Ich möchte einmal anhand einiger Punkte aufzeigen, schäftsordnung!) worum es bei einem zukunftsorientierten Haushalt sonst noch geht. Wir fangen einfach mal mit dem Thema Schul- (B) Peter Boehringer (AfD): den an. Der Bundesfnanzminister hat gerade gesagt, dass (D) Kollege Schneider, ich bestehe nicht auf Ihrem Auf- wir das erste Mal seit Urzeiten die Vorgaben der euro- stehen. Sie können gerne sitzen bleiben, entgegen dem, päischen Verträge wieder einhalten und vielleicht schon was hier Usus ist, wie uns erst gestern der Bundestags- in diesem Jahr unterhalb der 60-Prozent-Schuldengren- präsident belehrt hat. Alles in Ordnung. ze bleiben werden. Das ist eigentlich ein Grund, sich zu freuen. Wenn uns vor einigen Jahren jemand gesagt hätte, Es war die Refexreaktion der SPD. Es hatte nichts mit dass das so schnell gehen würde, dann hätten wir denje- der Sache zu tun. Sie wissen ganz genau, dass man nicht nigen mit großen Augen angeguckt und hätten das nicht jedes – – Sie selbst haben schon Sauerstofatome geat- geglaubt. Ich denke, Erfolge muss man feiern, auch die- met, die auch der größte Führer aller Zeiten, der GröFaZ, sen muss man feiern; denn das läuft richtig gut. der größte Verbrecher schlechthin, geatmet hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt stammeln Sie ordneten der SPD) nicht rum und entschuldigen Sie sich!) Aber ist das gut genug? Die Esten würden sagen: Un- Mache ich Ihnen daraus einen Vorwurf? Diese Qualität sere Schuldenquote liegt bei nur 10 Prozent; da ist noch hat ungefähr Ihr Einwurf. Es ist doch völlig absurd, hier Potenzial nach oben. – Ich will aber darauf hinaus, dass irgendeine Gleichsetzung hineinzufabulieren. wir die sinkende Staatsverschuldung gemeinsam als Gro- ße Koalition erreicht haben, aber auch mit unseren Kolle- (Johannes Kahrs [SPD]: Wie erbärmlich!) gen von den Freien Demokraten. Wir haben das erreicht, ohne Steuern zu erhöhen oder neue Steuern zu erfnden. Aber: In der Sache ist die Mietpreisbremse ein durch Wir haben den Kommunen mehr Geld gegeben. Wir ha- und durch sozialistisches Konzept. Ich habe historisch ben den Ländern mehr Geld gegeben. Wir haben mehr korrekt darauf aufmerksam gemacht, dass es ein natio- Geld für Investitionen und Bildung ausgegeben. Insofern nalsozialistisches Konzept war. Es ist nun einmal so. Sie ist das ein ganz großer Erfolg. können sich da nicht freisprechen an dieser Stelle. So ist die Lage nun einmal. – Ich glaube, die Zeit ist schon wie- Das reicht aber nicht; denn eine Schuldenquote von der vorbei. 60 Prozent bedeutet, dass wir alleine im Bund noch deut- lich mehr als 1 Billion Euro Schulden haben. Das ist eine (Beifall bei der AfD – Markus Kurth [BÜND- Menge Geld. Der Bundesfnanzminister hat gerade davon NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unfassbar, gesprochen und außerdem gesagt: Wir müssen schauen, was für einen Schwachsinn Sie hier verbrei- dass auch zukünftige Generationen noch Gestaltungs- ten! – Johannes Kahrs [SPD]: Erbärmlich!) spielräume haben. Deswegen muss man die Schulden im 5312 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Ralph Brinkhaus (A) Auge behalten; denn zukünftige Generationen werden Jetzt könnte man sagen: Das sind doch schon eini- (C) vielleicht etwas mehr Zinsen zahlen müssen als wir. ge Zukunftspläne. Wir wollen auf die Schulden achten, in Bildung investieren und die Investitionen erhöhen. Deswegen muss neben der Senkung von Steuern Reicht das? Nein, es gibt noch eine ganz andere und sehr und Mehrausgaben unser Anspruch außerdem sein, den wichtige Zukunftsfrage – und zwar nicht erst seit drei Schuldenstand konsequent zurückzuführen. Das ist viel- Wochen, sondern seit mehreren Jahren. Dabei geht es um leicht ganz altmodisch, dass man Schulden zurückzahlt, den Zusammenhalt dieses Landes und den Zusammen- (Otto Fricke [FDP]: Das ist es gerade nicht!) halt in dieser Gesellschaft. Da geht momentan aus unter- schiedlichen Gründen, die ich hier gar nicht diskutieren aber man könnte ja darüber nachdenken, wenn am Ende möchte, eine Menge kaputt. Kann man die Gräben mit- des Jahres Überschüsse und noch Reste da sind, wenn hilfe der Haushaltpolitik überwinden? Das gelingt wahr- noch Geld übrig ist, dieses Geld einfach mal für die scheinlich nicht allein mit den Mitteln der Haushaltspo- Schuldentilgung zu verwenden. litik, aber auch ein Bundeshaushalt muss den Anspruch haben, etwas für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu (Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke tun. [FDP]: Genau das lasst ihr doch im Haushalt nicht zu! Ihr habt es anders beschlossen!) Ich möchte das an drei Beispielen erläutern. Erstens: Sozialausgaben. Wir von der Union sind nicht unbe- Das könnten wir uns wieder vornehmen. dingt große Freunde des Wortes „Umverteilung“. Trotz- dem ist es notwendig, dass wir umverteilen, damit die Aber ein Haushalt ohne neue Schulden reicht nicht, Unterschiede in dieser Gesellschaft nicht zu groß wer- um die Zukunftsfestigkeit herzustellen. Wir müssen auch den. Pauschal davon zu sprechen, dass Sozialausgaben investieren. Ich bin froh, dass wir Investitionen erhöht etwas Schlechtes sind, trägt dementsprechend nicht zur haben. Jetzt sagt aber der eine oder andere: Na ja, für Herstellung der Zukunftsfähigkeit des Landes bei. Das das Jahr 2019 hätte das noch mehr sein können. – Das hat eine Wirkung. Das hat auch eine gute Wirkung, weil kann man sagen. Aber derjenige oder diejenige soll mir es zeigt: Wir sind am Umverteilen, auch wenn die einen dann auch sagen, wo wir das Geld denn tatsächlich noch oder anderen behaupten, dass das nicht so ist. Das klappt verbauen können; denn Geld für Investitionen bereitzu- ganz gut. Die Einkommensunterschiede werden nivel- stellen, ist das eine, das Geld muss aber auch abfießen. liert durch die Umverteilung, die wir vornehmen, und das Insofern, denke ich, sind die Zahlen, die für 2019 im ist ganz wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Haushalt stehen, in Ordnung. Zweiter Punkt: die Mitte der Gesellschaft. Wir kriegen Wir müssen aber daran arbeiten – auch das ist schon (B) in den letzten Tagen und Wochen immer die Rückmel- (D) gesagt worden –, die Investitionen für die Jahre 2020, dung: Ja, was tut ihr eigentlich noch für uns, für die Mitte 2021 und 2022 weiter zu erhöhen; denn – das ist wich- der Gesellschaft? Im Haushalt muss auch etwas für die tig – Investitionen machen nur Sinn, wenn sie verstetigt Mitte der Gesellschaft getan werden. Jetzt kann man sich werden. Es reicht nicht, zu investieren, wenn Geld da ist, darüber unterhalten, ob Dinge wie das Baukindergeld sondern wir müssen auch in schlechten Zeiten investie- dazu tauglich sind oder nicht. ren. Jeder, der sich in der Kommunalpolitik oder auch in der Bundespolitik mit Haushalten befasst hat, weiß, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE wo zuerst gespart wird, wenn das Geld weniger wird. Es GRÜNEN]: Richtig!) wird bei den Investitionen gespart. Das ist ein falscher Weg; diesen dürfen wir nicht gehen. Aber es ist ein Zeichen an die Mitte der Gesellschaft. Denn was ist mehr in der Mitte als Familien mit Kindern Der dritte Punkt, der für einen zukunftsfesten Haus- mit mittlerem Einkommen, meine Damen und Herren? halt wichtig ist, ist der Bereich Bildung. Wir haben uns (Beifall bei der CDU/CSU) entschlossen – das war in der Union durchaus kein ein- facher Vorgang –, dass wir den Ländern und Kommunen Vor diesem Hintergrund ist es wichtig – der Bundes- dabei stärker unter die Arme greifen, zum Beispiel – ich fnanzminister hat es gesagt –, dass wir uns mit dem schaue die Bundesbildungsministerin an – bei der Digi- Bereich Wohnen beschäftigen. Aber wir können den Be- talisierung von Schulen. reich Wohnen nicht nur auf Mieten reduzieren. Vielmehr hat Wohnen für uns als Union auch immer etwas mit Dafür müssen wir aber das Grundgesetz ändern, und Wohneigentum zu tun, weil wir den Anspruch erheben, das haben wir auch vor. Das können wir als Große Koa- dass wir die Partei der Mieter und der Eigentümer sind, lition aber nicht alleine; dafür brauchen wir auch die Op- meine Damen und Herren. position. Ich hofe, dass wir das möglichst schnell und konstruktiv hinkriegen und dieses Thema nicht zu einem (Beifall bei der CDU/CSU – Helin Evrim politischen Schlachtfeld machen, auf dem wir uns über Sommer [DIE LINKE]: Man muss sich das andere Dinge auseinandersetzen. Es geht bei den Grund- erst einmal leisten können!) gesetzänderungen darum, dass wir das Geld schnell da- hin geben können, wo es benötigt wird. Ich setze darauf, Deswegen müssen wir auf dem Wohngipfel ein Paket dass wir das gut hinbekommen. schnüren, wo nicht nur Baukindergeld drin ist, wo nicht nur sozialer Wohnungsbau drin ist, sondern wo es auch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- um die Grunderwerbsteuer geht. Da sind die Länder ge- ordneten der SPD) fordert. Es geht um Flächen, es geht um Bauvorschriften Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5313

Ralph Brinkhaus (A) und viele andere Sachen. Das ist ein Zeichen an die Mitte Vorstand der CDU nicht immer nur so etwas kommt wie (C) der Gesellschaft, meine Damen und Herren. beim Rentenpaket: Wir können uns das leisten; das ist sicherlich etwas, was wir machen müssen. – Wenn wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- hier über den Haushalt reden, dann fnde ich immer die ordneten der FDP) allgemeinen Finanzdebatten interessant, in denen wir al- Der letzte Punkt ist mir besonders wichtig. Wir haben les in Abwägung bringen. Wir sagen, wie viel Geld wir in den letzten Jahren viel gemacht für die Ballungsgebie- ausgeben, wie hoch die Schuldenstände sind. Aber heute te. Das war richtig, und das war auch notwendig. Aber Morgen um 9 Uhr, als Minister Heil hier seinen Haushalt Zusammenhalt bedeutet auch Zusammenhalt innerhalb vorgestellt hat, ging es eigentlich nur um die Frage: Wo der Region, zwischen Land und Stadt. Deswegen ist es können wir noch mehr ausgeben? Wo brauchen wir noch gut und richtig, dass sich diese Bundesregierung vor- mehr? genommen hat, insbesondere die ländlichen Räume zu (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wir stär- fördern. Das hat auch ganz viel mit Zusammenhalt der ken den sozialen Zusammenhalt!) Gesellschaft zu tun, und das ist gut. Kollege Brinkhaus, da geht es eben nicht um den Zu- Strich drunter: Wir machen etwas im Bereich Bildung, sammenhalt per se, sondern da wird mit dem Argument wir investieren, wir haben einen Blick auf die Schulden. „Zusammenhalt“ alles zugekleistert mit „Der Staat gibt Wir haben in diesem Haushalt ganz stark den Zusam- mehr Geld“. menhalt der Gesellschaft im Blick. Ein persönlicher Wunsch von mir, von vielen in der Union: Wir müssen (Johannes Kahrs [SPD]: Ohne Geld geht es auch etwas im Bereich Verteidigung tun, nicht weil die nun einmal nicht!) NATO es fordert, sondern weil es unsere eigene Sicher- heit erfordert, nicht weil die USA uns drängen, sondern Ich habe mir das einmal angeschaut. Um das einmal weil wir es unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig bildlich zu verdeutlichen für die, die uns zuhören und sind, dass wir sie vernünftig ausstatten. Deswegen würde zuschauen: Wenn man das, was der Staat in den nächs- ich dringend darum bitten, dass wir das auch besonders ten Jahren ausgibt, auf die Redezeit, auf die Debattenzeit im Fokus haben. dieses Bundestages in dieser Woche übertragen würde, dann hätten wir von Dienstagmorgen bis Donnerstag- Schlussstrich drunter – Frau Präsidentin, ein Satz abend nur über den Kollegen Heil und seine Pläne gere- noch –: Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedan- det, hätten dann am Freitagmorgen noch ein wenig über ken, Herr Scholz. Das gilt auch für Ihre beiden Staats- Frau von der Leyen und die Mehrausgaben, die sie be- sekretärinnen, Frau Lambrecht und Frau Hagedorn. Wir kommt, geredet, um dann bis heute Mittag um 14 Uhr, arbeiten jetzt seit einem halben Jahr zusammen. Da ja (B) 15 Uhr, wenn wir fertig sind, über das Fitzelchen Rest (D) gelegentlich darüber geredet wird, welche Konfikte es in zu reden. Was mich bei dieser Haushaltsdebatte so sehr unserer Koalition gibt, sage ich: Das läuft gut. Wir haben ärgert, ist: Wir verlagern die Schwerpunkte. Wir sehen an einigen Punkten unterschiedliche Meinungen. Wenn nicht, wo Zukunft ist. Wir reden nicht über das, was die das nicht so wäre, wären wir nicht in unterschiedlichen Zukunft wirklich ausmacht. Parteien. Das ist sicherlich auch in Ordnung. Aber eines ist richtig: Wir versuchen, in gegenseitigem Respekt zu- Herr Brinkhaus, keiner in diesem Hause will den sozi- einander diesen Koalitionsvertrag vernünftig abzuarbei- alen Zusammenhalt zerstören. ten. Wir arbeiten hier im Finanz- und Haushaltsbereich (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE sachlich, gut, respektvoll. Insofern kann ich entgegen GRÜNEN]: Doch! Es gibt schon welche!) anderslautenden Behauptungen nur sagen: Es eint uns eine Menge. Wir haben die Absicht, das Ganze gut zu Jeder hat andere Vorstellungen davon, aber er wird nur machen, und zwar bis 2021 in dieser Großen Koalition. dadurch auf Dauer gerettet, wenn wir bei Familie, wenn wir bei Bildung, wenn wir bei innerer Sicherheit und bei Herzlichen Dank. allen anderen Themen auch sehen, was in Zukunft not- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wendig ist. Dafür muss man, anders, als es der Minister macht, und anders, als es die Koalition macht, Schwer- punkte bei den Mehrausgaben nicht immer nur in den Vizepräsidentin Petra Pau: Bereich Arbeit und Soziales legen. Ich bitte die nachfolgenden Rednerinnen und Redner, gegebenenfalls Danksagungen in der verabredeten Rede- (Beifall bei der FDP) zeit vorzunehmen und nicht noch hinten dranzuhängen. Meine Damen und Herren, ich will noch auf eine Sa- Das Wort hat der Kollege Otto Fricke für die che zu sprechen kommen, die mich in dieser Woche im- FDP-Fraktion. mer mehr genervt und die mich selbst bei der Lektüre anderer Literatur ein bisschen geärgert hat. Es geht um (Beifall bei der FDP) den Versuch, Haushaltspolitik aus dem Vordergrund her- auszudrängen. Das verstehe ich in gewisser Weise; denn Otto Fricke (FDP): wer beschäftigt sich schon gerne mit Zahlen? Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine lieben Kolle- (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir!) ginnen und Kollegen! Herr Kollege Brinkhaus, das war schon wohltuend. Auch auf die Gefahr hin, dass Ihnen Das konnte man schon in der Schule sehen, wenn die das jetzt schadet, sage ich: Ich fnde es gut, wenn vom Frage gestellt wurde: Wer geht in den Mathematikleis- 5314 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Otto Fricke (A) tungskurs, oder wer mag das Fach gerne? Es sind immer Vizepräsidentin Petra Pau: (C) wenige. Aber sie ist essenziell. Am Ende kommt man an Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für der Mathematik nicht vorbei. Das sehen wir doch bei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Despoten in der Türkei, die den großen Max machen, und in dem Moment, in dem gezählt wird, geht es auf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einmal nicht mehr. Ohne den Vergleich zu ziehen – das betone ich –: Das Schlimmste bei allen Versprechen, die Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Politik macht, ist, wenn sich diese Versprechen am Ende NEN): nicht rechnen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- ren! Der Minister kann sich bestimmt über so viel Wer- (Dr . Florian Toncar [FDP]: Richtig!) bung von Otto Fricke freuen. Sie haben, Herr Minister, Herr Minister, ich muss noch einmal sagen: Sie müs- am Anfang Ihrer Rede gesagt, dass Sie einen Haushalt sen, wenn Sie solche Vorschläge zu Mehrausgaben ma- mit sehr guten Zahlen vorgelegt hätten. Das sei von allen chen und damit Vertrauen erzeugen wollen, auch die kon- im Haus unbestritten. Meine Erinnerung war eine andere. krete Berechnung vorlegen. Tun Sie das nicht, zerstören Zugegeben, die fnanzielle Lage sieht derzeit so gut aus Sie Vertrauen. wie nie. Die Frage ist aber: Woher kommt das eigentlich? Wir haben eine gute Konjunkturlage, und wir haben his- (Dr . Florian Toncar [FDP]: Richtig!) torisch extrem niedrige Zinsen. Aber das war nicht das Werk der Großen Koalition, Sie proftieren von der Poli- Das wieder zurückzubekommen, ist das Schwierigste, tik niedriger Zinsen von Mario Draghi. Er hat viel für den was Politik überhaupt an Arbeit hat. Das haben Sie doch Haushaltsausgleich getan, nicht diese Große Koalition. erlebt mit dem Bereich Rente in der Agenda 2010, die Sie damals gemacht haben. Deswegen noch einmal die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bitte: Legen Sie das im Laufe der Haushaltsberatungen Gehen wir die guten Zahlen im Haushalt doch einmal vor, weil wir auch Finanzpläne mitbeschließen und über durch. 50 Milliarden Euro für klimaschädliche Subven- die Zukunft reden. tionen gibt der Bund jedes Jahr aus. Sie zerstören unser Zum Schluss, meine Damen und Herren, zu der Aus- Klima. Sie geben im Haushalt 2019 4 Milliarden Euro sage von Herrn Brinkhaus und allen anderen, die es auch mehr für die Bundeswehr aus, und gleichzeitig werden in gesagt haben: Der Schuldenstand sinkt auf 60 Prozent. – der mittelfristigen Finanzplanung die Etats für das Aus- Hat die Politik etwas dazu getan? Nein, nicht wirklich. wärtige Amt und die Entwicklungszusammenarbeit, also für Frieden und Entwicklung, in der Summe um 400 Mil- lionen Euro gekürzt. Das wird diese Welt unsicher ma- (B) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aber Hal- (D) lo!) chen, sage ich Ihnen. Ist 1 Cent Schulden zurückgezahlt worden? Wenn wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz ehrlich sind, müssen wir sagen: Es ist kein Cent zu- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) rückgezahlt worden. Die Investitionen stagnieren, und in der Finanzpla- nung sinkt die Investitionsquote sogar. Sie wollen mit (Johannes Kahrs [SPD]: Nicht von der FDP! der Einführung des Baukindergeldes 10 Milliarden Euro Die FDP tut immer alles, damit das nicht pas- in zehn Jahren ausgeben, obwohl Sie wissen, dass das die siert!) Wohnungsmärkte in den Städten aufheizen wird. Das ist Wir sind immer noch auf demselben absoluten Schul- eine Subvention für Besserverdienende. Das sind keine denstand. Wir proftieren – da sollten wir ehrlicher sein – guten Zahlen im Haushalt. davon, dass die Bürger, die Unternehmer gearbeitet ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ben, das Bruttoinlandsprodukt gestiegen ist und deshalb dieselben Schulden einen geringeren Prozentsatz aus- Nach dieser Woche muss man auch feststellen: Dieser machen. Das gehört zur Wahrheit, Herr Brinkhaus, auch Regierung fehlt der Wille zur Veränderung. Diese Regie- dazu. rung kann de facto nichts mehr entscheiden. Diese Haus- haltswoche war wieder überlagert von der tiefen Krise, (Beifall bei der FDP) in der die Bundesregierung steckt. Diese Regierung hat es nicht geschaft, einen Verfassungsschutzpräsidenten Ich habe das Buch „Hofnungsland“ des Ministers ge- zu entlassen, der – wie im Fall Amri – lügt wie gedruckt, lesen und habe – für alle, die es lesen wollen; der Kollege der rechte Verschwörungstheorien in die Welt setzt und Rehberg hat es noch nicht gelesen; ich kann es ihm auch der wie jemand wirkt, der die AfD coacht. Und jetzt nicht empfehlen – in diesem Buch viel über Fragen der haben Sie das Problem schon wieder vertagt. Wie ent- Zukunft gefunden, aber über die Frage der Finanzierung scheidungsschwach sind Sie eigentlich in der Regierung? der Zukunft, Herr Minister – das wäre Ihre Aufgabe ge- Wann werden Sie endlich Herrn Maaßen entlassen? wesen –, fndet sich nichts. Das ist nicht Hofnungsland, das ist hofnungslos. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Danke. Wenn Sie nicht einmal die Kraft haben, das zu ma- (Beifall bei der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: chen, dann fragt man sich doch: Wie gehen Sie die gro- Von welchem Verlag war das Buch noch mal?) ßen Herausforderungen an, die sich jetzt unserem Land, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5315

Sven-Christian Kindler (A) unserem Europa und unserer Gesellschaft stellen, näm- Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): (C) lich Klima, Frieden, Gerechtigkeit, soziale Spaltung in Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen diesem Land? Wie geht es weiter mit diesem Europa? Sie mich mit etwas Persönlichem beginnen. Dies ist der Alles das muss man jetzt angehen, und alles das muss 25. Bundeshaushalt, den ich heute mitberaten darf. man jetzt im Haushalt angehen. Aber Sie können es eben nicht, weil Sie am Ende nicht durchsetzungsfähig sind, (Otto Fricke [FDP]: Ui!) weil Sie sich nicht einig sind, und vor allen Dingen, weil Meine Erfahrung: Haushaltsberatungen brauchen Klar- Sie auch nicht den Willen haben, wirklich etwas zu ver- heit und Sachlichkeit und müssen vor allem Perspektiven ändern. für die Zukunft aufzeigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was ich aber, meine Damen und Herren, in den ver- gangenen Tagen an politischer Skandalisierung, Verun- Das hat man auch in dieser Woche gesehen: Diese Re- sicherung und Stillosigkeit in unserem Parlament erlebt gierung steht mit diesem Haushalt für ein Weiter-so. Das habe, ist ein Haushalt, der in der reinen Gegenwart lebt. De ­facto verändern wollen Sie eigentlich nichts. Die Redne- ( [AfD], an Abg. Johannes rinnen und Redner haben sich extrem dafür gelobt, dass Kahrs [SPD] gewandt: Herr Kahrs, hören Sie sie hier ein paar Millionen und da ein paar Millionen zu!) mehr ausgeben, und haben sich reichlich abgefeiert. Aber das ist genau das Gegenteil dessen, was die Menschen sich der Herausforderung gestellt, dass sich grundlegend von uns erwarten, was die Menschen benötigen und was und strukturell etwas verändert, das haben sie nicht, unser Land für die Zukunft braucht. und ich sage Ihnen: Das wird sich noch bitter rächen im Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Stefen [SPD] und Dr. Florian (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Toncar [FDP]) Ich möchte zum Ende noch auf einen Punkt eingehen: Wir als Union stellen unsere Politik der Mitte und der Europa und zehn Jahre Finanzkrise. Vor zehn Jahren ist sozialen Marktwirtschaft dagegen. Sie ist die beste Wirt- Lehman Brothers pleitegegangen. Wir haben eine ex- schafts- und Gesellschaftsordnung unserer freiheitlichen trem schwere Finanzkrise erlebt – global, aber auch in Demokratie. Diese müssen wir erhalten und dürfen sie Europa –, und das hat zu schweren sozialen und öko- nicht durch solche Reden, wie sie hier gehalten wurden – nomischen Verwerfungen in unserem Europa geführt. mit Spaltpilzen, mit Anschuldigungen –, aufs Spiel set- Völlig klar ist doch, dass es jetzt zu Veränderungen hin zen, meine Damen und Herren. (B) zu mehr Gerechtigkeit kommen muss, um den Euro und (D) Europa zusammenzuhalten. Es muss zu einer Vertiefung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der Wirtschafts- und Währungsunion kommen. Man ordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: muss jetzt mit einer Investitionsofensive und einer har- Das machen Sie doch selber! Fragen Sie doch ten Bankenregulierung vorangehen. Man muss jetzt ei- Frau Merkel!) nen europäischen Währungsfonds installieren. Alles das Dieser Haushalt ist für mich ein wichtiger Punkt, um wäre jetzt notwendig. Doch was war auf dem Juni-Gipfel den Menschen diese Politik der Mitte und der sozialen der Europäischen Union? De facto hat man bis auf die Marktwirtschaft noch einmal zu verdeutlichen. Dieser Letztabsicherung beim Bankenfonds nichts entschieden. Haushalt ist geprägt von den Werten Freiheit, Solidari- Sie haben alles auf die lange Bank geschoben, und ich tät und Eigenverantwortung, Mut und Optimismus. Die sage Ihnen: Das ist verantwortungslos gegenüber unse- Erfolge dieser Politik sind doch unübersehbar: Rekord- rem Europa. beschäftigung, niedrigste Arbeitslosigkeit seit der deut- schen Einheit, steigende Reallöhne, steigende Renten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und anhaltendes Wirtschaftswachstum. Es zeigt sich nach dieser Haushaltswoche – das sieht (Stephan Brandner [AfD]: Also alles bestens, man am Haushalt 2019 –: Ihnen fehlen die Kraft und der ja?) Wille, wirklich etwas zu verändern, wirklich etwas zu gestalten. Wir müssen die kommenden Haushaltsbera- Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen. Mit dem tungen im Parlament nutzen, um diesen Haushalt noch vorliegenden Haushalt wird die Lage für die Menschen zukunftsfest zu machen und Zentrales zu verändern. Wir weiter verbessert. Das ist auch eine Tatsache. Das ist die werden dafür Vorschläge einbringen. Wahrheit, meine Damen und Herren. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Sie haben einen Tunnelblick!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Um einige Beispiele hinzuzufügen, wie wir die Lage der Menschen verbessern wollen: Erhöhung des Kin- Vizepräsidentin Petra Pau: dergelds, Verbesserung der Mütterrente, Anhebung der Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dr. h. c. Hans steuerlichen Grundfreibeträge, Abbau der ungerechten Michelbach das Wort. kalten Progression, Baukindergeld, Finanzierung von neuen Wohnungen, Ausbau der digitalen Infrastruktur, (Beifall bei der CDU/CSU) Ausbau und Modernisierung von Schienen- und Straßen- 5316 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Dr. h. c. Hans Michelbach (A) infrastruktur. Meine Damen und Herren, das sind keine päischen Union gefährden wieder die Stabilität der Fi- (C) Versprechen aus unserem Wahlprogramm, sondern das nanzmärkte. sind mit diesem Haushalt gelebte Tatsachen. Das können (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Sie mit scharfen Reden, wie Sie sie hier gehalten haben, der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Dann ma- auch nicht wegdiskutieren. Das sind die Tatsachen. Das chen Sie was dagegen!) ist die Wahrheit. Wir müssen deutlich machen: Grundlage für die Staats- (Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner schuldenkrise in Griechenland, Portugal, Irland oder [AfD]: Klitzekleine Ausschnitte aus der Wahr- Spanien waren Reformunwilligkeit, heit!) (Stephan Brandner [AfD]: Und die Ausländer Zur Wahrheit gehört auch: Wir leben in einer Zeit sind schuld, oder was? Immer schuld die Aus- tiefgreifender, schneller Veränderungen und Herausfor- länder!) derungen. Ich erinnere an die große Weltwirtschafts- und Finanzkrise vor fast auf den Tag genau zehn Jahren. überzogene konsumtive Ausgaben, massive Verstöße ge- Diesen Schock dürfen wir nie vergessen. Den erlebten gen die Maastricht-Kriterien und ein damit einhergehen- Abgrund, vor dem wir standen, müssen wir immer vor der Vertrauensverlust der Märkte in die Schuldenstaaten. Augen haben. Deshalb warne ich auch vor ideologisch getriebener Eile und falschen Weichenstellungen bei der Bankenunion. Wie lautet das Fazit aus der Wirtschafts- und Finanz- krise? Es gibt keinen Automatismus in der wirtschaftli- (Beifall bei der FDP) chen Entwicklung und für Stabilität am Finanzmarkt. Es braucht dafür immer wieder die richtigen Weichenstel- Eine erfolgreiche Bankenunion kann nur auf sicheren lungen, es braucht immer die richtigen Rahmenbedin- Füßen stehen, wenn wir die notleitenden Kredite in den gungen. Dazu gehört auch die Vereinbarung im Koaliti- Bankbilanzen massiv abgebaut haben. onsvertrag, keine Steuern zu erhöhen; denn man möchte (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und keine kontraproduktiven Kräfte entfalten. Deshalb ist der FDP) auch kein Platz für Gedankenspiele, für die Finanzierung künftiger Sozialausgaben die Steuern weiter zu erhöhen, Es kann doch nicht sein, dass wir durch Einlagensiche- wie das hier teilweise gefordert wurde. Das ist der fal- rung für alle Sparkonten die Risiken von Auslandsban- sche Weg. ken übernehmen. Wir müssen den Menschen in unserem Land größe- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) re Freiräume geben. Wir müssen sie entlasten, damit sie Die Bankenunion darf keine verdeckte Schuldenunion (B) (D) noch stärker am Wachstumserfolg teilhaben. werden. Mit einer Schuldenunion hält man Europa nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – zusammen. Zusammenhalt bietet nur die Einhaltung der Stephan Brandner [AfD]: Also Steuern weg, bestehenden Verträge. Soli abschafen! Kann man alles machen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dazu gehört nach meiner festen Überzeugung auch die Ein eigener Euro-Haushalt, eigene EU-Steuern, eine ei- vollständige Abschafung des Solis. Wir brauchen ein gene EU-Arbeitslosenversicherung, eine Sozialunion auf einheitliches Soliabschafungsgesetz. Das ist eine Frage europäischer Ebene, Einlagensicherung für alle Spar- der Wachstumsentwicklung, der Investitionsförderung konten – das ist letzten Endes nicht der Weg, den wir in und der politischen Glaubwürdigkeit. Europa benötigen, weil damit auch ein Spaltpilz durch Wir brauchen, wenn wir Anreize für Investitionen set- Europa gehen kann. Es muss der Weg der Vernunft ge- zen wollen, Freiräume für Investitionen. Für den Woh- gangen werden. nungsbau und die Schafung von Eigentum braucht man (Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie das auch Eigenkapital, und da hilft eine niedrigere Steuerbelas- Frau Merkel?) tung. So wird ein Schuh draus, meine Damen und Herren. Wir sind für Europa, aber nicht für ein Europa der Risi- (Stephan Brandner [AfD]: Dann machen Sie ken und nichtkalkulierbaren Problemstellungen. es doch! Setzen Sie es doch um!) Wir stehen vor etlichen Herausforderungen. Wir brau- Vizepräsidentin Petra Pau: chen wirtschaftliche Stabilität und Belebung der Kon- Kollege! junktur, auch für die Zukunft. Gleichzeitig droht Europa von den politischen Fliehkräften geradezu zerrissen zu Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): werden. Deshalb müssen wir die Europäische Union an Deswegen ist es wichtig, dass wir, wie wir heute zu- den richtigen Stellen stärken. Was allerdings nicht ziel- frieden feststellen können, die Maastricht-Kriterien mit führend ist, ist die Vergemeinschaftung um der Verge- diesem Haushalt einhalten und auch in Zukunft den Weg meinschaftung willen. der Vernunft in der Finanzpolitik in Europa beschreiten. Die richtigen Schlüsse können wir nur ziehen mit Herzlichen Dank. einem klaren Blick auf die Tatsachen. Die Risiken am Kapitalmarkt haben wieder zugenommen. Die lockere (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Geldpolitik und die zu hohe Verschuldung in der Euro- Otto Fricke [FDP]: Sehr schön!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5317

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: mit viel zum Zusammenhalt in der Gesellschaft beitragen (C) Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Sonja Amalie können. Stefen das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte einige Punkte noch einmal kurz heraus- stellen. Sonja Amalie Stefen (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Da wäre das Familienentlastungspaket. Wir entlas- Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Am Schluss der ten Familien und Berufstätige 2019 und 2020 um circa Haushaltswoche zum Etat 2019 kann man feststellen, 10 Milliarden Euro, indem wir das Kindergeld und die dass wir in dieser Woche überwiegend sachliche Debat- Steuerfreibeträge erhöhen und die Einkommensteuer um ten geführt haben. Ich sage „überwiegend“, bis auf die die kalte Progression bereinigen. Ausfälle von rechts außen. Wir schafen das Gute-Kita-Gesetz. Ich denke, das (Widerspruch bei der AfD) freut viele Bundesländer sehr, auch meins, Mecklen- Ich stelle fest, dass die AfD in dieser Woche keine kon- burg-Vorpommern. Wir geben 5,5 Milliarden Euro bis struktiven Vorschläge gemacht hat, 2022 für die Kitas und werden dafür sorgen, dass gebüh- renfreie Kitas kommen, dass bessere Betreuungsschlüs- (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Lesen Sie doch mal Zeitung! – Stephan Brandner [AfD]: sel kommen und Erzieherinnen und Erzieher noch besser Sie sind so selten da! Sie müssen öfter mal da qualifziert werden. sein!) Wir sorgen wieder für Parität in der gesetzlichen Kran- egal ob es um Rente geht, um Pfege, Gesundheit, Ar- kenversicherung. Das betrift 72 Millionen Versicherte. beit, Familie oder was auch immer. Gerade in der letzten Wir entlasten diese Personen um insgesamt 8 Milliar- Debatte über den Etat des Gesundheitsministeriums ha- den Euro jährlich. Den Mindestbeitrag zur gesetzlichen ben wir einmal mehr festgestellt, dass es Ihnen nicht um Krankenversicherung für Solo-Selbstständige verringern das Thema geht, sondern nur darum, Angst und Hass zu wir um die Hälfte. Er wird von 350 Euro auf 170 Euro im schüren und die Gesellschaft zu spalten. Wie armselig! Monat gesenkt; darüber haben wir vorhin in der Gesund- (Beifall bei der SPD) heitsdebatte schon geredet. Ich denke, das hilft den vie- len Solo-Selbstständigen bundesweit sehr, um monatlich Wir wissen, dass nicht nur wir die Debatten hören und über die Runden zu kommen. (B) sehen, sondern auch viele Menschen draußen, vor den (D) Fernsehern oder im Internet. Auch für die Langzeitarbeitslosen tun wir eine Menge. (Stephan Brandner [AfD]: So soll das sein!) Hier haben wir für 2019 knapp 1 Milliarde Euro in den Haushalt eingestellt. Ich weiß, gerade in Bundesländern Ich gehe davon aus, dass auch die Zuschauerinnen und bzw . Wahlkreisen, in denen die Arbeitslosigkeit immer Zuschauer haben verfolgen können, dass Sie in dieser noch sehr hoch ist, warten die Menschen darauf. Die Haushaltswoche wirklich nichts Konstruktives gesagt Menschen wollen arbeiten, weil Arbeit ein Teil der Men- haben. Sie sind zwar in den Bundestag gewählt worden, schenwürde ist. Da rechnet man mit uns. (Beifall des Abg. Stephan Brandner [AfD]) Wir investieren aber auch in die Zukunft. Es geht nicht ja, aber gerade diese Woche hat gezeigt, dass Sie in die- nur darum, die sozialen Ausgaben zu erhöhen, sondern sem Haus nichts verloren haben. auch darum, Investitionen zu tätigen. Wir investieren in (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus die Bildung; das haben wir schon gehört. Der Bildungs­ Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – etat ist in diesem Jahr ein Rekordetat; er hat ein Volumen Dr. Alexander Gauland [AfD]: Bestimmen Sie von 23,7 Milliarden Euro. Wir investieren viel in bezahl- über die Demokratie, Frau Stefen, oder wer?) baren Wohnraum; das ist sehr gut und wichtig. Wir inves- Dies ist der zweite Etat, der unter dem guten SPD-Fi- tieren viel in das Internet, in diesem Jahr 2,4 Milliarden nanzminister Olaf Scholz geplant wurde. Wir können Euro über den Digitalfonds in den Breitbandausbau und mit Fug und Recht feststellen, meine Damen und Her- die digitalen Schulen. Wir sorgen durch viele Stellen bei ren, dass seine Planung sich durchaus sehen lassen kann. der Bundespolizei, beim Zoll und beim Bundeskriminal- Eine nie dagewesene Summe von Steuergeldern – das amt dafür, dass es mehr Sicherheit in unserem Land gibt. haben wir heute schon gehört; ich will die Summe einmal nennen: 356,8 Milliarden Euro – steht für den Bundes- An dieser Stelle möchte ich den Kollegen Eckhardt haushalt 2019 zur Verfügung. Und ja, das stimmt, in dem Rehberg zitieren, der in der Generaldebatte gesagt hat: Haushalt steckt eine Menge sozialdemokratisches Herz- „… unter dem Strich ist der Bundeshaushalt 2019 so- blut. Der Kollege Berghegger hat vorhin ein bisschen lide und seriös.“ Das ist heute wiederholt worden, und bedauernd gesagt, ihm seien das zu viele Sozialausga- das stimmt auch. Aber man soll den Tag nicht vor dem ben. Ich kann das nicht feststellen, und da rede ich für die Abend loben. Vor uns liegt noch jede Menge Arbeit. gesamte SPD-Fraktion. Wir sind froh, dass der Haushalt Wir werden uns den Etat in den nächsten Wochen noch so viele Sozialausgaben enthält. Wir denken, dass wir da- einmal genau anschauen. Wir haben schon gehört: Der 5318 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

Sonja Amalie Stefen (A) Kollege Brinkhaus will mehr Geld für die Verteidigung Eric Hofer, ein amerikanischer Philosoph, der in dem (C) haben. Wir von der SPD-Fraktion denken auch an die Jahr gestorben ist, in dem ich geboren wurde, ODA-Quote, (Stephan Brandner [AfD]: Wann war das (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir denn?) auch! Kein Problem! Das können wir beides hat einmal gesagt: machen!) Wenn wir erst die technischen Möglichkeiten ha- und zwar vor allem an die humanitäre Hilfe. ben, Berge zu verschieben, wird es den Glauben nicht mehr brauchen, der Berge versetzen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich glaube, wir haben heute zwar nicht die technischen Kollegin Stefen, bitte kommen Sie zum Schluss. Möglichkeiten, um Berge zu verschieben, aber der Glau- be allein wird eben auch nicht reichen. Wir brauchen Sonja Amalie Stefen (SPD): auch eine gute Politik. Ja. – Mein letzter Satz: Ich freue mich auf die anste- In dem Haushalt, den wir für das kommende Jahr vor- henden Haushaltsverhandlungen. legen, setzen wir die richtigen Schwerpunkte, um in ei- ner sich immer mehr digitalisierenden Welt die Weichen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) richtig zu stellen. Ich kann sagen, dass jedes Ministeri- um mindestens einen digitalen Schwerpunkt gesetzt hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist sehr zu begrüßen, aber völlig klar ist: Wir müssen noch besser werden, vor allem müssen wir noch schneller Das Wort hat die Kollegin Nadine Schön für die CDU/ werden, und wir müssen alles europäisch denken. Denn CSU-Fraktion. was ist Deutschland allein in einer Welt, die sich gerade (Beifall bei der CDU/CSU) aufgrund der Digitalisierung wahnsinnig schnell ändert, in der Kräfte wie China mit hohen Investitionen und ei- nem ganz anderen Mindset massiv in digitale Lösungen Nadine Schön (CDU/CSU): investieren und in der auch von großen IT-Giganten aus Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und den USA massiv in diesen Bereich investiert wird? Wir Kollegen! Nach vier intensiven Plenartagen darf ich als wissen, dass unser Wohlstand von diesem Thema ab- Digitalpolitikerin die Debatte für die Union abbinden. hängt. Wenn wir auch in den nächsten Jahren noch so gut Wieso spricht eine Digitalpolitikerin als Letzte? in unserem Land leben wollen, dann müssen wir auch (B) schauen, dass die Arbeitsplätze der Zukunft in unserem (D) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Weil Land sind. es so wichtig ist!) Wenn wir mitreden wollen bei der Frage „Wie wird Vielleicht weil bisher noch niemand etwas zur Digitali- sich die Gesellschaft entwickeln?“, gerade in Zeiten sierung gesagt hat? Na ja, das glaube ich nicht. Denn in künstlicher Intelligenz, dann müssen wir dafür sorgen, jedem Haushalt, in jedem Fachbereich spielt Digitalisie- dass in dieser Entwicklung auch deutsche und europä­ rung eine zunehmend wichtige Rolle. Vielleicht weil Di- ische digitale Lösungen eine Rolle spielen. gitalisierung das Wichtigste ist und deshalb zum Schluss kommen sollte? Da setzt unser Haushalt die richtigen Schwerpunkte. Ich nenne nur einige Stichworte, zum einen das Thema (Otto Fricke [FDP]: Der Mensch ist das DigitalPakt. Zum ersten Mal investieren wir als Bund in Wichtigste!) die digitale Ausstattung der Schulen, mit 3,5 Milliarden Euro. Aber ich sage auch ganz klar: Das allein reicht Das glaube ich schon eher. Ich bin der Meinung, das Di- nicht. Es reicht nicht, dass wir in die Infrastruktur inves- gitale sollte künftig immer das letzte Wort haben. tieren – was wir als Bund zum ersten Mal machen und Unser Gesellschafts- und unser Wirtschaftsleben än- weshalb wir auch extra das Grundgesetz ändern –, auch dern sich so schnell. Wir müssen aufpassen, dass wir die Kommunen und vor allem die Länder müssen ihrer bei allen Gesetzgebungsverfahren, die wir durchführen, Verantwortung gerecht werden. Hier müssen die pädago- das Digitale immer mitdenken, dass wir uns von Anfang gischen Konzepte entwickelt werden, hier müssen auch an fragen: Sind denn unsere Gesetze so gestrickt, dass die strategischen Entscheidungen getrofen werden, wie sie den Herausforderungen und dem schnellen Wandel, sich Bildung im 21. Jahrhundert verändern muss, damit in dem wir uns befnden, überhaupt noch gerecht wer- wir den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht den? Haben wir die Entwicklungen, die sich etwa bei den werden. Das ist Aufgabe der Länder und Kommunen. Themen der künstlichen Intelligenz, von Big Data und Wir erwarten, dass diese das auch tun, damit, wenn das der Plattformökonomie vollziehen, in unsere Gesetzge- Geld vom Bund kommt, es auch sinnvoll eingesetzt wird. bung einbezogen? Das stellt auch uns Politiker vor völlig (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) neue Herausforderungen. Deshalb freue ich mich auf die nächsten Jahre, in denen wir das Digitale immer mehr in Ich nenne das Stichwort Wagniskapital. Wir haben in unsere Gesetzgebung infltrieren werden. Deshalb fnde der vergangenen Legislaturperiode mit dem Coparion ich es auch gut, dass ich als Digitalpolitikerin heute das Fonds, mit der Änderung beim Thema Verlustvorträge letzte Wort in dieser Debatte habe. und mit den Änderungen bei „INVEST – Zuschuss Wag- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 50. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2018 5319

Nadine Schön (A) niskapital“ viele wichtige Maßnahmen gemacht, damit Das sind wichtige Initiativen, die wir gerade mit die- (C) junge Unternehmen, die hier in unserem Land gegründet sem Haushalt als Politik anstoßen. Alle Bundesministe- werden, auch wachsen können, groß werden. Aber wir rien haben sich dem Thema Digitalisierung verpfichtet. sehen, dass, wenn es in die größeren Finanzierungsrun- Ich denke gerade an das Gesundheitsministerium, das mit den geht, es immer noch schwierig ist, in Deutschland seiner neuen Abteilung einen besonderen Schwerpunkt und in Europa zu wachsen. Deshalb ist das eine Aufgabe, darauf legt, durch Digitalisierung im Gesundheitswesen die wir als Land uns stellen müssen für diese Wahlperi- eine bessere Versorgung der Bevölkerung sicherzustel- ode. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, len. Mit dieser positiven Herangehensweise sollten wir einen nationalen Digitalfonds zu gründen, wo auch in- auch die nächsten Jahre gestalten. stitutionelle Investoren oder auch die großen deutschen Industrieunternehmen dazu beitragen können, dass klei- Wir starten gerade mit der Enquete-Kommission KI. ne Unternehmen groß werden, dass Start-ups mit innova- Ich hofe, dass auch hier eine positive Weise gefunden tiven Ideen wachsen können. Wir brauchen das Gleiche wird, an dieses Thema heranzugehen. Denn wir können auf europäischer Ebene. die Digitalisierung nicht aufhalten; aber wir können sie gestalten, und zwar so, dass wir alle davon proftieren. Ich nenne das Stichwort Breitband- und Mobilfunk- ausbau. Der Bundesverkehrsminister hat schon in diesem (Stephan Brandner [AfD]: Sehr schöne Jahr die Förderrichtlinie geändert, um dafür zu sorgen, ­Worte!) dass der Breitbandausbau weitergehen kann. Unser Ziel muss sein, dass im nächsten Jahr die Schulen ans Netz ge- Deshalb freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit allen hen. Ich bin der Meinung, wir brauchen einen Sonderauf- Fachministerien und mit allen Fachausschüssen im Deut- ruf Schulen. Im nächsten Schritt müssen wir zusammen schen Bundestag. mit der Europäischen Kommission dafür sorgen, dass die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aufgreifschwelle gesenkt wird, damit wir endlich auch ordneten der SPD und der FDP) Gigabitnetze der Zukunft bauen können, in einem guten Miteinander zwischen Wettbewerb, privatwirtschaftli- chem Ausbau und, dort, wo es eben sein muss, auch einer Präsidentin Petra Pau: staatlichen Förderung. Ich schließe die Aussprache. Das Gleiche gilt auch für den 5G-Ausbau. Gerade Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf beraten wir bei der Bundesnetzagentur, welche Voraus- den Drucksachen 19/3400 und 19/3401 an den Haus- setzungen für die Versteigerung der Frequenzen gegeben haltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan- sein müssen. Ich kann sagen, dass das, was die Bundes- (B) den? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so (D) netzagentur uns bisher vorgelegt hat, noch nicht dem beschlossen. entspricht, was wir als Politik von dieser Ausschreibung verlangen. Wir wollen damit nicht groß Kasse machen, Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- wir wollen, dass durch die 5G-Frequenzen-Auktion der ordnung. Ausbau besser wird, das heißt, die weißen Flecken müs- sen geschlossen werden. Wir wollen das Ganze so gestal- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- ten, dass von dieser nächsten Mobilfunktechnologie 5G tages auf Mittwoch, den 26. September 2018, 13 Uhr, ein. auch möglichst alle proftieren, in erster Linie natürlich Die Sitzung ist geschlossen. die Flächen, wo 5G direkt zur Anwendung kommt, aber mittel- und langfristig eben auch das ganze Land. (Schluss: 14.10 Uhr)

Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018 5321

(A) Anlagen zum Stenografschen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/ Merkel, Dr. Angela CDU/CSU DIE GRÜNEN Müller, Hansjörg AfD Bareiß, Thomas CDU/CSU Poschmann, Sabine SPD Barthle, Norbert CDU/CSU Post (Minden), Achim SPD Beutin, Lorenz Gösta DIE LINKE Ramsauer, Dr. Peter CDU/CSU Bilger, Stefen CDU/CSU Reinhold, Hagen FDP Brackmann, Norbert CDU/CSU Riebsamen, Lothar CDU/CSU Roth (Heringen), Michael SPD Roth (Heringen), Michael SPD Brugger, Agnieszka* BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Schulz, Jimmy FDP Bull-Bischof, Birke DIE LINKE Stamm-Fibich, Martina SPD Buschmann, Dr. Marco FDP Steineke, Sebastian CDU/CSU Busen, Karlheinz FDP Strasser, Benjamin FDP Espendiller, Dr. Michael AfD Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ (B) (D) DIE GRÜNEN Gohlke, Nicole DIE LINKE Weinberg, Harald DIE LINKE Hartmann, Sebastian SPD Werner, Katrin DIE LINKE Haug, Jochen AfD Wittke, Oliver CDU/CSU Held, Marcus SPD Zdebel, Hubertus DIE LINKE Heßenkemper, Dr. Heiko AfD * Hilse, Karsten AfD aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Hocker, Dr. Gero Clemens FDP Hoppenstedt, Dr. Hendrik CDU/CSU Anlage 2 Ihnen, Ulla FDP Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 969. Sitzung am 6. Juli Irlstorfer, Erich CDU/CSU 2018 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 DIE GRÜNEN des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Verlängerung befristeter Regelungen Kessler, Dr. Achim DIE LINKE im Arbeitsförderungsrecht und zur Umsetzung der Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/ Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien DIE GRÜNEN Zugang zu den Websites und mobilen Anwendun- gen öfentlicher Stellen Lambsdorf, Alexander Graf FDP – Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und an- Lange, Ulrich CDU/CSU derer Gesetze Liebich, Stefan DIE LINKE – Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Familiennachzugs- Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU neuregelungsgesetz) 5322 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018

(A) – Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- (C) Musterfeststellungsklage pfichtungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2016 – Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Drucksachen 18/10451, 19/899 Nr. 9 Nr. 216/2013 des Rates über die elektronische Ver- – Unterrichtung durch die Bundesregierung öfentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union Haushaltsführung 2016 – Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushalts- Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- plans für das Haushaltsjahr 2018 (Haushaltsgesetz pfichtungsermächtigungen im vierten Vierteljahr 2018) des Haushaltsjahres 2016 – Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Pros- Drucksachen 18/12198, 19/899 Nr. 11 pektverordnung und zur Anpassung weiterer Fi- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur nanzmarktgesetze – Unterrichtung durch die Bundesregierung – Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Atomgeset- Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr zes (16. AtGÄndG) 2015 Darüber hinaus hat der Bundesrat in seiner 969. Sit- Drucksachen 18/12764, 19/1709 Nr. 55 zung am 6. Juli 2018 gemäß Artikel 94 Absatz des Grund- gesetzes in Verbindung mit §§ 5 und 7 des Gesetzes über Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Herrn Prof. Dr. Henning Radtke, Richter am Beratung abgesehen hat. Bundesgerichtshof als Nachfolger für Herrn Bundesverfassungs- richter Prof. Dr. Michael Eichberger Auswärtiger Ausschuss Drucksache 19/1053 Nr. A.3 in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts Ratsdokument 5148/18 gewählt. Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (B) gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von Drucksache 19/910 Nr. A.29 (D) einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen Ratsdokument 15315/17 absehen: Drucksache 19/2233 Nr. A.6 Ratsdokument 7875/18 Haushaltsausschuss Drucksache 19/2623 Nr. A.15 Ratsdokument 8725/18 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2016 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- Drucksache 19/1252 Nr. C.58 Ratsdokument 9672/17 pfichtungsermächtigungen im ersten Vierteljahr Drucksache 19/1252 Nr. C.59 des Haushaltsjahres 2016 Ratsdokument 9967/17 Drucksache 19/1252 Nr. C.60 Drucksachen 18/8745, 19/899 Nr. 6 Ratsdokument 10146/17 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicher- Haushaltsführung 2016 heit Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- Drucksache 19/2623 Nr. A.25 pfichtungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr Ratsdokument 8693/18 des Haushaltsjahres 2016 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksachen 18/9453, 19/899 Nr. 7 Drucksache 19/910 Nr. A.113 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 11801/17 Drucksache 19/2233 Nr. A.31 Haushaltsführung 2016 EP P8_TA-PROV(2018)0185 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 50 Sitzung Berlin, Freitag, den 14 September 2018 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrift-gesetze.de ISSN 0722-8333