DIE ENTWICKLUNG VON

SEIT 1800

ZULASSUNGSARBEIT

zur

Wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an den Gymnasien im Jahr 1965

P. Vitalis Altthaler

Dozent: Prof. Dr. Hans Fehn Geographisches Institut Universität München

DIE ENTWICKLUNG VON OTTOBEUREN SEIT 1800

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung ………………………………………………………………………….. 1

1. Teil

OTTOBEUREN VOR DER SÄKULARISATION

I) Das ehemalige Herrschaftsgebiet der Abtei …………………………… 2 1) Lage und Naturlandschaft ……………………………………………. 2 2) Wirtschaft ………………………………………………………………. 4 3) Siedlungsbild …………………………………………………………... 5

II) Ottobeuren um 1800 …………………………………………………….. 8 1) Das Siedlungsbild …………………………………………………….. 8 a) Die Klosteranlage ………………………………………………….. 8 b) Der Marktort und seine nächste Umgebung ……………………. 9 2) Die Wirtschaftsverhältnisse ………………………..………………… 11 a) Das Kloster als Arbeitgeber ……………………………………… 11 b) Das Kloster als Verbraucher …………………………………….. 21 c) Ottobeuren als zentraler Ort ……………………………………... 23 c1) Ottobeuren als kirchlicher Mittelpunkt ……………………… 23 c2) Ottobeuren als Behördenort …………………………………. 26 c3) Ottobeuren als Marktort ………………………………………. 30 c4) Verkehrslage …………………………………………………… 31 c5) Einrichtungen sanitärer Art …………………………………… 32 c6) Schulwesen …………………………………………………….. 32 3) Die Sozialstruktur um 1800 ……………………………………………. 33

2. Teil

DIE SÄKULARISATION UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF OTTOBEUREN

I) Aufhebung des Klosters und Schicksal des bisherigen Klosterbesitzes ……………………………………………………………… 35

II) Auswirkungen der Säkularisation auf das Siedlungsbild …………………… 40 1) Umgestaltung des Marktplatzes ………………………………………. 40 2) Veränderungen in der nächsten Umgebung des Ortes ……………. 41 3) Verwendung des Klostergebäudes …………………………………… 41 III) Wirtschaftliche Auswirkungen der Säkularisation auf Ottobeuren ……….. 42 1) Verlust des Klosters als Arbeitgeber und Verbraucher …………….. 42 2) Entwicklung ehemals klösterlicher Gewerbebetriebe ………………. 43 3) Auswirkungen der Säkularisation auf die zentralen Funktionen des Ortes …………………………………………………… 44 a) Kirchliche Verhältnisse ………………………………………………. 44 b) Wochenmarkt …………………………………………………………. 45 c) Staatliche Behörden ………………………………………………….. 48

3. Teil

DIE ENTWICKLUNG VON OTTOBEUREN BIS ZUR GEGENWART

I) Das Kloster ……….………………………………………………………………. 48 1) Wiedererrichtung ..………………………………………………………. 48 2) Die Entstehung des neuen Klostergutes ……………………………… 51 3) Aufgaben des neuen Klosters und deren Auswirkungen auf Ottobeuren …………………………………………………………… 52

II) Der Markt Ottobeuren …………………………………………………………… 53 1) Wirtschaftsverhältnisse ………………………………………………….. 53 a) Ottobeuren als kirchlicher Mittelpunkt ………………………………. 53 b) Ottobeuren als kultureller Mittelpunkt ………………………………. 58 c) Ottobeuren als Behördenort ……………….…………………………. 61 d) Sanitäre Einrichtungen in Ottobeuren ………………………………. 62 e) Ottobeuren als Marktort ………………………………………………. 63 f) Wirtschaftliche Beziehungen zur ländlichen Umgebung in der Gegenwart …………………………………………. 67 g) Handwerk und Industrie in Ottobeuren ………………………………. 72 h) Landwirtschaft ……………………………………..……………………. 78 i) Fremdenverkehr ……...…………………………………………………. 91 2) Sozialstruktur ………………………………………………………………. 106 3) Bevölkerungsentwicklung ………………………………………………… 109 4) Das Siedlungsbild in der Gegenwart ……………………………………. 111

III) Zusammenfassung ………………………………………………………………. 118

Quellen- und Literaturverzeichnis ………………………………………………..… 122

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Einleitung

Mächtig erhebt sich über dem Markt Ottobeuren das Kloster mit einer der größten und schönsten Barockkirchen Deutschlands. Aber obgleich dieses Kloster in seiner barocken Gesamtanlage beinahe vollständig erhalten ist, so ist es heute doch nicht mehr das, was seine Architektur ausdrückt. Denn das Kloster des 18. Jahrhunderts ist mehr als die Wohnung einer klösterlichen Gemeinschaft. Das Kloster, das nach alter Tradition im Jahre 764, zu der Zeit also, als die Franken Alemannien in ihr Reich einzugliedern versuchten 1), gestiftet wurde, war von Anfang an auf eine Landschaft hingeordnet, sei es, um sie erst zu erschließen, sei es, um die Bewohner zu christianisieren und zu kultivieren. „Man wird Ottobeuren nicht gerecht, ohne es in seiner Landschaft zu sehen“ 2). Geschichtliche Entwicklung führte zu einer engen Verflechtung zwischen dem Kloster und den Bewohnern der Landschaft. Ottobeuren war freie Reichsabtei, eine um 1800 genau abgegrenzte Umgebung sein Territorium. Das findet sichtbaren Ausdruck in der heutigen Klosteranlage. Sie ist Zeichen der zentralistischen Ordnung auch einer politischen Gemeinschaft. Der Abt von Ottobeuren war Oberhaupt einer Mönchsfamilie und zugleich Landesherr, die Klosteranlage dementsprechend Kloster und Residenz in einem. Mit Recht weist Heider darauf hin, dass die Untertanen des Reichsstiftes ebenso, wenn auch in anderer Lebenssphäre, zur Abtei gehörten wie der Abt und sein Konvent, die Beamten und die Dienerschaft 3). Ganz besonders galt das für die Bewohner des Klostermarktes, dessen Geschichte auf das engste mit der des Klosters verknüpft ist.

Wenn also im Folgenden der Versuch gemacht werden soll, die Entwicklung des Marktortes Ottobeuren seit 1800 zu be-

______1) Vgl. Schwarzmaier H., Gründungs- und Frühgeschichte der Abtei Ottobeuren, Ottobeuren, Festschrift zur 1200-Jahrfeier der Abtei, S. 1 - 72 2) Raffalt W., Rundfunkvortrag am 5.7.1964, in: Gehört, gelesen Nr. 8, Aug. 1964 3) Heider J., Grundherrschaft und Landeshoheit der Abtei Ottobeuren, Stud. Mitt. OSB Bd. 73, 1962, S. 69

- 2 - schreiben, so ist dies nicht möglich, ohne ihn in einer untrennbaren Verbundenheit mit dem Kloster einerseits und auf dem Hintergrund des ehemaligen klösterlichen Territoriums andererseits zu sehen. Ottobeuren nahmen teil an der zentralen Stellung des Klosters. Es entwickelte sich dank der Förderung von Seiten des Klosters zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des klösterlichen Herrschaftsgebietes. Diese geschichtliche Erbmasse musste auch die weitere Entwicklung des Ortes beeinflussen, nachdem das Kloster durch die Säkularisation längst seine alte Bedeutung für Ottobeuren verloren hatte.

1. Teil

OTTOBEUREN VOR DER SÄKULARISATION

I) Das ehemalige Herrschaftsgebiet der Abtei 1) Lage und Naturlandschaft

Das ehemalige Territorium des Reichsstiftes Ottobeuren lag, von einer nahe gelegenen Exklave abgesehen, als geschlossenes Gebiet rings um Ottobeuren und somit im Westen des heutigen bayerischen Schwaben, am Nordrand des Allgäus. Es umfasste eine Gesamtfläche von 4 ¾ Quadratmeilen (266 qkm). Die Südgrenze fiel ungefähr zusammen mit dem Nordrand der Endmoränen der Risseiszeit nördlich des Obergünzburger Beckens. Ost- und Westgrenze verliefen weitgehend parallel, die Nordgrenze quer zu den Tälern und Höhenriedeln der Iller-Lech-Platte. Diese Grenzen umschlossen also keineswegs eine geographische Raumeinheit. Vom Relief her gesehen hätten sie auch irgendwie anders verlaufen können. Sie waren nicht durch die Natur, sondern durch Schenkungs- und Kaufverträge festgelegt. Eine genügende Ausstattung mit Grundbesitz war eine wichtige Voraussetzung für die Existenz eines Klosters. Wie die meisten alten Landklöster 4) suchte Ottobeuren seinen

______4) Huttenlocher Fr., Die ehemaligen Territorien des deutschen Reiches in ihrer kulturlandschaftlichen Bedeutung, Erdkunde Bd. 11, 1957, S. 98

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Urbesitz im Lauf der Jahrhunderte durch Schenkungen, Kauf und Tausch zu vergrößern und abzurunden 5). Noch im 18. Jahrhundert kam durch Kauf je ein Teil der angrenzenden ehemaligen Herrschaften Stein und Ronsberg dazu. Das Gebiet zeigt „die typischen Landschaftselemente der Iller-Lech-Platte: Deckenschotter, die zu N-S Riedeln schmal aufgelöst und von einem Schachtelsystem jüngerer Terrassen abgetreppt sind“ 6). Weckbecher, der letzte Kanzler von Ottobeuren, unterscheidet zwischen der oberen, südlich von Ottobeuren gelegenen, und der unteren Herrschaft 7). Diese Unterscheidung ist durchaus berechtigt: denn wenn auch das ganze Herrschaftsgebiet innerhalb der Schotterfelder der Iller-Lech-Platte liegt, so besteht doch eine Reihe von Unterschieden zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil des Territoriums. Diese Zweiteilung des Gebietes steht übrigens auch im Einklang mit der von Jahn 8) angenommenen Nordgrenze des Allgäus, die von ihm nicht als Linie, sondern als Grenzgürtel angegeben wird. Der äußere Saumrand dieses Grenzgürtels fällt ungefähr zusammen mit der Grenze zwischen der oberen und der unteren Herrschaft, sodass die obere Herrschaft in diesen Grenzsaum zu liegen kommt. Nach der von Graul 9) vorgenommenen Einteilung der Iller-Lech-Platte in vier Viertel käme die obere Herrschaft in das SW, die untere dagegen bereits in das NW Viertel zu liegen, wodurch wiederum der Unterschied zwischen den beiden Gebietshälften bestätigt wird. Als wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist zunächst einmal eine Verschiedenheit morphologischer Art zu beobachten. Die einstige obere Herrschaft weist mit Höhen bis 850 m nicht nur ein höheres, sondern auch ein unruhigeres Gelände auf als die untere Herrschaft. Die Deckenschotter sind stark zerschnitten durch zahlreiche kleine Bäche, die zur Westlichen Günz oder zur Schwelk, weniger zur östlichen Günz entwässern. Die West-

______5) Heider J., a.a.O., S. 63 ff. 6) Fehn Hans, Thorbecke – Fehn – Terhalle, Luftbilder aus Bayern, S. 81 7) StN Reg. 3155, v. Weckenbecker J., Statistische Übersicht des Reichsstifts Ottobeuren 8) Jahn W., Strukturwandel und Abgrenzung der voralpinen allgäuer Kulturlandschaft, Mitt. Geogr. Ges. Mü., Bd. 39, 1954, S. 5 - 71 9) Graul H., Die Iller-Lech-Schotterplatten, Handbuch der naturräumlichen Gliederung, 1953

- 4 - liche Günz weist auch schon in ihrem Oberlauf ein verhältnismäßig breites Tal auf, während die Östliche Günz in dem kurzen Stück innerhalb der ehemaligen oberen Herrschaft in den Deckenschotter eingeschnitten ist. Die Böden in der oberen Herrschaft werden von Weckbecker als schwer, nass und sumpfig beschrieben. Demgegenüber hatte Ottobeuren in der unteren Herrschaft Anteil an weiten Ebenen wie dem Memminger Trockental, dem Illertal, an den großen Hochterrassenflächen, die zwischen , und , bei Rummelshausen und Egg zum Teil Lössbedeckung aufweisen 10), ferner am Schwemmland südöstlich von Memmingen, das allerdings wie das Schwemmland an der Westlichen Günz südlich von Westerheim teilweise sumpfig war (Benninger Ried). Die höchsten Erhebungen erreichen in der ehemaligen unteren Herrschaft nur etwa 650 m. Auch nach klimatischen Gesichtspunkten lässt sich die Zweiteilung des Gebietes aufrechterhalten. Nach Ausweis des Klima-Atlasses von Bayern verläuft beispielsweise die Grenze für das Niederschlags-Jahresmittel 80 - 90 cm/Jahr und 90 - 100 cm/Jahr ebenfalls so, dass sie sich ungefähr mit der Weckbecker´schen Grenze zwischen den beiden Hälften des Herrschaftsgebiets der einstigen Reichsabtei deckt 11).

2) Wirtschaft

Betrachtet man die Naturlandschaft als Grundlage für die Kulturlandschaft, so wäre eine unterschiedliche Bewirtschaftung zu erwarten, da die dem Allgäu zugehörende oder wenigstens unmittelbar benachbarte obere Herrschaft nach Jahn vor allem günstige Standortbedingungen für Wiesengräser bietet, der Lösslehm der unteren Herrschaft dagegen als geeigneter Standort für Getreide bezeichnet wird. Tatsächlich erwähnt Weckbecker in seiner Beschreibung des Herrschaftsgebietes als Produkt der Landwirtschaft in der oberen Herrschaft „ziemlich viel Heuwuchs, besonders an saurem oder Pferdeheu“. Aber von einer intensiven Viehwirtschaft konnte auch in diesem Gebiet um 1800 keineswegs die Rede sein, auch wenn nach der

______10) Gradmann R., Süddeutschland, II. Bd., S. 380 11) Vgl. Gradmann R., a.a.O., Kartenanhang

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Meinung des Kanzlers der Viehbestand „ziemlich beträchtlich“ war. Eine völlige Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten war zu dieser Zeit gar nicht möglich, denn „der Zwang zur Selbstversorgung bestimmte weitgehend das Wirtschaftssystem und ließ Getreideanbau beispielsweise auch in solchen Gegenden lohnend erscheinen, in denen er heute unrentabel ist“ 12). Im Allgemeinen mag auch stimmen, dass eine Einschränkung des Getreideanbaus bei der Obrigkeit aus Steuergründen (Gült, Zehent) unerwünscht war 13). Dass man aber auch an einer Förderung der Viehzucht sehr interessiert war, geht eindeutig aus dem Bericht von Weckbecker hervor. Ein besonderes Anliegen des letzten Abtes vor der Säkularisation waren die Einführung der Stallfütterung und eine stärkere Verbreitung des Kleeanbaues 14). Selbstverständlich baute man auch in der oberen Herrschaft verhältnismäßig viel Getreide an, aber „meist Hafer und nur wenig schwere Brotfrucht“. Umfangreicher war der Getreideanbau in der unteren Herrschaft, die „mehr als mittelmäßig fruchtbar“ genannt wird 15).

3) Das Siedlungsbild

Sehr verschieden war das Siedlungsbild in den beiden Hälften des Territoriums. Die obere Herrschaft wies um 1800 bereits die charakteristischen Züge der Allgäuer Kulturlandschaft auf, eine große Zahl über das ganze Land verstreuter Weiler und Einöden. Die Vereinödung, eine frühe Form der Flurbereinigung, die im Gebiet der Fürstabtei Kempten zuerst durchgeführt und auch im Ottobeurer Gebiet bereits im 16. Jahrhundert der Bauernschaft von Günzegg erlaubt wurde 16), fand erneute und verstärkte Förderung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der erste Landrichter von Ottobeuren, von Kolb, bezeugte 1803, seit 1786 seien viele Dörfer und Weiler vereinödet worden. Dabei seien alle eigenen, erblehnbaren und leibfälligen Güter zusammengelegt und nachher ohne Rücksicht

______12) Borchert Chr., Fruchtfolgesysteme und Marktorientierung als gestaltende Kräfte der Agrarlandschaft in Bayern, S. 36 13) Borchert Chr., a.a.O., S. 60 14) Feyerabend P.M., Jahrbücher, 4. Bd., S. 176 15) StN Reg. 3155 16) Tüchle H., Die barocke Geistigkeit Ottobeurens, S. 5

- 6 - auf ihre vorherige Eigenschaft nach dem Betrag der Einschätzung wieder verteilt worden. Auch Weckbecker berichtet von dieser Vereinödung und bemerkt dazu, der Grundertrag für die Untertanen sei dadurch auf eine sehr nützliche Art erhöht worden. Diese Vereinödung musste sich als wirtschaftlicher Vorteil erweisen. Jeder hatte nun seine Grundstücke um den einigermaßen zentral gelegenen Hof. Es entfiel der dörfliche Flurzwang. Von Kolb schreibt dazu: „Jeder Bauer wechselt auf seiner Einöde zum Teil alle Jahre nach Willkür mit dem Anbau seiner Felder und pflanzt im einem Jahr mehr, in anderen weniger Äcker und Wiesen an“ 17). Verbunden mit der Flurbereinigung war meist das Bemühen um Vergrößerung der Wirtschaftsfläche. So finden wir in den Weilern und Einöden meist größere Anwesen als in den Dörfern. 1807 gab es z.B. in der Hauptmannschaft 18) Gut 15 Bauern und nur einen Söldner, im Dorf Egg dagegen war das Verhältnis Bauern : Söldner 19 : 55, in Sontheim 25 : 67.

Dass diese Vereinödung in weit stärkerem Ausmaß in der oberen Herrschaft erfolgte als in der unteren, zeigt jeder Blick auf die Karte. Von insgesamt 88 Weilern und Einöden liegen nicht weniger als 79 innerhalb der ehemaligen oberen Herrschaft. Umgekehrt sind von den 23 Dörfern bis auf fünf alle in der ehemaligen unteren Herrschaft zu finden. Dort liegen nahe beieinander die großen Dörfer Frechenrieden mit 66, Sontheim mit 94, Egg und Hawangen mit je 77, Benningen mit 69 Häusern (1793) und eine Reihe weiterer relativ großer Orte. Der unterschiedlichen Siedlungsweise entsprechend sah die Verteilung der Bevölkerung nach der Größe der Siedlungen im Jahre 1793 folgendermaßen aus:

______17) StN Reg. 3155 Vgl. Huttenlocher Fr., Die ehemaligen Territorien etc., Erdkunde, Bd. 11, 1957, S. 105 Vgl. Lucas D., Der Anteil der Klöster Niederaltaich und Metten an der Kulturlandschaft des Bayerischen Waldes, Mitteilung der Geographischen Gesellschaft München, Bd. 40, 1955, S. 83

18) Unter Hauptmannschaft verstand man die verwaltungsmäßige Zusammenfassung mehrerer Weiler und Einöden.

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Tabelle 1: Verteilung der Bevölkerung im Herrschaftsgebiet Ottobeuren nach Größenklassen der Siedlungen im Jahre 1793 19)

Siedlungen in der Einwohnerzahl oberen Herrschaft unteren Herrschaft - 100 79 10 100 - 400 5 11 400 - 1000 -- 6 über 1000 1 (Ottob.) --

Den wenigen Pfarrdörfern der oberen Herrschaft, wie z.B. Böhen, kamen als „geistlichen und wirtschaftlichen Mittel- und Sammelpunkten für ihre Umgebung“ 20) in beträchtlichem Umfang zentrale Funktion zu. Die Pfarreien der unteren Herrschaft, die meist nur wenige oder keine Filialen hatten, waren in der Regel selber so groß, dass sich in ihnen eine gewisse Gewerbetätigkeit ausbilden konnte, so dass auch in ihnen das bäuerliche Element nicht mehr allein bestimmend war. Es gab überall typisch ländliches Gewerbe wie Hufschmied und Wagner oder ein Wirtshaus, oftmals auch einen Kramladen, wie in Böhen oder , wo es 1809 sogar zwei bzw. vier Kramläden gab. Als ausgesprochene Bauerndörfer können z.B. Rummelshausen, das 1807 15 landwirtschaftliche Anwesen, oder Altisried mit zwölf Anwesen genannt werden. Hier gab es nur eine Filialkapelle ohne Friedhof, keine Schule und keine Gewerbebetriebe.

Alle diese Siedlungen, ob Weiler oder Pfarrdorf, waren auf Grund der politischen, besitzrechtlichen und kirchlichen Verhältnisse ausgerichtet auf das Reichsgotteshaus und untrennbar damit auch auf den Markt Ottobeuren, dem somit notwendigerweise die Bedeutung eines zentralen Ortes höherer Ordnung zukam.

______19) StN Reg. 3155 20) Fehn H., Das Siedlungsbild des niederbairischen Tertiärhügellandes zwischen Isar und Inn, Mitteilung der Geographischen Gesellschaft München, Bd. 28, 1935, S. 32 - 8 -

II) Der Markt Ottobeuren um 1800

1) Das Siedlungsbild a) Die Klosteranlage

Die religiöse Bedeutung und nicht weniger die weltliche Autorität einer Reichsabtei treten deutlich sichtbar in Erscheinung in der Klosteranlage von Ottobeuren. Sie hält sich für jeden Bewohner unübersehbar als „etwas Besonderes“ von der Anlage des Marktes ab. 21) Die Betonung des Besonderen, der übergeordneten Stellung über dem Marktort und dem ganzen Territorium wird noch gesteigert durch die erhöhte Lage auf der Molassestufe über dem Markt, der sich um 1800 vorwiegend in der Talsohle der Westlichen Günz ausbreitete. Die einzelnen Gebäudeteile des Klosters sind ihrerseits nach einer ganz bestimmten Ordnung aneinandergereiht. Im Neubau aus der Barockzeit fand nicht mehr genau das alte Grundrissschema der abendländischen benediktinischen Klosteranlage Verwendung, nämlich die Gruppierung der Klostergebäude mit dem Kreuzgang um einen viereckigen Hof, dessen nördlichen Abschluss die Klosterkirche bildete. Das neue Kloster wurde vielmehr, barockem Standesbewusstsein entsprechend, zu einer Verbindung von Kloster und Schloss. Aber deutlich blieb auch hier die alte Rangordnung der Gebäudeteile untereinander bewahrt. Architektonischer Höhepunkt blieb die Kirche. Sie bildet den nördlichen Abschluss der Gesamtanlage, erstreckt sich aber wie diese ebenfalls in NS-Richtung. An die Kirche schließt sich das dreigeschossige Gebäude des Klosters an, das klar gegliedert ist in drei parallel verlaufende 140 m lange Längs- und drei Quertrakte. „Der Ostteil ist der mönchische Konventbau, der Westteil der weltlich-reichsfürstliche Bau. In der Mitte liegt die Abtei, der Bereich jener Persönlichkeit, welche die verschiedenen Funktionen zusammenfasste. Die drei architektonischen Hauptbestandteile der Gesamtanlage heißen: Conventus, abbatia und aula oder ‚bei Hof‘“ 22). Dem Westflügel ist ein ummauerter Hof vorgelagert.

______21) Schwarz G., Allgemeine Siedlungsgeographie, S. 308 22) Lieb N., Baugeschichte der barocken Klosteranlage Ottobeuren, Memminger Geschichtsblätter 21. Jahrgang 1936, Heft 1 und 2

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Weiter im Westen, jenseits von Mauer und Straße, steht in erhöhter Lage das Beamtengebäude, ein schlossartiger, ebenfalls in NS-Richtung angelegter stattlicher Bau. Es enthielt Amtsräume und Wohnungen der Beamten. Östlich vom Kloster breitet sich der weite Konventgarten aus, der sich vom Konventbau bis zur Günz erstreckt. Dieser ebenfalls völlig ummauerte Garten war alten Abbildungen zufolge als Ziergarten im französischen Stil angelegt. Im Süden schloss sich an das Kloster der Abtei- oder Hofgarten an; weiter im Süden folgte das um einen rechteckigen Hof angelegte zweigeschossige äußere Seminar, ein Internat für einen Teil der Klosterschüler und die Sängerknaben. Im östlichen Flügel dieses Gebäudes waren das Brauhaus, die Klostermühle und die Klostermetzge untergebracht. Den südlichen Abschluss der Gesamtanlage bildet das wiederum um einen rechteckigen Hof angelegte eingeschossige Ökonomiegebäude. So treten also dem Betrachter die einzelnen Gebäudeteile der 480 m langen Klosteranlage in einer ihrer Bedeutung und ihrem Verwendungszweck entsprechenden Abstufung entgegen, angefangen von den niederen Wirtschaftsgebäuden der Klosterökonomie im Süden bis zur großen Kuppel und den 80 m hohen Doppeltürmen der Kirche im Norden. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie sich durch die Art ihrer Bauweise und durch ihre Ausmaße abheben von den 211 Häusern, die man 1802 in Ottobeuren zählte.

b) Der Marktort und seine nächste Umgebung

Verhältnismäßig bescheiden und völlig im Schatten und gleichzeitig im Schutz des Klosters finden wir den Markt Ottobeuren dem Kloster vorgelagert. Sein Mittelpunkt war naturgemäß der Marktplatz, das „Symbol eines zentralen Ortes“ 23). Er erstreckt sich in seiner Längsrichtung von der Anhöhe, auf der die Kirche steht, bis zur Günz, findet somit seinen Westabschluss durch die zur Kirche führende Freitreppe und den Vorderteil der Kirche, seinen Ostabschluss durch die Günz bzw. die dahinterliegende Häuserreihe. Im Süden wurde der Platz eingesäumt von einer in gerader Linie dastehenden Reihe behäbiger Ackerbürgerhäuser. Besondere Hervorhebung verdient unter ihnen der alte Gasthof zum Mohren, das „vormalige Amtshaus“ des

______23) Christaller W., Die zentralen Orte Süddeutschlands

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Klosters 24). Ihm gegenüber steht, weit in den Platz hereingerückt, das 1584 unter Abt Gallus Memminger erbaute Rathaus, „zugleich Waag- und Schranngebäude“. Auffallendstes Bauwerk an der nördlichen Umgrenzung des Marktplatzes war die Pfarrkirche St. Peter, ein gotisches Gebäude mit einem Ende des 17. Jahrhunderts erhöhten und mit einer Pyramide bekrönten Turm, umgeben von einem Friedhof, an dessen Mauer sich außen sieben Kramläden anlehnten. Den Abschluss der nördlichen Häuserreihe bildete der stattliche Pfarrhof der Peterspfarrei. Der Platz selber war mit großen Kieselsteinen gepflastert und hatte einen Marktbrunnen mir einer Mariensäule 25). Ein weiterer Brunnen, der Alexanderbrunnen, stand gegenüber der Peterskirche 26), eine Sandsteinfigur des hl. Joh. Nepomuk an der Günzbrücke. Im Norden schloss sich an den Marktplatz ein ziemlich eng bebautes Viertel an. In diesem Bereich lagen die untere Mühle und die Fronfeste, Gefängnis und Wohnung des Gerichtsdieners von Ottobeuren 27). Das Gelände westlich des Klosters war fast völlig unbebaut. Die wenigen Gebäude, die dort standen, hatten eine engere Beziehung zum Kloster wie das Fischerhaus und die Apotheke an der Straße nördlich des Amtsgebäudes oder die Klosterbleiche südwestlich vor dem Ort. Südöstlich vom Kloster liegt der sogenannte obere Flecken mit kleinen ländlichen Anwesen. In derselben Richtung, etwas außerhalb des Ortes, kommt man zur oberen Mühle, die 1553 erbaut wurde 28). An der Straße nach Eldern lag, damals noch außerhalb des Ortes der 1792 nach Norden erweiterte St. Sebastiansfriedhof, mit der Ende des 16. Jahrhunderts erbauten Sebastianskapelle 29). Zum naheliegenden Weiler Eldern ließ Abt Rupert II. eine neue, gradlinige Straße, den Herrenweg, anlegen. An dieser Straße standen sieben gemauerte kapellenartige Kreuzwegstationen, in Eldern selbst eine große, unter Abt Gordian Scherrich zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaute barocke Wallfahrtskirche. Verbunden mit der Wallfahrtskirche war ein

______24) Feyerabend P. M., Jahrbücher, 2. Bd., S 641 25) a.a.O., 3. Bd., S. 667 26) a.a.O., 1. Bd., S. 98 27) Schnieringer K., Ottenbeuren, S. 65 28) Feyerabend, 3. Bd., S. 194 29) a.a.O., 3. Bd., S. 392; 4. Bd., S. 228

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stattliches zweistöckiges Gebäude mit zwei Ecktürmen. Es war das unter Abt Benedikt Hornstein 1692 erbaute Superiorat Eldern, in welchem mehrere Ottobeurer Patres als Wallfahrtsseelsorger wohnten. Kirche und Kloster waren von einer Mauer umgeben. Neben dem Kloster gab es in Eldern ein Wirtshaus und das Mesnerhaus, in welchem Karl J. Riepp, der berühmte Meister der Ottobeurer Barockorgeln, beheimatet war. Nördlich von Ottobeuren entstand in der Nähe der Markuskapelle im 18. Jahrhundert hoch über dem Günztal das Benediktinerinnenkloster Wald. Auf demselben Höhenriedel, jedoch weiter südlich, ließ Abt Rupert II., der Bauherr der Ottobeurer Klosteranlage, zu Ehren des Erzengels Michael, des Patrons des Klosterterritoriums, eine Kapelle in Form eines Rundbaues mit schöner Kuppel errichten.

2) Wirtschaftsverhältnisse

Nach dem Zeugnis von Weckbecker lebte die Bevölkerung Ottobeurens hauptsächlich „vom Reichsstift, von der anwesenden Beamtung und von der Markt und Schrannengerechtigkeit.“30) Somit spielten also als wichtige Wirtschaftsfaktoren das Kloster einerseits und die ländliche Umgebung, das Herrschaftsgebiet, andererseits eine wichtige Rolle: das Kloster, insofern es als Arbeitgeber unmittelbar einer größeren Anzahl von Menschen, den Beamten und den vielen Bediensteten den Lebensunterhalt bot und insofern es infolge seines großen Eigenbedarfs an Gütern aller Art als Kunde bei den Untertanen auftrat und damit den Handel belebte: die ländliche Umgebung des Herrschaftsgebietes aber, insofern diese ihre Produktionsgüter in Ottobeuren zentral anbot und umgekehrt die zentralen Güter und Dienstleistungen in Ottobeuren, beanspruchte.

a) Das Kloster als Arbeitgeber

Voraussetzung für die Möglichkeit, als Arbeitgeber aufzutreten waren erstens die Existenz entsprechender Wirtschaftsbetriebe und zweitens das Fehlen klostereigener Kräfte für

______30) StN Reg. 3155

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die Bewirtschaftung dieser Betriebe. Beides traf für das Kloster Ottobeuren um 1800 zu. Seit dem 16. Jahrhundert gab es in der Abtei keine Laienmönche mehr. Die Patres waren als Verwalter wichtiger klösterlicher Ämter, als Lehrer an eigenen und auswärtigen Schulen und nicht zuletzt als Seelsorger tätig. Somit brauchte man also für die Arbeit in den Betrieben und für die Dienstleistungen im Hause weltliche Angestellte. Bei den Betrieben lag klösterliche Tradition und der geschichtlichen Entwicklung entsprechend das Schwergewicht auf der Landwirtschaft.

Um ermessen zu können, in welchem Umfang das Kloster Arbeitsmöglichkeiten bot, soll zunächst auf den Besitzstand des Klosters eingegangen werden. Keine Bedeutung kommt diesbezüglich den rund 1200 landwirtschaftlichen Anwesen zu, die vom Kloster nie selbst bewirtschaftet wurden, sondern nach dem Recht der Grundherrschaft als vererbliche und frei verkäufliche Bauernlehen oder als einleibfällige Güter, d.h. auf Lebenszeit, vergeben waren. Unter anderem Gesichtspunkt betrachtet gewinnen diese, vor allem die letztgenannte, allerdings eine große Bedeutung für Ottobeuren, da die Abgaben, vor allem die Getreide-Gült der einleibfälligen Güter, zu den Haupteinnahmequellen des Klosters gehörten 31), und der Markt Ottobeuren als Umschlagplatz dieser Getreideeinkünfte des Klosters ebenfalls daraus Nutzen zog. Doch soll davon später die Rede sein. Manche Güter hat die Abtei nur pachtweise abgegeben, höchstens auf 10 Jahre 32). Als herrschaftliche Güter, von denen noch Pachtgeld ausstand, wurden bei der großen Bestandsaufnahme 1802 folgende genannt:

______31) Vgl. Weber P. Fr., Wirtschaftsquellen etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 57, 1939, S. 172 - 208 32) Meider J., Grundherrschaft etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 74

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Tabelle 2: Güter der Reichsabtei Ottobeuren, welche 1802 verpachtet waren 33)

Name des Anwesens Pachtsumme (in fl)

Lerchenberg 325 Klessen 250 Schachen 200 Krautenberg 320 Glashof beim Otterwald 200 Riedmühle zu Benningen 325 Schlottermühle in der ehem. Herrschaft Stein 270 Griesmühle 66 Mühle zu Engetried 66 Hammerschmiede zu Engetried 80 Hammerschmiede zu Frechenrieden 90 Schlosshof zu Stein 250 Rohrhof 155 Bleiche zu Ottobeuren 12 Manche dieser Güter wurden vom Kloster zeitweise selbst bewirtschaftet, so z.B. in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Schachen, Klessen, Krautenberg, der später aufgelassene Konohof und Wolferts. Zur Zeit der Säkularisation waren es neben dem Klosterhof die Höfe Wolferts, Böglins und Boschach. Zum Klosterhof gehörten 398 Jauchert, der Boschach-Hof umfasste 115 Jauchert, Wolferts 188 Jauchert 34).

Die Bewirtschaftung entsprach der üblichen Dreifelderwirtschaft, was folgenden Angaben zu entnehmen ist:

Tabelle 3: Ackerflur beim Kloster und den Klosterhöfen im Jahre 1793 in Jauchert 35)

Winterfeld Sommerfeld Brachfeld Klosterhof 28 28 32 Wolferts 13 16 16 Böglins 9 9 10

Abt Honorat Göhl (1767 - 1802), der an einer Modernisierung der Landwirtschaft persönlich sehr interessiert war, hatte in

______33) StNRA Ottob. 574 34) Klosterarchiv Ottobeuren, V 35) wie Anm. 34 - 14 -

dem Naturwissenschaftler P. Ulrich Schiegg 36) einen guten Ökonomen. Wie P. Maurus Feyerabend 37) in seinen Jahrbüchern erzählt, stellte Abt Honorat „verschiedene Versuche an, welche nicht selten ins Größere gingen.“ 1783 führte er im ganzen Herrschaftsgebiet den Anbau von Kartoffeln und Klee ein. Der Klosterhof war zu dieser Zeit wohl so etwas wie ein Musterbaubetrieb für Ottobeuren und seine Umgebung. Aus Mailand bezog man Saatgut zur Anlage von Versuchspflanzungen mit verschiedenen Flachssorten. Auch Raps wurde angebaut zur Ölgewinnung. Das Brachfeld war also offensichtlich schon weitgehend mit sogenannten Brachfrüchten bebaut, sodass man bereits von einer verbesserten Dreifelderwirtschaft sprechen kann. Man ahnte auch bereits den Nutzen der künstlichen Düngung. In einigen Steinmühlen wurde Steinmehl hergestellt, welches man als Kunstdünger auf die Felder streute „zur Begeilung der Felder.“ So gab es also hier bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts, was man nach Borchert in der Mitte des 19. Jahrhunderts vielerorts antreffen konnte 38).

Sowohl nach einem Verzeichnis der Klostergüter aus dem Jahre 1786 als auch nach der anlässlich der Säkularisation im Jahre 1802 entstandenen Bestandsaufnahme lässt sich ein Acker-Grünlandverhältnis errechnen, bei welchem das Grünland überwiegt. Allerdings ergeben sich ziemlich starke Differenzen zwischen den beiden Jahren, was teilweise auf die unterschiedliche Einordnung der Egarten zurückzuführen sein mag. Mehr Wahrscheinlichkeit auf zutreffende Wiedergabe der tatsächlichen Verhältnisse können wohl die Angaben aus dem Jahre 1802 beanspruchen, wonach sich ein Acker-Grünland- Verhältnis von 1 : 1,3 bis 1 : 1,6 bei den einzelnen Klosterhöfen errechnet. Jedoch darf daraus nicht auf eine gut entwickelte Viehzucht geschlossen werden. Überraschenderweise war der Viehbestand des Klosters zur Zeit der Säkularisation relativ gering. Während in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zwei

______36) Vgl. Veit H., P. Ulrich Schiegg von Ottobeuren (1752 - 1810) und die bayerische Landvermessung, Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 154 37) Feyerabend P. M., Jahrbücher, 4. Bd., S. 214 38) Bayerische Agrargeschichte, 1954, S. 56, nach Borchert Chr., Fruchtfolgesysteme etc., S. 47 - 15 -

Klosterhöfe als Sennereien betrieben wurden 39), fand um 1800 keiner mehr zu diesem Zweck Verwendung. In Wolferts standen 1719 62 Stück Vieh, 1802 dagegen nur 12. Offenbar erwies sich der Hof als gemischter Betrieb rentabler. Für eine intensive Viehwirtschaft im heutigen Sinne fehlten jedoch die Voraussetzungen. Abgesehen von verschiedenen Erkenntnissen der Biologie, von welchen die moderne Viehzucht profitierte, gab es auch noch keine moderne Wiesenkultur. Noch in der ganzen ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte man nach Borchert allgemein nur mit einem ha-Ertrag von 15 - 20 dz Heu rechnen, während man heute 50 - 100 dz Heu pro ha erntet 40). Man legte vor allem Wert auf die Haltung von Mastochsen. Nach Angaben des letzten Klostermetzgers Johann G. Schöllhorn setzte sich der Viehbestand des Klosters am 1.12.1802 folgendermaßen zusammen:

Tabelle 4: Viehbestand des Klosters Ottobeuren am 1.12.1802 41)

Mastochsen: in den beiden Mastviehställen 45 Stück in Boschach 7 “ in Böglins 7 “

Milchkühe: Klosterhof 1 “ Wolferts 12 “ Boschach 10 “ Böglins 6 “

Die Zahl der Schweine betrug 1802 41 Stück, die der Pferde und Maultiere 64.

Die Weingüter des Klosters lagen in Immenstaad bei Friedrichshafen, in Sipplingen am Überlinger See und in Feldkirch und spielten somit im Wirtschaftsleben von Ottobeuren keine Rolle.

Der Waldbesitz des Klosters wird zur Zeit der Säkularisation mit 5336 Jauchert angegeben. Da der Holzbedarf gerade im 18. Jahrhundert infolge der ausgedehnten Bautätigkeit ein sehr

______39) Weber Pater Fr., Wirtschaftsquellen etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 58, 1940, S. 107 ff. 40) Borchert Chr., Fruchtfolgesysteme etc., S. 35 41) Klosterarchiv Ottobeuren, V

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hohes Ausmaß annahm, wurden die Bewirtschaftung und Pflege der Klosterwälder intensiver betrieben als das vielleicht bei so manchen anderen Waldbesitzern der damaligen Zeit der Fall war 42). Für die Verwaltung der Klosterwaldungen war der P. Küchenmeister zuständig. Pflege und Aufsicht, auch über alle anderen Wälder innerhalb des Herrschaftsgebietes war Aufgabe des Forstmeisters. Diesem standen 1802 sieben Holzwärte und Revierjäger und ein Holzgärtner zur Seite. Die Hauptsorge richtete sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem auf die Wiederaufforstung der Kahlflächen. Auch hierbei wollte man Versuche mit neuen Holzarten anstellen. Man kaufte Samen verschiedener, zum Teil nordamerikanischer 43) Holzarten und legte im Bannwald eine heute noch bestehende Baumschule an. Tausende junger Buchen, Eichen, Lärchen, Akazien usw. wurden nach dem Bericht von Feyerabend in den verschiedenen Wäldern angepflanzt. Die Beschäftigungs- möglichkeiten, die der Wald bot, sind einer Abrechnung des Fortsamtes aus den Jahren 1791 - 1795 zu entnehmen. Sehr häufig finden sich dort Ausgaben „für errichtete Wasserableitungen“, für das Sammeln von „Forchen-, Eldern-, Buchen- und frischen Thannensamen in Zapfen“, oder für das „Abtreiben von Wachholderstauden“ 43). Insgesamt betrugen die Ausgaben für derartige Arbeiten in den genannten Jahren 1753 fl. Selbstverständlich dienten die Wälder auch der Jagd. Das Jagdrecht stand seit alter Zeit nur dem Kloster zu.

Sehr hoch war der Bedarf an Fischen. So finden wir wie in jeder klösterlichen Kulturlandschaft auch in Ottobeuren selber und im ganzen Herrschaftsgebiet zahlreiche Fischweiher. Diese Weiher hatte das Kloster in eigener Verwaltung. Für den Unterhalt der Weiher und für die Fischzucht waren einige Fischer angestellt.

Unter den Gewerbetreibenden des Klosters ist an erster Stelle die Brauerei zu nennen. Es gab zur Zeit der Säkularisation das sogenannte alte und das neue Brauhaus, die beide in Betrieb waren. Bierabnehmer waren folgende Wirte in Ottobeuren

______42) Schlittmeier A., Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Säkularisation in Niederbayern, S. 124 43) Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Ottob. Kl. Lit. 160

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und Umgebung: Hirsch-, Sonnen-, Eichel-, Engel-, Löwen-, Lindenwirt zu Ottobeuren, die Wirte zu Eldern, Hawangen, Niederdorf, Böhen, Kuttern, Karlins, Ollarzried, Bibelsberg und der Straßwirt. Daneben diente die Biererzeugung selbstverständlich zur Deckung des großen Eigenbedarfs im Kloster und den Klosterhöfen Boschach, Böglins und Wolferts. Ferner wurden beliefert die Beamten, die Handwerker, die Pfarrer, das Superiorat Eldern und Klosterwald. Der Reingewinn betrug im Rechnungsjahr 1801/02 bei 184 Sud 2760 fl 44).

An weiteren Wirtschaftsbetrieben waren vorhanden eine Bäckerei, Gärtnerei, Küferei, Metzgerei, Schmiede, Mühle, Essigsiederei, Schneiderei, Schreinerei, Wagnerei, Ziegeleien u.a. – Nicht unerwähnt bleiben soll die Apotheke, die gerade im letzten Jahrzehnt einen beachtlichen Gewinn abwarf.

Die Zahl der Wirtschaftsbetriebe weist auf einen hohen Bedarf an Arbeitskräften hin. Tatsächlich zählt ein Verzeichnis über die „Geld- und Naturalbesoldungen bey dem Reichsstift Ottobeuren“ 44) aus dem Jahre 1802 über hundert Personen auf, die unmittelbar im Dienst des Klosters standen. Demnach gab es folgende Beamte und Bedienstete:

Kanzler Bräumeister, 7 Bräuknechte Medicus Bäcker, Bäckerknecht Oberamtmann, Oberamtsrat Brunnenmeister Kanzleirat und Amtsschreiber Küfermeister, 3 Küferknechte Forstmeister Kaminfeger Registratoren Kornmeister Kanzlist Metzger, 2 Metzgerknechte Apotheker Pfänder Feldmesser Schmied, 2 Schmiedknechte Magister Müller, Müllerknecht, Müllerbub Gerichtsmann Schneidermeister, Schneidergeselle Hofmeister zu Immenstaad Schreinermeister, Schreinergeselle und Sipplingen Tafeldecker Kastendiener Gegenschreiber Trompeter Gärtner, Gartengeselle Kegelaufsetzer Wagnermeister

______44) Klosterarchiv Ottobeuren, V - 18 -

2 Wagnergesellen Kammerlaquai Holzgärtner Pfarrdiener Hofjäger Hofstubendiener 6 auswärtige Jäger Apothekerjunge Fischermeister Refektori-Diener (zugleich Jäger und Trompeter) Pförtner Kutscher 2 Mesner Vorreiter Nachtwächter Baumeister oberer Torwart 2 Stall-, 4 Fuhrknechte 1. und 2. Koch, 1. und 2. Köchin Karrer Beschließerin 2 Ochsenfutterer 2 Spülerinnen Schweineknecht, Schweinemagd Holzzuführer Hennenmagd 1. Näherin, 2. Näherin und Betterin Stubendiener 3. Näherin und Betterin unterer Torwart 4. Näherin und Betterin Konventheizer Waschmagd Calcant und Holzträger im 1. Köchin im unteren Hof Konvent 2. Köchin im unteren Hof Hofheizer Holzführer Maurermeister Kaufbeurer Bote Zimmermeister ordin. gehender Bote nach Amtsknecht zu Ottobeuren Memmingen 15 auswärtige Amtsknechte Scharfrichter zu Ottobeuren

Dazu kam noch die Dienerschaft im Superiorat Eldern, nämlich ein Mesner, ein Gärtner und Klosterdiener, eine Köchin und ein Ministrant, ferner die Dienstboten an den Klosterhöfen, nämlich je ein Baumeister, eine Hauserin, zwei Knechte, zwei Mägde, und ein Hirtenbub, insgesamt 25 Personen. Im Dienst des Klosters standen ferner 24 Stadelmeister und Zehentknechte, der Ziegler zu Hawangen, der Fischer zu Benningen, die Zoller zu St. Barbara Niederrieden, und Engetried, der Schlossverwalter zu Erkheim, je ein Weiherwart zu Attenhausen und bei Hl. Kreuz. Vom Kloster bezahlt wurden schließlich auch die Pfarrvikare, da fast alle Pfarreien des Herrschaftsgebietes dem Kloster inkorporiert waren. Endlich nennt die genannte Besoldungsliste auch noch einen Festläuter, Wetterläuter und Totengräber.

Die Ausgabe des Stiftes an Gehältern und Löhnen betrug in dem genannten Rechnungsjahr unmittelbar vor der Säkularisation - 19 -

rund 8.190 fl. Die Summe lässt sich nicht völlig genau errechnen, da in Einzelfällen ein Tageslohn angegeben wird, jedoch nicht festzustellen ist, wieviele Tage insgesamt als Arbeitstage verrechnet wurden. Zu diesen Ausgaben kamen noch die Löhne für nicht ständig Beschäftigte, wie z.B. die Taglöhner. Außerdem muss die Naturalbesoldung berücksichtigt werden. Etwa ¾ der gesamten Personen erhielten die ganze Kost und Wohnung im Hause. Es waren dies die Dienerschaft des Hauses, die Dienstboten der Ökonomie und teils auch die Handwerkergesellen. Diese im Kloster untergebrachten Arbeitnehmer bekamen, wie der Konventgärtner Martin Hölzle 1802 bezeugte 45), neben Wohnung und Kost „die gewöhnliche ganze Kleidung, als Schuhe, Strümpfe, … Rock samt Beinkleidern jährlich, Galarock und Hut jedes zweite Jahr“. Auch die verheirateten 46), nicht im Kloster wohnenden Personen, erhielten neben 1000 fl/Jahr 8 Malter Roggen, 8 Malter Kern, 51 Viertel Hafer, 45 Eimer Wein, 83 1/3 Eimer Bier, Holz nach Bedarf und 100 Pfund Fische. Das Pfund Rindfleisch konnte er in der Klostermetzgerei zu 6 Kreuzern kaufen. Außerdem hatte er freie Wohnung im Beamtengebäude. Ähnlich, jedoch nur mit Bargeldsummen zwischen 100 und 400 fl, wurden die übrigen Beamten bezahlt. Wenn die Bezahlung der Handwerksmeister mit 60 - 70 fl Bargeld gering erscheint, so ist zu bedenken, dass diesen zusätzlich ein von ihnen selbst bewirtschaftetes kleines Anwesen zur Verfügung stand, das „Hofwangergütle, Hofschreinergütle, Hofschneidergütle“ usw. Doch bekamen auch diese noch zusätzlich Getreide, Holz usw. vom Kloster. Der Gärtnermeister erhielt neben freier Wohnung und 100 fl Bargeld das Gemüse für den eigenen Haushalt aus dem Klostergarten, außerdem 2 Malter Roggen, 2 Malter Kern, 8 Malter Hafer, 18 Eimer Bier, 15 Gulden Trinkgeld, 1/5 vom Erlös des aus dem Garten verkauften Gemüses und das Lehrgeld vom Lehrjungen, „wenn er einen hat“. In Einzelfällen scheint die Naturalbesoldung durch Geld abgelöst worden zu sein, wie eine Abrechnung für den Obertorwart Fr. X. Schön vermuten lässt. Er erhielt 20 fl, Kost, berechnet zu 125 fl, 3 Maß Bier/Tag

______45) Kl. Archiv Ottobeuren, VIII 46) Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Kl. Ott. Lit. 160, Verzeichnis der Dienstboten und Handwerksleute beim Kl. Ottob., gegliedert nach Alter, Dienstzeit und Familienstand

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(40 fl), 14 Rögglein Brot/Woche (24 fl 24 kr), 15 fl Trinkgeld und 2 Paar Schuhe oder 4 fl; sein Weib für Reinigungsarbeiten in den Gängen und Zimmern beim Hof 1 ½ Maß Bier und ¼ Brot, dreimal wöchentlich, alles zusammen 231 fl 47).

Als weitere Gruppe kommen zu denen, die vom Kloster wenigstens teilweise ihren Lebensunterhalt bezogen, die Pensionisten, die 1802 zusammen 170 fl, Getreide und Bier sowie Holz nach Bedarf erhielten. Nicht unerwähnt bleiben sollen die hohen Summen an freiwilligen Leistungen, die in Form von Almosen vielen Untertanen zuflossen und bis zu 15 % der Einkünfte ausmachten 48).

Über die Bezahlung der Taglöhner gibt die Abrechnung des Küchenmeisters Auskunft. So erhielt zum Beispiel ein Taglöhner für geleistete Arbeit im Klostergarten 1796/97 408 fl 5 kr, wobei die Entlohnung in den einzelnen Monaten verschieden war, am höchsten im Juni. Für den Krauthobler gab die Abtei 1796/97 22 fl 57 kr aus. Das „Mäher- und Heuer-Konto 1801“ erwähnt 18 Mäher, die zusammen 174 ½ Tage arbeiteten und 93 fl verdienten und 39 Heuerinnen, die in den Monaten Juni/August in zusammen 441 Tagen 147 fl bekamen 49). Nach einer Rechnung der provisorischen bayerischen Kameralverwaltung von 1802 fanden 4 Männer als Holzverschlager im oberen Hof, im Konventgebäude und im Amtshaus, 2 als Holzschnitter und einer als Holzzubringer 8 Tage Arbeit 50).

Trotz der Vielzahl der klösterlichen Gewerbebetriebe waren doch nicht alle benötigten Werkstätten beim Kloster selber eingerichtet. So gab es ständig auch Aufträge für Handwerker aus dem Ort und der Umgebung, die nicht Hofschreiner, Hofschmied etc. waren. Unter diesen hatten z.B. im Dezember 1802 noch ein Guthaben beim Kloster „wegen gelieferter Arbeit im Gotteshaus": Schlossermeister Math. Witt, Sailermeister Jos. Benjamin, Schlossermeister Stephan Miehle, Zinngießer Willib. Herberger, Schreinermeister Jos. Holzhay, Fassmaler Binzer, Glasermeister Max Maurus, Uhrmacher Mahler, Fassmaler Rupert Hir-

______47) Kl. Archiv Ottobeuren, VIII 48) Tüchle H., Die barocke Geistigkeit Ottobeurens, S. 6 49) Kl. Archiv Ottobeuren, V 50) StNRA Ottob. 574

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mer, Buchbinder Fr. Bader, Schlosser Math. Miller, Maurermeister Meßner, Hafnermeister Arthur Geiger, Nagelschmied Leonh. Winald, Brunnenmeister Jos. Hölzle, die Gerber Joh. Deutels, Andr. Schlichting und Jos. Mayr für gelieferte Leder, der Hammerschmied von Frechenrieden für geleistete Arbeit an den Kloster-Maurermeister, der Hammerschmied zu Benningen, ferner Zimmermeister Hirmer von Hawangen 50).

Die Bedeutung des Klosters als Arbeitgeber musste naturgemäß steigen, so oft außerplanmäßige Unternehmungen zur Durchführung kamen. In ungewöhnlichem Ausmaß war das in den beiden ersten Dritteln des 18. Jahrhunderts der Fall beim Bau des Barockklosters und der neuen Kirche. So wurden beispielsweise 1738 125 Maurer beschäftigt, wobei allerdings der Anteil derer, die von auswärts kamen, sehr beträchtlich war. Ähnlich, wenn auch in viel geringerem Umfang gab es in den letzten Jahrzehnten vor der Säkularisation immer wieder Arbeitsmöglichkeiten bei öffentlichen Unternehmungen. Man könnte an den Neubau der Kirche in Ollarzried denken, an die Reparaturarbeiten an der Marktpfarrkirche St. Peter 51) oder an die Friedhofserweiterung von 1792 52) und nicht zuletzt an die umfangreichen Straßenverbesserungen, die Abt Honorat Göhl durchführen ließ.

b) Das Kloster als Verbraucher

Wie aus der angeführten Besoldungsliste zu ersehen ist, war die Anzahl der Personen, die an einem der verschiedenen Klostertische, dem Konventtisch, Stundententisch, 1. und 2. Hoftisch, Mesnertisch, Meistertisch, Gesellentisch, Knechttisch, Mägde- und Bubentisch saßen, ziemlich groß. Gemessen an diesem großen Haushalt war der vom Stift selbst bewirtschaftete Grund und Boden nicht umfangreich genug, als dass damit eine völlige Selbstversorgung möglich gewesen wäre, zumal wir ja zu dieser Zeit trotz aller fortschrittlichen Einstellung der verantwortlichen Persönlichkeiten noch eine sehr extensive Wirtschaftsweise anzunehmen haben. Ein eindrucksvolles Bei-

______50) StNRA Ottobeuren, 574 51) Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Kl. Ottob. Lit. 49 52) Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Kl. Ottob. Lit. 160

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spiel dafür bietet der Einkauf von Schachthühnern im Rechnungsjahr 1796/97: Bei einem Gesamtverbrauch von 934 Hühnern in diesem Jahr stammten nur 48 aus der eigenen Landwirtschaft, 40 gingen als Gülthennen ein und 846 mussten gekauft werden. Für die Versorgung des Klosterhaushaltes war der P. Küchenmeister zuständig. Die Jahresabrechnung des Küchenmeisters von 1796/97 ermöglicht einen Einblick in den Verbrauch des Klosters an Lebensmitteln 53). Wir finden hier u.a. folgende Ausgaben für Lebensmittel:

Eier 364 fl 20 kr Geflügel 268 28 Zucker, Kaffee 1.249 25 Feigen, Weinbeeren, Mandeln, Öl 1.319 77 Honig 49 16 Zitronen u. anderes grünes Obst 47 57 gedörrtes Obst 37 42 Kraut usw. 121 46 Stockfisch, Flachfische, Heringe 919 43 gekaufte Fische 481 25 Schnecken, Krebse 100 2 Butter 204 18 Schmalz 8.826 3 Ochsen 11.128 18 Kälber aus der Herrschaft 1.687 21 54) Kälber außerhalb der Herrschaft 1.911 25

Insgesamt ergibt sich eine Summe von nicht weniger als 29.638 fl. Wenn man auch annehmen muss, dass ein Teil der Lebensmittel in Memmingen oder anderswo eingekauft wurde, so darf man doch zugleich auch mit einer möglichst weitgehenden Berücksichtigung der eigenen Bauern und Händler rechnen. Für die Klosterbrauerei z.B. kaufte man im Okt./Nov. 1801 in der Schranne zu Ottobeuren, in Memmingen und von privaten Verkäufern für insgesamt 5.886 fl Gerste.

______53) Kloster-Archiv Ottob., V 54) Für die Untertanen bestand eine alte Verpflichtung, die für den Eigenbedarf nicht benötigten Kälber zu einem verbilligten Preis an das Kloster zu verkaufen. Deshalb sind Kälber in dieser Rechnung zweimal aufgeführt. Aus dem Herrschaftsgebiet stammten 420 Kälber, während auswärts nur 180 gekauft wurden, die aus genanntem Grund teurer waren als erstere. (s. dazu: Weber, Wirtschaftsquellen etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 57, 1939, S. 203) - 23 -

Zweck der bisherigen Ausführungen war es, aufzuzeigen, inwieweit das Kloster unmittelbar eine Rolle spielte. Der folgende Abschnitt soll nun die Beeinflussung der Wirtschaftsverhältnisse von Ottobeuren durch seine Umgebung veranschaulichen. Weitgehend handelt es sich auch hierbei um eine, diesmal freilich nur mittelbare Ausrichtung der wirtschaftlichen Tätigkeit in Ottobeuren auf das Kloster. Denn die auswärtige Bevölkerung kam ja deshalb nach Ottobeuren, weil dort das Kloster einen kirchlichen Mittelpunkt bildete oder weil Ottobeuren mit dem Sitz aller Behörden den verwaltungsmäßigen Mittelpunkt des klösterlichen Territoriums bildete und weil schließlich Ottobeuren der vom Kloster geförderte wirtschaftliche Mittelpunkt des Herrschaftsgebietes sein sollte, weil also Ottobeuren innerhalb des Herrschaftsgebietes „ein Punkt besonderer Lebensintensität“ 55) war, die auf der Zusammenfassung wichtiger Funktionen in Ottobeuren beruhte.

c) Ottobeuren als zentraler Ort c1) Ottobeuren als kirchlicher Mittelpunkt

Unabhängig vom Kloster kam Ottobeuren eine zentrale Funktion zu als Pfarr- und Dekanatsort. Wenn Siedlung und Pfarrei älter sein sollten als das Kloster, was Schnieringer 56) u.a. aus der Existenz einer eigenen, bis 1220 vom Kloster unabhängigen Marktpfarrei zu beweisen versucht, und wenn zu dieser Pfarrei nie ein Kloster hinzugekommen wäre, so gälte für Ottobeuren dasselbe, was über die Pfarrorte bereits gesagt wurde. Auch Ottobeuren hätte sich kaum zu größerer Bedeutung aufschwingen können als seine Nachbarorte. So aber trug die Pfarrei lediglich zu einer Verdichtung der zentralen Funktionen bei, die freilich nicht unterschätzt werden darf. Ottobeuren bestand vor der Säkularisation aus zwei Pfarreien, der Kloster- und der Marktpfarrei, die 1220 dem Kloster inkorporiert wurde. Zu dieser Pfarrei gehörte neben dem größten Teil von Ottobeu-

______55) Neef Ernst, Die zentralen Orte als Glied der Kulturlandschaft, Dt. Geographentag 1951, Tagungsbericht, S. 149 56) Schnieringer Karl, Ottenbeuren, S. 42 ff.

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ren eine große Anzahl umliegender Weiler und bis kurz vor der Säkularisation auch noch das heutige Pfarrgebiet von Ollarzried. Das Dekanat Ottobeuren überschritt weit die Grenzen des Herrschaftsgebietes. Die Bewohner des Dekanates kamen jährlich am Kapiteljahrtag in großer Zahl als Wallfahrer nach Ottobeuren.

Was Ottobeuren jedoch eine über die religiöse und wirtschaftliche Bedeutung eines Pfarrdorfes hinausgehende Bedeutung verschaffte, war natürlich die Anwesenheit des Klosters. Die feierlichen Gottesdienste in dem Wunderwerk der Klosterkirche, denen gerade am Ende des 18. Jahrhunderts nachgerühmt wurde, dass sie an Schönheit den Gottesdiensten in den Kathedralkirchen nicht nachstanden, werden immer Menschen angezogen haben. Erreichte doch gerade in den letzten Jahrzehnten vor der Aufhebung die Musikpflege unter Abt Honorat Göhl einen bis dahin nicht gekannten Höhepunkt. Ungewöhnlich große Menschenansammlungen werden gemeldet anlässlich großer Feste wie z.B. bei der Weihe der neuen Klosterkirche im Jahre 1766 oder am jährlichen Alexanderfest. Feyerabend schreibt in seinen Jahrbüchern: „Übrigens waren die Folgen dieser Übersetzung (der Reliquien des hl. Alexander nach Ottobeuren) nicht nur ein religiöser, sondern auch in merkantilischer Hinsicht höchst bedeutend und wichtig. Das Volk strömte am jährlichen Festtag des Heiligen, welcher feierlichst begangen wurde, um seiner Andacht zu pflegen, zu Tausenden hierher.“ 57) Aufgrund einer Reliquienschenkung des Abtes Isingrin im Jahre 1167 kamen bis zur Reformation 77 Gemeinden, zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch 50 und auch um 1800 noch eine stattliche Anzahl von Pfarrgemeinden alljährlich am Kreuzdienstag (= Dienstag vor Christi Himmelfahrt) als Pilger nach Ottobeuren 58).

Mehr noch als von der Klosterkirche gingen Auswirkungen wirtschaftlicher Art auf den Markt Ottobeuren von der Wallfahrtskirche Maria Eldern aus. 1466 in einem Erlenwäldchen

______57) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 1. Bd., S. 100 58) Vgl. Kolb Pater Ägidius, Ottobeurer Wallfahrtskarte

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südlich von Ottobeuren entstanden, erfreute sich diese Wallfahrt eifriger Unterstützung durch das benachbarte Kloster. Was Bleibrunner bei der Betrachtung der Verhältnisse in Niederbayern feststellte, gilt auch außerhalb von Niederbayern, dass die Mehrzahl der mittelalterlichen Landklöster bestrebt gewesen sei, zur Hebung des religiösen Lebens eine Wallfahrtsseelsorge zu fördern 59). In Eldern entsteht neben der alten Wallfahrtskirche im 17. Jahrhundert ein Superiorat, das der Abtei unterstellt und am Schluss mit vier Patres besetzt war. Eldern entwickelte sich schließlich zu einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsstätten in Schwaben. Der starke Andrang machte anfangs des 18. Jahrhunderts den Bau einer relativ großen Wallfahrtskirche erforderlich. Die Bewohner aus 65 Orten, aus einem Gebiet das südlich bis Kempten, östlich bis und westlich über die Iller reichte, pilgerten regelmäßig Jahr für Jahr nach Maria Eldern. Nicht erfasst ist die Zahl der Einzelpilger. Aber die Feststellung von 1802, dass in Eldern jährlich wenigstens 2.300 hl. Messen gefeiert wurden und 24.000 Menschen die Kommunion empfingen, lässt auf eine große Gesamtzahl von Pilgern schließen 60). Der starke Andrang nach Eldern konnte auf das nur 2 km entfernte Ottobeuren nicht ohne Auswirkung bleiben, zumal bei der Wallfahrtskirche selbst keine größere Siedlung entstand und wohl auch nicht entstehen durfte. Es gab dort in der Nähe der Kirche neben dem Mesnerhaus nur ein Gasthaus. Die meisten Wallfahrer werden, soweit sie nicht ohnehin über Ottobeuren nach Eldern gelangten, den Markt mit der wegen ihrer Größe und Schönheit im ganzen Land gerühmten und mit verehrten Reliquien reich ausgestatteten Klosterkirche besucht haben. Außerdem hatten manche Wallfahrer-Gruppen einen Weg von 5 - 7 Stunden hinter sich und mussten in Ottobeuren übernachten. Ob oder wie weit ein Teil der Einwohnerschaft von Ottobeuren direkt von dieser Wallfahrt lebte, das ist eine Frage, die kaum einmal geklärt werden wird. Jedenfalls aber wird man die Eldern-Wallfahrt als einen unter

______59) Bleibrunner H., Der Einfluss der Kirche auf die niederbaierische Kulturlandschaft, Mitt. Geogr. Ges. München, Bd. 36, 1951, S. 129 60) Klosterarchiv Ottobeuren, VIII

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mehreren Wirtschaftsfaktoren bezeichnen müssen, die zusammen den Bürgern von Ottobeuren eine Existenzgrundlage sicherten.

c2) Ottobeuren als Behördenort

Eine zentrale Funktion, deren Reichweite durch genaue Grenzen festgelegt war, kam Ottobeuren als dem Verwaltungsmittelpunkt des Herrschaftsgebietes zu. Das klösterliche Territorium war folgendermaßen gegliedert:

1. Der Markt Ottobeuren 2. 18 Dörfer des Ottobeurer Altbesitzes: Altisried, Attenhausen, Benningen, Böhen, Dietratried, Egg, Frechenrieden, Günz, Hawangen, Niederdorf, Niederrieden, Oberwesterheim, Rummelshausen, Schlegelsberg, Sontheim, Ungerhausen, Unterwesterheim, Wolfertschwenden. 3. Die 10 Hauptmannschaften des Ottobeurer Altbesitzes, worunter 32 Weiler und 51 Einöden zusammengefasst waren: Betzisried, Bibelsberg, Fröhlins, Guggenberg, Hühners, Gut, Osterberg, Ollarzried, Schellenberg, Warlins. 4. Der Ottobeurer Anteil an der ehemaligen Herrschaft Stein: a. Gericht Engetried: Burg Stein, Dorf Engetried, 9 Weiler und Einöden. b) Gericht Egg: Die beiden Dörfer Ober- und , 4 Weiler und Einöden. 5. Der Ottobeurer Anteil an der ehemaligen Herrschaft Ronsberg: 3 Weiler 6. Der Ottobeurer Anteil an der Dorfherrschaft Erkheim: Dorf Erkheim und der Weiler Erlenberg.

An der Spitze der Dörfer und Hauptmannschaften stand je ein Amann bzw. Hauptmann, die vom Abt von Ottobeuren ein- und abgesetzt werden konnten. Lediglich im Markt Ottobeuren bestand etwas größere Freiheit, insofern dort aus drei von der Herrschaft vorgeschlagenen Personen einer zum Amann – er hieß Gerichtsmann, hatte aber um 1800 keine Jurisdiktion mehr – gewählt werden konnte. Die Oberverwaltung geschah zentral von

______61) StN Reg. 3155; vgl. Heider J., Grundherrschaft und Landeshoheit etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 88 ff. - 27 -

Ottobeuren aus durch das Kloster bzw. die in seinem Dienste stehenden Beamten. Die Rechte auswärtiger Grundherrn im Ottobeurer Hoheitsgebiet waren unbedeutend. Im Vergleich zu den oftmals sich stark überkreuzenden Zuständigkeiten in anderen Herrschaften bestand bei der Herrschaft Ottobeuren um 1800 eine für die Verwaltung und Entwicklung des Herrschaftsgebietes günstige Vereinigung aller Rechte in der Hand des Stiftes 62). Die Abhängigkeit der Bevölkerung des Herrschaftsgebietes vom Kloster resultierte aus der Grundherrschaft, aus der Reichsunmittelbarkeit und aus dem Patronat über die Pfarreien.

Aus dem Obereigentum erwuchsen dem Kloster bestimmte Rechte bzw. den Grundholden entsprechende Pflichten, wie die Lieferung bestimmter Abgaben, der Gült bei einleibfälligen Gütern, der Baudinggefälle, oder die Leistung von Frondiensten. Mit der Grundherrschaft war in der Regel die Leibeigenschaft verbunden 63).

Abgesehen von den drei Weilern aus der ehemaligen Herrschaft Ronsberg stand dem Kloster im ganzen Bereich der Grundherrschaft auch die Territorialherrschaft zu. Der Abt von Ottobeuren war somit für die 10.051 Einwohner (1802) des Herrschaftsgebietes der Landesherr. Als solcher standen ihm die Steuer- und Militärhoheit zu 64). Ferner war mit der Landeshoheit die Straßenhoheit mit Zoll- und Geleitrecht verbunden. Dieses Recht fand einen kleinen Niederschlag im Siedlungsgebiet durch die Errichtung einiger Zollstationen, deren wichtigste St. Barbara an der Mindelheimer Landstraße war, „ein etwa 30 Schuh langes und 20 Schuh breites zweistöckiges Wohngebäude mit einer Hauskapelle unter einem Dach“ 65). Ferner ist die Religionshoheit zu nennen, derzufolge sich die Einwohnerschaft des Herrschaftsgebietes mit Ausnahme eines Teils

______62) Vgl. Weber Pater Fr., Wirtschaftsquellen etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 57, 1939, S. 177 63) Vgl. Heider J., Grundherrschaft etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 63 ff. 64) Von aller königlichen Dienstpflicht und damit auch von der Heeresfolge war jedoch Ottobeuren aufgrund eines aus dem Jahre 972 stammenden Privilegs befreit. 65) StNRA Ottobeuren 887 - 28 -

der Bewohner von Erkheim 66) zur katholischen Konfession bekannte. Endlich gehörte hierzu das Recht, für das Herrschaftsgebiet bindende Gesetze zu erlassen, Satzungen oder Ordnungen genannt. Wie Stiftskanzler von Weckbecker ausdrücklich bezeugt, wurde die Regierung „nach allgemeinen Reichs- und eigenen Gesetzen und Gewohnheiten vom alleinigen reichsstiftischen Oberamte zu Ottobeuren“ vorgenommen. Im Archiv der Abtei liegen z.B. Marktordnungen der Äbte Rupert II. Neß, Anselm Erb und Honorat Göhl, eine Mühlenordnung von 1787, ein Erlass von 1786 über die Anzeigepflicht beim Auftreten von Viehkrankheiten, eine 11 Seiten umfassende Jagd-, Forst- und Holzordnung von 1787 und eine Schulordnung für die Dorfschulen aus dem Jahre 1762. Mit der Aufzählung einiger Ottobeurer Eigengesetze soll hier nur aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten dem Abt aufgrund der Territorialhoheit gegeben waren, durch Verordnungen in die wirtschaftliche Entwicklung von Ottobeuren einzugreifen, beispielsweise durch Marktzwang nach Ottobeuren oder durch Einflussnahme auf die Preis- entwicklung in Notzeiten. Ein Beispiel dafür berichtet Feyerabend aus dem Jahre 1771, als infolge eines besonderen Gesetzes in Ottobeuren die Preise für Getreide nicht über 46 fl/Scheffel ansteigen konnten, während man zur selben Zeit in Memmingen 60 fl zu bezahlen hatte. Zusätzlich ließ das Stift in diesem Jahre wöchentlich eine bestimmte Getreidemenge in die Schranne bringen, „welche noch bedeutend wohlfeiler bloß an die ärmere Menschenklasse verkauft wurde“ 67).

Das Rechtsverhältnis zwischen Abt und Untertanen wurde sehr anschaulich in der feierlichen Huldigung jeweils nach der Neuwahl eines Abtes und in deren jährlicher Erneuerung. Im Januar mussten sich sämtliche Untertanen der Abtei dort einfinden und dem Abt als ihrer von Gott gesetzten Obrigkeit durch Handschlag Treue geloben. Bei dieser Gelegenheit wurden die Polizei- verordnungen vorgelesen. Auch die Gemeindeamänner und

______66) Etwa 1/8 der Anwesen in Erkheim gehörte nach Memmingen; deren Inhaber bekannten sich nach dem Grundsatz „Cuius regio …“ zur ev. Konfession. Die Regierung über Erkheim war so geregelt, dass Ottobeuren jeweils 3 Jahre und 27 Tage, Memmingen den Rest des 4. Jahres in Erkheim regierte. - vgl. Heider J., a.a.O., s. 90 67) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 4. Bd., S. 142 - 29 -

Hauptmänner wurden an diesen Tagen neu bestellt. Die feierliche Angelegenheit dauerte insgesamt mehrere Tage und brachte eine große Anzahl von Menschen in den Marktort.

Ein zusätzliches Rechtsverhältnis zwischen Kloster und Untertanen erwuchs aus der Tatsache, dass das Kloster über fast alle Pfarreien des Gebietes das Patronat innehatte. Damit war für das Kloster das Recht verbunden, den Großzehnten zu verlangen. Dieses Recht fand wiederum einen Niederschlag im ländlichen Siedlungsbild durch die Errichtung der Zehentscheunen, deren es innerhalb des Herrschaftsgebietes 23 gab. Als Gegenleistung hatte das Kloster für die Pfarreien zu sorgen. Auch das machte sich im Siedlungsbild in manchen Fällen bemerkbar, insofern nämlich das Kloster damit auch die Pflicht hatte, im Bedarfsfalle eine Kirche oder einen Pfarrhof zu bauen und diese Kirchen sich oftmals, wenigstens im 18. Jahrhundert, an Schönheit der Architektur oder der Ausstattung vor anderen Dorfkirchen auszeichnen. Zur Barockzeit wurden die meisten Kirchen des Herrschaftsgebietes neu eingerichtet, einige aber auch neu gebaut, wie die schöne Kirche zu Ungerhausen, die Kirchen von Niederdorf, Benningen, Lachen und noch kurz vor der Säkularisation die von Ollarzried.

Als Reichsprälat war der Abt von Ottobeuren der oberste Regent in seinem Territorium. Er übte jedoch nicht selbst die laufenden Regierungsgeschäfte aus, sondern hatte zu diesem Zweck die weltlichen Beamten, an oberster Stelle den Kanzler, dessen bedeutende Stellung auch durch das ihm zur Verfügung stehende repräsentative Beamtengebäude betont wurde. Zweimal wöchentlich waren Gerichts- und Verhörstage angesetzt, an welchen der Kanzler im Namen des Abtes in den laufenden Streitfällen Recht sprach und alle notariellen Angelegenheiten erledigte 68). Damit hatte Ottobeuren ständigen Parteiverkehr aus dem ganzen Herrschaftsgebiet. Die Verrechnung der Steuern und Gefälle wie Markt- und Handelsgefälle, Umgeld der Wirte usw. lag in Händen von klösterlichen Offizialen. So

______68) Weber P. Fr., Wirtschaftsquellen etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 57, 1939, S. 181 f.

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finden wir also in Ottobeuren um 1800 alle die Behörden, die auch heute einer Kreisstadt laufenden Parteiverkehr sichern, nach heutiger Bezeichnung etwa Landratsamt, Finanzamt, Amtsgericht und Notariat.

c3) Ottobeuren als Marktort

Von Kaiser Friedrich III. erhielt Ottobeuren laut eines kaiserlichen Gnadenbriefes die Erlaubnis, jährlich zwei Jahrmärkte zu halten 69). Kaiser Maximilian erlaubte, „was ehedem nicht war, für jeden Donnerstag einen Wochenmarkt, welcher noch heute besteht“ 70). Diesen Wochenmarkt suchten die Äbte durch geeignete Gesetze zu fördern. Nach der Marktordnung der letzten Äbte vor der Säkularisation waren z.B. „alle Bürger und Untertanen, ob Kornhändler oder nicht, gehalten, alles Getreide, Erbsen und Lein, das sie verkaufen wollen, ohne herrschaftliche Erlaubnis nirgends anderswohin zu führen als auf die Ottobeurer Schranne.“ Art. 15 verbot, „in der Herrschaft zu hausieren oder Lein oder Öl zu schlagen oder anderwärtigen Verkauf aufzukaufen, ehe und bevor selbiger in allhiesiger Schrand fail gehabt und die Gebühr hievon entrichtet worden.“ Nach Art. 18 waren alle Untertanen verpflichtet, nicht nur all ihr verkäufliches Getreide in die Ottobeurer Schranne, sondern auch alles was sie sonst zu verkaufen hatten, Schmalz, Butter, Öl, Pech, Flachs, Hanf, Werg, Garn usw. in das Ottobeurer Waaghaus, sowie Geflügel, Eier, Häute und Felle auf den Markt zu bringen. Händler mussten auswärts eingekaufte Viktualien und sonstige Waren auf den Ottobeurer Markt stellen (Art. 19). Umgekehrt verlangt Art. 21, dass „Aufkäufer, die Handel in andere Herrschaften treiben wollen, ihre Waren allein auf dem Ottobeurer Markt einkaufen“ sollten. Vieh (Hornvieh, Pferde, Schafe, Rinder usw.) durften nach Art. 23 nur dann außerhalb der Herrschaft verkauft werden, wenn es drei Markttage hintereinander auf dem Ottobeurer Markt war, wobei jedoch für unverkaufte Stücke kein „Fail-

______69) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 2. Bd., S. 730 70) a.a.O., S. 754

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und Strafzoll“ zu entrichten war 71). Wenn man bedenkt, dass es um 1800 1636 bäuerliche Anwesen im Territorium von Ottobeuren gab, deren Inhaber verpflichtet waren, ihre verkäuflichen Tiere, Lebensmittel und sonstigen Waren in Ottobeuren zentral anzubieten, so kann der Wochenmarkt als bedeutender Wirtschaftsfaktor für Ottbeuren nicht unterschätzt werden. Er brachte wöchentlich zahlreiche Menschen aus der bäuerlichen Umgebung nach Ottobeuren, die ihre Waren verkauften und selbst zu Käufern wurden bei den Handwerkern, Krämern und Wirten des Marktortes. In gesteigertem Umfang gilt das, allerdings nur für jeweils wenige Tage, für den Jahrmarkt, der auch „vom auswärtigen Handelsstande zahlreich besucht wurde“ 72).

c4) Verkehr

Die bestehenden Rechtsverhältnisse ermöglichten es einem Landesherrn, einen Ort künstlich zum Zentrum eines Marktgebietes zu machen, auch wenn dessen Lage nicht die natürlichen Voraussetzungen dafür bot. Bis zu einem gewissen Grad kann das auch von Ottobeuren gesagt werden. Durch den Ort führte keine wichtige Handelsstraße, Ottobeuren lag, dem mönchischen Ideal und einem Stiftungszweck, nämlich der Landkultivierung entsprechend, abseits der alten Straßen. Die gut ausgebaute Verbindungsstraße Memmingen - Mindelheim führte um 1800 genau wie heute 8 - 10 km nördlich von Ottobeuren quer durch das Territorium. An dieser Straße lag die erwähnte wichtigste Ottobeurer Zollstation St. Barbara. Sollte jedoch der Ort seine Aufgabe als Mittelpunkt des Herrschaftsgebietes, wie es um 1800 vorlag, gut erfüllen können, so musste das Kloster bei allen ihm zustehenden Rechten dennoch an einem ordentlichen Zustand der Zufahrtsstraßen nach Ottobeuren interessiert sein. Tatsächlich war dies auch stets ein Anliegen der Barock-Äbte, besonders des vorletzten, Honorat Göhl, der für eine gründliche Verbesserung der Straßen seines Gebietes 30.000 fl ausgab 73). Wie nötig dies offenbar war, lässt Feyerabend, der

______71) Klosterarchiv Ottobeuren, V 72) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 1. Bd., S. 100 73) Rottenkolber J., Die letzten Jahre des Reichsstiftes Ottobeuren und sein Ende, Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935, S. 157

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ja aus persönlicher Kenntnis der Verhältnisse berichtet, erkennen, wenn er schreibt: „Die vorhandenen Wege waren in einem so jämmerlichen Zustand, die alten noch bestehenden Hohlwege den Reisenden ebenso beschwerlich als allem Kommerze hinderlich“ 74).

c5) Einrichtungen sanitärer Art

Abt Rupert stellte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Landarzt an. Welchen Wert er auf einen Arzt legte, zeigt sich, nebenbei erwähnt, darin, dass er ihm eine ungewöhnlich umfangreiche medizinische Bibliothek von mehreren Hundert Bänden kaufte 75). Wie weit freilich das einfache Volk der Umgebung diesen Arzt beanspruchte, das zu untersuchen fehlt jede Unterlage. Man darf wohl annehmen, dass das naturverbundene Volk zu dieser Zeit die Kosten für einen Arzt möglichst sparte und lieber zu den Heilmitteln, die es selber aus der Natur kannte und zu den Badern Zuflucht nahm, sodass die Anwesenheit eines Arztes die zentrale Bedeutung von Ottobeuren nicht allzu stark erhöht haben wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings die bezeugte gute Rentabilität der Klosterapotheke mit einem durchschnittlichen Reingewinn von 560 fl/Jahr im letzten Jahrzehnt vor 1800, die somit offenbar einen weiten Kundenkreis hatte – es war natürlich die einzige Apotheke des Herrschaftsgebietes – und damit als nennenswerte zentrale Einrichtung bezeichnet werden darf. Ferner gab es in Ottobeuren das Siechenhaus für Leute mit ansteckenden und ekelerregenden Krankheiten. Die Aufwendungen wurden aus einer Stiftung und vom Kloster gemeinsam bestritten 76).

c6) Schulwesen

Auch die Klosterschule soll in diesem Zusammenhang kurz erwähnt werden, die Ende des 18. Jahrhunderts mit rund 200 Schü-

______74) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 4. Bd., S. 154 f. 75) Tüchle, H., Die barocke Geistlichkeit Ottobeurens, S. 6 76) StN Reg. 3155 - 33 -

lern ihre höchste Blütezeit erreichte. Damit erwies sich Ottobeuren als bedeutender geistiger Mittelpunkt weit über das Herrschaftsgebiet hinaus. Die Schüler kamen aus ganz Schwaben, aus der Schweiz, vereinzelt sogar aus Frankreich und Italien. Nur die Hälfte – nach Weckbecker von rund 200 etwa 90 - wohnten in den beiden Seminarien des Klosters, die übrigen bei Bürgern des Marktes.

3) Die Sozialstruktur in Ottobeuren um 1800

Die Betrachtung der Wirtschaftsverhältnisse gibt zugleich Auskunft über die Sozialstruktur des Ortes. Wir haben in Ottobeuren um 1800 einen typischen Klosterort vor uns mit überwiegend handwerklich-kleinbäuerlicher Struktur. Ein Teil der Handwerker arbeitete als Hofhandwerker direkt für das Kloster, der weit größere Teil verdankte seinen Lebensunterhalt der Stellung des Marktes als Mittelpunkt des klösterlichen Herrschaftsgebietes. In Ermangelung eines Gewerbeverzeichnisses aus dieser Zeit soll, da bei der relativ großen Anzahl von Betrieben eine wesentliche Änderung durch die in der Zwischenzeit eingetretene Säkularisation kaum herbeigeführt wurde, das Gewerbeverzeichnis von 1814 wenigstens annähernd einen Einblick in die Struktur der Gewerbebetriebe ermöglichen. In diesem Jahre gab es in Ottobeuren folgende Gewerbekonzessionen: 77)

1 Apotheker 1 Kornmesser 2 Bader 12 Krämer 17 Bäcker 1 Kupferschmied 1 Baumwollweber 1 Lebzelter und Wachszieher 1 Bildhauer 12 Leinweber 1 Bortenmacher 2 Lohnrössler 13 Branntweiner 1 Maler 6 Brauer 2 Maurermeister 1 Buchbinder 1 Messerschmied 1 Buchdrucker 7 Metzger 1 Büchsenmacher 4 Mahlmüller 1 Bürstenbinder 1 Sägmüller 2 Drechsler 1 Nagelschmied 1 Eisenhändler 1 Ölschlager 1 Färber 1 Pfeifenmacher ______77) StNRA Ottobeuren, Gewerbesteuerkataster des Steuerdistrikts Ottobeuren im Landgericht und Rentamt Ottobeuren 1814, Markt Ottobeuren - 34 -

4 Fruchthändler (Getreidehändler) 4 Rotgerber 1 Fuhrmann 2 Säckler 1 Gabelmacher 3 Sattler 3 Glaser 3 Schäffler 1 Goldschmied 3 Schlosser 3 Hafner 2 Schmiede (Hufschmiede) 11 Hucker 5 Schneider 1 Hutmacher 9 Schuster 1 Kaminfeger 1 Seidenweber 1 Kistler 1 Seifensieder 1 Kürschner 3 Seiler 3 Spielleute 1 Wasenmeister 2 Strumpfwirker 1 Weingastgeber 3 Strumpfwirker und -stricker 2 Weißgerber 4 Uhrmacher 10 Tafernwirte 3 Wagner 1 Zapfwirt 1 Walker 1 Zimmer- und Brunnenmeister 1 Zinngießer

Zahl der Familien: Ottobeuren, 397, Eldern, 2 : 399

Manche der aufgezählten Gewerbebetriebe waren, wie die angegebenen Namen erkennen lassen, in einer Hand vereinigt, z.B. Bäcker und Gastwirt, Branntweinbrenner und Gastwirt, Fruchthändler und Krämer. Insgesamt bleiben jedoch annähernd 200 selbständige Handwerker oder Handeltreibende, was der Hälfte aller Familien entspricht.

Die Handwerker waren zusammengeschlossen in den Zünften der Bader, Bäcker, Drechsler, Schuhmacher und Ledergerber, Glaser, Hafner, Maurer und Zimmerleute, Metzger, Müller, Sattler, Schmiede, Schneider, Schreiner, Schlosser, Messerschmiede, Weber, Küfer, Schäffler, Uhrmacher, Maler, Kupferschmiede, Wagner, Strumpfwirker, Bierbrauer, Buchbinder, Bildhauer, Fadenhändler und Hutmacher, Flaschner, Kürschner, Seiler und Siebmacher 78). Die ältesten bekannten Handwerkstitel in Ottobeuren, die der Zunft der Drechsler, stammen aus dem Jahre 1465 79). Die einheimischen Handwerker genossen besonderen Schutz durch entsprechende Verordnungen, z.B. durch

______78) Klosterarchiv Ottobeuren, IV 79) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 2. Bd., S. 681 - 35 -

das Verbot für fremde Hausierer und Krämer, Krämerwaren und auch „diejenigen Sachen, welche in den handwerklichen Bereich der Sattler, Nagler, Weißgerber, Kupferschmiede, Seiler, Siebmacher und Hutmacher einschlagen, zu verkaufen“ 80).

Dem gegenüber stand die Landwirtschaft weit zurück. Zwar besaßen die meisten Familien einige Grundstücke, aber nur wenige verfügten über so viel Grund und Boden, dass sie davon leben konnten.

Ein Verzeichnis von 1807 unterscheidet die Einwohnerschaft von Ottobeuren nach Bürgern, Bauern, Gütlern, Söldnern, Leerhäuslern und Beisitzern 81). Danach gab es in dem genannten Jahr in Ottobeuren 249 Bürger 12 Bauern 40 Gütler 64 Söldner 133 Leerhäusler 11 Beisitzer

Wie unten noch zu zeigen sein wird, änderten sich die Besitzverhältnisse infolge der Säkularisation nicht wesentlich, sodass wir dieselbe soziale Gliederung im Großen und Ganzen auch in der Zeit vor der Säkularisation annehmen dürfen.

2. Teil

DIE SÄKULARISATION UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF OTTOBEUREN

I) Aufhebung des Klosters und Schicksal des bisherigen Klosterbesitzes

Die Säkularisation brachte eine mehr als tausendjährige Entwicklung plötzlich zum Stillstand. Am 1. Dezember 1802 hörte das Reichsstift Ottobeuren auf zu existieren, zu einer Zeit, als es in jeder Hinsicht in höchster Blüte stand. Das Klosterwappen über dem Hauptportal des Klosters wurde durch

______80) Klosterarchiv Ottobeuren, IV, Erlass der Kanzlei Ottobeuren vom 8. Mai 1749 81) StNRA Ottobeuren, 948

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das bayerische Wappen ersetzt. Mit einem Federstrich wurde an diesem Tag alles, was bisher dem Kloster gehörte, zu „Staatsrealitäten“ des neuen bayerischen Staates. Dieser war daran interessiert, die neuen Staatsrealitäten möglichst rasch in Geld umzuwandeln. Die Verschleuderung des Klosterbesitzes begann am 21. März 1803. Pretiosen, Gemälde, 64 Pferde, 38 Ochsen, Fahrzeuge usw. wurden bis Ende Juni versteigert. Übrig blieben größere Objekte, z.B. die Brauerei und vor allem die Grundstücke 1). Ein Verkauf der Wälder war zunächst nicht vorgesehen. Gemäß einer Weisung vom Generallandeskommissariat in Ulm versuchte man nun, die entbehrlichen Realitäten vorerst auf die Dauer von neun Jahren zu verpachten. Am 26.4.1803 übernahm die Gemeinde Ottobeuren pachtweise sämtliche Grundstücke der ehemaligen Klosterökonomie mit folgenden Ausnahmen:

Hopfengarten, 2 Jauchert, 1 V. anderweitig verpachtet Teil des Spitalgartens, 1 V. verkauft Teil des Spitalgartens, 1 Jauchert für das zum Verkauf bestimmte Fischerhaus der nächstgelegene Anteil vom Spitalgarten, 1 Tgw. 32 Rth. für die zu Verpachtung oder Verkauf bestimmte neue Mühle vom Vogeläckerle, 1 Jauchert 2 V., und 2 Tgw. Wiese für den neuen Bräupächter das Kohlergärtle, sämtliche Wiesen am unteren Hof, ein Stück Grasboden am Hopfengarten, zusammen 14 Tgw. 63 Rth. für den bisherigen Klostermüller Schindele bei seinem Haus 3 V. Wiesboden ferner: Acker bei St. Sebastian, 16 Jauchert 3 V. Acker beim Armenhaus, 6 Jauchert 3 V. Wiesböden am Böglinser Weg, 3 Tgw. 2 V. Acker am Herrenweg in Eldern, 3 V.

Somit blieben der Gemeinde: Gärten: Der Überrest vom Spitalgarten, Grasböden am Ölberg, Hündte, Kühstetten, Mohrenwirts Garten

Äcker: Acker beim Armenhaus (mit Ausnahme des genannten Teiles) Vogeläckerle (mit Ausnahme des genannten Teiles) Acker hinter dem Armenhaus, Reitäcker, Acker hinter der Bleiche Hofäcker am Herrnweg, Acker auf dem Konohof

______1) Vgl. Rottenkolber, Die letzten Jahre des Reichsstiftes Ottobeuren und sein Ende, Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935, S. 164 ff. - 37 -

Wiesen: Wiese oberhalb des Heublweiher Wiese unterhalb der Bleiche Wiese unterhalb des Bleicherhölzle Wiese hinter dem oberen Flecken Wiese oberhalb des Bleicherhofes Wiese an der Kiesgrubenstraße Hofwiese Kümmerwinkel am Fußweg Kümmerwinkel am Mühlberg zusammen: ___ 156 Jauchert 4 Viertel 49 Rth. davon Kraut- und Grasgärten 24 2 36 Ackerfelder 67 2 3 Wiesen 65 - 10 2)

Die Gesamtfläche wurde in Stücke mit der durchschnittlichen Größe von 1 Jauchert aufgeteilt und an 145 Pächter weitergegeben. Während eine Reihe der übrigen Liegenschaften des Klosters und die Gewerbebetriebe spätestens nach Ablauf der neun Jahre verkauft werden konnten, mussten die Grundstücke der ehemaligen Klosterökonomie ein zweites Mal, zunächst um 850 fl. später um die Hälfte an die Gemeinde verpachtet werden. Erst 1824 kaufte die Gemeinde diese Grundstücke um 10.128 Gulden 3). Ein Rest von 33 ½ Tagwerk blieb von Anfang an vom Verkauf ausgeklammert. Es handelte sich dabei um „zum Verkauf nicht geeignete Grundstücke“ in der unmittelbaren Umgebung von Kirche und Kloster, vor allem die Klostergärten. 1830 endlich verkaufte die Gemeinde die Grundstücke des ehemaligen Klostergutes in äußerst kleiner Parzellierung an 120 Interessenten. Damit war, fast 30 Jahre nach der Säkularisation und nur 4 Jahre vor der Wiedererrichtung des Klosters, die Klosterökonomie endgültig zertrümmert. Die Käufer waren zum größten Teil die bisherigen Pächter. Einer allgemeinen kurfürstlichen Verordnung vom 26.4.1803 zufolge sollten bei Verpachtungen und Verkauf von Klostergrundstücken möglichst die Leu-

______2) StNRA Ottobeuren, 518 3) Kreisarchiv München MF 794, 937 nach Rottenkolber J., Die letzten Jahre etc., S. 174 - 38 -

te berücksichtigt werden, die durch die Aufhebung des Klosters wirtschaftliche Nachteile erwarten mussten 4). Damit war auf jeden Fall eine Aufteilung in so viele Teile erforderlich. Ein anderer Grund, auf den Schlittmeier am Beispiel Niederaltaich hinweist, und der zweifellos auch in Ottobeuren zutrifft, ist der, dass die durch die Säkularisation Geschädigten ja zu einem sehr erheblichen Teil „kleine Leute“ waren, nämlich Tagelöhner oder kleine Handwerker, die überhaupt nicht finanziell in der Lage gewesen wären, einen größeren Grundbesitz zu erwerben 5). Dass die Grundstücke erst rund 30 Jahre nach der Säkularisation verkauft werden konnten, war aber wohl nicht nur durch mangelnde Kaufkraft, sondern auch dadurch bedingt, dass dem Personenkreis, der die Grundstücke bisher pachtete, Eigentum an Grund und Boden gar nicht in dem Maße erstrebenswert erschien, wie das später der Fall war. Die meisten dieser Menschen waren nie etwas anderes gewöhnt, als dass der ganze Grund, den sie auch vor der Säkularisation bearbeiteten, letztlich ihnen gar nicht gehörte, sondern nur als Lehen übergeben war, über das sie frei verfügen konnten. Solche Überlegungen drängen sich auch auf angesichts der anfänglichen Abneigung gegen die vom Staat gewünschte Ablösung des Obereigentums, wovon unten noch die Rede sein wird.

Im Gegensatz zur Klosterökonomie wurden die übrigen, außerhalb der Ottobeurer Gemarkung liegenden Klosterhöfe, nicht zertrümmert, sondern als geschlossener Besitz verkauft. Der Klosterhof zu Böglins z.B., bestehend aus Wohnhaus, Tenne, Pferde- und Viehstall, Wagenremise und Heuboden, Schaf- und Schweinestall und eine Heuhütte, sowie an Grundstücken aus

½ Jauchert 123 Rth. Hofreute 3 “ 27 “ Grasgarten 53 „ 89 „ Äcker 66 „ 28 „ Wiesböden 14 „ 33 „ Viehweidböden 1 „ 18 „ Fischteich ging bereits 1805 um 8.450 Gulden in den Besitz von Joh. Georg Greiner über 6).

______4) StNRA Ottobeuren 518; vgl. auch Schlittmeier A., Die wirtschaftlichen Auswirkungen etc., S. 124 f. 5) Vgl. Schlittmeier A., a.a.O., S. 130 6) StNRA Ottobeuren 582 - 39 -

Den Schlosshof zu Stein, um ein Beispiel aus den um 1800 verpachteten Klosterhöfen zu nennen, kaufte mit den dazu gehörenden Wohn- und Ökonomiegebäuden und 11 Tagwerk Garten 21 ¼ Tagwerk Wiesen 52 ¾ Jauchert Feldern 28 Tagwerk Ödungen

Joh. Fr. Schlecht um 5.633 Gulden ebenfalls schon in den ersten Jahren nach der Säkularisation 6). Klosterbedienstete kauften vielfach ihre ehemaligen Wohnungen und Dienstgründe; Viktor Heckenmiller z.B. das von ihm als Klosterfischer bewohnte Mesner- und Fischerhaus zu Benningen um 800 fl, Anton Vollmar, der frühere Scharfrichter, 1813 um 1.033 fl das Hochrichtergütle in der Gemeindeflur Ottobeuren, M.O. Merz der bisherige Nutznießer, 1825 die zwischen Kloster und Bannwald gelegene Klosterbleiche, Kreszentia Rieppin, die Witwe des Mesners zu Eldern, 1804 das dortige Mesnerhaus mit Krautgarten usw. 6).

Verpachtet werden mussten neben der Landwirtschaft zunächst auch die meisten Gewerbebetriebe des Klosters, z.B. die Ziegelstädel, die Essigsiederei und Fruchtbranntweinbrennerei, die Mühle, die Metzgerei und die Schmiede. Pächter und späterer Käufer waren auch hier in der Regel die früheren Inhaber der Betriebe 7). Auch bei der Brauerei bewarb sich der frühere Klosterbraumei- ster um die Pacht. Sie wurde jedoch an den Meistbietenden, Joh. Friedrich aus Großaitingen, vergeben, der 4.675 fl als Pachtsumme bot und um 7.226 fl alle Vorräte an Gerste, Malz, Hopfen usw. ablöste 8). Die Apotheke wurde 1803 dem ehemaligen Klosterapotheker Anselm Beck samt Material und Einrichtung gegen Verzicht auf die ihm zustehende Pension überlassen. Bei der herrschaftlichen Güterversteigerung kaufte er um 895 fl das heute noch als „Alte Apotheke“ bezeichnete Gebäude an der Ecke der heutigen Otto-/Rieppstraße 9).

Verkauft wurden 1805 auch die 20 Fischweiher des Klosters.

______6) StNRA Ottobeuren 582 7) StNRA Ottobeuren 519 8) StN Reg. 2277 9) StNRA Grundsteuerkataster 1836

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Dieses charakteristische Kennzeichen einer klösterlichen Kulturlandschaft begann damit allmählich aus der Kulturlandschaft zu verschwinden, da eine Reihe der neuen Besitzer diese Weiher ablaufen ließ, um nutzbringendere Wirtschaftsfläche zu gewinnen.

An einen Verkauf der Wälder war anfangs nicht gedacht. Lediglich die Forstrechte, vor allem die „dem Forstbestand nachteiligen Weiderechte“ sollten abgelöst werden. Nach einer Anweisung vom 18.1.1805 sollten dabei bei gutem Zustand des Waldes für 1 Klafter Holz 1 Tagwerk, bei mittlerem Zustand 1 ½ Tagwerk bei schlechtem Zustand 2 Tagwerk Wald als Entschädigung überlassen werden. So erhielt z.B. Ignaz Schlegel aus Fröhlins für 10 Klafter Scheitholz und 6 Stück Bauholz pro Jahr als Forstrechtablösung aus der Staatswaldung Fröhlinser Holz 13 Tagwerk 330 Rth. Wald 10).

Später, zwischen 1810 und 1825 entschloss man sich dann doch noch für den Verkauf von annähernd 500 Tagwerk Wald. Der in der Gemeindeflur Ottobeuren liegende Bannwald befindet sich noch in Staatsbesitz. Einwohner von Ottobeuren waren am Kauf von Waldgrundstücken in den genannten Jahren nicht beteiligt, sodass auch heute noch Bauernwald in Ottobeuren nur in wenigen Fällen anzutreffen ist.

II) Auswirkungen der Säkularisation auf das Siedlungsbild

1) Umgestaltung des Marktplatzes

Mit dem Kloster verschwand auch die Klosterpfarrei. Marktpfarrei und Klosterpfarrei wurden vereinigt. Nach Erklärung der bisherigen Klosterkirche zur Pfarrkirche der neu organisierten Pfarrei war die alte Pfarrkirche St. Peter am Marktplatz überflüssig. Eine nach dem Bericht von Landrichter von Kolb „nicht unbedeutende“ Beunruhigung des Volkes konnte das Schicksal der Versteigerung zunächst verhindern 11). 1806 bewarb sich dann die Marktgemeinde um die seit einigen Jahren geschlossene Kirche, die ihr kostenlos zum Umbau in ein Schul-

______10) StNRA Ottobeuren 886 11) Vgl. Schnieringer, Ottenbeuren, Geschichte des Marktes, S. 78

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haus überlassen wurde. 1813 wurde der Turm abgetragen. Selbstverständlich verschwand damit auch der Friedhof, der die Kirche umgab. Auch die beiden Brunnen, der Marien- und der Alexanderbrunnen konnten nicht an ihrem Platz bleiben, sodass der Marktplatz insgesamt in seinem Aussehen durch die Säkularisation einschneidende Veränderungen erfuhr. Der ehemalige Pfarrhof neben der Kirche fand 1810 einen privaten Käufer, ebenso das ihm benachbarte Schulhaus für die Kinder des Marktortes. Aus ersterem entstand die Weinstube zum Ratskeller (früher: Zum alten Pfarrhof), letzteres brachte den neuen Besitzern Nutzen als Gasthaus zum Ochsen.

2) Veränderungen in der nächsten Umgebung des Ortes

Überflüssig war nun auch die Wallfahrtskirche in Eldern, nachdem am 12. Dezember 1803 die Wallfahrt auf höchsten Befehl als aufgehoben erklärt wurde. Kirche und Kloster wurden auf Abbruch verkauft, ebenso die sieben „Fußfälle“ am Herrenweg nach Eldern. Das gleiche Schicksal traf das Kirchlein „St. Marx im Walde“ im Günztal nördlich von Ottobeuren. Das diesem benachbarte ehemalige Benediktinerinnenpriorat Klosterwald fand einen Interessenten und blieb so in seiner Gesamtanlage erhalten. Es konnte später von den Englischen Fräulein übernommen werden, die dort eine heute noch bestehende Mädchen- Mittelschule einrichteten. Der barocke Rundbau der sogenannten Buschelkapelle St. Michael verwandelte sich vorübergehend in ein Jagdschlösschen für einen Adeligen und blieb somit ebenfalls erhalten. Noch im vorigen Jahrhundert konnte die Kapelle ihrer alten Bestimmung zurückgegeben werden.

3) Verwendung des Klostergebäudes

Schwieriger war es, für die weitläufigen Klostergebäude Verwendung zu finden. An einen Verkauf war offensichtlich nicht ernstlich gedacht. Wohl tauchte unter anderen Vorschlägen auch der auf, das Haus als Fabrik zu verwenden; doch dürfte es schwer gewesen sein, für das Gebäude einen Käufer zu finden. Ein relativ kleiner Teil stand dem in Ottobeuren verbliebenen Konvent zur Verfügung. Andere Räume dienten anfangs dem Rentamt und dem Landgericht. Der größte Teil des Hauses

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stand leer. 1813/14 wurde das Kloster Kriegsgefangenenlager für französische Kriegsgefangene. Später baute man einzelne Wohnungen ein, die jedoch nur schwer zu vermieten waren 12). Das äußere Seminar des Klosters wurde zu einer Kaserne, die jedoch nicht ständig belegt war und 1867 wieder endgültig aufgehoben wurde. Gegenwärtig befindet sich das Gebäude, in welchem Wohnungen und einige Industriebetriebe untergebracht sind etwa zur Hälfte im Besitz des Landkreises Memmingen und zur anderen Hälfte in Privatbesitz. Die Bezeichnung „Kaserne“ ist ihm bis heute geblieben.

III) Wirtschaftliche Auswirkungen der Säkularisation auf Ottobeuren

1) Verlust des Klosters als Arbeitgeber und Verbraucher

Bei den Vorverhandlungen über eine Wiedererrichtung des Klosters drückte der Ottobeurer Landrichter die Hoffnung aus, es möge eine Verwendungsmöglichkeit für das Klostergebäude gefunden werden, wodurch „das Verdienst des hiesigen Marktes, dessen Wohlstand ohnehin im allgemeinen mit dem Kloster unterging, vermehrt werde.“ Am 27.1.1827 schrieb der Landrichter: „Unter der vorigen Klosterherrschaft hatten sich viele Hand- und Tagwerker dahier ansässig gemacht und haben zureichenden Unterhalt fortwährend gehabt. Durch die erfolgte Säkularisation haben diese Leute und überhaupt der mit 200 Familien angefüllte Marktflecken einen großen Verlust erlitten“ 13). Ähnlich äußerte sich der Ottobeurer Amann M. Zugschwert 1805 in einem Schreiben an die Kurpfalz-bayerische Landesdirektion. Angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Abtei und dem Markt waren derartige Schwierigkeiten zu erwarten. Für die allermeisten Bediensteten und Handwerker des Klosters bedeutete dessen Untergang den Verlust des Arbeitgebers. Denn wenn auch der Abt und ein großer Teil des Konvents in Ottobeuren blieben, so war ihr Haushalt doch sehr bescheiden geworden.

______12) Rottenkolber J., Die letzten Jahre etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935, S. 175 13) StNRA Ottobeuren 997

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Für die zunächst überlassenen und nach Regelung der Pensionsfrage abgelösten 5 Kühe brauchte man nicht mehr viele Dienstboten. Bis August 1803 betrug deren Zahl 4, vom September des genannten Jahres an noch 3: Gärtner, Viehmagd, sowie eine Waschmagd und Näherin 14). Das Klostergut war zertrümmert, die Betriebe weitgehend lahmgelegt. Aufträge für die Handwerker des Marktes mussten ausbleiben. Der Haushalt des Klosters umfasste im Wesentlichen nur mehr den Konvent, bestehend aus dem noch im Sommer 1802 neu gewählten Abt Paulus Alt und 34 Mönchen, deren Zahl 1804 auf 29 zurückging 14). In der letzten Zeit vor der Aufhebung saßen dagegen täglich 185 Personen am Tisch.

2) Entwicklung ehemals klösterlicher Gewerbebetriebe

Auch die Betriebe des Klosters, die erhalten blieben, verloren meist stark an Rentabilität. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür bietet die ehemalige Klosterbrauerei. Der Pächter Joh. Friedrich hatte aus dem früheren hohen Umsatz auf hohe Rentabilität geschlossen und bei der Versteigerung eine hohe Summe geboten 15). Doch musste er bald erkennen, dass er nicht herauswirtschaften konnte, was er erwartet hatte. Mehrmals sah er sich gezwungen, beim Staat um Verringerung der Pachtsumme einzugeben. Der Bierverbrauch war nämlich gewaltig zurückgegangen. Bei Übernahme der Brauerei hatte er noch 350 Mal im Jahr auf zwei Pfannen gesotten, im Jahre 1808 noch 160 Mal 16). Es entfiel erstens der hohe Eigenverbrauch des Klosters, das ja neben dem Konvent auch sämtliche Beamte, Handwerker und Bedienstete, sowie das Personal der Klosterhöfe, ferner die Pfarrer des Herrschaftsgebietes und Klosterwald mit Bier aus der Klosterbrauerei zu versorgen hatte. Entscheidender war jedoch der Wegfall des Bezugszwanges für die genannten 15 Wirte, die bisher ihr Bier vom Klosterbräuhaus holen mussten. Vor allem aber war der Bierverbrauch bei den Wirten nun ebenfalls geringer, da mit dem Verbot der Wallfahrt und mit dem

______14) Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Kloster Ottobeuren Lit 50 15) wie Anmerkung 14 16) Rottenkolber J., Die letzten Jahre etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935, S. 166 - 44 -

Rückgang des Wochenmarktes, wovon in den nächsten Abschnitten zu reden sein wird, sich auch die Zahl der Fremden verringerte. An einem Kauf war Friedrich offenbar nicht mehr interessiert; denn 1809 erwarb Gotth. Geiger, früher Bräupächter zu Roggenburg, das Ottobeurer Bräuhaus um 10.400 Gulden 17).

3) Auswirkungen der Säkularisation auf die zentralen Funktionen von Ottobeuren

a) Kirchliche Verhältnisse

Bisher war man in Ottobeuren gewöhnt, festliche Gottesdienste zu halten. Auch das musste eingeschränkt werden. Es gab keine Sängerknaben mehr und auch die Zahl der Mönche musste sich, da Neuaufnahmen nicht mehr möglich waren, laufend verringern. Außerdem meinte der staatliche Kommissär Schießl, es nicht verantworten zu können, dass „der Gottesdienst mit einem Luxus und einer Pracht fortgesetzt werde, wie man ihn kaum an den Kathedralkirchen abzuhalten pflegt“ 18). 1805 erging an die in Ottobeuren verbliebenen Mönche u.a. das Verbot, im Chor die Psalmen zu singen, an Werktagen die Ordensfeste mit einer kirchlichen Feier zu begehen und in der Kirche Beichte zu hören 18).

Schwerer wiegt freilich die gewaltsame Unterdrückung der Marienwallfahrt. Die Kirche in Eldern stand nicht mehr, das Gnadenbild musste 1812 nach Augsburg abgeliefert werden. Wie sehr das Volk noch lange Zeit hindurch gerade an dieser Wallfahrt hing, geht aus einem Brief der Marktgemeinde an Abt Barnabas Huber vom 16.5.1840 hervor 19). Es heißt dort: „Seit Abbruch dieser Wallfahrtskirche in Eldern und seit der Entfernung dieses geschätzten Marienbildes geschehen alle Jahre noch regelmäßig Besuche an dieser früherhin der öffentlichen Andacht geweihten Stätte, namentlich von dem 7 Stunden von hier entfernten Orte Wengen bei Kempten. Dieselben machen

______17) StN Reg. 2277, nach Rottenkolber, a.a.O., S. 167 18) Lindner A., Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktinerordens im heutigen Königreich Bayern, 2. Bd., S. 95, nach Rottenkolber, a.a.O., S. 172 19) Klosterarchiv Ottobeuren, VIII - 45 -

alle Jahre ununterbrochen einen Bittgang zu 50 - 60 und noch mehreren Individuen mit polizeilicher Bewilligung nach diesem ehemaligen Wallfahrtsorte Eldern.“ Sie seien sogar gekommen „trotz einer im Jahre 1832 von den hiesigen kgl. Landgericht geschehenen Zurückweisung und resp. Transportierung über die Landgerichtsgrenze.“ Auch wenn noch die einen oder anderen Wallfahrtsgruppen kamen, so muss im Allgemeinen doch die Wallfahrt als erloschen gelten. Außerdem dürften diejenigen, die noch kamen, angesichts der betont unfreundlichen Behandlung durch die Ottobeurer Behörden kaum große Lust verspürt haben, sich unnötig im Markt aufzuhalten oder dort zu übernachten.

Selbst der Verlust der Klosterschule machte sich bemerkbar. Feyerabend, der selbst von 1785 - 1802 an dieser Schule als Lehrer tätig war, erzählt, in den beiden Seminarien des Klosters seien gewöhnlich 86 Schüler untergebracht gewesen, 54 im oberen, 32 im unteren Seminar. Alle übrigen, einschließlich der Philosophen und Theologen, die zusammen mit den jungen Ordensgeistlichen die höheren Wissenschaften hörten, seien im Markt auf Kost und Verpflegung einquartiert gewesen, „welchem Platze auch ungeachtet der armen Studenten, die von der Bürgerschaft durch einzelne bewilligte Kosttage unentgeldlich und liebreich genährt wurden, gewiß viele und ansehnliche Vorteile zugingen, die man erst nachmals hart entbehrte, als die bemeldte Anstalt durch das Unglück der Zeiten nicht mehr bestand“ 20).

b) Der Wochenmarkt

Niemand dachte daran, Ottobeuren nach dem Untergang des Klosters das Marktrecht zu entziehen. Aber in Wirklichkeit wurde Ottobeuren im Zusammenhang mit der Säkularisation doch auch auf diesem Gebiet empfindlich getroffen. Denn mit dem Kloster verschwand ja auch dessen Herrschaftsgebiet, für dessen Bewohner der Abt von Ottobeuren bindende Ordnungen erlassen konnte, deren wichtigste vorschrieb, dass alle verkäuflichen Waren auf dem Ottobeurer Markt angeboten werden mussten.

______20) Feyerabend Pater Maurus, Jahrbücher, 4. Bd., S. 320

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Mit solchen Gesetzen war das ganze Territorium zum Hinterland für den durchaus nicht zentral gelegenen zentralen Ort Ottobeuren gemacht. Die zentrale Bedeutung eines Ortes richtete sich nach dessen Ergänzungsgebiet. Ist dieses nicht das natürliche Hinterland, sondern durch politische Grenzen festgelegt, so wird eine Änderung eintreten, sobald diese Grenzen fallen. Das war in Ottobeuren der Fall. Durch die Säkularisation des Reichsstiftes wurde sein Territorium ein Teil des Kurfürstentums und späteren Königreichs Bayern, in welchem keine Ottobeurer Sonder-Ordnungen mehr gelten konnten. Es gab keinen Marktzwang mehr. Wollten die Ottobeurer ihren Wochenmarkt im bisherigen Umfang erhalten, so musste ihnen daran gelegen sein, den Bauern der Umgebung die 1803 erfolgte Aufhebung des Zwangsmarktes möglichst nicht bekannt zu machen. Über diesen Punkt gab es einen ausführlichen Briefwechsel zwischen den Ottobeurer Behörden und den staatlichen Stellen in Memmingen. Da aus diesen Briefen die Schwierigkeiten von Ottobeuren zu erkennen sind und auch ein gewisser Konkurrenzkampf zwischen Ottobeuren und Memmingen darin zu beobachten ist, soll in diesem Zusammenhang kurz auf diesen Briefwechsel eingegangen werden.

Ein Schreiben der kurfürstlichen Kommandantschaft Memmingen an die Behörden in Ottobeuren enthält einen Hinweis auf die Änderung der Rechtslage und eine Aufforderung, die Ottobeurer Amtsuntergebenen sollten ihre Früchte (Getreide) und Lebensmittel nach Memmingen auf den Markt bringen. Dem hält man auf Seite des kurfürstlichen provisorischen Oberamtes in Ottobeuren entgegen, man habe nur „die seit Urzeiten hierorts bestehende Marktordnung bisher unausgesetzt gehandhabt.“ „Dieser Wochenmarkt hat bisher nicht nur die eingesessenen Verkäufer, sondern auch einheimische und auswärtige Käufer herbeigezogen und die Zehrung dieser Leute und Beschaffung verschiedener Bedürfnisse hat der hiesigen Bürgerschaft, welche meistenteils aus Handwerkern und Wirten besteht, einen immerwährenden Absatz und Verdienst verschafft. Diese Einrichtung zeigt schon, daß hierdurch nur eine unentbehrliche Nahrungsquelle für den hiesigen Marktflecken unterhalten wurde, ohne daß hierwegen jemandem und am wenigsten der ganz

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nahe gelegenen Stadt Memmingen ein empfindlicher Nachteil oder eine Verteuerung der Lebensmittel zugehen konnte.“ In der Überzeugung, dass nach dem Verlust des Reichsstiftes der Wochenmarkt „der einzige kümmerliche Behelf sei, wodurch die hiesige, meist arme Bürgerschaft mit harter Mühe noch einige Nahrung sich erwerben kann“ folgt dann der dringende Wunsch nach Beibehaltung nicht nur des Fruchtmarktes, sondern auch der alten Marktordnung. Es blieb jedoch bei der Anordnung, die Ottobeurer Amtsuntertanen müssten davon in Kenntnis gesetzt werden, dass Lebensmittel auf den Markt von Memmingen gebracht werden dürfen und sollen. Als Begründung wird angeführt, der Wahn der ehemaligen Ottobeurer Untertanen, sie dürften nicht auf den Markt nach Memmingen kommen, müsse „zumal bei den Bedürfnissen des kurfürstlichen Hochgerichts und der Garnison die Preise für Lebensmittel in Memmingen sehr erhöhen.“ Auch ein erneuter Hinweis auf die Gefahr, dass einer beträchtlichen Anzahl von Ottobeurer Familien mit einer Änderung der Marktordnung geradezu der Bettelstab in die Hand gedrückt werde, konnte die Lage nicht ändern. Die churpfalz-bayerische Landesdirektion Schwaben erklärte „Zwang und Verbannung nach Ottobeuren“ für ordnungswidrig und aufgehoben. Das Oberamt wurde veranlasst, die neue Freiheit zu publizieren 21).

Ottobeuren hatte Grund genug, um seinen Markt zu bangen. Jeder Blick auf die Karte macht diese Sorgen verständlich. Die wohlhabenden und großen Dörfer, die als Getreidelieferanten für den Ottobeurer Markt in erster Linie in Frage kamen, lagen zum größten Teil in der unteren Herrschaft. Wie sollte man von einem Bauern aus Niederrieden oder Benningen erwarten, dass er noch weiterhin nach Ottobeuren komme, wenn Memmingen viel näher lag, auf ebener Straße zu erreichen war und eventuell sogar günstigere Absatzmöglichkeiten zu bieten schien? Ähnliches galt für Erkheim und Ungerhausen an der alten Verbindungsstraße Memmingen - Mindelheim und eine Reihe weiterer Orte. Fast die Hälfte der Dörfer liegt entweder näher bei Memmingen als bei Ottobeuren, oder hat zum mindesten

______21) StN Bez.-Amt Memmingen 1979

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dorthin eine günstigere Straßenverbindung ohne nennenswerte Steigungen, was einer Verringerung der wirtschaftlichen Entfernung gleichkommt. Bedingt durch die gegenüber Memmingen schlechtere verkehrsgeographische Lage von Ottobeuren drohte also nach dem Wegfall der alten Marktordnung die Reichweite der zentralen Güter von Ottobeuren zu schrumpfen.

Offenbar traten die befürchteten Schwierigkeiten, jedenfalls bis zu einem gewissen Umfang, ein. Das bezeugen die 1832 - 1834 unternommenen Bemühungen um die Wiederherstellung des Wochenmarktes, der „durch allerlei ungeeignete Einflüsse gänzlich in Verfall gekommen“ war 22).

c) Ottobeuren als Behördenort

Anders verlief die Entwicklung von Ottobeuren als Behördenort. In dieser Hinsicht war die Konkurrenz eines benachbarten Ortes zunächst nicht zu befürchten; denn hier gab es wie bisher eine Grenzlinie, die die Größe des Verwaltungsgebietes genau festlegte. Ottobeuren erhielt 1804 ein Landgericht, das damals noch Gerichtsinstanz und zugleich untere Verwaltungsbehörde war, für das Gebiet der ehemaligen Reichsabtei und die zu den beiden Hospitälern der ehemaligen Reichsstadt Memmingen gehörenden Dörfer 23). Als Behördenort konnte Ottobeuren seine Reichweite sogar erweitern, was zweifellos bis zu einem bestimmten Grad einen Ersatz für Verluste auf anderen Gebieten bedeutete.

3. Teil

DIE ENTWICKLUNG VON OTTOBEUREN BIS ZUR GEGENWART

I) Das Kloster

1) Wiedererrichtung

Einen ersten, allerdings erfolglosen Versuch, die Wiedererrichtung des Klosters Ottobeuren zu erreichen, unternahm auf

______22) StN Bez. Memmingen 1994 23) Heider J., Grundherrschaft etc., Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 92 - 49 -

Bitten Ottobeurer Exkonventualen Fürst Fugger von Babenhausen 1814 auf dem Wiener Kongress. Mehr Aussicht auf Erfüllung dieses Wunsches bot sich mit dem Abschluss des Konkordates zwischen dem Hl. Stuhl und dem Königreich Bayern im Jahre 1817, wonach ausdrücklich die Zulassung einiger Klöster vorgesehen war. Jedoch erst mit dem Regierungsantritt Ludwigs I., 1825, konnten diese Pläne konkretere Gestalt annehmen 1).

In Ottobeuren hatten wirtschaftliche Schwierigkeiten, die durch Äußerungen der staatlichen Beamten, wie z.B. des dem Kloster keineswegs wohlgesinnten ersten Landrichters von Kolb, ebenso bezeugt sind wie durch Klagen aus der Ottobeurer Bürgerschaft, bei vielen die Erinnerung an die alte Zeit lebendig erhalten. So wird verständlich, dass man auf eine Wiedererrichtung des Klosters große Hoffnungen setzte, wie z.B. einer brieflichen Äußerung von Kolbs zu entnehmen ist: „Durch die Existenzwerdung eines Klosters würden die Verdienste dieser Leute“ (der Tagwerker und Professionisten des Ortes) „ganz gewiß bedeutend erhöht werden, besonders wenn damit eine Lehranstalt in Verbindung gebracht werden könnte, wozu auch die Gebäude hinlänglich Raum gewähren würden“ 2). Für das Klostergebäude hatte man bisher ohnehin keine geeignete Verwendungsmöglichkeit gefunden 3), sodass von Kolb jetzt zu der Ansicht gelangte, durch die Wiedererrichtung des Klosters würde der Unterhalt des Klostergebäudes und der Kirche doch wohl am besten gesichert sein und außerdem auch „durch den wahrscheinlich bedeutend größeren Besuch der Kirche von fernher das Verdienst des Marktes, dessen Wohlstand ohnehin im Allgemeinen mit dem Kloster unterging, vermehrt werden“ 2).

Das einfache Volk dachte wohl noch zu sehr in alten Vorstellungen, als dass man sich das neue Kloster wesentlich anders vorstellen konnte als das, was es für Ottobeuren einmal war. In Wirklichkeit war es jedoch völlig unmöglich, die Wiedererrichtung des Klosters mit einer Rückkehr der alten Verhältnisse gleichzusetzen. Zweifellos hatte einst Ottobeuren

______1) Vgl. Kreuzer, Die Wiedererrichtung der Benediktinerabtei Scheyern, Stud. Mitt. OSB, Bd. 71, 1960, S. 196 f. 2) StNRA 997 3) s. S. 41f

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gleichsam als Miniatur-Hauptstadt seines selbständigen Gebietes aus der Reichsunmittelbarkeit seines Klosters Nutzen gezogen. Zu sehr hatten sich jedoch inzwischen die Zeitverhältnisse geändert, als dass eine, vom Standpunkt des späteren Betrachters aus gesehen ja auch keineswegs wünschenswerte, Rückkehr der alten politischen Selbständigkeit, welche es dem Abt des Klosters ermöglichte, autoritär die wirtschaftlichen Entwicklungen seiner Klostermarktes zu beeinflussen, gedacht werden konnte. Aber auch unmittelbar, als Arbeitgeber oder Verbraucher konnte ein neu errichtetes Kloster nicht mehr die alte wirtschaftliche Bedeutung für den Marktort erlangen. Mit dem Fehlen eines größeren Besitzes waren dafür nicht mehr die Voraussetzungen gegeben. Außerdem sollte es im neuen Kloster wieder Laienmönche geben, welche nach mittelalterlichem Vorbild die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder die Leitung von Handwerksbetrieben selbst übernehmen.

Als 1827 in München zum erstenmal eine eventuelle Wiedererrichtung des Klosters Ottobeuren in Erwägung gezogen und ein diesbezügliches Gutachten aus Ottobeuren angefordert wurde, fanden sich dort an unveräußerten Staatsgründen aus dem ehemaligen Klosterbesitz nur noch 33 ½ Tagwerk, von denen außerdem ein Teil dem Forstmeister und dem Revierförster als Dienstgründe zur Verfügung standen 4).

Dennoch kam die Wiedererrichtung 1834 im Zusammenhang mit der Neugründung der Benediktinerabtei St. Stephan in Augsburg durch König Ludwig I. zustande. Ottobeuren wurde abhängiges Priorat dieses neuen Schulklosters, dessen erster Abt, Barnabas Huber, ein Konventuale des ehemaligen Reichsstiftes Ottobeuren war. Als wirtschaftliche Grundlage erhielt das neue Priorat den östlichen und südlichen Klostergarten, insgesamt 16 ½ Tagwerk, zu unentgeltlicher Nutzung. 1841 kamen dazu als Pacht vom Bayerischen Staat die Wiesen bei der Kirche und die Innenhöfe des Klosters, die längst zu Nutzflächen umgewandelt waren, sowie die Dienstgründe des Forstärars und die Pfarrpfründe, sodass dem Kloster seit dieser Zeit 56 Tagw.

______4) StNRA Ottobeuren 997

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56 Dez. landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Verfügung standen. Das Eigentum sowohl an den Gebäuden als auch an den Grundstücken behielt der Bayerische Staat.

2) Entstehung eines neuen Klostergutes

Von Mitte des 19. Jahrhunderts an begann ein Teil der Ottobeurer Handwerker-Bauern allmählich, sich von der Landwirtschaft abzuwenden; eine Entwicklung, die heute noch nicht abgeschlossen ist. So bot sich für das Kloster die Möglichkeit, eigenen Grund und Boden zu erwerben und somit seine Landwirtschaft nach und nach zu vergrößern. Einen Überblick über die Entwicklung des Klostergutes bis zur Gegenwart gibt Tabelle 5.

Tabelle 5: Entwicklung des Klostergutes Ottobeuren 1852-1965 5)

Eigenbesitz (ha) Pacht (ha) Wirtschaftsfläche (ha) 1842 - 13,07 13,07 1852 0,65 13,07 13,72 1869 17,84 13,07 30,91 1919 36,52 13,07 49,59 1938 47,15 17,15 64,76 1965 74,89 26,01 100,90

In größerem Umfang waren, wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, Grunderwerbungen vor allem in der neuesten Zeit möglich, ein Umstand, der auf eine günstige Entwicklung der Wirtschaftsverhältnisse in Ottobeuren in den Jahren seit 1950 schließen lässt. Die Waldfläche konnte jedoch seit 1938 nur um etwas mehr als 1 ha auf insgesamt 7,09 ha vergrößert werden.

Als moderner Wirtschaftsbetrieb ist nun das Klostergut für Ottobeuren durchaus wieder von Interesse durch seinen hohen Verbrauch an Kunstdünger oder Futtermitteln, die aus Ottobeurer Lagerhäusern bezogen werden oder durch den ständigen Bedarf an modernen Maschinen, Treibstoff usw.

______5) StNRA Ottobeuren, Renoviertes Grundkataster der Steuergemeinde Ottobeuren 1852 Abteiarchiv Ottobeuren, Wirtschaft Klosterverwaltung Ottobeuren, Ökonomie

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3) Die Aufgaben des neuen Klosters und deren Auswirkungen auf Ottobeuren

Die Neuzulassung einiger Orden wurde nach der Säkularisation nicht zuletzt im Hinblick auf die Erziehungsarbeit der ehemaligen Klöster in Erwägung gezogen. Jedenfalls die Benediktiner wollte König Ludwig I. als Restaurator und Stifter einiger Abteien weitgehend auf diesem Gebiete tätig sehen. In Ottobeuren sollte ein Erziehungsheim für arme und verlassene Jungen eingerichtet werden, das heute noch als „Knabenheim Ottobeuren“ mit etwa 100 Plätzen besteht. Nach der Erhebung des Priorats zur selbständigen Abtei im Jahre 1918 kamen dazu eine landwirtschaftliche Winterschule, die allerdings nach dem 2. Weltkrieg nicht wiedereröffnet wurde und ein humanistisches Progymnasium, sodass der Haushalt des Klosters insgesamt auf 150 bis 200 Personen anstieg. Etwa die gleiche Personenzahl wird auch gegenwärtig täglich von der Klosterküche versorgt. Angesichts der heutigen intensiven Bewirtschaftung des Klostergutes und der Klostergärtnerei, die den Großteil ihrer Erzeugnisse an Milch, Fleisch, Eiern, Getreide bzw. Mehl, Kartoffeln, Gemüse und Obst an die Klosterküche liefern, kann der Klosterhaushalt jedoch für die Händler der Marktortes nicht mehr von solcher Bedeutung sein wie vor 170 Jahren, als ein hoher Prozentsatz der benötigten Lebensmittel, vor allem Eier und Fleisch, gekauft werden musste. Dennoch lassen sich selbstverständlich bei genauerer Betrachtung noch gewisse Auswirkungen auf den Marktort feststellen. Man könnte an den Bedarf von Heizmaterial für die Wohn-, Schul- und Internatsräume ebenso denken wie an die Schreibwaren für die Schüler, an die Beanspruchung der Friseure durch die Schüler ebenso wie an den Besuch der Gaststätten durch die zu Besuch weilenden Eltern.

Von ungleich größerer Bedeutung sollte jedoch das Kloster für Ottobeuren werden als Anziehungspunkt für die Fremden. Was Landrichter v. Kolb von der Wiedererrichtung des Klosters vor allem erhoffte, hat sich zweifellos erfüllt: ein größerer Besuch der Kirche, der schließlich dem Markt zugutekommen musste.

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In dieser Hinsicht ist die Bedeutung des Klosters für Ottobeuren ständig gestiegen und hat gerade in den letzten Jahren einen seit der Säkularisation nie dagewesenen Höhepunkt erreicht.

II) Der Markt Ottobeuren

1) Wirtschaftsverhältnisse a) Ottobeuren als kirchlicher Mittelpunkt

Mit der Pfarrei blieb Ottobeuren eine wichtige zentrale Funktion kirchlicher Art auch über die Säkularisation hinaus erhalten. 23 Filialen, aus denen sich die politischen Gemeinden Haitzen, Guggenberg und Betzisried zusammensetzen, gehörten mir ihren rund 1000 Einwohnern nach wie vor zur Pfarrei Ottobeuren. Diese besuchten wie seit Jahrhunderten auch weiterhin sonntags den Gottesdienst in Ottobeuren, heirateten dort, ließen dort ihre Kinder taufen und wurden dort begraben. Somit blieben die seit je vorhandenen engen Beziehungen zwischen Ottobeuren und seiner nächsten Umgebung bestehen. Selbstverständlich nutzte man, solange man den Weg nach Ottobeuren zu Fuß oder mit dem Pferdegespann oder später mit dem Fahrrad zurücklegte, die Gelegenheit, dort gleich am Sonntag die nötigen Einkäufe zu besorgen. Noch vor 30 - 40 Jahren waren die Geschäfte am Sonntag nach dem Pfarrgottesdienst für diesen Kundenkreis aus den Filialen geöffnet. Heute entfällt diese Notwendigkeit infolge der grundlegenden Änderung der Verkehrsverhältnisse, die es auch den relativ weit entfernt Wohnenden ermöglichten, im Bedarfsfalle rasch mit dem Auto oder Motorrad das Gewünschte zu besorgen. Aber das ändert nicht viel an der Tatsache, dass Ottobeuren das Versorgungszentrum mit Gebrauchsgütern aller Art für diesen Bevölkerungskreis geblieben ist. Es gibt in keinem der Weiler, auch nicht in den beiden Orten, die bisher eine Schule 6) hatten, ein Gemischtwaren- oder sonstiges Geschäft. Die Bewohner der Pfarr- Filialen betrachten sich

______6) Seit 1965 besteht ein Schulverband zwischen Ottobeuren und der Gemeinde Guggenberg, sodass die einklassige Schule in Stephansried aufgelöst wurde und die Kinder der genannten Gemeinde die Volksschule in Ottobeuren besuchen.

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als Ottobeurer. Sie sind in Ottobeuren bekannt. Seit Generationen bestehen vielfach enge persönliche Beziehungen zwischen Ottobeurer Geschäftsleuten oder Handwerkern und den Bauernfamilien der umliegenden Weiler und Einöden. Der für den Marktort daraus entstehende Nutzen beginnt beim sonntäglichen Frühschoppen in den Ottobeurer Gastwirtschaften bis zur Bauernhochzeit oder zum Totenmahl.

Die Tatsache, dass Ottobeuren auch Mittelpunkt eines Dekanates ist, macht sich im Wirtschaftsleben des Marktes heute kaum bemerkbar. Man könnte bestenfalls die wöchentliche Zusammenkunft der Geistlichen des Dekanates in einem Ottobeurer Gasthaus hier anführen. Noch vor 30 Jahren war das anders. Zum Dekanat Ottobeuren gehörten ursprünglich nicht weniger als 42, seit der Neuordnung von 1921 noch 15 Pfarreien. Aus all diesen Pfarrgemeinden kamen alter Tradition entsprechend jährlich im Herbst, am Kapiteljahrtag, mit dem Ortsgeistlichen starke Wallfahrergruppen nach Ottobeuren. Selbstverständlich kamen die Pilger zu Fuß, sodass sie je nach Entfernung des Dorfes schon am Vorabend eintreffen mussten. So berichtet z.B. die Lokalzeitung über den Kapiteljahrtag von 1890: „Schon nachmittags 2 Uhr kamen einzelne Pioniere, von 4 Uhr an belebten sich alle Wege, welche hierher führen, mit Pilgern und der Markt wimmelte abends von Fremden“ 7). Das Fest begann bereits am Vorabend mit einer Predigt in der Kirche. Von früh 4 Uhr bis mittags 12 Uhr waren, wie ebenfalls die Zeitung zu berichten weiß, sämtliche Beichtstühle „umlagert“; ebenso schon am Vorabend. Daraus lässt sich auf eine tatsächliche sehr hohe Pilgerzahl schließen. Für den Markt war dieser Kapiteljahrtag, wie ältere Geschäftsinhaber noch erzählen, der Hauptgeschäftstag des ganzen Jahres. Auch gegenwärtig findet sich noch eine stattliche Anzahl von Gottesdienstbesuchern aus den umliegenden Ortschaften des verkleinerten Dekanats ein. Sie kommen jedoch mit dem Auto oder Omnibus und fahren größtenteils nach dem Gottesdienst wieder nach Hause. Die Besorgung von Einkäufen ist somit bei

______7) Ottobeurer Tagblatt vom 25.9.1890

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bei weitem nicht mehr im früheren Ausmaß an diesen Tag gebunden.

Etwas stärker sind im Geschäftsleben von Ottobeuren heute noch die Firmungstage zu spüren, zu welchen die Firmlinge aus der Umgebung mit ihren Angehörigen nach Ottobeuren kommen. Meist zeigen sich ja die Paten an solchen Tagen bezüglich des Festessens und der Geschenke, die in Ottobeurer Geschäften erworben werden, nicht kleinlich.

Tage, an denen viel Volk aus einem weiteren Umkreis zusammenströmte, waren bis zum 2. Weltkrieg und noch ein paar Jahre darüber hinaus die sogenannten „Fastenfeiertage“, vier Feiertage in der Fastenzeit, an denen vormittags in der Basilika ein festlicher Gottesdienst mit einer großen Predigt stattfand. Auch diese Tage zählten zu den wichtigsten Geschäftstagen für die Ottobeurer Einzelhändler. Eine aus verschiedenen Gründen erfolgte Verlegung der Fastenpredigt auf den Abend bereitete jedoch inzwischen diesen wirtschaftlichen Auswirkungen ein Ende, nachdem schon vorher ein starkes Nachlassen zu beobachten war, da erstens der Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft vielen Bauern den Besuch des Gottesdienstes am Vormittag ohnehin nicht mehr ermöglichte und zum anderen die modernen Verkehrsmittel eine Erledigung von Geschäften auch zu jeder beliebigen anderen Zeit ermöglichten.

Als Wallfahrtsort war einst Ottobeuren mit seiner Wallfahrtskirche in Eldern weit bekannt, sogar noch über die Säkularisation und den Abbruch der Wallfahrtskirche hinaus. Noch eine Karte vom Königreich Bayern aus dem Jahre 1837 gibt bei Ottobeuren die Signatur für „berühmte Wallfahrt“ an. So ist es verständlich, dass in weiten Kreisen der Bevölkerung von Ottobeuren – wohl nicht nur aus religiösen Motiven – nach der Wiedererrichtung des Klosters im Jahre 1834 der Wunsch bestand, das Gnadenbild von Maria Eldern wieder aus Augsburg zurückzubekommen. 1840 fand die erneuerte Marienstatue in der Kirche zu Ottobeuren einen neuen Platz. Aber von einer Wiederbelebung der Wallfahrt im alten Umfang konnte nie mehr die Rede sein. 1932 entstand in Eldern, an der Stelle der einstigen Wallfahrtskirche eine Kapelle. Die

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Wallfahrt beschränkte sich jedoch ein Jahrhundert lang auf die allernächste Umgebung von Ottobeuren als Einzugsgebiet. Erst seit dem 2. Weltkrieg kommen auch wieder mehrere größere und kleinere Pilgergruppen aus größerer Entfernung. Gegenwärtig beträgt die Zahl der Wallfahrer etwa 8000 im Jahr. Sie kommen hauptsächlich aus dem bayerischen Schwaben und aus Württemberg. In der Regel handelt es sich dabei im Gegensatz zur alten Eldern-Wallfahrt nicht um Gruppen, die sich durch alte Tradition verpflichtet fühlen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu kommen. Deshalb lässt sich auch nicht leicht ein abgrenzbares Einzugsgebiet darstellen. Unter den Gruppen, die regelmäßig jedes zweite Jahr kommen, sind hervorzuheben ein Pilgerzug aus Bamberg und Umgebung mit rund 1000 und einer aus Schwabach und Umgebung mit 800 - 1000 Teilnehmern, sowie seit einigen Jahren jährlich die katholische Militärgemeinde der Standorte Kempten und Memmingen mit ebenfalls bis zu 1000 Teilnehmern. Einzelwallfahrer dürften kaum in nennenswertem Umfang kommen. Auf jeden Fall sind die nicht erfassbar, denn jede Zählung würde sie als Touristen einstufen. Wohl aber kommen an den hohen kirchlichen Feiertagen zu den Gottesdiensten viele Einzelbesucher aus den umliegenden Städten.

Auf den kirchlichen Charakter von Ottobeuren sind letztlich auch die gelegentlich stattfindenden Kundgebungen zurückzuführen, wie z.B. die Allgäuer Männertage, 1964 und 1965 mit jeweils mehreren tausend Teilnehmern, Mesnertage, Ministrantentage, Landjugendtage und verschiedene andere Veranstaltungen.

Was Kapiteljahrtag und Fastenfeiertage für den Ort Ottobeuren heute nicht mehr sein können, das übernahmen nach dem Krieg die vielen in Ottobeuren stattfindenden Hochzeiten. Während in früheren Jahren die Trauung in der eigenen Pfarrkirche das Normale war, ziehen es jetzt viele Brautpaare vor, die kirchliche Trauung in einer auswärtigen, oftmals einer Klosterkirche, vorzunehmen. Dies geschieht teils aus dem Wunsch, den schönen Tag möglichst privat, ohne die in Landgemeinden übliche Teilnahme der ganzen Einwohnerschaft, zu feiern, teils aus dem Wunsch, dafür einen möglichst schönen

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Rahmen zu haben, was ja die Kirche von Ottobeuren zweifellos bietet. Tabelle 6 gibt einen Überblick über die kirchlichen Trauungen in Ottobeuren seit dem Ende des 2. Weltkrieges.

Tabelle 6: Hochzeiten in Ottobeuren seit 1946 8)

Jahr Kirchliche Trauungen

1946 243 1948 269 1950 340 1952 385 1954 408 1956 448 1958 403 1960 419 1962 305 (Kirche eingerüstet!) 1964 368

Die Brautpaare kamen vorwiegend aus dem bayerischen Schwaben und dem württembergischen Oberschwaben, vereinzelt aber auch aus teilweise sehr entfernt liegenden Orten der Bundesrepublik, allen voran München und Stuttgart. In dem auf der beigefügten Karte angegebenen Zeitabschnitt von drei Jahren sind an größeren Städten außerdem vertreten: Bamberg, Bonn, Bremen, Dortmund, Erlangen, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hildesheim, Karlsruhe, Mannheim, Nürnberg, Osnabrück, Recklinghausen, Wiesbaden, Würzburg, Wuppertal.

Der größte Teil der Hochzeitsgesellschaften bleibt nach der Trauung in Ottobeuren, um hier den Hochzeitstag zu feiern, kommt dies zwar vorwiegend dem Gaststättengewerbe zugute, so sind doch, wenigstens mittelbar, auch günstige Auswirkungen auf andere Betriebe anzunehmen, vor allem auf die die Gaststätten beliefernden Bäckereien und Konditoreien, Metzgereien und sonstige Lebensmittelgeschäfte, Gärtnereien, Brauereien und Molkereien. Dasselbe gilt natürlich auch bei den oben genannten Wallfahrten. Die Wallfahrer haben von vorneherein nicht mehr die Absicht, die Gelegenheit zu nutzen, um in Ottobeuren beispielsweise Kleidung oder Uhren einzukaufen. Was sie in Ottobeuren ausgeben, geben sie, von kleinen Andenkenkäufen abgesehen, in den Gaststätten aus. ______8) Katholisches Pfarramt, Trauungsbücher - 58 -

b) Ottobeuren als kultureller Mittelpunkt

Ottobeuren ist in seiner heutigen Gestalt eine Schöpfung des Barocks. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war jedoch „der Traum des Barocks und Rokokos ausgeträumt“. Das Abendland als geistige Einheit gab es nicht mehr und ebenso wenig einen umfassenden Stil in der Kunst. Man spricht nun von „Richtungen“ in der Kunst, die ihr Vorbild in der Antike oder im Mittelalter sahen, vom jüngst vergangenen Rokoko sich jedoch zunächst abwandten 9). So konnten auch Kirche und Kloster von Ottobeuren als Kunstwerke nicht mehr die ihnen gebührende Würdigung finden. Dass sie zur Zeit der Säkularisation nicht abgetragen wurden, ist vorwiegend Überlegungen praktisch-wirtschaftlicher Art zuzuschreiben. Erhaltenswerte Kunst sah man nicht mehr darin. Nur so werden die Vorschläge verständlich, das Kloster für eine Fabrik zu verwenden oder als Kavallerie-Kaserne. Lediglich die hohen Kosten für den Umbau des Erdgeschosses mit dem heute wieder so viel bewunderten Kreuzgang zu Pferdestallungen veranlassten die Aufgabe dieses letztgenannten Planes 10). Gewiss war die einheimische Bevölkerung im Großen und Ganzen nach wie vor von der Schönheit ihrer Kirche überzeugt. Es gibt genug Bemerkungen in Zeitungsberichten über Kirchenfeste, aus denen das zu entnehmen ist. Man könnte auch an die gute Aufnahme denken, die das Büchlein über Kirche und Kloster zu Ottobeuren fand, das Pater Magnus Bernhard 11) anlässlich der 1100- Jahrfeier der Abteigründung im Jahre 1864 verfasste. Einer breiten Öffentlichkeit war jedoch Ottobeuren nicht mehr bekannt. Dazu bedurfte es erst einer Wiederentdeckung des hohen Kunstwertes der Schöpfungen des Barocks durch Kunsthistoriker wie Feulner oder Dehio. Als erster stellte Georg Dehio Ottobeuren 1908 wieder auf den Leuchter, als er schrieb: „Die Kirche von Ottobeuren ist nicht nur eine der ersten Leistungen des Barocks, sondern überhaupt einer der vornehmsten Kirchenbauten

______9) Zacharia A., Kleine Kunstgeschichte abendländischer Stile, S. 206 10) Rottenkolber J., Die letzten Jahre des Reichsstiftes Ottobeuren und sein Ende, Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935,, S. 175 11) Bernhard Pater Magnus, Beschreibung des Klosters und der Kirche zu Ottobeuren

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aller Zeiten in Deutschland“ 12). Wissenschaftliche Arbeiten von Kunsthistorikern wie Norbert Lieb und zahllose volkstümliche Beschreibungen folgten seit dieser Zeit in großer Zahl und machten Ottobeuren in ganz Deutschland und darüber hinaus im benachbarten Ausland bekannt 13).

Im Kloster begann man allmählich, im Sommer mehrmals täglich Führungen durch die Kirche und das schon im vorigen Jahrhundert von Pater Magnus Bernhard und Pater Kaspar Kuhn in der ehemaligen, seit der Säkularisation unbewohnten Prälatur eingerichtete und inzwischen mehrmals nach moderneren Gesichtspunkten umgeänderte Klostermuseum, durch Bibliothek und Kaisersaal, zu veranstalten. Kloster und Kirche gewannen immer mehr an Bedeutung als Anziehungspunkt für den Fremdenverkehr. Nach mehrjähriger Restaurierungsarbeit strahlt die päpstliche Basilika seit dem großen Ottobeurer Jubiläumsjahr 1964 in neuem Glanz. Unter Leitung eines erfahrenen Restaurators gelang es, den Kirchenraum so glücklich in seiner ursprünglichen Schönheit wieder herzustellen, dass man ihn zweifellos zu den schönsten Barockräumen Deutschlands zählen muss.

Angesichts dieser Kirche mit den in Fachkreisen weltberühmten Barockorgeln des in Frankreich ausgebildeten Ottobeurer Meisters Karl Joseph Riepp und der großen, festlichen Räume in der Abtei, war es nahe liegend, sich der großen Musiktradition von Ottobeuren zu erinnern. Noch im November 1801 bezeugte eine Aufführung der Schöpfung von Joseph Haydn im Kaisersaal des Reichsstiftes den hohen Stand der Musikpflege. Auch über die Säkularisation hinaus versuchte der letzte bedeutende Musiker des Klosters, Pater Theodor Klarer, diese Tradition weiter zu pflegen, soweit die veränderten Verhältnisse es ermöglichten 14). 1836 entstand der „Singverein Ottobeuren“. Kirchenchor und Orchester bemühten sich seit je in echter Musikbegeisterung um kirchenmusikalische Aufführungen, die dem schönen Kirchenraum angepasst waren.

______12) Zit. nach Heider J., Grundherrschaft und Landeshoheit in Ottobeuren, Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 94 13) Heider J., a.a.O., S. 94 14) Pfänder W., Das Musikleben der Abtei Ottobeuren, Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, S. 61 f.

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Nachdem in den Wirren des 2. Weltkrieges allzu viele Kunststätten in Schutt und Asche gesunken waren, empfanden viele Menschen in der Trostlosigkeit jener Jahre es als kostbare Stunden, im Frieden der unversehrt gebliebenen Abtei, deren Ausstattung überall von Lebenswillen und Lebensfreude zeugt, beim Klang alter Musik die Gegenwart für kurze Zeit zu vergessen. So entstanden noch 1945, im Jahr des Zusammenbruchs, die Ottobeurer Sommerkonzerte im Kaisersaal des Klosters. Wenige Jahre später ??? fanden große Kirchenkonzerte einen unerwartet großen Anklang bei Musikfreunden in ganz Deutschland. 1957 beschloss der Kulturkreis der deutschen Industrie angesichts dieser zunehmenden kulturellen Bedeutung von Ottobeuren die Stiftung einer neuen Orgel für die rückwärtige Empore der Basilika, um so zu vollenden, was die Bauherren der Barockzeit nur noch planen konnten. Die Ausführung des Werkes wurde der Fa. Steinmayer/Öttingen übertragen. Damit war eine weitere Möglichkeit zu Orgelkonzerten auf einer großen modernen Orgel gegeben. Anfänglich zwei, später drei Hauptkonzerttage geben nun die Möglichkeit unsterbliche Werke kirchlicher Musik zu hören, bei einer Besetzung, die nur in Großstädten oder Festspielorten anzutreffen ist und in einem Raum, der seinesgleichen nicht hat. Neben den großen Kirchenkonzerten und einigen erstklassigen Konzerten im Kaisersaal finden jährlich zahlreiche weitere Orgel- und Chorkonzerte in der Basilika, einige weitere Kammer- oder Orchesterkonzerte im Kaisersaal, aufgeführt von Nachwuchsmusikern, sowie Bläserserenaden auf öffentlichen Plätzen statt.

Nachdem Ottobeuren als Pflegestätte ernster Musik nun einmal bekannt wurde, war es naheliegend, hier auch Musikwochen für Musikstudenten und für musikalisch hochbegabte Schüler höherer Lehranstalten durchzuführen. So verbrachten z.B. 1965 je ca. 60 - 80 Nachwuchs-Musiker des Arbeitskreises „junge Musik“, ferner Schüler der höheren Schulen Schwabens und des Humboldt-Gymnasiums Ulm zusammen 6 ½ Wochen in Ottobeuren.

Der Ruf Ottobeurens als einer bedeutenden Kulturstätte und eines ruhigen Ortes mit gepflegten Gaststätten lässt den Ort den verschiedensten Verbänden auch als Tagungsort geeignet

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erscheinen. Die Tagungen finden meist im Hotel Hirsch, seltener in anderen Räumen oder im Kloster statt. So verzeichnete beispielsweise das Verkehrsamt im Jahre 1956 14 Tagungen und Kongresse und zwölf Lehrgänge und Schulungswochen.

c) Ottobeuren als Behördenort

Mit den beiden Ämtern, Landgericht und Rentamt, erhielt Ottobeuren nach der Säkularisation staatliche Behörden, deren spätere Verlegung nach Memmingen für den Ort den Verlust einer wichtigen zentralen Funktion bedeutete. Zunächst jedoch ließ sich sogar noch eine Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches dieser beiden Behörden erreichen. Nachdem Fürst Fugger von Babenhausen auf die mittlere und niedere Gerichtsbarkeit in der ehemaligen Herrschaft Rettenbach verzichtete, kam dieser Ort mit den beiden Gemeinden Lannnenberg und Gottenau 1810 zum Landgericht Ottobeuren. In der Folgezeit gab es noch mehrere kleine Änderungen. So mussten 1813 die Steuerdistrikte , Dickenreishausen und Volkratshofen an das Landgericht Grönenbach abgegeben werden. Ottobeuren erhielt dafür von Grönenbach den Steuerdistrikt Lachen, von Memmingen den Weiler Künersberg, und von Mindelheim die Gemeinde Dachsberg. 1848 wurde die standesherrliche Gerichtsbarkeit aufgehoben. Das bedeutete für das Landgericht Ottobeuren weiteren Gebietszuwachs, da die bisherigen Patrimonialgerichte Eisenburg, Amendingen, Schwaighausen und nun ebenfalls dem Landgericht Ottobeuren unterstellt wurden, das damit zu dieser Zeit seinen weitesten Zuständigkeitsbereich aufwies. Die Grenzen des Verwaltungsgebietes des Landgerichtes Ottobeuren vom Jahre 1850 sind in der beigefügten Karte: „Das Ergänzungsgebiet von Ottobeuren“ eingezeichnet. Niederrieden wurde 1852 an Babenhausen angegliedert.

Das Jahr 1862 brachte mit der Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung und der damit verbundenen Einrichtung von Bezirksämtern für Ottobeuren den Beginn einer ungünstigen Entwicklung. Das ganze Gebiet des Landgerichtes Ottobeuren kam an das neu errichtete Bezirksamt Memmingen. Zwar blieb das Landgericht, bzw. seit 1879 Amtsgericht, als Gerichtsinstanz weiterhin Ottobeuren erhalten; aber auch in Memmingen wurde

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ein solches eingerichtet, das neben dem Stadtbezirk 13 Landgemeinden umfasste, die größtenteils vom Landgericht Ottobeuren abgetrennt wurden. 1865 kamen die beiden Gemeinden Ober- und Unteregg, die erst im 18. Jahrhundert als letzte Dörfer von der Herrschaft Ottobeuren gekauft wurden, an das Landgericht und Bezirksamt Mindelheim. Von jetzt an gab es über 60 Jahre keine Grenzänderungen mehr, bis schließlich 1932 Landgericht und Rentamt, seit 1920 Finanzamt, einem allgemeinen Behördenabbau zum Opfer fielen und mit dem Amtsgericht bzw. Finanzamt Memmingen vereinigt wurden. Dasselbe Schicksal traf auch das Vermessungsamt Ottobeuren. Nur das Notariat und das Forstamt blieben bis zur Gegenwart als staatliche Ämter in Ottobeuren erhalten 15).

Als weitere zentrale Einrichtungen könnten in diesem Zusammenhang noch genannt werden die bis vor wenigen Jahren noch bestehende, inzwischen jedoch ebenfalls nach Memmingen verlagerte Polizeistation und die Praxis eines Rechtsanwaltes.

d) Sanitäre Einrichtungen in Ottobeuren

Unter den Einrichtungen sanitärer Art steht an erster Stelle das Kreiskrankenhaus mit 150 Betten, das vorwiegend mit Patienten aus der östlichen Landkreishälfte, etwa dem Gebiet des früheren Landgerichtes, belegt ist. Wesentlich älter als das Krankenhaus ist das Spital, das schon vor der Säkularisation an anderer Stelle bestand und gegenwärtig 90 Plätze aufweist.

Die alte Klosterapotheke wurde nach der Säkularisation vom letzten Klosterapotheker Beck erworben 16) und besteht heute noch als Beck’sche Apotheke; eine zweite, die Rupertus-Apotheke, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg.

Einen Arzt gab es in Ottobeuren seit der Regierungszeit des Abtes Rupert II. in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vor dem Ersten Weltkrieg waren zwei Ärzte in Ottobeuren tätig. Gegenwärtig hat sich die Zahl der selbstständigen Ärzte auf 9 erhöht, darunter je einen Facharzt für Chirurgie

______15) Heider J., a.a.O., S. 92 – 94 16) StNRA 582 und StNRA Grundsteuerkataster 1836

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und für Innere Krankheiten und 5 Badeärzte 17). Die Zahl der Zahnärzte beträgt gegenwärtig 4; Tierärzte gibt es zwei.

e) Ottobeuren als Marktort

Der Versuch einer Neubelebung des Wochenmarktes im Jahre 1834 konnte eine Entwicklung, die auf eine Förderung der übergeordneten Marktzentren auf Kosten der kleineren hinauslief, nicht aufhalten. Die Befürchtung, dass unter den neuen Verhältnissen, d.h. ohne die im ehemaligen Herrschaftsgebiet geltende Marktordnung, derzufolge alle verkäuflichen Erzeugnisse der bäuerlichen Untertanen nach Ottobeuren auf den Markt zu bringen waren und auch der Ankauf von Getreide oder Vieh durch Händler nur auf dem Markt gestattet war, der Wochenmarkt nicht von Bestand sein könne, erwies sich als richtig. Schon 14 Jahre später, 1848, war ein neuer Wiederbelebungsversuche nötig: „Seit Jahren ist der hiesige Wochenmarkt durch den Handel und das Hausieren unberechtigter Individuen mit Viktualien in Verfall geraten, welcher Unfug aber auf Beschwerde der Hucker abgestellt wurde. Nachdem nun der Wunsch auf Wiederbelebung des Wochenmarktes, wodurch der Landbewohner einen sicheren Absatz für seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse, das Publikum aber eine zuverlässige Gelegenheit zum Ankauf der notwendigen Viktualien und eine Auswahl hierin erhält, allgemein laut geworden, (…) ergeht die Bekanntmachung (…), daß vom Monat März lf. Jahres an der hiesige Wochenmarkt wieder ins Leben tritt, welcher jedesmal am Schrannentag (Donnerstag) gehalten wird“ 18). Der zum Schluss angefügte Wunsch, die „frühere Lebhaftigkeit“ möge durch reichliche Beschickung mit Viktualien von Seiten der Landleute und zahlreichen Zuspruch des hiesigen Publikums wieder herbeigeführt werden, ging jedoch nicht oder bestenfalls nur für kurze Zeit in Erfüllung, denn schon 1855 bestand der Viktualienmarkt nicht mehr. Es werden noch mehrere Versuche erwähnt, den Wochenmarkt wieder einzuführen, „was aber nicht lange gedauert hatte“ 19). Wann der letzte Versuch unternom-

______17) s. S. 97ff. 18) Kloster Archiv Ottobeuren, Landrichter Max Graf, Bekanntmachung 19) Kloster Archiv Ottobeuren, Beschwerde eines Gärtners über den Verkauf von Gemüse aus dem Klostergarten vom 30.1.1855

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men wurde, diese alte zentrale Einrichtung des Handels zu erhalten, lässt sich nicht ermitteln.

Weniger Schwierigkeiten als mit dem Viktualienmarkt gab es offenbar mit der Getreideschranne. Jedenfalls konnte sie, wie aus den wöchentlichen Veröffentlichungen der erzielten Preise im „Ottobeurer Wochenblatt“ zu entnehmen ist, das ganze 19. Jahrhundert hindurch ohne Unterbrechung bestehen. Angaben über Angebot und Absatz lassen sich leider nur aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ermitteln, wobei sich seit 1885 eine ständige Abnahme erkennen lässt. Die Schuld für diese Entwicklung der Tatsache zuschieben zu wollen, dass Ottobeuren durch die Einrichtung eines Bezirksamtes und eines Landgerichtes bzw. Amtsgerichtes in Memmingen seit 1862 erhebliche Verluste an zentraler Bedeutung hinnehmen musste, wäre jedoch nicht richtig. Die Hauptursache dafür ist vielmehr in einer außerhalb des lokalen Bereiches vor sich gehenden Änderung der Wirtschaftsverhältnisse zu sehen, die schließlich auch in größeren Marktzentren wie z.B. in Memmingen zu einer Änderung der bestehenden Markteinrichtungen führen mussten. Im Gegensatz zu Memmingen, das als Fruchthandelsplatz zunächst einen beachtlichen Aufschwung erlebte und in zeitgenössischen Berichten neben den großen Schrannen zu Augsburg, Nördlingen, Kempten und Lindau genannt wurde 20), diente die Schranne zu Ottobeuren vorwiegend dem lokalen Verkehr. Somit stand sie an Bedeutung immer weit hinter Memmingen zurück, was folgenden Zahlen leicht zu entnehmen ist:

Tabelle 7: Getreidebestand an den Schrannen zu Ottobeuren und Memmingen 1809/10 (in Schäffel) 21)

Ottobeuren Memmingen

Korn 885 14.922 Weizen und Kern 1.684 43.969 Gerste 449 18.050 Hafer 603 13.666

______20) Seuffert G., Statistik des Getreide- und Viktualienhandels im Königreich Bayern, München 1857, nach Chr. Borchert, Fruchtfolgesysteme und Marktorientierung als gestaltende Kräfte der Agrarlandschaft in Bayern, S. 39 21) Montgelas’sche Gütererhebung, Bayerische Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung - 65 -

Die Schranne zu Ottobeuren reiht sich also unter die große Zahl jener Schrannen ein, deren Absatz fast ausschließlich „an die Bäcker und Consumenten des Marktortes und der näheren Umgebung“ geht (Anm. 20). Eine Entwicklung zu größerer Bedeutung wäre allein schon wegen der dichten Lage der alten und wesentlich größeren Schrannenorte Kempten, Memmingen, Kaufbeuren und Mindelheim nicht möglich gewesen. Das natürliche Ergänzungsgebiet von Ottobeuren war zu klein, um den zentralen Marktort zu überörtlicher Bedeutung aufsteigen zu lassen. Außerdem wurde in dem Gebiet, welches Ottobeuren nach der Säkularisation als natürliches Ergänzungsgebiet verblieb, nämlich die frühere obere Herrschaft, der Getreidebau weniger gepflegt als in der Umgebung von Memmingen. Die Ernteerträgnisse waren relativ gering; durfte man doch nur mit dem drei- bis zehnfachen Betrag der Aussaatmenge rechnen im Gegensatz zum sechzehn- bis achtzehnfachen Betrag in der Gegenwart 22). Außerdem war der Eigenverbrauch wegen einer starken agrarischen Überbevölkerung und wegen der gerade in Schwaben so bevorzugten Mehlspeisen sehr hoch. Nach übereinstimmenden Berichten kam noch um 1900 auch bei wohlhabenden Bauern Fleisch nur an den höchsten Festtagen auf den Tisch.

Der Rückgang des Umsatzes an der Schranne zu Ottobeuren bis zu ihrer Schließung zeigt sich in folgenden Angaben aus dem Ottobeurer Wochenblatt bzw. Tagblatt, das leider nicht mehr in allen Jahrgängen vollständig erhalten ist:

Tabelle 8: Getreidebestand an der Schranne zu Ottobeuren 1865-1904 23)

April September November 1865 493 404 539 Schäffel 1870 443 424 539 1885 639 308 735 Zentner 1890 302 202 -- 1895 247 170 85 1901 92 107 137 1904 73 49 42

______22) Borchert Chr., a.a.O., S. 35 23) Ottobeurer Wochenblatt und Ottobeurer Tagblatt der angegebenen Jahrgänge

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Die Auswahl der genannten Monate richtet sich lediglich nach dem vollständigen Vorhandensein des benötigten vergleichbaren Zahlenmaterials. Der Schrannenverkauf erstreckte sich über sämtliche Monate des ganzen Jahres. Der Schrannenbestand und die verkaufte Getreidemenge – in der Regel war es der ganze Schrannenbestand – wurden wöchentlich veröffentlicht. Können wir, soweit mit nur zwei Angaben überhaupt eine Aussage erlaubt ist, in den Jahren 1865 und 1870 noch einen normalen Ablauf des Schrannenverkehrs mit jährlich ungefähr gleich bleibenden Getreidemengen beobachten, so spiegeln sich in den Angaben aus späteren Jahren deutlich die als Krise bekannten Vorgänge auf dem deutschen Getreidemarkt, die sich auch in den kleinsten Zentren bemerkbar machten und die schließlich zu einer Änderung der bäuerlichen Wirtschaftsstruktur, nämlich einer stärkeren Hinwendung zur Viehzucht den Anstoß gaben 24). 1905 wurde offenbar die Ottobeurer Schranne geschlossen. Die folgenden Jahrgänge des Ottobeurer Tagblattes bringen nur noch Schrannenberichte aus Memmingen.

Über den Viehmarkt von Ottobeuren lässt sich sehr wenig ermitteln. Doch war seine Bedeutung wenigstens am Beginn des 19. Jahrhunderts größer als die anderer schwäbischer Viehmärkte der weiteren Umgebung von Ottobeuren. 1809/10 wurden immerhin in Ottobeuren 345 Stück Vieh verkauft gegenüber nur 230 in oder 150 in 25). Weitere Angaben über den Viehmarkt, seine Entwicklung und sein Ende, sind jedoch nicht zu finden, wenn man von gelegentlichen Anzeigen der Viehhändler im Ottobeurer Wochenblatt absieht, wie z.B. der Ankündigung eines Transportes schwerträchtiger Rinder für den Markt am Donnerstag, den 1.3.1900.

Im Gegensatz zum Wochenmarkt hat sich der Jahrmarkt bis zur Gegenwart erhalten. Zu den beiden seit alters bestehenden Jahrmarktterminen im Mai und September kam im vorigen Jahrhundert sogar noch ein dritter hinzu, der Martinimarkt, der aber nie die wirtschaftliche Bedeutung der beiden anderen Jahrmärkte erreichte. Es handelte sich dabei mehr um

______24) Vgl. Borchert Chr., a.a.O., S. 40 f. 25) Montgelas’sche Gütererhebung, Bayerische Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung - 67 -

einen Vergnügungstag für die jugendlichen Viehhirten, die um diese Zeit ihren Dienst beendet hatten und für die der Besuch dieses Marktes gleichsam mit zur Belohnung gehörte. Mit den „Hütebuben“ verschwand auch der Martinimarkt. Die wirtschaftliche Bedeutung der übrigen Markttage ist nur noch gering. Die Anzahl der Verkaufsstände sank in den letzten 10 - 15 Jahren um die Hälfte auf etwa 40 - 50. Der Grund dafür ist weitgehend wiederum in der zunehmenden Motorisierung der ländlichen Bevölkerung zu sehen, wodurch es zu jeder beliebigen anderen Zeit möglich ist, das Benötigte erst im Bedarfsfalle zu besorgen. Außerdem wird heute ein Hauptverkaufsartikel auf dem Jahrmarkt, nämlich Arbeitskleidung für die ländliche Bevölkerung, in großem Ausmaß von Hausierern direkt auf den Dörfern verkauft. Erhalten hat sich im Großen und Ganzen lediglich der Volksfestcharakter des Jahrmarktes. Bezeichnenderweise wurde jedoch der Vergnügungspark mit seinen Schaukeln, Schießbuden usw. vom Marktplatz auf einen entlegeneren Platz verwiesen, ein Schicksal, das auch den Verkaufsständen droht. Ottobeuren ist daran, seinen Charakter als ländlicher Marktort, für den der Jahrmarkt nicht zuletzt als Manifestation seiner zentralen Stellung ein wichtiger Tag war, mehr und mehr aufzugeben zu Gunsten der neuen Entwicklung zum gepflegten Fremdenort.

f) Wirtschaftliche Beziehung zur Umgebung von Ottobeuren in der Gegenwart

Nun wäre es jedoch verfehlt, aus dem allmählichen Verschwinden der alten Markteinrichtungen auf ein völliges Erlöschen der wirtschaftlichen Verbindung des Marktortes mit seiner Umgebung zu schließen. Eine Verringerung der Intensität dieser Beziehungen muss freilich zugegeben werden. Wie oben erwähnt, trat zunächst eine Verkleinerung des Ergänzungsgebietes von Ottobeuren ein als Folge der Säkularisation und der um die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnenden Ämterverlegung nach Memmingen. Das Gebiet, das sich dann bis zur Jahrhundertwende als Ergänzungsgebiet herausgebildet hatte, kann jedoch mit einigen Einschränkungen auch heute noch als solches bezeichnet werden. Allerdings ist, vor allem seit dem Ende des 2. Weltkrieges, eine zunehmende Abwanderung des Verbrauchs

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nach Memmingen oder größeren Städten zu beobachten, die natürlich vor allem die Ottobeurer Einzelhändler betrifft. Im Übrigen kann aber nicht von einem Erlöschen der wirtschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen Ottobeuren und seiner Umgebung die Rede sein, sondern lediglich von einer Änderung der Form dieser Beziehungen.

So verarbeiteten z.B. in der Vergangenheit viele Bauern entweder selber oder später in örtlichen Molkereien Milch, die immer mehr zu einem Haupterzeugnis ihrer Betriebe wurde, zu Butter und Käse. Diese Produkte wurden ursprünglich auf dem Ottobeurer Wochenmarkt, später auf dem Umweg über den Händler bzw. über die Molkerei beim Einzel- oder Großhändler in Ottobeuren zentral angeboten oder an Weiterverarbeitungsbetriebe verkauft. 1918 entstand in Ottobeuren eine Verwertungsgesellschaft für Milchprodukte, die aus fast sämtlichen Molkereien der näheren Umgebung frisch bereiteten Käse bezog, in ihrem Betrieb weiter verarbeitete und die Fertigware dann in Ottobeuren und auswärts unter der Bezeichnung „Günztaler“ absetzte. Heute unterhält die Firma nur noch ein Fertiglager, Hauptabsatzgebiet ist neben dem Allgäu selber vor allem das altbayerische Gebiet 26). Als weiterer Käseverarbeitungsbetrieb entstand 1931 das Käseschmelzwerk Krumm. Das Rohmaterial, Käse, der zu Schmelzkäse verarbeitet wird, kommt bei diesem Werk allerdings nur zu einem kleinen Teil aus der nahen Umgebung, aus Hawangen, im Übrigen aus dem sonstigen Allgäu, vor allem Kempten 26). Engere Beziehungen zwischen dem Marktort und der unmittelbaren ländlichen Umgebung finden wir bei der 1923 gegründeten Zentralmolkerei, der sich 1936 auch die Molkerei des oberen Marktes anschloss. Die Firma verarbeitet pro Tag je nach Jahreszeit bis zu 38.000 Liter Milch. Diese kommt aus Ottobeuren selber, ferner aus den umliegenden Orten Kuttern, Bibelsberg, Langenberg, Betzisried, Karlins, Guggenberg, Günzegg, Niebers und Niederdorf. Aus den ehemaligen Käsküchen dieser Orte wurden Milchsammelstellen, von welchem die von den Bauern angelieferte Milch mit einem Lastwagen des Verarbeitungsbetriebes abgeholt wird. Die Firma dient der Milchversorgung von Ottobeuren und beliefert teilweise die örtlichen Einzelhändler

______26) Nach Auskunft der Betriebsleitung - 69 -

und Beherbergungsbetriebe mit Markenbutter, Käse und Sahne, Haupterzeugnis ist jedoch Trockenmilch, die vorwiegend von Süßwaren-Industriebetrieben in ganz Deutschland bezogen wird (s. Anm. 26).

Ähnlich wie bei der Milch liegen die Verhältnisse auch bei den anderen Produkten der Landwirtschaft. Lieferten einst die Bauern ihr Schlachtvieh auf dem Umweg über den Viehmarkt an die Metzger und Gastwirte oder an den Haushalt des Klosters, so gehen heute die Viehaufkäufer zweier Ottobeurer Fleischfabriken hinaus in die Betriebe, um das nötige Schlachtvieh einzukaufen oder die Bauern bieten es direkt beim Metzger an. So bezieht z.B. die Firma Micheler, die neben der Versorgung eines Teils der Ottobeurer Bevölkerung mit Frischfleisch und Wurstwaren ihre Produkte in ganz Bayern und Württemberg absetzt, das Schlachtvieh hauptsächlich aus dem Landkreis Memmingen, vor allem aus dem südlichen und östlichen Teil, also dem Ergänzungsgebiet von Ottobeuren (s. Anm. 26).

Mehl beziehen die Einzelhändler heute, in entsprechenden Mengen fertig verpackt, von den Großmühlen. Dagegen liefern die Mühlen des Nachbarortes Frechenrieden und die Obere Mühle zu Ottobeuren, die ihrerseits auch aus benachbarten Orten Getreide beziehen, Mehl an einige Bäckereien in Ottobeuren. Umgekehrt übernehmen Ottobeurer Bäckereien die Versorgung anderer Orte der Umgebung mit Brot (s. Anm. 26). Braugerste kommt, soweit das vorliegende Angebot ausreicht, ebenfalls aus umliegenden Orten. Andererseits sind die meisten Gastwirte der Umgebung Bierabnehmer der Fa. Bürger- und Engelbräu, Memmingen, die in Ottobeuren einen Zweigbetrieb unterhält, sowie der Hirsch-Brauerei/Ottobeuren, die Bier an Gaststätten in Memmingen, , Engetried, Ronsberg, Ollarzried, Obergünzburg, Untrasried, Waizenried, Haldenwang, Dietmannsried, Grönenbach,,Zell, , , , Hawangen, Benningen u.a. liefert (s. Anm. 26).

Auch ein Teil der Eier für Gaststätten, Pensionen und Private kommt, teils über den Händler, teils direkt vom Erzeuger aus der ländlichen Umgebung.

Nach dem Ergebnis einer Umfrage bei 25 Einzelhandels- und Handwerksbetrieben bildet der Anteil der auswärtigen Kunden

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noch einen spürbaren Prozentsatz der Käufer. An der Spitze stehen dabei die Filialorte der Pfarrei und einige zusätzliche Weiler in günstiger Lage zu Ottobeuren 27). Ferner dürfen zum gegenwärtigen- Gebiet noch gerechnet werden die Gemeinden Frechenrieden, Attenhausen, Markt Rettenbach, Ollarzried, Böhen, Hopferbach, Hawangen, Engetried, in geringerem Umfang Lachen und in sehr geringem Ausmaß noch einige weitere Gemeinden. Je nach der Branche ist bei den einzelnen Betrieben die Grenze des Einzugsgebietes enger oder weiter zu ziehen, am engsten erwartungsgemäß bei den Lebensmittelgeschäften, da sämtliche Pfarrdörfer der Umgebung selber meist mehrere Kolonialwarengeschäfte haben.

Verwaltungsgrenzen waren zweifellos auch nach der Säkularisation, als kein Marktzwang nach Ottobeuren mehr bestand, für die Wirtschaftsverhältnisse vor allem der Ottobeurer Einzelhändler nicht unwichtig. Die Existenz des Landgerichtes bzw. Amtsgerichtes und des Finanzamtes sicherte dem Ort einen Parteiverkehr und damit teilweise auch einen Kundenkreis aus einem größeren Umkreis als dem heutigen Ergänzungsgebiet. Teilweise waren aber diese Orte, die Ottobeuren mit dem Verlust der Behörden verloren gingen, auch vorher aufgrund ihrer geographischen Lage wirtschaftlich zugleich weitgehend mit Memmingen verbunden. Bessere Verkehrsverhältnisse nach Memmingen als nach Ottobeuren wurden für eine Reihe von Orten zusätzlich zu den besseren Straßen durch den Bau der Bahn München/Augsburg - Buchloe - Memmingen geschaffen. Die großen Dörfer Sontheim und Ungerhausen sind heute sogar Haltestellen für Eilzüge. Auch die im Jahre 1900 eröffnete Bahnlinie Ottobeuren - Memmingen brachte die Ottobeuren benachbarten Orte Hawangen und vor allem Westerheim weniger Ottobeuren näher als Memmingen. Ähnlich wie die Bahn förderte später die Eröffnung von Omnibuslinien eine verstärkte zusätzliche Verknüpfung der Umgebung von Ottobeuren und nicht zuletzt von Ottobeuren selber mit der Kreisstadt Memmingen. So verbindet z.B. eine täglich mehrmals verkehrende Buslinie Ottobeuren über Hawangen mit Memmingen, einmal wöchentlich auch Markt Rettenbach, das außerdem je einmal wöchentlich Busverbindung nach Mindelheim und nach Obergünzburg hat. Damit ha-

______27) s. S. 53 f.

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ben ebenfalls Anschluss an Obergünzburg die Gemeinden Engetried und Ronsberg. Ferner besteht eine Omnibuslinie zwischen Böhen und Memmingen über Wolfertschwenden einmal wöchentlich. Hopferbach hat Omnibus- Anschluss an Obergünzburg. Weiter gefördert wird diese Entwicklung durch die zunehmende Motorisierung aller Bevölkerungsschichten. Es bedeutet heute keinen allzu großen Zeitverlust mehr, mit dem Auto oder Motorrad 20-80 km zu fahren, um in Memmingen, Kempten oder Augsburg für teure Anschaffungen eventuell eine bessere Auswahl zu haben. Trotz dieser Entwicklung kann jedoch nach dem eindeutigen Ergebnis der Umfrage die Umgebung von Ottobeuren innerhalb der angegebenen Grenzen infolge der noch vorhandenen wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen als Ergänzung von Ottobeuren bezeichnet werden, wenn auch die Intensität dieser Beziehungen nachlässt, was in seiner Auswirkung freilich einer Verkleinerung des Hinterlandes gleichkommt.

Wenn dennoch die Ottobeurer Kleinhandelsbetriebe ihren Betrieb im Laufe der letzten 10-20 Jahre weiter ausbauen oder modernisieren konnten, so muss daraus geschlossen werden, dass die ländliche Umgebung für den Einzelhandel in Ottobeuren gar nicht mehr die gleiche Rolle spielt wie früher. Das trifft insofern zu, als sich die Einwohnerzahl von Ottobeuren gegenüber dem Vorkriegsstand fast verdoppelte, während die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte bei weitem nicht im selben Verhältnis zunahm. Neuerdings macht sich auch die zunehmende Intensität des Fremdenverkehrs bemerkbar, vor allem des Kurbetriebes, und zwar unmittelbar beispielsweise in Schuhgeschäften (Kneipp-Sandalen), Schreibwaren-, auch Uhren- und Schmuckgeschäften, Drogerien etc., mittelbar natürlich vor allem in den Zulieferbetrieben für Gast- und Beherbergungsbetriebe. Im Allgemeinen lässt sich also feststellen, dass eine zweifellos vorhandene, gegenüber der Vorkriegszeit verstärkte, Hinwendung zu größeren Handelszentren überlagert und in den meisten Fällen mehr als ausgeglichen wird durch eine infolge der Bevölkerungszunahme, und durch den Fremdenverkehr erfolgte Vergrößerung des Kundenkreises in Ottobeuren selber. 1937 trafen auf 100 Einwohner 3,8 Einzelhandelsgeschäfte, 1965 dagegen nur noch 2,5.

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g) Handwerk und Industrie in Ottobeuren

Lenken wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Handwerksbetriebe, so ist zunächst festzustellen, dass Ottobeuren durch die Säkularisation keineswegs zu einem großen Bauerndorf wurde. Das war schon deshalb nicht möglich, weil überhaupt nicht so viel Boden vorhanden gewesen wäre, um aus den zahlreichen Handwerkern und Häuslern Bauern zu machen. Das war aber auch nicht nötig, da bei aller Verschlechterung der Wirtschaftslage, die nicht bestritten werden soll, durch den Weiterbestand der Behörden gewisse zentrale Funktionen erhalten blieben. So hat sich, wie sich an zahlreichen Beispielen ebenfalls nachweisen lässt 28), „die gewerblich-handwerkliche Struktur des Ortes“ bis zum 2. Weltkrieg beinahe unverändert erhalten und ist auch heute noch deutlich erkennbar. Manche der alten Handwerksbetriebe blieben bis zur Gegenwart sogar in derselben Familie erhalten. So waren z.B. die Vorfahren des Uhrmachermeisters Mahler schon vor 170 Jahren als Hof-Uhrmacher in Ottobeuren tätig; die Schlosserei Plersch wird ebenfalls schon im Kataster von 1836 unter dem gleichen Namen erwähnt. Manche der Handwerksbetriebe haben sich bis zur Gegenwart in fast der gleichen Anzahl erhalten, obwohl der Ort sich um ein Mehrfaches vergrößerte. Tabelle 9 bringt einige Beispiele dafür:

Tabelle 9: Ottobeurer Handwerksbetriebe, 1814 - 1965 (Auswahl) 29)

1814 1828 1937 1965 Bäcker (17) 7 8 8 Metzger (7) 4 4 4 Schmied 3 3 3 1 Schlosser 3 - 3 3 Wagner 3 - 3 3 Hafner 3 2 2 1 Maurermeister 1 - 2 (Baugesch.) 3 Apotheke 1 1 1 2

______28) Vgl. Fehn H., Die Entwicklung der Seeoner Kulturlandschaft seit 1800, Mitt. Geogr. Ges. München, Bd. 42, 1957, S. 66 Vgl. Schlittmeier A., Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Säkularisation in Niederbayern, S. 129 29) StNRA Gewerbesteuerkataster 1814; StN Bez. Memmingen 241; Gemeindearchiv Ottobeuren, Gewerbeverzeichnis 1937; Gewerbekartei der Gemeinde Ottobeuren

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Das im Staatsarchiv Neuburg erhaltene Gewerbeverzeichnis von 1828 ist offensichtlich nicht vollständig, da einige Gewerbe, deren Existenz als sicher angenommen werden muss, wie etwa Schuster oder Wagner, dort nicht genannt werden. Eine auffallende Unruhe zeigt sich zum Teil in den beiden ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, was wohl als eine Auswirkung der Säkularisation angesehen werden muss. Ein Beispiel dafür bietet das Braugewerbe. Am 27.1.1803 gab es in Ottobeuren vier Wirte, die selber brauten 30); 1814, nachdem also der für manche Wirte bestehende Zwang, Bier von der Klosterbrauerei zu beziehen, weggefallen war, zählen wir 6; 1828 waren es 5. Krämer gab es in Ottobeuren 1814 zwölf, 1828 dagegen nur sieben. Über die Weiterentwicklung der Gewerbebetriebe fehlen genaue Unterlagen 31), sodass ein Vergleich der Jahre 1828 und 1937 natürlich nur mit Vorbehalten möglich ist, da er ja keineswegs darüber etwas aussagt, ob in der langen Zeitspanne von 110 Jahren nicht weitere Schwankungen auftraten.

Unbeschadet der in Tabelle 9 aufgezeigten Beispiele für eine auffallende Beständigkeit bei manchen Betrieben trat im Allgemeinen doch eine weitgehende Differenzierung der Gewerbestruktur zu Tage. Technische Fortschritte, Änderungen der Wirtschaftsweise oder der Struktur des Ortes lassen alte Berufe verschwinden und neue entstehen. So waren auch in Ottobeuren manche Handwerksbetriebe zum Untergang verurteilt, soweit sie nicht in der Lage waren, sich in einer neuen Zeit durch Änderung ihrer Arbeitsweise oder ihre Produktion den Bedürfnissen ihrer Umgebung, von der sie lebten, anzupassen. So kann es beispielsweise in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Ottobeuren keine Strumpfwirker mehr geben, während 1814 noch 5 als solche ihren Lebensunterhalt verdienten. Wohl aber wäre es denkbar, dass ihre Nachkommen heute Inhaber eines Textilgeschäftes sind. Ein Beispiel aus der neueren Zeit bietet der Beruf des Sattlers. Das Ottobeurer Gewerbeverzeichnis von 1937 nennt unter der Bezeichnung Sattlerei 3 Betriebe. 1965 finden wir in der Gewerbekartei von denselben 3 Betrie-

______30) StN Reg. 2277 31) Ein großer Teil des Gemeindearchivs Ottobeuren wurde 1945 durch ehemalige Zwangsarbeiter vernichtet.

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ben den einen unter der Bezeichnung „Sattlerei und Raumgestaltung“, die beiden anderen als „Polsterei und Tapeziererei“. Fast alle Handwerksbetriebe sind längst zum Verkauf von Fertigwaren übergegangen. Neben der Werkstatt steht seit langem der Laden, der sich oftmals gegenüber der Werkstatt mehr und mehr in den Vordergrund schiebt. Das Gewerbeverzeichnis 1937 nennt drei Schmiedewerkstätten und zwei Eisenwarengeschäfte, zusammen fünf Betriebe; das von 1965 eine Schmiede mit Eisenwarenverkauf und vier Eisenwarengeschäfte, zusammen fünf Betriebe. 1937 zählte man in Ottobeuren noch acht selbstständige Schuhmacher ohne Geschäft, 1965 noch drei; die Zahl der Werkstätten mit Schuhgeschäft änderte sich dagegen nicht.

Einigen Handwerksbetrieben gelang der Ausbau zur kleinen Fabrik. Wichtigstes Beispiel dafür ist die aus einer Schmiede hervorgegangene Maschinenfabrik Martin. Baugeschäfte mit einer großen Beschäftigtenzahl begannen vor 100 bzw. 60 Jahren als kleine Betriebe mit 10 - 15 Beschäftigten. Neue Betriebe ließen sich nieder, in nennenswertem Umfang jedoch erst nach dem 2. Weltkrieg. 1937 zählt das örtliche Gewerbeverzeichnis 196 Betriebe auf. Ungefähr gleich viele waren es schon 1814. Bis 1965 erhöhte sich ihre Zahl jedoch auf 242. Tabelle 10 bringt einen vergleichenden Überblick über Handel, Handwerk und Industrie in Ottobeuren 1937 und 1965.

Tabelle 10: Gewerbeverzeichnis von Ottobeuren 1937 und 1965 32)

1937 1965

Lebensmittel 12 20 Reformhaus - 1 Bäckerei 8 8 Brothandel - 1 Konditorei (+ Café, Wachswaren etc.) 2 4 Metzgerei/Fleischfabrik 4 4 Milchprodukte (Verarb. oder Verkauf) 4 4 Brauerei 2 2 Mälzerei - 1

______32) Gemeindearchiv Ottobeuren, Gewerbeverzeichnis 1937 Gemeindeverwaltung Ottobeuren, Gewerbekartei - 75 -

1937 1965

Flaschenbierhandel - 1 Limonaden (Herstellung/Verkauf) - 2 Brennerei 1 1 Spirituosen/Rauchwaren 2 2 Gärtnerei 3 3 Gaststätten/Cafés/Pensionen/Kurheime 18 27 Apotheke 1 2 Drogerie 1 1 Foto 1 2 Kino 1 1 Friseur 5 6 Fuß- und Handpflege - 1 Ronabad - 1 Desinfektor - 1 Textil 8 12 Schneider (-innen) 20 14 Weißnäherei 4 1 Modistin 3 2 Strickerei - 1 Kunststrickerei - 1 Kleinbekleidungsfabrik - 2 Handschuhfabrik - 1 Betten/Betten-Reinigung 1 2 Steppdeckennäherei - 1 Wäscherei 1 1 Bügelanstalt 1 2 Chemische Reinigung - 1 Knopffabrik - 1 Gerberei 3 1 Lederfabrik - 1 Kürschnerei - 1 Lederhandschuhfabrik - 1 Schuhe (Reparatur und Verkauf) 12 7 Sattlerei, Polsterei, Tapeten 3 3 Schirme (Reparatur und Verkauf) 2 1 Korbwaren (Herstellung und Verkauf) 2 1 Bürsten (Herstellung und Verkauf) 3 - Rechenmacher 1 - Sägewerk 3 3 Kistenmacher 1 1 Schreinerei (und Verkauf) 7 7 Wagnerei 3 3 Zimmerei 2 2 Baugeschäft 2 3 Steinmetz 2 2 Maler (und Verkauf) 6 6 Kirchenmaler/Restaurator 2 2 Schmiede/Eisenwaren/Kohlen 4 4 Spenglerei/Eisenwaren 1 1 Sanitäre Installationen - 1 Maschinenbau 1 4 Schraubenfabrik - 1

- 76 -

1937 1965

Fahrräder/mech. Werkstätten/Auto/ Mietauto/Landmaschinen/Tankstelle 6 7 Spedition/Güternahverkehr 1 4 Schlosserei 2 2 Schlosserei und Herdfabrik 1 1 Hafnerei/Töpferei/Fliesenleger 2 2 Kaminkehrer 1 1 Glaserei (und Verkauf) 2 1 Elektrowerkstatt (und Verkauf) 3 2 Landwirtschaftliches Lagerhaus 1 2 Viehhandel 5 3 Immobilien 1 - Spielwaren (Herstellung/Verkauf) 1 3 Uhren/Schmuck 2 2 Buchdruckerei/Schreibwaren 2 3 Küferei 2 1 Wirtschaftsbüro - 1 Banken 3 3

Die Zunahme der Betriebe ist in erster Linie auf die Ansiedlung einiger Industriebetriebe und auf die Förderung des Fremdenverkehrs zurückzuführen.

Unter den Industriebetrieben muss an erster Stelle die Maschinenfabrik Martin genannt werden, die 1922 in Benningen gegründet wurde und sich seit 1930 in Ottobeuren aus einer Schmiede zum größten Industriebetrieb des Ortes entwickelte. Die Firma beschäftigte 1930 6 Personen 1938 26 Personen 1945 ca. 30 Personen 1950 ca. 100 Personen 1965 ca. 180 Personen

Der Betrieb begann zunächst mit der Herstellung einfacher Schreinereimaschinen und Jauchepumpen. Von 1935 - 1949 wurden, mit Unterbrechungen während der Kriegszeit (Rüstungsindustrie), anstelle der Jauchepumpen Schlepper hergestellt, seit 1949 wieder Schreinereimaschinen und Kolbenpumpen. Der Absatz an Pumpen geht hauptsächlich ins Allgäu, den Schwarzwald und Oberbayern. Die modernen Schreinereimaschinen werden zu 60 - 70% zerstreut in der ganzen Bundesrepublik, zu 25% im westlichen Europa, der Rest in Übersee (USA und Australien) verkauft 33).

______33) Auskunft der Betriebsleitung - 77 -

Das Herstellungsprogramm der Firma Berger enthält nur Drehteile für die elektrotechnische Industrie, Maschinenbau, fototechnische Industrie Autoindustrie usw. – Der Betrieb wurde 1955 in Kaufbeuren-Neugablonz gegründet und 1957 nach Ottobeuren verlegt. Die Beschäftigtenzahl stieg seit dieser Zeit von 15 auf 40. Hauptabnehmer sind Industriebetriebe in Augsburg, München, Nürnberg und Düsseldorf. Mehr als aus der Zahl der Arbeitsplätze lässt sich die Bedeutung des Betriebes für Ottobeuren vielleicht aus dem Umsatz entnehmen, der 1965 ca. 2,4 Mill. betrug (s. Anm. 33).

Fast nur weibliche Arbeitskräfte finden bei der Firma Kunerth Beschäftigung, einer Fabrik für Kinderbekleidung. Der Betrieb entstand 1950 als Unternehmen eines Heimatvertriebenen in Markt Rettenbach und wurde 1958 nach Ottobeuren verlegt. Beschäftigtenzahl beträgt z.Zt. einschließlich der ca. 55 Heimarbeiterinnen rund 100. Der Versand geht in alle Gebiete der Bundesrepublik. Bei weitem nicht alle Aufträge können angenommen werden. Der Leistungsfähigkeit dieses und anderer Betriebe in Ottobeuren sind somit Grenzen gesetzt durch den Mangel an Arbeitskräften (s. Anm. 33). Nicht zuletzt diese Tatsache führte bei einer Reihe von Betrieben zu möglichst weitgehender Automation, sodass die Zahl der Beschäftigten trotz vielfacher Umsatzsteigerung gegenüber der Vorkriegszeit sich nicht nennenswert änderte. Als Beispiel dafür seien das Käseschmelzwerk Krumm mit nur etwa 10 Beschäftigten 1938 und 1965, oder die Fleischfabrik Micheler mit ca. 60 beschäftigten 1938 und 1965 aufgeführt (s. Anm. 33).

Als Arbeitgeber stehen den Industriebetrieben an Bedeutung nicht nach die beiden großen Baufirmen Filgis und Maier. Tabelle 11 zeigt die Entwicklung der Beschäftigtenzahl bei der Firma Filgis.

Tabelle 11: Entwicklung der Beschäftigtenzahl der Baufirma Filgis/Ottobeuren (s. Anm. 33)

Jahr Beschäftigte 1810 10 1900 15 1920 40 1939 50 1965 120 (mit Filiale Altusried 200)

- 78 -

Auch bei Betrachtung der Industriebetriebe und Baufirmen lässt sich wieder die Reichweite des Einflusses von Ottobeuren auf seine Umgebung erkennen. Aus demselben Gebiet, das oben als Ergänzungsgebiet von Ottobeuren abgegrenzt wurde, kommen die Einpendler der einzelnen Betriebe. Die meisten Einpendler beschäftigt die Maschinenfabrik Martin mit 80 - 90 (= 50 % der Belegschaft). Sie kommen aus einem Umkreis von rund 10 km, und zwar vor allem aus der östlichen, von Memmingen also weiter entfernten Umgebung von Ottobeuren. Eine Gegenüberstellung der Ein- und Auspendler bringt Tabelle 12:

Tabelle 12: Ein- und Auspendler nach und von Ottobeuren 34)

Jahr Einpendler Auspendler 1939 76 64 1950 150 101 1961 137 59 1963 254 188

h) Die Entwicklung der Landwirtschaft

Hauptfunktion von Ottobeuren war es, wie mehrfach betont wurde, Mittelpunkt des Herrschaftsgebietes, Umschlagplatz für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Bauern aus dem Herrschaftsgebiet bzw. für die Gült- und Zehenteinkünfte des Klosters. Deshalb finden wir auch in Ottobeuren das für alle Kloster- und überhaupt alle Herrschaftsorte typische Überwiegen von Handwerk und Gewerbe über die Landwirtschaft. Der weitaus größte Teil des Bodens wurde von Handwerkern oder Lohnempfängern nur nebenher bewirtschaftet als Klein- oder Kleinstbetrieb. Zwar gab es neben den vielen Kleinbetrieben auch Mittelbetriebe von 30 - 60 Tagwerk; aber die allermeisten Landwirte besaßen nicht so viel Land, dass sie davon leben konnten. Die wenigen mit größerem Grundbesitz mussten übrigens auch nicht ausschließlich davon leben, denn gerade mit diesem größeren Grundbesitz war meist auch ein größerer Ge-

______34) Bayer. Staatl. Landesamt, Gemeinde- und Kreisstatistik 1939, 1950, 1961; Gemeindeverwaltung Ottobeuren, 1963

- 79 -

werbebetriebe verbunden. Das lässt sich leicht dem Kataster von 1836 entnehmen, das den 1830 aus dem zertrümmerten Klostergut erworbenen Grundbesitz getrennt vom übrigen Grundbesitz aufführt und so auch die Besitzverhältnisse um 1800 wenigstens annähernd erkennen lässt. Demnach waren die größten landwirtschaftlichen Betriebe, vom Klosterhof abgesehen, folgende:

Lammwirt 24 Tagwerk 89 Dezimal Sägmühle 30 Tagwerk 61 Dezimal Adlerwirt 39 Tagwerk 23 Dezimal Untere Mühle 50 Tagwerk 55 Dezimal Obere Mühle 54 Tagwerk 15 Dezimal

Dazu kommen noch je einige Tagwerk in auswärtigen Gemeindefluren. An dieser Struktur der Landwirtschaft konnte auch die Aufteilung des Klosterhofes nicht allzu viel ändern, da nicht weniger als 120 Käufer (1830) berücksichtigt werden mussten. Die starke Zerstückelung des Klostergutes geschah in der guten Absicht, einem möglichst weiten Bevölkerungskreis eine gewisse Entschädigung für den Verlust anderer Einnahmequellen zukommen zu lassen. Tatsächlich kam auch, wie aus dem Grundsteuerkataster von 1836 zu entnehmen ist, die Hauptmasse des Klostergutes an die zahlreichen Kleinbetriebe, aber wegen deren hoher Anzahl eben jeweils so wenig, dass der Zwergbetrieb ein Zwergbetrieb blieb, sodass die Struktur der Größenklassen sich nicht wesentlich änderte, wie aus Tabelle 13 zu entnehmen ist.

- 80 -

Tabelle 13: Größenklassen der landwirtschaftlichen Betriebe vor und nach dem Verkauf des ehemaligen Klostergutes 35)

Betriebsgröße Betriebe______(in Tagwerk) vor Verkauf des Klostergutes 1836 0 - 1 21 20 1 - 3 44 37 3 - 6 85 83 6 - 10 63 69 10 - 15 17 23 15 - 22 ½ 7 5 22 ½ - 30 3 4 30 - 45 2 3 45 - 60 2 2 244 246 36)

Die Zahl der Betriebe in den Größenklassen 1 - 6 Tagwerk verringerte sich zwar etwas zu Gunsten der nächstfolgenden Größenklassen 6 - 15 Tagwerk, doch blieb die erstgenannte Gruppe auch jetzt noch die stärkste. Außerdem liegen in der Größenklasse 6 - 10 Tagwerk die meisten Betriebe näher bei 6 als bei 10 Tagwerk. Ein Betrieb von weniger als ca. 20 Tagwerk Wirtschaftsfläche konnte selbst bei großer Anspruchslosigkeit keine ausreichende Existenzgrundlage für eine Familie bieten. So blieben diese Kleinbauern nach wie vor auf einen Nebenverdienst angewiesen. Man könnte in diesem Zusammenhang an das bekannte Beispiel des heute für Ottobeuren bedeutend gewordenen Pfarrers Sebastian Kneipp denken, dessen Familie im benachbarten Weiler Stephansried im Keller ihres Hauses einen Webstuhl hatte, der zusammen mit den mageren Erträgnissen einer kleinen Landwirtschaft der Familie kaum das Existenzminimum sicherte.

______35) Zusammengestellt nach dem Kataster von 1836, StNRA Ottobeuren 36) 2 Betriebe wurden aus Grundstücken des Klostergutes neu gebildet im Zusammenhang mit dem Verkauf der Klosterbrauerei und der Hofmetzgerei. Die im Besitz des Bayerischen Staates verbliebenen Grundstücke sind in der Tabelle nicht berücksichtigt. - 81 -

An den ungünstigen Verhältnissen konnte auch die „Bauernbefreiung“ nichts ändern. Der Grundentlastung brachten die Söldner und Bauern von Ottobeuren zunächst wenig Verständnis entgegen, obwohl sie doch letztlich in mancherlei Hinsicht Vorteile mit sich bringen musste. Ausdrücklich wird von den staatlichen Behörden in Ottobeuren 1807 über diese ablehnende Haltung Klage geführt 37). Vielen erschien die Ablösungssumme zu hoch. Will man verschiedene Klagen der Bauern ernst nehmen, so entsprach diese tatsächlich in manchen Fällen nicht der augenblicklichen Leistungsfähigkeit der Betriebe, sodass sie verschuldeten. So kann man in verschiedenen Erklärungen folgende Sätze lesen: „Zumal wir durch die Ablösung des Obereigentums größtenteils in sehr üble Vermögensverhältnisse gekommen sind …“ oder: „Durch diese uns gleichsam aufgezwungene Ablösung kamen wir in solch erhöhte große Lasten“ 38).

Tatsache ist, dass so mancher kleine Landwirt seinen Besitz nicht halten konnte, was aus Konkursanzeigen im Ottobeurer Wochenblatt zu entnehmen ist. Möglicherweise wollte auch eine Anzahl von Handwerkern und Gewerbetreibenden ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz nicht mehr länger behalten, nachdem sich die Wirtschaftsverhältnisse in der Mitte des Jahrhunderts etwas normalisiert hatten. Sie wandten sich nach Möglichkeit wieder stärker ihrem Gewerbe zu. So ergibt sich aus einem Vergleich der beiden Kataster von 1840 und 1852 ein sehr interessantes Bild.

______37) StNRA Ottobeuren 802 II 38) StNRA Ottobeuren 837 I

- 82 -

Tabelle 14: Landwirtschaftliche Bevölkerung in Ottobeuren 1840 und 1852 39)

1840 1852 Familien Seelen Familien Seelen

Nur von eigener Landwirtschaft 40 88 38 117 Lebende zugleich gewerbetreibende 259 969 46 167 Landwirte Taglöhner mit Grund- und 24 67 76 186 Hausbesitz Gesinde 118 89 323 1244 160 559

Hier treten Änderungen in der Landwirtschaft zu Tage, die im ersten Augenblick die Meinung aufkommen lassen, es handele sich um Zahlenmaterial aus allerneuester Zeit. Was in Ottobeuren heute zu beobachten ist, ist also keineswegs etwas Neues, sondern lediglich die Fortführung einer Entwicklung, die schon vor mehr als einem Jahrhundert begann. Während die Zahl der Voll- Landwirte in dem betrachteten Zeitabschnitt von nur zwölf Jahren sich nicht besonders auffallend änderte, lässt sich eine enorme Abnahme der mit einem Gewerbebetrieb verbundenen Anwesen einerseits und eine dreifache Vergrößerung der Anzahl der Taglöhnerfamilien andererseits beobachten. Würde es sich dabei nicht um eine auch andernorts beobachtbare Erscheinung handeln 40), so wäre man versucht, zumal sich die Gesamtbevölkerung nach diesen Angaben mit über 1660 doch ziemlich stark unterscheidet von den Angaben aus den Jahren 1828 und 1852, wonach die Bevölkerungsquote jeweils unter 1500 lag. Außerdem fällt auf, dass den 40 Bauernfamilien nur 88 Personen entsprechen sollen. Aber selbst wenn gewisse Vorbehalte am Platze sein sollten, so ist damit doch keineswegs eine noch vor der Jahrhundertmitte einsetzende Änderung der Besitzstruktur und damit auch der Wirtschafts- und Sozialstruktur

______39) Kataster der Ortschaften, der Bevölkerung und der Gebäude in dem Landgerichtsbezirk Ottobeuren 1840 und 1852; Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung 40) Schlittmeier A., a.a.O., S. 126 - 83 -

zu verkennen. Ein Vergleich des Grundsteuerkatasters von 1836 mit dem renovierten Grundsteuerkataster von 1852 lässt bereits zu jener Zeit den Beginn einer - vom Standpunkt des heutigen Betrachters aus gesehen - durchaus gesunden Entwicklung der landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse erkennen, die wir heute als Gesundschrumpfung bezeichnen. Genaueren Einblick in die Veränderung der Besitzverhältnisse in den genannten Jahren gibt Tabelle 15:

Tabelle 15: Landwirtschaftlicher Grundbesitz in Ottobeuren 1836 und 1852 nach Besitzgrößenklassen 41)

Betriebsgröße Betriebe Zu-(Ab-)nahme (in Tagwerk) 1836 1852 in %

0 - 1 20 50 + 30 1 - 3 37 43 + 6 3 - 6 83 61 - 22 6 - 10 69 67 - 2 10 - 15 23 25 + 2 15 - 22 ½ 5 12 + 7 22 ½ - 30 4 2 - 2 30 - 45 3 3 +- 0 45 - 60 2 4 + 2 über 60 Eine besonders auffallende Abnahme tritt bei den Betrieben der Größenklasse 3 - 6 Tagwerk auf. Offensichtlich erwies sich ein Betrieb dieser Größenklasse auch als Nebenerwerbsbetrieb für viele nicht mehr als rentabel. So gaben sie ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz ab und wandten sich stärker dem Hauptberuf zu, sei es als Handwerker oder als Taglöhner. Das kommt deutlich zum Ausdruck in der sehr starken Zunahme des Grundbesitzes der kleinsten Größenklasse. Hier handelt es sich nicht mehr um landwirtschaftlichen Grundbesitz, sondern oftmals nur um einen kleinen Platz auf dem das Haus steht, vielleicht noch einen kleinen oder größeren Garten oder Hofraum oder um einen Krautgartenanteil. Lässt man also diesen nicht landwirtschaftlichen kleinen Grundbesitz von weniger als eineinhalb Tagwerk (0,5 ha) unberücksichtigt, wie es in Tabelle 17

______41) Zusammengestellt nach den Katastern von 1836 und 1852, StNRA Ottobeuren - 84 -

geschieht, so ist tatsächlich eine beachtliche Abnahme der Zwergbetriebe zu erkennen; lässt man gar den Grundbesitz von weniger als vier Tagwerk unberücksichtigt, so erhält man 160 Betriebe, was genau der Zahl der Familien entspricht, die nach dem Kataster der Ortschaften etc. von 1852 ganz oder teilweise von der Landwirtschaft lebten.

Tabelle 16: Grundbesitz in Ottobeuren 1852 42)

Besitz (Tagwerk) Besitzer 0 - 1,5 62 1,5 - 4 46 über 4 160

Man kann also annehmen, dass weniger als 4 Tagwerk Grundbesitz im Allgemeinen nicht mehr selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet wurden, soweit es sich nicht wie bei den 62 Grundbesitzern mit weniger als 1 ½ Tagwerk um so kleine Flächen handelt, dass sie ohnehin nur als Garten oder Hofraum benutzt werden konnten.

Von Interesse für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft sind vor allem die Betriebe mit mehr als 10 Tagwerk Wirtschaftsfläche. Die Besitzer dieser Betriebe waren an einer Vergrößerung ihres Betriebes interessiert, vor allem jene mit mehr als 15 Tagwerk Grundbesitz. Erst in neuester Zeit zeigt sich in Fortführung dieses „Gesundschrumpfungsprozesses“ auch eine Abnahme bei Betrieben dieser Größenklasse. Einigen Betrieben gelang durch Aufkauf von Grundstücken eine Vergrößerung des Betriebes auf über 45 bzw. sogar über 60 Tagwerk. Das Kloster trat zu dieser Zeit als Grundaufkäufer noch nicht in nennenswertem Ausmaß in Erscheinung. Sein Eigenbesitz umfasste 1852 nur 1 Tagwerk 96 Dezimal, eine 1842 erworbene Egarte. Da die Grundsteuerkataster über die Besitzverhältnisse, nicht aber über eventuell verpachtete bzw. gepachtete Grundstücke Auskunft geben, Pacht aber bei einer Reihe von Betrieben angenommen werden muss, geben die

______42) Nach dem renovierten Grundsteuerkataster von 1852, StNRA Ottobeuren

- 85 -

genannten Zahlen kein völlig genaues Bild von der Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in Ottobeuren.

Eine Weiterentwicklung der Besitzverhältnisse in der Landwirtschaft in der aufgezeigten Richtung spiegelt sich auch im Beispiel des neu entstehenden Klostergutes. Das 1834 errichtete Priorat, das 1852 noch keine 2 Tagwerk Eigenbesitz hatte, konnte bereits 1869 einen Besitzstand von 53 ½ Tagwerk aufweisen. 1919 war sein Besitz auf 107 Tagwerk, 1938 auf nahezu 143 Tagwerk angestiegen. Da zur selben Zeit auch die Anzahl der übrigen Mittelbetriebe zunahm, konnte diese Betriebsvergrößerung nur auf Kosten der Kleinbetriebe möglich sein. Einen Überblick über diese Entwicklung gibt Tabelle 17.

Tabelle 17: Entwicklung der Landwirtschaftsbetriebe in Ottobeuren 1836-1960 43)

Betriebsgröße (in ha) 1836 1852 1939 1950 1960 0,5 – 2 112 92 23 27 16 2 – 5 91 92 48 34 12 5 – 10 9 14 33 32 26 10 – 20 6 7 9 14 18 (10 - 30 ha) 20 – 50 - 1 4 3 ?? über 50 - - - 1 1 218 206 117 111 73

Seit 1960 verringerte sich nach Auskunft des Landwirtschaftsamtes Memmingen die Betriebszahl weiterhin um 16, sodass sich 1965 folgendes Bild ergibt:

0,5 – 5 ha 23 Betriebe 5 – 10 ha 19 Betriebe 10 – 100 ha 15 Betriebe

Nur teilweise wird der nicht mehr selbst bewirtschaftete landwirtschaftliche Grundbesitz verkauft. Vielfach wird zunächst nur verpachtet. So hatte beispielsweise das Kloster noch 1919 nur Staatsgründe in Pacht, seit der Wiedererrich-

______43) StNRA Grundsteuerkataster 1836, 1852 Bayerisches Statistisches Landesamt, Landwirtschaftsstatistik - 86 -

tung die gleiche Fläche von 13,068 ha. 1938 hatte sich die gepachtete Fläche auf 17,15 ha erhöht, 1963 schließlich auf 28,86 ha, wobei Grundstücke von 11 privaten Verpächtern nun vom Kloster bewirtschaftet werden. Von den 1960 vorhandenen 73 landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschafteten nur 26 ausschließlich eigenes Land, 1 nur gepachtetes Land. 46 Betriebe hatten zusätzlich zum Eigenbesitz Grundstücke gepachtet. Als Käufer oder Pächter treten neben Ottobeurer Landwirten auch Landwirte der benachbarten Weiler auf, soweit die Lage der Grundstücke einen solchen Kauf oder Pacht noch rentabel erscheinen lässt.

Günstigere Verdienstmöglichkeiten oder angenehmere Arbeitsbedingungen, Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft, hohe Anschaffungskosten für notwendig gewordene, im kleinen Betrieb jedoch nicht voll ausnutzbare und deshalb unrentable Maschinen, günstige Möglichkeiten von Baugelände am Ortsrand von Ottobeuren und andere von Fall zu Fall verschiedene Faktoren führen seit dem Ende des 2. Weltkrieges nun auch bei Mittelbetrieben vereinzelt zur ganzen oder teilweisen Aufgabe des Betriebes. Wie erwähnt, war ja größerer Landbesitz ohnehin meist mit einem größeren Gewerbebetrieb verbunden. Der Ausbau des Gewerbebetriebes führte dann leicht zur Aufgabe der Landwirtschaft. Beispiele für die Hinwendung zu vorhandenen oder völlig neuen Gewerbebetrieben bieten die Untere Mühle, deren Besitzer seit einigen Jahren nur mehr das Sägewerk betreibt, während die Mühle aufgegeben und die Landwirtschaft verpachtet wurde, oder das zurzeit modernste Kurheim in Ottobeuren, „Helenenbad“, das vor wenigen Jahren aus einem inzwischen völlig verschwundenen landwirtschaftlichen Anwesen hervorging. Der weiteren Abnahme der Kleinbetriebe dürfte, nach den gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnissen in Ottobeuren zu schließen, in Zukunft kaum noch eine nennenswerte Zunahme der Mittelbetriebe, sondern lediglich eine eventuelle Vergrößerung der vorhandenen Mittelbetriebe entsprechen.

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Betriebe spiegelt sich auch in der Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass eine Ver-

- 87 -

ringerung der Beschäftigtenzahl neben der Stilllegung von Betrieben auch der zunehmenden Mechanisierung zuzuschreiben ist. Bei einer Betrachtung des prozentualen Anteils der in der Landwirtschaft tätigen Erwerbspersonen an den Erwerbspersonen überhaupt ist auf jeden Fall eine auffallende Abnahme zu erwarten, da sich ja die Einwohnerzahl von Ottobeuren mit dem Einströmen der Heimatvertriebenen nach dem Krieg fast verdoppelte, wobei der neu hinzugekommene Bevölkerungsanteil naturgemäß im Allgemeinen von einer Beschäftigung in der Landwirtschaft ausgeschlossen bleiben musste.

Tabelle 18: In der Landwirtschaft beschäftigte Erwerbspersonen 44)

Jahr Erwerbspersonen Anteil in der Landw. d. ges.Erw.P. (in %)

1930 304 23,9 1950 315 17,5 1960 179 9,0

Von Interesse sind vor allem die beiden Angaben von 1950 und 1960, da in diesem Zeitabschnitt die Bevölkerungszahl sogar um etwa 300 zurückging und die abgewanderten Personen außerdem ohnehin nicht in der Landwirtschaft beschäftigte Erwerbspersonen waren, sondern großenteils Heimatvertriebene, die in Ottobeuren keine geeignete Beschäftigung finden konnten. Trotzdem nahm der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an den Erwerbspersonen überhaupt um weitere 8,5 % ab.

Dass ein beachtlicher Teil der landwirtschaftlichen Betriebe Nebenerwerbsbetriebe sind, zeigt sich auch darin, dass nach dem Ergebnis der Landwirtschaftszählung 1960 bei den vollbeschäftigten familieneigenen Arbeitskräften 83 weiblichen nur 62 männliche Arbeitskräfte gegenüber stehen, was erkennen lässt, dass in vielen Bauernfamilien der Mann einem anderen Beruf nachgeht, während die Frau den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet.

______44) Bayerisches Statistisches Landesamt, Bayerische Kreis- und Gemeindestatistik der angegebenen Jahre - 88 -

In der Flurform sind Lang- und Kurzstreifen und Blockflur vertreten. Jedoch tritt in neuerer Zeit eine Änderung zu Gunsten der Blockflur auf im Zusammenhang mit der Vergrößerung einzelner Betriebe, vor allem des Klostergutes und dem dadurch erleichterten Einsatz moderner Maschinen, wie z.B. eines Mähdreschers.

Die ursprüngliche Dreifelderwirtschaft wich längst einer verfeinerten Fruchtfolge. Eine starke Betonung des Getreideanbaues finden wir noch 1893. 185,5 ha Getreide, die sich aufgliedern in

5,0 ha Weizen 64,5 ha Spelz 22,0 ha Sommer-Roggen 13,0 ha Winter-Roggen 23,0 ha Winter-Gerste 58,0 ha Sommer-Gerste standen 57 ha Brachfrucht und 4 ha reine Brache gegenüber. Der Anteil der Hackfrüchte betrug dabei 33,5 ha, wobei Kartoffeln mit 14 ha und Bohnen mit 12 ha an der Spitze standen. Der Klee-Anbau betrug 23,5 ha. Nur noch 0,5 ha nahm der Flachs ein 45). Die in der ganzen Gegend früher verbreitete Hausweberei war um diese Zeit schon der Industrie erlegen. Sehr viel geringer war der Getreideanbau im Jahre 1940 mit nur noch 77,0 ha. Bei diesem Umfang blieb der Getreideanbau bis zur Gegenwart. 1960 zählte man 71,11 ha Getreide, wobei der Weizenanbau mit 29,96 ha an erster Stelle stand, gefolgt von Hafer mit 17,40 ha und Sommergerste mit 13,20 ha. Die Hackfrüchte nahmen in diesem Jahr 22,72 ha ein, was einem Verhältnis Getreide/Hackfrüchte wie 3/1 entspricht gegenüber einem Verhältnis von 5,5/1 im Jahre 1893 46).

Die für das ganze Allgäu so charakteristische Betonung der Viehzucht musste sich in einer zunehmenden Vergrünlandung ausdrücken. Ein Überwiegen des Grünlandes hatten wir in Ottobeuren um 1800 schon. Die weitere Entwicklung des Acker-Grünland-Verhältnisses zeigt Tabelle 19:

______45) Bayerisches Statistisches Landesamt, Bodennutzungserhebung im Königreich Bayern, 1893 46) Bayerisches Statistisches Landesamt, Bayerische Gemeinde- und Kreisstatistik, Landwirtschaftszählung 1940 und 1961

- 89 -

Tabelle 19: Entwicklung des Acker-Grünland-Verhältnisses in der Gemeinde Ottobeuren von 1893 - 1960 47)

Jahr Verh. Acker : Grünland 1893 1 : 1,75 1925 1 : 4,70 1930 1 : 5,37 1939 1 : 5,45 1960 1 : 4,76

Nur noch 51 von 73 Betrieben hatten 1960 Ackerland. Natürlich sind es vor allem die Kleinbetriebe, die auf Ackerland verzichten, da sich bei diesen die Anschaffung von entsprechenden Maschinen nur in begrenztem Umfange lohnt, Ackerbau ohne Maschinen aber viel arbeitsintensiver ist als Wiesenkultur. Anders ist deshalb das Acker-Grünland-Verhältnis bei den größeren Betrieben als bei den kleinen. So nimmt z.B. beim Klostergut die Ackerfläche einen wesentlich höheren Prozentsatz der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein als im Gemeindedurchschnitt.

Tabelle 20: Anteil des Ackerlandes an der landwirtschaftlichen Nutzfläche beim Klostergut Ottobeuren 48)

Jahr landw. Nutzfläche Acker Anteil der Ackerfläche (in ha) (in ha) an der Nutzfläche in % 1938 57,73 28,18 48,8 1956 69,06 29,46 42,7 1965 91,82 35,64 38,8

Wenn diese Ergebnisse vom Gemeindedurchschnitt sehr abweichen, so ist dabei die besondere Aufgabe des Klostergutes zu berücksichtigen, der möglichst weit gehenden Selbstversorgung des Klosters zu dienen durch Lieferung von ausreichend Kartoffeln und Brotgetreide neben Milch und Fleisch. Jedoch würde auch hier nicht der Ackerbau den genannten Umfang einnehmen, wären nicht durchaus zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.

______

47) Errechnet nach Anm. 46 u. 47 und nach Landw.-Zählungen von 1925 u. 1930 (Gemeindearchiv Ottobeuren) 48) Klosterverwaltung Ottobeuren, Ökonomie - 90 -

Das Hauptgewicht liegt jedoch in der Landwirtschaft von Ottobeuren zweifellos auf der Viehzucht. Schon zur Zeit der Säkularisation hielt der letzte Ottobeurer Kanzler die Viehwirtschaft für „beträchtlich“ und ausbaufähig 49). Zu einem tatsächlichen stärkeren Ausbau dieses Wirtschaftszweiges innerhalb der Landwirtschaft kam es jedoch erst viel später, nachdem sich Ende des 19. Jahrhunderts der Getreidemarkt ungünstig entwickelt hatte. Genaue Angaben über die Viehzahl stehen leider erst aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg zur Verfügung.

Tabelle 21: Viehhaltung in Ottobeuren 1925-1963 50)

1925 1930 1935 1939 1950 1956 1960 1963 Pferde 125 108 113 77 52 12 5 Rinder 926 846 930 978 939 901 924 872 davon Milchkühe 649 609 643 680 638 619 581 582 Schweine 334 598 262 330 402 298 210 301 Ziegen 8 10 38 67

Hand in Hand mit der zunehmenden Mechanisierung, speziell mit der Zunahme der Schlepper, die seit 1950 um 46 auf insgesamt 71 anstieg, geht das Verschwinden der Pferde. Nur geringe Schwankungen mit einem Tiefstand im Jahre 1930 und einem Höchststand im Jahre 1939 weist die Rinderhaltung zwischen den beiden Weltkriegen auf, während nach dem Zweiten Weltkrieg eine allmähliche Abnahme um etwa ein Zehntel des Standes von 1939 zu verzeichnen ist. Natürlich ist keine Abnahme der Betriebe, deren Anzahl sich um fast zwei Fünftel des Standes von 1939 verringerte, entsprechend der Abnahme der Viehzahl zu erwarten, da ja der von dem einen verkaufte oder verpachtete landwirtschaftliche Grundbesitz eine Vergrößerung des Viehbestandes bei den Pächtern oder Käufern ermöglicht. Die Schweinehaltung scheint besonders stark von der Entwicklung des Marktes beeinflusst zu sein. Möglicherweise sind jedoch die starken Schwankungen

______49) StN Reg. 3155 50) Gemeindearchiv Ottobeuren, Abschriften der Ergebnisse amtlicher Viehzählungen 1925 - 1939 Bayerisches Statistisches Landesamt, Gemeinde- und Kreisstatistik 1939 - 1960, Gemeindeverwaltung Ottobeuren (1963) - 91 -

teilweise darauf zurückzuführen, dass bei manchen Zählungen die Ferkel mitgezählt wurden, bei anderen dagegen nicht. Interessant ist die auffallende Verstärkung der Ziegenhaltung in dem Jahrzehnt vor dem 2. Weltkrieg. Auch in diesen Zahlen scheint sich nämlich, genau wie in einer leichten Abnahme der Bevölkerung im selben Zeitabschnitt, ungünstige Wirtschaftsverhältnisse zu spiegeln, die manchen Gartenbesitzer veranlassen, sein kleines Grundstück für die Haltung einer Ziege zu nutzen.

Bauernwald spielte in der Gemeinde Ottobeuren nie eine besondere Rolle. Viel stärker als bei der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist bei der Betrachtung des Waldes das Erbe der Geschichte von Ottobeuren zu erkennen. Die Wälder in der Gemeinde Ottobeuren waren entweder Kloster- oder Gemeindewald. Die Klosterwälder gingen in den Besitz des bayerischen Staates über und wurden nur in relativ geringem Umfang von diesem teils verkauft, teils im Zusammenhang mit Forstrechtsablösungen abgegeben 51). So bildeten sich noch 1893 die Besitzverhältnisse so, dass von 153 ha Wald in der Gemeindeflur Ottobeuren 63 ha Wald waren, 89 ha Gemeindewald und nur 1 ha Privatwald 52). Bis 1960 stieg der Privatwald auf 34,21 ha an, in welche sich 18 Besitzer teilen. Die Gesamt-Waldfläche erhöhte sich seit 1893 von 153 ha auf 156,8 ha.

i) Ottobeuren als Fremdenverkehrsort

Spricht man vom Ottobeurer Fremdenverkehr, so denkt man zunächst an die zahlreichen Ausflügler, die dem Ort in den Sommermonaten so sehr das Gepräge geben. Angezogen vom Ruf Ottobeuren als einer Kunst- und Kulturstätte von hohem Rang kommen fast das ganze Jahr über, in besonderem Ausmaß jedoch vor allem an den Samstagen und Sonntagen der Sommermonate Mai bis September Fremde, um die barocken Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Die starke Zunahme der Motorisierung und der gute Ausbau aller Zufahrtsstraßen nach Ottobeuren führte seit 20 Jahren zu einem ständigen Anwachsen dieses Touristenstroms.

______51) s. S. 40 52) Bayerisches Statistisches Landesamt, Bodennutzungserhebung 1893

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Täglich stehen in den genannten Monaten Omnibusse und Personenwagen aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland, Österreich, Frankreich und Schweiz, auf den Parkplätzen von Ottobeuren. Vorwiegend als Nachmittagsausflug bietet sich eine Fahrt nach Ottobeuren an für die Kurgäste des nur 30 km entfernten Heilbades Bad Wörishofen, das allein zur Zeit der Hauptsaison rund 6.000 Gäste beherbergt. Zwei- bis dreimal wöchentlich bieten Verkehrsunternehmer in Bad Wörishofen eine Fahrt nach Ottobeuren an. Ferner kommen regelmäßig Besucher aus den übrigen benachbarten kleinen Kurorten Grönenbach, Bad Wurzach, Bad Aulendorf, sowie aus den zahlreichen Ferienorten des oberen Allgäus, Oberstdorf, Oberstaufen, Pfronten, Füssen u.a. Nicht weniger beachtlich ist die Zahl derjenigen, die Ottobeuren auf der Durchreise nach ihren eigentlichen Ferienorten im oberen Allgäu, der Schweiz oder Italien oder auf der Rückfahrt von ihren Ferienorten einen Besuch abstatten, sowie derer, die Ottobeuren als Ziel eines Tagesausfluges wählen, wobei es sich vielfach um Gruppenausflüge handelt, z. B. Betriebsausflüge verschiedener Firmen in Ulm, Stuttgart, und einer Reihe anderer Orte in Württemberg, ferner Kempten, Augsburg, Ingolstadt usw. Da jeweils nur ein Teil dieser Fahrten beim Verkehrsamt zum Zweck der Vermittlung einer Führung, Orgelspiels oder eines Mittagstisches angemeldet wird, ist es nicht möglich, genaue Angaben über das Ausmaß dieses Ausflugsverkehrs zu erhalten. Die letzten diesbezüglichen Aufzeichnungen des Verkehrsamtes Ottobeuren stammen aus dem Jahre 1956. Damals betrug die Zahl der von diesem Amt erfassten Betriebsausflüge mit jeweils 100 - 500 Teilnehmern 14. Noch viel schwieriger ist es naturgemäß, zuverlässige Zahlen über die kleinen Gruppen oder gar Einzelbesucher anzugeben. Man ist diesbezüglich auf Schätzungen angewiesen, die vom Verkehrsamt aufgrund von Beobachtungen an gewissen Stichtagen aufgestellt werden. Das Ergebnis dieser Schätzungen ist in Tabelle 22 wiedergegeben.

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Tabelle 22: Besucher der Basilika Ottobeuren 53)

Jahr Besucher 1956 100.000 1958 100.000 1960 130.000 1962 180.000 1964 800.000 (Jubiläumsjahr!)

Gewiss darf der mit dem Ausflugsverkehr verbundenen Nutzen im Allgemeinen nicht all zu hoch eingeschätzt werden. Aber selbst wenn nur die Hälfte der Besucher nach der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten eine Mittags- oder Kaffeepause in Ottobeuren einlegt, so ist deren Zahl immer noch so groß, dass dies im Wirtschaftsgefüge des nur knapp 4.500 Einwohner zählenden Ortes zu spüren sein muss. Konkret zeigt sich das z.B. in der Zahl der im Hotel Hirsch am Marktplatz durchschnittlich ausgegebenen Mittags- und Abendessen, die in den Sommermonaten an den Sonntagen rund 500, an Werktagen etwa 200, in den Wintermonaten 90 bzw. 80 beträgt 54). Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die schon geschilderten Auswirkungen wirtschaftlicher Art, die von den Hochzeiten und Wallfahrten ausgehen.

Besser erfassbar als der Ausflugsverkehr ist der eigentliche Fremdenverkehr mit Übernachtung in Ottobeuren. Als Wallfahrtsort, als politischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt des alten Herrschaftsgebietes oder als Sitz verschiedener staatlicher Behörden hatte Ottobeuren auch um 1800 seinen Fremdenverkehr. Die Fremden kamen als Wallfahrer oder als Händler. Sie mussten in Ottobeuren übernachten, da zu einer Zeit, in der man Wallfahrten grundsätzlich zu Fuß und sonstige Reisen nur mit dem Pferdewagen zurücklegen konnte, Entfernungen von 30 - 50 km bereits eine weite Strecke bedeuteten. Dass dieser Fremdenverkehr in der Wirtschaft von Ottobeuren eine Rolle spielte, zeigt sich am gehäuften Auftreten des Gaststättengewerbes schon um 1800. Wie gezeigt wurde, konnte Ottobeuren seinen Charakter als zentraler Ort in beschränktem

______53) Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren 54) Nach Auskunft der Betriebsleitung - 94 -

Umfang bis zur Gegenwart erhalten. Außerdem gelang nach dem 2. Weltkrieg der Ausbau bzw. die Neuansiedlung von rund 20 kleinen Industriebetrieben. Das alles bedingt einen ganz normalen Geschäftsverkehr, der in entsprechend größerem Umfang in allen Städten vorhanden ist und den man nach Boer als unechten Fremdenverkehr bezeichnen könnte 55). Dieser Fremdenverkehr ist also eng verknüpft mit der sonstigen Wirtschaftsstruktur des Ortes.

Daneben aber lässt sich in Ottobeuren seit Jahrzehnten das Bestreben beobachten, den Ort als eigentlichen Urlaubsort zu empfehlen. Ein Beispiel dafür liefert eine Zeitungsreklame aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg 56), in welcher der Ort als geeigneter Ferienaufenthaltsort hingestellt wird. Eine ähnliche, ein paar Jahre jüngere Zeitungsanzeige nennt Ottobeuren einen Luftkurort und weist u.a. auf die „an Sauberkeit geradezu vorbildlichen Straßen“ hin. 1927 meldete die Gemeindeverwaltung an das Pfarramt, auf dessen Anfrage nach Unterkunftsmöglichkeiten für Wallfahrer, 504 Personen könnten in Gaststätten und Quartieren untergebracht werden 56). Genauere Angaben über den Fremdenverkehr zwischen den beiden Weltkriegen bringt Tabelle 23.

Tabelle 23: Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ottobeuren 1921 - 1935 57)

Fremdenverkehrsjahr 1921/22 1924/25 1929/30 1934/35 Gasthöfe mit Fremdenzimmer 8 8 Privatquartiere 60 18 Betten 170 107 davon in Gasthäusern 84 75 davon in Privatquartieren 86 32 Fremdenanmeldungen 2424 1386 3118 Übernachtungen 4530 3760 3850 3578

______55) Boer Chr., Die Auswirkung des Fremdverkehrs auf die wirtschaftliche Struktur der Gemeinden Regen, Bodenmais und Bayerisch Eisenstein, Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft. München, Bd. 47, 1962, S. 35 56) Gemeindearchiv Ottobeuren, Fremdenverkehr 57) wie Anm. 56 - 95 -

Eine hoffnungsvolle Entwicklung des Fremdenverkehrs schien sich, wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, nach dem Ersten Weltkrieg anzubahnen. 4.500 Übernachtungen waren für den Ort, der damals nicht viel mehr als 2.500 Einwohner zählte, ein erfreulicher Beginn. 86 Privatbetten standen neben 84 Betten in den Gasthäusern zur Verfügung. Die Fremden kamen aus folgenden Gebieten:

Tabelle 24: Herkunft der Fremden im Fremdenverkehrsjahr 1921/22 57)

Herkunft Meldungen Übernachtungen Aufenthaltsdauer Bayern 1.880 2.190 1,2 Tage Sachsen 165 660 4,0 Tage übriges Deutschl. 450 1.420 3,2 Tage Rest: Ausland

Diese Tabelle lässt tatsächlichen Urlaubsverkehr erkennen. Mag man den Aufenthalt der aus Bayern kommenden Fremden der kurzen Aufenthaltsdauer entsprechend großenteils als Geschäftsverkehr ausscheiden, so ist das keineswegs möglich bei den beiden anderen Gruppen, ganz davon abgesehen, dass die das damalige Wirtschaftsgefüge des nur 2.500 Einwohner zählenden Ortes fast alleinbestimmenden Handwerks- und Kleinhandelsbetriebe kaum geschäftliche Beziehungen nach Sachsen unterhielten. Auf Urlaubsverkehr weist auch der auffallende Unterschied der Übernachtungszahlen in den beiden Monaten April und August des genannten Jahres hin, die mit 224 und 985 angegeben werden.

Umso auffallender ist nach diesem günstigen Ansatz der wohl durch die Ungunst der Zeit mitverursachte starke Rückgang des Fremdenverkehrs in kurzer Zeit. Den 60 Vermietern von 1921/22 stehen wenige Jahre später nur noch 18 gegenüber. Sogar die Bettenzahl in den Gasthöfen ging von 84 auf 75 zurück. Die Übernachtungszahl verringerte sich um 770. Der damit erreichte Stand änderte sich nicht mehr bis in die Mitte der Dreißigerjahre. Wohl aber verringerte sich weiterhin

______57) wie Anmerkung 56

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die Aufenthaltsdauer. Errechnet sich für 1929/30 noch eine Aufenthaltsdauer von 2,8 Tagen, so für 1934/35 nur noch eine Aufenthaltsdauer von 1,1 Tagen, woraus zu entnehmen ist, dass der Urlauberverkehr fast völlig verschwunden ist. Privatvermieter gibt es zu dieser und in der folgenden Zeit nicht mehr. Die Bettenzahl in den Beherbergungsbetrieben betrug 1942 85, nur um eines mehr als 1921.

Betrachten wir nun die Jahre nach dem 2. Weltkrieg, so ist zunächst anzunehmen, dass das starke Anwachsen der Bevölkerung und die damit verbundene Zunahme der Wirtschaftsbetriebe auch eine Steigerung der Fremdenübernachtungen mit sich bringen musste. Das ist zweifellos auch der Fall. Stellt man aber die Zahlen der Fremdenmeldungen und -übernachtungen in Ottobeuren neben die anderer vergleichbarer Orte, wie es in Tabelle 25 geschieht, so ist doch das allmähliche Entstehen eines „echten Fremdenverkehrs“ in Ottobeuren zu beobachten.

Tabelle 25: Fremdenverkehr in Ottobeuren, Türkheim und Buchloe 58)

Einwohner Fremdenmeldungen Übernachtungen Aufenthalt Ottobeuren (1949/50) 4.717 4.414 7.389 1,7 Tage (1953/54) 4.445 8.085 16.715 2,1 Tage

Türkheim (1958/59) 4.183 1.325 1.674 1,3 Tage

Buchloe (1958/59) 5.614 4.056 5.096 1,3 Tage (1960/61) 5.589 3.887 5.118 1,3 Tage

Mit Türkheim und Buchloe sind hier Ottobeuren zwei Orte gegenübergestellt, die aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur mindestens gleichstarken Geschäfts- verkehr, jedoch kaum irgendwelchen Urlauberverkehr erwarten lassen. Aber trotz des gleich großen oder größeren Geschäftsverkehrs liegt die Zahl der Fremdenmeldungen und -übernachtungen in den beiden Orten weit unter der von Ottobeuren. Auf echten Fremdenverkehr in Ottobeuren weist auch die längere durchschnittliche Aufenthaltsdauer hin. Berücksichtigt man die Verteilung der Über-

______58) Bayerisches Statistisches Landesamt, Fremdenverkehrsstatistik - 97 -

nachtungen auf die beiden Jahreshälften, so stehen in Ottobeuren 5.113 Übernachtungen im Winterhalbjahr 1953/54 11.502 Übernachtungen im Sommer 1954 gegenüber, während sich in Buchloe, das nur reinen Geschäftsverkehr kennt, die Übernachtungszahlen der beiden Jahreshälften mit 2.193 (Winter 1960/61) und 2.925 (Sommer 1961) bei weitem nicht in diesem Ausmaß unterscheiden. Der geschäftlich bedingte Fremdenverkehr lässt eine einigermaßen gleichmäßige Streuung der Übernachtungszahlen über das ganze Jahr erwarten, während die Häufung der Übernachtungen im Sommerhalbjahr, wie wir sie in Ottobeuren antreffen, auf echten Fremdenverkehr hinweist. Dieser zeigt sich auch darin, dass am Wochenende oder an kirchlichen Festtagen die Fremdenmeldungen oftmals zahlreicher sind als während der Woche. An Konzerttagen kommt es immer wieder vor, dass auch noch zur Verfügung stehende Betten in benachbarten Orten beansprucht werden müssen. Die relativ kurze durchschnittliche Aufenthaltsdauer lässt aber doch auch erkennen, dass auch der nicht geschäftlich bedingte Aufenthalt in Ottobeuren nur zu einem relativ kleinen Anteil ein eigentlicher Ferienaufenthalt sein kann. Ottobeuren liegt bereits außerhalb des als Erholungslandschaft in ganz Deutschland bekannten oberen Allgäus mit seinen Bergen und Seen. Ein beachtlicher Teil der Fremden kommt nach Ottobeuren als Freund des Barocks oder der Musik, um sich in Ruhe alles anzusehen oder ein Abendkonzert im Kaisersaal der Abtei oder ein Kirchenkonzert zu erleben. Dazu genügt jedoch ein Aufenthalt von wenigen Tagen.

Eine wesentliche Steigerung des Fremdenverkehrs über den Stand von 1954 hinaus wäre somit wohl kaum zu erwarten gewesen, hätte nicht in diesem Jahr eine neue Entwicklung eingesetzt. Die Tatsache, dass der Weiler Stephansried bei Ottobeuren die Geburtsheimat von Sebastian Kneipp war und Kneipp somit als Sohn der Pfarrgemeinde Ottobeuren mit Ottobeuren stets eng verbunden war, ließ den Gedanken aufkommen, sein Werk auch in seiner Geburtsheimat Ottobeuren durchzuführen. Besondere natürliche Voraussetzungen wie das Vorhandensein einer Mineralquelle waren dazu nicht nötig, da die Kneippkur nur gewöhnliches Quellwasser erfordert. Eine weitere Voraussetzung sind lediglich ausgedehnte Spaziermöglichkeiten in

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frischer Luft. Beides ist in Ottobeuren geboten. Der in unmittelbarer Nähe des Ortes gelegene Bannwald, ein Mischwald von großer Schönheit, und weitere Wälder an den Abhängen der Höhenriedel, ferner das Tal nördlich und südlich von Ottobeuren mit der sich noch ungehindert durch das Gelände schlängelnden Westlichen Günz, bieten herrliche Wandermöglichkeiten. Da außerdem größere Industriebetriebe, vor allem chemische Industrien, völlig fehlen und die wenigen vorhandenen Betriebe in günstiger Lage am Ostrand des Ortes und somit weit entfernt von dem als Kurviertel infrage kommenden Gelände am Bannwald sich befinden, erübrigten sich Bedenken hinsichtlich einer eventuellen Behinderung des Kurbetriebes durch Abgase oder Fabriklärm. Als Vorteil empfahl sich in diesem Falle sogar die Lage des Ortes abseits der Hauptlinien des Verkehrs. So entschloss man sich im Zusammenhang mit dem Bau des Kreisaltersheimes am Bannwald auch zur Einrichtung eines Kneipp-Sanatoriums. Mit der Existenzmöglichkeit eines solchen Hauses in Ottobeuren konnte man nun ohne allzu große Bedenken rechnen, da Ottobeuren durch sein Kloster und seine Konzerte längst in weiten Kreisen Deutschlands bekannt war und gerade die Kneipp-Verehrer dessen Geburtsheimat von Bad Wörishofen aus meist schon des Öfteren besucht hatten. Zudem war es kein Geheimnis, dass manche Freunde der Wasserkur die Ruhe des vornehmlich als Klosterort bekannten Ottobeuren dem stark angewachsenen Kurbetrieb in Bad Wörishofen vorziehen würden. Diese Überlegungen erwiesen sich als richtig. 1955 konnten die ersten Kurgäste in Ottobeuren aufgenommen werden, wodurch die Übernachtungsziffer rasch in die Höhe ging, wie aus Tabelle 26 zu entnehmen ist.

Tabelle 26: Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ottobeuren seit 1956 59)

Fremdenmeldungen Fremdenübernachtungen mittlerer Aufenthalt 1956 15.092 53.503 3,5 Tage 1958 15.049 70.814 4,7 Tage 1960 18.000 81.101 4,5 Tage 1962 16.852 80.110 4,8 Tage 1964 21.311 89.500 4,2 Tage

______59) Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren

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Verhältnismäßig geringer Aussagewert kommt in dieser Tabelle Spalte 3 (mittlerer Aufenthalt) zu. Um ein richtiges Bild von der Struktur und der neuen Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ottobeuren zu erhalten, ist es notwendig, die Kurgäste vom übrigen Fremdenverkehr getrennt zu erfassen. Da von der amtlichen bayerischen Statistik eine solche Trennung nicht vorgenommen wird, bringen Tabelle 27 und die folgenden Tabellen vom Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren stammendes Zahlenmaterial. Dieses stimmt nicht mit den Angaben der bayerischen Fremdenverkehrsstatistik überein, da es nicht nach dem im Oktober beginnenden Fremdenverkehrsjahr, sondern nach dem Kalenderjahr zusammengestellt ist. Vom übrigen Fremdenverkehr getrennt, bietet die Kneippkur folgendes Entwicklungsbild:

Tabelle 27: Entwicklung der Kneippkur in Ottobeuren von 1955-1964 59)

Meldungen Übernachtungen mittlerer Aufenthalt (Kurgäste) (Tage) 1955 693 16.195 23,4 1956 1.126 26.649 23,7 1957 1.568 38.658 24,6 1958 1.939 43.968 22,7 1959 2.346 52.979 22,6 1960 2.399 54.974 22,9 1961 1.996 44.422 22,3 1962 2.220 54.863 24,7 1963 2.432 57.603 23,7 1964 2.770 61.447 22,2

Stellt man daneben die Entwicklung des übrigen Fremdenverkehrs im selben Zeitabschnitt, so zeigt sich deutlich der große Vorteil des Kurbetriebes.

______59) Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren - 100 -

Tabelle 28: Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ottobeuren ohne Kurgäste 59)

Meldungen Übernachtungen mittlerer Aufenthalt (in Tagen) 1955 12.151 24.998 2,1 1956 13.966 26.854 1,9 1957 14.405 30.057 2,1 1958 13.110 26.846 2,0 1959 12.842 26.665 2,1 1960 15.601 26.127 1,7 1961 11.837 25.753 2,2 1962 14.632 25.247 1,7 1963 12.339 24.390 2,0 1964 18.541 28.053 1,5

Bereits im zweiten Jahr seines Bestehens begann der Kurbetrieb den übrigen Fremdenverkehr an Bedeutung zu übertreffen. Zwar hielten sich in diesem Jahr die Übernachtungszahlen noch die Waage; aber um dieselbe Übernachtungszahl zu erreichen, waren im einen Falle 12 mal so viele Fremdenmeldungen nötig als im anderen. Vom dritten Jahr an verschob sich das Gleichgewicht weiterhin stark zu Gunsten des Kurbetriebes, sodass im Jahre 1963 mit einer 5 mal kleineren Anzahl von Kurgästen als Passanten eine 2,3 mal größere Übernachtungsquote erreicht werden konnte, was für den einzelnen Vermieter größere Rentabilität bei geringerem Aufwand bedeutet.

Die Kurgäste kommen zum größten Teil aus Süddeutschland, davon die meisten aus dem bayerischen Schwaben und aus Baden-Württemberg. Der Anteil der Ausländer machte im ersten Jahr fast 30 % aller Kurgäste aus, ging aber in den folgenden Jahren zurück.

Der sozialen Stellung nach ergibt sich bei den Kurgästen folgendes Bild:

Tabelle 29: Soziale Stellung der Kurgäste von Ottobeuren 59)

1956 1960 1964 Selbstständige 161 90 114 Beamte und Angestellte 206 626 993 Arbeiter 168 824 493 Hausfrauen 395 676 725 freie Berufe (Geistliche, Ärzte) 120 139 218 ohne Beruf (Pens., Kinder) 76 44 146

______59) Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren - 101 -

Um nun den Wert des Fremdenverkehrs für Ottobeuren abschätzen zu können, wäre zu untersuchen, welche Auswirkungen auf das Wirtschaftsgefüge von Ottobeuren zu beobachten sind.

Die Übernachtungszahlen stiegen seit 1950, innerhalb von 15 Jahren also, von knapp 11.000 auf fast 90.000 an. Diese Steigerung war nur möglich durch den Ausbau vorhandener und die Gründung neuer Beherbergungsbetriebe und durch die Bereitstellung von Privatquartieren. 1955 gab es 1 Hotel und 6 Gasthöfe mit Fremdenzimmern. Wegen der besonderen Erfordernisse des Kurbetriebes bestand 1955 nicht einfach die Möglichkeit, die Kurgäste in den vorhandenen Beherbergungsbetrieben unterzubringen. Den Bedürfnissen der Kurgäste war vielmehr Rechnung zu tragen durch den Bau von Sanatorien, in welchen die ärztlich verordneten Behandlungen durchgeführt werden konnten. Als erster derartiger Betrieb entstand 1954/55 das „Kurheim am Bannwald“, das schon nach wenigen Jahren erweitert werden musste und gegenwärtig 85 Betten aufweist. Wenig später folgten die ärztlich geleiteten Häuser „Ulrichsheim“, ebenfalls am Bannwald und „Karlsbad“ am Südrand des Ortes mit gegenwärtig 32 bzw. 50 Betten. Drei weitere Kurheime und zwei Pensionen folgten. Parallel dazu verlief seit 1955 die Entstehung von Privatquartieren. Das Anwachsen der Bettenzahl insgesamt zeigt Tabelle 30.

Tabelle 30: Fremdenbetten in Ottobeuren 1950-1964 60)

Anzahl der Betten in konz. Betrieben in Privatquartiere insgesamt 1950 106 -- 106 1952 127 -- 127 1954 124 -- 124 1956 240 37 277 1958 260 55 315 1960 334 89 423 1962 398 77 475 1964 432 181 613

______60) Bayerisches Statistisches Landesamt, Fremdenverkehrsstatistik - 102 -

Die vorhandenen Betten verteilen sich auf 1 Hotel und 7 Gaststätten (32,8 % der Fremdenbetten), 6 Sanatorien und Kurheime (35,3 % der Betten), 2 Pensionen (4,6 % der Betten) und 59 Privatquartiere (27,3 % der Betten) (1965). Der durch den Krieg verursachte Bevölkerungsanstieg musste naturgemäß zunächst zu einer Wohnraumknappheit führen, die nur langsam zu beseitigen war, sodass schon aus diesem Grunde Privatquartiere um 1950 auch bei Bedarf nur in geringem Umfang hätten zur Verfügung stehen können. Erst eine sehr intensive Bautätigkeit, verbunden mit einer Bevölkerungsabwanderung in den Jahren 1949 - 1956 um über 300 Personen schuf die Voraussetzung dafür, dass weite Kreise der Bevölkerung durch Zimmervermittlung unmittelbar am Nutzen des Fremdenverkehrs Anteil erhalten konnten. 1955 standen zum erstenmal Privatquartiere zur Verfügung. Der Anteil der Privatbetten an der Gesamtbettenzahl betrug damals 13,6 %, konnte bis 1964 auf 29,5 % gesteigert werden und sank 1965 wieder auf 27,3 %.

Soll der Aussagewert dieser Zahlen nicht überschätzt oder unterschätzt werden, so ist noch zu untersuchen, wie stark diese Privatbetten beansprucht wurden. Eine vergleichende Gegenüberstellung der beiden Jahre 1955 (Beginn der Kneippkur) und 1964 soll zeigen, welche Grenzen der privaten Zimmervermittlung in Ottobeuren gesetzt sind und ob eventuell noch weitere Kreise der Einwohnerschaft in die Fremdenverkehrswirtschaft mit einbezogen werden können.

Tabelle 31 gibt einen genauen Überblick 61).

______61) Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren - 103 -

Tabelle 31: Unterkunft der Fremden in Ottobeuren 1955 und 1964

konz. Beherbergungsbetriebe Privatquartiere Fremde davon davon Fremde davon davon Kurgäste Passanten Kurgäste Passanten 1955 Meldungen 12.639 610 12.029 205 83 122 % d. Meld. 98,4 88,0 99,0 1,6 12,0 1,0 Übernacht. 37.567 14.557 23.010 3.626 1.638 1.988 % d. Übern. 91,2 89,9 92,0 8,8 10,1 8,0 1964 Meldungen 20.416 2.290 18.126 895 480 415 % d. Meld. 95,8 82,7 97,8 4,2 17,3 2,2 Übernacht. 81.905 54.344 27.561 7.595 7.103 492 % d. Übern. 91,5 88,5 98,2 8,5 11,5 1,8

Obwohl also der Anteil der Privatbetten an der Gesamtbettenzahl beachtlich gesteigert werden konnte, blieb der v.H. Anteil an den Übernachtungsquoten auf demselben Stand stehen. Hier zeigt sich besonders die Struktur des Ottobeurer Fremdenverkehrs. Im Gegensatz etwa zu den Ferienorten des oberen Allgäus, in welchen oftmals eine Bevorzugung der Privatquartiere durch die Fremden, die dort ihren Urlaub verbringen, zu beobachten ist, wohnt in Ottobeuren nur ein relativ geringer Teil der Fremden im Privatquartieren, nämlich nur 1,6 % (1955) bzw. 4,2 % (1964). Dieses Ergebnis ist erstens zurückzuführen auf die hohe Zahl der Passanten, die aus irgendeinem Grund, als Geschäftsreisende oder Touristen, nur für einen oder wenige Tage nach Ottobeuren kommen. Diese melden sich normalerweise für die kurze Aufenthaltsdauer im Hotel oder den Gasthöfen. Sie werden meist nur in Ausnahmefällen, etwa bei Überfüllung der Gasthöfe anlässlich großer Feste oder Kirchenkonzerte an Privatvermieter verwiesen, die in solchen Fällen dann meist mehr aus Gefälligkeit als aus geschäftlichen Überlegungen Betten zur Verfügung stellen. Bekanntlich erfordert ja ein

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solcher Kurzaufenthalt einen erheblich höheren Kosten- und Arbeitsaufwand, sodass der Durchgangsverkehr aus diesem Grunde immer auf Hotels und Gaststätten beschränkt bleiben wird, die in der Lage sind, die damit verbundene Arbeit mithilfe eines ständig angestellten Personals zu bewältigen, während in den Privatquartieren dieselbe Arbeit von der Hausfrau zusätzlich zur Hausarbeit geleistet werden müsste. Dem starken Durchgangsverkehr entsprechend finden wir in Ottobeuren gut ausgebaute Beherbergungsbetriebe, allen voran das Hotel Hirsch am Marktplatz mit 60 Betten. Allein am Marktplatz und in dessen allernächster Umgebung stehen für den Passantenverkehr 179 Betten zur Verfügung.

Das Publikum, das in erster Linie für die Privatquartiere infrage käme, sind Urlauber, die bis zu einer Woche oder länger bleiben. Aber gerade dieser ausgesprochene Urlauberverkehr ist in Ottobeuren bisher verhältnismäßig schwach entwickelt. Das ist der zweite Grund, weshalb der v.H. Anteil der Übernachtungen in Privatquartieren an den Gesamtübernachtungen sich nicht wesentlich änderte. Soweit Urlauber für längere Zeit in Ottobeuren bleiben, bevorzugen sie auch hier oftmals Privatquartiere. Das lässt sich deutlich aus der Tatsache entnehmen, dass 1955 nur ein Prozent der Passanten 62) in Privatquartieren wohnte, jedoch 8 % der Übernachtungen dieser Passanten auf Privatquartiere entfielen. Entscheidend für die neuere Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ottobeuren ist der Kurbetrieb. Mehr als zwei Drittel der Übernachtungen entfallen auf diesen Bereich. Die Kurgäste aber bevorzugen weitgehend ein ärztlich geleitetes Haus oder wenigstens ein Kurheim, in welchem die ärztlich verordneten Kuranwendungen verabreicht werden können. Wenn dennoch der Anteil der auf Kurgäste zurückzuführenden Übernachtungen in Privatquartieren mit 10 - 11 % erfreulich hoch ist, so mag das teilweise darin seinen Grund haben, dass während der Hauptsaison die Nachfrage nach Plätzen größer ist als die Zahl der in den Kurheimen zur Verfügung stehenden Betten. Sobald die Hauptsaison vorbei ist, wohnt kaum noch ein Kurgast in einem Privatquartier.

______62) Die Bezeichnung „Passanten“ umfasst sämtliche Fremde, die nicht als Kurgäste gemeldet sind. - 105 -

Die besondere Art des Fremdenverkehrs von Ottobeuren begünstigte also bisher mehr die hauptgewerblichen Beherbergungsbetriebe als die Privatquartiere, was sich auch darin zeigt, dass sich die erstgenannten in den zehn Jahren seit Bestehen der Kneippkur stärker entwickeln konnten als die letztgenannten, obwohl die Neuschaffung oder Kapazitätsvergrößerung bei den Ersteren erheblich höhere Investitionen erfordert als bei den Letzteren.

Fällt somit also der Hauptnutzen aus dem Fremdenverkehr zunächst den größeren Beherbergungsbetrieben zu, so bietet er doch für die 59 Privatvermieter, d.h. für 4 % der Haushalte eine willkommene Nebeneinnahme. Gewiss sind damit die Auswirkungen auf die Wirtschaftsverhältnisse von Ottobeuren keineswegs erschöpft. Auf einige Punkte des indirekten Einflusses wurde bereits hingewiesen. Eine völlige Änderung der wirtschaftlichen Struktur des Ortes als Folge des Fremdenverkehrs kann jedoch nicht erwartet oder gar für die Gegenwart schon nachgewiesen werden. Erstens ist dazu der Fremdenverkehr in seinem jetzigen Umfang zu gering, und zweitens hat ja der Ort ohnehin schon eine geschichtlich bedingte, für den alten Klosterort typische, dichte Besetzung mit Kleinhandels- und Handwerksbetrieben. Eine Neugründung solcher Betriebe könnte bestenfalls in solchen Branchen zu erwarten sein, die in enger Beziehung zum Fremdenverkehr stehen. Einige Gewerbebetriebe, die nach 1960 neu entstanden, können eventuell im Zusammenhang mit der Kurentwicklung gesehen werden. Zu nennen wäre da z.B. ein Institut für Fuß- und Handpflege, ein Hallenbad, ein weiteres, in Bau befindliches, ebenfalls von privater Seite erstelltes Hallenbad, die Anlage eines Moorbades, ein Ronabad, zwei Cafés, eventuell auch das neu entstandene Bettenhaus oder ein Schreibwarengeschäft. Im Übrigen wird man aber mehr auf den Ausbau vorhandener Betriebe zu achten haben, der tatsächlich seit zehn Jahren in beachtlichem Umfang erfolgte. Da jedoch in Ottobeuren eine Reihe von Wirtschaftsfaktoren zusammenwirken, ist es im Einzelfall unmöglich, den Anteil des Fremdenverkehrs an dieser Aufwärtsentwicklung herauszuschälen.

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2) Die Sozialstruktur

Für einen zusammenfassenden Überblick über die Entwicklung der Sozialstruktur von Ottobeuren bietet die ersten Angaben das auf Seite ?? genannte Verzeichnis der Einwohnerschaft von Ottobeuren aus dem Jahre 1807. Nach der „Montgelas’schen Gütererhebung“ von 1809/10 werden die 344 Familien in Ottobeuren unterteilt in 227 aktive Bürger und 117 bürgerliche Beisitzer und Schutzleute. Eine genauere strukturelle Gliederung bringen die beiden „Kataster der Ortschaften, Gebäude und Bevölkerung in dem Landgerichtsbezirk Ottobeuren“ von 1840 und 1852.

Tabelle 32: Soziale und berufliche Gliederung der Bevölkerung von Ottobeuren 1840 und 1852

1840 1852 Familien Seelen Familien Seelen Landwirtschaftl. tätige Bev. 323 1.244 160 559 davon von eigenem Grundbesitz lebend 40 88 38 117 Taglöhner mit Haus- und Grundbesitz 24 69 76 186 Landwirtschaft und Gewerbe 259 969 46 167 Handwerk, Handel 27 205 125 598 Beamte, Ärzte, Geistliche, Pensionäre etc. 16 71 53 181 Inscribierte Arme 43 136 45 99 409 1.656 383 1.437

Eine zweifellos mit vielen Härten verbundene, im Grunde aber notwendige und gesunde Entwicklung bahnte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts an, als viele Gewerbetreibende und Inhaber von Zwergbetrieben ihren landwirtschaftlichen Betrieb aufgaben und sich ganz dem Gewerbe oder der Lohnarbeit widmeten, viele allerdings auch - falls die überlieferten Zahlen richtig sind - abwandern mussten. Die Abwanderung blieb nicht auf Ottobeuren beschränkt. Erwiesenermaßen wanderten zu jener Zeit viele Leute aus dem ganzen Allgäu nach Amerika aus. Für die verringerte Zahl der Gewerbetreibenden bot sich nun offensichtlich eine etwas bessere Entfaltungsmöglichkeit. Darauf

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lässt jedenfalls der steigende Bedarf an Gehilfen, Gesellen, Lehrlingen und Dienstboten bei den Handwerksbetrieben schließen.

Tabelle 33: Lehrlinge, Gesellen usw. bei den Gewerbebetrieben, Knechte, Mägde, Gesellen usw. insgesamt 63)

Gehilfen im Gewerbe Gehilfen insgesamt 1809/10 21 91 1840 90 223 1852 206 326

Auch die Gruppe der „von Konten, höheren Diensten Wissenschaft und Kunst Lebenden“, worin Beamte, Geistliche, Ärzte, Pensionäre usw. zusammengefasst waren, wuchs in der Jahrhundertmitte relativ stark an, was ebenfalls zu einer Veränderung der Sozialstruktur beitrug.

Versucht man von der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Brücke zur neueren Zeit zu schlagen, so ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 34: Gliederung der Bevölkerung nach Berufsgruppen 1852 und 1939 64)

1852 1939 Personen v.H. der Einw. Personen v.H. der Einwohner Landwirtschaft 559 38,9 425 16,2 Handwerk, Handel, Industrie, Verkehr 598 41,6 1.307 49,7 sonstige Bereiche 181 12,6 354 13,5 Arme bzw. Berufs- lose, Rentner usw. 99 6,9 534 20,6

In Tabelle 34 ist zu beachten, dass bei den 41,6 % der Bevölkerung, die 1852 von Handel, Handwerk usw. lebten, diejenigen Gewerbetreibenden nicht mitgezählt sind, die zugleich eine

______63) Bayerische Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung, Montgelas’sche Gütererhebung und Kataster der Orte etc., 1840 und 1852 64) Kataster der Orte etc. 1852; Bayerisches Statistisches Landesamt, Beiträge zur Statistik von Bayern, 1940 - 108 -

Landwirtschaft betrieben. Zählt man diese zu den Gewerbetreibenden hinzu, so erhöht sich der ganz oder teilweise vom Gewerbe lebende Bevölkerungsanteil auf 53,2 %.

Die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg verläuft im Wesentlichen in derselben Richtung weiter, die schon vor einem Jahrhundert einsetzte. Einer weiteren Abnahme der von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung steht eine Zunahme des sekundären und tertiären Sektors gegenüber.

Tabelle 35: Bevölkerung v. Ottobeuren nach Erwerbstätigkeit 1939 und 1961 65)

1939 1961 Erwerbspersonen v.H. Erwerbspersonen v.H. der Erwerbsp. Landwirtschaft 304 23,8 179 9 Ind. u. Handwerk 528 41,6 1.056 54 Handel, Verkehr Nachrichten 169 13,3 274 14 Dienste 271 21,3 455 23

Deutlich spiegelte sich in der Beschäftigtenzahl der nach dem 2. Weltkrieg erfolgte Ausbau bzw. die Neuansiedlung der Industriebetriebe Martin, Berger, Kunerth, Brauerei Hirsch und nicht zuletzt der Baufirmen. Die Betrachtung der Erwerbspersonen nach ihrer sozialen Stellung ergibt folgendes Bild:

Tabelle 36: Soziale Stellung der Erwerbspersonen in Ottobeuren 1939, 1950 und 1961 65)

1939 1950 1961 Erw.P. % der Erw.P. Erw.P. % der Erw.P. Erw.P. % der Erw.P. Erwerbspersonen 1.272 100 2.024 100 1.964 100 Selbständige 258 20,3 358 17,8 305 15,5 Mithelfende Familienangehörige 205 16,1 246 12,1 184 9,4 Beamte und Angestellte 240 18,7 338 16,7 398 20,3 Arbeiter 569 44,7 1.082 53,7 954 48,6 Lehrlinge 123 6,3

______65) Bayer. Statistisches Landesamt, Beiträge zur Statistik Bayerns, 1939, 1950, 1961 - 109 -

In der Abnahme der selbstständigen Erwerbspersonen und der mithelfenden Familienangehörigen zeigt sich wieder deutlich die geschilderte Entwicklung der Landwirtschaft. Die Verringerung der Arbeiterzahl seit 1950 mag zum Teil darauf beruhen, dass die bis etwa 1960 abgewanderte Bevölkerung größtenteils aus dieser sozialen Schicht stammte. Es waren Leute, die schon vor ihrer Abwanderung in auswärtigen Betrieben beschäftigt waren. Ein genauer Vergleich der Ergebnisse von 1961 mit denen früherer Zählungen ist nicht möglich, da in der neuesten Zählung Lehrlinge getrennt von den übrigen sozialen Schichten erfasst wurden.

3) Entwicklung der Bevölkerung

In enger Beziehung zu den Wirtschaftsverhältnissen steht auch die Bevölkerungsentwicklung, insofern zum mindesten vor Entwicklung der modernen Verkehrsmittel die Einwohnerzahl notgedrungen weitgehend abhängig sein musste von den am Ort vorhandenen Existenzmöglichkeiten.

Tabelle 37: Bevölkerung von Ottobeuren 1793-1964 66)

Jahr Einwohner Jahr Einwohner 1793 1.335 1910 2.399 1810 1.486 1919 2.528 1828 1.484 1925 2.583 1840 1.656 1933 2.679 1852 1.437 1939 2.620 1855 1.425 1946 4.748 1861 1.473 1950 4.717 1867 1.650 1952 4.445 1871 1.447 1956 4.416 1875 1.513 1958 4.401 1880 1.579 1960 4.435 1885 1.748 1961 4.470 1890 1.799 1962 4.485 1895 1.903 1963 4.511 1900 2.059 1964 4.600 1905 2.194 Die erste genau bekannte Einwohnerzahl von Ottobeuren stammt von der Volkszählung im Herrschaftsgebiet von Ottobeuren aus dem Jahre 1793. Wie stark die Bevölkerung bis zur Säkularisation noch anstieg, ist nicht zu ermitteln. Erst aus dem Jahre ______66) StN Reg. 3155; Bayerische Staatsbibliothek, Montgelas’sche Gütererhebung; Bayer. Stat. Landesamt, Bevölkerungsstatistik - 110 -

1807 ist wieder eine Zahl erhalten. Es gab in diesem Jahr in Ottobeuren 509 Familien 67). Demnach müsste also die Einwohnerzahl seit 1793, möglicherweise auch noch nach der Säkularisation angestiegen sein. 1810 dagegen wurden nur noch 344 Familien gezählt 68); 1814 waren es nach einer Angabe am Schluss des Gewerbesteuerkatasters von 1814 69) wieder 399 (bzw. ohne Eldern 397) Familien. Derartige sprunghafte Änderungen treten noch zweimal auf, 1840 und 1867, wobei vor allem die Angabe von 1867 etwas skeptisch zu betrachten sein wird, dass sowohl 6 Jahre vorher, als auch 4 Jahre nachher eine um 200 Personen geringere Bevölkerungszahl angegeben wird. Im Übrigen zeigt sich jedoch im 19. Jahrhundert eine jahrzehntelange Stagnation. Erst im letzten Viertel macht sich ein bleibender Bevölkerungsanstieg bemerkbar, zunächst langsam, dann jedoch relativ rasch zunehmend. Ottobeuren hatte sich, wie in einem Rückblick anlässlich des 100. Jahrtages der Säkularisation im Dezember 1902 im Ottobeurer Tagblatt mit Genugtuung festgestellt wurde, wirtschaftlich nicht nur wieder erholt, sondern sich dank des Fleißes seiner Bürger wieder zu Wohlstand emporgearbeitet 70). Einer leicht rückläufigen Bewegung in den dreißiger Jahren folgte nach dem 2. Weltkrieg der Einstrom der Heimatvertriebenen, wodurch sich die Einwohnerzahl in dem vom Bombenkrieg verschonten Ort fast verdoppelte. Einem solchen Bevölkerungszuwachs war der Ort mit seinen Wirtschaftseinrichtungen keineswegs gewachsen, sodass naturgemäß in den folgenden Jahren eine Abwanderung einsetzen musste, die aber bereits nach zwölf Jahren zum Stillstand kam. Inzwischen vollzog sich der Ausbau und die Neuansiedlung von einigen Industriebetrieben und Baufirmen sowie die günstige Aufwärtsentwicklung des Fremdenverkehrs. So lässt sich seit 1960 wieder ein langsamer Anstieg der Einwohnerzahl verzeichnen, der freilich nicht allein durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze bedingt ist, sondern neuerdings auch durch den Zuzug von Pensionären oder vereinzelt auch auswärtstätiger Personen, die Ottobeuren dank seiner schönen Lage oder seiner Ruhe oder um anderer Vorzüge willen als Wohnort wählen.

______67) StNRA Ottobeuren, 948 68) Bayerische Staatsbibliothek München, Montgelas’sche Gütererhebung, 69) StNRA Ottobeuren, Gewerbesteuerskataster 1814 70) Ottobeurer Tagblatt, Dezember 1902

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4) Die Entwicklung des Siedlungsgebildes

Die wirtschaftliche Entwicklung eines Ortes muss letztlich auch einen Ausdruck finden in seiner Physiognomie. Die alte Katasterkarte 1 : 2500 aus dem Jahre 1835 gibt im Großen und Ganzen noch den Bebauungszustand von 1800 wieder. Von den bereits erwähnten Änderungen des Ortsbildes, die im Zusammenhang mit der Säkularisation eintraten, abgesehen, sind weitere nennenswerte Änderungen im Siedlungsbild in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schon deshalb nicht zu erwarten, da unmittelbar nach dem Eingriff, den die Säkularisation in das Wirtschaftsleben von Ottobeuren bedeutete, weder die finanziellen Mittel noch eine besondere Notwendigkeit zu größeren baulichen Änderungen vorhanden waren.

Fast 100 Jahre später hatte sich jedoch der Ort nach Ausweis des 1828 erstellten Katasterplanes schon spürbar vergrößert, ganz entsprechend der seit etwa 1800 einsetzenden Bevölkerungszunahme. Es standen zu dieser Zeit die ersten Häuser an der Kemptener Straße westlich vom Kloster, sowie an der heutigen Otto- und Rieppstraße. Bebaut war auch der Straßenzug nördlich der Basilika, die Rupertstraße, an der als auffallendes Gebäude die Mädchenschule mit einem Klösterchen für die an dieser Schule als Lehrpersonal tätigen Franziskanerinnen entstand. Durchwegs sehr bescheidene Ein- und Zweifamilienhäuser finden wir an der Straße nach Memmingen. An dieser Straße steht auch die große Anlage des Joseph-Spitals mit Wohntrakt und Wirtschaftsgebäuden für die Landwirtschaft der Spitalstiftung. Als weiteres markantes Gebäude entstand dem Spital schräg gegenüber, etwas abseits der Straße, das ursprünglich als düsterer Backsteinbau erstellte, nach dem 2. Weltkrieg jedoch modern umgestaltete und vergrößerte Kreiskrankenhaus. Im östlichen Teil des Ortes bildete der im Jahre 1900 erbaute Bahnhof einen neuen Punkt, auf den die Bebauung an der bisherigen Froschgasse, nun Bahnhofstraße genannt, zustrebte. Dasselbe gilt für die alte Ledergasse, die inzwischen umbenannt wurde in Alexanderstraße. Wie üblich entstand in der Nähe des Bahnhofs eine Bahnhofsrestauration, das Gasthaus zur Krone. Eine relativ dichte Bebauung erfolgte, meist noch vor der Jahrhundertwende, in dem südlich an die Bahnhofstraße anschließenden

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Viertel, das die Markt Rettenbacher Straße, Johann-Klein-Straße, Schützenstraße, Hermann-Koneberg-Straße und Ludwigstraße umfasst. Neben einigen Wohnhäusern, die vereinzelt hier und dort gebaut wurden, entstand noch vor dem 2. Weltkrieg am Westrand des Ortes, im Anschluss an den Garten des Kreiskrankenhauses, die Schwabensiedlung mit etwa 15 einfachen Siedlerhäuschen mit kleinem Garten.

Die Bevölkerungszunahme nach dem 2. Weltkrieg konnte sich den Zeitverhältnissen entsprechend nicht sofort im Siedlungsbild durch Neubauten bemerkbar machen, sondern erst nachdem der wirtschaftliche Wiederaufstieg Deutschlands die Voraussetzungen dafür geschaffen hatte. Dann aber wurden in rascher Aufeinanderfolge zahlreiche Wohnungen geschaffen. Einen Überblick über die Bautätigkeit in Ottobeuren seit 1950 gibt Tabelle 38:

Tabelle 38: Wohnungsbau in Ottobeuren seit 1950 71)

Wohnungen Wohnungszunahme 1950 826 1955 1.050 224 1956 1.081 31 1957 1.145 64 1958 1.168 23 1959 1.231 63 1960 1.261 30 1961 1.364 103 1962 1.427 63 1963 1.432 5

Die Ausdehnung des Ortes erstreckte sich nach allen Richtungen. Im Nordosten entstand im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues eine Reihe von Wohnblöcken, die hauptsächlich von Heimatvertriebenen bewohnt werden. Am Ostrand wurden einige Straßen-

______71) Bayerisches Statistisches Landesamt, Wohnungszählung - 113 -

züge mit teilweise großen, villenartigen Wohnhäusern Ottobeurer Geschäftsleute angelegt. Im Südosten, in der Nähe des ebenfalls erweiterten Friedhofs steht das Pfarrzentrum mit der neuen Kirche der inzwischen von 84 (1939) auf 361 (1961) Mitglieder angewachsen evangelischen Gemeinde. In derselben Richtung, jedoch etwa 3/4 km vom Ortsrand entfernt, entstand eine neue Nebenerwerbssiedlung mit ungefähr zehn Häusern. Die stärkste neue Bebauung weist der südliche Ortsteil auf. Einer Verlängerung und dichteren Bebauung schon bestehender Straßenzüge des oberen Fleckens folgte die Erschließung neuer Straßenzüge mit kleinen Wohnblöcken, Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Ausdehnung des Ortes im Westen beschränkte sich im Wesentlichen auf die Anlage einiger Seitenstraßen zur Memminger- bzw. Ottostraße. Am Nordrand von Ottobeuren entstanden noch über dem Sportplatz westlich der Günz in schöner Lage der erste Trakt der neuen Volksschule, mehrere Wohnblöcke und am Mühlberg ein Straßenzug mit freundlichen Einfamilienhäusern. Insgesamt stieg die Zahl der Wohnungen von 1950 - 1963 um 606 auf 1432.

Hand in Hand mit der Errichtung von Neubauten vorwiegend am Ortsrand ging der Um- oder Erweiterungsbau zahlreicher Geschäftshäuser in älteren Ortsteilen von Ottobeuren, wie z.B. am Marktplatz, wo durch einen stattlichen Erweiterungsbau der Brauerei Hirsch eine größere Geschlossenheit des Platzes erreicht wurde.

Nach diesem Überblick über die Bautätigkeit soll nun versucht werden, die einzelnen Funktionen des Ortes im Siedlungsbild zu erkennen. Beherrschend drückt sich in der Klosteranlage nach wie vor die geistliche Bedeutung von Ottobeuren aus. Da diese jedoch um 1800 mindestens ebenso groß war wie gegenwärtig, konnte keine nennenswerte zusätzliche Beeinflussung des Siedlungsbildes durch weitere ausschließlich kirchlichen Zwecken dienende und als solche erkennbare Bauten stattfinden. Wohl entstand im Zusammenhang mit dem Bau der Mädchenschule auch ein Wohnbau für die dort tätigen Schwestern, oder in Verbindung mit dem Josephsspital, dem Krankenhaus und dem Altersheim am Bannwald je eine auch außen an diesen Bauten als solche in Erscheinung tretende Kapelle, aber das kann nicht als Ausdruck einer zentralen kirchlichen Funktion von Ottobeuren ge-

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deutet werden. Ähnliches gilt für die im vorigen Jahrhundert angelegte relativ große Lourdes-Grotte am Bannwaldweg, an welchem zur selben Zeit Kreuzwegstationen aufgestellt wurden. Einen neuen Ausdruck im Siedlungsbild fand 1932 die wieder etwas stärker erwachte Marienwallfahrt durch die Errichtung einer neuen Kapelle am Ort der ehemaligen Wallfahrtskirche. Eine weitere Betonung des Charakters von Ottobeuren als Wallfahrtsort wird 1966 die bereits beschlossene Aufstellung eines neuen Marienbrunnens auf dem Marktplatz mit sich bringen. An kirchlichen Gebäuden entstand ferner, ohne als solches in Erscheinung zu treten, ein kleines Kolpinghaus. Durch die Errichtung einer evangelischen Seelsorgestelle kam Ottobeuren eine zusätzliche geistliche Funktion zu, die jedoch in ihren Bauten nur in bescheidenem Umfang in Erscheinung tritt. Jedoch brachte immerhin der massive Kirchturm die auffallendste kirchlich bedingte Änderung des Siedlungsbildes mit sich.

Die kulturelle Bedeutung von Ottobeuren ist so sehr an die aus der vergangenen Zeit der Reichsunmittelbarkeit überkommenden Klosterbauten, vor allem an die Klosterkirche, gebunden, dass eine weitere unmittelbare Beeinflussung des Ortsbildes bisher nicht zu beobachten war. Ebenso wenig führte die Anwesenheit staatlicher Behörden zu Neubauten, da nach der Säkularisation im früheren Amtsgebäude genügend Platz für diese Behörden war.

Mehr als ein Jahrhundert lang blieb Ottobeuren nach der Säkularisation ein Ort der Kleinhändler, Handwerker und Kleinlandwirte. Diese Struktur des Ortes war in allen Straßenzügen zu erkennen. Im „oberen Flecken“ und im unteren Markt entlang der Günz fanden und finden sich teilweise heute noch die kleinen Söldneranwesen, quergeteilte Einheitshäuser mit gemauertem Wohnteil und hölzernem Wirtschaftsteil und eventuell einer Werkstatt. Stattlicher waren seit je die Häuser der Ackerbürger am Marktplatz, die alle giebelständig angelegt sind bis auf das große Gebäude der ehemaligen Peterskirche und späteren Knabenschule und ein sich schlecht einfügendes Haus aus der Jahrhundertwende. Deutlich sind noch beim Gasthaus zum Mohren die gemauerten, inzwischen längst für andere Zwecke genutzten, ehemaligen landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude zu erkennen.

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Zahlreiche Ladengeschäfte in der südlichen Häuserreihe des Marktplatzes und im Anschluss an das Rathaus, in der Bahnhofstraße und Luitpoldstraße vermitteln heute einen nahezu kleinstädtischen Eindruck.

Eine neue Komponente brachten am Ostrand des Ortes die Industrieanlagen der Firmen Martin und Berger, oder die Autowerkstätten der Firmen Huber und Ströbele in das Ortsbild. In engem Zusammenhang mit der Industrie steht die Zunahme der Arbeiter-Bevölkerung, was seinerseits wieder im Siedlungsbild einen Niederschlag finden musste in der Entstehung von Wohnblöcken, Siedlerhäusern und sonstigen zahlreichen Einfamilienhäusern.

Unübersehbar hat auch der moderne Fremdenverkehr Ottobeuren bereits seinen Stempel aufgedrückt. Erwartungsgemäß ist eine solche Beeinflussung vorwiegend vom Kurbetrieb zu erwarten. Was der Touristenverkehr in erster Linie fördert, sind Gaststätten, Cafés und eventuell Andenkengeschäfte. Da aber Ottobeuren dank seiner Stellung als zentraler Ort und alter Wallfahrtsort bereits über genügend derartige Einrichtungen des Fremdenverkehrs verfügte, konnte die Entstehung neuer Betriebe vom stark angewachsenen Touristenverkehr nicht in nennenswertem Umfange ausgehen. Wohl aber führte der Touristenverkehr zusammen mit dem ebenfalls angestiegenen Geschäftsverkehr, der wieder stärker erwachten Wallfahrt und den vielen Hochzeiten zu einer Umsatzsteigerung bei den meisten Betrieben, was sich im Siedlungsbild erkennen lässt in den Um- oder Erweiterungsbauten und nicht zuletzt am gepflegten Aussehen der Fassaden bei fast allen Gaststätten. Neu entstanden lediglich zwei Cafés. Insgesamt zählt man damit am Marktplatz und in dessen unmittelbarer Umgebung 1 Hotel mit Brauerei, 7 Gasthöfe, 3 Cafés, 1 Weinstube, 1 Pension und das Verkehrsamt der Gemeinde Ottobeuren.

Deutlicher lässt sich die Entwicklung zum Kurort als etwas Neues im Siedlungsbild erkennen. Die Betreuung von Kurgästen konnte sich nicht in den bisher in ausreichendem Umfang vorhandenen Fremdenverkehrsbetrieben abwickeln. Entstehung und Ausbau des Kurbetriebes waren somit gebunden an den Bau von Sanatorien und Kurheimen. Das günstigste Gelände für die Anlage eines Kurviertels fand sich im Südwesten des Ortes, zwischen

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dem bisherigen Ortsrand und dem Bannwald. Dort entstanden im Laufe der letzten Jahre mehrere Sanatorien und Kurheime, ein Tennisplatz, eine Minigolf- und Boccia-Anlage und ein sehr gepflegter Kurpark zwischen Amtsgebäude und Bannwald, der dank seiner schönen Anlage selber gleichsam als Fortsetzung dieses kleinen Kurparkes bezeichnet werden kann. Dem Bedürfnis der Kurgäste nach Sonne und frischer Luft entsprechend finden wir bei den einzelnen Häusern lange Balkonreihen und Liegewiesen. In Verbindung mit der Errichtung zweier Kurheime ist gegenwärtig ein Hallenbad im Bau. Ein weiteres von einem Fremdenverkehrsbetrieb errichtetes, öffentlich zugängliches Hallenbad entstand 1965 in der Nähe des Marktplatzes. Der Marktplatz selbst erhielt nicht zuletzt im Hinblick auf den Fremdenverkehr ein sehr gepflegtes, vornehmes Aussehen durch den Bau neuer Straßen und Gehsteige, durch die Überdachung der Günz und die dadurch ermöglichte Entfernung der alten und engen Günzbrücke an der Ostseite des Marktplatzes.

Das ehemalige herrschaftliche Beamtengebäude dient seit einigen Jahren als Kurhaus mit Bibliothek, Leseraum und Vortragssaal. Vor dem Haus blühen nun um die beiden aus der vergangenen Zeit noch erhaltenen kleinen Weiher herrliche Blumenanlagen, im Garten hinter dem Haus soll ein Moorbad entstehen. Mit der Einbeziehung dieses repräsentativen, ehemals klösterlichen Gebäudes in den Kurbetrieb soll hier ein interessantes Unternehmen des großen Barockbauherren von Ottobeuren, des Abtes Rupert II., der Vergessenheit entrissen werden. Etwa zur selben Zeit, als der mächtige Fürstbischof von Würzburg Bad Kissingen und der Fürstabt von Fulda Bad Brückenau zum Kurort machten 72), entdeckte man im Herrschaftsgebiet von Ottobeuren, bei Erkheim eine Mineralquelle, die im Auftrag der Klosterherrschaft gefasst und mit einem Brunnenhäuschen versehen wurde 73). Wer weiß, was daraus geworden wäre, hätte nicht die Säkularisation das zarte Pflänzchen wieder zum Absterben verurteilt. „Das so genannte Brunnenhäusel“ hinter Erkheim, welches isoliert und ohne dabei befindliche Gründe ist, wo ehevor

______72) Fehn Hans, Vorlesung: Bayerische Landschaften und Städte, 1. Teil, Wintersemester 1964/65 73) StN Reg. 3155 - 117 -

die Ottobeurer Geistlichkeit eine Wasserkur gebrauchte“ 74), wurde 1805 auf Abbruch verkauft 75).

Über den Ortsbereich hinaus begann die Kneippkur ihre Spuren zu hinterlassen, z.B. in Form neu angelegter Spazierwege. Das Spazierwegenetz beträgt etwa 20 km Länge 76). Eine größere Anzahl von Ruhebänken vor allem im und am Rand des Bannwaldes und nicht zuletzt natürlich die Spaziergänger selbst weisen auf den Fremdenverkehr hin. Ein besonders typisches Kennzeichen für die Kneippkur sind die an landschaftlich geeigneten Stellen angebrachten Wassertretanlagen im Bannwald, beim „Kalten Brunnen“ und in einem kleinen Wäldchen unterhalb des Weilers Guggenberg. Beliebtes Wanderziel ist im Sommer der ½ Stunde von Ottobeuren entfernte Schachenweiher mit seinem Badestrand.

Eindrucksvolles Beispiel dafür, wie der Kurbetrieb nicht nur neue Elemente in das Siedlungsbild bringt, sondern auch bestehende verschwinden lässt, ist das schon erwähnte Kurheim Helenenbad, welches aus einem inzwischen völlig verschwundenen landwirtschaftlichen Betrieb hervorging.

______74) StNRA Ottobeuren, 900 75) StNRA Ottobeuren, 882 76) Verkehrsamt Ottobeuren, „Kneippkurort Ottobeuren“ (Prospekt)

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III) Zusammenfassung

Aufgabe der vorliegenden Arbeit war es, die Entwicklung von Ottobeuren seit 1800 zu untersuchen. Dabei war die Ausgangssituation zu berücksichtigen, dass dem Ort in einem Zeitabschnitt von mehr als einem Jahrtausend mit der Aufgabe, Klostermarkt einer gut situierten Reichsabtei zu sein, eine charakteristische Wirtschafts- und Sozialstruktur zugewachsen war. Die Bevölkerung lebte, soweit sie nicht als Hofhandwerker, Bedienstete oder Taglöhner unmittelbar im Dienst des Klosters stand, von dieser Funktion des Ortes, wirtschaftlicher Mittelpunkt des klösterlichen Herrschaftsgebietes zu sein. Dementsprechend gab es in Ottobeuren eine große Anzahl von Handwerkern und nur wenige Bauern. Die landwirtschaftliche Nutzfläche war in kleinste Einheiten zerstückelt.

An dieser Besitzstruktur konnte auch die Säkularisation nicht viel ändern. Durch die Aufteilung des Klostergutes konnten aus den allzu vielen Käufern keine Bauern gemacht werden, sodass der in dieser Betriebsaufstockung liegende Vorteil weit geringer war als die Nachteile, die die Säkularisation für den Ort zunächst mit sich brachte. Vor allem waren neben dem 45 Mitglieder zählenden Konvent selber die unmittelbar im Kloster beschäftigten Menschen betroffen, dann aber auch die meisten übrigen Einwohner des Ortes, da der Verlust des Klosters auch den Verlust wichtiger zentraler Funktionen zur Folge hatte, vor allem den Untergang der Wallfahrt.

Hohe Bedeutung kam in den der Säkularisation folgenden Jahrzehnten den staatlichen Behörden in Ottobeuren zu, die wesentlich dazu beitrugen, dass vorhandene zentrale Funktionen erhalten und für die verlorenen wenigstens ein kleiner Ausgleich geschaffen wurde durch Erweiterung des Zuständigkeitsbereiches des Landgerichtes über das frühere Klosterterritorium hinaus. Damit gelang es, der Bevölkerung, deren durch geschichtliches Erbe festgelegte Struktur sich nicht von heute auf morgen ändern konnte, auch weiterhin eine Existenzgrundlage zu sichern. Das zeigt sich deutlich in der Entwicklung der Besitzstruktur. Schon relativ früh, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, setzte der heute noch nicht abgeschlossene Prozess ein, dass ein Teil

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der Grundbesitzer seinen Besitz an Grund und Boden wieder aufgibt, um sich ganz dem bisher ausgeübten Hauptberuf oder einem neuen Beruf zuzuwenden. So wurde die weitere Betriebsaufstockung einiger anderer landwirtschaftlicher Betriebe ermöglicht und auch die Entstehung eines neuen Klostergutes, das sich seit einem Jahrhundert Schritt für Schritt vergrößern konnte. Ottobeuren lebte also auch nach der Säkularisation weitgehend von seinen zentralen Funktionen.

Erst in neuester Zeit ist eine fortschreitende Lockerung der wechselseitigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ottobeuren und seiner Umgebung zu beobachten, wobei jedoch ein völliges Erlöschen keineswegs zu erwarten ist. Der Beginn dieses Prozesses liegt allerdings schon weit zurück, nämlich bereits in der Säkularisation und dann vor allem in der Verlegung der staatlichen Behörden nach Memmingen. Nachdem zwischen den beiden Weltkriegen die letzten wichtigen Ämter verlegt wurden, war Ottobeuren noch keineswegs auf einen Verlust seiner zentralen Funktionen wirtschaftlich vorbereitet. Das spiegelt sich in einer Stagnation, ja sogar einem leichten Rückgang der Bevölkerungsentwicklung von 1930 bis zum Kriegsende. Eine weitere Lockerung der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ottobeuren und seiner Umgebung wurde durch die zunehmende Motorisierung verursacht. Omnibuslinien oder der eigene Wagen verkürzen den Weg zu größeren Marktzentren.

Für Ottobeuren ist diese Entwicklung jedoch keinesfalls beunruhigend, da inzwischen in bescheidenen Ansätzen schon vor, hauptsächlich aber nach dem 2. Weltkrieg mit dem Ausbau einiger Industriebetriebe ein neuer Wirtschaftsfaktor auftrat, wodurch ein starkes Anwachsen der Einwohnerzahl ermöglicht, bzw. eine allzu starke Abwanderung des als Folge des Krieges zunächst entstanden Bevölkerungsüberschusses verhindert werden konnte. Eine neue Bedeutung bekommt die Umgebung von Ottobeuren für den Ort nun insofern, als ein weiterer Ausbau der Industrie u.a. davon abhängt, ob es möglich sein wird, weitere Arbeitskräfte aus den benachbarten Ortschaften anzuziehen. Günstig wirkte sich für die Wirtschaftsverhältnisse von Ottobeuren ferner die starke Entwicklung des Fremdenverkehrs, vor allem

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die Anerkennung des Ortes als Kneippkurort aus. Der Fremdenverkehr machte dadurch in kurzer Zeit eine eindrucksvolle Aufwärtsentwicklung durch. Dennoch ist jedoch Ottobeuren weit davon entfernt, ein Fremdenverkehrsort in dem Sinne zu sein, dass der größte Teil der Bevölkerung ausschließlich oder weitgehend vom Fremdenverkehr lebt. Dasselbe gilt auch von der Industrie. Obwohl ein höherer Prozentsatz der Bevölkerung von der Industrie als vom Fremdenverkehr lebt, ist Ottobeuren ebenso weit davon entfernt, ein Industrieort zu sein. Ottobeuren ist vielmehr trotz des Hinzukommens dieser neuen Wirtschaftsfaktoren bisher noch ein Ort der Handwerks- und Kleinhandelsbe- triebe geblieben und verrät dadurch ebenso wie durch die Besitzstruktur an Grund und Boden noch heute seine frühere Stellung im Wirtschaftsgefüge der einstigen Reichsabtei. An Bedeutung für die Gemeinde übertrifft allerdings die Industrie seit etwa 5 - 10 Jahren bereits weit alle anderen Wirtschaftsfaktoren. 60,2 % des Gewerbesteuersaufkommens entfielen 1964 auf die Industrie, 34,0 % auf Handwerk und Handel und nur 5,8 % auf die Fremdenverkehrsbetriebe 77).

Schauen wir nun noch einmal auf das Kloster, ohne das Ottobeuren in seiner Gestalt um 1800 und damit auch in seiner Weiterentwicklung in der beschriebenen Form nicht denkbar wäre. Seine wirtschaftliche Bedeutung für die Bewohner von Ottobeuren fand durch die grundlegende Änderung der Rechts- und Besitzverhältnisse in der Säkularisation zunächst ein Ende. Ein Jahrhundert lang war seine Bedeutung für den Ort nicht sehr viel größer als die von Pfarrhof und Kirche für ein Pfarrdorf. Diese Verhältnisse änderten sich, als das Kloster wieder Anziehungspunkt für zahlreiche Touristen, für Wallfahrer, Hochzeitsgesellschaften, Musikfreunde usw. wurde. Es gibt heute wieder einen Bevölkerungsanteil in Ottobeuren, der wenigstens mittelbar dem Kloster eine wesentliche Verbesserung seiner Existenzgrundlage verdankt. Darüber hinaus erlangte das Kloster in neuerer Zeit eine Strahlkraft, die weit über den lokalen Bereich hin-

______77) Nach Angabe der Gemeindeverwaltung Ottobeuren; die Zahlen treffen insofern nicht genau zu, als mit dem weitaus bedeutendsten Fremdenverkehrsbetrieb eine Brauerei verbunden ist und dieser Betrieb somit als Industriebetrieb erfasst wurde, wodurch das Steueraufkommen des Fremdenverkehrs zu Gunsten der Industrie etwas zu niedrig erscheint.

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aus das Kloster bekannt machte und damit auch den mit ihm verbundenen Markt Ottobeuren etwas vom Glanz seiner Einmaligkeit verlieh.

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1. Quellen

StN Reg. (= Staatsarchiv Neuburg, Regierung) 3155,2 1277

StNRA Ottob. (= Staatsarchiv Neuburg, Rentamt Ottobeuren) 518, 519, 574, 582, 802 II, 837 I, 882, 886, 887, 900, 948, 997 Gewerbesteuerskataster des Steuerdistrikts Ottobeuren im Landgericht und Rentamt Ottobeuren, 1814, Markt Ottobeuren; Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Ottobeuren, 1836; Renoviertes Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Ottobeuren, 1852

StN Bez.-Amt Memmingen 241, 1979, 1994

Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Ottobeuren Kl., Literalien 49, 50, 160

Bayer. Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung: Montgelas’sche Gütererhebung 1809/10 Kataster der Ortschaften, der Bevölkerung und der Gebäude in dem Landgerichtsbezirk Ottobeuren 1840; Kataster der Ortschaften etc. 1852

Bayer. Stat. Landesamt: Die Ergebnisse der Ermittlung der landwirtschaftlichen Bodennutzung im Königreich Bayern im Jahre 1893; Bayer. Gemeinde- und Kreisstatistik 1943, 1949/50, 1958, 1943, Beiträge zur Statistik Bayerns Heft 132/8, 177/7, 207, 231 b

Gemeindearchiv Ottobeuren, Landwirtschaft, Gewerbe, Fremdenverkehr

Gemeindeverwaltung Ottobeuren, Gewerbekartei

Verkehrsamt Ottobeuren, Fremdenverkehrsstatistik

Klosterarchiv Ottobeuren IV, V, VIII

Abteiarchiv Ottobeuren, Wirtschaft

Klosterverwaltung Ottobeuren, Ökonomie

Kath. Pfarramt Ottobeuren, Trauungsbücher

Ottobeurer Wochenblatt bzw. – Tagblatt 1848, 1865, 1870, 1885, 1890, 1895, 1901, 1904

weitere Quellen siehe im Text - 123 -

Karten: Territorialbesitzungen des Reichsstifts Ottobeuren, Pater Ulrich Schiegg, Bayer. Hauptstaatsarchiv München, Plansammlung Nr. 7129, Reproduktion des Bayer. Landesvermessungsamtes, 1964. - Stat. Karte vom Königreich Bayern 1:600.000, A. Volkert, München 1837 Wallfahrtskarte von Ottobeuren, Ägidius Kolb, 1964 Dioecesis Augustana, 1:200.000, Augsburg 1896 Klassifikationsplan Ottobeuren, 1:5.000, 1823 Flurkarte Ottobeuren, 1: 5.000, 1962 Flurkarte Ottobeuren Ort, 1:2.500, 1928; 1:1.000, 1963 Topographische Karte von Bayern, 1:25.000, Blatt 7927, 7928, 8027, 8028, 8127, 8128 Klima-Atlas von Bayern

2. Literatur

Bernhard Pater Maurus, Beschreibung des Klosters und der Kirche zu Ottobeuren, dritte Auflage, Ottobeuren, 1907 Bleibrunner Hans, Der Einfluss der Kirche auf die niederbayerische Kulturlandschaft, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München, Bd. 36, 1951, S. 1 - 196 Boer Chr., Die Auswirkungen des Fremdenverkehrs auf die wirtschaftliche Struktur der Gemeinden Regen, Bodenmais und Bayerisch Eisenstein, Mitt. Geogr. Ges. Mü., Bd. 47, 1962, S. 21 - 70 Borcherdt Christoph, Fruchtfolgesysteme und Marktorientierung als gestaltende Kräfte der Agrarlandschaft in Bayern, Arbeiten des Geographischen Instituts der Universität des Saarlands, Bd. 5, 1960 Christaller Walter, Die zentralen Orte Süddeutschlands, Jena, 1933 Fehn Hans., Das Siedlungsbild des niederbayerischen Tertiärhügellandes zwischen Isar und Inn, in: Mitt. Geogr. Ges. München, Bd. 28, 1935, S. 1 - 94 Fehn Hans., Die Entwickung der Seeoner Kulturlandschaft seit 1800, in: Mitt. Geogr. Ges. Mü., Bd. 42, 1957, S. 61 - 78 Feyerabend Pater Maurus, Des ehemaligen Reichsstiftes Ottenbeuren Benediktiner Ordens in Schwaben Sämmtliche Jahrbücher, 4 Bände, Ottobeuren, 1813 - 1816 Gradmann Robert, Süddeutschland, Bad Homburg, 1961 (Nachdruck) Graul Hans, Die Iller-Lech-Schotterplatten, in: Emil Meynen/Josef Schmidhüsen, Handbuch der Naturräumlichen Gliederung, Bd. 1, Bad Godesberg, 1953

- 124 -

Heider Josef, Grundherrschaft und Landeshoheit der Abtei Ottobeuren, Stud. Mitt. OSB Bd. 73, 1962, S. 63 - 95 Huttenlocher Friedrich, Die ehemaligen Territorien des Deutschen Reichs in ihrer kulturlandschaftlichen Bedeutung, Erdkunde, Bd. 11, 1957, S. 95 - 106 Jahn Walter, Strukturwandel und Abgrenzung der voralpinen allgäuer Kulturlandschaft, Mitt. Geogr. Ges. Mü., Bd. 39, 1954, S. 5 - 71 Kreuzer P.I., Die Wiedererrichtung der Benediktinerabtei Scheyern, Stud. Mitt. OSB, Bd. 71, 1960, S. 189 - 234 und Bd. 72, 1961, S. 69 - 146 Lieb Norbert, Baugeschichte der barocken Klosteranlage Ottobeuren, Memminger Geschichtsblätter 21. Jahrgang 1936, Heft 1 und 2 Lucas Dietrich, Der Anteil der Klöster Niederaltaich und Metten an der Kulturlandschaft des Bayerischen Waldes, Mitteilung der Geogr. Gesellschaft München, Bd. 40, 1955, S. 9 - 120 Neef Ernst, Die zentralen Orte als Glied der Kulturlandschaft, Dt. Geographentag 1951, Frankfurt/Main, Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen, S. 149 - 153 Pfänder Willi, Das Musikleben der Abtei Ottobeuren vom 16. Jahrhundert bis zur Säkularisation, Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 45 - 62 Raffalt W., Rundfunkvortrag zur 1200-Jahrfeier der Abtei Ottobeuren, in: Gehört, gelesen, Nr. 8, August 1964 Rottenkolber Josef, Die letzten Jahre des Reichsstiftes Ottobeuren und sein Ende, Stud. Mitt. OSB, Bd. 53, 1935, S. 146 - 177 Schlittmeier Andreas, Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Säkularisation in Niederbayern, untersucht am Beispiel der Abtei Niederaltaich und seiner Probsteien Rinchnach und St. Oswald, Dissertation an der Univ. München, 1962 Schnieringer Karl, Ottenbeuren, Geschichte des Marktes, 1. Teil, Kempten, 1940 Schwarz Gabriele, Allgemeine Siedlungsgeographie, Berlin, 1961 Schwarzmaier Hansmartin, Gründungs- und Frühgeschichte der Abtei Ottobeuren, Ottobeuren, Festschrift zur 1200-Jahrfeier der Abtei, S. 1 - 72, Augsburg, 1964 Thorbecke Franz/ Fehn Hans/ Terhalle Winfried, Luftbilder aus Bayern, Konstanz-München, 1963

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Tüchle Hermann, Die barocke Geistigkeit Ottobeurens, Ottobeuren, 1964 Veit H., P. Ulrich Schiegg von Ottobeuren (1752 - 1810) und die bayerische Landvermessung, Stud. Mitt. OSB, Bd. 73, 1962, S. 153 - 167 Weber Pater Franz Karl (OSB), Wirtschaftsquellen und Wirtschaftsaufbau des Reichsstiftes Ottobeuren im beginnenden 18. Jahrhundert, Stud. Mitt. OSB, Bd. 57, 1939, S. 172 - 208 und Bd. 58, 1940, S. 106 - 137 Zacharias Alfred, Kleine Kunstgeschichte abendländischer Stile, München - Zürich, 1959

Abkürzungen:

Mitt. Geogr. Ges. Mü. = Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München

Stud. Mitt. OSB = Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige

(Ende der Abschrift) Anmerkungen zur Abschrift:

Die Abschrift der Zulassungsarbeit durch Helmut Scharpf erfolgte im August 2012. In Absprache mit dem Autor, Altabt Vitalis Altthaler (OSB), wurde die Arbeit auf neue deutsche Rechtschreibung umgestellt (Ausnahme: Zitate). Bei Zahlen wurden Angaben hinter der Kommastelle durchgängig mit einem Komma getrennt, statt - wie in der Originalarbeit - gel. mit einem Punkt. In den Fußnoten wurden die abgekürzten Vornamen der Verfasser, soweit sie in Erfahrung zu bringen waren, manchmal ausgeschrieben, zumindest aber dann im Literaturverzeichnis. Als Korrektor der Abschrift hat sich Franz Bermeitinger dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Der Zulassungsarbeit waren teils handgezeichnete Karten beigefügt. Sie wurden 1965 zusammen mit der Arbeit eingereicht und sind nicht mehr erhalten. Für die Erlaubnis zur Veröffentlichung seiner Zulassungsarbeit sei Herrn Hochwürdigsten Altabt Vitalis herzlichst gedankt. Die Vielzahl der verwendeten statistischen Quellen und die verschiedenen Perspektiven machen die vorliegende Arbeit zu einem unschätzbaren Instrument. Sie führt zu einem besseren Verständnis dafür, warum sich Ottobeuren zu dem Ort entwickelt hat, wie wir ihn heute kennen!

Begriffserklärungen/ Unklarheiten:

Forche (S. 16): Waldkiefer (Pinus sylvestris)

Hucker (S. 34 und 63): Lt. Wikipedia ist Hucker eine Berufsbezeichnung „im Bauwesen für Personen, die Ziegelsteine auf ihrem Rücken zu den Maurern brachten.“ Im Raum Niedersachsen (18. Jh.) war ein „Hucker“ ein Krämer. In einem Forumseintrag hieß es: Hucker kommt von „hocken“; man meint(e) damit jemanden, der auf dem Markt hockt und seine Ware feilhält. Für solche Kleinkaufleute gibt ja auch das Wort „Höker“. Im Sprachgebrauch heute ist das Wort „verhökern“ (etwa billig verscherbeln) gebräuchlich.

Professionisten (S. 49) ???

Auf S. 60 ist ein Satz der kopierten Vorlage von Max Graf nicht mehr lesbar. Gleiches gilt für eine Seitenzahl auf S. 106.

Ronabad (S. 75 und 105), Bezeichnung eines Gewerbes oder Berufs, vermutlich im Zusammenhang mit der Kneipp-Kur ???

Grundlastung (S. 81) ???

Egarten (s. 84) lt. http://wiki-de.genealogy.net/Egarten Das Wort »Egarten« gehört der alemannischen u. bayrischen Mundart an und bedeutet »Brachland«. Egarten-Wirtschaft ist eine Feldgras-Wirtschaft in der Mehrfelderwirtschaft im Bereich der süddeutschen und österreichischen Gebirgsgegenden, bei welcher man den Boden abwechselnd zum Getreidebau und zum Graswuchs verwendet.

Früher nahm man von dem Lande nur eine, höchstens zwei Getreideernten und ließ es dann mehrere Jahre zu Gras liegen, später aber vermehrte man die Zahl der Getreideschläge und baute auch zwischen zwei Getreidefrüchten Kartoffeln (19. Jh.), Flachs etc. an. Bedingung dieser Betriebsform ist feuchte, den Graswuchs begünstigende Luft.

Auf S. 90 wurde ein Satzteil (grau unterlegt) leicht verändert.

Die auf Seite 111 erwähnte Kemptener Straße ist heute (2012) die Sebastian- Kneipp-Straße.

Dezimal lt. Wikipedia: Ein Dezimal ist ein früheres bayerisches Flächenmaß und umfasste 34,0727 m², nach anderen Angaben auch 34,08 m², das entspricht einem Hundertstel Tagwerk, Abkürzung: Dez.

Umstellung der Schreibweise: Ollarzried (im Original Ollartsried).

Das zitierte Buch von Karl Schnieringer trägt original den Titel „Ottenbeuren“ (statt „Ottobeuren“) und wurde deshalb 2012 so zitiert.

zum Layout: Als Schriftart der Abschrift wurde Arial verwendet, Schriftgröße 13-Punkt (für die Fußnoten und manche Tabellen 12-Punkt). Aus Platzgründen wurden die Zeilenabstände mancher Tabellen leicht verkleinert. Die nummerierten Tabellen wurden alle - anders als im Original - mit einem farbigen Hintergrund hervorgehoben. Auch die Hauptüberschriften wurden im Inhaltsverzeichnis und im Text farblich markiert. Der Seitenumbruch entspricht dem Original.