Der Bau Der Nebeneisenbahn Laupheim-Schwendi
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Italienischer Bautrupp beim Einbau des Bahnschotters. Von Alfons Christ, Schwendi Der Bau der Nebeneisenbahn Laupheim-Schwendi „In der Frühe des unvergesslichen Montag, Der Eisenbahnbau in Württemberg: Die Südbahn des 16. Tages des holden Wonnemonats Mai, stieg in lieblicher Frische „Aurora“, die Morgen- Im Zuge der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhun- röte, am östlichen Horizont empor, um den Weg derts veränderte sich die politische Landkarte Süd- zu bereiten, den ihre Königin, die Licht und deutschlands grundlegend: Aus den zahllosen Klein- Wärme spendende Sonne nehmen sollte. Da staaten, Reichsstädten, Fürstentümern und Klosterstaa- erschien sie dann alsbald in all ihrer Pracht und ten entstanden das Königreich Württemberg, das Schönheit, und an diesem Tag von Jung und Alt Königreich Bayern, das Großherzogtum Baden und die auf herzlichste begrüßt, brachte sie die Gewiss- beiden Fürstentümer Hohenzollern. heit, dass unser Festtag unter der Gunst eines Nachdem Ulm 1810 zu Württemberg gekommen freundlichen Himmels vorübergehen werde“1. war, erhielt das Königreich einen Zugang zum schiffba- Mit diesen überschwänglichen, in jener Zeit ren Bereich der Donau, die schon lange vorher als Was- üblichen Worten leitete die damalige Zeitung, das serstraße für die zahlreichen Auswanderer besonders Laupheimer Volksblatt, die Einweihung der nach Südosteuropa gedient hatte. Heilbronn war schon Nebenbahnstrecke Laupheim–Schwendi am 1803 württembergisch geworden, und damit war auch Montag, den 16. Mai 1904, also vor über 110 Jah- der Zugang zum Neckar und damit zum Rhein gewon- ren ein. An jenem denkwürdigen Tag ging ein nen. Die verkehrspolitischen Überlegungen im König- Wunsch in Erfüllung, der eines langen Anlaufs reich Württemberg zielten darauf ab, wirtschaftlich bedurfte und von zahlreichen Bewohnern der nicht ins Hintertreffen zu den Nachbarn Baden und Region herbeigesehnt wurde. Über 30 Jahre Bayern zu kommen, zum anderen Verkehrsverbindun- waren vergangen von der Idee bis zur Verwirkli- gen zwischen den Großstädten und Handelszentren chung. Südwestdeutschlands über die alten Handelsstraßen BC 36 · 37 Zeitgenössische Darstellung um 1850: Zug auf der Südbahn vor dem Jordanbad. wiederzubeleben und so den Anschluss an diese Nach- berechnung die Mehrheit der betroffenen Oberämter barn herzustellen. Für die Verkehrswege favorisierte die zur Ablehnung des Kanals veranlasste. So wären von Staatsregierung Eisenbahnverbindungen, aber auch Ulm bis zum Bodensee in 15 Stunden zahlreiche Kanäle nach den Vorbildern in Frankreich und England. Schleusen zu überwinden gewesen. Das und die enorm Verschiedene Pläne wurden ausgearbeitet; ein Projekt hohen Baukosten haben die betroffenen Städte und sah eine Kanalverbindung zwischen Rhein und Donau Gemeinden abgelehnt. über den Neckar von Heilbronn und Stuttgart über das In Württemberg verkündete König Wilhelm I. am Remstal, Brenztal und Kochertal bis Ulm und von dort 18. April 1843 das „Gesetz, betreffend den Bau von ungefähr der heutigen Bundesstraße 30 entlang bis Eisenbahnen“, dem zufolge Eisenbahnen „in die Ver- zum Bodensee vor. Ein anderer Plan beschäftigte sich waltung des Staates übernommen oder auf Kosten des mit einem Kanal vom Neckar über das Filstal und die Staates gebaut werden“2 sollen. Damit wurde die kon- Schwäbische Alb bis zur Donau in Ulm. Doch nach troverse Diskussion über Bahn oder Kanal beendet. langwierigen Planungen, Beratungen und Gegenargu- Allerdings entwickelte sich zwischen Bayern und Würt- menten gewann die Eisenbahn die Oberhand, nachdem temberg ein Konkurrenzkampf, wer schneller den Studien in England die Vorzüge dieser Verkehrsverbin- Bodensee erreicht. Schließlich konnte mit einem Staats- dung gezeigt hatten. vertrag doch noch Einvernehmen erzielt werden. 1835 war die erste Eisenbahn in Deutschland zwi- Im Jahre 1850 wurde schließlich die für Württem- schen Nürnberg und Fürth in Betrieb genommen wor- berg wichtige Südbahn zwischen Ulm und Friedrichs- den. Auch die Industrialisierung Württembergs und hafen eröffnet, allerdings drei Kilometer an Laupheim damit auch von Teilen Oberschwabens war zur Mitte vorbei. Damit war das Oberland an die Wirtschaftszen- des 19. Jahrhunderts in vollem Gange. Besonders im tren am mittleren Neckar angeschlossen. Laupheim Schussental, in Ravensburg, Weingarten, Baienfurt und selbst wurde 1868 Stadt und so regte sich dort schon Schussenried entstanden bedeutende Industriebetriebe. sehr bald der Wunsch, direkt an das bestehende Eisen- Trotz aller ins Feld geführten Vorteile verzögerte sich bahnnetz angeschlossen zu werden. aber der Bau der Eisenbahnen. Probleme bereiteten die topografischen Verhältnisse, besonders die Überwin- Eisenbahnprojekte in Oberschwaben dung des Albaufstiegs von Stuttgart nach Ulm. Deshalb blieben die Kanalpläne zumindest noch im Hintergrund Die ersten Überlegungen zum Eisenbahnbau in präsent, bis schließlich eine Kosten- und Rentabilitäts- unserer Region gehen bis spätestens in das Jahr 1871 Von Alfons Christ, Schwendi Kaufmann Ferdinand Raff, Laupheim. Friedrich Stuber, Stadtschreiber in Laupheim. zurück. In einer Versammlung in Schwendi am 23. Juli Große Unterstützung erhielt Raff auch von seinem 1871 forderte der Wurzacher Abgeordnete und Stadt- Schriftführer, dem Stadtschreiber Friedrich Stuber. Raff schultheiß Völmle vor Vertretern von 15 Ortschaften warb in allen Gemeinden des Rottals, in Laupheim, den Bau einer Eisenbahnlinie von Bregenz nach Isny, Wain, Dietenheim und Illertissen für das Bahnprojekt Leutkirch, Wurzach und dann über das Rottal nach Ehingen – Laupheim – Schwendi – Illertissen, um eine Schwendi und schließlich nach Laupheim. Damit kurze Querverbindung von der Donautalbahn (Ulm – träumte Völmle von der kürzesten Verbindung zwi- Ehingen – Sigmaringen – Immendingen) über die Süd- schen Neapel und Stuttgart. Die Gemeindevertreter bahn ins bayerische Gebiet zu erhalten. Schon 1879 schlossen sich diesem Vorschlag an, lediglich in der hatte Raff einen Brief an einen nicht näher bezeichne- Trassenführung gab es Meinungsverschiedenheiten. ten Freund in Schwendi geschrieben, um diesen von Während der Laupheimer Vertreter Lämmle für einen einer Eisenbahn im Rottal zu überzeugen. Er deutete in Verlauf über Laupheim und damit für einen nahen diesem Zusammenhang auch eine Weiterführung von Anschluss der Stadt an die Südbahn plädierte, sprach Schwendi nach Ochsenhausen an.4 sich Freiherr von Süßkind-Schwendi als Vertreter der Rottalgemeinden für eine Trassenführung nach Erbach Eisenbahnkomitees, Denkschriften und Petitionen aus.3 „Wir stehen im Zeichen des Verkehrs“,5 mit diesen In den darauffolgenden Jahren wurden in allen am Worten beginnt eine Denkschrift zum Eisenbahnpro- Bahnprojekt beteiligten Gemeinden und Städten soge- jekt Ehingen – Laupheim – Illertissen, die im Jahre nannte Eisenbahnkomitees gegründet. Dem Komitee in 1896 von den „Eisenbahn – Comite´s“ Laupheim und Schwendi gehörten 18 Persönlichkeiten unter dem Vor- Ehingen an die Hohe Ständeversammlung des König- sitz von Freiherr Max von Süßkind an. In Laupheim reichs Württemberg eingereicht wurde. Darin wurde nahm sich ein Mann dieser Sache mit Vehemenz an ergänzend zu einer Bittschrift, die bereits ein Jahr und ließ nicht mehr locker: Kaufmann und Stadtrat zuvor, also 1895 im Auftrag der beteiligten Gemeinden Ferdinand Raff, geboren in Schwendi, wurde Vorsitzen- gestellt wurde, ausführlich die Notwendigkeit einer der des Eisenbahnkomitees Laupheim, dem weitere normalspurigen Bahnverbindung beschrieben, die auf namhafte Unternehmer, Fabrikanten und Bürger ange- Grund der industriellen und landwirtschaftlichen Ent- hörten. Ferdinand Raff besaß einen Gemischtwarenla- wicklung der Region unabdingbar sei. Die beauftragte den in der Langen Straße. Das Haus besteht heute nicht Firma Lenz & Cie. aus Stettin ergänzte die Bittschrift mehr; an dessen Stelle wurde die Südwestbank errich- mit ausführlichen Berechnungen und Plänen und tet. An der Seite zur Abt-Fehr-Straße ist eine Gedenkta- unterstrich damit die Notwendigkeit dieser Bahnstre- fel angebracht. cke, die von der bereits bestehenden Strecke Reutlin- BC 38 · 39 bahnprojekt gegeben und sahen in der Verwirklichung einen „unschätzbaren Wert“ für ihre Gemeinden. Gleichzeitig erklärten sie sich bereit, „entsprechend dem Verlangen der königlichen Regierung und nach den ökonomischen Verhältnissen der Gemeinde etwai- ge Opfer zu bringen“.8 Im August 1896 erteilte zwar die bayerische Staats- regierung der Bahnführung vom Rottal nach Illertissen eine Absage, da „weder allgemeine Landes- noch besondere Interessen des betreffenden bayerischen Gebietsteils für das Projekt sprechen“.9 Doch abwei- chend davon unterstützten die Komitees in Illertissen und Dietenheim weiterhin das Projekt. Die beiden Petitionen von 1895 und 1896 stießen bei der königlichen Regierung in Stuttgart nicht auf wohlwollende Zustimmung und wurden abgelehnt. Umso entschlossener traten nun die Eisenbahnkomi- tees der betroffenen Gemeinden mit Ferdinand Raff an der Spitze auf, um das vorgegebene Ziel doch noch zu erreichen. In einer erneuten Petition vom 1. März 1897 wurde sehr in Frage gestellt, ob die vorausgegan- genen Petitionen in Stuttgart überhaupt gründlich gele- sen und bearbeitet worden waren. So sei beispielsweise Titelblatt der Denkschrift an das königli- niemals die Rede von einer Schmalspurbahn gewesen, che Ministerium zum Eisenbahnprojekt zudem war man verwundert, dass die Schmalspurbahn Ehingen – Laupheim – Illertissen aus Biberach – Ochsenhausen mit der Begründung begüns- dem Jahre 1896. tigt wurde, dass die Bewohner