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Kernbereiche und Reformbedarf Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik des Bundes – unter besonderer Berücksichtigung der Arbeit ausgewählter Goethe-Institute und Deutscher Schulen in Europa

Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde durch den Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen

vorgelegt von Elisabeth Altmann

Hohenstadt, den 10.04.2003 2

Die Arbeit hat dem Promotionsausschuss als Dissertation vorgelegen.

Gutachter:

1. Prof. Dres. Lutz Dietze 2. Prof. Dr. Alois Wierlacher

Colloquium am 27. August 2003

Nach dem Colloquium erfolgte für die Drucklegung eine redaktionelle Überarbeitung. Inhaltlich wurde die Arbeit insbesondere durch die Aufnahme von Literatur in den Teilen A und C11, sowie E aktualisiert und ergänzt.

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Inhaltsverzeichnis

Kernbereiche und Reformbedarf Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik des Bundes – unter besonderer Berücksichtigung der Arbeit ausgewählter Goethe-Institute und Deutscher Schulen in Europa A Einleitung ...... 10 1. Abgrenzung des Themenbereichs und begriffliche Klärung...... 10 1.1. Das Untersuchungsfeld dieser Arbeit...... 10 1.2. Begriffliche Klärungen...... 13 1.3. Leitlinien für eine Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik...... 30 1.4. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Zeichen der Globalisierung...... 35 1.5. Kulturföderalismus...... 37 1.6. Absichten und Ziele der Arbeit ...... 38 2. Methodisches Vorgehen...... 41 2.1. Primär- und Sekundärquellen...... 41 2.2. Aussagen, Selbstdarstellungen, Zitate...... 43 2.3. Interviews und Meinungsbilder...... 44 2.4. Fragebögen...... 46 2.5. Teilnehmende Beobachtung...... 47 3. Wissenschaftliche Beiträge zum Reformbedarf...... 48 3.1. Deutsch als Fremdsprache...... 49 3.2. Die auswärtige Sprachpolitik ...... 50 3.3. Deutsche Universitäten und ihre Leistung für Deutsch als Fremdsprache ...... 51 B Aufbau und Mängel der dritten Säule der Außenpolitik...... 58 1. Mittlerorganisationen ...... 58 1.1. Die Mittlerorganisationen als Kultur- und Bildungsvermittler...... 58 1.2. Auswärtige Bildungspolitik im Schulwesen ...... 60 1.3. Geförderte Schulen...... 69 1.4. Goethe-Institut...... 73 4

1.5. Inter Nationes (IN) bis 2001 ...... 82 1.6. Institut für Auslandsbeziehungen (ifa)...... 85 2. Herausforderungen für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ...... 91 2.1. Rückläufige Ausgaben und mangelnde Transparenz...... 91 2.2. Das Goethe-Institut: Ein Markstein wird demontiert...... 92 2.3. Expertenanhörung zur Auswärtigen Kulturpolitik...... 94 3. Die Politik vernachlässigt die Akzeptanz der deutschen Sprache ...... 104 3.1. Migranten in Deutschland haben schlechte Spracherwerbsbedingungen...... 105 3.2. Die Deutsche Sprache ist in der EU nicht ausreichend repräsentiert...... 106 C Goethe-Institute und Deutsche Schulen und ihr Reformbedarf...... 115 1. Auswahlkriterien...... 115 2. Großbritannien ...... 121 2.1. Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht in Großbritannien ...... 121 2.2. Goethe-Institut London ...... 129 2.3. Interviewserie im Goethe-Institut London im September 1998...... 131 2.4. Deutsche Schule London...... 152 2.5. Interviews Deutsche Schule London...... 156 3. Frankreich...... 159 3.1. Das Goethe-Institut Paris ...... 161 3.2. Die Deutsche Schule Paris (DSP) ...... 162 4. Schweden ...... 167 4.1. Rahmenbedingungen zur Förderung der deutschen Sprache ...... 167 4.2. Das Goethe-Institut Stockholm...... 169 4.3. Die Deutsche Schule Stockholm...... 171 5. Tschechien...... 177 5.1. Rahmenbedingungen zur Förderung der deutschen Sprache ...... 177 5.2. Interview mit dem Leiter der Abteilung für Auslandsbeziehungen...... 184 5.3. Das Goethe-Institut Prag ...... 186 5.4. Interviews im Goethe-Institut ...... 187 5.5. Die Deutsche Schule Prag...... 192 5.6. Interview in der Deutschen Schule Prag ...... 197 6. Slowakei...... 204 6.1. Rahmenbedingungen für die Vermittlung der deutschen Sprache...... 204 5

6.2. Das Goethe-Institut Bratislava ...... 210 6.3. Die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad...... 212 7. Italien...... 217 7.1. Das Goethe-Institut Neapel ...... 217 7.2. Goethe-Institute in Italien unter Sparzwang ...... 219 8. ...... 222 8.1. Kulturpolitische und wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland ...... 222 8.2. Das Goethe-Institut Porto...... 223 8.3. Die Deutsche Schule Porto...... 224 9. Türkei ...... 228 9.1. Rahmenbedingungen für die Vermittlung der deutschen Sprache...... 228 9.2. Das Goethe-Institut Istanbul ...... 233 9.3. Die Schulreform in der Türkei ...... 235 9.4. Die (Alman Lisesi) ...... 236 10. Russland ...... 242 10.1. Das Goethe-Institut Moskau ...... 242 10.2. Bericht des Leiters des Goethe- Instituts ...... 244 10.3. Die Deutsche Schule Moskau ...... 245 11. Reformbedarf, der sich aus Teil C ableitet...... 250 11.1. Analyse der typischen Ergebnisse untersuchter Einrichtungen ...... 250 11.2. Anstehende Reformen inhaltlicher Art ...... 252 11.3. Organisatorischer und struktureller Reformbedarf ...... 270 D Befragung von Beschäftigten an Goethe-Instituten und Deutschen Schulen ...... 279 1. Die Entstehung des Fragebogens ...... 279 2. Methodische Vorgehensweise bei der Erstellung und Auswertung...... 282 3. Fragebogenerhebung ...... 284 4. Fragenbereiche ...... 286 4.1. Ausbildung/ Fortbildung ...... 286 4.2. Dialog und Partnerschaft...... 286 4.3. Lehre vor Ort...... 287 4.4. Europafragen ...... 287 4.5. Deutschlandbild...... 287 4.6. Zukunftspläne...... 288 6

4.7. Forderungen für die Zukunft...... 288 5. Statistische Auswertung der Fragebögen...... 288 6. Interpretation und Ergebnisse der Untersuchung...... 300 6.1. Ausbildung und Fortbildung ...... 300 6.2. Dialog und Partnerschaft...... 305 6.3. Lehre vor Ort - Medieneinsatz im Fach Deutsch als Fremdsprache...... 307 6.4. Europafragen ...... 309 6.5. Deutschlandbild/Studium in Deutschland...... 310 6.6. Zukunftspläne...... 312 6.7. Forderungen für die Zukunft...... 313 7. Weitere Reformvorschläge aus den Fragebögen...... 315 7.1. Verbesserungen für die Deutschen Schulen...... 315 7.2. Abgleich mit politischen Entscheidungsträgern, sowie Primärquellen: ...... 317 7.3. Goethe-Institute - in Zukunft Europäische Kulturinstitute? ...... 320 7.4. Unterschiedliche Sichtweisen ...... 321 E Zukunftsfähigkeit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ...... 326 1. Politische Neuorientierung in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ...... 326 1.1. Für eine bessere Finanzierung der deutschen Auslandsschulen ...... 333 1.2. Deutsche Schulen zukünftig in der Hand der Wirtschaft? ...... 336 1.3. Stiftungen und Sponsoring in der Auswärtigen Kulturpolitik ...... 339 2. Umstrukturierung von Goethe-Institut und Inter Nationes ...... 344 2.1. Finanzielle Aspekte und Schließungen ...... 344 2.2. Vorstellungen zur Neuorganisation von Inter Nationes...... 348 3. Die Fusion zum Goethe-Institut Inter Nationes ...... 351 3.1. Bergers Detailkonzept...... 351 3.2. Der Fusionsprozess ...... 356 3.3. Altes Fundament ehrt man ...... 358 3.4. Eine Frau an der Spitze des Goethe-Instituts ...... 359 F Fazit: Die Reform der dritten Säule ist unerlässlich...... 365 G Literaturverzeichnis...... 374 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AA Auswärtiges Amt AKBP Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik 7

AKP Auswärtige Kulturpolitik ADLK Auslandsdienstlehrkraft AvH Alexander von Humboldt-Stiftung BLASchA Bund-Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland BAT Bundes- Angestellten-Tarif BMBW Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft BMFT Bundesministerium für Forschung und Technologie BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (aktuell) BMW Bayerische Motoren Werke BMI Bundesministerium des Innern BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit BPLK Bundesprogrammlehrkraft BVA Bundesverwaltungsamt CDG Carl Duisberg Gesellschaft DaF Deutsch als Fremdsprache DAG Deutsche Auslandsgesellschaft DaZ Deutsch als Zweitsprache DiDaZ Didaktik des Deutschen als Zweitsprache DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DFJW Deutsch-Französisches Jugendwerk DS Deutsche Schule DSL Deutsche Schule London DW Deutsche Welle EU Europäische Union FB Fachberater GDS Großes Deutsches Sprachdiplom GI Goethe-Institut GIIN Goethe-Institut Inter Nationes GTZ Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten HRK Hochschulrektorenkonferenz ifa Institut für Auslandsbeziehungen IN Inter Nationes KDS Kleines Deutsches Sprachdiplom KMK Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland LPLK Landesprogrammlehrkraft MOE Mittel- und Osteuropa MOE /GUS Mittel- und Osteuropa und Gemeinschaft Unabhängiger Staaten PWD Prüfung für Wirtschaftsdeutsch PLK Programm Lehrkraft PV Pädagogische Verbindungsarbeit StADaF Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache SteuDaF Steuerungsausschuss Deutsch als Fremdsprache SMV Schülermitverantwortung VDA Verein für das Deutschtum im Ausland VIZ Vereinigung für Internationale Zusammenarbeit ZfA Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ZD Zertifikat Deutsch ZDaF Zertifikat Deutsch als Fremdsprache ZDFB Zertifikat Deutsch für den Beruf ZMP Zentrale Mittelstufenprüfung ZOP Zentrale Oberstufenprüfung 8

Vorwort

Als ich 1994 in den Bundestag eintrat, habe ich mich um das Gebiet der Auswärtigen Kulturpolitik bemüht und wurde Sprecherin meiner Fraktion für diesen Bereich. Ich war Mitglied und Verwaltungsrätin bei Inter Nationes und Mitglied im Goethe-Institut bis zum Jahr 2001. So konnte ich mir viele Informationen direkt aus den Zentralen zugängig machen und verwerten. Entsprechende Berufserfahrung brachte ich mit: Unterricht von Kindern in Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache, Ausbildung ausländischer Lehrkräfte in Deutsch, die Abnahme und Erstellung abschließender Leistungsfeststellungen ”Deutsch für ausländische Lehrer” für das Bayerische Kultusministerium, die Mitwirkung und Teilnahme an der Lehrerfortbildung für interkulturelle Modellklassen sowie Erstellung von Schulbuchgutachten im Bereich Deutsch als Zweitsprache für das Bayerische Kultusministerium waren seit vielen Jahren meine beruflichen Aufgabengebiete. 1998 nahm ich in Stockholm als Mitglied der deutschen Delegation an der UNESCO- Konferenz “Kultur und Entwicklung” teil, welche die Nachhaltigkeit der Auswärtigen Kultur- und Bildung zum Thema hatte und die teilnehmenden Länder zu diesbezüglichen Aktivitäten verpflichtete. Ich erarbeitete ein breites Spektrum von Anfragen und Anträgen im Bundestag. Die Absicht bei den Anfragen war, den Hintergrund der Auswärtigen Kulturpolitik auszuleuchten, Schwachstellen zu erkennen und entsprechendes Zahlenmaterial für Verbesserungsvorschläge zu erhalten. Damit befassen sich die Teile B “Aufbau und Mängel der dritten Säule der Außenpolitik” und E “Zukunftsfähigkeit Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik” meiner Arbeit. Was mich besonders interessierte, waren die Aktivitäten der verschiedenen Einrichtungen. Ich besuchte Goethe-Institute und Deutsche Schulen im Ausland, um ein klares Bild von den Verhältnissen und Erfordernissen für zukunftsorientiertes Handeln zu gewinnen. Dabei standen mir viele Gesprächspartner mit wertvollen Anregungen zur Verfügung. Die Ergebnisse sind im Teil C “Ausgewählte Goethe-Institute und Deutsche Schulen in Europa und ihr Reformbedarf” festgehalten und unter C11 zusammengefasst. 9

Die Akteure der Auswärtigen Kulturpolitik, bzw. die der Institutionen der Kulturarbeit, haben in allen Teilen der Arbeit ihren Platz unter verschiedenen Gesichtspunkten. Z. B. wird die Institution Inter Nationes im Teil B vorgestellt und ihr Aufgabenspektrum erläutert. In den empirischen Teilen C und D zeige ich, wie Medien von Inter Nationes in den Deutschen Schulen im Ausland und in den Goethe-Instituten eingesetzt werden. Dazu äußern die Akteure Wünsche und Verbesserungsmöglichkeiten in den Interviews und den Fragebögen. Im Teil E werde ich Vorschläge aus Politik und Gesellschaft, sowie auch meine eigenen Ideen zur Erneuerung der Einrichtung von Inter Nationes und zur besseren Koordination mit anderen Mittlern unterbreiten. Außerdem werde ich im Teil E den Vorgang der Fusion mit dem Goethe-Institut zum Goethe-Institut Inter Nationes aufzeigen und kritisch hinterfragen. Um eine breit gefächerte Informationsgrundlage zu erhalten, entwickelte ich einen Fragebogen, den ich an die von mir besuchten Schulen und Goethe-Institute zur Beantwortung schickte. Dieser Fragebogen entstand mit Unterstützung von Fachkräften aus dem Goethe-Institut. Bei einem Rücklauf von ca. 80% erhielt ich eine Fülle von Material, das ein Überdenken der bisher üblichen Vorgehensweise nötig macht. Dieses ist im empirischen Teil D “Befragung der Beschäftigten an Goethe-Instituten und Deutschen Schulen” unter D 6, D7: ”Interpretation und Ergebnisse der Befragung” als Analyse der typischen Ergebnisse untersuchter Einrichtungen exemplarisch ausgewertet. Teil F “Fazit: Die Reform der dritten Säule ist unerlässlich” richtet den Blick auf die Zukunft und zeigt kurz zusammengefasst Reformvorschläge für eine transparente Entwicklung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik auf, die aus den Befunden der vorliegenden Arbeit abgeleitet wurden. 10

A Einleitung

1. Abgrenzung des Themenbereichs und begriffliche Klärung

1.1. Das Untersuchungsfeld dieser Arbeit

Das Untersuchungsfeld dieser Arbeit ist die Auslandskulturpolitik und Kulturarbeit des Bundes, im Bundeshaushaltsplan als “Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland” definiert. Die “Ausgaben des Bundes auf dem Gebiet der Auswärtigen Kulturpolitik”1 sind auf neun Ministerien und zahlreiche Institutionen öffentlicher und privater Art verteilt, deren Arbeit unter den unterschiedlichsten Zielsetzungen und Aspekten, Aufgaben und Problemfeldern, Schwerpunkten und Wirkungen skizziert und interpretiert werden könnten, allein konzeptionell verbindlich sind bestenfalls die jeweiligen Rechtsgrundlagen. Nicht einmal die Auftraggeber und Financiers und nicht die Verantwortlichen der maßgeblichen Träger interpretieren diese Arbeit hinreichend präzise und operationalisierbar. Dies anhand von einigen untereinander verschränkten Arbeitsschwerpunkten und durch Befragungen und Stellungnahmen der Akteure in den Instituten und Schulen zumindest bereichsspezifisch und beispielhaft herauszufinden, ist Thema dieser Arbeit. Bezüglich der Ebene der Ministerien geht es in der Arbeit einerseits um den Geschäftsbereich des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, welchem bisher z.B. die institutionelle Förderung von Inter Nationes oblag, und andererseits vor allem um den Aufgabenbereich des Auswärtigen Amtes. Die Gesamtausgaben des Bundes auf diesem Gebiet betragen im Jahr 1999 in etwa 3,29 Milliarden DM, auf neun Ministerien verteilt. Im 6. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik (2001)2 wird aus der Statistik

1 Deutscher Bundestag: Entwurf zum Haushaltsplan des Bundes 1999, Einzelplan 05, Übersicht 2. Anlage zur Drs.13/11100. 2 Deutscher Bundestag: 6. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik (2001). Drs.14/9760. 3.7.2002. S.7. 11

der diesbezügliche Ansatz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung herausgenommen, sodass als Ausgaben des Bundes insgesamt für 2002 1.127,6 Millionen € erscheinen, davon 564, 7 Millionen € für den Bereich des Auswärtigen Amtes. Etwas mehr als die Hälfte der Gesamausgaben für die AKBP wird also über den Einzelplan des Auswärtigen Amtes ausgegeben, davon in etwa je ein Drittel für das Goethe-Institut und für die Deutschen Schulen im Ausland. Im Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2001 wird eine wichtige Namensänderung bekannt gegeben: “Über die Hälfte Mittel im Kulturhaushalt des Auswärtigen Amtes ist dem Bildungsbereich gewidmet [...]. Damit dies auch nach außen zum Ausdruck kommt, hat das Auswärtige Amt zu Beginn des Jahres 2001 die Kulturabteilung in ‚Abteilung für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik,’ umbenannt.”3 (Abgekürzt: AKBP) Der Begriff “Bildung”, der im Bericht der Bundesregierung für die Arbeit der Deutschen Schulen im Ausland steht, war bis zu diesem Zeitpunkt unter dem Oberbegriff der Kultur subsumiert. Aus den Bereichen der Kultur und der Bildung rücken aufgrund der Umstrukturierungen des Goethe-Instituts (Kultur) und der Veränderungen in den Deutschen Schulen im Ausland (Bildung) diese beiden Themenspektren in den Vordergrund. Vor allem soll der Umstrukturierungsprozess des Goethe-Instituts dargestellt und die Situation in den Deutschen Schulen im Ausland zur Diskussion gestellt werden. Zentrale Institutionen der Auswärtigen Kulturpolitik des Bundes sollen präsentiert werden. Dazu gehören ebenso das Weltstadtinstitut in London wie das kleine, von der Schließung bedrohte Institut in Neapel. Meine Erfahrungen als Mitglied des Bundestages mit dem Aufgabenschwerpunkt “Auswärtige Kulturpolitik” fließen hier ein. Sie beruhen auf Teilnahmen an Anhörungen und Sitzungen sowie auf meinen Fragestellungen z. B. zur Anhörung “Bestandsaufnahmen und Perspektiven der auswärtigen Kulturpolitik” an die Experten. Bisher waren Doktoranden auf diesem Gebiet noch nicht Mitglieder des Bundestages. Wäre diese Arbeit nicht geschrieben worden, so würden die dort gemachten Erfahrungen der Öffentlichkeit verloren gehen. Die

3 Deutscher Bundestag: 6. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik (2001). Drs.14/9760. 3.7.2002. S.4. 12

Form der in den Bundestag eingebrachten Anträge sagt oft noch nichts darüber aus, wie die Erkenntnisse gewonnen wurden. Das möchte ich in vorliegender Arbeit darlegen. Ferner soll es darum gehen folgende Absichtserklärungen der Politik auf ihre Ernsthaftigkeit zu überprüfen: “Die Auswärtige Kulturpolitik ist die dritte Säule der Außenpolitik” und: “Die Kulturpolitik ist ein wichtiger Eckpfeiler für die nachhaltige Entwicklung.”4 Während Teil B die offiziellen Aufgaben der Kernbereiche skizziert und Mängel benennt, stellt Teil C die Arbeit einzelner Deutscher Schulen und Goethe-Institute und den Einsatz der Mitarbeiter in den Einrichtungen in ausgewählten Ländern Europas dar. Die Präferenz der Institute und Schulen war allerdings nicht, wie zu zeigen sein wird, zufällig. Der Einfluss der Politik auf die Gedankenwelt und auf die Handlungsebene in der Auswärtigen Kulturarbeit kommt in den Interviews zum Vorschein. Dabei ist es ein Anliegen, die Schieflage zwischen dem Engagement der Beschäftigten und den oft abstrakten Aussagen und Allgemeinplätzen der Politik aufzuzeigen. Die hinterfragende Darstellung des Aufgaben- und Arbeitsverständnisses der Vermittler ist der Schwerpunkt. Nur teilweise untersucht wurde die Wirkung auf die Adressaten der kulturellen Arbeit und der Bildungsaktivitäten. Im Teil C und D soll in den Fragebögen und Interviews eruiert werden, ob das Personal in der Kulturarbeit an Fragen der Zukunftsfähigkeit, an globalen und ökologischen Herausforderungen, an Fragen der Völkerverständigung, der realistischen Außendarstellung Deutschlands, an interkulturellem Zusammenleben und Lernen interessiert ist. Dabei waren im Interesse der Aussagekraft des empirischen Materials Eingrenzungen vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf die kulturellen Themen, Aktivitäten und deren Reichweite für die Zukunft. Ausgangspunkt ist hierbei das derzeitige Aktionsprogramm, aber ebenso sind es die Wortmeldungen der Betroffenen. Dadurch wird hoffentlich ein kleiner, aber sehr wichtiger Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik verständlicher als bisher. Es hätte den Rahmen gesprengt, die Auswärtige Kulturarbeit anderer Nationen zu untersuchen, dies ist auch für das Ziel der Arbeit nicht erforderlich. Auf die Auswärtige Kulturpolitik Großbritanniens allerdings soll, weil sie im Gegensatz zur deutschen Kulturpolitik zentral über eine Institution vermittelt wird, ein Blick geworfen werden. Die institutionellen Strukturen der Mittlerorganisationen sollen als Bestandteile der “dritten

4 Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung: Kultur und Nachhaltigkeit. Thesen und Ergebnisse aus einem Ideenworkshop. Berlin, 11./12.12.2001. 13

Säule” Auswärtiger Kulturpolitik und deren dauerhafter Tragfähigkeit betrachtet werden. Eine Institutionenkritik findet im Rahmen dieser Arbeit in Hinblick auf die vorgenommenen Umstrukturierungen statt. Die zentralen Begriffe waren so abzugrenzen, bzw. so zu definieren, dass sie als Orientierungsmarken für den empirischen Teil der Arbeit und den daraus zu ziehenden Folgerungen passten, ohne den durchaus divergenten Positionen der Akteure vor Ort Schablonen anzupassen (Interkulturalität bzw. erweiterter Kulturbegriff, statt Multikulturalität). Mit der empirischen Untersuchung ist angestrebt worden, aussagekräftige, d.h. für die Zukunft bedeutsame Ergebnisse zu erhalten. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich auf die Jahre 1996-2002. Die Interviews und Beschreibungen der ausgewählten Goethe-Institute und Deutschen Schulen in Europa sowie die Fragebögen an die Beschäftigten entstanden vor allem im Jahre 1998.

1.2. Begriffliche Klärungen

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Bundes Nach Gründung des Norddeutschen Bundes ging 1870 aus dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten das Auswärtige Amt hervor. Das Ende der Monarchie brachte 1918/19 eine Umgestaltung des Amtes, indem die alte Unterscheidung zwischen diplomatischem und konsularischem Dienst gemildert wurde, die wirtschaftspolitischen Außenbeziehungen gestärkt, eine verwaltungsmäßige Aufgliederung des Amtes nach Weltregionen vorgenommen und erstmalig eine Kulturabteilung gegründet wurde. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches kam es 1950 zur Eröffnung einer “Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten” im Kanzleramt. Erst im März 1951 wurde das Auswärtige Amt wieder eingerichtet, dessen Leitung Bundeskanzler Adenauer übernahm. Der erste Außenminister war dann Heinrich von Brentano 1955-1961. Die Auswärtige Kulturpolitik (AKP) wurde im Jahre 2001 in “Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Bundes” (AKBP) umgenannt. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Bundes pflegt die internationalen kulturellen Beziehungen Deutschlands, ist finanziert über den Bundeshaushalt, organisiert in Kooperation des Auswärtigen Amtes (AA) und anderer Ministerien mit den Mittlerorganisationen. Durchgeführt wird die konkrete Arbeit im Ausland durch die von den Mittlerorganisationen betriebenen Institutionen vor Ort. Die Auswärtige Kulturpolitik des Bundes will die deutsche Sprache im Ausland fördern, die kulturelle 14

Präsenz gewährleisten, Bürgerinnen und Bürgern aus Deutschland, die sich im Ausland befinden, Anschluss an die kulturelle Entwicklung in Deutschland geben, sowie deren Kindern eine Schulbildung nach deutschen Standards ermöglichen. Schülern aus den Gastländern soll in Deutschen Schulen im Ausland der Zugang zu deutscher Bildung und deutschen Abschlüssen ermöglicht werden. Dabei folgen aus politischen Schwerpunktsetzungen auch kultur- und bildungspolitische Aktivitäten. „Bei dem Begriff „auswärtige Kulturpolitik“ handelt es sich um ein semantisches Feld, das sich im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung mit immer neuen Inhalten angereichert hat. Es ist ein sogenanntes „mot-valise“, ein Terminus, in den, wie es auch bei einem Koffer möglich ist, je nach Bedarf Unterschiedlichstes hineingesteckt werden kann.“5 Es werden zum Beispiel die kulturellen Beziehungen zu Ländern besonders betont, mit denen Deutschland eng verbunden ist oder verstärkte Kontakte knüpfen will. Nach der Wende war dies zu den Ländern Mitteleuropas (MOE) der Fall. Wie sich aus den empirischen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit zeigen wird, manifestiert sich Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und ihre Ausführung in einer Vielfalt von erzieherischen, informativen und künstlerischen Angeboten. Sie ist bestimmt von der örtlichen Nachfrage und von politischen und wirtschaftlichen Absichten im Heimatland.

Auswärtige Kultur und Bildung als dritte Säule der Außenpolitik „Eine der wichtigsten und am meisten zitierten Selbstkennzeichnungen auswärtiger Kulturpolitik [...] ist die Metapher der ´dritten Säule´ staatlicher Außenpolitik.“6 Bei seiner Regierungserklärung 1969 rief der damalige Bundeskanzler Willy Brandt die Auswärtige Kulturpolitik zur “dritten Säule” der Außenpolitik, neben der Außenwirtschafts- und der Sicherheitspolitik, aus. Formuliert hatte er diese Metapher schon 19677. Hatte sich doch bei ihm die Erkenntnis durchgesetzt, dass man vor allem über den Austausch, in den Deutschen Schulen im Ausland, in den Goethe-Instituten, über die Arbeit des Deutschen Akademischen

5Znined-Brand, Victoria: Deutsche und französische auswärtige Kulturpolitik. Eine vergleichende Analyse. Frankfurt am Main, 1999. S.17. 6Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation. Möhnesee, 2000. S.447. 7 Brandt, Willy: Bemerkungen zur auswärtigen Kulturpolitik. In: Auswärtige Kulturbeziehungen 4 (1967), S.11-13. 15

Austauschdienstes (DAAD) junge Menschen vieler Nationen ansprechen, ihnen ein aktualisiertes Deutschlandbild vermitteln und damit gegenseitig Verständnis und Toleranz befördern und Vorurteile abbauen könne. Die Auswärtige Kulturpolitik, die dazu die Rahmenbedingungen stellen sollte, wurde zu einem “tragenden Pfeiler”8 der deutschen Außenpolitik erklärt. Diese Metaphern sind bis heute in ihrer programmatischen Aussagekraft nicht zurückgenommen worden. Damit ist anzunehmen, dass die Bedeutung der dritten Säule auch für die Bedeutung der ersten und zweiten Säule virulent ist. Fünf Hypothesen über die funktionale Bedeutung der dritten Säule sollen genannt werden: 1. Auswärtige Kulturpolitik ist in Abhängigkeit von der ersten Säule zu sehen. So stand sie z. B. in der DDR im Dienste der ersten Säule. In der Vermehrung der Staatsmacht wurde ihr Dienst gesehen. Auch Huntington sieht den Zweck der Kulturpolitik wohl eher fremdbestimmt durch die Politik, um der eigenen Nation größeres Gewicht und damit Handlungsfreiheit zu gewähren. (Siehe B 2.3.) 2. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass die Funktion der Kulturpolitik darin besteht, Ansehen und Reputation zu gewinnen und einen guten Ruf für ein Land herzustellen. 3. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Auswärtige Kultur in den Dienst der zweiten Säule, der Wirtschaft, zu stellen und als Exportmotor zu sehen. 4. Es gibt es eine Konstruktion, in der es nur um den Austausch geht, Multikulturalität, ein respektiertes Nebeneinander, keiner darf verlieren, eine win-win Situation soll entstehen. 5. Die Eigenständigkeit Auswärtiger Kultur und Bildung, das heißt eine weitgehende Unabhängigkeit der dritten von den beiden anderen Säulen und eine entsprechende Standfestigkeit, ist eine fünfte Alternative. Eine Untersuchung etwaiger Eigenständigkeit mit dem Recht z. B. auf die eigene Sprache lässt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftspolitik sehen, beinhaltet nicht wirtschaftlichen oder politischen Imperialismus. Eigenständigkeit mit dem Recht der Förderung des Deutschen als Fremdsprache hat Auswirkungen auf das Feld der Wirtschaft. Eine einseitige Betonung des Deutschen als Fremdsprache ist in diesem Untersuchungsfeld nicht hilfreich.

8 Auswärtiges Amt 1972: Leitsätze für die Auswärtige Kulturpolitik, Bonn, S.781. 16

Das Epitheton ´auswärtig´ So fragt Victoria Znined-Brand: „Wie sind die einzelnen Bestandteile, „auswärtig“, „Kultur“, und „Politik“ zu determinieren? Wie sind sie untereinander zu gewichten?“9 Richard Martinus Emge definiert folgendermaßen: „Was soll uns auswärtig bedeuten? Es ist zu erwarten, dass der Begriff für den Soziologen weiter gefasst werden muss als für den Staats- und Völkerrechtler, und dass er damit, wie in allen solchen Fällen, an Schärfe verliert, liegt auf der Hand. [...] Von auswärtigen Angelegenheiten spricht man in Hinblick auf Staaten. Es handelt sich um die Beziehungen eines Staates zu den anderen, um den Bereich derjenigen staatlichen Aktivität, die die Interessen des eigenen Landes oder die Interessen der eigenen Staatsangehörigen im Ausland wahrnimmt.“10 Grenzüberschreitende staatliche Aktivitäten werden im auswärtigen Bereich wahrgenommen, die immer auch mit der Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem Fremden zu tun haben. So stellt Barthold C. Witte fest: „Wenn Außenpolitik die Gesamtheit staatlichen Handelns ist, das sich auf das Verhältnis zu anderen Staaten bezieht, so besteht sie weitgehend aus dem Umgang mit dem ´Fremden´. Dies gilt verstärkt für auswärtige Kulturpolitik, weil diese die gesellschaftlichen Lebensbedingungen und das kulturelle Schaffen der Völker unmittelbar, nicht erst in politischen und ökonomischen Sachfragen, zum Thema zwischengesellschaftlicher und kultureller Begegnung macht.“11 Alois Wierlacher, der den cultural turn der Geisteswissenschaften und den xenologischen turn der Fremdkulturwissenschaften in zahlreichen Publikationen ausleuchtet, weist auf die Doppelbedeutung des Begriffs ´fremd´ hin: „Der lateinische Ausdruck ´hospes´ heißt im Deutschen ´Gast´ und ´Fremder´; diese Doppelbedeutung ist im englischen ´hospitality´ und frz. ´hospitalité´ erhalten geblieben; [...] Menschen benötigen den Stachel des Fremden, um nicht früher oder später zu erstarren. Er ist lebenswichtig, weil das Andere als das Fremde immer auch das Neue ist, in der Neuheit aber die fermentive Kraft des Fremden steckt, die uns zu irritieren und zu verängstigen und über diese irritierende

9 Znined-Brand Victoria: Deutsche und französische Kulturpolitik. Frankfurt am Main, 1999. S.17. 10Emge, Richard Martinus : Auswärtige Kulturpolitik. Eine soziologische Analyse einiger ihrer Funktionen, Bedingungen und Formen. Berlin 1967. S. 43. 11Witte, Barthold C.: Fremdheitswissen als Basis auswärtiger Kulturpolitik. In: Kulturthema Fremdheit. Alois Wierlacher. Hg., München 1993, S.451. 17

Verängstigung zu verlebendigen und auf andere Gedanken, Ansichten und Überzeugungen zu bringen vermag. Dieses Neue ist auf der Zeitachse zugleich das Zukünftige; alle Angst vor der Zukunft besitzt Eigenschaften der Xenophobie, die kulturelle Wandlungen auch dann erschwert, wenn diese unvermeidlich zu sein scheinen.“12 In diesem Zusammenhang erscheint es auch wesentlich, zu fragen, inwieweit das Auswärtige im Sinne einer Bestätigung anerkannt wird. Wird das auswärtige Land als anderes Land mit anderem aber gleichwertigem kulturellem Umfeld betrachtet? Sollen die eigenen Maßstäbe angesetzt werden oder soll der Versuch unternommen werden, im Akt der Anerkennung, „das erkennende, prüfende und bestätigende Zuschreiben einer Identität als Alterität“13 zu vollziehen? Denn „Anerkennung im beschriebenen Sinne des Wortes ist da gegeben, wo sich das erkennende Ich mit der reflexiv prüfenden Zuerkennung von Identität dialektisch mitbegründet“14 und nur unter dieser Voraussetzung kann es Partnerschaft und partnerschaftlichen Austausch geben.

Für die vorliegende Arbeit relevante Aspekte der Kultur und Interkulturalität Wie schon unter 1.2.1. festgestellt, ist der Bereich der Kultur- und Bildungspolitik, den diese Arbeit umfasst, einerseits durch politisch festgelegte Aufgaben beschrieben, andererseits sollen die Rahmenbegriffe Kultur, Interkulturalität und interkulturelle Bildung, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, näher definiert werden. Dem Kulturbegriff in der Auswärtigen Kulturpolitik ist ein Kapitel des Werkes von Alois Wierlacher “Architektur Interkultureller Germanistik” gewidmet. Hier legt er einen Begriffsdissens offen: “Lattmann aber, 1969-1973 Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller (VDS), denkt bei Kultur an “zeitgenössische Kunst und Literatur. In Beispielen aus der Literatur zeigt Wierlacher den Kulturbegriff Max Frischs und Heinrich Bölls auf. “Der Begriff der Kultur wird von Benn und Böll hauptsächlich im Sinne der lateinischen

12 Wierlacher Alois: Kulturwissenschaftliche Xenologie. 4. Zur Xenologie als Wissenschaft vom epistemisch Fremden und vom Neuen. In: Konzepte der Kulturwissenschaften. Nünning/Nünning, Hg. Stuttgart, 2003.S.298. 13 Wierlacher, Alois. Rahmenbegriffe interkultureller Germanistik. Wierlacher Alois; Bogner, Andrea, Hg.: Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart, 2003. S.200. 14 ebd. 18

cultura verwandt; mit Frisch fordert Böll den Staat zu dieser cultura auf.”15 [...]„Kultur wird, so ist zu resümieren, auch in der auswärtigen Kulturpolitik weiterhin als “Rubrik, abseits von Politik und Wirtschaft” begriffen, die Frisch mit Thomas Mann, Böll und Benn aufzusprengen suchten. Insofern ist das Resultat unserer Untersuchungen auch ein Indiz für die politische Wirkungslosigkeit der Literatur. Die Kunstträger auf der einen, die Kulturträger auf der anderen Seite, zu der auch die in den Assoziationsübungen Befragten zu rechnen sind, haben gruppendivergierende Begriffe. Darüber hinaus besteht über die Relation der Begriffe ´Kunst` und ´Kultur` auch unter den Schriftstellern keine Einigkeit.”16 In der vorliegenden Arbeit findet unter dem Kapitel “Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als wichtiger Bestandteil der deutschen Außenpolitik” eine Verortung der Autorin in einem erweiterten Kulturbegriff17 statt, dessen Prinzip durch den offenen Kulturbegriff gefestigt wird: „Diese Forderung nach der Erweiterung des Kulturbegriffs wird zum ersten Mal in den Leitsätzen für Auswärtigen Kulturpolitik (1973) (vom Kabinett nicht verabschiedet) aufgestellt.”18 „Zur Festigung dieses Prinzips wurde in den neunziger Jahren vorgeschlagen, die Konzeption des erweiterten Kulturbegriffes durch das Konzept eines offenen Kulturbegriffes zu ersetzen, der seine Offenheit auch als Anschlussfähigkeit definiert.”19/20 Hier bezieht sich der Autor Gerd Ulrich Bauer, dessen akademischer Lehrer Alois Wierlacher war, auf die erste der 25 Thesen des Beirats Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts

15 Wierlacher, Alois: Die Gemütswidrigkeit der Kultur. In: Architektur interkultureller Germanistik, München, 2001, S 213. 16 ebd. S.217. 17 Zu den verschiedenen mehr als 150 Kulturbegriffen siehe Baecker, Dirk: Kultur. In: Ästhetische Grund- begriffe, Barek, Karlheinz, Hg., Band 3, Stuttgart, 2001, S.510ff., (S.555f.) sowie Baecker, Dirk: Wozu Kultur? Programm und Kultur S.133, unbestimmte Kultur S.133, Einwand und Kultur S.98, Kultur als Medium S.110. 2. Auflage, Berlin 2002. Eagleton, Terry: Was ist Kultur?. Versionen der Kultur. S.7. Kultur in der Krise. S.48. München, 2001. Esser, Hartmut: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 6: Sinn und Kultur. Frankfurt/Main. 2001. 18 Wierlacher, Alois: Der Kulturbegriff in der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. In: Architektur interkultureller Germanistik, München, 2001, S.214. 19 Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation. Wierlacher, Alois, Hg., Möhnesee, 2000, S. 445. 20 vgl. Strecker, Ivo: Kultur. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Gert Ueding, Hg., Band 4, Tübingen, 1998, Spalte 1384ff (1437f). 19

aus dem Jahr 1991. Dem erweiterten Kulturbegriff wurde eine Absage erteilt, weil dieser sich beliebig ausgedehnt habe und man forderte eine Neuakzentuierung in Richtung offener Kulturbegriff. Dieser solle stärker ethisch verantwortet, historisch begründet und ästhetisch akzentuiert sein. Joachim Sartorius, ehemaliger Generalsekretär des Goethe Instituts, der die Wendung zum „offenen Kulturbegriff“ unterstützte, wendete sich darüber hinaus gegen Lehrwerke, die sich zu sehr an Alltagssituationen orientieren und plädierte für die Aufnahme von Kunst und Literatur in diesen Werken.21 In der zweiten These - Zum politischen Kulturbegriff - heißt es: „Der Antagonismus „Kultur/Zivilisation ist veraltet.“22 Ein kurzer Rückblick in die Geschichte des Kulturbegriffs verdeutlicht den Grund dieser Aussage. „Kultur und Bildung besetzen im deutschen Idealismus eine zunehmend antiaristokratisch und anti-französisch konnotierte Gegenposition zu ´Zivilisation´ und beide Begriffe verfestigen sich u.a. bei Johann Heinrich Pestalozzi und Wilhelm von Humboldt und v.a. ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur scharfen Antithese.“23 „Nach einer Bedeutungsverengung auf religiösen cultus und landwirtschaftliche cultura im Mittelalter setzt mit der Renaissance der Antike die neuzeitliche Entwicklung von cultura und ´Cultur´ zu einem abstrakten und selbständigen Begriff in der Gelehrtensprache ein. Dessen erweitertes Bedeutungsfeld betrifft nun die verbesserbaren, insofern historische kontingenten - wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen, religiösen Bedingungen menschlicher Sozialität insgesamt und wird nur durch den Gegenbegriff einer ´Natur´ begrenzt, die es zu bearbeiten und zu domestizieren gilt.“24 Ein erweiterter Kulturbegriff versteht Erweiterung in dem Sinne, dass Alltagskultur als Teil der Kultur verstanden wird. Der “erweiterte Kulturbegriff” geht auf Pufendorf (1684) zurück. “Er subsumiert der ‚cultura’ sämtliche von Menschen als gesellschaftliche Wesen gestaltete Lebensformen und Objektivationen.”25

21 Sartorius, Joachim: Für eine subversive Kultur. In: Die Zeit. 6.12.96. S.45. 22Beirat Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts 1991: 25 Thesen zur Sprach- und Kulturvermittlung im Ausland. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18 (1992), Hg. Alois Wierlacher u. a., S. 547-551 23 Ort, Claus-Michel: Kulturbegriffe und Kulturtheorien. Vom normativen Kulturbegriff zur Kulturtheorie. In: Konzepte der Kulturwissenschaften. Ansgar Nünning und Vera Nünning, Hg., Stuttgart 2003. S. 19. 24 Ebd. 25 Ueding, Gert, Hg.: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 4, S.1411, [20]. 20

Das enge, traditionelle Kulturverständnis wird in den 70er Jahren mit dem erweiterten Kulturbegriff durch eine Soziokultur ergänzt. Die Leitkulturdebatte aus den Jahren 2000/2001 in Deutschland zielte hingegen nicht auf Offenheit und Erweiterung, sondern eher auf eine spezifisch “deutsche Kultur”, die Vielfalt und Toleranz ausschließen wollte. Interkulturalität ist ein Rahmenbegriff, der sich aus den Wörtern ´inter´ und ´Kultur´ zusammensetzt: „In seiner weiteren Bedeutung wird der Begriff der Interkulturalität im Folgenden als Bezeichnung eines auf Verständigung gerichteten, realen oder dargestellten menschlichen Verhaltens in Begegnungssituationen verstanden, an denen einzelne Menschen oder Gruppen aus verschiedenen Kulturkreisen in diversen zeitlichen continua beteiligt sind.“26[...]„Mit der interkulturellen Pragmatik werden als interkulturell also solche Kommunikationsprozesse angesehen, in denen, bezogen auf den jeweiligen dialogischen Prozess, geteiltes Wissen als Grundlage der Verständigung gezielt hergestellt wird, aber nicht um unterschiedliche kulturelle Orientierungen zu überbrücken.27 Diese Divergenzen gilt es bewusst zu machen. Um für Verständnis der Andersartigkeit bei den jeweiligen Partnern zu werben, bedarf es der interkulturellen Vermittlungsarbeit. In “Was soll Vermittlung heißen?” schlägt Wierlacher am Ende des Kapitels ‚Vom Begriff des Blickwinkels’ vor: “Mit dem Wort Vermittlung soll zukünftig, so möchte ich die Überlegungen resümieren und abschließend empfehlen, der Versuch bezeichnet werden, eine tragfähige kulturelle Zwischenposition sowohl im kulturellen Dialog der Wissenschaft als auch bei der Verknüpfung von Interessen der Lehrenden und der Lernenden zu konstruieren.”28

Neuorientierung: Interkulturelle Erziehung und Interkulturelles Lernen Eine Neuorientierung der Interkulturalität stellt Gabriele Pommerin im Handbuch Deutsch als Fremdsprache unter dem Kapitel “Interkulturelles Lernen” vor. Zur begrifflichen Klärung stellt sie fest, “dass die in diesem Kontext gebräuchlichen Begriffe sowohl das Arsenal einer

26Wierlacher, Alois: Rahmenbegriffe interkultureller Germanistik. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois; Bogner, Andrea, Hg.. Stuttgart, 2003. S.257. 27ebd. S.262. 28 Wierlacher, Alois: Vom Begriff des Blickwinkels. In: Architektur interkultureller Germanistik, München, 2001, S.318. 21

pädagogischen Fachsprache darstellen, zugleich aber auch in den Medien und in der Umgangssprache verwendet werden, so dass einmal die gleichen Begriffe sehr Unterschiedliches meinen.”29 “In Konzepten der interkulturellen Erziehung steht der Educandus und die Erziehung, die ihm angediehen wird, im Vordergrund.[...] In Konzepten des “Interkulturellen Lernens” dagegen werden zwar auch Menschen unterschiedlichen Alters [...] angesprochen; die Beziehung zwischen ihnen ist aber auf Symmetrie angelegt. Interkulturelles Lernen ist auch nicht beschränkt auf schulische Ausbildung oder akademische Bildung; es findet lebenslang und in allen Lebensbereichen statt.”.30 Die Situation ließe sich, wie zu zeigen sein wird, zur Interkulturellen Erziehung an Deutschen Auslandsschulen trefflich nutzen, um “.. die Vorteile der Bilingualen Erziehung, nämlich die Berücksichtigung der Herkunftssprache und -kultur von Kindern und Jugendlichen nicht-deutscher Herkunft, mit den positiven Möglichkeiten eines Integrierenden Unterrichts, der den Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft in allen Bereichen des Lebens fördert”31, umzusetzen. Für Deutsche Auslandsschulen aller Schultypen kann der Vorschlag gelten: „Beide Sprachen und Kulturen müssen von klein auf kontinuierlich und systematisch berücksichtigt werden. Sie müssen Eingang in die Curricula aller Schultypen und Schulformen finden, nicht nur im Sprachunterricht selbst, sondern in allen ´kultursensitiven´ Fächern (Reich 1993).”32 Hier kann bei Fortbildungen der Lehrkräfte angesetzt werden, wo Interkulturelle Lernkonzepte, die von Gemeinsamkeiten und nicht vom Trennenden zwischen den Schüler/innen verschiedener Nationen ausgehen, erarbeitet werden. Sie intendieren, nach Gabriele Pommerin, Erziehung zu Mehrsprachigkeit und ermöglichen Fremdheitserfahrungen. Sie bedürfen zur Umsetzung einer inneren und einer äußeren Schulreform.33 Interkulturelle Erziehung kann dann mit der “Europäischen Dimension” [...] „mit den für interkulturelles Lernen spezifischen Prinzipien von Handlungsorientierung, Situationsbezug, Dialogorientierung und Nachbarschafts- orientierung durch entsprechende Angebote eines “Lernens in und für Europa” kombiniert

29Gabriele Pommerin-Götze: Interkulturelles Lernen. In: Deutsch als Fremdsprache Ein internationales Handbuch. Gerhard Helbig/Lutz Götze/Gert Henrici/Hans-Jürgen Krumm Hg., Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2001, , S 973. 30ebd. S. 977 31ebd. S 975 32ebd. S.975 33 ebd. S 978 22

werden (Reiberg 1994).[...] Eine “Synthese zwischen Interkulturellem Lernen und der sog. Europäischen Dimension könnte von Leitgedanken geprägt sein:”34 Ein liberalisiertes und erweitertes Fremdsprachenangebot, Öffnung von Schulen nach beiden Seiten – also Experten rein in die Schule und Schüler /innen raus aus der Schule- auch für die höheren Jahrgangsstufen, handlungsorientierte Arbeitsweisen, internationale Begegnungen, “die Bildungsangebote dürfen nicht nationalstaatlich sein.”35 Sollte die Verwirklichung dieser Leitgedanken noch nicht angegangen sein, so müsste das Deutsche Auslandsschulwesen in Europa in ein Reformprojekt verwandelt werden, welches aller Ressourcen und aller Kenntnisse von Fachleuten bedürfte.

Für diese Arbeit relevante Kriterien der interkulturellen Bildung In der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Bundes werden Kultur und Bildung als Ressortbezeichnungen verstanden. Selbst dort, wo es um Lehrpläne, Lehrmittel, Lernerfolge geht, sind oft nicht die Deutschen Schulen im Ausland, sondern die Goethe-Institute gemeint, und damit wird im offiziellen Sprachgebrauch der Bundesregierung die Kulturvermittlung angesprochen. Bildung wird in ihrer Bedeutung in Bezug auf die Deutschen Schulen gesehen. „Abzugrenzen ist der Bildungsbegriff der interkulturellen Germanistik zunächst gegen den staatlich und institutionell akzentuierten Begriff, der den politischen Kämpfen und administrativen Geschäften der Bildungspolitik zugrunde liegt.“36 Ein solcher inhaltlich bestimmter Bildungsbegriff muss die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bestimmen. Jedoch soll hier keine Abhandlung über die Theorie und die Wandlung des Bildungsbegriffs geleistet werden. Bildung ist nicht nur als Unterbegriff zur Kultur zu verstehen. Bildung und Kultur bedingen einander. Ohne Bildung keine Kultur und ohne Kultur wenig Möglichkeiten zur Bildung. Bildung hat auch Gebrauchswert - Kultur ist eher zweckfrei. Die Bildung verfolgt Ziele, hat eine bestimmte Programmatik und Curricula, bietet Abschlüsse und Zertifikate. Doch die Eingrenzung des für die

34ebd. S 979 35ebd. S 980 36Reich, Hans R.; Wierlacher, Alois. Rahmenbegriffe interkultureller Germanistik. Bildung. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois; Bogner, Andrea, Hg. Stuttgart, 2003. S.203.

23

Untersuchungsgegenstände erforderlichen Bildungsbegriffs als engerer funktionaler Teil des Kulturbegriffs würde der Sache nicht gerecht. Bildung ermöglicht auch das Lernen des Lernens - im Bereich der vorliegenden Arbeit also des interkulturellen Lernens. Hartmut von Hentig schickt seinen Überlegungen beim Suchen eines Maßstabs für Bildung Folgendes voraus: „´Bildung´ hat drei Bestimmungen. Sie ist erstens das, was ´der sich bildende Mensch` aus sich zu machen versucht, ein Vorgang mehr als ein Besitz. Diesem Streben folgt er auch unabhängig von der Gesellschaft. [...] Das ist die persönliche Bildung, die, wie man sieht, stark von der Kultur bestimmt ist, in der einer aufgewachsen ist, die aber auch ohne sie Geltung hat. Bildung ist zweitens das, was dem Menschen ermöglicht, in seiner geschichtlichen Welt, im état civil, wie Rousseau das nennt, zu überleben: das Wissen und die Fertigkeiten, die Einstellungen und Verhaltensweisen, die ihm ermöglichen, sich in der von seinesgleichen ausgefüllten Welt zu orientieren und in der arbeitsteiligen Gesellschaft zu überleben. [...] Bildung ist drittens das, was der Gemeinschaft erlaubt, [...] in Freiheit zu bestehen. Sie richtet den Blick des einzelnen auf das Gemeinwohl, auf die Existenz, Kenntnis und Einhaltung von Rechten und Pflichten, auf die Verteidigung der Freiheit und die Achtung für Ordnungen und anstand..[...] Das ist die politische Bildung.“37 In der traditionellen Bildungstheorie wird Bildung als Emanzipation des Individuums zu eigenverantwortlichem Denken und Handeln gegenüber der Natur und Gesellschaft, Welt und Gott angesehen. Humboldt entwickelt diesen Begriff weiter: „Bildung ist für Humboldt primär Kraftzentrum (energeia), das ihn befähigt alle Anregungen von außen so in sein Inneres aufzunehmen, dass sie individuell-einmalig zu einem harmonischen Ganzen werden. Nur wo es gelingt, die Buntheit, ja Zerrissenheit der modernen Welt in sich zu einem persönlichen Bild zu integrieren, nur dort hat sich der Mensch zu seiner vollen Bestimmung gebildet.”38 Doch diese Definition kann nicht ausreichen, es gehören der Wille und die Aktivität des Menschen dazu, die zu interkultureller Kompetenz und Bildung führen:

37 von Hentig, Hartmut: Die Schule neu denken. Weinheim 2003, V26. 38 Wehners, Franz-Josef: Grundlagen, Voraussetzungen und Absichten pädagogischen Handelns. In: Pädagogik. Roth, Leo (Hg.).München 2001.S.282. 24

„dass Bildung mit dem Wissen und dem Können auch den Willen zur prüfenden Anerkennung von Andersheiten als einer zentralen Bedingung der Selbstkonstitution umfasst, und zwar: • den Willen, Angehörige anderer Kulturen als Mitmenschen zu sehen [...] • den Willen, sich selber und den Nächsten bei dem Versuch zu stützen, sich zu bilden [...] • den Willen, an der kulturellen Überlieferung, als wertschöpfender Fortschreibung des kulturellen Gedächtnisses bewusst teilzunehmen [...] • den Willen, zum Aufbau einer persönlichen Mehrkulturen- und Mehrsprachenkompetenz [...] • den Willen zur selbst gesteuerten Ausbildung einer selbstkritischen Urteilkraft und der folgenden Teilkompetenzen und Schlüsselqualifikationen: [...] Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, [...] und Fähigkeit zu kooperativer Erkenntnisarbeit.“39 Diese Art der Bildung befähigt den Menschen zu gemeinschaftlichem Handeln. Pluralität zu fördern und mit Unterschieden zu leben, dafür plädiert Hartmut von Hentig in seiner 2. von sechs Thesen für eine neue Schule: „Dass Unterschiede zwischen Menschen etwas Natürliches sind und dass die Bejahung der Unterschiedlichkeit jedem von uns zugute kommt, erfährt man in gemischten Gruppen. Die neue Schule wird, wo immer sie das kann, Kinder verschiedener Alter, Begabungsarten, Kulturen Interessen und Religionen zusammenbringen.“40 Auch für Johannes Beck ist Bildung ein anspruchsvolles Wort, das die „Hoffnung auf die Entfaltung menschlicher Fähigkeiten und Erkenntnis und vernünftige Praxis, auf ´Freiheit´ enthält“41: „Gerade im Dialog der Verschiedenen könnte das entstehen, was wir Erkenntnis, Wissen, Moral und Zuständigkeit, also Praxis einer gemeinen Bildung nennen können. Bildung ist kein Zustand. Das Wort selbst weist sie am Ende als Bewegung aus. In seiner Geschichte kommt nicht nur das Bild, das Vorbild, die Formgebung, sondern auch das Benehmen, Gestaltgeben, Bilden und einbilden vor. Ich verstehe Bildung als eine

39 Reich, Hans R.; Wierlacher, Alois: Rahmenbegriffe interkultureller Germanistik. Bildung. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois; Bogner, Andrea, Hg. Stuttgart, 2003. S.206. 40 von Hentig, Hartmut: Die Schule neu denken. Weinheim 2003, S.221. 41 Beck, Johannes: Der Bildungswahn. Reinbek, 1994. S. 57, 58. 25

Haltung zur Welt und zu meinen Nächsten, die ohne Wissen, Können, Moral, und Vernunft nicht entstehen kann.“42

Reformbedarf: Nachhaltigkeit als neuartiger Schlüsselbegriff für Bildung Reformen sind nicht Selbstzweck, sie können in diesem Kontext auch nicht vor dem Hintergrund allein finanzieller Überlegungen stehen. Dieses würde Auswärtige Kultur- und Bildung auf rein pragmatische materielle Überlegungen reduzieren. Daher müssen andere Komponenten und Entwicklungen den Reformbedarf anzeigen. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro hat in ihrer Agenda 21 aufgefordert, die Menschen zum Erhalt der kulturellen Identität und zur globalen Zusammenarbeit zu befähigen. Dieses könnte Anhaltspunkte für die Richtung, in die sich die Reformen bewegen sollen, geben. 180 Staaten haben sich in der Agenda im Kapitel 36 zur “education for sustainable development” zur “Bildung für nachhaltige Entwicklung” verpflichtet. Im Kapitel 36 heißt es: “Bildung/Erziehung, einschließlich formaler Bildung, öffentliche Bewusstseinsbildung und berufliche Ausbildung sind als ein Prozess zu sehen, mit dessen Hilfe die Menschen als Einzelpersonen und die Gesellschaft als Ganzes ihr Potential voll ausschöpfen können. Bildung ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.”43 Dort wird auch festgestellt, dass Bildung und Erziehung mit den sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen, der Erhaltung und Bewirtschaftung der Umweltressourcen, der Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen, der Förderung der Rolle der Jugend sowie Kooperation und Stärkung von institutionellen und personellen Kapazitäten, in Verbindung steht. Als Maßnahmen zur Verwirklichung werden vorgeschlagen: die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit, um vorhandene wirtschaftliche, soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu beseitigen, soziokulturelle Aspekte und Verknüpfungen zu berücksichtigen, internationale Partnerschaften zu fördern und Weiterbildungsprogramme zu unterstützen. Traditionelle Systeme der Wissensvermittlung sollen anerkannt werden und auf die unter unterschiedlichen Bedingungen arbeitenden

42 Beck, Johannes: Der Bildungswahn. Reinbek, 1994. S. 57. 43 Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente Agenda 21. In: Eine Information des Bundesumweltministeriums. Bonn. (ohne Jahreszahl) 26

Lehrkräfte eingegangen werden. Untersuchungen über Möglichkeiten der Mobilisierung verschiedener Bevölkerungsteile sollen durchgeführt werden, um so deren Bedarf an entwicklungsorientierter Bildung zu bestimmen und darauf einzugehen. Die einzelnen Länder sollen untereinander und mit den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und Bevölkerungsgruppen zusammenarbeiten und mit Unterstützung nichtstaatlicher Institutionen Erwachsenenbildungsprogramme aller Art fördern sowie Leistungszentren für die interdisziplinäre Forschung errichten. Auch wenn die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 1998 Eckpunkte zur ”Bildung für eine nachhaltige Entwicklung” verabschiedet hat, die Anregungen für alle Bereiche unseres Bildungssystems gibt und die von allen Bundesländern und der Bundespolitik im Umlaufverfahren zur Kenntnis genommen wurden44, so steht doch diese Begrifflichkeit noch relativ unvermittelt da für alle, die sie umsetzen sollen. Trotzdem scheinen mir obengenannte gedankliche Verknüpfungen wesentlich genug, um sie in meine Überlegungen zur Reform auswärtiger Bildung einzubeziehen.

Nachhaltigkeit als neuartiger Schlüsselbegriff für Auswärtige Kultur Auch die Auswärtige Kultur rückt in den Blickpunkt der Nachhaltigkeitsdebatte. Daraus können Anregungen für ihre Reform gewonnen werden. Verbindungen zwischen Kultur und Bildung und der Idee der Nachhaltigkeit zu suchen, wurde bei den “Toblacher Gesprächen” unternommen. Die 3.These im Jahr 1998 lautete: Gefragt sind Produktionsformen, die mit zukunftsfähigem Leben Hand in Hand gehen, die die Schönheit der ökologischen und der kulturellen Vielfalt sowie deren Eigenart und wiedergefundene lokale Identität betonen.45

44 Siehe auch: Singer, Otto: Kultur und Nachhaltige Entwicklung. In: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages. Reg.-Nr.: WFX- 50/02. Berlin 2002. S.32f. 45 Toblacher Gespräche des Öko-Instituts Tirol. Ergebnisse sind in den “Toblacher Thesen” zusammengefasst, z.B.: “Schönheit –Zukunftsfähig leben”, 1998. 27

Die UNESCO-Konferenz 1998 in Stockholm hat das Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit von nachhaltiger Entwicklung und kultureller Entfaltung erkannt und formuliert.46 Ist die Kultur eine vernachlässigte Größe im Nachhaltigkeitsdiskurs?47, war die Fragestellung eines Artikels vier Jahre später, der die inzwischen versandete Diskussion zum Thema hatte. Nachhaltige Entwicklung ist in den vergangenen Jahren insbesondere in Zusammenhang mit der Ökologie diskutiert worden. Stammt doch der Begriff Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft und meint, dass man von den Erträgen und nicht der Substanz lebt, es darf also nicht mehr Holz geschlagen werden als nachwächst. Immer steht dabei im Vordergrund, wie sich unser gegenwärtiges Tun in der Zukunft auswirkt. Auch in der Kulturpolitik rücken die nachfolgenden Generationen bei den Überlegungen zur Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt. Nachhaltigkeit ist nicht ein vorwiegend technisches oder umweltpolitisches Problem, welches sich auf ressourceneffizienteren Umgang mit unseren Lebensgrundlagen beschränkt. Nachhaltigkeit soll sich auch mit der Qualität unseres politischen und kulturellen Handelns, als Beitrag zur Möglichkeit eines freien, friedlichen und selbsterfüllten Lebens der Menschen verschiedener Nationen, Sprachen, Religionen und Ethnien der kommenden Generationen befassen. Dies bedeutet eine vorausschauende Kulturpolitik. Macht die Politik Vorgaben, die kulturelle Entfaltung und Beteiligung am kulturellen Leben als Form des gegenseitigen Austauschs fördern? Sind die strukturellen Voraussetzungen gegeben, den Dialog der Kulturen zu ermöglichen und kulturelle Kreativität als Quelle menschlichen Fortschritts zu sehen? Nachhaltigkeit muss auf Menschenrechten und demokratischen Werten gründen, die zu Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden verpflichten, vom Untergang bedrohte Kulturen verteidigen, den kulturellen Pluralismus erhält und das kulturelle Erbe achten. Zum kulturellen Pluralismus gehört der Erhalt und die Pflege der deutschen Sprache, die neben ihrer Schönheit auch die Möglichkeit bietet, sich präzise auszudrücken, und als Schrift-, Wissenschafts- und Literatursprache große kulturgeschichtliche Bedeutung hat. Aus diesem

46Zur Umsetzung des Stockholmer Aktionsplanes. In: Kultur und Entwicklung. Deutsche UNESCO- Kommission e.V., Bonn, 1998.S.11ff. 47 Singer, Otto: Kultur eine vernachlässigte Größe im Nachhaltigkeitsdiskurs. In: Das Parlament, Berlin, 29./30.Dezember 2002. S.15. 28

Grund spielt Deutsch als Fremdsprache, deren Vermittler die Auswärtige Kultur ist, eine zentrale Rolle bei der Betrachtung der Konstruktion und Standfestigkeit der dritten Säule der Außenpolitik. Der globale Aktionsplan für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung (Agenda 21)48 sieht die Erhöhung des Frauenanteils bei politischen und kulturellen Entscheidungsträgern, Fachberatern, Planern und Managern vor. Auch in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist diese Frage von großer Relevanz. Bei Beginn meiner Arbeit war noch keine Frau Vorstand oder Manager einer Mittlerorganisation oder an leitender Stelle im Auswärtigen Amt tätig. Strategien und Pläne zur Durchsetzung der Gleichberechtigung, der Abbau kultureller, verhaltensbedingter, gesellschaftlicher Hindernisse auf dem Weg zur vollen Beteiligung der Frauen an einer nachhaltigen Entwicklung und am öffentlichen Leben sind - laut Agenda 21- zu konzipieren, Maßnahmen zur Verbesserung der Bildungschancen von Frauen und Mädchen in Wissenschaft und Technik, Programme zur Ausräumung negativer Klischees über Frauen, Herbeiführung eines Wandels in den Sozialisationsmustern, in den Medien, im formalen und nonformalen Bildungswesen zu verwirklichen. Die Regierungen werden aufgefordert frauenrelevante Übereinkommen zu ratifizieren. Ferner sieht die Agenda 21 die Stärkung der Rollen der nichtstaatlichen Organisationen als Partner für eine nachhaltige Entwicklung vor, die in der Auswärtigen Kulturpolitik von großer Bedeutung sind. So wird denn Nachhaltigkeit auch “als neues Paradigma für politische Kultur ”49 begriffen. “Dies gilt für Entscheidungsprozesse, die in Form des Dialogs und der Kooperation ablaufen, ohnehin.[...]Es setzt voraus, dass zwischen unterschiedlichen politischen Handlungsfeldern eine Abstimmung stattfindet, dass Zusammenhänge entdeckt und hergestellt werden, dass sektorales Denken überwunden wird.”50 In einer Welt, die einerseits immer näher zusammenrückt, andererseits tiefe Gräben zwischen Menschen verschiedener Nationen, Religionen und Ethnien, Menschen unterschiedlicher sozialer

48 Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente Agenda 21. In: Eine Information des Bundesumweltministeriums. Bonn. Kapitel 24.(ohne Jahreszahl) 49 Siehe auch: Hennecke, Frank J.: ”Nachhaltigkeit”- Modewort oder ein neues Paradigma für die politische Kultur und die Bildungspolitik: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung/ Hg.: Pädagogisches Zentrum., Bad Kreuznach 2001. S.11ff. 50 ebd.S.28 29

Herkunft und Bildung aufreißt, kann eine Zukunftsperspektive, die Verständigung zum Ziel hat, nur über einen interkulturellen Dialog ermöglicht werden.51 Die Fähigkeit zum interkulturellen Dialog ist Vorbedingung für eine zukunftsfähige, nachhaltige Auswärtige Kulturpolitik. Diesem Themenbereich widmet sich die vorliegende Arbeit, da zur Nachhaltigkeit ebenso gehört, dass das der Auswärtigen Kultur übertragene Aufgabenspektrum effizient bewältigt werden kann. Gerade in Zeiten des finanziellen Drucks ist eine zielorientierte Struktur und Arbeitsweise der Institutionen und die Erschließung aller möglichen Geldquellen zu gewährleisten. Dialogische Formen des kulturellen Gestaltens, Kooperationen der verschiedenen nationalen und internationalen Mittler, sowie mit anderen europäischen Partnern - im oben genannten Sinne umgesetzt - sind Teil der Nachhaltigkeit wie auch Abgrenzung der Kompetenzen, Nutzung der Synergien, Anpassungen an neue Gegebenheiten und Anforderungen.

Kultur- bzw. Bildungspolitik und Kultur- bzw. Bildungsarbeit In dieser Arbeit wird zwischen Kulturpolitik und Kulturarbeit (bzw. Bildungspolitik und Bildungsarbeit) unterschieden. “Kulturpolitik ist schon in der Weimarer Republik zur Bezeichnung staatlicher ´Förderung der kulturellen Pflege und Kreativität´ verwandt worden.”52 Kulturpolitik versteht sich als Gesellschaftsgestaltung und Umsetzung von gesellschaftlicher Macht. Kulturarbeit ist die konkrete Ausführung unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit vor Ort. Um begrifflich das Politische von anderen damit zusammenhängenden Aspekten abzugrenzen, beziehe ich mich auf Hermann Heller. Er sagt in seiner Staatslehre zur Unterscheidung der politischen von anderen gesellschaftlichen Funktionen: “Ein Begriff des Politischen ergibt sich uns nur aus der Sinnfunktion, die das Politische innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Lebens ausübt. Nur dadurch, dass die Politik einerseits ein nach relativ eigenen Gesetzen entstehender und bestehender Wirkungszusammenhang ist, dem andererseits als Teil eine bestimmte Bedeutung für das

51 Siehe: Themenheft II/2002 “Kultur der Nachhaltigkeit-nachhaltige Kultur”. Hg.:Kulturpolitische Mitteilungen. 52 Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation, Wierlacher, Alois, Hg., Möhnesee 2000, S. 443. 30

Ganze des gesellschaftlichen Lebens zukommt, lässt sich die Eigenart der politischen von anderen Funktionen unterscheiden.[...] Nur durch Beziehung des Politischen auf die Polis und ihre entwickeltste Form, den Staat, kann ein klarer Grundbegriff gefasst werden.”53 Nicht die Absichten bestimmen, was Kultur politisch bedeutet, sondern die Leistung der kulturell Engagierten. Der Wert der Kulturpolitik misst sich daran, was die Akteure daraus machen, nicht daran, was die Politiker dazu verkünden, das ist Grundidee und Inhalt der Arbeit.

1.3. Leitlinien für eine Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

Auswärtige Kulturpolitik soll dazu dienen, Verständnis für das Fremde, das Andere, eine Haltung der Offenheit und kritischen Toleranz zu vermitteln.54 ”Kultur ist nicht angeboren, sie wird mit der Erziehung vermittelt, wird überliefert und begleitet jeden Menschen kontinuierlich von Geburt an das ganze Leben lang. Erziehung und Kultur beeinflussen sich gegenseitig: Erziehung ist von der jeweiligen Kultur abhängig und umgekehrt auch die Kultur von der jeweiligen Erziehung. Die Vorstellungen von Erziehung in den verschiedenen Kulturkreisen unterscheiden sich deshalb in der Regel ebenfalls.”55 Zentrale Aufgabe der Auswärtigen Kulturpolitik muss es sein, Brücken zwischen Menschen verschiedener Sprachen und mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zu schlagen. Sie

53Heller, Hermann: Staatslehre (1934): In: Gesammelte Schriften, Band 3, Leiden 1971, S.3ff (S.311). 54Altmann Elisabeth: Im Teil B finden sich verschiedentlich Erwägungen aus meinen Reden während der Bundestagszeit, aus meinen Anträgen zur Auswärtigen Kulturpolitik, damals gefasst und noch aufrecht erhalten. Bundestagsdrucksachen: 13/4844 Auswärtige Kulturpolitik: Den Standort neu bestimmen - den Stellenwert erhöhen (Antrag) 13/5424 Jugendaustausch als Aufgabe der Auswärtigen Kulturpolitik (Kleine Anfrage) 13/6040 Zur Arbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen (Kleine Anfrage) 13/6544 Förderung der deutschen Sprache und des Auslandsschulwesens (Kleine Anfrage) 13/7366 Die Arbeit von Inter Nationes e. V. (Kleine Anfrage) 13/8679 Neuordnung des Zuständigkeiten in der Auswärtigen Kulturpolitik (Antrag). Verwendet sind ferner Formulierungen aus einem Flugblatt zur Auswärtigen Kulturpolitik, an dem mein damaliger Mitarbeiter Dr. Rolf Weitkamp mitgewirkt hat. 55 Kupfer-Schreiner, Claudia: Sprachdidaktik und Sprachentwicklung im Rahmen interkultureller Erziehung. Das Nürnberger Modell. Ein Beitrag gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Weinheim 1994, S. 15. 31

wirkt gerade in unserer Gesellschaft, indem sie dazu beiträgt, im eigenen Land Vorurteile gegenüber dem Fremden abzubauen. Besonderen Stellenwert für eine nachhaltige Entwicklung hat die Auswärtige Kulturpolitik bei der Stärkung demokratischer Kräfte in undemokratischen und autoritären Staaten und für den Aufbau ziviler Gesellschaften in Ländern, in denen sich Demokratie erst entwickeln muss. Auswärtiger Kulturpolitik kommt eine große Bedeutung bei der moralischen und praktischen Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen und Demokratiebewegungen zu. Dies gilt gerade für die Informations- und Bildungseinrichtungen der Auswärtigen Kulturpolitik in abgeschotteten Gesellschaften. Der Austausch über Länder, Kulturen und gesellschaftliche Strukturen hilft dem Abbau von Vorurteilen und dem Zurückdrängen von Fremdenfeindlichkeit, von nationalistischen und rassistischen Tendenzen. Dem geht ein Lernvorgang voraus. ”Interkulturelles Lernen geht von einem erweiterten Kulturbegriff aus, der im Goetheschen Sinne keineswegs auf das ‚Schöne, Wahre und Gute‘ beschränkt ist, sondern alle geistigen und manuellen Hervorbringungen des Menschen umfasst. Dieser Kulturbegriff ist durch vier Aspekte gekennzeichnet:

- Kulturen sind nicht homogen, sondern vielgestaltig; damit wird Abschied genommen von der These, es gäbe so etwas wie die deutsche, französische, russische usw. Kultur. Alle europäischen Kulturen beispielsweise sind seit langem Mischkulturen.

- Kulturen sind nichts Statisches, sondern historisch gewachsen und Veränderungen unterworfen.

- Kulturen umfassen den gesamten Lebensraum des Menschen, d. h. alle Produkte und Tätigkeiten menschlichen Denkens und Handelns (also Dichtung und Straßenbau, Musik und Umweltschutz, Philosophie und Landwirtschaft ...), weiterhin Erfahrungen, Gesetze und Regeln, die das menschliche Zusammenleben bestimmen, insbesondere aber die Haltung von Menschen gegenüber Neuem und Fremdem sowie gegenüber Ideen, Wertsystemen und Lebensformen. 56 - Kulturen sind prinzipiell gleichwertig.”

56 Götze, Lutz: Interkulturelles Lernen und Interkulturelle Germanistik – Konzepte und Probleme. In: Deutsch als Fremdsprache. Wo warst Du, wo bist Du, wohin gehst Du? Zwei Jahrzehnte der Debatte über die Konstituierung des Fachs Deutsch als Fremdsprache. Gert Henrici, Uwe Koreik, Hrsg., BAsweiler 1994, S. 264. 32

Diese Anliegen zu vermitteln, ist auch Aufgabe der Auswärtigen Kulturarbeit. “1970 formulierte der damalige parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ralf Dahrendorf, Leitsätze für die Auswärtige Kulturpolitik, in denen er mit der Abkehr vom Primat der einseitigen Selbstdarstellung und unter dem programmatischen Schlagwort Austausch und Zusammenarbeit die Richtung für weitere Entwicklungen vorzeichnete.”57 Die Leitlinien für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sollen die Richtung -basierend auf einem erweiterten Kulturbegriff- aufzeigen, an denen sich die Entscheidungen und das Handeln orientieren:

- Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit

- Förderung des Dialogs der Kulturen

- Pflege der deutschen Sprache im Ausland

- Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache für Immigranten und Studierende aus anderen Ländern im Inland

- Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes

- Förderung des politischen und gesellschaftlichen Zusammenwachsens Europas

- Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie

- Gleichberechtigung der Geschlechter

- Erziehung zu Umweltbewusstsein und Umweltwissen

- Förderung der friedlichen Konfliktbewältigung

- Strukturverbesserung der Auswärtigen Kulturpolitik

- Ausreichende Finanzierung der Auswärtigen Kulturpolitik Auf der zwischenstaatlichen Konferenz über Kulturpolitik und Entwicklung im April 1998 in Stockholm wurden fünf thematische Hauptgedanken und Aktionsleitlinien58 anerkannt, die in politische Selbstverpflichtung der Teilnehmerstaaten münden sollten. Es sind dies:

57 Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation. Alois Wierlacher, Hg., Möhnesee, 2000, S. 440. 58 Deutsche UNESCO-Kommission: Kultur und Entwicklung. Zur Umsetzung des Stockholmer Aktionsplanes. Zwischenstaatliche Konferenz über Kulturpolitik für Entwicklung vom 30.März bis 2.April 1998 in Stockholm. Präambel. Bonn, S.11ff. 33

1. Kulturpolitik soll zu einem Schlüsselelement einer Entwicklungsstratgie gestaltet werden. Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung wird untrennbar mit kultureller Entfaltung verknüpft. 2. Die Kreativität und die Teilnahme am kulturellen Leben sind zu fördern und die volle Teilnahme am kulturellen Leben aktiv oder passiv zu garantieren. 3. Politikplanung und politische Praxis muss die Wahrung und Aufwertung des Kulturerbes gestalten. Dazu gehören auch die neuen Kategorien wie Kulturlandschaften und das Industrieerbe. Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen soll angestrebt werden. 4. Kulturelle Vielfalt muss bei aller Rücksichtnahme auf kulturelle Identität ein Leitziel zur Förderung von Toleranz und Dialog sein. Die neuen Informationstechnologien und die unaufhaltsame Globalisierung dürfen nicht zur Bedrohung für die kulturelle Vielfalt werden. 5. Die Aufgaben der Kulturpolitik liegen darin, Lebensqualität und Gleichberechtigung zu sichern und soziale Integration ebenso wie kulturelle Vielfalt zuzulassen. Dies bedeutet auch, mehr personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für kulturelle Entwicklung verfügbar zu machen und die Unterstützung der Wirtschaft als auch durch Sponsoren zu erhöhen. Wenn auch die Umsetzung obengenannter Zielvorstellungen wegen ihrer Komplexität kaum überprüft werden kann, so ist dies doch eine bedeutsame Weiterentwicklung des interkulturellen Verständnisses. Der Gipfel in Rio wird nachträglich auch zu einem Kulturgipfel erklärt, mit dem Appell, auch sozial schwachen Menschen, Behinderten, Kranken und Alten, allen Menschen die Teilnahme an Kultur zu ermöglichen. Rücksichtnahme auf kulturelle Identität darf nicht Intoleranz legitimieren, sondern soll bei aller Vielheit den Dialog über ein kooperatives, tolerantes und friedliches Zusammenleben fördern. Dabei soll Auswärtige Kultur an der Herstellung eines Klimas arbeiten, welches Lebensqualität und gleichberechtigten Zugang zu kulturellem Leben ermöglicht, das den universellen Werten verpflichtet ist und gleichzeitig die Vielfalt anerkennt, ganz im Sinne folgender Überlegung: “Eine demokratische, humanistische Kulturauffassung erkennt die Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität der kulturellen Probleme, die durch interkulturelle Lebensweise entstanden sind bzw. entstehen. Sie sieht die kulturelle Vielfalt als eine unerschöpfliche Quelle an, aus der sich die Gesellschaft bereichert, sowohl an Chancen der kulturellen Entfaltung als auch an Problemstellungen, die mögliche Lösungen im Sinne teil- 34

oder gesamtgesellschaftlicher Entwicklung in sich bergen.”59 Diese Aspekte gelten auch in globalen Zusammenhängen. Auswärtige Kulturpolitik soll auch als Instrument der friedlichen Konfliktbewältigung eingesetzt werden und die Konflikte, die nach dem Ende des kalten Krieges zunehmend kulturell begründet oder kulturell verbrämt werden, durchleuchten und aufarbeiten. So wäre zur Förderung einer Nord-Süd-Kooperation eine engere Zusammenarbeit zwischen der ”reinen” Kulturpolitik und der Entwicklungspolitik vorzunehmen. Ebenfalls sollte die kulturelle Dimension eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit den Entwicklungsländern spielen. Dies müsste sich auch in einem verstärkten Wissenschafts- und Kulturaustausch ausdrücken. 1992 wurden zum ersten Mal im Artikel 128 im EU-Vertrag die Kompetenzen der Gemeinschaft in diesem Bereich eindeutig festlegt, dieser wurde durch den Artikel 151 des Vertrages von Amsterdam 1997 bestätigt. „Eigenständigkeit und Bedeutung der Kultur im Gemeinschaftsrecht zeigen sich bereits in der gesonderten Stellung des Kulturartikels unter Titel IX (=Titel XII neu). Artikel 128 (= Artikel 151 neu) wurde durch den Vertrag von Maastricht eingefügt. Die Kulturpolitik der Gemeinschaft steht seither auf einer eigenen vertragsrechtlichen Grundlage.“60 Art. 128 (1) (Artikel 151 neu): Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. Art.128 (2): Die Gemeinschaft fördert durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeiten in folgenden Bereichen:

- Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker;

- Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung;

- nichtkommerzieller Kulturaustausch,

59 Kula, Onur Bilge: Türkische Migrantenkultur als Determinante der Interkulturellen Pädagogik. Versuch der Erstellung eines kulturellen Bezugsrahmens für eine pädagogische Praxis. Die Brücke e. V, Hg., Saarbrücken, 1986. S. 19. 60 Fechner, Frank: Kultur. In: Das Recht der Europäischen Union. Hg.: Grabitz/Hilf u.a. Loseblattausgabe. Stand 08/02. München 2003. 3/1490. 35

- künstlerisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich. (3) Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit dem Europarat.61 Art. 149 befasst sich mit dem Beitrag der Gemeinschaft zur allgemeinen Bildung, insbesondere mit der europäischen Dimension durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedsstaaten, Art. 150 betont Mobilität und Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung. Der Europäische Konvent hat diese Artikel bei seinem Verfassungsentwurf im Jahre 2003 berücksichtigt und Kultur und Bildung als Bereiche definiert, bei denen die Europäische Union unterstützende und ergänzende Maßnahmen durchführt.

1.4. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Zeichen der Globalisierung

”Das Stichwort Globalisierung zeichnet das Bild einer sich vereinheitlichenden Welt. Aber während die Oberfläche der einen Welt immer einförmiger wird, stoßen darunter häufiger als je zuvor die unterschiedlichen Lebenswelten der einzelnen aneinander. Diese Lebenswelten sind keineswegs einheitlich geprägt, sondern bilden stets Mischformen.[...] viel wird in der Weltgesellschaft davon abhängen, dass sich zwischen den Kulturen zunehmend Lern- gemeinschaften herausbilden.”62 Auswärtige Kulturpolitik kann die Aufgabe wahrnehmen, ”Lerngemeinschaften” im Sinne von Lepenies zu formen, nicht zu belehren, sondern Deutschland und Europa anderen Gesellschaften näher zu bringen. Sie muss aber auch die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten anderer Gesellschaften in der hiesigen Öffentlichkeit vermitteln. Denn die Welt außerhalb unserer Grenzen betrifft immer mehr jeden von uns, und zwar ganz unmittelbar. “Die zunehmenden nationalen Interdependenzen - v.a. in Fragen der Sicherheit, der Ressourcen, des Umweltschutzes - machten eine Kulturpolitik erforderlich, die nicht länger auf einseitigen Kulturexport (u.a. von Sprache,

61 Dörr, Renate: Europäische Kulturpolitik-gibt es das? In: Handbuch Kultur Management, Düsseldorf, 1998. A 1.3, S. 3. 62 Lepenies, Wolf: Das Ende der Überheblichkeit. Wir brauchen eine neue Auswärtige Kulturpolitik. Statt fremde Gesellschaften zu belehren, müssen wir bereit sein von ihnen zu lernen. Vortrag am 23.10.95 in der DG Bank in Frankfurt. U.a. in: Die Zeit, 24.11.95. 36

Wissenschaft, Kultur und Kunst) beschränkt bleibt; die Maximen heißen nun ´kulturelle Wechselbeziehungen und partnerschaftliche Zusammenarbeit´.”63 Was Globalisierung bedeutet, erleben wir Tag für Tag fast in jedem Lebensbereich. ”Die Jahrhundertchance der Einigung ganz Europas, die ‚Globalisierung‘, und die große innere Anspannung unserer Kräfte – das sind die drei wichtigsten Herausforderungen, denen sich die dritte Säule unsere Außenpolitik heute stellen muss. Hier in Deutschland haben wir mit 8 Millionen ausländischen Mitbürgern die Kulturen der Welt im Land. Ihre Einflüsse spüren wir in allen Bereichen. Auch im Weltmaßstab sind sich die Gesellschaften politisch, wirtschaftlich und kulturell so nahe gekommen wie noch nie zuvor. Diese ‚Begegnung‘ und ‚Neuentdeckung‘ der Kulturen geschieht nicht problemfrei und hat widersprüchliche Tendenzen ausgelöst.”64 Die ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen in unserer Stadt, die Musik, die wir hören, die Filme, die wir sehen, die Waren, die wir kaufen, Dienstleistungen, die wir in Anspruch nehmen - internationale Einflüsse finden wir in allen Lebensbereichen. Was in Europa und in der Welt geschieht, prägt nicht nur die Freizeit und unser häusliches Leben, es beeinflusst auch unsere Schulen, die Hochschulen und Arbeitsplätze unmittelbar. Vor allem die Existenz globaler Wirtschaft und globaler Kommunikations- und Verkehrsmittel belegt ständig, dass weltweite Veränderungsprozesse in Gang sind. Unterschiedliche kulturelle Räume berühren sich nicht nur, sondern stehen in ständigem Austausch miteinander. Auswärtige Kulturpolitik hat ihren Schwerpunkt im internationalen, zwischenmenschlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Austausch. Im Mittelpunkt der Kompetenzfelder der Interkulturalität stehen Institutionen der Auswärtigen Kultur, Universitäten, Wirtschaftsunternehmen, Städte- und Schulpartnerschaften sowie Jugendaustausch, Mittlerorganisationen wie auch kulturpädagogische Einrichtungen und Eine-Welt-Initiativen.

63 Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation, Wierlacher, Alois, Hg., Möhnesee, 2000, S. 445. 64Kinkel, Klaus: Aus der Rede des Bundesministers des Auswärtigen Dr. Klaus Kinkel auf der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts am 19. Juli 1996 im München. 37

1.5. Kulturföderalismus

Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verfügen die Länder über die Kulturhoheit. Der Bund jedoch ist für die auswärtigen Beziehungen zuständig, so auch für die Auswärtige Kultur und Bildung. Trotzdem gibt es Überschneidungen, der Bund ist auf Absprachen mit den Ländern angewiesen z. B. bei der Lehrerentsendung. Auch bei der Betrachtung der Entwicklung der Bundeskulturstiftung, die durch vielfältige Anregungen und Visionen die Entwicklung vorantreiben soll, wird das Spannungsverhältnis zwischen Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik des Bundes und dem Kulturföderalismus der Länder angesprochen. Die Aktivitäten der Länder in Zusammenarbeit mit dem Bund werden im Rahmen der Mischfinanzierungen berücksichtigt. Z. B. gibt es im Zusammenhang mit der Lehrerentsendung neben den Bundesprogrammlehrkräften (BPLK) auch die Landes- programmlehrkräfte (LPLK). Landesprogrammlehrkräfte werden von den jeweiligen Ländern ausgewählt und finanziert, ihr Tätigkeitsbereich ist dann aber identisch mit dem der Bundes- programmlehrkräfte. Die Lehrpläne der untersuchten Schulen entsprechen denen der unterschiedlichsten Bundesländer. Gremien und Ausschüsse wie der Bund-Länder-Ausschuss für schulische Angelegenheiten im Ausland (BLASchA) sollen in den vorliegenden Ausführungen in ihrer Arbeitsweise vorgestellt werden. In einer Sitzung des Unterausschusses für Auswärtige Kulturpolitik auf der die Mitglieder des BLASchA anwesend waren, konnte konkret Einblick gewonnen werden in die unterschiedliche Interessenlage der Bundes- und Ländervertreter. Dies soll in der Arbeit wiedergegeben werden, wobei sich zeigen wird, ob und inwieweit Kulturföderalismus eine positive Bereicherung oder überholtes Relikt ist. Zum Kulturföderalismus schreibt Axel Schneider: “In ihrem Bericht zum Stand der auswärtigen Kulturbeziehungen65 würdigte die Bundesregierung nicht nur den Beitrag der Länder zu gemeinsamen Programmen, sondern konstatiert zunehmend eigenständige kulturelle Kontakte und Aktivitäten im Ausland, die sie als ‚Bereicherung und Verdichtung der deutschen Kulturpräsenz im Ausland‘ grundsätzlich begrüßt. Trotz der bestehenden und vor allem am Beginn der 90er Jahre verstärkten Anstrengungen zur Koordinierung sieht sich die Bundesregierung an gleicher Stelle zu dem Hinweis veranlasst, dass ihre volle und rechtzeitige, zumindest informatorische Einbindung

65 Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1996/97. Drucksache: 13/9999. 38

[...] für die Wahrung ihrer Koordinierungsfunktion in der auswärtigen Kulturpolitik unerlässlich ist‘. Zusammenfassende Statistiken und Übersichten, die diese Beiträge inhaltlich oder zahlenmäßig abschließend darstellen, gebe es nicht; sie seien aber wünschenswert. Lothar Wittmann66 räumte Informationsdefizite gerade auch im Hinblick auf die Kulturförderung durch Bund und Länder ein.”67 Anzumerken ist, dass die Bundesländer seit der Diskussion um die Bundeskulturstiftung eine Entflechtungsdebatte führen, Mischfinanzierungen sollen aufgehoben werden. “In der Bun- desrepublik haben Bund und Länder auf der Grundlage der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1971 den Entwurf einer ‘Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern (in der Praxis “Flur- bereinigungsabkommen” bezeichnet) erarbeitet. [...]Vor diesem Hintergrund gibt es einen Dissens über die Grundsätze einer Neuordnung, die die Ministerpräsidenten der Länder am 20.12.2001 als Basis für Gespräche mit der Bundesregierung formuliert haben.”68 Der erwähnte Dissens berührt jedoch nicht die im Folgenden besprochenen Einrichtungen wie das Goethe-Institut Inter Nationes. “Es gibt eine nationale Verantwortung für die Kultur, der die Politik gerecht werden muss. Dies schließt eine gestaltende Kulturpolitik des Bundes ein.”69 Darum soll es in vorliegender Arbeit im auswärtigen Bereich gehen.

1.6. Absichten und Ziele der Arbeit

Das Forschungsziel dieser Arbeit ist nicht unabhängig von den politischen Vorgaben, aber durch deren empirische Ergänzungen exemplarischer Aussagen über Konstruktion, Qualität

66Wittmann, Lothar: Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Im Rahmen der Veranstaltung “Sprachenpolitik in Europa-Politik für eine Verständigung der Regionen?” des Lessing-Kollegs in Marburg vom 6.-8.10. 1995. (Typoskript). 67 Schneider, Axel: Die auswärtige Sprachpolitik der BRD. Eine Untersuchung zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel- und Osteuropa, in der Sowjetunion und in der GUS 1982 bis 1995. In: Dr. Rabes Doktorhüte, Bd. 2, Helmut Glück, Hg., Bamberg 2000, S. 166 f. 68 Nida-Rümelin, Julian: Die kulturelle Dimension des Nationalstaates. In: Frankfurter Rundschau, 8. März 2002, S 21. 69 Nida-Rümelin, Julian. In: Frankfurter Rundschau, 8. März 2002, S. 21. 39

Möglichkeiten der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik mit deren Konsequenzen zu gewinnen. Es werden Klärungen für die Zukunft anzustreben sein. Wie steht es mit der Eigenständigkeit und Brückenfunktion Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik? Ist Hildegard Hamm-Brüchers auf dem Symposium `8070 geprägter, bildhafter Vergleich für die Auswärtige Kulturpolitik als Brücke relevant, eine Brücke die Menschen, Gesellschaften und Kulturen verbinde? “..die Verankerungspunkte der Konstruktion einer solchen Brücke liegen an beiden Ufern, also notwendigerweise immer auch und zunächst in der jeweiligen Heimat.”71 Dies zu klären, tragen folgende Parameter bei: Das Deutschlandbild, welches Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik vermittelt, entscheidet mit über eine gemeinsame friedliche Zukunft, das Lehren des Deutschen als Fremdsprache trägt zum Verständnis unseres Landes und der Kultur bei und befördert wirtschaftlichen Austausch. Deutsch als Fremdsprache, ein realitätsnahes Deutschlandbild, auch vermittelt über entsprechende Lehrwerke, verankern die Brücke an einer Seite des Ufers. Gemeinsam mit Partnerländern erstellte Lehrmittel, Länder übergreifende Lehrerausbildung, Begegnungsschulen, Partnerschaften im Bibliotheks- und Ausstellungsbereich, gemeinsames Musizieren, die Darstellung und Vorstellung Kulturschaffender beider Länder und Austausch bedeuten außer dem Beschreiten der Brücke, deren Überquerung und der Möglichkeit der Begegnung auch, Einblick in die Hindernisse, die einen Brückenbau notwendig machten und diesen auch auf der anderen Seite zu verankern. Das Erlernen der Sprache der Partnerländer sowie gemeinsame Kultur- und Bildungsabkommen und Verträge zwischen den Partnerländern dienen der Befestigung der zweiten Seite. Dabei ist zu fragen, welche Ausbildung die Kultur- und Bildungsarbeiter haben, die am Brückenbau beteiligt sind, an welchen Fortbildungen sie teilgenommen haben und ob deutsche Universitäten die für diesen Bereich notwendigen Vorlesungen und Übungen bieten. Es ist aber auch nach der Konstruktion der Brücke zu fragen. Gewährt sie Einblick in das scheinbar Unüberbrückbare? Ohne diese Beschreibung kann nicht geklärt werden, ob die Brücke tragfest ist und ob ihre Strukturen und die Organisation einzelner Teile zueinander

70 Deutscher Bundestag: Symposium ´80, 26.-30. Mai 1980 in Bonn, Brücke über Grenzen. Bonn,1980. 71 Bauer, Gerd Ulrich: Die dritte Säule der Politik. In: Kulturthema Kommunikation, Alois Wierlacher, Hg., Möhnesee. S. 440 . 40

zweckdienlich sind. Für eine dauerhafte Tragfähigkeit muss auch die Frage der Einstellung der nötigen Mittel erörtert werden. Gibt es Lösungen - z. B. das Sponsoring- oder gemeinsame Baumaßnahmen zweier Länder, die zur besseren Finanzierung der Brücke beitragen können? Müssen Einzelteile neue Strukturen erhalten und wie sieht es bei der personellen Situation der Brückenbauer aus. Dieses will die Arbeit klären. Dabei ist durchaus das Bewusstsein vorhanden, dass auch das Brückenbild nur eine Hilfskonstruktion sein kann. Es muss darauf geachtet werden, dass dieses Bild nicht zu technizistisch verwendet wird, da ansonsten leicht das Unüberbrückbare aus dem Blickwinkel gerät. Bleibt man im Bild, so kann es sein, dass beim Überschreiten der Brücke die Topographie nicht mehr erkannt wird. Auf diese Gefahren weist Alois Wierlacher auch angesichts der sich zuspitzenden Irak-Krise hin. Wenn Gräben einfach überfahren werden sollen, bevor ihre Beschaffenheit erkannt wurde, stellt sich Orientierungslosigkeit ein. 72 Weil ganz offensichtlich eine gewisse Orientierungslosigkeit und Stagnation festzustellen ist, soll ein Beitrag zur aktuellen Auseinandersetzung in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geleistet werden. Die politische Diskussion dreht sich nicht mehr in erster Linie um das, was Anliegen der Entscheidungsträger oder ein von Betroffenen vorgetragenes Anliegen ist, sondern wird bestimmt davon, was nicht notwendig erscheint. Die Negation beherrscht das Geschehen. Die Brücke oder die Säule - zwei Metaphern, die jeweils trotz aller Begrenzung der Aussagekraft - ihre Berechtigung haben, sind nach der Wichtigkeit quantifizierbar. Ist es Bombast oder eine der Realität entsprechende Behauptung – bei Ausgaben von 0,03% des BIP für diesen Bereich - Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sei die “dritte Säule”? Funktioniert Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik darüber hinaus im Sinne einer Brücke?

Um es zusammenzufassen, die Absichten und Ziele dieser Arbeit sind: • die These von der dritten Säule der Außenpolitik, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik neben der Außenwirtschafts- und der Sicherheitspolitik, wie Willy Brandt es 1967 formuliert hat,73 bzw. einen “tragenden Pfeiler”74 zu

72 Siehe auch: Wierlacher, Alois: Distanz. In: Handbuch interkulturelle Germanistik, S. 222 Stuttgart, 2003. 73 Brandt, Willy: Bemerkungen zur auswärtigen Kulturpolitik. In: Auswärtige Kulturbeziehungen 4 (1967), S.11-13. 41

überprüfen – als Alternative oder Ergänzung stünde das Bild der Brückenfunktion (Hildegard Hamm-Brüchers auf dem Symposium `8075 geprägter bildhafter Vergleich) zur Verfügung und wie die Betroffenen selbst diese Säule bzw. Brückenfunktion sehen. Für die Betrachtung des Aufbaus der Säule rücken die Mittlerorganisationen, vor allem aber das Goethe-Institut und die Deutschen Schulen in den Mittelpunkt.

• der Debatte um die Zukunftsfähigkeit und damit über den Reformbedarf im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Bundes Anregungen zu geben. Hierbei gibt die subjektive Sicht der Führungskräfte und Mitarbeiter wertvolle Vorschläge für einen Wandel der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Die wörtliche Wiedergabe der Äußerungen von Fachkräften, nicht abnickend affirmativ, ist mir ein zentrales Anliegen. Menschen, die jahrzehntelang Erfahrung gewonnen haben, kommen exemplarisch ausgewählt zu Wort, weil ihre Ideen und Vorschläge zur Veränderung der Situation nicht überhört werden sollen.

2. Methodisches Vorgehen

2.1. Primär- und Sekundärquellen

Erfahrungen in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und Kulturarbeit haben ergeben, dass bisherige normative oder induktive Versuche zu deren Erfassung unzureichend waren. Deshalb soll auf diesem Gebiet durch Deskription eine Verdeutlichung herbeigeführt werden. “Die Descriptio ist seit der griechischen Antike wichtiger Bestandteil der rhetorischen Theorie und bezeichnet die kunstvolle Beschreibung von Personen, Dingen und Orten.”76 Eine entsprechende Abgrenzung des Deskriptiven zum Normativen findet sich bei

74 Auswärtiges Amt 1972: Leitsätze für die Auswärtige Kulturpolitik, Bonn,S.781. 75 Deutscher Bundestag: Symposium ´80, 26.-30. Mai 1980 in Bonn, Brücke über Grenzen. Bonn,1980. 76 Harshall, Albert W.: In: Ueding, Gert/ Niemeyer, Max, Hrsg., Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd.2, Tübingen 1994, S.549. 42

Philippe Mastronardi. “Juristisches Denken ist normativ. Dadurch grenzt es sich ab vom Beschreiben der beobachtenden Wissenschaften.”77 Mit Normativem meine ich geschriebene Vorgaben durch die Politik oder die Institutionen, die prägend wirken sollen. Mit Deskriptivem ist die Methode zur Beschreibung dessen gemeint, was die Kulturarbeit ausmacht. Das Forschungsthema ist durch die Quellenlage und die institutionellen Bedingungen nicht deutlich erfasst. Die tatsächliche Arbeit ist bisher noch nicht in Zusammenhang mit den institutionellen und staatlichen Vorgaben gebracht worden. Meine Frage ist deshalb: Was unterscheidet die beiden Bereiche inhaltlich und organisatorisch, wo sind die Berührungspunkte? Um diese Frage zu beantworten, habe ich mich u.a. für folgende heuristische Vorgehensweise entschieden: “Das heuristische Verfahren in einer wissenschaftlichen Darstellung besteht in der Darstellung des Weges, auf dem die Resultate einer Wissenschaft gefunden worden sind.”78 “Von großem heuristischen Wert sind gute Hypothesen.”79 Den Hypothesen entsprechen die Ziele und Absichten der vorliegenden Arbeit, anhand derer die Wirklichkeit überprüft wird. Sie sind zur Orientierung notwendig. “Der ganze Erkenntnisprozess – von seinem wie auch immer angenommenen Ausgangspunkt – durch alle seine heuristischen Stadien hindurch bis zu seinem (immer nur vorläufigen) Endpunkt – unterliegt methodologischer Regulierung und Bewertung, liefert keineswegs also nur fertige Theorien.”80 Da Kulturpolitik und Kulturarbeit ständig im Fluss bleiben, kann das auch nicht anders sein, gleichwohl wird mit dieser Arbeit angestrebt, dass künftig Wege und Ziele der Auswärtigen Kultur und Bildung einleuchtender bestimmt und unter dem Aspekt des Reformbedarfs und damit der Zukunftsfähigkeit ausgewertet werden können. In der Arbeit sind infolgedessen Sekundärquellen wie Positionsberichte, Stellungnahmen, Dialoge, Fragebögen die wesentlichen Stützpfeiler. Ich habe mir vorgenommen, handelnden Personen, die die Kultur- oder Bildungsarbeit leisten und ein breites Erfahrungswissen erworben haben, zu befragen und deren Aussagen der wissenschaftlichen und politischen Diskussion um die Reform der Kultur- und Bildungspolitik zugängig zu machen. Leider

77 Mastronardi, Philippe: Juristisches Denken. Bern, Stuttgart 2001. S. 88 Randnote, S. 293 ff, S. 261 ff. 78 Philosophisches Wörterbuch: Hg. Heinrich Schmidt, Georg Schischkoff. Stuttgart 1957, S. 242 ff. 79 Philosophisches Wörterbuch: Hg. Heinrich Schmidt, Georg Schischkoff. Stuttgart 1957, S. 242 ff. 80 Spinner, Helmut F.: Theorie. In: Handbuch philosophischer Grundbegriffe. Bd. 5. München 1993, S. 1502 ff. 43

machen die Institutionen und die Politik häufig keinen Gebrauch von diesem Potenzial und berücksichtigen es zu wenig bei ihren Planungen. Die oben beschriebenen Sekundärquellen werden in Zusammenhang mit den Primärquellen gebracht, von jenen ergänzt, überprüft oder untermauert. Dadurch wird die Spannung zwischen normativ eingrenzbarer Kulturpolitik und der praktischen Kulturarbeit (Bildungspolitik, bzw. Bildungsarbeit) aufgezeigt. Im Vergleich zu bisherigen Vorgehensweisen ist dieser Ansatz von Bedeutung, denn die Auswärtige Kulturpolitik lebt sowohl von der Arbeit derer, die die Vorgaben machen, die Richtlinien planen als auch von der Umsetzung durch die Akteure, die diese Vorgaben mit Leben erfüllen. Auch im Bereich der Kulturwissenschaften in den Universitäten gibt es wissenschaftliche Entwicklungen, die auf den Erwerb kreativer, kritischer und praxisnaher Kompetenzen für die Kulturarbeit zielen. So heißt es bei der Beschreibung des Studienganges Kulturwissenschaft in Bremen: “Kulturwissenschaft in Bremen hat deutschlandweit eine besondere Ausrichtung: Wir legen großes Gewicht auf die Vermittlung von Methoden, die geeignet sind, kulturelle Milieus in ihrer Bewegtheit zu untersuchen. Feldforschung und Teilnehmende Beobachtung sind altbewährte ethnologische Vorgehensweisen, die eine verstehende Annäherung an das Fremde erlauben. Mit dem Angebot von Feldforschungsübungen und Forschungsprojekten zu aktuellen Themen wird den Studierenden die Chance geboten, interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln, die für die spätere Berufsarbeit von großer Bedeutung sind.”81

2.2. Aussagen, Selbstdarstellungen, Zitate82

Im Teil B finden sich unter der Überschrift: “Aufbau und Mängel der dritten Säule” die Grundlagen und der Rahmen für das untersuchte Themenfeld. Es werden Selbstdarstellungen der Mittler aufgenommen, weil auch dies eine Facette des gesamten Bildes ist. Akteure der Auswärtigen Kulturpolitik im Bereich der Goethe-Institute und der Deutschen Schulen bis zum Jahr 2002 kommen zu Wort, ebenso diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen, dass die Arbeit vor Ort ausgeführt wird. Sie haben einen guten Einblick in Gegebenheiten, die

81 http://wir.kultur.uni-bremen.de:8081. Stand 2.12.2002. 82 Siehe auch: Bortz, Jürgen. Döring, Nicole: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaften. Berlin 2002. 44

verändert werden sollten. Dies unmittelbar aufzuzeigen war möglich, da ich einen direkten Zugang zu den Institutionen, ihren Vertretern, den Leitern der Institute und Schulen und den dort arbeitenden Personen hatte. Zitate dieses, die Auswärtige Kultur und Bildung prägenden Personenkreises, sind in der Arbeit ausführlich gehalten, da sie bestimmend für die Diskussion und zukünftige Gestaltung der von ihnen vertretenen Fachbereiche sind. Dazu gehören z. B. Rolf Ehnert zum “Fach Deutsch als Fremdsprache”, Keith Dobson als Direktor des British Council in Deutschland, aber auch Samuel Huntington mit seiner Vorstellung vom “Clash of Civilizations.” Aussagen des Ministers Fischer sind aufgenommen, weil die Zuständigkeit für die Auswärtige Kulturpolitik, die hier beschrieben wird, ihm in seiner Eigenschaft als Außenminister obliegt. Alle Zitate, ausgenommen aus drucktechnischen Gründen in C11, werden der besseren Lesbarkeit halber nicht in Kursivschrift, sondern mit Anführungs- und Schlusszeichen gekennzeichnet. Im Teil C werden die Rahmenbedingungen für die einzelnen Schulen und Goethe-Institute aufgezeigt und in einer Analyse unter C11 die typischen Ergebnisse zusammengefasst.

2.3. Interviews und Meinungsbilder

Durch Experteninterviews83 und Meinungsbilder mit Fachleuten auf verschiedenen Ebenen und aus unterschiedlichen Bereichen werden Informationen über ihre Ansichten, die zukünftigen Herausforderungen und den Reformbedarf konkret vermittelt. Die hohe Bereitschaft und die Offenheit der Befragten, Auskünfte zu geben, ihre eigene Sicht zu erläutern und Verbesserungsvorschläge zu machen, hat diese Arbeit mit einer Fülle von Informationen ausgestattet. “Das Intensivinterview unterscheidet sich von Befragungen anhand von Leitfäden durch Dauer und Intensität. Es setzt außerordentlich hohe Bereitschaft des Befragten voraus und wird dort angewendet, wo es beispielsweise darum geht, besonders individuelle Erfahrungen zu eruieren.”84 Bei den Interviews und Meinungsbildern wurden offene Verfahren verwendet und auf eine streng vorstrukturierte Vorgehensweise verzichtet. Im Vordergrund standen immer Aspekte zukünftiger Entwicklungen und anstehender

83 Siehe auch: Koch, Patricia, Maria: Qualitative Mitarbeiterbefragungen. Fern Universität Hagen, August 2003. (Typoskript) 84 Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, Berlin, New York, 8.Aufl, S.174. 45

Reformen. Es wurde auf genaue Vorformulierung der Fragen verzichtet, um den Gesprächen und Interviews nicht die Spontaneität und den kommunikativen Fluss zu nehmen. „Aus dieser Vorgehensweise ergeben sich eine Reihe von Nachteilen gegenüber dem standardisierten Interview: z. B. höhere Anforderungen an die Bereitschaft des Befragten zur Mitarbeit und an seine sprachliche und soziale Kompetenz.”85 Von einer hohen Kompetenz der Befragten zur Schilderung des Zustandsbildes und seines Reformbedarfs konnte ausgegangen werden. Jedoch wurden Indikatoren benötige, um eine Operationalisierung vornehmen zu können. Als Akteurin, die bemüht war, ihre Vorstellungen an den Realitäten, die sie vorgefunden hatte, zu orientieren, nahm die Verfasserin dabei die Rolle einer sachorientierten Gesprächspartnerin mit Forschungsinteresse ein. Kommunikativität war konstitutiver Bestandteil der Befragung. Daraus resultierte, zu spezifizieren, was die Befragten mit ihren Äußerungen genau meinten. Die Interviews wurden auf Band aufgenommen, um eine volle Konzentration auf die Gesprächssituation zu ermöglichen und komplexe Zusammenhänge zu erörtern. Das Untersuchungsfeld war die möglichst „natürliche“ Welt. Bei einigen Gesprächen wurden Notizen gemacht, die dann zusammengefasst wurden. Gesprächsaufzeichnungen finden sich im Teil B, z.B. unter “Fachgespräche im Goethe-Institut” oder unter “Auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen”, um die Aufgaben, die sich der Kultur- und Bildungsarbeit stellen, von kompetenter Seite verdeutlichen zu lassen. Die Interviews finden sich im Teil C 2..-10., da die direkte Gesprächsform am ehesten in einen vorwiegend empirischen Teil passt. Insgesamt wurde eine möglichst naturalistisch-kommunikative Situation hergestellt, durch die erst eine Interpretation von Ergebnissen und deren Bedeutung möglich wurde. Ziel war es, Informationen zu vorab formulierten Problembereichen zu erhalten und den Befragten die Möglichkeit zu geben, ihre eigene Sichtweise- auch mit ihren eigenen Worten und Relevanzstrukturen- zu verdeutlichen. Als Leitfaden dienten die Themenbereiche, die Alois Wierlacher und Hans R. Reich als „zentrale Bedingungen der Selbstkonstitution“86 für die interkulturelle Bildung benennen, sowie die Themenschwerpunkte der Analyse von Gemeinsamkeiten und Besonderheiten, die für die Fragebögen unter D aufgestellt sind. Um

85 Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, Berlin, New York, 8.Aufl, S.175. 86 Reich, Hans R.; Wierlacher Alois: Bildung. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois u. Bogner Andrea, Hg., Stuttgart, 2003. S.206. Siehe auch unter: Begriffliche Klärung. A.1.2. Interkulturelle Bildung. 46

das, was der Befragte gemeint hat, genauer zu verstehen, wurde beim Nachhaken, manchmal gebeten, den Sachverhalt genauer auszuführen, um relevante Aspekte des Untersuchungsphänomens zu veranschaulichen.

2.4. Fragebögen

Unter D1. ist die Entstehung der Fragebögen, im Teil D2. die methodische Vorgehensweise bei der Befragung der Beschäftigten genauer erläutert. Um den Fragebogenteil nicht zu zerreißen, werden die vorläufigen Ergebnisse und der benannte Reformbedarf nicht in den Teil E integriert, sondern bleiben dem Teil D vorbehalten. Typische Ergebnisse mit konkreten Veränderungsvorschlägen der Befragten werden unter D 6 aufgezeigt und unter D7 werden je ein Fragenkomplex für die Deutschen Schulen und die Goethe-Institute aufgenommen, die in Bezug auf neue Konzepte von besonderer Bedeutung sind: D 7.1. Forderungen für die Zukunft Deutscher Schulen und D 7.2. Goethe-Institute - in Zukunft Europäische Kulturinstitute? Während im Teil C das Forschungsinteresse in den Interviews auf direkte Art zum Tragen kommt, erscheint es im Teil D, in den Fragebögen, auf indirekte Art. Im Gesprächs- und Interviewteil handelt es sich ganz klar um qualitative Studien87. Für die vorliegende Arbeit gilt die Interpretation von Patricia M. Koch: “Der Begriff der ‘qualitativen’ im Gegensatz zur ‘quantitativen’ Forschung ist eher irreführend als bezeichnend. Qualität wollen beide Richtungen, wenn auch auf anderen Wegen. Der Begriff ‘qualitativ’ wird dem Begriff ‘quantitativ’ entgegengesetzt, d. h. es soll primär nicht quantifiziert werden. Diese Begrifflichkeit lässt keine genauere Operationalisierung dessen zu, was überhaupt definiert werden soll.”88 Die Befragung der Beschäftigten an Goethe- Instituten und Deutschen Schulen, (Schulleiter, Lehrkräfte, Leiter der Institute, Entsandte, Ortslehrkräfte) in ausgewählten Ländern Europas ist zum Teil quantitativ – statistisch. Anfolgend werden die Fragen gebündelt und unter bestimmten sachlichen Gesichtspunkten

87 Siehe auch: Mayring, Philipp: Einführung in dir qualitative Sozialforschung. Untersuchungspläne S.40ff.. Zur qualitativen Analyse S.65ff., zur Interpretation S.145. Basel. 2002. Friedrichs, Jürgen. Methoden empirischer Sozialforschung. Methoden S.162ff, zu Fragen S.192ff., Interview S.207, Tiefeninterview S.224, schriftliche Befragung S.236, Inhaltsanalyse S.314, Auswertung, Interpretation S.338. Opladen, 1990. 47

z.B. “Ausbildung, Fortbildung” zusammengefasst, die Antworten statistisch erfasst, strukturiert und klassifiziert. Die Auswertung wird nach den Zwischenergebnissen qualitativ ausgeweitet im Fazit. “Qualität gibt Auskunft über die Beschaffenheit, das ‘Wie’ der Dinge.”89

Bei den Teilen C “Goethe-Institute und Deutsche Schulen in Europa und ihr Reformbedarf” und D “Befragung der Beschäftigten” handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Bereiche mit Quellen empirischer Art. Die Fragebögen dienen zur Vertiefung und Erweiterung des ersten Ergebnisses, welches durch die eigene Beobachtung, durch die offiziellen Quellen der Bundesregierung, der Mittler, der Schulen und der oben erwähnten Sekundärquellen entstanden ist. Was nicht im Teil C, dem ersten empirischen Teil dargestellt wurde, wird zusätzlich exemplarisch in den Fragebögen ermittelt. Es ist das zweite Ergebnis und dient zur Korrektur, Bestätigung und zur Erweiterung.

2.5. Teilnehmende Beobachtung90

Die Teile E und F “Zukunftsfähigkeit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik” und “Die Reform der dritten Säule ist unerlässlich” beinhalten folgende Aspekte: Aufnahme, Wiedergabe und Interpretation. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Fazit zu einer Handlungsanleitung für reformorientierte Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Kulturarbeit umgestaltet. Die eigenen Vorstellungen zur Neuorientierung fließen hier mit ein: „Die teilnehmende Beobachtung ist die Form der Beobachtung, bei der der Forscher (Beobachter) das Sprachverhalten von Personen in natürlichen Kontexten beobachtet, indem er an Aktivitäten der Personen teilnimmt, ohne diese Aktivitäten zu stören.”91 Es wird sich erweisen, dass dieser Ansatz unter dem methodischen Aspekt der teilnehmenden Beobachtung (und der “beobachtenden Teilnahme”), mit der Beschränkung auf Exemplarität,

88 Koch, Patricia Maria: Doktorandinnen. Der Wille zur wissenschaftlichen Anerkennung. Prof. Dr. Ilse Modelmog, Hg., Hamburg, 1995, S.83. 89 Koch, Patricia Maria: Doktorandinnen. Der Wille zur wissenschaftlichen Anerkennung, Hamburg, 1995, S.84. 90Siehe auch: Dieckmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Planung S.200ff., Befragung S.371ff. Reinbek, 2002. 91 Schlobinski, Peter: Empirische Sprachwissenschaft, WV studium, Band 174, Opladen, 1996, S.50. 48

einer Wiedergabe der inneren Vielfalt der Auswärtigen Kulturpolitik am ehesten gerecht wird und dem Ziel der Arbeit dienlich ist.

3. Wissenschaftliche Beiträge zum Reformbedarf

Kürzere Beiträge zum Reformbedarf Auswärtiger Kulturpolitik finden sich vor allem in Studien, Sammelbänden, Festschriften, Akten von Symposien, Feuilletons und wissenschaftlichen Zeitschriften. Einige dieser Beiträge sind in die Arbeit eingeflossen. Die wenigen ausführlicheren wissenschaftlichen Publikationen, die sich nicht in Sammelbänden befinden und sich inhaltlich bis zum Jahr 1990 mit der Auswärtigen Kulturpolitik des Bundes befassen, berühren das Thema der Arbeit nur sehr begrenzt. Einige seien aber hier genannt: “Die Politik des Kulturaustausches. Was fehlt in der Bundesrepublik Deutschland?”, erschienen München 1977 von Oskar Splett, “Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Sozalwissenschaftliche Analysen und Planungsmodelle”, Stuttgart 1978, verfasst von Hansgert Peisert, “Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Grundlagen, Ziele, Aufgaben. Eine Titelsammlung”, von Udo Rossbach, Stuttgart, 1980, “Auswärtige Kulturpolitik. Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquête-Kommision”, erschienen 1980 in Bonn und Barbara Lipperts “Auswärtige Kulturpolitik im Zeichen der Ostpolitik. Verhandlungen mit Moskau 1969 - 1990” (1996). Fast alle diese Veröffentlichungen befassen sich mit der Zeit vor der Ära Kohl. Die Jahresbibliographie des Jahrbuches Deutsch als Fremdsprache der Herausgeber Alois Wierlacher u. a. bietet seit 1975 eine Fülle fremdheitswissenschaftlicher Beiträge. Weitere Werke des Herausgebers Alois Wierlacher sind die Festschrift des Instituts für Internationale Kommunikation und Auswärtige Kulturarbeit (IIK Bayreuth) aus Anlass seines zehnjährigen Bestehens 1990-2000 mit dem Titel “Kulturthema Kommunikation. Konzepte, Inhalte, Funktionen”, aus dem Jahr 2000, sowie Forschungsarbeiten zur “Architektur interkultureller Germanistik”92 und das „Handbuch interkulturelle Germanistik“ aus dem Jahr 2003, Mitherausgeberin Andrea Bogner. Beiträge zahlreicher Autoren geben mit ihrer Vielfalt eine zusammenfassende Darstellung der neuen Entwicklungen, worauf insbesondere bezüglich der Rahmenbegriffe in dieser Arbeit zurückgegriffen wird. In „Konzepte der Kultur- wissenschaften“, herausgegeben von Ansgar und Vera Nünning, wird ein interdisziplinärer

92 Wierlacher, Alois: Architektur interkultureller Germanistik.- München ,2001. 49

Diskussionszusammenhang hergestellt. Zu “Deutsch als Fremdsprache” wurde ein “Internationales Handbuch”, herausgegeben von Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hans-Jürgen Krumm93 mit Beiträgen zu Forschung und Lehre. Stellvertretend sollen mit diesem Werk und einer weiteren grundlegenden neueren Veröffentlichung: “Die auswärtige Sprachpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel- und Osteuropa, in der Sowjetunion und der GUS 1982 bis 1995” (2000) von Axel Schneider, meine Arbeit betreffende Kapitel schlaglichtartig beleuchtet werden. Deutschen Universitäten und ihrer Leistung für die Ausbildung zur Auslandskultur- und Bildungsarbeit in Bezug auf Deutsch als Fremdsprache ist das abschließende Kapitel gewidmet.

3.1. Deutsch als Fremdsprache

Das Handbuch Deutsch als Fremdsprache: “Ein internationales Handbuch”, herausgegeben von Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici im Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2001 ist das derzeit umfangreichste neuere Werk (1720 Seiten) zum Bereich Deutsch als Fremdsprache. “Das Handbuch will den erreichten Entwicklungs- und Erkenntnisstand des Faches sowohl in seinen theoretischen und empirischen Grundlagen als auch in seinen Konsequenzen in der Praxis des Lehrens und Lernens darstellen. Es zielt auf interdisziplinäre Sicht.”94 Deutlich kommt zum Ausdruck, dass es nicht nur um ein Aufzeigen des Ist- Bestandes geht, sondern um eine Weiterentwicklung des Fachbereichs. Für die vorliegende Arbeit ist die von Gabriele Pommerin vorgenommene Präzisierung des Begriffs des Interkulturellen Lernens, wie unter 1.2. aufgezeigt, von Bedeutung. Darüber hinaus interessiert besonders der Abschnitt über den “Deutschunterricht und Germanistikstudium im fremdsprachigen Ausland.”, der auch für verschiedene Länder “Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht.” beschreibt, wie es diese Arbeit exemplarisch für die Rahmenbedingungen in der Türkei, in Großbritannien, in Schweden, in Tschechien und der Slowakei vornimmt.

93 Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hans- Jürgen Krumm, Hrsg., Berlin , New York, 2001. 94 Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch; Gerhard Helbig, Lutz Götze, Gert Henrici, Hrsg., Berlin, New York, 2001, Klappentext. 50

Im Gegensatz zum Bericht von Nilüfer Tapan, die eingehend den Deutschunterricht an türkischen Schulen auf der S. 1565ff. im Handbuch behandelt, befasst sich die vorliegende Arbeit bei der Türkei schwerpunktmäßig mit der Schulreform sowie ihren Auswirkungen auf das Alman Lisesi. Der Bericht aus Großbritannien von Dietmar Rösler auf S. 1464ff. beschreibt vor allem die geschichtliche Entwicklung des Deutschunterrichtes an den Schulen und die jetzige Situation von Deutsch als Fremdsprache an den Universitäten. Mein Bericht jedoch stellt die Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht an den Schulen heute dar. Er ist außerdem geprägt durch Aufenthalte (1998) und die dort gemachten Erfahrungen in der Deutschen Schule und dem Goethe-Institut. Zum Deutschunterricht in Italien erläutert Donatella Ponti auf S.1509ff. im Handbuch die Situation für Deutsch an allen Schularten sowie die Fremdsprachenlehreraus- und -- fortbildung. Christian Timme führt auf S. 1557ff. ganz allgemein die Situation für den Deutschunterricht in Frankreich aus, differenziert dann nach Deutsch in der Primarstufe und Deutsch in der Sekundarstufe I und II. Von Anatoli Donaschew ist eine eingehende Beschreibung des Deutschen im Schulcurriculum in Russland auf S. 1557ff. zu finden. Zu den Bedingungen in Italien, Frankreich und Russland wurde im Handbuch so ausführlich gearbeitet, dass sie deshalb hier nicht weiter ausgeführt werden. Für Portugal (Anita Dreischer auf S. 1523ff. im Handbuch) wurde das kulturelle Umfeld, welches den Deutschunterricht befördert, geschildert. Zu den Berichten zu Schweden, Tschechien und der Slowakei gibt es keine Parallelen im Handbuch. Insgesamt werden in vorliegender Arbeit Rahmenbedingungen vor allem für das schulische Umfeld und die Goethe-Institute dargestellt, nicht für die Universitäten, die Deutsch als Fremdsprache lehren. Dieses leistet das Handbuch.

3.2. Die auswärtige Sprachpolitik

Eine neuere Forschungsarbeit, die sich mit der Auswärtigen Kulturpolitik und ihrer Förderung auseinandersetzt, ist bei Dr. Rabes Doktorhüte “Arbeiten zur germanistischen Sprachwissenschaft und zum Deutschen als Fremdsprache” erschienen. Der Titel lautet: “Die auswärtige Sprachpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel- und Osteuropa, in der Sowjetunion und der GUS 1982 bis 1995” (2000) von Axel Schneider. Auf diese Untersuchung wird häufiger in der vorliegenden Arbeit Bezug genommen. Die Ausgangslage für Axel Schneider war eine politische Situation in Deutschland, in der die Auswärtige Kulturpolitik wieder an Bedeutung gewann, Zeiten des 51

politischen Umbruchs und der knappen Kassen, in denen über die Prioritäten der Kulturpolitik diskutiert wurde. Axel Schneider arbeitete zu der Zeit wissenschaftlich am Thema, in der ich intensive politische und organisatorische Erfahrungen im Bundestag und bei den Mittlerorganisationen sammelte. Umfangreiches Datenmaterial: das vorgestellte Detailwissen über die Organisation der Auswärtigen Kultur, die Vorstellung der verantwortlichen Personen, die Geschichte der Auswärtigen Kulturpolitik von 1949 bis 1995, ist von ihm zusammengetragen worden. Mittlerorganisationen und ihr Aufgabenfeld, Programme und Projekte zur Förderung des schulischen Deutschunterrichts sind untersucht. Die Fragestellung unter der die Deutschen Schulen im Ausland von Axel Schneider betrachtet werden, unterliegt dem Gesichtspunkt der Förderung auswärtiger Sprachpolitik. Unter “Schwerpunkt im Konzept der Sprachverbreitung” sind “Neuansätze bei der Vermittlung von Lehrkräften” aufgezeigt. Axel Schneider bietet eine Vielzahl von Tabellen und Diagrammen, z. B. “Entsendung deutscher Lehrkräfte durch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, nach MOE und GUS im Schuljahr 1994/1995” oder “Schließungen und Zusammenlegungen von Goethe-Instituten seit 1989” oder “Verbreitung von Medien im Rahmen der Förderung der deutschen Sprache in MOE/GUS 1994 nach StADaF”. Die Untersuchung Schneiders benennt akribisch Stellenwert, Zielsetzung, Funktion der Auswärtigen Kulturpolitik innerhalb der Außenpolitik. Was Axel Schneider nicht leisten konnte, nämlich das Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und der praktischen Kulturarbeit aufzuzeigen und daraus Vorschläge zu ihrer Förderung zu entwickeln, soll in vorliegender Arbeit versucht werden.

3.3. Deutsche Universitäten und ihre Leistung für Deutsch als Fremdsprache

Auf die Bedeutung des Deutschen als Fremdsprache ist unter 1.6. hingewiesen worden. Daraus ergibt sich, dass Lehre und Forschung sich dergestalt mit diesem Fachbereich befassen müssen, dass zukünftige Kulturvermittler und Lehrer so ausgebildet sind, dass sie die Verbreitung des Deutschen als Kultursprache in ihrem Arbeitsfeld beherrschen. Es ist zu befürchten, dass viele Sprachen nicht überleben werden, weil sie in der geistigen Auseinandersetzung verstummen, weil ein Sprachen-Konzentrationsprozess eingesetzt hat. Sprachen sind als Teil lebendiger Organismen zu verstehen, die aufeinander wirken und sich in einer Symbiose fortentwickeln. Die Vielfalt der Sprachen erhalten unsere Sprech- und Denkkulturen durch gegenseitiges Einwirken aufeinander. Wie viele Worte aus anderen 52

Sprachen und Kulturen sind uns in einer gemeinsamen europäischen Sprachenwelt selbstverständlich, man denke an die Vielzahl der aus dem Arabischen stammenden Wörter wie “Algebra, Ziffer, Chemie”, die bei uns verwendet werden. Deutsch und das Beharren auf Deutsch - in verschiedenen nationalen Standardvarietäten95 - als wesentlichem Bestandteil der kulturellen Entwicklung, soll dazu beitragen die Sprachen der Welt vielfältig und lebendig zu erhalten. Der Überlebenswillen der großen Sprachen mit großen Territorien und vielen Sprechern ist auch ein Garant für den Fortbestand der kleineren Sprachen mit kleinen oder keinen Territorien und wenig Sprechern96. Ein Großteil der 25 Thesen zur Sprach– und Kulturvermittlung im Ausland97 sind der Spracharbeit gewidmet. So heißt es z. Bsp. in These 18.: „Spracharbeit und Kulturarbeit: Jede Form von Spracharbeit mit jedweder Adressaten- gruppe ist immer auch Kulturarbeit. Die Begegnung mit der fremden Kultur beginnt in der ersten Stunde des Sprachunterrichts. Von daher ist eine Abtrennung der Spracharbeit von der Kultur nicht angemessen.“ These 22 ´Lebendigkeit´ lautet: „Der Sprachunterricht steht immer in einem Spannungsfeld privaten und öffentlichen Kulturverständnisses. Aus dieser Spannung erhält er seine Lebendigkeit.“ Daraus ergeben sich neue Zielsetzungen der Sprachpflege, nicht mehr nur die „defensiv-puristische, nationalsprachliche Sprachpflege von einst, sondern zu einer offensiven, Internationalität fördernden Sprachkultivierung bzw. Kommunikations- kultivierung führen. Unter Kommunikationskultivierung verstehe ich alle sprachpflegerischen Aktivitäten, die sich in den Dienst der im deutschen Sprachgebiet lebenden und kommunizierenden Menschen stellen,“98 so Albrecht Greule, der auch auf den Regional-

95 Ammon, Ulrich: Die nationalen Varietäten des Deutschen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 23. München, 1997. S.143.

96 Vergleiche: Zu “großen” und “kleinen” Sprachen. Alleman-Ghionda, Christina. Mehrsprachige Bildung in Europa. In: Grundlagen interkulturellen Lernens. 1.1.1. BMW Arward für interkulturelles Lernen. München, 1997. 97 Beirat Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts. 25 Thesen zur Sprach- und Kulturvermittlung im Ausland, 1991. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18, Alois Wierlacher u. a. Hg., München,1992. S. 218ff. 98 Greule, Albrecht: Deutsch am Scheideweg: National- oder Internationalsprache? In: Thema Deutsch , Band 3: Deutsch, Englisch, Europäisch. Matthias Wermke u.a. Hg., Mannheim 2002,S. 63. 53

variantenreichtum innerhalb der deutschen Schriftsprache hinweist, der seiner Meinung nach „für den „DaF – Unterricht eine interessante Herausforderung“99 darstellt. Ulrich Ammon wendet sich in seinen Überlegungen zu den „nationalen Varietäten des Deutschen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache“100, dem Fakt zu, dass Deutsch nicht mehr regional einheitlich, sondern differenziert gesehen wird: „Es gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Sprachformen, die standardsprachlich, aber nicht gemeindeutsch (einheitssprachlich) sind.[...] Sofern solche Varianten national verteilt sind, nennt man sie heute zumeist nationale Varianten. Die durch sie gebildeten spezifischen Sprachsysteme heißen dann nationale Varietäten. Sprachen mit verschiedenen nationalen Varietäten nennt man plurizentrisch oder berechtigterweise auch plurinational.“101 Er fährt dann fort: „Die Deutsche Sprache ist plurizentrisch und plurinational, was zumindest intensional nicht identisch ist.[...]Dass die Zentren einer Sprache nicht unbedingt identisch sein brauchen mit den Nationen, lässt sich in Bezug auf die Zeit vor der Neuvereinigung Deutschlands verdeutlichen. Damals gab es durchaus standarddeutsche Unterschiede zwischen BRD und DDR, und zwar auch über den ideologischen Wortschatz hinaus.“102 Für den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache folgt daraus, dass es nicht nur eine standardsprachliche Norm gibt, sondern regionale Varianten, die gelehrt und gelernt werden. Zum Thema, welches Deutsch denn nun angesichts der Dominanz der englischen Sprache gelehrt werden soll, gibt These 24 Hinweise: „Intellektualität: Ein Sprachunterricht, der nur triviale Alltagskommunikation im Blick hat, unterfordert die Lernenden. Der Kulturbegriff ist so auszulegen, dass er die Intellektualität der Lernenden von Anfang an herausfordert. Dies gilt für alle Lern- und Arbeitsgruppen.“103 Ulrich Ammon stellt einen engen Bezug zwischen

99 Greule, Albrecht: Deutsch am Scheideweg: National- oder Internationalsprache? In: Thema Deutsch , Band 3: Deutsch, Englisch, Europäisch. Matthias Wermke u.a. Hg., Mannheim 2002,S. 58. 100 Ammon, Ulrich: Die nationalen Varietäten des Deutschen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 23. München, 1997. S.141-158. 101 ebd. 102 Ammon, Ulrich: Die nationalen Varietäten des Deutschen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 23. München, 1997. S.148.

103Beirat Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts. 25 Thesen zur Sprach- und Kulturvermittlung im Ausland, 1991. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 18, Alois Wierlacher u. a. Hg., München,1992. S. 218ff. 54

wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Potential fest und begründet die Dominanz der englischen Sprache als Wissenschafts- und Wirtschaftssprache aus der geschichtlichen Perspektive: „Spezifisch deutsch war allerdings die Vertreibung und Tötung eines Großteils der besten eigenen Wissenschaftler im Nationalsozialismus: Schon bis 1936 hatten 1617 Hochschullehrer das Land verlassen müssen, von denen die meisten, nämlich 1160 in englischsprachige Länder gingen, 825 in die USA.; die wenigsten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zurück berufen. Im Zweiten Weltkrieg wurden die deutsch- und die französischsprachigen Länder erneut verwüstet. Die USA stiegen zur unumschränkt stärksten Wirtschafts- und Wissenschaftsmacht der Welt auf.“104 Barthold C. Witte, Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes von 1983-1991, hebt in seinem Vortrag anlässlich der Feier zum zehnjährigen Bestehen von interDaF e.V. am Herder-Institut der Universität Leipzig am 25.10.2002 die Problematik der Verschiebung hin zum Englischen hervor: „Wir brauchen in dieser komplizierten Lage eine kohärente Sprachpolitik, welche die Frage nach ihrem ´Warum´ ebenso beantwortet wie die Frage nach ihren Handlungsräumen sowie nach dem Umfang und dem Einsatz der Mittel.“ Deutsche Universitäten leisten einen wichtigen Beitrag zur Lösung der oben gestellten Fragenkomplexe. Wer das breite Spektrum der Wissensvermittlung in diesem Fachbereich an den Universitäten betrachtet, wird deren Bedeutung für die Auslandskulturarbeit im Sinne der 25 Thesen erkennen. Daher wird in den Fragebögen nach der Ausbildung und der Fortbildung in diesem Bereich gefragt. Im Fach Interkulturelle Germanistik und der mehr auf die praktische Anwendung bezogenen Varianten Deutsch als Fremdsprache/ Deutsch als Zweitsprache wird durch die Benennung der Inhalte der Seminare und Vorlesungen deutlich: Ohne eine an den 25 Thesen zur Sprach- und Kulturvermittlung im Ausland orientierte Ausbildung muss Auslandskulturarbeit Stückwerk bleiben. Daher im Folgenden ein kurzer Einblick in diesbezügliche Veranstaltungen an Universitäten in Deutschland: Im „Handbuch interkulturelle Germanistik“ beschreibt Alois Wierlacher zur Entwicklung des Faches Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth (1986-2002) „Nur wenige Monate nach seiner Institutionalisierung hat das junge Fach unter Förderung durch die

104Ammon, Ulrich: Deutsch unter Druck von Englisch in Wissenschaft und Politik. In: Thema Deutsch, Band 3: Deutsch, Englisch, Europäisch. Matthias Wermke u.a. Hg., Mannheim 2002, S. 141.

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Deutsche Forschungsgemeinschaft, mit dezidierter Zustimmung des bayerischen Wissen- schaftsministers und der Universitätsleitung im Juli 1987 den ersten Kongress für interkulturelle Germanistik veranstaltet. Er hat sich inzwischen diskursführend in die Theoriearbeit interkultureller Germanistik engagiert. [...] Als Wissensformen hat das Fach vor allem das Theoriewissen, Sprach- und Kulturwissen sowie das Fremdheits- und komperative Weltwissen in die übergeordnete Reflexion interkultureller Kommunikation integriert. [...] Eine separate Didaktik-Komponente hat die Bayreuther Interkulturelle Germanistik nicht eingerichtet. Stattdessen wurde angestrebt, sprach-, literatur- und kulturdidaktische Aufgaben des Faches im Sinne der Praxisorientiertheit einer angewandten Kulturwissenschaft in die verschiedenen Komponenten zu integrieren. [...] Die Hauptprogrammziele des Faches waren von Beginn an: Erforschung und Vermittlung deutschsprachiger Kulturen unter der Bedingung und in der Perspektive ihrer Fremdheit. Befähigung deutscher und ausländischer Studierender zu verschiedenen Berufen der internationalen Zusammenarbeit, zum Beispiel in der internationalen Wirtschaft, der grenzüberschreitenden Verwaltung und den auslandsbezogenen Bildungsbereichen, in der Wissenschaft, der Kulturarbeit, den Medien oder der Diplomatie.“105 Auf den Sammelband der „Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache: Das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern”, herausgegeben von Rolf Ehnert und Hartmut Schröder,106 wird in dieser Arbeit häufiger zurückgegriffen. Dieser befasst sich mit der Geschichte, der Didaktik und dem Selbstverständnis des Faches und liefert zur Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen für Deutsch als Fremdsprache in Deutschland (Rolf Ehnert) und der Schweiz (Martin Müller) einen Überblick bis 1994. “Informationen zu einem besonderen Germanistikstudium”, so ist die Darstellung des Diplomstudiums in Bamberg betitelt. Die Studierenden leisten ein wenigstens vier Wochen dauerndes Praktikum im Ausland während des Grundstudiums ab, sowie 6 Wochen Praktikum im Hauptstudium. Mindestens an einem der Praktika sollte während eines

105Wierlacher, Alois: Interkulturelle Germanistik in Deutschland. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois; Bogner, Andrea, Hg... Stuttgart, 2003, S.612 ff. 106 Ehnert, Rolf, Schröder, Hartmut, Hrsg.: Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache. Das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern. Frankfurt, u.a., 2. korrigierte Auflage 1994. 56

Auslandssemesters oder -jahrs teilgenommen werden. Es werden Symposien veranstaltet wie “Probleme der Qualifizierung für Sprach- und Kulturarbeit im Ausland.“ Die Universität Bayreuth hat das Institut für internationale Kommunikation und Auswärtige Kulturarbeit (IIK Bayreuth, jetzt Würzburg) mit ins Leben gerufen. ”Zweck der Institutsgründung war der Aufbau eines Gemeinschaftshandelns im Problembereich der Fremdheitserfahrung und interkulturellen Kommunikation. [...] Grundlegend für die Institutsarbeit [...] war von Anfang an der beständig geführte Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis.”107 Die “Akademie für interkulturelle Studien an der Universität Würzburg” verleiht jährlich den Akademie-Preis für besonders qualifizierte Arbeiten für interkulturelle Studien und setzt somit ein Zeichen für die Bedeutung interkulturellen Lernens. Das Institut „Deutsch als Fremdsprache“ der Ludwig-Maximilians-Universität München befasst sich u.a. mit partnerschaftlicher Lernmaterialentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut München. An der Universität Bielefeld findet sich als Angebot “Interkulturelle Pädagogik. Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern für deutsche und ausländische Kinder” mit den Lehrenden Dr. Rolf Ehnert und Prof. Dr. Gert Henrici, die ihre Studenten für ihr zukünftiges Aufgabenfeld vorbereiten. Die Universität Leipzig mit dem Herder-Institut beschäftigt sich im Bereich “Deutsch als Fremdsprache” im Hauptseminar “Deutsche Außenpolitik unter Berücksichtigung der Kulturpolitik (1945-1989)” speziell mit der Außenpolitik der ehemaligen DDR. In der Humboldt Universität in Berlin gibt es im gleichen Fachbereich z.B. ein Seminar “Literatur über Berlin und Literatur aus Berlin.” Die Johannes Gutenberg Universität Mainz veranstaltet ein Seminar “Sprechtechniken und Sprechsicherheit” für Studierende der Zusatzqualifikation DaF. Auch das folgende Beispiel zeigt, dass Universitäten die 11. These zur Sprach- und kulturvermittlung im Ausland zu ihrer Angelegenheit machen: „Sprachkultur: Für die Kultur im Sinne der auswärtigen Kulturpolitik ist die Sprachkultur zentral. Unter den Künsten, verstanden als ausgezeichnete Äußerungen der Kultur, hat die Literatur in diesem Rahmen einen besonderen Stellenwert, da sie der Sprachkultur näher steht als andere Künste. Aber

107 Wierlacher, Alois: Begründung und Entwicklungsgeschichte des Instituts. In: Kulturthema Kommunikation, Wierlacher, Alois, Hg., Möhnesee, 2000, S. 19. 57

auch der Sprachgebrauch außerhalb der Literatur, beispielweise in den Fachsprachen, steht unter dem Postulat der Sprachkultur.“ Interdisziplinäre Projekte wie z.B. an der Universität Trier im Zusammenhang mit dem Fach DaF “Deutschlernen mit Theaterspielen” und “Interkulturelle Schreibwerkstatt”108 verwirklichen Intentionen der These 11. Diese Arbeit soll untersuchen, ob das Personal, welches in der Auslandskulturarbeit tätig ist, vom Angebot der Universitäten schon profitiert hat und in dieser Richtung vorbereitet wurde oder an einschlägigen Fortbildungen teilgenommen hat. Die Erkenntnis, dass wissenschaftlicher Transfer auf die Politik kaum zustande kommt, dass Beratung der Entscheidungsträger auf Bundesebene dringend nötig wäre, wurde mir als Abgeordnete, als Mitglied in den Mitgliederversammlungen des Goethe-Institutes und Inter Nationes deutlich vor Augen geführt. Erfahren werden konnte, dass man in der Politik oft kein “Hineinreden” und Mitdenken von wissenschaftlicher Seite wollte, da vieles kurzfristig und tagespolitisch nach ”Erfolgskriterien” und “Finanzierbarkeit” entschieden wurde. Das Wissen der Universitäten wurde kaum genutzt, obwohl ein Zusammenführen der Auswärtigen Kulturpolitik und der Wissenschaft Voraussetzung für erfolgreiche Arbeit ist.

108 Vorlesungsverzeichnisse deutscher Universitäten 98- 2002. 58

B Aufbau und Mängel der dritten Säule der Außenpolitik

1. Mittlerorganisationen

1.1. Die Mittlerorganisationen als Kultur- und Bildungsvermittler

Vermittler der Auswärtigen Kultur- und Bildung sind die Mittlerorganisationen. In “Was soll Vermittlung heißen?” schlägt Wierlacher am Ende des Kapitels ´Vom Begriff des Blickwinkels´ vor: “Mit dem Wort Vermittlung soll zukünftig, so möchte ich die Überlegungen resümieren und abschließend empfehlen, der Versuch bezeichnet werden, eine tragfähige kulturelle Zwischenposition sowohl im kulturellen Dialog der Wissenschaft als auch bei der Verknüpfung von Interessen der Lehrenden und der Lernenden zu konstruieren.”109 ´Vermittlung´ ist „das Sichtreffen der am Lernprozess Beteiligten in jener offenen Mitte [...], die nicht als räumliche oder geographische Größe [...] sondern als mittlerer Weg der Erkenntnis begriffen wird.”110 Die nachfolgend aufgeführten Mittlerorganisationen, deren Hauptaufgaben die Sprach- und Kulturvermittlung sind, spielen in dieser Arbeit eine tragende Rolle. Staatliche Trägerin Auswärtiger Kulturpolitik ist vor allem die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Die Förderung und Finanzierung von Deutschen Schulen im Ausland wird hier verwaltet. Nichtstaatlicher Träger der Auswärtigen Kulturpolitik ist z.B.: Das Goethe- Institut e.V. Die Aufgaben des Goethe-Instituts e.V. (GI) sind die Pflege der deutschen Sprache im Ausland und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Seiner Vertragsaufgabe kommt das Goethe-Institut durch Sprachkurse, durch Lehrerfortbildung und durch Konzeption und Organisation von Kulturprogrammen im Ausland nach. Das Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (ifa) will die Verbindung zwischen Deutschland und dem Ausland auf allen Gebieten internationaler Zusammenarbeit vertiefen, führt internationale

109 Wierlacher, Alois: Vom Begriff des Blickwinkels. In: Architektur interkultureller Germanistik, München, 2001, S.318. 110 ebd. 59

Treffen und Tagungen durch und fördert den Abschluss internationaler Kulturabkommen. Die Schwerpunkte der Arbeit von Inter Nationes e.V (IN) sind die Erstellung von Bildungsmedien, Filmen und Printmedien sowie die Betreuung des Besucherprogramms der Bundesregierung. Weitere Mittlerorganisationen fördern und pflegen die deutsche Sprache im Ausland und DaF im Inland. Alle Mittlerorganisationen haben sich mit unterschiedlicher Intensität die Förderung und Pflege der deutschen Sprache zur Aufgabe gemacht. Die Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache in der Bundesrepublik und in der Welt beruht auf der Leistung und der Zusammenarbeit vieler Akteure aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. “Trotzdem mag es erlaubt sein, das Goethe-Institut mit an erster Stelle in der Aufzählung der Pioniere und Wegbereiter des Faches Deutsch als Fremdsprache aufzuführen. Die Einbindung des Goethe-Instituts als eingetragenem Verein in die Auswärtige Sprach- und Kulturarbeit der Bundesrepublik Deutschland und nicht als staatliche Institution kennzeichnet den vom ehemaligen Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts, Dieter Sattler, initiierten föderativen Charakter dieser und aller anderen Mittlerorganisationen im Bereich der auswärtigen Sprach- und Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem ist an dem Grundsatz einer abgestimmten Arbeitsteilung zwischen staatlichen Stellen und Mittlerorganisationen festgehalten worden, wobei Planung und Koordinierung‚ unter systematischer Beteiligung der Mittlerorganisationen zu übertragen ist.”111 Weitere Mittlerorganisationen sind:

- Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH);

- Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ);

- Carl Duisburg Gesellschaft e. V. und Carl Duisburg Centren (CDC);

- Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE);

- Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD);

- Der Pädagogische Austauschdienst (PAD);

- Deutsch-Fränzösisches Jugendwerk (DFJW);

111 Faber von, Helm: Die Entwicklung von Deutsch als Fremdsprache in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Goethe-Instituts. In: Das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Länden. Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache, Rolf Ehnert, Hartmut Schröder, Hrsg., 2. Aufl., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. 1994, S.27ff. 60

- Deutscher Entwicklungsdienst.

1.2. Auswärtige Bildungspolitik im Schulwesen

Das auswärtige Schulwesen hat eine lange Tradition.112 Es begann 1878 mit der Schaffung des Reichsschulfonds, der 15 deutsche Auslandschulen mit 75.000 Reichsmark unterstützte. Eine Neuorientierung in der auswärtigen Schulpolitik erstrebte der Rahmenplan 1978. Da heißt es, dass die Begegnung mit den Menschen und der Kultur der Gastländer und die deutsche Sprache zu fördern und die schulische Versorgung deutscher Kinder im Ausland sicherzustellen sei. Als regionalen Schwerpunkt bezeichnete der Rahmenplan den EU-Raum. In Entwicklungsländern sollten vermehrt berufsbildende Fächer angeboten werden. Eine verstärkte Förderung des Deutschunterrichts im ausländischen Schulwesen sollte durch Aus- und Fortbildung örtlicher Deutschlehrer und Erweiterung der Austauschprogramme für Lehrer und Schüler erreicht werden. Der Deutsche Bundestag schrieb in seiner Entschließung vom 7. März 1990 den Rahmenplan fort. Der Begegnungscharakter deutscher Auslandsschulen sollte nun stärker verwirklicht werden. Regionaler Schwerpunkt bleibt auch nach dieser Entschließung der EU-Raum. Durch den Zusammenbruch des sozialistischen Systems entstanden in Mittel-Ost-Europa (MOE) neue Herausforderungen. Hier sollten Angebote für die Förderung des Deutschunterrichts sowie für kulturelle und soziale Begegnung im Schulbereich gemacht werden. Ziele waren und sind verstärkter Einsatz deutscher Lehrkräfte und Fachberater im Ausland. Außerdem wurde gefordert, eine Bund-Länder-Vereinbarung vorzulegen. 1950 wurden für das Auslandsschulwesen 180 000 DM ausgegeben, im Jahr 1967 waren es schon 78 Millionen DM. 1994 wurden für die Förderung von 114 deutschen Auslandsschulen 365 Millionen Mark ausgegeben. Die Mittel für die Auslandsschulen sanken zwischen 1995 und 2001 um fast 10%. Die Entwicklung des Schulfonds des Auswärtigen Amtes verzeichnet einen Rückgang von 193,78 Mio € in 1998 auf 172,3 Mio € in 2002. Bei Gespräch zum Auslandsschulwesen im Mai 1998 mit Walter Schmidt, dem damaligen Abteilungspräsidenten und Leiter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und Dr. Bernd

112 Nach: Auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen. Dokumentation. Auswärtiges Amt, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Hg., Bonn, 1998, sowie mündliche Informationen des Auswärtigen Amtes und der ZfA im November 2002. 61

Fischer, Legationsrat Erster Klasse, zu dieser Zeit Leiter des Auslandsschulreferats im Auswärtigen Amt (AA), ergaben sich folgende Informationen: Das AA ist federführend für das gesamte Auslandsschulwesen inklusive Schüleraustausch. Für diese Aufgaben standen im Haushalt 1998 ca. 380 Millionen DM Personalmittel und ca. 27 Millionen DM Sachmittel v.a. für Gebäude zur Verfügung. Im Referat Auswärtige Kulturpolitik im Auswärtigen Amt arbeiten 10 Personen an der "administrativen Führung" dieses Bereichs. Als "organisatorischer Unterbau" dient die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln mit ihren etwa 100 Mitarbeitern. Hier werden Besoldung, “Rekrutierung” bzw. Entsendung sowie eine konzeptionelle und statistische Begleitung der Arbeit geleistet. Walter Schmidt, Leiter der Zentralstelle wurde auf der ”Regionaltagung Europa” der 40 deutschen Auslandsschulen am 19. März 2001 vom Präsidenten des deutschen Schulvereins Brüssel, Dr. Klaus Meyer- Horn, verabschiedet. ”Ein Jubilar, der auf 37 Jahre Arbeit im Schulwesen zurückblicken kann, und Mitveranstalter der ersten Europa-Tagung ‘seiner’ deutschen Auslandsschulen ist.”113 Sozusagen als "Partner" kommt für die Arbeit im Auslandschulwesen der Bund-Länder- Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland (BLASchA) der Kultusministerkonferenz (KMK) hinzu. In ihm sind die 16 Bundesländer und der Bund vertreten. Der Vorsitz wird alternierend im jährlichen Wechsel von einem Ländervertreter bzw. einem Vertreter des AA übernommen, 1998 hatte Dr. Bernd Fischer den Vorsitz. (Im Jahr 2001 wurde er zum Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Washington ernannt.) Der BLASchA trifft sich vier Mal im Jahr. Er fungiert "primär als Prüfungsausschuss".114 Er wird deswegen auch als "17. Bundesland" bezeichnet, da er vergleichbar den Bundesländern den Rahmen für alle Prüfungen an deutschen Auslandsschulen festlegt. Hierfür reisen Vertreter des BLASchA das ganze Jahr über an die verschiedenen Schulstandorte und überwachen dort die Prüfungen. Die Zusammenarbeit im Ausschuss - es gilt das Einstimmigkeitsprinzip - ist durch eine große

113 Meyer-Horn: Rede an der deutschen Schule Brüssel am 19. 3. 2001. 114 Schmidt, Walter: 29 Jahre in der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – Rückblick und Ausblick. In: Neue Akzente in der Auswärtigen Kulturpolitik. Schulische Arbeit zwischen Ökonomisierung und interkulturellem Auftrag. Dokumentation der Sonnenberg – Tagung der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. 19. bis 24. November 2000 im Internationalen Haus Sonnenberg, St. Andreasberg.

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“Harmonie"115 gekennzeichnet. Diese Harmonie birgt m. E. die Gefahr des Stillstandes in sich. An den Deutschen Schulen im Ausland soll es nur maximal 20% - 25% Schüler aus dem Partnerland geben. Voraussetzung für die Aufnahme ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Es wird jedoch versucht, Deutsche Schulen in Begegnungsschulen umzuwandeln, den Anteil der Schüler aus dem Gastland über 25% hinaus, manchmal gegen den Widerstand der Schulen, zu steigern. Die 25%-Vorgabe ist für eine Entwicklung der Schulen zu Begegnungsschulen hinderlich. In einigen Schulen wird angeboten, einheimische Schüler durch gesonderte Deutschkurse und das sukzessive Umstellen des Fachunterrichts auf die deutsche Sprache, nach und nach an den rein deutschen Zug und an eine gemeinsame Abschlussprüfung mit den Muttersprachlern heranzuführen. Walter Schmidt berichtet über die Abstimmung mit Gremien, Ausschüssen und den anderen Mittlern: “1976 wurde die StADaF [Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache] ins Leben gerufen, indem mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes je ein Vertreter von DAAD, GI und Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ad personam für regelmäßige Treffen reihum in den drei Häusern berufen wurden. Vorsitz und Protokoll übernahm der jeweilige Gastgeber, der auch die Vertretung des Auswärtigen Amtes zur Teilnahme einlud. [...] Doch gegenüber den Fachreferaten im Auswärtigen Amt musste immer wieder betont werden, dass die StADaF keine ‚Beschlüsse‘ fassen konnte und wollte.[...]. Für Grundsatzfragen dagegen wurde der Steuerungsausschuss Deutsch als Fremdsprache (SteuDaF) gebildet, in dem die Leiter der drei Institutionen zusammen mit den StADaF-Vertretern auf Einladung und unter Vorsitz des Leiters der auswärtigen Kulturabteilung gemeinsam mit den Leitern der AA-Fachreferate beraten und Absprachen in Grundsatzfragen treffen konnten. [...] Als noch allgemeinere Fragen der Auswärtigen Kulturpolitik erörtert werden sollten, hat der Leiter der Kulturabteilung Vertreter auch der anderen Mittler sowie den Generalsekretär der KMK [Kultusministerkonferenz, die Verfasserin] zu einem ‚Operativen Gesprächskreis‘ eingeladen. Anfangs wurde auch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen zu den Sitzungen der Vereinigung für Internationale Zusammenarbeit (VIZ) gebeten, wozu u.a. das Institut für

Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Hg., Braunschweig, 2001. S. 32ff. 115 ebd. 63

Auslandsbeziehungen in Stuttgart, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung sowie die politischen Stiftungen gehören. Als Vertreter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in all diesen Gremien bekam ich Einblick in die Vielfalt und Wirkungsweise der Aktivitäten im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik als Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft.”116 Der Einblick in die Organisation des Auslandsschulwesens und seine vielfältigen Verflechtungen in Ausschüssen und Gremien macht klar, dass Veränderungen schwer zu bewirken sind. Entscheidungen durchlaufen zahlreiche Kompetenzebenen, das dauert Zeit und erschwert Beschlüsse zu Neuerungen- ein Grund mehr für Empirie. Es ist sinnvoll, die Maßnahmen zur Förderung der deutschen Sprache zwischen DAAD, Goethe-Institut und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen abzustimmen und es ist ebenso sinnvoll zu vorher bei den Bildungs- und Kulturarbeitern anstehende Optionen zu eruieren, wie dies in der Fragebogenaktion z. B. geschieht.

Zentralstelle für das Auslandsschulwesen117 Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen wurde 1968 eingerichtet. Sie betreut die schulische Arbeit im Ausland. Weltweit werden über 500 Schulen, darunter 117 deutsche Auslandsschulen, die überwiegend in privater Trägerschaft geführt werden, personell und finanziell gefördert. Etwas weniger als 2000 Auslandsdienstlehrkräfte plus Programmlehrkräfte und ca. 50 Fachberater befinden sich an diesen Einrichtungen. Sie werden während ihrer Tätigkeit im Ausland organisatorisch, pädagogisch und finanziell von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen betreut. Für die Förderung der schulischen Arbeit im Ausland sind im Haushalt des Auswärtigen Amtes rund 350 bis 400 Millionen DM jährlich veranschlagt. Zu den Aufgaben der Zentralstelle gehören:

- Gewinnung, Auswahl und Vermittlung von Lehrkräften für den Einsatz an den deutschen Auslandsschulen sowie im öffentlichen Bildungswesen (Stellenangebote, Stellenausschreibungen),

116 ebd. 117 Zentralstelle für das Auslandsschulwesen: www.auslandsschulwesen.de/zfa/zentralstelle.htm: Homepage der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Stand: 27. 11. 2001. sowie : Auswärtiges Amt, Hg.: Auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen, Dokumentation, 1998. 64

- Organisatorische, pädagogische und finanzielle Betreuung der deutschen Schulen und Bildungseinrichtungen im Ausland,

- Durchführung, Abnahme und Auswertungen der Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz,

- Betreuung von Auslandsdienstlehrkräften und Programmlehrkräften,

- Zuwendungen im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik,

- Beratung und Betreuung der deutschen Schulen im Ausland in finanziellen Angelegenheiten,

- Entwicklung und Pflege des Informationssystems Auslandsschulwesen (ISAS),

- Rechts- und Prozessangelegenheiten des Auslandsschulwesens, pädagogische und didaktisch-methodische Fragen des Auslandsschulwesens.

Rahmenstatut für die Tätigkeit deutscher Lehrkräfte im Ausland Dezember 1994118 Hier ist die Definition mehrerer Gruppen von Lehrern, die sich nach ihrem rechtlichen Status und nach ihren Aufgaben unterscheiden, festgelegt. Folgende Gruppen von Lehrkräften werden unterschieden:

- Auslandsdienstlehrkräfte (ADLK) sind beamtete oder festangestellte Lehrkräfte, die für eine Auslandstätigkeit freigestellt worden sind. Ihr Einsatz ist für gehobene und Leitungsaufgaben vorgesehen. Nach Ende der befristeten Beurlaubung, meist 8 Jahre, kehren sie in den inländischen Schuldienst zurück. (Richtzahl der Planstellen 1245, für eine Erstvermittlung liegt die Altersgrenze bei 45, für eine Zweitvermittlung bei 57 im Jahr 2002.)

- Bundes- und Landesprogrammlehrkräfte (BPLK/LPLK) sind voll ausgebildete Lehrkräfte, die bisher meist nicht im Schuldienst tätig waren. Sie werden über die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen bzw. über die Kultusministerien entsandt. Bei Rückkehr ist die Übernahme in den Landesschuldienst nicht gewährleistet. Deshalb werden hier Lehrerverbände zunehmend aktiv. (ca. 400 BPLK plus ca. 200 LPLK im Jahr 2002)

118 Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und den Kultusministern der Länder in der BRD, vertreten durch den Präsidenten der Ständigen Konferenz der Kultusminister, über den Einsatz deutscher Lehrkräfte im Ausland. (‚Rahmenstatut’) 1994. 65

- Ortslehrkräfte (OLK) sind von der Auslandsschule angeworbene und dort tätige Lehrkräfte, die in Deutschland oder im Ausland eine Lehrbefähigung erworben haben. Sie leben dauernd oder vorübergehend im Ausland. Sie erhalten vom Schulträger eine mit ihnen vertraglich vereinbarte Vergütung. (ca. 6000 im Jahr 2002)

Auslandsdienstlehrkräfte (ADLK) und Bundesprogrammlehrkräfte (BPLK) Weil die Deutschen Schulen die Möglichkeit haben sollen, zu ihrem Profil passende Lehrer zu finden, können jetzt ADLK von Schulleitern über eine von der ZfA angebotene Datenbank, die die Daten der Lehrkräfte, ihre Fächerverbindungen, ihre Spezialisierungen etc. enthält, ausgesucht werden. So trägt der Schulleiter ein Stück weit selbst die Verantwortung für die Zusammensetzung des Personals an seiner Schule. Der politische Trend ging 1998 verstärkt zum Einsatz von Programmlehrkräften gegenüber Auslandsdienstlehrkräften, um den deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten. Klar ist aber auch, dass die BPLK dem deutschen Staat weniger Geld kosten. Wie kurzfristig jedoch Trends sind, zeigt Folgendes: Die Zahl der Bundesprogrammlehrer ging von 1999 bis 2001 um 27% zurück, denn in einigen Fächern war auch im Inland, die für viele Lehrer attraktivere Nachfrage gestiegen. Die Anwerbung der BPLK erfolgt über Anzeigen in großen Tages- und Wochenzeitung sowie in kleineren Regionalzeitungen. Zudem gibt es Werbesendungen an die jeweiligen Lehrerseminare (wobei hier nicht immer eine Weitergabe an die Referendare stattfindet). Zum arbeits- und sozialrechtlichen Status deutscher Lehrkräfte im Ausland gab es immer wieder Diskussionen im deutschen Bundestag. Die berufliche und materielle Nichtabsicherung der Programmlehrkräfte nach ihrem Auslandseinsatz wird auch in meinen Kleinen Anfragen ”Arbeits- und sozialrechtlicher Status deutscher Lehrkräfte im Ausland”119 und ”Deutsch als Fremdsprache in dem MOE/GUS-Staaten” thematisiert.120 In der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen an Bundesprogrammlehrkräfte heißt es unter Punkt 2:

119Altmann Elisabeth: Deutsch als Fremdsprache in dem MOE/GUS-Staaten. Kleine Anfrage Deutscher Bundestag, Bundestagsdrucksache 13/10854. 120Altmann Elisabeth: Arbeits- und sozialrechtlicher Status deutscher Lehrkräfte im Ausland Deutscher Bundestag, Bundestagsdrucksache 13/11357. 66

”Zuwendungen an Bundesprogrammlehrkräfte sind keine gesetzlichen Pflichtleistungen, sondern freiwillige Leistungen des Bundes.” 121 Bei der Auswahl gelten folgende Kriterien. Die Bewerber müssen das zweite Staatsexamen abgelegt haben. Sprachkenntnisse für das Zielland sind nicht unbedingt erforderlich, jedoch erwünscht, da sie die Arbeit vor Ort sehr erleichtern. Die Interessenten werden dann in einem zweiten Schritt mit Hilfe eines Psycho- bzw. Leistungstest auf "Stressverhalten" und "Flexibilität" überprüft. Die Bewerber bekommen von dort, wenn gewünscht, ein Feedback - auch wenn sie für nicht geeignet befunden wurden. Dritter und letzter Schritt ist ein persönliches Auswahlgespräch bei der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln. Die ausgewählten Bewerber erhalten einen auf ein oder zwei Jahre befristeten Vertrag von den Schulen. Die Stellen werden dabei präventiv überbesetzt, da ein bestimmter Prozentsatz der Bewerber, noch bevor sie ihren Dienst antreten oder kurz nachdem sie dies getan haben, direkt auf eine Arbeitsstelle in Deutschland wechselt. Der dabei begangene Vertragsbruch wird von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen toleriert.

Lehrerentsendeprogramme Die Zahl der Menschen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen, kann man nicht genau bestimmen, sie liegt zwischen 25 und 50 Millionen. Von den 20 bis 21 Millionen Deutsch Lernenden leben 13,5 Millionen in Mittelosteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. Weil diese wichtigen Länder nicht einbezogen wurden, gibt die Antwort auf die Große Anfrage zur Verbreitung, Förderung und Vermittlung der Deutschen Sprache im Jahre 2001 nur etwa 8,5 Millionen Deutschlernende an. Die Anzahl der Deutschlernenden geht in Russland und in der seit 1992 drastisch zugunsten des Englischen zurück. Das mag der Globalisierung geschuldet sein, jedoch darf man es sich so einfach dabei nicht machen, es fehlt auch an richtig eingesetztem Engagement der Verantwortlichen in der Politik. Für Mittel-Ost-Europa (MOE) und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) wurde vom Auswärtigen Amt und den Kultusministern gemeinsam ein Lehrerentsendeprogramm entwickelt. 1999 waren 448 Programmlehrkräfte in den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens tätig. Ihr

121 Zentralstelle für das Auslandsschulwesen: AA/ZfA- Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen an Bundesprogrammlehrkräfte. In: Mitteilungen - Meinungen – Materialien: 2/96, Grüne Blätter, 43. Jahrgang., VDLiA,Hg., Schroedel Verlag. S. 109. 67

Einsatz konzentriert sich auf Lehreraus- und -fortbildung, bilinguale Schulen, Schulen in Gebieten mit deutschen Minderheiten, sowie Spezialgymnasien, die zur deutschen bzw. nationalen Hochschulreife führen. Dabei kommt den Fachberatern große Bedeutung zu. Diese sollen vor Ort den Einsatz deutscher Lehrkräfte koordinieren, sie fachlich betreuen, die Ministerien und Schulverwaltungen bei der Erarbeitung von Lehrplänen für den Deutschunterricht beraten und einheimische Deutschlehrer aus- und fortbilden. Es sind ca. 90 Fachberater in 50 Ländern tätig. “Mit Hilfe des Lehrerentsendeprogramms haben Bund und Länder gegenüber den osteuropäischen Staaten bewiesen, dass sie im Bedarfsfall zu rascher Hilfe vor Ort bereit und fähig sind. [...] Dennoch stößt das Lehrerentsendeprogramm an gewisse Grenzen, deren Beseitigung weder im Vermögen der fördernden deutschen Stellen noch des entsandten Personals liegt.”122 Allerdings hat sich eine Aufgabenverlagerung der Fachberater ergeben. Seit 1.1.1999 verbleiben von den vormals 90 nur ca.50 Stellen bei der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Ihnen werden Koordinatorenaufgaben weiterhin übertragen, insbesondere in Verbindung mit der fachlichen und organisatorischen Betreuung von Programmlehrkräften sowie der Auswahl und Betreuung von Prüfungszentren für das Deutsche Sprachdiplom der KMK. Neben den Deutschen Auslandsschulen - als traditionellem Zweig der Arbeit - wurde in den 90er Jahren ein zweiter Strang für Osteuropa bzw. die GUS-Staaten aufgebaut. Da in dieser Region - wenn überhaupt - nur eine Zusammenarbeit mit der DDR bestand und nur selten deutsche Schulen vorhanden sind, werden hier die Bundesprogrammlehrkräfte und Landesprogrammlehrkräfte v.a. in den traditionellen Schulen integriert. Diese Zusammen- arbeit ist als Fortsetzung einer langen Tradition der osteuropäischen Länder im Umgang mit der deutschen Sprache und Kultur zu werten. Vertraglich wird das Entsendungsprogramm durch bilaterale Schulabkommen abgesichert. Die Schulen stellen dabei das reguläre Ortsgehalt, aber beispielsweise in Polen und Ungarn auch eine Wohnung. Als bemerkenswerte deutsche Schulaktivitäten in den MOE sind die bilingualen Gymnasien in Estland (Tallin und Tartu), in Tschechien (Prag), in Rumänien (Bukarest), in Bulgarien (Sofia) und in der Slowakei (Poprad) zu nennen. Zur Unterstützung für das

122 BLASchA, Hg.: Evaluierung des Programms zur Entsendung deutscher Lehrkräfte in die Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Baltikums und in die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Stand: 15. 12. 1994. 68

Entsendeprogramm steht der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen ein Budget für Weiterbildung für Lehrer - aber auch für Ministerialbedienstete der Gastländer - zur Verfügung. Die Maßnahmen finden zum Teil in Deutschland statt. Gefördert werden durch das Lehrerentsendeprogramm: Einsatz von Lehrkräften, Schul- und Sprachbeihilfen, Lehr- und Lernmittel und Baumaßnahmen. ”Die Mittel, die viele Jahre lang in entsprechende Programme geflossen sind, dürfen schließlich nicht umsonst ausgegeben worden sein. Kein Gedanke daran, dass die Deutschlehrer in vielen Ländern den Schuldienst quittieren, weil die Bezahlung unter dem Existenzminimum liegt, kein Gedanke daran, dass deutsche Programmlehrer in Osteuropa jahrelang Potemkinsche Dörfer bewirtschaftet haben, indem sie den Deutschunterricht aufrechterhielten, wo einheimische Deutschlehrer aufgegeben hatten”123, so die berechtigte Kritik von Helmut Glück am Programm. Zu kurzfristig scheint das Lehrerentsendeprogramm angelegt, zu wenig auf Ausbildung von Multiplikatoren zugeschnitten. Damit kann Nachhaltigkeit nicht erreicht werden.

Interessenvertretungen der deutschen Lehrer im Ausland Die Arbeitsgruppe Auslandslehrer in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, AGAL, 1955 gegründet, lange Zeit von Herbert R. Koch geleitet, der auch einer der Initiatoren des Aufbaus der ZfA war, veranstaltet im zweijährigen Turnus eine, mit Experten aus Politik, Wissenschaft, ZfA und Auswärtigem Amt besetzte Fortbildung auf dem Sonnenberg im Harz, die in dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielt. Über die AGAL sind die Lehrer auch rechtsschutzversichert. “Die Aufnahme eines Rechtsanspruches auf Rechtsschutz für GEW-Mitglieder in die Satzung der Abteilung Rechts- und Haftpflichtschutz würde für die rechtliche Stellung besonders der Auslandslehrer einen Fortschritt bedeuten, da diese dann in jedem Falle bei der Rechtsabteilung ihrer Gewerkschaft Rückhalt finden würden, den sie bei keiner anderen Lehrerorganisation erhalten.”124 Der Bereich der Auslandsschulen ist konfliktträchtig, so ist die Aufnahme in den Rechtsschutz für viele Lehrer hilfreich und wird über die Rechtsschutzstelle der GEW in Frankfurt gut genutzt.

123 Glück, Helmut: Deutschland zerstört seinen Muttersprache, F.A.Z. vom 24.1.2002. S.45. 124vgl: Harms, Uwe. In: GEW und Auslandsschule. Geschichte und Probleme und Konzeptionen der gewerkschaftlichen Arbeit im Hinblick auf die deutsche Auslandsschule nach 1945. Oldenburg, Mai 1970, S. 39. 69

Des weiteren ist zu nennen: Der Verein der deutschen Lehrer im Ausland, VDLIA, “der nicht müde werden wird[...]gegen den sich abzeichnenden Qualitätsverlust des Auslandsschulwesens vorzugehen”125, so sein Vorsitzender Waldemar Gries.

1.3. Geförderte Schulen

Deutschsprachige Schulen mit deutschem Schulziel 126/127 Diese Schulform, wie sie im empirischen Teil dieser Arbeit durch die Deutschen Schule London und Paris differenziert dargestellt wird, stellt die schulische Versorgung (nach deutschem Vorbild) der Kinder vorübergehend im Ausland lebender deutscher Staatsangehöriger sicher. Im Jahre 2002 sind dies 44 von 117 Schulen. Die Schulen bieten in einer Vielzahl von Fällen die Voraussetzung dafür, dass die im Interesse der deutschen Wirtschaft, Forschung, sowie der Auswärtigen Politik und der Entwicklungshilfe notwendige Entsendung einer wachsenden Zahl deutscher Staatsbürger in das Ausland durchführbar wird. Viele im Ausland tätigen deutschen Staatsbürger möchten bei ihrem Auslandseinsatz für ihre Kinder ein Schulangebot, das diesen bei der Rückkehr nach Deutschland eine problemlose Fortsetzung ihres Bildungsweges sichert. Die Förderung einer deutschsprachigen Auslandsschule mit deutschem Schulziel aus Mitteln der Bundesregierung an einem bestimmten Ort wird von der Prüfung abhängig gemacht, ob ein öffentliches Interesse besteht. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass die Schule über eine unverzichtbare Mindestzahl deutscher Schüler verfügt. Es werden 42 Schulen dieses Typs gefördert. Sie führen, wo immer möglich, von der Primarstufe bis zum Abitur, einige Schulen nur bis zum Abschluss der Sekundarstufe I. Jedoch werden auch mittlere Abschlüsse immer begehrter. Die deutschsprachigen Auslandsschulen sind - nach Meinung der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen- Stätten bikultureller Begegnung, da sie in begrenztem Umfang Kinder anderer Muttersprache aufnehmen, sofern sie die für die Erreichung deutscher Unterrichts-

125 Gries, Waldemar. In: Der deutsche Lehrer im Ausland. Münster, September 2002. S.146. 126 Informationen aus dem Auswärtigen Amt, der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen von Auslandsschullehrkräften, aus eigener Anschauung und Erfahrung. 70

und Schulziele zu stellenden Anforderungen erfüllen. Im Unterricht wird der Sprache des Partnerlandes ein bedeutender Platz eingeräumt. In welchem Umfang die Unterrichtsinhalte gesellschaftlich-kultureller Fächer und Arbeitsgemeinschaften an den spezifischen Gegebenheiten des Partnerlandes ausgerichtet sind und inwieweit auch außerhalb des Unterrichts diese Schulen bestrebt sind, im musisch - künstlerischen Bereich und im Sport die Begegnung ihrer Schüler mit der Kultur und mit der Jugend des Partnerlandes zu fördern, wird sich in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit zeigen.

Begegnungsschulen

Begegnungsschulen mit bikulturellem Schulziel. An Schulen dieses Typs, 48 von 117 Schulen, die im empirischen Teil mit der Deutschen Schule Stockholm und dem Alman Lisesi in Istanbul vorgestellt werden, werden Schüler deutscher und anderer Muttersprache auf der Grundlage der Bildungsinhalte des Partnerlandes und der Bundesrepublik gemeinsam und überwiegend auf Deutsch unterrichtet. Sie werden zu einem bikulturellen Abschluss geführt, der den Zugang zu den deutschen Hochschulen und den Hochschulen des Partnerlandes eröffnet. Diese Schulen werden auch Begegnungsschulen genannt, wobei der Begriff ”Begegnung” m. E. ein Attribut für ein Konglomerat unterschiedlichster Erwartungen ist.

Kriterien für eine Begegnungsschule Eine Begegnungsschule, die ihren Namen verdient, sollte den folgenden Kriterien entsprechen: Es findet gemeinsamer Unterricht deutscher Schüler mit den Schülern des Gastlandes statt. Deutsche und einheimische Schüler nehmen gleichberechtigt am Unterricht teil. Dieses bedeutet für alle Schüler den Erwerb der Mehrsprachigkeit. Sachfächer finden keine additive Doppelung, sondern sind substitutiv. Das setzt die Anerkennung curricularer Inhalte des Gastlandes voraus. Deshalb wird, in bestimmten Fächern in integrierten Lerngruppen, der Unterricht in der Landessprache erteilt. Der Unterricht an diesen Schulen sollte so angelegt sein, dass die Zielsetzung für alle Schüler, unabhängig von ihrer jeweiligen Muttersprache,

127 Auswärtiges Amt, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit: Entwicklung und Stand der Auswärtigen Kulturpolitik im Schulwesen. Bonn 1998. 71

erreichbar ist. Abitur-Abschlüsse werden für den Hochschulzugang im Sitzland und in Deutschland erworben.

Zweisprachige Schulen mit integriertem Unterrichtsprogramm und bikulturellem Abschluss stellen die eigentliche Form der Begegnungsschule dar. Die Schaffung der Grundlage für ihre Entstehung und Arbeit bedarf eines sehr weitgehenden und nicht leicht herstellbaren politischen Einvernehmens zwischen den beteiligten Staaten, da beide den für alle Schüler, ohne Rücksicht auf ihre Muttersprache, vorgesehenen bikulturellen Abschluss gleichermaßen als Berechtigung für den Zugang zu ihren Hochschulen anerkennen müssen. Die Zahl der geförderten Schulen dieses Typs ist gegenüber dem Stand von 1978 von 9 auf 26 Schulen angewachsen.. “Es zeigt sich, dass dieser Bereich des Unterrichts nicht nur an den weit über 200 sogenannten bilingualen Zügen an Gymnasien in Deutschland, sondern auch an bestimmten herausgehobenen Sekundarschulen in Mittel- und Osteuropa immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hierbei ist zu unterscheiden, ob der fremdsprachlich erteilte Fachunterricht an den bilingualen Gymnasien in Ungarn wie auch in Deutschland nach nationalen Lehrplänen erteilt wird oder ob er, wie an den Spezialgymnasien mit einheimischem Abschluss kombiniert mit deutscher Reifeprüfung deutsche Lehrpläne und Zielvorstellungen sowie die des Partnerlandes erfüllen muss, aus dem auch die dort unterrichtenden Fachlehrer kommen.”128 Die Möglichkeiten des bilingualen Sachfach- unterrichts als Chance für interkulturelles Lernen werden gegenwärtig ausführlich diskutiert.

Zweisprachige Schulen mit gegliedertem Unterrichtsprogramm und bikulturellem Schulziel, die sich auch Begegnungsschulen nennen. Diese Schulen gliedern sich in zwei Zweige: 1. Im Schulzweig mit verstärktem Deutschunterricht werden überwiegend einheimische Schüler mit Hilfe eines Lehrprogramms, das in der Landessprache und auf der Grundlage der

128 Schmidt, Walter: 29 Jahre in der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – Rückblick und Ausblick. In: Neue Akzente in der Auswärtigen Kulturpolitik. Schulische Arbeit zwischen Ökonomisierung und interkulturellem Auftrag. Dokumentation der Sonnenberg-Gewerkschaft-für-Erziehung-und-Wissenschaft- Tagung vom 19. bis 24. November 2000 im Internationalen Haus Sonnenberg, St. Andreasberg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Hg., Braunschweig 2001, S.23f. 72

im Sitzland für das Erziehungswesen bestehenden Vorschriften durchgeführt wird, auf die dortigen Schulabschlüsse vorbereitet. Nach den oben aufgestellten handelt es sich bei Schulen dieses Typs nur in Ansätzen um eine Begegnungsschule, obwohl diese von der ZfA darunter subsumiert werden. Die Schüler erhalten verstärkten Deutschunterricht und werden in einigen weiteren Fächern auf Deutsch unterrichtet. Am Ende ihrer Schulausbildung nehmen die Schüler an den Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz teil. Besonders befähigte und interessierte einheimische Schüler werden in den unteren Jahrgangsstufen in einer Weise gefördert, die es ihnen ermöglicht, auf den mittleren Jahrgangsstufen in den zweiten Zweig der Schule überzuwechseln. Der bilinguale Zweig des Gymnasiums in Poprad in der Slowakei, der im empirischen Teil vorgestellt wird, gehört dazu. 2. Im Schulzweig mit integriertem Unterrichtsprogramm werden deutsche und einheimische Schüler gemeinsam überwiegend auf Deutsch unterrichtet. Das Unterrichtsprogramm ist weitgehend an deutschen Bildungs- und Schulzielen orientiert. Daneben werden entsprechend den im Sitzland bestehenden Vorschriften, einige Fächer in der Landessprache erteilt. Voraussetzung für die Aufnahme einheimischer Schüler in diesen Schulzweig ist die gute Beherrschung der deutschen Sprache. Alle Schüler werden zum Sekundarschulabschluss des Sitzlandes sowie zur deutschen Hochschulreifeprüfung geführt. Streng genommen ist auch dies keine Begegnungsschule, denn die curriculare Akzeptanz des Gastlandes fehlt.

Landessprachige Schulen mit verstärktem Deutschunterricht, der zum Deutschen Sprachdiplom der KMK führt Schüler, deren Muttersprache die Landessprache ist, werden mittels des einheimischen Unterrichtsprogramms zum Sekundarabschluss des Sitzlandes geführt. Dies betrifft 25 von 117 Schulen. Vergleichbar mit dem Schulzweig der zweisprachigen Schule nimmt im Unterricht die deutsche Sprache einen herausgehobenen Platz ein. Deutsch, das als Fremdsprache unterrichtet wird, ist für alle Schüler verbindliches Unterrichtsfach und mit dem fremdsprachlichen Deutschunterricht wird Deutschlandkunde verbunden. Jedoch werden darüber hinaus “zur fachlichen Unterstützung der einheimischen Deutschlehrer gegenwärtig 100 landessprachige Schulen mit Deutschunterricht von entsandten Fachberatern für Deutsch oder von Lehrerbildungsinstituten, die durch die Bundesregierung gefördert werden, beraten. 73

Dabei steht die Förderung der deutschen Sprache als Mittel internationaler Kommunikation und des Zugangs zu der deutschen Kultur im Vordergrund.”129 Sprachgruppen- und Siedlerschulen, Sonnabendschulen und sonstige Träger von Sprach- kursen werden ebenso vom Auswärtigen Amt gefördert.

1.4. Goethe-Institut

Das Goethe-Institut wurde 1951 gegründet. Als wesentliche Aufgaben sind in einem 1976 mit dem Auswärtigen Amtes geschlossenen Rahmenvertrag festgelegt: die Pflege der deutschen Sprache und die Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit. Es bietet Sprachkurse, unterstützt Organisationen und Personen, die im Ausland die deutsche Sprache vermitteln, mit Hilfe der Pädagogischen Verbindungsarbeit. Es veranstaltet Sprachkursprüfungen in speziellen Sprachkurszentren. Mit den Partnern im Gastland werden Kulturprogramme durchgeführt. Eine Kulturkonzeption, die neben ästhetischer auch gesellschaftlich-politische Kultur einschließt, ist das Grundprinzip. Das Goethe-Institut ist dem Werk Johann Wolfgang Goethes verpflichtet, Idee und Ideal des internationalen kulturellen Austauschs sind zur Zeit des Weimarer Kreises entstanden. Zur Zeit bestehen 128 Kulturinstitute (2002) in 76 Ländern und 15 Institute in Deutschland. In den letzten Jahren hat die Zahl der Institute kontinuierlich abgenommen. 1997 waren es noch 141 Auslandsinstitute und 18 Inlandsinstitute. Das Besucherprogramm bietet jährlich über 1500 ausländischen Multiplikatoren aus Presse, Medien und Kultur einen informativen Bildungsaufenthalt in Deutschland. Einige Zahlen über das Goethe-Institut:

- weltweit ca. 3500 Mitarbeiter

- Gesamtetat 1999 ca. 487 Millionen DM (davon ca. 130 Millionen DM Eigeneinnahmen, ca. 340 Millionen DM Zuwendungen vom AA)

- Rechtsform: Eingetragener Verein

- Zentralverwaltung in München

- Präsident: Prof. Dr. h. c. mult. Hilmar Hoffmann bis zum Frühjahr 2002

- Präsidentin ab Mai 2002 Jutta Limbach

129LauerJ./B.Menrath: Ein Stück Deutschland jenseits der Grenzen. In: Begegnung - Deutsche Schulen im Ausland. Auswärtiges Amt und Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Hg., Nr. 2/95, S.7ff. 74

Im Jahr 1995/96 gab es einen wichtigen Personalwechsel in der Zentralverwaltung und Führungsspitze. Der damalige Generalsekretär des Instituts, Horst Harnischfeger erklärte im Sommer 1995, dass er nach zwanzigjähriger Amtszeit nicht wieder zur Verfügung stehen werde. Ebenfalls 1995 fiel die Entscheidung darüber, dass Dr. Joachim Sartorius im Herbst 1996 ihn im Amt des Generalsekretärs ablösen solle. Am 1. 4. 1995 trat der neue Abteilungsleiter für die Inlandsinstitute und stellvertretende Generalsekretär Ulrich Braeß ein. Und im Frühjahr 95 wurde Martin Schumacher als stellvertretender Generalsekretär für Personal und Verwaltung nominiert. Auch er hat im Herbst 1996 seinen Dienst angetreten. “Dies alles ging einher mit Veränderungen in der Vorstandsstruktur, die Teil der organisatorischen Neuordnung der Zentralverwaltung überhaupt ist, in ihrer Bedeutung jedoch darüber hinausgeht. Die Mitte 1994 von der Unternehmensberatung Booz, Allen & Hamilton abgeschlossene Untersuchung der Zentralverwaltung enthielt unter anderem die Empfehlung, schlankere Verwaltungsstrukturen einzuführen, d. h., einfachere und rationellere Arbeitsabläufe zu finden, Hierarchieebenen abzubauen, Verantwortung nach unten zu delegieren. Im Jahre 1995 ist auf der Grundlage des Gutachtens von Booz, Allen & Hamilton die erste Stufe der Neuorganisation der Zentralverwaltung abgeschlossen worden. Auch die Vorstandsstruktur wurde modifiziert: Der Vorstand wird nun als Kollegialorgan arbeiten, das wichtige Fragen gemeinsam entscheidet und in dem jedes Vorstandsmitglied den ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereich in eigener Verantwortung leitet."130

Der Rahmenvertrag des Goethe Instituts mit dem Auswärtigen Amt Der Rahmenvertrag des Goethe-Instituts mit der Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Auswärtige Amt vom 17. Januar 2001, im Einvernehmen mit dem Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, definiert als "Vertragsaufgaben": § 1 (1)1. Förderung der Kenntnis deutscher Sprache im Ausland durch: • Erteilung und Förderung von Deutschunterricht im Ausland • Zusammenarbeit mit Unterrichtsverwaltungen, Institutionen und Lehrkräften im Ausland • fachliche Förderung ausländischer Sprachlehrer und Germanisten

130 Goethe-Institut: Jahrbuch 1995/96 München. Bericht des Vorstands, S. 9 f. 75

• Entwicklung und Verbesserung von Unterrichtsmethoden, Materialien und Sprachprüfungen sowie Mitwirkung an entsprechenden Maßnahmen Dritter • Verteilung von Stipendien zur Erlernung der deutschen Sprache (1) 2. Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit durch • Durchführung und Vermittlung kultureller Veranstaltungen • Vermittlung von Informationen im Ausland über das kulturelle Leben in Deutschland, • Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Besucherprogramms des Vereins Goethe-Institut Inter Nationes, • sonstige Beteiligung an kultureller Zusammenarbeit und Austausch mit kulturellen Einrichtungen im Ausland nach vorheriger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt, • Förderung deutsch-ausländischer Kulturgesellschaften, • Vergabe von Sprachstipendien an Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen. (1) 3. Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben mittels a) Durchführung des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland, b) Vorbereitung, Herausgabe, Herstellung, Beschaffung und Verbreitung von Printmedien, Filmen, elektronischen Medien, c) Vergabe von Sachspenden, d) Übersetzungsförderung. In der aktuellen Satzung wird dieses bestätigt: “Vereinszweck sind die Förderung der Kenntnis deutscher Sprache im Ausland, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über das kulturelle gesellschaftliche und politische Leben.”131 Der Sprachunterricht wird also in den rechtlichen Grundlagen der Vertragsaufgaben prioritär genannt. Die Kulturhoheit ist Ländersache in Deutschland, aus diesem Grunde versucht man

131 Goethe-Institut Inter Nationes: Satzung vom 21.9.2000 i. d. F. vom 8.1.2001. 76

einer Debatte über den Föderalismus in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik aus dem Wege zu gehen und die Vermittlung der Deutschen Sprache im Ausland, eine Bundeskompetenz, in den Mittelpunkt zu stellen. Aktuelle Überlegungen über die Auslagerung des Sprachunterrichts greifen dann in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen jedoch die Substanz der Arbeit des Instituts an. Folglich können solche Umgestaltungen nicht einseitig und als bloße Verwaltungsmaßnahme in Angriff genommen werden.

Sprachprüfungen des Goethe-Instituts.132 Das Goethe-Institut führt in seinen Prüfungszentren folgende Prüfungen durch:

Fit in Deutsch 1 und 2 Die Prüfungen Fit in Deutsch 1 und 2 sind zentrale, lehrwerksunabhängige Prüfungen, die für jugendliche Lerner bestimmt sind. Sie orientieren sich an den Sprachkompetenzen Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen. Die mündliche Prüfung ist meist eine Prüfung in der Kleingruppe. Die Schülerinnen und Schüler weisen allgemein-sprachliche Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 des Referenzrahmens des Europarats nach.

Zertifikat Deutsch (ZD) Voraussetzung: Circa 400 bis 600 Unterrichtseinheiten (45 Minuten) Intensivunterricht. Sprachniveau: Der Prüfungsteilnehmer / die Prüfungsteilnehmerin weist nach, dass er / sie über solide Grundkenntnisse in der deutschen Umgangssprache verfügt, die es ihm / ihr ermöglichen, sich in allen wichtigen Alltagssituationen sprachlich zurechtzufinden. D. h. der Prüfungsteilnehmer / die Prüfungsteilnehmerin soll imstande sein, ein Gespräch über Situationen des täglichen Lebens zu verstehen und sich daran zu beteiligen. Ebenso soll er / sie fähig sein, einfache Sachverhalte mündlich und schriftlich darzustellen und Texte zu Alltagsthemen zu verstehen. Prüfungsteile: Schriftliche Prüfung: Leseverstehen und Sprachbausteine, Hörverstehen, Schriftlicher Ausdruck und mündliche Prüfung. Bedeutung: Es wird aufgrund des weltweit hohen Bekanntheitsgrades von privaten und öffentlichen Arbeitgebern als Nachweis von Grundkenntnissen in der deutschen Sprache

132 Goethe-Institut: Informationen entnommen aus der Homepage des Goethe-Instituts: www.goethe.de, Stand 28. 11. 2001. 77

geschätzt; in Deutschland anerkannt als Nachweis von Deutschkenntnissen zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit.

Zentrale Mittelstufenprüfung (ZMP) Voraussetzung: Circa 800 bis 1 000 Unterrichtseinheiten (45 Minuten) Intensivunterricht. Sprachniveau: Der Prüfungsteilnehmer / Die Prüfungsteilnehmerin weist nach, dass ihm / ihr die überregionale deutsche Standardsprache geläufig ist. D. h. er / sie soll in der Lage sein, sich auch zu anspruchsvolleren Themen mündlich und schriftlich korrekt zu äußern und authentische Texte von mittlerem Schwierigkeitsgrad zu verstehen. Bedeutung: Weltweit hoher Bekanntheitsgrad, von Arbeitgebern als Nachweis solider allgemeinsprachlicher Deutschkenntnisse anerkannt. Das Zeugnis der bestandenen ZMP befreit an einer Reihe von deutschen Hochschulen von der sprachlichen Aufnahmeprüfung

Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP) Voraussetzung: Circa 1 200 Unterrichtseinheiten (45 Minuten). Sprachniveau: Der Prüfungsteilnehmer / Die Prüfungsteilnehmerin weist nach, dass er/ sie die überregionale Standardsprache differenziert beherrscht. D. h. er / sie soll fähig sein, schwierige authentische Texte zu verstehen und sich mündlich und schriftlich gewandt auszudrücken. Die Prüfung liegt im Schwierigkeitsgrad auf der Stufe des "Kleinen Deutschen Sprachdiploms". Prüfungsteile: Schriftliche Prüfung: Texterklärung, Aufgaben zur Ausdrucksfähigkeit, Aufsatz und Hörverstehen; mündliche Prüfung. Bedeutung: Als Bescheinigung der qualifizierten Beherrschung der deutschen Sprache im Berufsleben geschätzt. Das Zeugnis der bestandenen ZOP befreit an deutschen Hochschulen von der sprachlichen Aufnahmeprüfung.

Kleines Deutsches Sprachdiplom (KDS) Sprachniveau: Entspricht im Schwierigkeitsgrad der Zentralen Oberstufenprüfung. Der Prüfungsteilnehmer / die Prüfungsteilnehmerin weist zusätzlich nach, dass er/ sie einen Überblick über Gebiete der deutschen Kultur und Landeskunde besitzt. 78

Prüfungsteile: Mündliche Prüfung und schriftliche Prüfung: Erklärung eines Textes nach Inhalt und Wortschatz, Aufgaben zur Ausdrucksfähigkeit, Fragen zur Lektüre ausgewählter Bücher, Diktat. Bedeutung: Weltweit hoher Bekanntheitsgrad und daher von privaten und öffentlichen Arbeitgebern als Nachweis qualifizierter Kenntnisse in der deutschen Sprache anerkannt. Absolventen des KDS sind von der sprachlichen Aufnahmeprüfung an deutschen Hochschulen und Universitäten befreit.

Großes Deutsches Sprachdiplom (GDS) Sprachniveau: Nahezu muttersprachlich. Prüfungsteile: Mündliche Prüfung und schriftliche Prüfung: Aufsatz, Erklärung eines Textes nach Inhalt, Wortschatz und Stil, Aufgaben zur Ausdrucksfähigkeit, Fragen zu einem der drei Gebiete "Deutsche Literatur", "Wirtschaftswissenschaften" oder "Naturwissenschaften", Fragen zur Landeskunde, Diktat. Bedeutung: Höchstqualifizierender Abschluss in Deutsch als Fremdsprache, der nicht im Rahmen eines Universitätsstudiums oder einer Dolmetscher-/Übersetzer-Ausbildung erworben ist; hoher Bekanntheitsgrad und weltweit von privaten und öffentlichen Arbeitgebern geschätzt als Nachweis von Deutschkenntnissen, die auf nahezu muttersprachlichem Niveau liegen. Wie die ZOP und das KDS anerkannt als Befreiungsgrund von der sprachlichen Aufnahmeprüfung an deutschen Hochschulen und Universitäten (das GDS überschreitet deren Anforderungen bei weitem). In einzelnen Ländern anerkannt als Sprachnachweis für angehende Deutschlehrer / -innen. Das GDS dient als Sprachnachweis für Lehrer / -innen aus der EU, die in Deutschland arbeiten wollen.

Zertifikat Deutsch für den Beruf (ZDFB) Voraussetzung: Deutschkenntnisse auf dem Niveau des Zertifikats Deutsch (ZD) mit zusätzlich ca. 100 bis 120 Unterrichtseinheiten ( 45 Minuten) Berufssprache Deutsch. Sprachniveau: Der Prüfungsteilnehmer / die Prüfungsteilnehmerin weist nach, dass er / sie sich schriftlich und mündlich in berufsalltäglichen Situationen in der deutschen Sprache angemessen verständigen kann. D.h. der Teilnehmende / die Teilnehmende soll imstande sein, einfache Texte zu verstehen und routinemäßige Schreiben zu verfassen, die sich auf den Firmenalltag beziehen, und in Gesprächen des beruflichen Alltags adäquat zu reagieren. 79

Prüfungsteile: Schriftliche Prüfung: Strukturen/Wortschatz, Leseverstehen, Hörverstehen, Korrespondenz; mündliche Prüfung. Bedeutung: Aufgrund der berufssprachlichen Ausrichtung der Prüfung darf ein hohes Maß an Anerkennung in Industrie und Handel erwartet werden. Außerdem wird eine Prüfung ”Wirtschaftsdeutsch international” (PWD) abgenommen

Fachgespräche in der Zentrale des Goethe-Instituts133

Spracharbeit Bei Fachgesprächen im Goethe-Institut in der Abteilung 20 “Spracharbeit Ausland”, an denen deren Leiter Dr. Wolfgang Bader, Chr. M für den Bereich Pädagogische Verbindungsarbeit und die Vertreterin des Leiters, Dr. K-R, zuständig für das Sonderprogramm MOE/ GUS, am 18.06.1998 teilnahmen, wurden fachspezifische Probleme der Spracharbeit des Goethe-Instituts angesprochen. Als erstes wurde auf den Besuch von Wolfgang Schäuble, damals Fraktionsvorsitzender der CDU/ CSU Bundestagsfraktion, im GI in München hingewiesen. W. Schäuble hatte den Konsens in der Auswärtigen Kulturpolitik betont und den Schwerpunkt Sprachförderung herausgestellt. Die Fachgesprächteilnehmer des GI stellten jedoch fest, dass die Arbeit umfangreicher sei. Die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Ver- mittlung eines umfassenden Deutschlandbildes gehöre laut Vertragsaufgaben dazu. Hier wurden die Unterschiede in der Definition von Auswärtiger Kulturpolitik zwischen der damaligen Bundesregierung und dem Goethe-Institut festgestellt. So wurde bemängelt, in den MOE-Staaten seien 600 Programmlehrer tätig, aber nur 34 Experten des Goethe-Instituts. Eine Änderung sei nach Meinung von Dr. Bader und Frau K-R notwendig. Denn Lehrer allein genügten nicht, hier müsse umfassender vorgegangen werden. Es wurde auf die Broschüre "Förderung der deutschen Sprache" hingewiesen, wo neben dem obigen Arbeitsgebiet die Arbeitsfelder Lehrmaterialentwicklung, Sprachkurse, Aus- und Fortbildung,

133 Bader, Dr Wolfgang, Fachgespräche im Juni 1998 im GI München. 80

spezielle Kulturprogramme, Information und Service, Kooperation und Koordination und Sprachpolitik im Grundsatz genannt werden.134 Übereinstimmend ergab das Gespräch folgende Einschätzungen: Die Mittel für Bundes- oder Landesprogrammlehrer sind an Personen gebunden, während die Mittel des Goethe-Instituts für Projektarbeit verwendet werden und somit nachhaltig wirken. Sie dienen vor allem dem Aufbau von Strukturen, die nicht an eine bestimmte Person gebunden sind. Im Berufsbereich stehe das Wirtschaftsdeutsch im Mittelpunkt der Bemühungen. Die Wirtschaft kooperiere und finanziere Projekte (DIHT), das GI übernehme den sprachlichen Teil der Kurse. So profitiere die Wirtschaft direkt von den Erfahrungen des GI. Grundsätzlich gelte für die Sprachabteilung das Motto: Nicht Abbau, sondern Leitbildentwicklung. Der Lehrer soll ein Projekt aufbauen, welches eine Selbstläuferentwicklung anrege. Reine Programmlehrer könnten dies nicht leisten. In die gleiche Richtung gehe auch die Vergabe von Prüfungslizenzen für Volkshochschulen und Universitäten. Hierbei werde unterschieden nach autorisierten Prüfern (Stufe1) und Lizenznehmern (Stufe 2). Der Schritt vom einen zum andern hänge von den abgenommenen Prüfungen ab. In Zukunft würden hier Fernstudienprojekte an Bedeutung gewinnen. Diese gebe es bereits in 23 Ländern auf multiplikatorischer Basis. Wichtig seien dabei auch Tutorien und Kontakte. Ebenso müsse auch die räumliche Dimension der Länder einbezogen werden. Multiplizieren sei leistbar, überall Programmlehrer hinzuschicken, hingegen utopisch. Wenn man die Programmlehrermittel der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (46 Millionen DM) hätte, wäre mehr Leistung möglich, Lehrer und Bücher genügten zum Lernen der deutschen Sprache allein nicht. Die Ergebnisse dieses Gesprächsteils zeigen deutlich die Konkurrenzsituation um die knappen Mittel zwischen der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, anderen Mittlern und dem Goethe-Institut. Darüber hinaus werden kreative Gedanken entwickelt, die Mittel nicht nur punktgenau, sondern auch im Sinne nachhaltiger Entwicklung wirkungsvoll einzusetzen.

134 Goethe-Institut Zentralverwaltung, Abteilung Spracharbeit Ausland: Mit der Welt im Dialog, Broschüre : Förderung der deutschen Sprache. Der Beitrag des Goethe-Instituts in Mittel- und Südosteuropa und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Joachim Sartorius, Hg., 1998. 81

Kulturprogramme135 Der Überblick über die Kulturprogramme ist dem Text des Jahrbuchs zu entnehmen.136 Entscheidend für den Erfolg der Kulturprogramme ist es, nach Dr. Georg Lechner, an vorhandene Arbeit anzuknüpfen und sich an den Vorleistungen der Partner zu orientieren. Dies sieht in einzelnen Bereichen (Theater, Belletristik) sehr unterschiedlich aus. Wichtig ist es, den Entwicklungsstand zu Beginn festzustellen und die beiderseitigen Interessen abzugleichen. Offensichtlich ist Kultursponsoring nicht der große Erfolg und wird überbewertet. Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass von 4 Millionen DM im Haushalt der Kulturarbeit in Deutschland nur 0,5 Millionen DM durch Sponsoring gesichert werden konnten. Auch sind die Spenden nicht frei von Erwartungen. Die Bemühungen für Kultursponsoring ersetzen aber nicht die Leistungen der öffentlichen Hand. Sinnvoll wäre eine Formel wie die folgende: 1/3 Sponsoring, 2/3 öffentliche Gelder. Die Kulturarbeit muss sich neben anderen diplomatischen Ebenen einordnen. Sie hat nach Meinung von Georg Lechner keine Legitimationsprobleme. Gerade in der Globalisierungsdebatte kann der kulturelle Dialog eine tragende Säule für die Außenpolitik darstellen. Hier ist es entscheidend, welche Schlüssel- und Kernbegriffe die Bundesregierung und das Parlament für die Kulturarbeit definieren und welchen Rang Kulturpolitik in der Außenpolitik hat. Grundsätzlich fordert der Leiter der Abteilung für Kulturprogramme Dr. Georg Lechner, das Verhältnis von Spracharbeit und Kulturarbeit zu ändern. Kulturarbeit muss -seiner Meinung nach- breiter gefördert werden. Statt 1/3 Kultur und 2/3 Sprache ist ein ausgewogenes Verhältnis zu erreichen. Denn mit Kultur und Kunst, z.B. mit Ausstellungen, erreicht man mehr Menschen als mit Spracharbeit. Es sollte aber kein Gegensatz zwischen Spracharbeit und Kulturarbeit aufgebaut werden, auch wenn die Zahlen der Kulturarbeit klar sind: 1997 gab es 9000 kulturelle Veranstaltungen in allen Goethe-Instituten mit immerhin 4,5 Mio Besucher. Die Kulturprogramme der Pädagogischen Verbindungsarbeit des GI stellen – nach Meinung Lechners- eine unnötige Doppelarbeit dar. Daher sollten diese Mittel

135Lechner, Dr. Georg: Gespräch mit dem Leiter der Kulturprogramme des Goethe-Instituts in der Zentralverwaltung, Dr. Georg Lechner, Juni 1998. 136 Goethe-Institut: Jahrbuch 1997/1998. 82

zwischen Sprach- und Kulturbereich gerecht aufgeteilt werden Als Beispiel für die derzeitige Mittelverteilung soll das MOE-Projekt 1997 dienen: 35 Mio DM für Spracharbeit, 5 Mio DM für Bibliotheksausstattung, 15 Mio DM für Kulturarbeit. Die Akzentsetzung wird durch dieses Informationsgespräch in der Abteilung für Kulturprogramme sehr deutlich: Gewünscht ist eine neue Schwerpunktsetzung bei der Kulturarbeit.

1.5. Inter Nationes (IN) bis 2001

Inter Nationes war eine Mittlerorganisation der Auswärtigen Kulturpolitik. Sie war die Medieninstitution Deutschlands für das Ausland. Ihre Aufgaben erstreckten sich über die Bereiche:

- Bildungsmedien und Film (Landeskunde und Sprachkurse, Spiel- und Dokumentarfilme, Buch- und Medienversorgung von Schulen und Hochschulen)

- Printmedien / Internet (Publikationen und Kulturzeitschriften, Buchankauf, Übersetzungs- förderung)

- Zentralbereich und Verwaltung mit den Arbeitsgruppen Personal und Recht, Haushalt und Finanzen, EDV, innerer Dienst

- Vertrieb. Der Vertrieb war zuständig für die weltweite Verteilung aller bei IN produzierten und angekauften Materialien. Über 60000 Kunden wurden weltweit betreut. Es handelte sich dabei fast ausschließlich um Multiplikatoren, d. h. Menschen in einflussreichen Positionen, wie Professoren, Lehrer, Journalisten. Zu den Hauptkunden zählten das Goethe-Institut, die Botschaften, DAAD-Lektoren und Kulturinstitute im Ausland. Im Aufgabenfeld Logistik verfügte Inter Nationes über Erfahrungen und Kenntnisse, die im Bereich der Mittler einzigartig waren. 137 - Besucherdienst (Gästeprogramm, Redaktion und Gästeinformation)

- Peter Sötje war seit 1999 Vorstand von Inter Nationes Der Verwaltungsrat bestand aus 10 Mitgliedern, die auch zur Mitgliederversammlung zählten. Die Namen finden sich im Tätigkeitsbericht von Inter Nationes.138

137 Inter Nationes: Tätigkeitsbericht 1999, Inter Nationes, S.37ff. 138 Inter Nationes: Tätigkeitsbericht 1999, Inter Nationes, S. 54, 55. 83

Wie das GI war IN ein eingetragener Verein, eine nichtstaatliche Einrichtung, jedoch mit staatlichen Zuschüssen. Inter Nationes wurde finanziert vom Presse- und Informationsamt (BPA) der Bundesregierung und vom Auswärtigen Amt (AA), (ca. 25 Mio DM Zuschüsse vom BPA und ca. 30 Mio DM vom AA). Weiterer Zuwendungsgeber in geringerem Maße war u.a. das Bundesministerium für Verteidigung.

Fachgespräche bei Inter Nationes Mit Herrn van B, dem Bereichsleiter audiovisuelle Medien/ Film, und Frau MM, Arbeitsgruppenleiterin für Informations- und Bildungsmedien, wurde im Oktober 1998 ein Gespräch geführt, von dem hier Auszüge wiedergegeben werden. Im Bereich der Spielfilme gibt es eine steigende Nachfrage. Die Botschaften machen IN Vorschläge, welche Filme geeignet sind. IN klärt die Lizenzproblematik ab und organisiert die Untertitelung. Für diese Fragen gibt es ein Gremium bestehend aus 2 Vertretern von IN, 2 Vertretern des Goethe-Instituts und 2 Vertretern des Auswärtigen Amtes. Dabei werden aus einem Vorschlagsbestand von 15-20 Spielfilmen insgesamt 7-8 Filmen ausgewählt. Alle Filme werden in den Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch untertitelt. Auf Anfrage gab es auch schon Untertitel in türkischer und japanischer Sprache. Die Produktion der Untertitel erfolgt technisch bedingt im Ausland. Die Filme sind auf 16mm verfügbar und als Video. Insgesamt verfügt I N über 350 Filme und 34 Depots zur Verteilung in der ganzen Welt. Von 34 Depots sind 28 an ein Goethe-Institut angegliedert, sechs an die Botschaften. Hauptprobleme der Depots sind die Personalknappheit bei den GIs, Unterfinanzierung der Pflege des Materials. Für den Notfall gibt es auch in Bonn ein Depot. Neueste Filme sind z.B.: ”Das Leben ist eine Baustelle”, ”Jenseits der Stille”, ”Der Totmacher” und ”Comedian Harmonists”. Die neuen Filme werden über ein Rundschreiben bekannt gemacht. Dieses geht an alle Depots, an die GIs, die Botschaften und Kulturvereine. Sie liegen als 16mm Filme und als Videos in den landesüblichen Normen (PAL, SECAM, NTSC) vor. 1998 sind es 12 Filme. Es werden dann von den Goethe-Institute entsprechende Filmwochen durchgeführt. Die Verwendungsdauer hängt von einer Umfrage ein halbes Jahr vor Auslauf der Lizenz ab. Gefragt wird nach dem Einsatz, der Zuschauerreaktion und nach der künstlerischen Wirkung in den GIs. In den MOE-Staaten gibt es kein Depot. Hier laufen alle Anfragen über Bonn, den Sitz von Inter Nationes. 84

Bei den Dokumentarfilmen steht als erster Schritt die Marktbeobachtung im Mittelpunkt der Arbeit. Es geht darum das Angebot im Auge zu haben. Erworben werden dann die nicht kommerziellen Leinwandrechte. Auf Fernsehrechte wird aus Kostengründen verzichtet. Nach einer Vorauswahl erfolgt eine Prüfung der Filme anhand folgender Kriterien:

- Kosten der Filme,

- Eignung für die Arbeit im Ausland. Über die Eignung der Filme befindet ein Programmaustauschtreffen, welches einmal im Jahr von I N und GI veranstaltet wird. IN tritt auch als Produzent und Koproduzent auf. Zunehmend, besonders im TV Bereich, werden Koproduktionen erstellt. Anstelle von Untertiteln gibt es für die Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch eine Synchronisation. Weiterhin wird dabei die Methode des "Voice over " verwendet. Dies bedeutet, dass kurz der deutsche Originalton zu hören ist und dann überlagert wird. Neu ist auch der Test, deutsche Filme auf Deutsch zu untertiteln. Dies gilt als doppelte Stütze im Bereich des Deutschlernens, Hören und Lesen ergänzen sich. Dokumentarfilme werden nur als Video angeboten. Die Zukunft gilt dem neuen Medium DVD. Dies erst ermöglicht es, Filme mit verschiedenen Synchronisationen auf einem Medium mit einer Norm zu vereinen. Man könnte dann während der Verwendung des Mediums DVD von Sprache zu Sprache springen. Der Gesprächsteil über Filme belegt doch sehr klar, wie wichtig die Detailplanung dieses Bereiches ist. Gerade durch die Ergebnisse der Pisa-Studie im Jahre 2001 wurde deutlich, welche positive Rolle für die Lesekompetenz und das Erlernen einer fremden Sprache z.B. Untertitel in einer Fremdsprache oder Filme in der Landessprache mit fremdsprachlichen Untertiteln spielen. Der weitere Inhalte des Gesprächs konzentrierte sich vor allem auf die Herstellung von landeskundlichem Material als Ergänzung zu den Lehrbüchern für Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache.

Landeskundliche Materialien Diese Materialien werden speziell von Inter Nationes (IN) hergestellt und vom Auswärtigen Amt institutionell anerkannt und gefördert. Der Grundsatz ist dabei: Verlage machen Lehrbücher, IN macht landeskundliche Zusatzinformationen als Ergänzung der Lehrbücher. In diesem Bereich sind IN, GI und Fachberater tätig. Schulen und Fachberater vor Ort als Autoren kennen die Zielgruppen und entwerfen Materialien. Die Ausnahmesituation war 85

1990 nach dem Fall der Mauer gegeben: Da es keine GI Autorengruppe gab, hat Inter Nationes im Rahmen des MOE-Programms Materialien in Klassenstärke produziert, um "Deutsch als lingua franca" neu zu begründen. Ein umfangreicher Katalog von Inter Nationes enthält alle Materialien. Es gibt binationale und bilaterale Materialien, allgemeine Materialien, Folien, Kassetten und Landkarten. Wichtig sind auch für landeskundliche Sprachkurse eine Kombination von Print-, Video- und Audiomaterialien. Sie wurden erstmals in den MOE-Staaten eingesetzt. Die Themenauswahl ist progressiv oder konservativ, je nach Land. Eine Gruppe von GI-Dozenten, Fachberatern der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und Autoren aus dem Land ist jeweils daran beteiligt. Sie legen die Themen fest, die verwendet werden und erstellen ein Manuskript. Allerdings muss der Bedarf dabei erkennbar sein und nachgewiesen werden In den USA gibt es bilateral erstelltes Material. Es wird die Unterrichtserfahrung der Lehrenden des Gastlandes einbezogen. Deutschkenntnisse sind in den USA nicht weit verbreitet. Da man diesem Land große Bedeutung zumisst, wird hier ausschließlich englischsprachiges Material erstellt, um zumindest das Interesse an Deutschland zu fördern. Es werden nur Kopiervorlagen verteilt. In MOE Ländern werden ganze Klassensätze geliefert, da oft keine Kopiergeräte zur Verfügung stehen. Das Material enthält sehr viele Vorschläge zur Didaktik und wird über Lehrerseminare verbreitet. In jeder Deutschen Schule im Ausland gibt es einen Ansprechpartner für IN. Material wird nur auf Anforderung erneuert. Aus Kostengründen werden maximal fünf Exemplare umsonst geliefert. Sehr gut ging die Mappe ”Aachen-Zwickau”, 1990 erstellt zu Jugendthemen. Zur Bewertung liegt immer ein Fragebogen bei. Die Autoren müssen diesen lesen und auswerten für Verbesserungen bei einer Neuauflage. Als weitere Materialien sind zu nennen: Die Chronik des Jahrhunderts aus dem Bonner Generalanzeiger. Dazu gibt es 100 Wochenendbeiträge zu jedem Jahr von 1990-2000. Zur Südwestfunkreihe ”100 Jahre deutsche Geschichte” sind 52 Beiträge zu je 30 Minuten vorrätig.

1.6. Institut für Auslandsbeziehungen (ifa)139

Das Institut für Auslandsbeziehungen ist die älteste deutsche Kulturmittlerorganisation (1917 von Wilhelm II. als ”Werk des Friedens” ins Leben gerufen). Seit 1997 gibt es eine neue

139 Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa): Vorstellung anhand des Tätigkeitsberichts 1995/96/97. 86

Satzung mit dem Kernanliegen, zur Völkerverständigung durch kulturelle Zusammenarbeit beizutragen. Durch Kultur- und Kunstausstellungen im In- und Ausland, Vortrags- und Informationsveranstaltungen, Seminare mit auslands- und deutschlandkundlichen sowie kulturpolitischen Inhalten, verwirklicht das ifa seine Ziele. Eine Dokumentationsstelle und eine Bibliothek zur Auswärtigen Kulturpolitik, die ”Zeitschrift für Kulturaustausch”, Deutschkurse und Förderung deutschsprachiger Bildungseinrichtungen im Ausland sind wei- tere Aufgabenschwerpunkte. Das ifa ist die einzige Institution, die im Rahmen von Auswärtiger Kulturpolitik Aus- stellungen mit Originalkunst konzipiert und organisiert. Die Bibliothek ist die größte auslandskundliche Spezialbibliothek im deutschsprachigen Raum. Sie beinhaltet eine amtliche Dokumentationsstelle zur Auswärtigen Kulturpolitik und zu internationalen Kulturbeziehungen. Als öffentlich zugängliche Einrichtung verleiht sie ins In- und Ausland, auf Anfrage findet eine individuelle Literaturzusammenstellung zu speziellen Themen statt, Auswertung und Archivierung von Pressedokumentation gehören zum Arbeitsbereich. Auswärtige Kulturpolitik und internationale Kulturbeziehungen als zwei inhaltliche Schwerpunkte erfordern auch Veröffentlichungen nicht nur deutschsprachiger Texte sowie einen Literaturdienst, der einen Überblick zu ausgewählten Themen der Auswärtigen Kulturpolitik und der internationalen Kulturpolitik erstellt. (Pressespiegel wöchentlich für ein ausgewähltes Publikum, z.B. Bundeskanzleramt, AA, Presse- und Informationsamt des Bundestages etc.) Es werden Zeitschriften und Zeitungen aus dem In- und Ausland ausgewertet. Die ”Zeitschrift für Kulturaustausch” ist das Fachmagazin, das Themen kultureller Provenienz enthält. Die Zielgruppe der Multiplikatoren spricht das ifa an durch Vortragsveranstaltungen, gezielte Information wie Wirtschaftsmessen, Buchmessen, Dokumentationsausstellungen (Zielgruppe Journalisten), interkulturelles Training und Auslandsvorbereitung, nicht nur für Diplomaten. Weitere Dienstleistungen und Angebote sind Sprachkurse, Beratung für Auslandstätige und Auswanderer, sowie eine Auslandsinformations- und -beratungsstelle. Der Gesamthaushalt des ifa betrug 1997: 22,8 Millionen DM. 87

Es findet sich eine umfassende Darstellung der Angebote und Dienstleistungen des ifa im Internet.140 Nachrichten zur Auswärtigen Kulturpolitik, eine ifa-Künstlerdatenbank und der Hinweis auf aktuelle Literatur und internationalem Kulturaustausch. Auch pflegt das ifa einen virtuellen interkulturellen Dialog in Zusammenarbeit mit seinen Partnern, z.B. der Stadt Stuttgart, in gemeinsamen Projekten. Das ifa blickte im Juni 2001 auf 50 Jahre seiner Wiedererrichtung (als Nachfolgerin des Deutschen Ausland-Instituts) zurück. 1951 prägte der erste Bundespräsident Theodor Heuss in der Eröffnungsrede für das neue Institut für Auslandsbeziehungen jenen Grundsatz, der seit 50 Jahren zu einer der meist zitierten Definitionen für das gehört, was unter Auswärtiger Kulturpolitik verstanden wird: »Freudiges Geben und Nehmen«, also nicht einseitiger deutscher Kulturexport, keine deutsche »Leit-Kultur« für das Ausland, sondern ein lebendiger Austausch von Erfahrungen, Perzeptionen, Ideen und Visionen.

Besuch im Institut für Auslandsbeziehungen Von einem Besuch des ifa im Oktober 1998 werden aus den Gesprächen mit dem Generalsekretär des Instituts Dr. Kurt-Jürgen Maass und seinem Stellvertreter Udo Rossbach sowie anderen Mitarbeitern vor allem die Inhalte wiedergegeben, welche die Zusammenarbeit oder die Aufgabenüberschneidungen mit anderen Mittlern betreffen. Noch offene Fragen, die auch die Bundesregierung auf meine Kleinen Anfragen zu “Deutsch als Fremdsprache in den MOE/GUS-Staaten und “Zur Arbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen” nicht klären konnte, werden ebenfalls angesprochen.

Dr. Maass und Herr Rossbach berichteten u. a. von der Sprachschule des ifa. Es würden dort Sprachkurse in DaF angeboten, die auf die selben Prüfungen wie das Goethe-Institut vorbereiteten. Die Schule sei dem Goethe-Institut zur Weiterführung angeboten worden, da das ifa seine Hauptaufgaben nicht in der Sprachvermittlung sähe. Das Angebot sei aber vom Goethe-Institut nicht wahrgenommen worden und so werde die Schule, die sich in zwei Jahren selbst trage, weiter vom ifa betrieben. Pro Jahr besuchten ca. 800 Schüler die Schule und blieben zwischen 3 Wochen und 3 Monaten.

140 Bericht über die Tätigkeit der Abteilung Medien 1998-2000. In:ifa/bericht/1998/1999/2000. www.ifa.de Stand:18.10.2002 88

Kunstausstellungen machten einen großen Teil der Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut aus, da 60-70% der Ausstellungen in den Goethe-Instituten stattfänden. Jedoch bezögen beide Institutionen Gelder für diesen Bereich, wobei, so Dr. Maass, das ifa auf diesem Gebiet das absolute Know-how habe. Im Oktober 2002 erläuterten bei einem Fachgespräch Dr. Maass und der Präsident Alois Graf Waldburg-Zeil die Weiterentwicklung des ifa, insbesondere in Bezug auf den Einsatz der neuen Medien. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Geflecht der deutschen Vertretungen und Institutionen im Ausland aus immerhin ca. eintausend diplomatischen, kulturellen und politischen Dependancen in einhundertfünfzig Staaten bestehe. Mit dem Einsatz neuer Medien müsse dieses Potenzial deutscher und europäischer Kulturpolitik besser genutzt und vernetzt werden. Unter Deutschland-Netz hat das ifa deshalb ein Verzeichnis aller deutscher Vertretungen, (einschließlich handels- und entwicklungspolitischer Vertretungen) sowie geisteswissenschaftlicher Forschungseinrichtungen erstellt. Das ifa leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung.141

Förderprogramme MOE Ausgangspunkt der Gespräche waren die Kleinen Anfragen ”Deutsch als Fremdsprache in den MOE/GUS-Staaten”142 vom 28.05.98, die von der Bundesregierung unbefriedigend beantwortet worden waren und ”Zur Arbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen”.143 vom 15.10.96. Frau A-P, die seit 1993 für die Förderprogramme in MOE zuständig ist, berichtete, dass das ifa seit 1945 die Aufgabe der Informationsüberlieferung in den Osten übernommen habe. Jedoch habe es bis zum Fall der innerdeutschen Mauer keine speziellen Programme gegeben. Erst 1990 sei vom Auswärtigen Amt ein möglicher Mittler gesucht worden, um ein spezielles Förderprogramm für deutsche Minderheiten auszuführen. Das Goethe-Institut habe diese Aufgabe abgelehnt. Das ifa sei der einzige Mittler, der sich dieses Programms angenommen habe und sich dem inhaltlich und politisch schwierigen Thema der Minderheiten widme. Das ifa habe einen Arbeitschwerpunkt in Polen, einen zweiten in Rumänien. Daneben würden

141 Unter “Deutschland-Netz”. In: www.ifa.de Stand:18.10.02 142 Altmann Elisabeth: Deutsch als Fremdsprache in den MOE/GUS-Staaten, Kleine Anfrage, 28.05.98. 143 Altmann Elisabeth : Zur Arbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen, Kleine Anfrage vom 15.10.96. 89

noch Tschechien, Litauen und Kasachstan betreut. Das ifa entsende zwei- bis dreimal pro Jahr eine Reisegruppe nach Polen und einmal eine Gruppe nach Rumänien, die die Lage vor Ort begutachteten. Aus den Anfragen wurden weitere Themenbereiche besprochen: Fortbildungen an Minderheitenschulen und Kindergärten sowie die Stellung der Fachberater. Die Förderung der Fortbildungen an Minderheitenschulen und Kindergärten sei aus folgenden Gründen zunächst sehr problematisch gewesen: Es seien Prestigebauten erstellt und andere Geldverschwendung betrieben worden. Mit der Zeit habe sich diese Haltung jedoch verändert. Inzwischen sei die Fortbildung mit Gebühren verbunden und damit für die meisten Lehrer nicht tragbar, weil sie zu wenig verdienten. Fachberater seien die Ansprechpartner für die Minderheiten und somit auf diesem Gebiet die entscheidende und kompetente Instanz. Diese Ansprechpartner könne sich das ifa nur in den Schwerpunktländern leisten. Für Tschechien und die Slowakei beispielsweise sei dafür kein Geld da. Hier stoße das ifa immer wieder auf Probleme, da dort der Informationsweg (zuerst wendeten sich die Minderheitenvertreter an das Auswärtige Amt oder das Generalkonsulat bzw. die Botschaft, dann erst an das ifa, sehr lang seien und somit lähmend auf die Entwicklung wirkten. Da die betroffenen Mittler, das Auswärtige Amt, die Generalkonsulate oder das Innenministerium den anderen Beteiligten oft, ohne dies zu beabsichtigen, Informationen vorenthielten, sei es sehr schwierig, Doppelung der Arbeit in den verschiedenen Bereichen auszuschließen. Das Auswärtige Amt habe ein Programm initiiert, bei dem Sprachassistenten der Bundes- republik als Ansprechpartner zu einer Minderheit geschickt würden, um Kontakt nach Deutschland zu gewährleisten. Die Durchführung habe das ifa übernommen. Die Dauer des Aufenthalts der Assistenten sei auf zwei Jahre begrenzt, da das ifa verhindern wolle, dass die Assistenten im Gastland integriert würden und vor allem selbst nicht den Bezug zu Deutschland verlören. Bei ihrer Arbeit rückten die Sprachkurse aber in den Hintergrund und die wirkliche Aufgabe liege im Bereich der Kulturarbeit. Das ifa habe momentan 12 Sprachassistenten in Polen, 2 in Rumänien, 2 in Litauen und einen in Kasachstan. Wichtigstes Anliegen dort sei die Veränderung eines immer noch vorherrschenden Deutschlandbildes von 1945. Hier werde versucht, den Minderheiten ein modernes Bild zu vermitteln Dies sei durch die jungen Sprachassistenten gewährleistet. Auf die Frage, warum man Sprachkurse nicht gleich an die Goethe-Institute delegiere, entgegnete Frau Arlt-Palmer, dass die Sprachassistenten vor Ort besser wüssten, welcher Markt gerade bestehe. Außerdem erreiche 90

man ein bestimmtes Niveau bezüglich der Sprachförderung, das durch die Assistenten zielorientiert gehalten und verbessert werden könne. Wie Medienprojekte organisiert würden und wie mit der Deutschen Welle zusammengearbeitet werde, waren weitere Themen. Meine Gesprächspartnerin erklärte, dass das ifa andere Aufgaben erfülle als die Deutsche Welle. Das ifa unterstütze Minderheiten, eigene Medienprojekte zu organisieren. Zu Beginn würden diese Projekte finanziell getragen, mit der Zeit aber die Produktionskosten mit Hilfe des ifa gesenkt und damit erreicht, dass sie sich selber trügen, beispielsweise das ”Schlesien Journal”, eine zwanzigminütige Magazinsendung der deutschen Minderheit in Polen, das im Zwei-Wochen-Rhythmus bilingual ausgestrahlt wird. Bei dieser Sendung gäbe es immer wieder politische Probleme in Polen mit der Zensur, sodass es nicht als wöchentliches Magazin genehmigt werde. Herr Kö stand für Auskunft über die Zeitschrift für Kulturaustausch zu Verfügung. Die Vierteljahreszeitschrift beinhalte aktuelle Nachrichten, einen Magazinteil mit Artikeln zur Auswärtigen Kulturpolitik und zum internationalen Kulturaustausch sowie einen Europateil mit Nachrichten zur Europapolitik. Die Zeitschrift für KulturAustausch erscheine in einer Auflage von 6000 Exemplaren mit 4000 freien und 1000 zahlenden Abonnenten und publiziere auch im Internet. Frau Ku, die das Vortragsprogramm und die Mediendialoge betreut, erklärte, dass das ifa seit den sechziger Jahren vom Bundespresseamt die Aufgabe übernommen habe, in den östlichen Ländern politische und gesellschaftliche Informationen zu verbreiten. Das sei meist auf Messen und durch Messeberichte geschehen. Nach 1989 sei diese Öffentlichkeitsarbeit umgestellt worden. Vorgestellt wurde von ihr das Vortragsprogramm, das vom Bundespresseamt getragen wird. Es gebe verschiedene Verfahren, das Vortragsprogramm zu erstellen. Wichtig sei es, die Botschaften zu fragen, was momentan thematisch von Interesse sei. Wenn dann ein Thema angegeben werde, suche das ifa passende Referenten und organisiere für sie eine Vortragsreise, die vom Bundespresseamt finanziert werde. Eine andere Möglichkeit biete das ifa, indem es den Botschaften ein Thema vorschlage, wenn ein Referent sich angeboten habe. Werde dieses Thema gewünscht, so werde das Vortragsprogramm ausgearbeitet und durchgeführt. Ebenso könne es sein, dass eine Botschaft einen Referenten zu einem bestimmten Thema wünsche, ihm den Stand der Diskussion unterbreitet werde und der Referent dann das Thema spezifiziere. 91

Am Beispiel der deutsch-arabischen Mediendialoge zeigte Frau Ku auf, wie das Programm konzipiert ist. Der Grundgedanke des Bundespresseamts sei es gewesen, arabische und deutsche Journalisten zusammenzubringen. Das ifa habe entschieden, einen Mediendialog zu ermöglichen ”Der deutsch-arabische Mediendialog trägt der gewachsenen Bedeutung des Journalismus Rechnung. Er bietet ein Forum, auf dem Journalisten aus Deutschland und aus zahlreichen arabischen Ländern dringende Probleme der Gegenwart im Rahmen eines professionellen Dialogs erörtern und auf diese Weise neue Perspektiven für ihre Arbeit gewinnen können.”144 Frau Ku berichtete von den Erfolgen der Dialoge, die auf kollegialer Ebene ermöglichten, auch strittige Themen zu bearbeiten, denen sich die Beteiligten nicht entziehen könnten. Dabei werde auf Fachebene diskutiert und grenzübergreifende Kommunikation ermöglicht. Diese Diskussionsmöglichkeit, so Ku, sei ein wichtiges Instrument der Auswärtigen Kulturpolitik. Fazit des Gesprächs: Ohne den Besuch im Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart wäre das komplexe Arbeitsfeld des Instituts nicht zugängig gewesen. Was durch die Bundesregierung nicht hatte erfahren werden können, konnte hier geklärt werden, insbesondere die spezifische Ausprägung des ifa in Bezug auf die Arbeit mit Minderheiten, die Zusammenarbeit mit den Goethe–Instituten bei den Kunstausstellungen und die Spezialangebote in der Bibliothek.

2. Herausforderungen für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

2.1. Rückläufige Ausgaben und mangelnde Transparenz

Die Ausgaben für Auswärtige Kulturpolitik im Bereich des Bundes insgesamt sind in den letzten Jahren rückläufig. Die Aufteilung auf zahlreiche Bundesministerien und Abteilungen verhindert die Übersicht über die Aktivitäten der Bundesregierung in der Auswärtigen Kulturpolitik, führt zu mangelnder Transparenz, beträchtlichen Reibungsverlusten und zur Verschwendung von Steuergeldern. So ist es z. B. unverständlich, warum das Innenmi- nisterium für die Bürger Polens, Russlands oder Tschechiens zuständig ist, oder warum unter

144 Institut für Auslandsbeziehungen: Deutsch-arabischer Mediendialog: Aus dem Programm des Deutsch- arabischen Mediendialogs vom 12./13. Mai 1998 in Amman/ Jordanien. Stuttgart, 1998. 92

der Regierung Kohl der zivile Teil der NATO beim Auswärtigen Amt die Be- treuungsmaßnahmen für deutsche Soldaten im Ausland aber als Teil der Auswärtigen Ku- lturpolitik beim Verteidigungsministerium angesiedelt waren. Dazu schreibt Hans Magnus Enzensberger: ”Dies alles vorausgesetzt, grenzt es an ein Wunder, was sich die alte Bundesrepublik über Jahrzehnte geleistet hat: ein weltweites Netz von Einrichtungen, die in rund 80 Ländern und mit verblüffendem Erfolg auswärtige Kulturpolitik betreiben. Ein ehemaliger Außenminister namens Brandt hat dieses Arbeitsfeld sogar als die ‚dritte Säule der deutschen Außenpolitik‘ bezeichnet. Das waren noch Zeiten! Institutionen wie die Humboldt-Stiftung, das Goethe-Institut, Inter Nationes und der Deutsche Akademische Austauschdienst galten damals nicht als lästige Kostgänger, sondern als wesentliche Aktivposten der deutschen Politik. Die Bundesrepublik hatte gute Gründe für ihr Engagement. Den gründlich verwüsteten Ruf des Landes in der Welt vorsichtig und geduldig aufzubessern, andere Völker von den guten demokratischen Vorsätzen der Deutschen zu überzeugen, das war eine Aufgabe, die über die Eitelkeiten der bloßen Selbstdarstellung hinausging. Mit Schönfärberei war da nichts auszurichten.”145

2.2. Das Goethe-Institut: Ein Markstein wird demontiert

Das Goethe-Institut gehört im In- und Ausland zu den angesehensten Kulturinstitutionen überhaupt. Die verschiedenen Goethe-Institute stellen einen wichtigen Faktor in der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und bei der Vermittlung eines kritisch - konstruktiven Bildes der Bundesrepublik Deutschland im Ausland dar. Gerade die Goethe- Institute bieten vielen Menschen im Ausland die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen und einen Zugang zur deutschen Kultur zu erhalten. Darüber hinaus leisten sie eine umfassende Informationsarbeit. In den vergangenen Jahren hat das Goethe-Institut mit seinen relativ geringen Mitteln viel geleistet. Auch in Regierungskreisen wird seine Arbeit regelmäßig besonders gewürdigt. Leider entspricht diesem Lob nicht das Handeln der Regierungsparteien. Wenn auch ein objektiver Gesamtanstieg der Ausgaben für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik seit

145 Enzensberger, Hans Magnus: Auswärts im Rückwärtsgang. Hans Magnus Enzensberger über die Blamage der deutschen Kulturpolitik im Ausland. In: Der Spiegel Nr. 37/1995. S. 215. 93

ihrer Wiederaufnahme nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in den letzen dreißig Jahren zu verzeichnen ist, so ist doch gemessen am prozentualen Anteil der AKBP des AA am Bundeshaushalt in den vergangenen zehn Jahren ihr Anteil gesunken, von 0,27% im Jahre 1993 auf 0,23% im Jahre 2002. Im Jahrbuch 1997 des Goethe-Instituts heißt es dazu: "Weitere Kürzung der Stellen und Haushaltsmittel erweist sich auf mittlere Sicht als ein unvermeidlicher Prozess, mit dem man sich abzufinden hat. 1995 mussten Kürzungen von 2,7 Millionen bei den Betriebskosten hingenommen werden; 2,1 Millionen der Investitionsmittel wurden gesperrt. Die ausgegebenen Projektmittel lagen um 1,2 Millionen unter dem Stand des Vorjahres und betrugen in absoluten Zahlen 65,8 Millionen Die Stellenkürzungsauflagen des öffentlichen Dienstes mussten umgesetzt werden und kosteten etwa 30 Stellen weltweit. 1995 konnten all diese Auflagen durch 'Verschlankung' schon bestehender Institute erbracht werde. 1996 jedoch mussten 5 Institute geschlossen werden. Neue Chancen, aber auch Risiken bietet die Zukunftsperspektive eines kameralistisch nicht mehr einzeln abzurechnenden Globalzuschusses; schon für 1997 konnte weitgehende Deckungsmöglichkeit der einzelnen Titel mit dem Auswärtigen Amt vereinbart werden. Es steht zu hoffen, dass durch diese Flexibilisierung ein effektiveres Wirtschaften ermöglicht wird.”146 Die finanziellen Kürzungen der Bundesregierung im Jahr 1998 führten zu Schließungen von neun Instituten: Reykjavik, St. Louis, Arhus, Canberra, Lahore, Tampere, Marseille und Brasilia. Das Goethe-Institut in Palermo wurde von 18 Stellen und 1 Entsandten auf eine Kulturvertretung mit 1,5 Stellen und einem Entsandten zusammengestrichen. Für die bisherigen Abteilungen bedeutete dies das Aus. Durch die Umstrukturierungen wird die Politik der personellen Ausdünnung und der Schließung von Instituten fortgesetzt. In langen Jahren aufgebaute Beziehungen werden abgebrochen und nicht nur finanzielles, sondern auch Vertrauenskapital vernichtet. Hilmar Hoffmann hatte bereits am Beginn seiner Amtszeit als Präsident des Goethe-Instituts im Juli 1993 vor den Folgen einer weltweit zurückgehenden Präsenz gewarnt. Kürzungen bei Personal und Projektmitteln führten seiner Auffassung nach unvermeidlich zu einer Auflösung von wertvollen, in Jahrzehnten gewachsenen Verbindungen und damit zu einem Ansehensverlust für die Bundesrepublik Deutschland. Immer wieder drohte er mit Rücktritt,

146Goethe-Institut: Jahrbuch 1995/96. München. Bericht des Vorstands, S. 9 f. 94

falls noch ein weiteres Institut geschlossen würde. Er war insofern inkonsequent, als er trotz weiterer Schließungen im Amt verblieben ist. Es war wohl ein taktisches Mittel, das nicht gegriffen hat, sonst hätte er nicht ordnungsgemäß seine Amtszeit im Mai 2002 beendet. Trotz der deutlichen Kritik aus Deutschland und aus den betroffenen Ländern wurden fast alle Pläne zur Schließung von Instituten vollzogen. Nur in Einzelfällen konnten Proteste dies verhindern. Die Entscheidung der Bundesregierung für das von Hoffmann seit Jahren geforderte (und von mir in den Bundestag eingebrachte) Stellenstreichungs-Moratorium im Juni 1998 brachte hier Entlastung.

2.3. Expertenanhörung zur Auswärtigen Kulturpolitik147

Unter Vorsitz von Alois Graf von Waldburg-Zeil und Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues fand die Sachverständigenanhörung ”Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik” des Auswärtigen Ausschusses in Bonn am 14. 4. 1997 statt. Die zahlreichen Defizite auf diesem Gebiet waren deutlich geworden, die organisatorischen Rahmenbedingungen der Auswärtigen Kulturpolitik mussten neu geordnet werden, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Auswärtige Kultur ihre wichtigen Aufgaben erfüllen kann. Dass die Anhörung zustande kam, war vor allem dem kenntnisreichen, weltgewandten und aktivem Vorsitzenden des Unterausschusses für Auswärtige Kulturpolitik Alois Graf- Waldburg-Zeil zu verdanken. Experten wie Frau Bozkurt, türkische Professorin für Rechtsgeschichte, Wolf Lepenies, Keith Dobson, Horst Harnischfeger, Joachim Sartorius, Herr Schwinkendorf von der Unternehmensberatung Roland Berger, Samuel Huntington u. a. waren geladen. Aus der aktuellen Situation heraus standen folgende Themen auf der Tagesordnung: Auswärtige Kulturpolitik. Bestandsaufnahme und Perspektiven Frage 1: Worin bestehen die Aufgaben der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik? Worin liegen die Möglichkeiten einer stärkeren europäischen Kooperation? Frage 2: Wie kann die Arbeit der Mittlerorganisationen effizienter gestaltet und kontrolliert, die ministerielle Zuständigkeit konzentriert, private Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik mobilisiert und die Arbeit mit neuen Medien integriert werden?

147 Deutscher Bundestag: Bundestagsdrucksache 13/ 62/.. Teil 1 des Protokolls der 62. Sitzung des Auswärtigen Ausschusses am 14. 4. 1997. 95

Deutschland im Dialog der Kulturen der Welt. Frage 3: Welche Herausforderungen an die westlichen Kulturtraditionen ergeben sich aus

- der neuen Rolle Asiens?

- dem Selbstbewusstsein islamischer Staaten?

- der Krise vieler afrikanischer Staaten? Frage 4: Welches Spannungsfeld ergibt sich für die Auswärtige Kulturpolitik aus unterschiedlichen religiösen und kulturellen Traditionen?

Zum einen ging es bei der Anhörung darum, den Kompetenzwirrwarr der Auswärtigen Kulturpolitik aufzuzeigen und Lösungen anzubieten, aber organisatorische Reformen nicht auf Kosten der Vielfalt des kulturellen Angebots der Mittlerorganisationen durchzuführen. (Fragen 1 und 2). Zum anderen ging es um eine engere Zusammenarbeit der Staaten der westlichen Hemisphäre bei der Förderung gemeinsamer Grundüberzeugungen auch in anderen Teilen der Welt (Fragen 3 und 4). Menschenrechte und demokratische Grundwerte waren ein Thema, der Konflikt der Kulturen ein anderes. Dazu waren Experten eingeladen, die Antworten auf die Fragen der Abgeordneten gaben.

Aus den Fragebereichen der Anhörung werden im Folgenden Meinungsbeiträge dargestellt. Diese beschränken sich nicht auf das bei der Anhörung Gesagte, sondern werden ergänzt durch Aussagen in Interviews oder entsprechende Passagen in Veröffentlichungen. Die Beiträge geben die Richtung wieder, die von den Experten während der Anhörung eingeschlagen wurde. Zu “Bestandsaufnahme und Perspektiven” soll Keith Dobson zu Wort kommen, zu “Deutschland im Dialog der Kulturen der Welt”, Samuel Huntington, zum Teil “Wie kann die Arbeit der Mittlerorganisationen effizienter gestaltet und kontrolliert, die ministerielle Zuständigkeit konzentriert werden” eine Zusammenfassung von Axel Schneider.

Der Verlauf der Anhörung Ein Zusammenprall der Kulturen war schon durch die Auswahl der Experten gegeben. Nicht deutlicher als durch die unterschiedlichen Auffassungen der türkischen Professorin Bozkurt und Samuel Huntington, dem Verfasser des “Clash of Civilizations” hätte dieser dargestellt werden können. Graf Waldburg-Zeil hatte Samuel Huntington eingeladen, nicht um dessen 96

Thesen zu verbreiten, sondern um den Kulturdialog anzuregen und äußerte sich dazu wie folgt: “Wenn man denn die Gefahr einer Bruchlinie zwischen islamischen Fundamentalismus und westlichem Denken sieht, so kann man dieser nur durch Kulturdialog vorbeugen.”148 Samuel Huntington, davon ausgehend, dass die Welt im 21. Jahrhundert von acht großen Kulturkreisen geprägt und beherrscht wird, die sich mit großer Intensität aufeinander zu bewegen und mehr oder weniger aufeinander prallen werden, war die Person, der am meisten Beachtung gezollt wurde. Das globale Gleichgewicht wird sich - seiner Meinung nach- wegen des Bevölkerungswachstums mit einem Machtzuwachs nach Osten verschieben und der Krieg im 21. Jahrhundert wird ein Krieg sein, der aus der Verschiedenheit des Kulturellen herrührt. Frau Bozkurt hingegen fühlte sich als Mensch, allen kulturellen Unterschieden zum Trotz, den Menschen anderer Länder und Traditionen verbunden. Sie suchte nach dem Gemeinsamen, was alle Menschen verbindet. ”Ich habe mich nie als Moslem gefühlt, ich habe mich immer als Mensch gefühlt”149, so ihre Aussage.

Samuel P. Huntington: Clash of Civilizations Eine exponierte und viel diskutierte Position war und ist die von Samuel Huntington, dem prominentesten Teilnehmer der Runde. In der Anhörung gab er eine kurze Zusammenfassung seines Werkes ”The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order” wieder. Sein Buch kam zu ungeahnter Popularität nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. November 2001. Macht und Dominanz der westlichen Hemisphäre und das sich daraus ergebende Spannungsfeld religiöser und kultureller Traditionen sind sein Thema. So war es nicht verwunderlich, dass er zum Thema “Deutschland im Dialog der Kulturen der Welt. Welche Herausforderungen an die westlichen Kulturtraditionen ergeben sich aus der neuen Rolle Asiens und dem Selbstbewusstsein islamischer Staaten?” sprach: ”Two pictures exist of the power of the West in relation to other civilizations. The first is of overwhelming, triumphant, almost total Western dominance. The disintegration of the Soviet Union removed the only shaped by the goals, priorities, and interests of the principal Western

148 Vortrag und schriftliche Stellungnahme zur Anhörung “Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik” des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, 14. April 1997. Drucksache 62/12 149 Vortrag und schriftliche Stellungnahme zur Anhörung “Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik” des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, 14. April 1997. Drucksache 62/12 97

nations, with perhaps an occasional assist from Japan. As the one remaining superpower, the United States together with Britain and make the crucial decisions on political and security issues; the United States together with Germany and Japan make the decisions on economic issues. The West is the only civilization which has substantial interests in every other civilization or region and has the ability to affect the politics, economics, and security of every other civilization or region. Societies from other civilizations usually need Western help to achieve their goals and protect their interests. [...] The second picture of the West is very different. It is of a civilization in decline, its share of world political, economic, and military power going down relative to that of other civilizations. The West’s victory in the Cold War has produced not triumph but exhaustion. The West is increasingly concerned with its internal problems and needs, as it confronts slow economic growth, stagnating populations, unemployment, huge government deficits, a declining work ethic, low savings rates, and in many countries including the Unites States social disintegration, drugs, and crime. Economic power is rapidly shifting to East Asia, and military power and political influence are starting to follow. India is one of the verge of economic takeoff and the Islamic world is increasingly hostile toward the West. The willingness of other societies to accept the West’s dictates or abide its sermons is rapidly evaporating, and so are the West’s self-confidence and will to dominate. The late 1980s witnessed much debate about the declinist thesis concerning the United States.”150 Bei der Suche nach neuen Feinden und der Rechtfertigung für die Beibehaltung des Systems globaler Steuerung gibt das Werk Samuel Huntingtons Hilfestellung. Es wird von dem drohenden Einflussverlust des Westens ausgegangen, dem ein wirtschaftlicher, militärischer und politischer Machtanstieg der asiatischen Kulturen sowie eine Bevölkerungsexplosion des Islam gegenübersteht. Die Lehre Huntingtons vom Kampf der Kulturen sorgt so für ein neues Feindbild nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation. Mit praktischen Empfehlungen allerdings hielt sich Samuel Huntington während der Anhörung nicht auf. Mit Konkretem dazu konnten Joachim Sartorius, Generalsekretär des Goethe Institutes, der frühere Parlamentarische Staatssekretär Volkmar Köhler oder der Direktor des British Council in Deutschland Keith Dobson aufwarten, der nun zu Wort kommen soll.

150 Huntington, Samuel: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1996. S. 81 f. 98

Keith Dobson, Arbeitsweise des British Council und Vergleich mit den deutschen Kulturinstituten151 Zum Themenkomplex “Auswärtige Kulturpolitik. Bestandsaufnahme und Perspektiven” leis- tet Keith Dobson einen wertvollen Beitrag: Der British Council ist nahezu der ausschließliche Mittler für kulturelle Außenbeziehungen Großbritanniens. Er untersteht dem Außenministerium, das aber nur ein Leitungsreferat hat, welches sich mit kulturpolitischen Außenbeziehungen befasst. Der British Council, der 1995 als ”Hauptakteur der britischen Auslandsbeziehungen”152 beschrieben wird, ist eine Mittler- organisation, die als Eingangstor zu allen britischen Ressourcen in den Bereichen Kultur und Wissenschaften dient. Der British Council hat seinen Schwerpunkt im dem Bereich der Spracharbeit, so auch in der Satzung des Instituts zu lesen: ”Der British Council soll durch Anregungen zum Erlernen und Gebrauch der englischen Sprache das Ansehen der britischen Kultur und Zivilisation im Ausland verbreiten und Kenntnisse über den britischen Beitrag zu Literatur, Musik, Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Politik fördern." Von Sprachkursen bis hin zu elektronischen Datenbanken versucht der British Council seinen Kunden ein breiten Spektrum anzubieten. Er verfügt in 45 Ländern über 95 ”Teaching Centres” für englischen Sprachunterricht und über ein Netzwerk mit 228 Büros in 109 Ländern (Stand 1996). Die Einführung und Etablierung des Studiengangs ”British Studies” an ausgewählten Universitäten im Ausland wurde dort erarbeitet. Ein neuerer Teil des British Council ist das ”Central Bureau for Educational Visits and Exchange”, das für den Austausch von Schülern und Lehrern sowie für Schulpartnerschaften zuständig ist. Neben der Spracharbeit fördert und organisiert der British Council aber auch Ausstellungen, Symposien, Vorträge, Konferenzen, Filmwochen, etc. z.B. die Organisation ”Visiting Arts”, die

151 Darstellung auf der Grundlage von Dobson, Keith., Direktor des British Council Deutschland: Vortrag und schriftliche Stellungnahme zur Anhörung “Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik” des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, 14. April 1997. Drucksache 62/12 und folgender Artikel: Britischer Pragmatismus in der Auswärtigen Kulturarbeit. Interview mit dem Direktor des British Council in Deutschland. In: Zeitschrift für KulturAustausch, 2/98. S.11-13. Hier und im Teil B 3.2. finden sich auch Formulierungen, die von meiner Mitarbeiterin Christiane Firsching während meiner Bundestagszeit getroffen wurden. 152 Tait, Simon: Wieviel Staat braucht die Kultur ? In: Zeitschrift für Kultur Austausch, 2/96. Stuttgart, S. 68 f. 99

ausländische Kunst in Großbritannien fördert. Sie bietet den aus- und inländischen Partnern Information, Beratung, Trainingsprogramme und Stipendien. Das politische Ziel des British Council ist es, wirtschaftliche mit kulturellen Veranstaltungen zu verbinden. Daraus ergibt sich dann die Möglichkeit, für verschiedene Länder regionale Schwerpunkte auszuarbeiten, die den wirtschaftlichen und politischen Interessen des Landes entsprechen. Besonderes Augenmerk bei seiner Förderung legt der British Council auf Europa und die Commonwealth-Staaten. Getragen wird der British Council zur Hälfte aus Mitteln des britischen Commonwealth- und Außenministeriums, die andere Hälfte kommt aus eigenen Einnahmen des Instituts. Durch eine derart ausgewogene Finanzierung bleibt das Institut unabhängig. Beispielsweise wurden im Jahr 1994/95 zu 56 verschiedenen Ländern Kontakte geknüpft und 170 Partnerschaften geschlossen. Zusätzlich wurden rund 210 Millionen Pfund vom British Council (mit einem Jahresetat von 430 Millionen Pfund) erwirtschaftet. Besonders ist hervorzuheben, dass die Spracharbeit kostendeckend wirtschaftet. Für seine Arbeit ist der British Council niemandem Rechenschaft schuldig. Sie muss allerdings mit den Zielen der britischen Außenpolitik übereinstimmen. Institutsintern wird der “Output” nicht über die Finanzen kontrolliert, sondern es wird verlangt, dass beispielsweise bei Kürzungen die Direktoren der verschiedenen Vertretungen selbst entscheiden, wie sie ihren finanziellen ”Input in Output” umsetzen. Dobson selbst sagt dazu: “In meinen Augen kann eine überdetaillierte Kontrolle der finanziellen Inputs u. U. einen paradoxen Effekt haben, indem sie nicht zu mehr, sondern zu weniger Effektivität öffentlicher Gelder im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik leitet”153 Die Zeit der Finanzkürzungen war eine der schwierigsten Epochen für den British Council. Die Regierung forderte eine Kürzung der öffentlichen Gelder vom Jahr 1995/96 bis zum Jahr 1999 um 16,5%. Dies hätte zur Folge gehabt, dass ca. 12% der Mitarbeiter im Ausland hätten entlassen werden müssen. Außerdem waren auch die Kultureinrichtungen in insgesamt 32 Ländern bedroht. Diese Pläne wurden in einem Abschlussdokument im März 1996 vom außenpolitischen Ausschuss des Unterhauses wie folgend bewertet: ”Im Zuge der

153 Deutscher Bundestag. Anhörung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages: Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Vortrag von Keith Dobson, Direktor des British Council Deutschland. Drucksache 13/62/12. 100

Globalisierung sind der BBC World Service und der British Council keine Randinstrumente, sondern die Speerspitze unserer Politik.”154 Mit dieser Beurteilung erhitzte das Thema erneut die Gemüter der Parlamentarier, was eine Reduzierung der Kürzungen auf ”nur” noch 10% der Regierungszuwendungen einbrachte. Damit blieben Überseeinstitute von Stellenkürzungen verschont und nur der inländische Mitarbeiterstab der Zentrale musste innerhalb von drei Jahren um 25% verkleinert werden. Ausschlaggebendes Argument gegen diese drastischen Kürzungen war vermutlich ein internationales Ausbildungsprogramm. Schätzungen besagten, dass mit Hilfe dieses Programms im Jahr 2002 rund eine Milliarde Englischsprechende in der Welt leben. Die damit verbundenen Vorteile für Handelsbeziehungen waren überzeugend genug. Der Wert des British Council für die Exportindustrie hat ihn vor seinem Untergang bewahrt. Die enorme finanzielle Beschneidung führte trotzdem zu großen strukturellen Veränderungen. Eine Vielzahl der Tätigkeiten, die der British Council selbst ausführte, wurden ausgelagert. Dobson dazu: ”Anstatt das Know-how für einige Dienstleistungen in unserer Zentrale anzusiedeln, arbeiten wir nun mit Consulting-Firmen und Beratern, die solche Dienstleistungen anbieten.” Eine erfolgreiche deutsche Auswärtige Kulturpolitik soll, nach Dobson, folgende Leistung erbringen: • die weltweite Verbreitung eines zutreffenden Bildes von Deutschland als Kulturnation, das den Status Deutschlands als Weltwirtschaftsmacht ergänzt und für das Land bei der Förderung seiner Werte ein Empfehlungsschreiben ist • das Erlernen und den Gebrauch der deutschen Sprache im Ausland fördern, wobei in erster Linie auf die historische Stärke Deutschlands aufgebaut wird (z.B. in Lateinamerika und Mittel- und Osteuropa) • für einen Ausgleich des Mangels an internationaler Verbreitung der deutschen Volkskultur, wie Film, Fernsehen und Popmusik sorgen • Auch die mangelnde Attraktivität des deutschen Hochschulwesens sollte sich ändern. Diese Punkte könnten einen entscheidenden Beitrag zur Kulturpolitik leisten. Sie sollten – so Dobson- deshalb verwirklicht werden, weil Deutschland nicht in der glücklichen Lage ist,

154 Tait, Simon: Wieviel Staat braucht die Kultur? In: Zeitschrift für KulturAustausch, 2/96, Stuttgart, S. 69. 101

diese Vorteile, die für den Staat nicht einmal Ausgaben bedeuten, für sich zu nutzen (ganz anders als die britische oder amerikanische Populärkultur). 155 Die neuen Ideen einer Kosten-Leistungs-Rechnung, die zur größeren Wirtschaftlichkeit der Institute beitragen soll, wird in Zukunft - nach Dobsons Meinung- die Kultur abhängiger von der Politik und Wirtschaft machen. Dobson gibt zu bedenken, dass durch die vielen Mittlerorganisationen in Deutschland viel höhere finanzielle Aufwendungen betrieben werden müssen. Der British Council dagegen, der den gesamten auswärtigen Kulturbereich abdeckt, benötigt viel geringere Zuwendung von staatlicher Seite, da nicht verschiedene Institutionen, sondern nur die eine finanziert werden muss. Dennoch, so Dobson, ist es wichtig festzustellen, dass die deutschen Mittler weltweit einen hervorragenden Ruf genießen, den man nicht durch die Zusammenfassung der Institute aus finanziellen Gründen zerstören darf. Einen großen Unterschied macht Dobson auch in der Kontrolle der Institutionen aus. Er findet die deutschen Institutionen eher überkontrolliert als zu wenig beaufsichtigt und schildert, dass er die “Output-Kontrolle” für die bessere Variante hält. Die Bürokratie und deren finanzielle Vorschriften machen das System unflexibel und damit sicherlich zu einem Teil auch uneffektiv. Er schildert das an einem Beispiel: ”Wenn ich etwa, um meinen Haushalt zu sanieren, die Anweisung gebe, weniger zu telefonieren und dadurch 1000 Mark einspare, dann kann ich das Geld benutzen, um einen britischen Professor nach Deutschland einzuladen. Wenn der Leiter des Goethe-Instituts in London seinen Telefonkosten reduziert, dann erhält er im nächsten Jahr weniger Geld für diesen Haushaltstitel. Sie werden verstehen, dass ich das britische Modell vorziehe.” Und weiter: “Meine Zentrale erwartet im Gegenteil von mir, dass ich ihr sage, wie ich die erforderlichen Kürzungen beim finanziellen Input umzusetzen gedenke, und zwar so, dass meine Ziele (Output) so wenig Schaden wie möglich nehmen.”156

155 Deutscher Bundestag: Anhörung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages: Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Vortrag von Keith Dobson, Direktor des British Council, Deutschland. Drucksache 13/62/12. 156Dobson, Keith: Britischer Pragmatismus in der Auswärtigen Kulturarbeit. In: Zeitschrift für KulturAustausch, 1/98, Stuttgart, S. 11. Interview mit Keith Dobson. 102

Bei der Finanzierung der Institute ist in Deutschland eine ganz andere Situation gegeben als in Großbritannien, denn- wie gesagt- die britische Regierung unterstützt den British Council nur mit der Hälfte der benötigten Mittel In Deutschland dagegen ist es Tradition, die Kulturpolitik aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Eine neuere Entwicklung will die öffentlichen Zuwendungen durch eine Steigerung der privaten Finanzierung ersetzen. Dobson meint dazu, dass es sinnvoller sei, sich nicht auf die Substitution durch private Mittel zu verlassen, vielmehr sollte eine Ergänzung zu den öffentlichen Mitteln die Institute belohnen (und nicht bestrafen, indem die öffentlichen Mittel gestrichen werden). Die Hoffnung auf großzügige Unterstützung der Kulturarbeit durch die Wirtschaft ist –seiner Meinung nach- einer gewissen Ernüchterung gewichen. Die Sponsoringgelder halten sich bisher in Grenzen und bergen zudem die Gefahr eines Rückzugs der staatlichen Verantwortung. Der British Council spart Kosten, indem er im Ausland Veranstaltungen nicht in seinen eigenen Lokalitäten durchführt, sondern in Partnerinstitutionen. So müssen durchschnittlich nur 15% der Kosten aufgebracht werden. Die deutschen Institutionen dagegen sehen sich, so Dobson, viel stärker als Veranstaltungsorte. Der British Council will sich in Zukunft mehr auf Informationsvermittlung spezialisieren. In Zeiten der Informationsflut ist es die wichtige Rolle des British Council dem Interessenten bei der Auswahl behilflich zu sein.

Axel Schneider – Positionen zum Problem der Koordination Axel Schneider kommentiert in seiner Dissertation ”Die auswärtige Sprachpolitik der BRD” die Stellungnahmen der Experten zum Themenkomplex “Wie kann die Arbeit der Mittlerorganisationen effizienter gestaltet und kontrolliert, die ministerielle Zuständigkeit konzentriert werden”, zielgenau und trifft die Ergebnisdarstellung so exakt, dass auf andere Interpretationen im weiteren verzichtet wird: “Joachim Sartorius, seit 1996 Generalsekretär des Goethe-Instituts, betonte in seiner Stellungnahme die Notwendigkeit, gerade für die Region MOE/GUS bei der Sprachförderung Doppelarbeit zu vermeiden. Sein Amtsvorgänger Horst Harnischfeger, als Generalsekretär des Goethe-Instituts 1976 bis 1996 einer der erfahrensten Experten auf diesem Gebiet, wies hier besonders auf die strukturellen Schwächen der Selbstkoordination der Mittlerorganisationen hin, wo‚ mehr oder weniger naturwüchsig Zuständigkeiten und Kompetenzen, Überschneidungen und Überlappungen entstanden seien, die sich vor allem auch auf dem Gebiet der Sprachförderung auswirkten. Harnischfeger zeigte außerdem die besondere Bedeutung des Koordinationsproblems unter den Bedingungen einer zunehmend 103

ungünstiger werdenden Relation zwischen Haushaltsmitteln und Aufgaben in den 90er Jahren auf: ‚Ich betrachte im übrigen die Frage der Mittlerorganisationen auch jetzt auf Deutschland bezogen und die Zentralen unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeiten. Hier haben wir in den vergangenen Jahren den Weg verfolgt, die Mittlerorganisationen sollten die Fragen, die sich möglicherweise als konfliktträchtig erweisen, untereinander klären. Das ist gelegentlich versucht worden, aber ich glaube, es ist eine Illusion, sich vorzustellen, dass verschiedene Mittlerorganisationen sich zusammensetzen und etwa auf Zuständigkeiten und Kompetenzen verzichten. Das ist, glaube ich, für jede Institution das Schwierigste, was sie überhaupt machen kann, und deshalb wird es auch nicht passieren. Es ist für meine Begriffe deshalb an der Zeit, nach rund vierzig Jahren Auswärtiger Kulturpolitik in der Bundesrepublik, in denen vieles, weil immer Geld vorhanden war, entstanden ist und gefördert wurde, sich die Frage zu stellen, ob man nicht die Dinge stärker konzentrieren und damit eigentlich auch mit größerer Effizienz versehen kann. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den großen Bereich Deutsch als Fremdsprache, wo sehr viele Organisationen sehr unterschiedliche, aber doch sich sehr stark überlappende Aufgaben wahrnehmen. Das ist nicht nur für die sogenannte

Pädagogische Verbindungsarbeit der Fall, sondern es werden z.B. Landeskundematerialien von nicht weniger als fünf Organisationen für die ganze Welt hergestellt.‘ Verbesserungsvorschläge aus dem Kreis der Abgeordneten des Deutschen Bundestages wurden zwar diskutiert, führten aber bisher zu keinen konkreten Ergebnissen. So schlug Volkmar Köhler vor zu prüfen, ob das Goethe-Institut und Inter Nationes mittelfristig zusammengeführt werden könnten. Fragen zur Abgrenzung und Koordination der Träger auswärtiger Kulturpolitik enthielt eine Bundestags-Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Altmann und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Mai 1996, die unbeantwortet blieb. Auch ein Antrag von Altmann und den Bundestags-Grünen vom Oktober 1997, der auf eine umfassende Neuordnung der Zuständigkeiten in der auswärtigen Kulturpolitik abzielte, führte nicht zu grundlegenden Reformschritten. Ähnlich wie auf der Sachverständigenanhörung 104

wenige Monate zuvor wurde hier eine Querschnittskompetenz und die Federführung des Auswärtigen Amts in den Belangen der auswärtigen Kulturpolitik sowie eine bessere Abstimmung zwischen den Mittlerorganisationen gefordert. Die Positionen Harnischfegers, Köhlers und Altmanns sind vor allem deshalb bemerkenswert, weil sowohl die Bundesregierung als auch die Repräsentanten der größten Mittlerorganisationen im Zuge der Reformdiskussion zwar Defizite bei der Zusammenarbeit einräumten, als Gegenmaßnahme aber lediglich eine verstärkte Selbstkoordination bei gleichzeitiger Wahrung einer möglichst weitgehenden Autonomie der einzelnen Träger befürworteten. Unabhängige Kritiker der bestehenden Koordinationspraxis, die wie Helmut Glück für weitergehende Eingriffe zur Steuerung der auswärtigen Kulturpolitik vor allem im Sprachsektor eingetreten waren, waren bis dahin von der Bundesregierung und den Mittlerorganisationen immer wieder auf die Effizienz der bestehenden Regulierungs- mechanismen verwiesen worden.”157 So weit die Darstellung Axel Schneiders zu den Kompetenzschwierigkeiten im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik, die in dieser Arbeit an unterschiedlichen Stellen Beachtung findet. (Siehe A1.2., B 1.6....)

3. Die Politik vernachlässigt die Akzeptanz der deutschen Sprache

Unter der Prämisse, dass es Aufgabe der nachhaltigen Kulturpolitik ist, das Recht der Teilhabe Anderer an der Kultur Deutschlands einzufordern, wird diese Teilhabe in Deutschland ermöglicht über die Kenntnis der deutschen Sprache. Wie die PISA- Studie zeigt, ist diese nicht in ausreichendem Maße für Migrantenkinder im Inland gegeben. Deutsch als Fremdsprache im Ausland erbringt letztlich die gleichen Leistungen wie Deutsch als Zweitsprache im Inland.

157 Schneider, Axel: Die auswärtige Sprachpolitik der BRD. Eine Untersuchung zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel- und Osteuropa, in der Sowjetunion und in der GUS 1982 bis 1995. In: Dr. Rabes Doktorhüte, Bd. 2, Helmut Glück, Hg., Bamberg, 2000, S. 165 ff. 105

3.1. Migranten in Deutschland haben schlechte Spracherwerbsbedingungen.

“Auswärtige Kulturpolitik überhaupt fängt im Inland an: Wie gehen wir mit den Fremden um, schützen wir auch deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, wie gehen wir mit Minderheiten um? Nach diesem Verhalten werden wir im Ausland beurteilt.”158 Dies sagt die Präsidentin des Goethe-Instituts bei ihrer Amtsübernahme. Deshalb sei an dieser Stelle der Blick auf Migranten in Deutschland gerichtet und ihre Chancen Deutsch als Fremdsprache so zu erlernen, dass eine volle Teilnahme am kulturellen Leben, wie es die UNESCO- Konferenz 1998 gefordert hat, ermöglicht wird. Im Frühjahr 2001 hat die CDU/CSU Bundestagsfraktion eine ”Große Anfrage zur Verbreitung, Förderung und Vermittlung der deutschen Sprache” in das Parlament eingebracht, deren Diskussion im Januar 2002 erfolgte. Darin antwortet z.B. die Regierung, die Deutschkenntnisse der ausländischen Schüler in Deutschland seien positiv zu sehen. Allerdings gebe es keine repräsentativen Untersuchungen darüber. Allein diese Antwort zeigt vor dem Hintergrund des Ergebnisses der PISA - Studie, wie wenig Interesse und Kenntnisse bei den Verantwortlichen vorhanden ist, wenn es um die Sprachkompetenz von Migrantenkindern geht. Dazu sagt die PISA- Studie: ”Seit 1955 hat sich Deutschland - oder besser die alte Bundesrepublik- allmählich und in Wellen zu einem Einwanderungsland entwickelt. Wenn auch die Dynamik der Zu- und Abwanderung immer erheblich war, überwiegt im Saldo die Zuwanderung. Die Schule ist der beste Spiegel dieses Trends”159. ”Der Anteil unter den Familien mit Migrationshintergrund, in denen die Verkehrssprache des Aufenthaltslandes nicht familiäre Umgangssprache ist, schwankt zwischen einem Drittel und mehr als der Hälfte [...] Die soziale Lage der Zuwandererfamilien ist, solange die Sprachdistanz besteht, in der Regel deutlich ungünstiger als die der einheimischen Familien.160” Die PISA- Studie weist nach, dass der Sprachkompetenzerwerb im hohen Maße von der sozialen Herkunft und Bildungsbeteiligung abhängt. Migrantenkinder haben dabei schlechte Voraussetzungen. In Deutschland sind die Unterschiede zwischen der mittleren

158Bahners, Patrick und Hintermeier, Hannes: Deutsche Kultur braucht keine neuen Etiketten, F.A.Z. vom 21.Mai 2002, S. 52. 159 PISA 2000, Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Deutsches Pisa- Konsortium, Hrsg., Opladen, 2001, S.340. 160 a. a. O. S.351. 106

Lesekompetenz von 15- jährigen aus Familien des oberen und des unteren Viertels der Sozialstruktur am ausgeprägtesten von allen Ländern, in denen getestet wurde.161 Als Risikofaktor für schwache Lesekompetenz gilt schon die Zuwanderung eines Elternteils. Dieses hätte den Verantwortlichen bei der Beantwortung der ”Großen Anfrage zur Verbreitung und Förderung der deutschen Sprache” nicht entgehen dürfen. ”Theoretisch gesehen liegen demnach sehr gute Spracherwerbsbedingungen für den Erwerb der Erst- oder Zweitsprache Deutsch sowie der Migrantensprachen vor, und die Gleichung könnte einfach aufgehen: Natürlicher und gesteuerter Spracherwerb unterstützen gemeinsam bei allen Kindern die Spracherwerbsprozesse der Muttersprache und der Zweitsprache, unabhängig davon, ob es sich um ein Kind deutscher oder nicht-deutscher Muttersprache handelt. Doch die (zweisprachige) Realität schaut in der Praxis leider ganz anders aus: Zu niedrig ist die Zahl der wirklich bilingualen Kinder, die in Mutter- und Zweitsprache eine hohe Kompetenz erreichen, zu hoch dagegen die Zahl der Halbsprachigen in beiden Sprachen, der Kinder und Jugendlichen (und Erwachsenen), die sich in keiner der beiden Sprachen so ausdrücken können, wie sie es möchten. Offensichtlich wirken unter den spezifischen Bedingungen der Migration (und dies nicht nur in Deutschland) Faktoren, die dafür Sorge tragen, dass die eigentlich erfolgversprechende Kombination ‚Förderung der beiden Sprachen in und außerhalb der Schule‘ nicht zu den Ergebnissen führt, die man eigentlich erwarten dürfte.”162 . Weitgehend vernachlässigt werden auch die Sprachkenntnisse von jungen Migranten, die in das Herkunftsland ihrer Familie ausreisen. Die deutsche Beteiligung bei den Anadolu Lisesi in der Türkei war in erster Linie als Rückkehrerleichterung gedacht. Für die vielen Flüchtlingskinder aus Bosnien und dem Kosovo gibt es dazu keine Überlegungen. Dass eine größere Zahl Griechen und Italiener im Laufe ihrer Schulzeit mehrmals hin und her pendelt, findet ebenfalls keine Beachtung.

3.2. Die Deutsche Sprache ist in der EU nicht ausreichend repräsentiert

Einer der Leitgedanken der Stockholmer Konferenz für kulturelle Entwicklung war, die kulturelle Vielfalt zu erhalten. Viele Sprachen werden nicht weiterbestehen, weil ein

161 a. a. O. S 384. 162Kupfer-Schreiner, Claudia: Sprachdidaktik und Sprachentwicklung im Rahmen interkultureller Erziehung. Das Nürnberger Modell. Ein Beitrag gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Weinheim, 1994, S. 59. 107

Verdrängungsprozess eingesetzt hat. “Auch im zusammenwachsenden Europa wird weiter ein friedlicher – und legitimer- Wettbewerb herrschen. Und dieser Wettbewerb besteht nicht nur zwischen den Volkswirtschaften und den außenpolitischen Interessen der Mitgliedsländer, sondern es existiert auch eine Konkurrenz der Sprachen.”163 Deutsch war die erste lebende Literatursprache auf dem europäischen Festland. Es würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen den Nachweis zu erbringen über den Wert des Einsatzes für Deutsch als wichtigem Beitrag der kulturellen europäischen Vielfalt. Alle Mittlerorganisationen haben über ihre speziellen Ausrichtungen hinaus eine gemeinsame Aufgabe: Die Vermittlung der deutschen Sprache. Deshalb empfiehlt es sich an dieser Stelle nach der Rolle der deutschen Sprache in Europa zu fragen. In den Ländern der Europäischen Union nimmt Deutsch als Schulfach kontinuierlich ab. Während bis in die Mitte der neunziger Jahre die Nachfrage, Deutsch zu lernen in Mittelosteuropa anstieg, geht der Wunsch nun auch dort stetig zurück. Die Bemerkung des ehemaligen Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin, Deutsch als Wissenschaftssprache sei ”tot” und die Erklärung der Regierung dazu, das Englische sei Wissenschaftssprache und ”lingua franca”, zeigen, wie gering die eigene Muttersprache bewertet wird und welche Bedeutung ihr von Regierungsseite zugemessen wird. Diese Einschätzung zeigt sich auch in der Konzeption 2000, dem Strategiepapier ”Förderung der deutschen Sprache” des Auswärtigen Amtes. Lapidar wird dort erklärt: “Nach erfreulichem Aufschwung für die deutsche Sprache im Gefolge der Wiedervereinigung flacht sich in den letzten Jahren in vielen Ländern diese Tendenz ab. Ausschlaggebend ist hierbei der Aufstieg des Englischen zur (nahezu) weltweiten lingua franca. [...] Hauptziel der Sprachförderung sind aktuelle und künftige Führungsschichten in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien sowie Angehörige deutscher Minderheiten in Mittel- und Osteuropa.”164 Dem muss man den Gedanken von Franz Stark entgegensetzen: “ Ebenso wie in Wörtern und Begriffsbildungen drückt sich die kulturelle Vorprägung durch die Sprache auch in ganzen Texten und

163 Stark, Franz: Faszination Deutsch. München, 1993,S.14. 164Auswärtiges Amt - Kulturabteilung: Auswärtige Kulturpolitik-Konzeption 2000. Strategiepapier ”Förderung der deutschen Sprache.” Stand: 5.4.2000. 108

Gesprächsstrukturen aus. Dem Aufbau und Verlauf eines Diskurses in Englisch zum Beispiel liegen andere Kulturwerte zugrunde als dem in den kontinentaleuropäischen Sprachen”165

Das Sprachenregime der Europäischen Union Das aufwendige Sprachenregime der Europäischen Union hängt eng mit dem einzigartigen supranationalen Charakter der Gemeinschaft zusammen. Keine andere internationale Organisation verfügt über derart viele Vertrags-, Amts- und Arbeitssprachen wie die EU. Derzeit existieren elf sogenannte Amtssprachen: Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch.166 Mit der Erweiterung im Jahre 2004 kommen noch einmal acht Sprachen hinzu. Grundlegendes Prinzip des gemeinschaftlichen Sprachenregimes ist der Grundsatz der Gleichbehandlung aller nationalen Amtssprachen. Dies führt dazu, dass alle Verträge, die im Rahmen der EU geschlossen werden in allen elf Amtssprachen der fünfzehn Mitgliedsstaaten sowie auf Irisch (=zwölf Vertragssprachen) abzufassen sind. Deutsch ist eine von elf gleichberechtigten Amts- und Arbeitssprachen, wobei zwischen Amts- und Arbeitssprache kein juristischer Unterschied zu erkennen ist. Bei der Verwendung des Deutschen als Arbeitssprache ist zwischen den EU-Organen einschließlich ihrer Dienststellen einerseits und den Verhandlungsgremien der Europäischen Union andererseits zu unterscheiden. So wird die sog. Amtssprache im Sekundärrecht wie z.B. bei Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen verwendet, d.h. sämtliche Organe kommunizieren, bzw. sämtliche Arbeit in den Organen der EU erfolgt in den Amtssprachen. Verordnungen und Schriftstücke von allgemeiner Geltung sind in diesen Sprachen abzufassen [vgl. Art. 4]. Außerdem erscheint das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in den elf Amtssprachen [vgl. Art. 5]. Geregelt ist auch der Gebrauch der Amtssprachen im Schriftverkehr zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten oder deren Angehörigen. So können Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder auch beliebige Bürger des jeweiligen Staates an die

165 Stark, Franz: Faszination Deutsch. München, 1993, S.32 166Verordnung zur Regelung der Sprachenfrage in der EU[Artikel 1, Verordnung Nr. 1/58 EWG/EAG zur Regelung der Sprachenfrage], sowie 12 sog. Vertragssprachen (inklusive 12. Irisch/Gälisch als eigenständige Definition), [Art. 248 EGV, Art. 225 EAGV ]. 109

Organe der Gemeinschaft richten, nach Wahl des Absenders in einer der elf Amtssprachen – z.B. Deutsch – verfasst sein. Die Antwort muss dann von der angesprochenen Einrichtung in derselben Sprache erteilt werden [vgl. Art. 2] selbst wenn im jeweiligen Mitgliedsstaat mehrere Amtssprachen gesprochen werden [vgl. Art. 8]. Genauso verhält es sich mit Schriftstücken, die ein Organ der EU (von sich aus) an einen Mitgliedstaat oder einen Unionsbürger richten [vgl. Art. 3]. Somit können nur EU-Bürger bzw. Mitgliedsländer die Sprache frei wählen, nicht jedoch die Organe der Gemeinschaft. Die Verwendung als Arbeitssprache in den Institutionen selbst ist hingegen nicht ausreichend geregelt, sondern durch die Organe der Gemeinschaft in deren jeweiligen Geschäftsordnungen im einzelnen festzulegen [vgl. Art. 6]. Einzige Ausnahme bildet der Europäische Gerichtshof: hier wird die Sprachenfrage ausschließlich in dessen Verfahrensordnung geregelt [vgl. Art 7]. Die in den beiden Artikeln 6/7 formulierten Modalitäten haben mit verursacht, dass sich einige Amtssprachen zu bevorzugten Arbeitssprachen entwickelt haben. Denn trotz dieser Verordnungen [Art. 1 – 8] lässt die EU – wie Art. 6 verdeutlicht – große Ermessensspielräume zu, was die Auswahl der Amts- bzw. Arbeitssprachen im Alltag betrifft. So erfolgt die interne Arbeit der Organe und Dienststellen schon aus Kostengründen weitgehend ohne Übersetzung in den Abeitssprachen Englisch und Französisch. Im Gegensatz zu den Organen der Europäischen Union werden in deren Verhandlungsgremien grundsätzlich alle Amtssprachen gedolmetscht und übersetzt. Im Hinblick auf Mittelosteuropa machte sich Franz Stark 1993 über die Zukunft der externen europäischen Verkehrs- oder internen Arbeitssprache Deutsch Gedanken: ”Die Zukunft der europäischen Verkehrssprache Deutsch hängt nicht nur vom Umfang des Engagements im Osten ab, sondern auch vom Ansehen und vom Gebrauch dieser Sprache in den europäischen und den internationalen Institutionen, mit denen die Osteuropäer immer stärker in Berührung kommen. Die Erfahrungen, die sie bislang dort machen müssen, ermuntern sie nicht unbedingt, auch künftig noch Deutsch zu lernen. Dabei besäße Deutsch alle Voraussetzungen einer wichtigen europäischen Verkehrssprache. Der Raum, in dem es gesprochen wird, liegt im Zentrum des Kontinents und besitzt mit 93 Millionen die größte Zahl muttersprachlicher Sprecher. Die Zahl der Fremdsprachsprecher lässt sich (bei allen Sprachen) weniger verlässlich ermitteln. Doch kann hier eine Erhebung, die das Londoner Gallup-Institut für das westliche Europa durchführte, zumindest einen Anhaltspunkt liefern. Danach gaben etwa 27 Millionen Erwachsene Deutschkenntnisse und 110

39 Millionen Französischkenntnisse an. Addiert man diese Zahlen mit jenen der Muttersprachler, so wird schon in Westeuropa Deutsch von mehr Menschen gesprochen als Französisch (ca. 120 gegenüber ca. 100 Millionen). Der Abstand vergrößert sich jedoch erheblich, wenn man das östliche Europa mit einbezieht. Für diesen Raum liegt keine Gesamterhebung vor; es existieren nur Einzeluntersuchungen für einen Teil der Länder, und diese stammen auch unterschiedlichen Zeiträumen Trotzdem erlauben sie den Schluss, dass dort wenigstens 40 Millionen Menschen Deutsch sprechen, während Französisch im östlichen Europa nur gering verbreitet ist. Nimmt man West- und Osteuropa zusammen, so reicht die Sprecherzahl des Deutschen fast an das Englische heran. [ Trotz dieser Zahlen und Fakten spielt die deutsche Sprache praktisch keine Rolle in den meisten europäischen Institutionen. In den folgenden Organisationen hat Deutsch weder den Status einer internen Arbeits- noch den einer externen Verkehrssprache:

- EU-Kommission, Brüssel (engl., frz.)

- Europarat, Straßburg (engl., frz.)

- Westeuropäische Union WEU, London (engl., frz.)

- Europäische Freihandelsorganisation EFTA, Genf (engl., frz.)

- Europäische Weltraumorganisation ESA, Paris (engl., frz.)

- Europäische Rundfunkunion, Genf (engl., frz.) Unverständlich ist, dass ausschließliche Arbeitssprache der Europäischen Zentralbank, mit Sitz in Frankfurt am Main, Englisch ist. Die gleiche Situation ergibt sich für nahezu alle in Europa angesiedelten Sitze oder Filialen internationaler Organisationen. Die Ausklammerung der deutschen Sprache in diesen Organisationen verschlechtert zweifellos ihre Zukunftschancen auch dort, wo sie (noch) Verkehrssprache ist. Wenn Ungarn, Tschechien, Polen oder Russland mit der EU und anderen europäischen Organisationen nicht mehr auf Deutsch verkehren können, dürfte längerfristig auch ihr Interesse an dieser Sprache erlahmen. Auf Verblüffung und Unverständnis stößt man dort schon jetzt, dass die Deutschen selbst ihre Sprache so wenig verteidigen.”167 Helmut Glück meint dazu: ”Eine Weltsprache war das Deutsche nie. Aber es war einige Generationen lang eine der großen internationalen Sprachen, namentlich in den Wissenschaften. Traditionell wurde Deutsch vor allem in Nord-,

167 Stark, Franz: Faszination Deutsch. Die Wiederentdeckung einer Sprache für Europa. München, 1993, S.295 ff. 111

Mittel- und Osteuropa als Fremdsprache gelernt. [...] Das Deutsche ist Amts- und Arbeitssprache der Europäischen Union - offiziell. In der Praxis wird das Deutsche allerdings kaum verwendet, und Fälle von absichtlicher Diskriminierung sind belegt. Deshalb ist es abwegig, dass die Regierung verspricht, sich `auch weiterhin für eine Festigung der Position der deutschen Sprache einzusetzen` - inexistente Positionen kann man nicht festigen, allenfalls anstreben. [...] Die Regierung verschweigt, dass die Sprachpolitik der anglophonen Länder offensiv angelegt und sehr erfolgreich ist, dass die vergangenen Jahre dem Deutschen als Fremdsprache vor allem Rückschläge eingebracht haben, dass inzwischen absehbar ist, was Außenminister Fischer im Sommer 2000 als Menetekel an die Wand gemalt hatte: die kulturelle Außenpolitik werde `in einem bloßen weiter so etablierter Strukturen ersticken.` Dafür trägt er die Verantwortung.”168

Die Amtssprachen im Europäisches Parlament Das Europäische Parlament hat den Grundsatz der Gleichberechtigung aller nationalen Amtssprachen bisher am konsequentesten umgesetzt. So werden alle Schriftstücke des Parlaments in den Amtssprachen abgefasst, Ausführungen in einer der Amtssprachen werden simultan in alle anderen Amtssprachen übersetzt [vgl. Art. 102 der Geschäftsordnung des Parlaments]. Diese absolute Gleichstellung der Amts- und Arbeitssprachen erklärt sich vornehmlich aus der unmittelbar demokratischen Legitimation des Europäischen Parlamentes. So stellt das Parlament ein direkt gewähltes Repräsentativorgan aller Völker der Gemeinschaft dar. Außerdem sieht sich das Parlament – auch hinsichtlich der Sprachenfrage – den demokratischen Prinzipien (keine Einschränkung der Wählbarkeit aufgrund fehlender sprachlicher Fähigkeiten) bzw. der unterschiedlichen kulturellen Identität Europas verpflichtet. Dennoch kommt es besonders in den vorbereitenden Arbeiten und in den Ausschusssitzungen häufig und aus rein praktischen Gründen (zeitlicher und materieller Art) vor, dass nur eine begrenzte Zahl der Arbeitssprachen zur Anwendung gelangt. Allerdings ist im Europäischen Parlament im Einzelfall auch der entgegengesetzte Fall möglich, also beispielsweise eine Einbeziehung von Minderheitensprachen wie Katalanisch oder Baskisch.

168 Glück, Helmut: Deutschland zerstört seine Muttersprache. F.A.Z. vom 24.1.2002, S.45. 112

Gemeinschaftssprachen im Rat und der Europäischen Kommission Nicht gewährleistet ist die Gleichbehandlung aller Amtssprachen auf Regierungskonferenzen und bei Beratungen des EU-Ministerrates. Im Gegensatz zum Parlament hat sich in Rat und Kommission die Gewohnheit herausgebildet häufiger nur in den drei verbreitetsten Gemeinschaftssprachen Englisch, Französisch und in begrenztem Maße auch Deutsch zu arbeiten bzw. zu verhandeln. Obwohl vom Prinzip der Sprachengleichheit laut der Geschäftsordnung des Rates nur aus Dringlichkeitsgründen (nach einstimmigem Beschluss) abzuweichen ist [vgl. Art. 10 GO], wird dieses Prinzip in der Praxis durch die ”Drei- Sprachen-Regelung” durchbrochen. Noch deutlicher wird in der Kommission verfahren: In deren Verfahrenshandbuch ist festgelegt, dass die Dokumente, die der Kommission vorgelegt werden sollen, in den für die Bedürfnisse der Kommissionsmitglieder erforderlichen Sprachen zu übergeben sind. Konkret bedeutet dies, dass nach außen gerichtete Dokumente in allen Amtssprachen vorgelegt werden, für den internen Dienstgebrauch bestimmte dagegen nur in den Arbeitssprachen Französisch, Englisch und Deutsch. In beiden Institutionen ist allerdings zu beobachten, dass bei dieser Regelung ein deutlicher Rückstand im Gebrauch der deutschen Sprache vorliegt. Französisch und Englisch dominieren klar, was zum Teil sicherlich auf die französisch inspirierte Verwaltungstradition der Brüsseler Gremien und deren langjährige, meist französische Führungskräfte (man denke nur an den Verfechter französischer Interessen, Jacques Delors) zurückzuführen ist. Nicht zuletzt mögen auch die persönlichen sprachlichen Präferenzen der einzelnen Beamten eine Rolle bei der Benachteiligung des Deutschen als Arbeitssprache spielen. (So gaben 1994 in einer Umfrage 70% der höheren Beamten der Kommission Französisch oder Englisch als erste oder zweite ”Lieblingssprache” an, dagegen nur 15% Deutsch.)

Sprachenfrage im Europäischen Gerichtshof Die Regelungen zur Sprachenfrage im Europäischen Gerichtshof unterscheiden sich wegen dessen offizieller Funktion erheblich von denen der politischen Organe. Einerseits sind wegen des Grundsatzes auf rechtliches Gehör alle nationalen Amtssprachen zuzüglich Irisch gleichzeitig auch Verhandlungssprachen, andererseits sollen einzelne Gerichtsverfahren aus prozessökonomischen Gründen immer nur in einer Sprache geführt werden. Die Wahl der Vertragssprache liegt grundsätzlich immer beim Kläger, Abweichungen sind nur auf Antrag 113

möglich. Alle Beteiligten haben sich dann dieser einheitlichen Verfahrenssprache zu bedienen. Dies gilt sowohl für die mündliche Verhandlung als auch für sämtliche Schriftsätze (z.B. Protokolle oder Urteile). Als Konsequenz daraus ist jedes Verfahren auf Dolmetscher sowie umfangreiche Übersetzungen angewiesen. Die Richter bedienen sich untereinander in nichtöffentlichen Beratungen je nach Situation so pragmatisch wie möglich einer Sprache, die sie gemeinsam beherrschen. Lange Zeit war dieses ausschließlich Französisch. Begründet wurde diese höchst fragwürdige Praxis u.a. mit der Vertraulichkeit der Beratungen, die keine Dolmetscher zulasse. Dieses Argument überzeugt jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht: Erstens wird auch in anderen, nicht minder vertraulichen Sitzungen (Rat, Kommission) gedolmetscht, zweitens ist nicht einzusehen, dass ausgerechnet Französisch diese Rolle einnimmt, was unter Umständen auch ein gewisses ”französisches Rechtsdenken” bzw. sprachliches Fachverständnis voraussetzt. Auch im Gerichtshof war es daher wünschenswert, dass in informellen Besprechungen die ”Drei-Sprachen-Regelung” Einzug halten konnte. Das Englische und das Deutsche, als für alle Richter doch wohl zumindest passiv beherrschte Sprachen, sollten in den internen Beratungen angewandt werden. Die Entscheidungen des Gerichtshofes müssen jedoch in allen elf Amtssprachen (ohne Irisch) und ab 2004 in weiteren acht Amtssprachen veröffentlicht werden. In sämtlichen Nebenorganen und nachgeordneten Institutionen der Gemeinschaft gilt grundsätzlich das Prinzip der Gleichberechtigung der nationalen Amtssprachen. Vielfach erfolgt jedoch auch dort in unterschiedlichem Umfang eine Reduzierung auf die drei ”großen” Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch, bzw. auch teilweise auf ein ”Fünf Sprachen- Reglement”, bestehend aus Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch, zukünftig wohl erweitert um Polnisch. Europa ist trotz aller Bemühungen noch weit von einer tatsächlichen gemeinschaftlichen Identität entfernt, nationale Interessen ihrer Mitgliedsstaaten erschweren leider nach wie vor eine partnerschaftliche, d.h. sprachlich gleichberechtigte, Zusammenarbeit. Die Verant- wortlichen in der Politik müssten sich für eine akzeptable Repräsentation der deutschen Sprache einsetzen, die den Anteil der Deutschsprachigen im EU Bereich widerspiegelt. Sie sollten die Angebote der Goethe-Institute zur sprachlichen Förderung der Beamten publik machen. Es reicht nicht, dass gerade einmal zwei Gruppenkurse mit 29 EU-Bediensteten, sowie 7 Individualkurse 1997 durchgeführt werden konnten. Es ist allerdings kein Wunder, dass die Kurse von der Verwaltung der EU nicht angenommen wurden, wenn man auch ohne 114

Deutsch durchkommt. Abschließend lässt sich sagen, dass Deutsch immer noch unterprivilegiert ist, trotz der Bemühungen des Goethe-Instituts, die Deutschkenntnisse der EU-Bediensteten zu verbessern. Die Auswärtige Kulturarbeit kann dazu ihren Beitrag leisten, wenn die Politik sie unterstützt. Pavel Cink aus dem Prager Erziehungsministerium berichtete auf der Internationalen Deutschlehrertagung im August 2001 in Luzern, “dass sogar die deutschen EU-Beamten im beruflichen Umgang kaum Interesse an der Pflege ihrer Muttersprache zeigten; immer wieder werde er, der das Deutsche fließend beherrscht, von diesen aufgefordert, mit ihnen Englisch zu reden.”169 Wenn dann in der Resolution der Deutschlehrertagung170 Mehrsprachigkeit und die Förderung der deutschen Sprache als Zweit-Dritt- oder Viertsprache als Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Friedensförderung benannt wird, so ist es auch Aufgabe der Auswärtigen Kulturpolitik und Kulturarbeit, dieses auch im Interesse für die nachfolgenden Generationen in die Praxis umzusetzen.

169 Gassmann, Michael: Laut und deutlich. Die Schweiz zum Mitschreiben: Deutschlehrer tagen in Luzern. IN: FAZ vom 3.8.2001. 170 Mehrsprachigkeit, Resolution zur Deutschlehrertagung. In: FAZ vom 6.8.2001. S.41 115

C Goethe-Institute und Deutsche Schulen und ihr Reformbedarf

1. Auswahlkriterien

Die Auswahl orientiert sich an der Neugliederung der Regionen des Goethe-Instituts Inter Nationes in Europa. Aus den alten Regionen des Goethe-Instituts schälten sich im Jahre 2001 im Zuge der Umstrukturierung des Goethe-Instituts Inter Nationes die Regionalinstitute London, Paris, Prag, Athen und Moskau heraus, wobei man trefflich über den Zuschnitt der neuen Regionen streiten kann. Die folgende Tabelle ist dem Anhang zur Präsidiumssitzung des Goethe-Instituts Inter Nationes vom 19. 9. 2001 entnommen und gibt Aufschluss über die geplante Neuaufteilung der Regionen und Regionalinstitute:

Region: Standorte: Regionalinstitut: Anzahl: Nord-West-Europa Brüssel, Amsterdam, London 9 Länder, 12 Institute Rotterdam, Luxemburg, London, Manchester, Glasgow, Dublin, Stockholm, Oslo, Kopenhagen, Helsinki Süd-West-Europa Paris, Bordeaux, Lille, Paris 4 Länder, 17 Institute Lyon, Nancy, Toulouse, Madrid, Barcelona, Lissabon, Porto, Rom, Mailand, Genua, Triest, Neapel, Palermo Mittelost-Europa Prag, Warschau, Prag 7 Länder, 8 Institute Krakau, Budapest, 116

Bratislava, Riga, Tallinn, Vilnius Süd-Ost-Europa Athen, Thessaloniki, Athen 8 Länder, 12 Institute Ankara, Istanbul, Izmir, Tel Aviv, Jerusalem, Bukarest, Sofia, Belgrad, Zagreb, Sarajewo

Es zeigte sich, dass der beabsichtigte Zuschnitt der Regionen bis zur folgenden Präsidiumssitzung verändert wurde. Die Regionalinstitute für Europa sind jedoch festgelegt. Bei der Präsidiumssitzung des Goethe-Instituts Inter Nationes vom 21. 11. 2001 heißt es unter dem Tagesordnungspunkt: “Neugliederung der Regionen und Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands: Das Institutsnetz des GIIN (z. Zt. 128 Kulturinstitute) ist derzeit in 16 Regionen gegliedert. Die einzelnen Regionen weisen eine - einerseits historisch gewachsene, andererseits durch die Umstrukturierungsprozesse der vergangenen Jahre entstandene - höchst unterschiedliche Struktur hinsichtlich der darin zusammengefassten Länder und Institute auf. Diese reicht von einer äußerst kleinräumigen Gliederung vor allem in Europa: ein Land = eine Region (z. B. Frankreich, Italien mit 6-7 Instituten) bis hin zu einer nahezu kontinentalen Gliederung etwa in Subsahara Afrika: 9 Länder = eine Region (mit je einem Institut pro Land). Unabhängig von der regionalen Zugehörigkeit wurden die Institute bislang als individuelle Arbeitseinheiten vom Generalsekretär des GI gesteuert. Mit der Fusion von Gl und IN wurde eine grundlegende Veränderung in der Steuerung der GIIN-Arbeit eingeleitet. [...] Die Veränderungen betreffen im Wesentlichen den Großraum Europa, der ausgehend von der bisherigen feingliedrigen Struktur von acht Regionen in der Vorausschau der Osterweiterung der EU in künftig vier Regionen neu gegliedert wird. Das GI Brüssel erhält im Hinblick auf die für das gesamte GIIN wahrzunehmenden EU-Aufgaben (Schnittstelle zur EU- Kommission, zu EU-Projekten, EU-fundraising) eine Sonderrolle.”171 Auch hier ist die geplante Neugliederung wieder tabellarisch dargestellt: “

171 Goethe-Institut Inter Nationes: Anhang zur Präsidiumssitzung vom 21. 11. 2001. 117

Region: Länder: Institutsorte: Regionalinstitut: Anzahl: Nord-West-Europa Großbritannien, London, London 8 Institute Irland, Schweden, Manchester, Norwegen, Finnland, Glasgow, Dublin, Dänemark Stockholm, Helsinki, Kopenhagen, Oslo Süd-West-Europa Frankreich, Spanien, Paris, Lyon, Paris 17 Institute Portugal, Italien Bordeaux, Nancy, Toulouse, Lille, Madrid, Barcelona, Lissabon, Porto, Rom, Mailand, Neapel, Turin, Genua, Triest, Palermo Mittelost-Europa Polen, Tschechien, Bratislava, Prag 8 Institute Slowakei, Ungarn, Budapest, Riga, Estland, Lettland, Warschau, Krakau, Litauen Prag, Vilnius, Tallinn Süd-Ost-Europa Bulgarien, Sofia, Bukarest, Athen 12 Institute Rumänien, Kroatien, Zagreb, Belgrad, Jugoslawien, Sarajewo, Athen, Bosnien- Thessaloniki, Herzegowina, Ankara, Istanbul, Griechenland, Izmir, Tel Aviv, Türkei, Israel Jerusalem Osteuropa/ Russland, Moskau, St. Moskau 7 Institute Zentralasien Weißrussland, Petersburg, Minsk, Ukraine, Georgien, Kiew, Tiflis, Kasachstan, Almaty, Taschkent Usbekistan 118

Ziele der Neugliederung: 1. Verstärkung und Intensivierung der unmittelbaren Führungs- und Steuerungsmöglichkeit der Regionen durch die drei für die Auslandsinstitute zuständigen Mitglieder des Vorstands. Künftig wird ein Mitglied des Vorstands die Steuerung von 4 Regionen übernehmen. Die verbleibenden 12 Regionalbeauftragten übernehmen die Steuerung von maximal 13 Instituten. Einzige Ausnahme ist die neue Region ‚Süd-West-Europa‘ (Frankreich, Iberische Halbinsel, Italien) mit 17 Instituten. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass fünf der 17 Institute infolge der Umstrukturierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren teilgeschlossen bzw. in Außenstellen umgewandelt wurden. Der Steuerungsaufwand in der Region wird hier durch die Festlegung arbeitsteiliger, aufgabenbezogener Zuständigkeiten von Institutsleitern in den Ländern kompensiert. 2. Straffung der strategischen Führung in einem integrierten Europa durch Verringerung der Zahl der Regionen von bisher 7 auf künftig 4 Regionen. Durch die Zuordnung von künftig 4 Regionen zu einem Mitglied des Vorstands bzw. von 45 Instituten zu 4 Regionalbeauftragten wird ein hohes Maß an einheitlicher Führung und Steuerung garantiert. 3. Schaffung der strukturell-administrativen Voraussetzungen für die strategische Steuerung: Die in ihrer Größe (Zahl der Länder bzw. Institute) und Komplexität vergleichbaren Regionen bilden einen überschaubaren und handhabbaren Rahmen für die strategische Planung (Rahmenplanung für die Regionen, Planungsverfahren), die finanzielle und personelle Ressourcenplanung (Budgetierung der Projektmittel, Budgetierung der Betriebsmittel, KLR und Controlling, Personalbedarfsermittlung) wie auch für die Weiterentwicklung der neuen Führungsstruktur (Dezentralisierung).”172

Die Länderauswahl erfolgte unter der oben aufgezeigten Schwerpunktsetzung in Europa. Die Regionalinstitute London für Nord-West-Europa, Paris für Süd-West-Europa, Prag für Mittelost-Europa und Moskau für Osteuropa finden sich in meiner Bearbeitung. Für die Region Südost-Europa wählte ich Istanbul statt Athen, da ich leichteren Zugang zur Türkei

172 Goethe-Institut Inter Nationes: Anhang zur Präsidiumssitzung vom 21. 11. 2001. 119

habe, die Türkei außerdem ein islamisches Land ist, und ich eigene Erfahrungen mit dem türkischen Erziehungswesen habe. Zur Region Nord-West-Europa wählte ich Stockholm, welches bei der alten Regionenverteilung die tragende Rolle in Nord-Europa spielte. Stockholm war außerdem Kulturhauptstadt Europas im Jahr 1998 und beherbergte die UNESCO-Konferenz für lebenslanges Lernen 1998, an der Delegierte aus 150 Nationen teilnahmen. Für Süd-West--Europa brachten die aktuelle Entwicklung und die Schließungspläne für das Institut Neapels mit sich, dieses in die Arbeit aufzunehmen. Porto wurde im Zusammenhang mit der Schließung des Goethe-Instituts in Coimbra wichtig. Die Bürgerbewegung für den Erhalt der Institute war in Neapel erfolgreich, in Coimbra nicht. Portugal hat als Land am Rande Europas intensive kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen nach Südamerika. Hier war es von Interesse, die Entwicklung eines neuen Mitglieds der EU im kulturellen Kontext zu betrachten. In der Region Mittelost-Europa wurde die Slowakei miteinbezogen. Damit sind also folgende Länder in die Untersuchung eingegangen:

Großbritannien: Goethe-Institut London, Deutsche Schule London, Frankreich: Goethe-Institut Paris, Deutsche Schule Paris, Schweden: Goethe-Institut Stockholm, Deutsche Schule Stockholm, Tschechien: Goethe-Institut Prag, Deutsche Schule Prag, Slowakei: Goethe-Institut Bratislava, Poprad, Italien: Goethe-Institut Neapel, Portugal: Goethe-Institut Porto, Deutsche Schule Porto, Türkei: Goethe-Institut Istanbul, Deutsche Schule Istanbul, GUS: Goethe-Institut Moskau, Deutsche Schule Moskau. 120

Die Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht in einigen Ländern werden vorgestellt, ebenso die Beschreibung der Goethe-Institute in den oben genannten Städten sowie Interviews wiedergegeben. Für London und Prag werden eine exemplarische Interviewserie und umfangreiche Berichte vorgestellt. In diesem empirischen Teil der Arbeit erfolgt auch eine differenzierte Beschreibung der deutschen Schulen. Die organisatorischen und strukturellen Grundlagen sind im Teil B unter 2.2. “Auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen mit dem Schwerpunkt Europa” ausgeführt. Teil C dient der Vorstellung der Goethe-Institute und Deutschen Schulen in Europa, deren Mitarbeiter an der Befragung durch die Fragebögen Teil D teilgenommen haben. Folgende Deutsche Schulen werden beschrieben: Die Deutsche Schule London, eine aus der Tradition bevorzugte deutsche Auslandsschule in ausgezeichneter Lage in der Nähe von London, ermöglicht ihren Absolventen das Antreten eines Studiums im Gastland. Die Deutsche Schule Paris hat mit starker Konkurrenz zu kämpfen. Andere Schulen bieten ein interkulturelles und preiswerteres Angebot. Die Deutsche Schule Stockholm, vom Königreich Schweden mitfinanziert, ist eine Begegnungsschule mit bikulturellem Schulziel. Sie endet mit dem deutschen Abitur und bietet auf Wunsch auch ein schwedisches Abschlusszeugnis. Die Deutsche Schule Prag ist zusätzlich ein pädagogisches Fortbildungszentrum für Lehrer für die Region Osteuropa. Die Schulleitung ist bestrebt, eine Begegnungsschule zu entwickeln, was auch aus den Interviews hervorgeht. Die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad ist eine von drei Abteilungen. Neben der slowakischen Sektion und der fremdsprachlichen Sektion ist sie als drittes Angebot die bilinguale Sektion mit Slowakisch und Deutsch als Unterrichtssprache. Sie endet mit der deutschen Reifeprüfung und dem slowakischen Abitur. Zwei Drittel der Schüler sind Mädchen, zwei Prozent der Schüler sprechen Deutsch als Muttersprache. Die Deutsche Schule Porto ist eine deutschsprachige ausländische Privatschule mit der Anerkennung durch das portugiesische Unterrichtsministerium. Dadurch können Schüler jederzeit in das portugiesische Schulsystem wechseln. Um eine Universität zu besuchen, müssen sie entsprechend ihrem Studienwunsch Zulassungsarbeiten schreiben. Die Deutsche Schule Istanbul, das Alman Lisesi, ist ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium. Es nimmt eine Sonderrolle ein: Die türkische Schulreform betrifft die Deutsche Schule Istanbul beträchtlich, weil sie zwar eine von Deutschland geförderte Schule ist, aber auch den Vorgaben des türkischen Erziehungsministeriums unterliegt. 80 Prozent der Schüler sind 121

Türken, drei Viertel davon Jungen. Das Alman Lisesi wurde gegründet, als Deutschland als erster Verbündeter und Vorbild gesehen wurde. Es erhielt seine Bestätigung zur Zeit Atatürks. Jetzt ist es eine Schule für die gehobene Schicht und bietet die Möglichkeit, einen internationalen Hintergrund zu finden. Hier bekommen die Schüler auch eine Studienberechtigung für Deutschland, was sonst in der Türkei so leicht nicht zu erreichen ist.

2. Großbritannien

2.1. Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht in Großbritannien

Kulturpolitische Beziehungen zu Deutschland173 Rechtliche Grundlage für kulturpolitische Austauschbeziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien bildet das Kulturabkommen vom 17. April 1959. Großbritanniens politische Beziehungen zur EU und insbesondere zu Deutschland waren in den zurückliegenden Jahrzehnten - trotz gemeinsamer Mitgliedschaft in EU und NATO - von verhaltener Kritik, teilweise auch von Ablehnung geprägt. Der Regierungswechsel von den konservativen Tories hin zu New Labour mit dem europafreundlichen Vorsitzenden und jetzigen Premierminister Blair, lassen allerdings auf eine Verbesserung und Intensivierung in den Beziehungen zu Deutschland hoffen. Auch die Option, der europäischen Währungsunion vielleicht in Zukunft beizutreten, dürfte diesen Trend unterstützen. Eine stark antieuropäische und antideutsche Position nehmen allerdings die in England dominierenden Medien des australisch-amerikanischen Unternehmers Rupert Murdoch ein. Vor allem dessen Boulevard- Blätter Sun oder Daily Mirror bedienen sich nur allzu oft eines Jargons, der die, in der Nazizeit berechtigten, Stereotypen besetzt. Besonders die Europäische Union und deren fortschreitende Integration wird in diesem Umfeld als ein Instrument zum Erreichen deutscher Großmachtinteressen dargestellt. Die oft einseitige Darstellung Deutschlands in den

173Auswärtiges Amt: Auf der Grundlage der Länderkonzeption der Sprachförderung Großbritannien, erarbeitet von GI, DAAD und Fachberater unter Koordination der Deutschen Botschaft, London. Stand: 1. Juli 1998.

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englischen Medien beklagte auch Michael Naumann 1999 in seiner Eigenschaft als Kulturstaatsminister, was in Großbritannien eine lebhafte Diskussion auslöste. Der Leitartikel im “Spiegel”, vom 27.5.2002, in dem aus Anlass des Thronjubiläums das britische Königshaus kritisiert wurde, rief wiederum heftige Reaktionen der britischen Presse hervor, gespickt mit Vorurteilen über Deutschland und die Deutschen. Aufgrund dieser tendenziell kritischen bis negativen Einstellung seitens der veröffentlichten Meinung fällt es der jetzigen Regierung schwer, gegen den Willen der Bevölkerung entscheidende Schritte in Richtung mehr europäische Integration zu gehen, wobei sich immerhin der politische Wille dahingehend verstärkt hat. Im wirtschaftlichen Kontext dagegen hält sogar die proeuropäische Labour-Regierung eine deutliche Distanz zu den kontinentaleuropäischen Regierungen. Hierin spiegelt sich eine grundsätzlich andere Einstellung in Bezug auf ökonomische Freiheit und die Rolle des Staates wieder. Die Erfolge Großbritanniens hinsichtlich des Abbaus der Arbeitslosigkeit, der Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums (gemessen an der Veränderung des realen Bruttoinlandprodukts) oder der höheren Investitionsquote haben die Labour-Regierung darin bestärkt, in wirtschaftspolitischer Kontinuität zur konservativen Vorgängerregierung und auf Distanz zu kontinentaleuropäischen Modellen zu bleiben. In der Fremdsprachenausbildung weicht Großbritannien ebenfalls vom Rest Europas ab. Durch die Rolle der Muttersprache als Weltsprache besteht für die meisten Briten kein Anlass, Fremdsprachen zu erlernen. Auch die geografisch-geschichtliche Orientierung Englands am Commonwealth und die emotionale Distanz zum Kontinent finden in dieser geringen Fremdsprachbereitschaft ihren Ausdruck. So kommt es, dass die Kenntnis einer Fremdsprache in Großbritannien im Vergleich zu anderen EU-Ländern unterdurchschnittlich verbreitet ist. Obgleich sich Irland in seiner politisch-gesellschaftlichen Struktur sowie in seiner Einstellung zu Deutschland maßgeblich von Großbritannien unterscheidet, bildet es mit diesem für die Arbeit des Goethe-Instituts dennoch eine organisatorische Einheit. 123

Charakteristik des Bildungswesens in Bezug auf Deutsch als Fremdsprache174 Das für Bildungsfragen zuständige Ministerium “Department for Education and Employment (DfEE)” überträgt die verschiedenen Bildungsaufgaben auf staatliche oder staatlich geförderte Institutionen. Obligatorische Schulpflicht besteht für Kinder im Alter zwischen 5 und 16 Jahren, wobei sich die Schulen in Primar- (Primary Schools, 5 - 11 Jahre) und Sekundarstufe (Secondary Schools, 11 - 16 Jahre) untergliedern. Insgesamt ist das Bildungswesen vielfältiger als in Deutschland. So entfallen etwa 35% des Schulangebots auf die diversen Privatschulen (wenngleich sie nur ca. 8% der Schüler unterrichten). Spiegelbildlich zur Gesellschaft ist auch das Bildungssystem von einem ausgesprochenen Klassenbewusstsein geprägt, d.h. die Universitäten, Colleges und Schulen weisen eine starke Image-Hierarchie auf. Diese gründet allerdings auch auf Qualität, wie die Bestenlisten der Abschlussprüfungen belegen, welche von Absolventen privater Träger angeführt werden. Parallel zur Vielfalt der Bildungseinrichtungen sind die Universitäten und Schulen in Verwaltung, Lehr- und Unterrichtsangebot und Personalbewirtschaftung autonom. Die Abschlussprüfungen GCSE (General Certificate in Secondary Education) und A-Level, die dem deutschen Abitur entsprechen, werden von ebenfalls unabhängigen Prüfungsboards entworfen und kontrolliert. Die Schulen können sich dabei aussuchen, an welchem Prüfungsgremium sie sich ausrichten wollen. Ähnlich verhält es sich mit der Fremdsprachenausbildung: Innerhalb bestimmter Vorgaben entscheidet allein der Schulleiter über das Angebot von Fremdsprachen an seiner Schule. Festzuhalten ist, dass Schottland im Bildungswesen weitgehend autonom ist. Ziel der traditionsreichen Universitäten, Colleges und Schulen ist neben der rein fachlichen auch die persönliche Bildung der Schüler und Studenten im Sinne von “social values". Um dies zu erreichen und eine individualisierte und binnendifferenzierte Unterrichtsmethodik zu verwirklichen, sind die Bildungsgänge generell stärker “verschult". Die Lehrerschaft ist im Vergleich schlecht bezahlt und steht vom sozialen Image her weit unten auf der Skala. Besonders drastisch fällt diese Missachtung für die Fremdsprachenlehrer aus, die in der Mehrzahl nach dem Studium versuchen in die Wirtschaft abzuwandern. Obwohl das Thema “Education" auf der Prioritätenliste der Regierung ganz oben steht, ist zu befürchten, dass die Bedeutung der Fremdsprachenausbildung - insbesondere die Stellung von

174Diverse Formulierungen meines Mitarbeiters Thomas Hertlein wurden in den Teil C 2-10 aufgenommen. 124

Deutsch - nach der Umsetzung des “National Curriculum" im Jahre 2000 weiter abnehmen wird. Der Schwerpunkt dieser Bildungsreform liegt vor allem in der Verbesserung der schriftlichen Fertigkeiten, vor allem in der Förderung der drei großen "R" im Primarschulbereich: reading, writing und arithmetic. Die Verbesserung der Fremdsprachenausbildung ist dabei nicht vorgesehen, was der allgemeinen Geringschätzung und der generell untergeordneten Rolle der Fremdsprachen in Großbritannien entspricht. Erstaunlich wirkt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ausgerechnet die britische Presse vor einer neuen Isolation Großbritanniens im Zeitalter der Globalisierung der Arbeitsmärkte und vor einer kulturellen Verarmung durch den Mangel an Fremdsprachenkenntnissen warnte. Gleichwohl ist die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Sprachkenntnissen im Sinne einer “employability" offenbar die Hauptmotivation des “Department for Education and Employment (DfEE)”. Als Maßnahme zur Förderung der Fremdsprachenausbildung wurde immerhin die Einrichtung von 50 Language Colleges vollzogen, die alle auch Deutschunterricht anbieten. Schulen können sich bei entsprechenden Angeboten und curricularen Schwerpunkten für diesen Status bewerben. Obwohl vom nationalen Curriculum nicht vorgeschrieben, setzt sich die Einführung einer Fremdsprache in der Praxis bereits schon in der Primarstufe durch (ca. 25% der Schulen).

Stellung von Deutsch im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen Im “National Curriculum” ist nur eine Fremdsprache Pflicht. Durch weitere curriculare Auflagen werden Fremdsprachen jedoch an den Rand gedrängt. Deutsch als Fremdsprache steht zwar mit weitem Abstand zu Französisch an zweiter Stelle, führt aber in absoluten Schülerzahlen gemessen eher eine Randexistenz. Der exorbitant hohe Vorsprung des Französischen liegt sowohl in dessen traditioneller Rolle als Kultursprache und Nachbarschaftssprache begründet, als auch in dem Ruf des Deutschen als schwierige und eher spröde Sprache. Selbst bei dem Wunsch, Deutsch an den Schulen wirklich zu etablieren, scheuen viele Schulleiter oft die damit verbundenen Mühen bei der Realisierung, zumal im Falle des Französischen die curricularen und personellen Voraussetzungen weitaus günstiger sind. Erschwerend hinzu kommt ein seit einigen Jahren ungebrochener Trend hin zum Spanischen. Die Rolle von Deutsch als Fremdsprache entspricht damit keineswegs den gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftspolitischen Realitäten, denn Deutschland ist Großbritanniens zweitwichtigster Handelspartner. 125

Im Primarschulbereich ist nach dem “National Curriculum” zwar keine Fremdsprache vorgesehen, in der Realität bieten die Schulen jedoch mehrheitlich ein entsprechendes Programm an. 95% der Schüler optieren dabei für Französisch, ca. 3% für Deutsch. Besonders im Raum Manchester und Kent gibt es einige vielversprechende Pilotschulen für Deutsch. Der Sprachunterricht erfolgt dabei in Form einer Einführung in die Landeskunde, als reiner Sprachunterricht oder in einer Kombination aus beidem. Englische oder schottische Lehrwerke für Deutsch liegen für die Primarstufe bislang nicht vor, das Goethe-Institut entwickelte allerdings zusammen mit dem Kent County Council ein Video-Paket mit dem Titel “3-2-1- LOS". Ein anderes Hindernis ist die mangelnde Qualifikation der Lehrer in diesem Bereich, für die es - bis auf eine Ausnahme in Schottland - keine spezielle Sprachausbildung gibt. In der Sekundarstufe beginnt die Mehrheit der Schulen mit Französisch als erster (vorgeschriebener) Fremdsprache (lediglich 8 bis 10 % der Schüler lernen kontinuierlich zwei Fremdsprachen). Deutsch ist an ca. 40% der Schulen die zweite Fremdsprache. Selbst in der ersten Fremdsprache beträgt die wöchentliche Unterrichtszeit nicht mehr als 90 bis 180 Minuten. Verlässliche Zahlen und Vergleiche zwischen Deutsch, Französisch und Spanisch lassen sich nur anhand der Abschlussprüfungen des “General Certificate in Secondary Education (GCSE)”, welches die Schüler nach der 10. und 11. Klasse ablegen und der A – Level- Prüfungen nach der 12. und 13. Klasse ablesen:

Anteil der Schüler, die 1997 an den GCSE - Prüfungen teilnahmen: Französisch Deutsch Spanisch 337.993 135.466 44.703 6% 2,4% 0,8%

In den Jahren 1989 bis 1997 fand bei Französisch ein Wachstum von 26,1%, bei Deutsch ein Wachstum von 76% und bei Spanisch eines von 133,7% der Schülerzahlen statt. Durch das rasante Wachstum des Spanischen ist eine Verbesserung der Position von Deutsch als Fremdsprache mittelfristig nicht zu erwarten.

Anteil der Schüler, die 1997 an den A-Level-Prüfungen teilnahmen: Französisch Deutsch Spanisch 25.916 10.516 5.826 126

3,3% 1,4% 0,7%

Nach der deutschen Wiedervereinigung stieg die Belegung von Deutsch bei A-Level- Prüfungen von 1,09% auf 1,8% aller Schüler an und sank bis 1997 wieder auf 1,4%. Daraus wird deutlich, dass auch hier die Position von DaF kaum wesentlich verbessert werden kann, zumal es für Deutsch keine Lobby gibt: Viele Lehrerstellen werden nach der Pensionierung einfach nicht mehr besetzt. Die Trends aus dem Schulbereich setzten sich auch in der Hochschule fort: Während die Anfängerzahlen für Studiengänge in Deutsch (und Französisch) stagnieren, steigen sie in Spanisch an.

Einstellungen zu Deutsch und Deutschland Wesentlich beeinflusst wird die öffentliche Meinung über Deutschland wie schon erwähnt durch die “Tabloids", d.h. die britische Boulevardpresse. Dementsprechend kritisch betrachten große Teile der Bevölkerung die Bundesrepublik als eine Demokratie auf dem Prüfstand. Da das Image Deutschlands in erster Linie von seiner Politik abhängt, korreliert die Einstellung zu DaF stark mit der deutschen (Außen-)Politik, was von vielen deutschen Politikern nicht in diesem Umfang wahrgenommen wird. Bedarf und Interesse an Deutschkenntnissen resultieren in erster Linie aus der wirtschaftlichen Verflechtung Großbritanniens mit Deutschland (zweitgrößter gegenseitiger Handelspartner) und dessen wirtschaftlichem Gewicht innerhalb des europäischen Binnenmarkts, weniger aus kulturellen Motiven. Auch touristisch gilt Deutschland - besonders unter Jugendlichen - als wenig attraktiv. Im Schulbereich ist die ablehnende Haltung gegenüber Deutschland besonders bei jenen Schülern virulent, die noch keine persönlichen Beziehungen mit der Sprache oder den Deutschen gemacht haben. So zeigte eine Umfrage des Goethe-Institut 1996 bei britischen Schülern zur Einstellung gegenüber Deutschland hartnäckige Vorurteile auf: Deutschland wird hier als armes, mit Bosnien vergleichbares Land gesehen, seine berühmteste “Persönlichkeit" war Adolf Hitler. Jürgen Klinsmann war den meisten Jugendlichen als positive Identifikationsfigur bekannt. Als typische deutsche Eigenschaften sehen sie Aggressivität, Arroganz, Militarismus, Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit und Arbeitssucht. Bei Schülern mit Deutschkenntnissen zeigte sich jedoch ein auffallend anderes, 127

überwiegend positives Bild. Als Konsequenz auf diese Umfrage titelte die britische Zeitung Guardian: “Learn German". Die Zusammenarbeit zwischen den Goethe-Instituten und dem DAAD mit den britischen Partnerinstitutionen im Bereich Bildung sind dagegen traditionell gut und verlaufen reibungslos.

Besuch der deutschen Botschaft in London Um einen Überblick über die Träger der auswärtigen Kulturpolitik in London zu gewinnen, besuchte ich die Deutsche Botschaft, führte dort ein Gespräch mit dem Kulturreferenten, besuchte das “German Information Centre". Dies ist ein von der Botschaft betriebenes Zentrum, welches allgemeine Informationen über Deutschland und seine gesellschaftlichen Strukturen bietet. Das Gespräch mit dem Kulturreferenten und die Kurzbeschreibung des Programms “German Season", welches die Botschaft in Zusammenarbeit mit dem Goethe- Institut anlässlich des Besuchs des Bundespräsidenten durchführte, sind hier angefügt. Das Programm “German Season" umspannte den Zeitraum vom 7. Oktober 1998 bis zum 30. Januar 1999. Es wies insgesamt 40 verschiedene Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Theater-, Tanz- und Filmaufführungen, Symposien, Konferenzen, einen Weihnachtsmarkt und ein Tennisspiel aus. Hauptveranstaltungsort für die 21 verschiedenen Konzerte war die “Wigmore Hall". Vier Veranstaltungen fanden im Goethe- Institut statt, aber auch die Deutsche Schule und St. Margaret´s Church und Westminster Abbey waren unter den Veranstaltungsorten zu finden. Zu Charlotte Salomon fanden eine Ausstellung, ein Konzert und ein Symposium zum Thema “Charlotte Salomon: Life?- Or Theatre?" statt. Die Veranstaltungen wurden ohne die finanzielle Hilfe des Auswärtigen Amtes initiiert. Als Sponsoren waren verschiedene Banken und Firmen vertreten wie die Commerzbank London, Deutsche Bank, Hoechst UK Group Ltd., Helaba-Landesbank Hessen-Thüringen, West-LB, Rover Group Ltd., BMW, Financial Service (Großbritannien) Ltd., BMW (Großbritannien) Ltd..

Eine Neuheit ist das “German Information Centre" der deutschen Botschaft. Das Zentrum vertreibt allgemeine Informationen über Deutschland und seine Gesellschaft. Erstaunlich ist dabei, dass das Zentrum eine sehr ähnliche Arbeit wie das Goethe- Institut leistet und damit auch in Konkurrenz zu diesem tritt. 128

Alles zur Verfügung stehende Material wird von Inter Nationes und dem Bundespresseamt bezogen. Die Einrichtung dieses Instituts ist von der Regierung finanziert und laut Botschaft eine Antwort für die Nachfrage aus der Bevölkerung. Beispielsweise gibt es ein “Fact Sheet on Germany”. In ihm werden auf 8 Seiten Zahlen angegeben zu Struktur, Wirtschaft, Inflation, Arbeitslosigkeit, öffentlichen Finanzen, Außenhandel und eine Vergleichstabelle der letzten 50 Jahre, mit der Produktivität, Arbeitslosenquote, Inflationsquote und dem realen wirtschaftlichen Wachstum Deutschlands. Gemeinsam mit anderen Mittlern wurden die Websites zum deutsch - britischen Jugendaustausch erstellt. Eine Liste mit 20 Kapiteln bietet Zugang zu Informationen über deutsch - britischen Austausch. Das einleitende Kapitel “What´s new?" bietet zu Programmen und Special events, Hyperlinks zu den verschiedenen beteiligten Organisationen wie beispielsweise zur Deutschen Botschaft in London/ “Kulturkalender”, zur Britischen Botschaft in Bonn/Berlin, zum Goethe- Institut in Großbritannien, zu “Exchange Programs for young people”, zum British Council in Deutschland, “German-British Forum” und zum Youngnet (BMBF). Man kann alle kulturellen Einrichtungen erreichen und Informationen zu allen Bereichen des kulturellen Lebens abrufen.

Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst e. V. (DAAD) ist in London sehr aktiv Deshalb sollen seine Aufgaben hier kurz exemplarisch beschrieben werden. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterhält 13 Auslandbüros, eines befindet sich seit 1954 in London. Dort sind 7 Mitarbeiter beschäftigt, die als mittel- und langfristige Arbeitsschwerpunkte den Hochschulbereich in Großbritannien und Irland bearbeiten. Hauptaufgabe des DAAD ist die Auswahl und Vergabe von Stipendien an Studierende und Wissenschaftler. Weitere Schwerpunkte liegen in der Vermittlung deutscher Lehrkräfte, vor allem in der Betreuung und Weiterbildung der ca. 70 Lektoren verschiedener Fachrichtungen, in der flächendeckenden Versorgung mit Sprachlektoren und darin, die Anzahl der Fachlektorate in Richtung “German Studies Dozenturen” zu erweitern.175 Außerdem soll die Werbung für Stipendienprogramme und die Bewerberzahlen für Jahresstipendien erhöht sowie die Nachkontaktarbeit und Stipendienbetreuung intensiviert

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werden. Infolge der attraktiven Angebote gibt es viermal so viele Bewerber wie Plätze zur Verfügung stehen. Hier einige Zahlen zum Austausch: “Beim projektbezogenen Wissenschaftleraustausch mit dem British Council zusammen (Academic Research Corporation) wurden 1997 insgesamt 669 Deutsche gefördert, davon 263 neue Förderungen.”176 Über das Programm ERASMUS der EU wird seit 20 Jahren studentischer Austausch betrieben. Inzwischen hat sich mit ihm ein Netzwerk von Universitäten gebildet, wie z. B. die Coimbra- Gruppe. In Deutschland unternehmen 9% aller Studierenden einen studienbezogenen Aufenthalt im Ausland. Rund 25% von ihnen leisten dabei ein Praktikum ab. Für Großbritannien wurden 4087 und für Irland 735 Deutsche mit ERASMUS gefördert und ca. 3000 Briten für Deutschland. Im deutsch-britischen Vergleich muss man leider feststellen, dass von Deutschland aus dreimal soviel Austausch nach Großbritannien unternommen wird wie von Großbritannien nach Deutschland.

2.2. Goethe-Institut London177

Kulturprogramme Es finden verschiedenste Veranstaltungen aus den Bereichen Wissenschaft und Literatur, Musik, Film, Medien/Rundfunk/visuelle Kommunikation, Theater/ Theaterprojekte sowie Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen statt. So z.B. im Herbst 1998 im Rahmen der Wortveranstaltungen die Reihe "Germany, My Germany", in der berühmte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über ihre persönliche Beziehung zu Deutschland berichten. Hier konnten bereits so namhafte Referenten wie Lord Ralf Dahrendorf, Sir Christopher Mallaby oder Ignatz Bubis gewonnen werden. Aus Anlass der Rolle Weimars als "Kulturstadt Europas 1999" veranstaltete das Goethe-Institut einen internationalen Essay- Wettbewerb zum Thema "Die Zukunft von der Vergangenheit befreien? Die Vergangenheit von der Zukunft befreien?". Fester Bestandteil der Kulturprogramme sind auch Schriftsteller- und Dichterlesungen wie der Besuch von Petra Morsbach zu ihrem Buch "Opernroman" in

176 Deutscher Akademischer Austauschdienst, DAAD. Aus: Ländertabelle des DAAD, Referat 212 Westeuropa. Nr. 9, Großbritannien. 177 Goethe-Institut London, Jahrbuch 1997/98 und Internetseite des Goethe-Instituts. Einbezogen habe ich meine Eindrücke zur Arbeit des Instituts. 130

der Reihe "Neue deutsche Literatur". Auch des 100. Geburtstags Brechts wurde mit unterschiedlichen Veranstaltungen wie z.B. einer Filmreihe und einem Seminar gedacht. Besucher '98: 44423.

Deutsch lehren und lernen Integraler Bestandteil der Arbeit des Goethe-Instituts London ist die Spracharbeit für interessierte Engländer im allgemeinen und für britische Deutschlehrer im besonderen. Sprachkurse für Einheimische sind - je nach Vorkenntnissen - aufgeteilt in Grund-, Mittel- und Oberstufenkurse, wobei jeder dieser Kurse für die Dauer eines Jahres ausgelegt ist. Die Kurse führen bis hin zum Großen Deutschen Sprachdiplom (GDS). Unterstützt werden die Lernenden dabei durch moderne Methodik sowie spezielle PC-Programme in einem gut sortierten Selbstlernzentrum. Für Geschäftsleute werden ferner aufbauende Kurse in Wirtschaftsdeutsch angeboten; auf Anfrage finden auch spezielle Individual- oder Kleingruppenkurse statt. Für britische Deutschlehrer leistet das Goethe-Institut vielfältige pädagogische Verbindungsarbeit: Einführungstage für deutschsprachige Fremdsprachen- Assistenten, Deutschlehrertage, Sonderkurse für Deutschlehrer (Linguistik, Grammatik, Landeskunde, Methodik), Bildungsreisen nach Deutschland oder spezielle Seminare zu ausgewählten Themen (z.B. zu Kommunikationsformen in Deutschland oder juristischer Fachsprache). Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek weist einen Bestand von 27501 Exemplaren, davon 24557 Bücher, 154 Zeitungen und Zeitschriften und 2790 audiovisuelle Medien aus, der gut (etwa zu einem Drittel) umgeschlagen wird. Bestandsschwerpunkt sind Werke nach 1945. Deutsche Literatur findet sich dabei oft auch in englischer Übersetzung. Ergänzend zu den Deutschkursen bietet die Bibliothek außerdem eine breite Palette von Materialien und Lehrwerken zum Thema “DaF". Für Deutschlehrer gibt es eine eigene Serviceabteilung im Informationszentrum, das generell auch Anfragen zu deutschlandbezogenen Themen beantwortet. Darüber hinaus organisiert die Bibliothek auch Veranstaltungen, wie z.B. die Ausstellung “Was bleibt? Deutsche Prosa (Ost und West) seit 1945".

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2.3. Interviewserie im Goethe-Institut London im September 1998

Interview mit dem Leiter des Goethe-Instituts, W

A: Herr W, wir haben im Bundestag über das Thema Synergien, Kooperationen und Überschneidungen der Arbeit im Auswärtigen Kulturbereich gesprochen. Wie ist die Situation in London? W: Mittlerweile fange ich an zu zweifeln, ob es heute noch sinnvoll ist, die Goethe-Institute in den westlichen Weltstädten in der jetzigen Form zu betreiben. Die größte Skepsis habe ich im Bereich der Programmarbeit. Zuerst möchte ich Ihnen die anderen Bereiche schildern die weniger problematisch sind. Am unproblematischsten ist hierbei der Bereich Bibliotheks- und Informationsarbeit, mit dem wir kürzlich ins Internet gegangen sind. Die Bibliothekarin ist dabei sehr engagiert und nutzt die neuen Medien bestmöglichst aus. Wenn ich mir das Goethe-Institut London im Jahre 2010 vorstelle, dann habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass es dann eine vernetzte, multimediale Bibliotheksarbeit geben wird. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings dann die Frage, ob wir zusätzlich noch ein Informationszentrum in der deutschen Botschaft brauchen. Hier kommt es zu Überschneidungen. Dort wird zwar auch politische Informationsarbeit betrieben, die wir in dieser Art sicher nicht leisten könnten und wollen. Wenn man sich allerdings überlegt, was das Goethe-Institut leistet und sich ansieht, was die deutsche Handelskammer tut, wenn man außerdem bedenkt, was ein schlichtes Pressereferat konventioneller Art bei der Botschaft auch machen könnte, dann frage ich mich, was eigentlich noch für das sehr kostspielige Informationszentrum übrig bleibt. Ich halte das Informationszentrum der Botschaft - unter uns gesagt - für obsolet, man könnte es schließen. Die Tätigkeiten unserer Bibliothek bestehen ja schon im Wesentlichen darin, Fragen und Anfragen zu praktisch allen Bereichen des kulturellen, sozialen und politischen Lebens zu beantworten, Informationen zu beschaffen, zu recherchieren. Ich bin voll davon überzeugt, dass hier eine gute Arbeit geleistet wird auch in der Zukunft. Hinzu kommt, dass wir im GI zusätzlich noch etwas fördern, was auch Zukunft hat, nämlich das von uns herausgegebene Heft “New Books in German", in dem zweimal jährlich neue deutsche Bücher vorgestellt werden. Dieses Heft wird gemeinsam von uns, dem Börsenverein, dem Auswärtigen Amt, dem Bund sowie der schweizerischen und österreichischen Botschaft, finanziert. Es wird an englische Verlage und außerdem in ca. 60 verschiedene Länder der Welt verschickt, wobei die Auswahl der Titel in diesen Ländern vom englischen Übersetzerverband getroffen wird. Dieses Heft möchten wir gerne noch zwei bis drei Jahre herausgeben. Mir persönlich wäre es lieber, die gesamte Finanzierung und Verantwortung dafür läge auf deutscher Seite beim Goethe-Institut, wo durch die entsandten Mitarbeiter eine hohe Sachkompetenz vorhanden ist, während die Botschaft durch eine Sachbearbeiterin vertreten ist. Leider kommt jedoch die größte Summe vom Auswärtigen Amt und nur eine kleine Summe - die wir unserer Zentrale jedes Mal von neuem “abschwätzen" müssen - tragen wir dazu bei. Das Know-How, die Sachkompetenz von deutscher Seite kommt allerdings ausschließlich vom Goethe-Institut: Ich sitze z.B. im Steering-Komitee und unsere Bibliothekarin D sitzt auch noch im Arbeitskomitee. Im ersten Komitee werden die allgemeinen Grundthemen behandelt, beispielsweise Fragen nach neuen Zielgruppen oder ähnliches. Im Arbeitskomitee werden dann die operativen Probleme bearbeitet, z.B. die Zielgruppenadressen beschafft, der Versand, das Layout gestaltet, die Qualität der Texte geprüft etc.. Die Auswahl der vorgestellten Titel überlassen wir, wie gesagt, ausschließlich den Engländern, weshalb wir kürzlich 132

sogar einen kleinen Streit oder wenigstens Meinungsunterschiede mit den Schweizern hatten, die selbst an der Auswahl ihrer Bücher teilnehmen wollten. Dabei vertrat ich die Auffassung, die Glaubwürdigkeit dieser Publikation hinge im Wesentlichen davon ab, dass die Ausländer hier nicht hineinreden und dass wir die Entscheidung denjenigen überlassen, die den britischen Buchmarkt selbst am besten kennen. Das ist übrigens auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen wichtig, denn auch die Leute von Marketing Großbritannien kennen die Briten besser als jeder Vertreter einer ausländischen Institution. Bei “New Books in German" ist unsere Bibliothek also auch stark involviert, auch was die Arbeitskapazität angeht. Wir unterstützen die Initiative auch sonst: Ich selbst z.B. habe einmal einen Empfang gegeben für alle, die an dieser Arbeit beteiligt sind. Wir veranstalten außerdem demnächst ein Arbeitsseminar, auf dem die Frage geklärt werden soll, warum das deutsche Buch im englischen Sprachraum nicht genügend gefördert wird. Auf dieser Veranstaltung treffen englische und deutsche Verleger, Übersetzer, Buchhändler und Kritiker zusammen. In diesem Bereich haben wir die entscheidende Arbeit zu übernehmen, da außer uns auf deutscher Seite niemand die Sachkompetenz hat. Hierin liegt eine unserer Hauptaufgaben im Bibliotheksbereich. A: Wie sieht es für den Komplex der Sprachförderung Ihrer Meinung nach aus? W: Was die Sprachkurse anbelangt, so sehe ich deren Zukunft etwas skeptischer als die Leiterin der Spracharbeit. Das ist Frau C, die erst seit diesem Jahr bei uns ist. Die Spracharbeit ist ihrer Ansicht nach deshalb so wichtig, weil an diesen Kursen nicht nur Privatpersonen, sondern vor allem auch viele Geschäftsleute teilnehmen. Für diese “business people” bieten wir außer den normalen Sprachkursen noch spezielle wirtschaftssprachliche Kurse an, teilweise sogar in den Unternehmen. Daneben bieten wir auch noch Privatunterricht an. Ich bin deswegen skeptisch, weil ich glaube, dass wir sowieso nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein können, da das Fremdsprachenlernen in England traditionell sehr defizitär ist. Eigentlich müsste das englische Schulsystem dieses Problem lösen. Wir können die Defizite dieses Systems ohnehin nicht ausgleichen. Daher frage ich mich natürlich, ob denn wirklich viel passieren würde, wenn wir die Sprachkurse - unter Umständen zwangsweise - auslagern und kommerziell arbeitenden Sprachschulen übertragen würden, wie das in Griechenland oder anderen Ländern auch der Fall ist. Dann würden wir uns auf die hoch qualifizierenden Spezialkurse beschränken. Frau C ist allerdings der Meinung, dass das ausschließliche Angebot von Spezialkursen nicht ausreichen würde. Nebenbei bemerkt bieten wir auch regelmäßig einen Sprachkurs im House of Parliament an, an dem Abgeordnete und Angestellte des Parlamentes teilnehmen, und der gut besucht wird. A: Kommen wir zur pädagogischen Verbindungsarbeit - und wichtigen Aktivitäten in diesem Zusammenhang. W: Dieser Bereich wird meiner Meinung nach im Jahre 2010 ebenfalls eine wichtige Rolle in unserer Arbeit spielen. Hierbei konzentrieren wir uns auf die traditionelle Aufgabe der Fortbildung englischer Deutschlehrer, aber wir sind auch auf anderen Gebieten aktiv: So produzieren wir derzeit unseren dritten größeren Sprachfilm zusammen mit der BBC. Dafür stellt uns das Goethe-Institut München eine größere Summe zur Verfügung - sechsstellige Beträge, ca. 275. 000 DM. Unser Beitrag besteht neben dieser Summe vor allem aus dem Einbringen unseres Know-Hows. Herr B, der Leiter der pädagogischen Verbindungsarbeit, mein Stellvertreter, war bei den Filmaufnahmen anwesend, überprüfte die Manuskripte. Wir überprüfen u.a. die deutschen Dialoge auf Verständlichkeit und Authentizität etc.. Wir helfen bei der Suche nach Schauplätzen für die Filme, wir 133

suchen die Darsteller aus den deutschen Schülern aus und stellen den Kontakt zu den Schulen, in denen gedreht werden soll, her usw.. Auf diese Art und Weise garantieren wir, dass wirklich ein authentisches Deutschlandbild entsteht. Diese Sprachfilme werden von der BBC weltweit vertrieben, so dass eine sehr große kulturpolitische Reichweite erreicht wird. A: Was kann getan werden, um die Rolle der deutschen Sprache in England zu verbessern? W: Die Rolle der deutschen Sprache in Großbritannien wird erst wirklich verändert bzw. verbessert, wenn eine zweite Fremdsprache in der Sekundarstufe an britischen Schulen obligatorisch wird. Wenn wir in Deutschland die obligatorischen Fremdsprachen allerdings selbst abbauen, wird es kulturpolitisch ziemlich schwierig sein, den Engländern die Bedeutung einer zweiten Fremdsprache zu verdeutlichen. Da die Engländer als erste Fremdsprache natürlich immer erst Französisch bevorzugen, konkurrieren wir mit Spanisch. Mich verwundert deshalb, dass die Deutschen im europäischen Rahmen nicht nachdrücklicher auf eine Harmonisierung hinsichtlich von zwei obligatorischen Fremdsprachen in der Sekundarstufe drängen. Dieses halte ich für unabdingbar. Erst wenn die Engländer diese Regelung einführten, würde Deutsch eine gewichtigere Rolle spielen. Darauf haben wir als Goethe-Institut allerdings keinen Einfluss. A: Sie sind ja bekannt für erfolgreiche Programmarbeit. Zu Beginn unseres Gespräches äußerten Sie Skepsis... W: Ja, am meisten zweifle ich an der Programmarbeit, was ich auch in München nachdrücklich angesprochen habe. Ich arbeite jetzt seit 35 Jahren für das Goethe-Institut, und in dieser Zeit war ich wohl immer für erfolgreiche Programmarbeit bekannt. Wenn ich jetzt an meiner eigenen Biographie zweifle, dann müssten mir die Verantwortlichen eigentlich glauben, dass hier etwas geändert werden muss. Trotz einiger Zustimmung zu meinen Überlegungen zur Arbeit an Weltstadtinstituten wird leider trotzdem nichts geändert. Ich möchte Ihnen einmal genau schildern, woran ich zweifle: Erstens glaube ich, wir machen hier noch die Programmarbeit der 70er Jahre auf der gesamten Bandbreite. Symposien, Ausstellungen, Konzerte, Filmwochen und ähnliches. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass das, was wir bieten, irgendein wesentliches Feld ausfüllen sollte, das ohne uns nicht ausgefüllt werden würde. Dieses ist das Hauptkriterium bei der Auswahl von Schwerpunkten. Aber ich finde eben, wir können gerade hier in London nur noch auf wenigen Gebieten etwas anbieten, was nicht auch schon ohne uns in irgendeiner Form angeboten werden würde. Außerdem haben wir inzwischen erheblich weniger Mittel als früher und können größere Veranstaltungen nicht mehr wie früher bezuschussen. Wir sind dadurch letztendlich marginalisiert. In Paris und New York zweifeln meine Kollegen allerdings auch schon an der Notwendigkeit einer Programmarbeit, die das gesamte Spektrum der früheren Programme weiter aufrecht zu erhalten versucht. Ich hörte, in unserer Zentrale argumentieren manche mit dem erfolgreichen Gegenbeispiel der Programmarbeit an Plätzen wie Mexiko, aber ich bin der Meinung, dass man London oder New York und Mexiko nicht vergleichen kann. Die Kaufkraft, die mir heute in London zur Verfügung steht, ist übrigens etwa ein Drittel der Kaufkraft, die meinem Vorgänger noch 1990 zur Verfügung stand! A: Am Geld hängt alles! Man hört dann häufig, man müsse eben mehr Kreativität an den Tag legen, z.B. durch Sponsoring? W: Dies ist aber ein Kapitel für sich... . Ich muss dagegen ankämpfen, dass man glaubt, es läge nicht am Geld: es liegt im Wesentlichen eben schon am Geld. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn ich etwa zur London School of Economics gehe und dort ein gemeinsames Symposium vorschlage, dann sind die Verantwortlichen dort nur dann dazu bereit, wenn meine Kompetenz über deren eigener liegt, d.h. wenn ich 134

ihnen eine ganz neue Qualität der Deutschlandkenntnisse vermittele, und wenn ich soviel Geld dazu gebe, dass die Veranstaltung ohne Belastung ihrer Finanzen läuft. Auch unsere Kompetenz wird in London heute ganz anders gefordert als früher oder als das an anderen Orten der Fall ist. Als ich z.B. früher in Israel gearbeitet habe, war es für mich ein Leichtes, eine Vortrags- oder Seminarveranstaltung an die Tel Aviver oder Jerusalemer Universität zu vermitteln und bei der Gestaltung kompetent mitzureden, weil ich damals immer noch mehr Deutschlandkenntnisse (Namen, Fakten und Zusammenhänge) hatte als die dortigen Professoren an den politologischen Fakultäten. An der hiesigen London School of Economics kennen die Dozenten nicht nur jeden deutschen Referenten, den ich ihnen nenne, sondern sie kennen ihn sogar persönlich und ich meist nur aus seinen Publikationen! Ich habe also keinerlei Kompetenzvorsprung gegenüber diesen Fachkräften mehr, und das habe ich in unserer Zentrale auch klarzumachen versucht. Die Konsequenz daraus ist, dass der Leiter des Weltstadtinstituts London in Zukunft ein gutes Team von Kuratoren haben muss, statt mehr oder weniger gut qualifizierter Sachbearbeiter, am besten einen für Politik und Gesellschaft, einen für Theater, einen für Kunst, einen für Musik etc., falls wir auf diesen Gebieten den Briten qualifizierte Beratung anbieten wollen. Nun zum finanziellen Aspekt: Die London School of Economics, eine international renommierte Universität hat sehr viel Geld zur Verfügung. Bei einer Veranstaltung mit uns vor zwei Jahren trugen sie gar zwei Drittel der Kosten. Kürzlich sagten sie mir aber, sie hätten zur Zeit massive Finanzprobleme, und ein geplantes Seminar mit ihnen müssten wir alleine bezahlen. Wir müssten also nicht nur dafür sorgen, dass die deutschen Teilnehmer kämen, sondern auch die Teilnahme sämtlicher anderer europäischen Teilnehmer organisieren und finanzieren. Das Seminar sollte sich mit der Frage beschäftigen, wer kulturell und im Hinblick auf die Werte der "Civil Society" zu Europa gehört, also wer konkret und politisch zu Europa gehört. Vertreter einer anderen Stiftung, mit der wir in Umweltthemen zusammenarbeiten, des ”International Institute for Environment and Development”, haben mir auf meine neuerliche Anfrage gesagt, sie seien finanziell so am Ende, dass ihnen ihr Aufsichtsrat aufgetragen habe, sogar die vorbereitenden Gesprächskosten mit mir abzurechnen. Ich sollte ihnen nicht nur die Veranstaltung und die Teilnahme der deutschen Referenten finanzieren, sondern auch noch die Stunden, die sie mit mir zur Vorbereitung verwendeten. An diesem Punkt hört mein Verständnis dann auf, denn dann finanzierten wir praktisch den gesamten Dialog nur noch alleine. Also noch einmal: Geld fehlt, nicht nur uns, und wir haben auch keinen Kompetenzvorsprung mehr, was soziopolitische Veranstaltungen angeht. Das gleiche gilt im übertragenen Sinne auch für kulturelle Veranstaltungen wie Musik-events, Ausstellungen usw. Eine neue Kollegin von uns, Frau H, ist zwar sehr versiert in Themen wie Bildender Kunst u.ä., aber die Leiter der Londoner Museen kennen selbst alle wichtigen deutschen Museen, d.h. wenn meine Kollegin etwa unsere Mithilfe an bestimmten Ausstellungen anbieten würde, dann würde wahrscheinlich nicht mal ein persönliches Gespräch mit den dortigen Verantwortlichen zustande kommen, es sei denn, wir gäben ihnen 80 - 90.000 DM! Die Kuratoren der großen Londoner Museen brauchen nicht den Rat von uns und auch nicht den Rat vom Direktor des Goethe-Instituts. Einen Kompetenzvorsprung haben wir allenfalls noch gegenüber kleineren Galerien. Das gleiche gilt für den Bereich Musik. A: Sie betonen die Wichtigkeit des Kompetenzvorsprungs. Gibt es da noch andere Rollen für das Goethe-Institut London? W: Die Gebiete, in denen wir momentan wirklich noch eine Rolle spielen, sind wie gesagt einerseits die Literaturförderung (new books in german), andererseits die Filmförderung, z.T. auch die Theaterförderung. Wir 135

haben eine sehr gute, englische Filmsachbearbeiterin, die ihre Arbeit besser macht als alle vergleichbaren Institutionen, d.h. die Filmveranstaltungen, die wir durchführen, würden ohne uns nicht passieren. Gleiches kann man auch für die Theaterförderung sagen: Wir fördern szenische Lesungen im Royal Court Theatre, wir stellen junge deutsche Theaterautoren vor, wir übersetzen deren Stücke. Eingeladen wird dazu jeder, der im Theaterleben in London und ganz England “gut und teuer" ist. Das hat mittlerweile dazu geführt, dass diese betreffenden Stücke meist auch wirklich in die Aufführung übernommen werden. Wir übernehmen dabei praktisch die Funktion, den Anstoß zu geben. Auf diesen drei Gebieten, Literatur-, Theater-, und Filmförderung, haben wir heute noch einen Kompetenzvorsprung, auf allen anderen Gebieten stelle ich unsere Tätigkeit heute mehr und mehr in Frage. Unser Hauptproblem ist dabei, dass von uns gleichzeitig Sichtbarkeit und Nachhaltigkeit verlangt wird. Maßnahmen wie die Literaturförderung sind natürlich nachhaltig, wir regen damit britische Institutionen an, sich ernsthaft mit deutscher Literatur zu befassen. Aber sichtbar ist dieses Engagement deswegen noch nicht unbedingt. Die Botschaft und das Auswärtige Amt, sowie manche Leute in der Zentralverwaltung möchten am liebsten, dass wir außerdem noch eine große Medienwirkung erzielen. Diesen Spagat schaffen wir beim besten Willen nicht mehr! Ein anderer Widerspruch ist, wenn es heißt, wir sollten nur noch Programmverbindungsarbeit leisten, d.h. wir sollen Reisen organisieren, wir sollen networken, wir sollen Kontakte herstellen. Wenn wir uns tatsächlich darauf konzentrieren würden, so wäre das erstens auch nicht sichtbar, sondern stille Hintergrundarbeit, und zweitens haben wir den Kompetenzvorsprung vielfach nicht mehr. Die Engländer haben heute ihre eigenen Kontakte nach Deutschland, wir können bestenfalls noch unterstützend wirken. Gerade zwischen London und Berlin besteht heute auf nahezu allen Gebieten recht intensiver Kontakt, auch ohne unsere Hilfe. A: Welche zentrale Forderung würden Sie stellen? W: Was ich verlange, ist, dass man uns entweder für unsere gesamte Arbeit mehr Geld und mehr Personal zur Verfügung stellt - was ich für unwahrscheinlich halte- oder man konzentriert die Ressourcen in den Ländern Europas und in den USA auf die Weltstadt-Institute London, Paris und New York. Moskau ist in diesem Zusammenhang ein Sonderfall, jedenfalls nicht mit den Weltstädten der westlichen Welt vergleichbar. In Westeuropa sollte man, zu Lasten der provinzielleren Niederlassungen die Mittel bündeln. Ich halte es z.B. nicht für sinnvoll, bei knappen finanziellen Mitteln in Westeuropa noch Institute in Lyon, Bordeaux, Lille, Genua, Neapel, Palermo, Porto, Göteborg oder ähnlichen Städten zu unterhalten. Wenn man dies trotzdem will, so muss man auch mehr Geld und Personal zur Verfügung stellen.

Interview mit dem Leiter des “Teaching Advice Department”, Dr. B A: Spracharbeit hat auch etwas mit der Vermittlung des Deutschlandbildes zu tun. Wie sieht das Bild Deutschlands in Großbritannien aus? B: Das Image Deutschlands in Großbritannien ist dominant von der Wirtschaft geprägt. Unsere Aufgabe ist es aber vor allem auch, gewisse Klischees, die hier über Deutschland existieren, zu bekämpfen und das Image zu verbessern. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, in denen wir mit Deutsch vertreten sind, haben wir es als Deutsche in Großbritannien einfach schwerer. Das ist zum Teil unsere eigene Schuld, das ist nicht zu leugnen. Selbst bei jungen Leuten, Kindern und Jugendlichen, ist der Austausch mit Deutschland viel problematischer, als beispielsweise der mit den USA. Wenn Sie vor diesen jungen, 17- bis 18-jährigen Leuten 136

sitzen und sagen, dass Sie Deutscher sind - selbst wenn Sie in Italien aufgewachsen wären - stoßen Sie bei ihnen auf Ablehnung. Es ist wieder eine neue Welle des Bewusstseins dafür entstanden, welche Schuld wir früher als Volk und Gesellschaft auf uns geladen haben. Goldhagen hin oder her, das kann man kritisch betrachten, Tatsache ist aber, dass es die Gesellschaft, also fast alle Deutschen waren, die da mitgemacht haben. Dieses Bewusstsein hat sich jetzt auch in der neuen Generation, die das alles nicht mehr erlebt hat, durchgesetzt. Unsere Vergangenheit ist immer ein großes Thema. Wir haben jahrelang gesagt, dieses Thema wollen wir nicht mehr anrühren, haben uns aber nun entschlossen, diese Themen auch im Schulbereich als Prüfungs- und Abiturthemen zuzulassen. Das ist nicht zu vermeiden. Wir zeigen, was in Deutschland zur Vergangenheitsbewältigung getan wird. Die Wirtschaft hat hier auch eine bedeutende Funktion, z.B. bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter. Es ist ein großes Anliegen der Sprachförderung, im Erwachsenen- und Hochschulbereich genau wie im Schulbereich, ein zeitgemäßes Image von Deutschland zu vermitteln. Im Schulbereich ist unsere Sprachförderung koordiniert und integriert in die aktuellen Entwicklungen dieses Landes. Wir sind von den hiesigen Institutionen als "national partner" anerkannt. Das große Fortbildungsinstitut des Ministeriums führt unsere Veranstaltungen - und uns selbst als “national partner" - in seinem Jahresprogramm. Wir sind mit unserer Arbeit also bestens integriert. A: Gibt es mehrere deutsche “national partners" im Sprachbereich? B: Für Deutschland sind wir die einzige Institution im Bereich der Sprachförderung und als solche auch anerkannt. Da brauchen wir uns also nicht hineinzudrängen, sondern werden gefragt. Gerade am Samstag war ich wieder in einer Komiteesitzung des Fremdsprachenlehrerverbandes, in dem die Deutschlehrer über die Hälfte der Mitglieder stellen. Wir haben diese Treffen auch für das nächste Jahr fest eingeplant. Auch mit den Schülerzahlen können wir zufrieden sein, verglichen mit anderen Sprachen sind wir deutlich besser. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir nicht immer die Nummer eins sind, das sind von der Tradition und vom Image her eben die Franzosen, das sind für die Engländer halt die engsten Nachbarn. Wenn Sie das mit Deutschland und unseren Nachbarn vergleichen, in Baden-Württemberg ist Französisch die erste Fremdsprache, in Norddeutschland Englisch. Darüber hinaus gibt es zwischen Deutschland und Großbritannien auch kein Jugendwerk wie mit Frankreich. A: Sie wollen aus dieser Not eine Tugend machen und als kleine Lösung ein “virtual youth office" im Internet einrichten? B: Ja, dieses erfolgt zusammen mit der Botschaft. Hier sollen sich junge Leute alle Informationen direkt holen können. Dazu gibt es noch eine “chat corner", Musik und Videos, sowie Adressenaustausch usw. . Diese homepage soll, zusammen mit der Botschaft, alle zwei Wochen erneuert werden. A: Wie klappt im Bereich der Sprachförderung die Zusammenarbeit zwischen den Mittlern? B: Hervorragend! Unsere Hauptaufgabe besteht in der Förderung von Deutsch, indem wir ein Service- und Informationszentrum anbieten. Wir entwickeln dazu Material und stellen es Lehrern und Schülern zur Verfügung. Die Lehrer sollen damit landeskundliche Kompetenz erwerben, methodisch, didaktisch und sprachlich. Parallel dazu bieten wir Seminare zum sinnvollen Einsatz dieser Materialien. Außerdem haben wir Seminare für Deutschlehrer in Deutschland im Angebot. Diese Maßnahmen zeigen unsere landeskundliche und methodische Kompetenz, die wir weitervermitteln. A: Haben die Materialien von Inter Nationes an der Vermittlung von landeskundlicher Kompetenz einen Anteil? 137

B: Die Materialien, die wir hier vertreiben, haben wir entweder selbst erarbeitet und konzipiert, oder sie sind im Einzelfall von Inter Nationes. Die Materialien, die wir selbst entwickelt haben, basieren auf sogenannten “A- level"-Themen, vergleichbar also mit deutschen Abiturthemen. Es gibt beispielsweise Dokumentationsmappen zu deutscher Literatur und Geschichte, zu Berlin und den neuen Bundesländern, Drittes Reich etc.. Zu diesen Themen stellen wir die neuesten Texte und Literatur zusammen und laden auch Schüler ein - ca. 1000 Schüler im letzten Jahr aus über 50 Schulen - was deren Motivation natürlich extrem fördert. Die Materialien für unseren Eigenbedarf können wir hier - mit Hilfe unserer Bibliothek - selbst produzieren oder sie kommen aus München. Allerdings liefert uns auch die Zentrale nur auf Bedarf. Was von Inter Nationes kommt, ist - sofern es nicht mit uns zusammen entwickelt wurde - entweder zu schwer, oder geht am Bedarf total vorbei. A: Können Sie I N-Material benennen, welches Ihren Anforderungen nicht entspricht? B: Beispielsweise deren Lehrübungen oder die Mappen über deutsche Städte sind größtenteils viel zu schwer. Wir versuchen Inter Nationes, bereits bevor sie produzieren, zu einer Kooperation zu bewegen. Das Problem am Inter Nationes-Material ist einfach, dass die örtlichen Bedürfnisse zu unterschiedlich sind, um auf einheitliches Material aufzubauen.Das Inter Nationes-Deutschlandspiel war beispielsweise ein ziemlich dröges Ding. Jetzt heißt es “Kubuk", und schon das klingt ziemlich eckig. Diese Materialien sind entweder nicht ausführlich genug, oder schlichtweg zu langweilig. In der Sprache etwa haben sie eine viel zu dichte Information. Auch beim Thema Deutsch als Wirtschaftssprache muss man sich fragen, was deren Materialien mit Wirtschaft zu tun haben. Das Zeug ist sprachlich und didaktisch völlig unbrauchbar, das kann man vergessen. A: Was ist mit dem Kinderkoffer “KiKo”? B: Ja, der ist ganz gut, und kommt bei den Kindern an. Es gibt einige Medien und Materialen, die hervorragend sind, wie der "KiKo", den wir auch integrieren. Sehr gut ist außerdem die Videoreihe "Turbo". A: Diese Reihe ist gut? Ich habe mir einige Folgen angesehen und halte sie für sehr schwer verständlich. B: Ja, schon. Es kommt immer auf die Lerner an. Wir hatten bei Lehrerfortbildungen großen Erfolg damit. Wir bieten dazu natürlich noch viele vorbereitende Zusatzprogramme an, aber generell sticht diese Reihe aus dem übrigen Material positiv hervor.

Interview mit der Leiterin der Bibliothek D und dem Institutsleiter W, Interviewerin A

D: Ich bin erst seit etwa einem Jahr in London und habe davor in unserem Hauptquartier gearbeitet, im Bibliotheks- und Informationsbereich. In den 5 1/2 Jahren, die ich dort arbeitete, wurde mir die Misere der Bibliotheksschließungen deutlich vor Augen geführt. Mir kommt bei meiner jetzigen Arbeit mein Hintergrundwissen, z.B. über die damals von uns entwickelten Konzeptionen aus München zu Gute. Als ich hier anfing, war ich skeptisch, wie groß das Interesse an meiner Arbeit sein würde. Mittlerweile bin ich insgesamt positiv überrascht. Bei der Bereitstellung eines multimedialen Bestandes, der sich an den Bedürfnissen vor Ort ausrichtet, gilt es abzustimmen, welche Bestände in Londons Bibliotheken selbst vorhanden sind, was bei anderen deutschen Anbietern, z.B. dem Deutschen Historischen Institut vor Ort oder dem Informationszentrum der deutschen Botschaft. A: Ist eine Abgrenzung zu anderen Bibliotheken nötig, womit auch ein anderes Publikum erreicht würde? D: Abgrenzung ist wichtig, d.h. wir müssen unseren Platz im Umfeld definieren. Unser eigener Bestand wird entgegen meinen ersten Befürchtungen sehr gut genutzt, und das freut mich natürlich. Der gesamte Bestand, das 138

sind 27.000 Medieneinheiten, wird einmal im Jahr umgeschlagen, das ist für ein Goethe-Institut ein guter Schnitt. Das Interesse an deutscher Literatur ist also generell groß. Unsere Ausleiher haben von vorne herein ein ganz bestimmtes Interesse. Es kommen sehr viele Schüler, aber z.B. auch Schriftsteller, Übersetzer, Journalisten zu uns. Schwerpunkte sind neben der Literatur vor allem die Sozialwissenschaften, Film- und Theaterliteratur und natürlich sämtliche Materialien für den Deutschunterricht. Besonders die Literatur zum Deutschunterricht ist momentan sehr stark gefragt, dort gab es enorme Zuwachsraten von bis zu 200%. Das hat auch damit zu tun, dass es hier im Lande sonst keine vergleichbare Einrichtung gibt. Die Stellen, die in Frage kämen, schaffen nichts mehr in dieser Richtung an, da Französisch mit einem Anteil von 80% aller Fremdsprachen-Lernenden klar vor dem Deutschen dominiert. Deshalb wird auch auf breiter Basis in den examination-boards auf uns verwiesen, was unseren Boom erklärt. Wir versuchen dieser Aufgabe, so gut es geht, gerecht zu werden, obwohl wir natürlich auch noch andere Zielgruppen haben. Wir wären also froh, wenn uns in diesem Bereich irgendeine Institution entlasten könnte. Dies sehe ich jedoch im Moment nicht, denn wenn wir andere, z.B. Schulbibliotheken, ansprechen, wird uns immer wieder gesagt, dass außer den entsprechenden Mitteln auch die Kompetenz fehle. A: Gibt es eine Möglichkeit, sich aktuell über Deutschland-relevante Themen zu informieren? D: Mit Unterstützung der Sprachabteilung entwickeln wir Schülermappen, das sind 70 Dokumentationsmappen jeweils zu aktuellen Abiturthemen. Diese Dokumentation pflegen wir in der Bibliothek und sie wird unglaublich stark genutzt, von Schülern genauso wie von anderen externen Stellen. Hierfür müssen wir jetzt sogar noch zusätzlich studentische Hilfskräfte oder Praktikanten einsetzen, damit wir wenigstens von den technischen Arbeiten etwas entlastet sind. A: Kann man durch diese Informationsarbeit das Deutschlandbild facettenreicher machen oder korrigieren? D: Ich vergleiche immer das Wissen, was in Dänemark - wo ich vorher beim Goethe-Institut gearbeitet habe - vorhanden ist, mit dem hier unter Schülern feststellbaren Wissen. Ich bin sehr erstaunt über das vergleichbar geringe Wissen und Interesse der Londoner Jugend. Da kommen beispielsweise Schüler zu mir, die etwas über die Todesstrafe in Deutschland wissen wollen. Man kann das Themenspektrum zu dem man gefragt wird, kaum eingrenzen. Hier haben wir, wie ich glaube, eine entscheidende Funktion: Zum einen können wir das Deutschlandbild korrigieren, und zum anderen können wir einen positiven Eindruck von Deutschland vermitteln. Wir wollen, dass die Menschen sich bei uns - speziell in der Bibliothek als Kommunikationsplatz - wohl fühlen. Man kommt leicht ins Gespräch und entwickelt lebhafte Diskussionen. Diese Sympathiewerbung darf man nicht unterschätzen. A: Gibt es weitere Infmations- und Dialogmöglichkeiten? D: Das zweite Feld neben der Ausleihe ist die Informationsarbeit, die sehr spezialisiert ist. Hier gehören die größten Bibliotheken des Landes zu unseren Partnern, unsere Bibliothek hat sich gut ins Land integriert. Beispielsweise haben wir für die Zeitschrift "Die Welt" Material für einen Artikel über die Situation von Frauen in England bei den hiesigen Bibliotheken gesucht. Im Gegenzug haben wir hier entsprechendes Material zur Situation der Frauen in Deutschland zusammengestellt. Wir verfügen also über ausgezeichnete Kontakte, besonders in dem Fall, dass wir über bestimmte Informationen nicht selbst verfügen. Genauso verweisen wir auch britische Institutionen nach Deutschland weiter, wenn wir nicht direkt helfen können. Unser anerkanntes 139

Know-How, unser Informationsservice wird von allen deutschsprachigen Institutionen in Großbritannien genutzt, so z.B. von der deutschen Handelskammer, den Botschaften oder dem österreichischen Kulturinstitut. W: Hier komme ich auf das zurück, was ich bereits vorhin zum Informationszentrum der Botschaft gesagt habe: Zieht man die Informationsarbeit der Handelskammer zu Wirtschaftsfragen, die soziokulturellen Informationen des Goethe-Instituts und die Informationen, die von jedem normalen Sachbearbeiter der Botschaft vermittelt werden können ab, so bleiben nicht mehr viele Aufgaben für dieses Informationszentrum übrig. Man sollte es schließen! D: Natürlich halten die Verantwortlichen im Informationszentrum Vorträge zu bestimmten deutschen Themen, sie empfangen Schulklassen und Politiker. Auf Anfragen zur Regierungspolitik wollen wir selbstverständlich nicht antworten, trotzdem legitimiert diese Aufgabe nicht diese “aufgeblasene" Einrichtung. Der derzeitige Leiter dieses Informationszentrums ist allerdings sehr einsichtig und weiß, dass wir nur durch gute Zusammenarbeit, d.h. durch Arbeitsteilung weiterkommen. W: Der vorige Leiter wollte uns verbieten, uns als Bibliothek- und Informationszentrum zu bezeichnen, da dieser Titel seiner Institution zustehe. Wir können aber auf das Element "Information" in der Aufgabenbeschreibung unserer Bibliothek nicht verzichten. Es gab eine Auseinandersetzung, in die ich auch unsere Zentrale eingeschaltet habe. Wir heißen danach weiter Bibliothek und Informationszentrum. Unterm Strich muss man allerdings einfach sagen, dass dort unwahrscheinlich viel Geld falsch investiert wird. D: Die Botschaft bietet z.B. einen Internet-Katalog mit deutschsprachigen Filmen an, die von dpa und Inter Nationes vertrieben werden. Für diesen Katalog zahlte das Auswärtige Amt 8.000 DM. Einen vergleichbaren Katalog aus unserem Hause erstellten wir für ungefähr 120£! Es fließt da sehr viel Geld, aber man muss sich nach dem Nutzen dieser Maßnahmen fragen. W: Die Botschaft baut über dieses Informationszentrum eine Art eigener Mittlerorganisation auf. Da der dortige Kulturreferent z.B. auch Themenveranstaltungen zu deutscher Literatur organisiert, ist hierin eine klare Kompetenzüberschreitung zu unseren Ungunsten zu sehen. Wenn I N sein Material wenigstens noch selbst an die Schulen verschicken würde, wäre das noch eher verständlich. Aber die Botschaft zwischenzuschalten, halte ich für unsinnig. A: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen deutschsprachigen Institutionen? D: Was immer unterschätzt wird, ist die Tatsache, dass wir eine beträchtliche Infrastrukturleistung für die anderen deutschsprachigen Institutionen - Österreicher und Schweizer - bieten. Da diese Länder keine eigenen Bibliotheken haben, kommen sie natürlich auf unser Angebot zurück. Ich habe bestimmt jeden zweiten Tag eine österreichische Anfrage zu bearbeiten. W: Wenn z.B. jemand beim Informationszentrum der Botschaft anruft und den englischen Text der deutschen Nationalhymne haben will, muss sich die Botschaft auch wieder an uns wenden. Das ist doch widersinnig! A: Wie sieht Ihre Kenntnis des englischen Buchmarktes aus? D: Das einzigartige an uns ist unsere genaue Beobachtung des englischen Buchmarktes. Wir bekommen sämtliches Material, Verlagskataloge, Textproben usw. .Wir wissen genau, was neu erscheint, insbesondere über Deutschland oder aus dem Deutschen übersetzt. Ein Drittel unseres Bestandes ist in englischer Sprache. A: Wieso ist ein Drittel Ihrer Medien in englischer Sprache verfasst? 140

D: Weil sehr oft die Informationen gebraucht werden, und wir nicht immer davon ausgehen können, dass der Betreffende Deutsch spricht. Wenn wir diesen englischen Bestand nicht hätten, müssten wir oft selbst etwas zusammenschreiben, wenn wir die Interessenten nicht verprellen wollen. Obendrein ist natürlich auch der Aspekt interessant, dass wir aus der englischen Literatur über Deutschland direkt mitbekommen, wie die Briten Deutschland sehen. Es ist traurig, dass es sich für eine einzelne Bibliothek in England nicht lohnt, neue deutsche Literatur oder übersetzte deutsche Titel in ihr Programm aufzunehmen. W: Das ist auch der Grund, warum ich Ihnen vorher sagte, ich glaube dass das Goethe-Institut im Bibliotheks- und Informationsbereich im Jahre 2010 noch eine bedeutende Rolle hier spielen kann und wird. A: Partnerarbeit ist eine Maxime des Goethe-Instituts. Wie wird diese in Ihrem Bereich verwirklicht? D: Ein weiteres Arbeitsfeld, das in den letzten Jahren erst hinzugekommen ist - und gleichzeitig ein Grundprinzip der Goethe-Institute verkörpert - ist die Partnerarbeit. Wir arbeiten heute verstärkt mit anderen Bibliotheken, mit Übersetzern, mit Verlegern und Buchhändlern. Diese Entwicklung ging von Osteuropa aus. Dort hat man frühzeitig festgestellt, dass mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Personal keine effiziente deutschsprachige Bibliothek dauerhaft zu erhalten ist. Man wollte die Infrastruktur dort statt-dessen durch verstärkte Zusammenarbeit mit ortsansässigen Bibliotheken verbessern. Dabei wurde viel erreicht. Wir setzen heute einen Schwerpunkt unserer Arbeit in die Verbesserung der Zusammenarbeit mit hiesigen Institutionen. Ein Beispiel, das schon genannt wurde, sind die “new books in german"-Broschüren, die ja in Kooperation mit einer britischen Initiative erarbeitet und verbreitet werden. Der wichtigste Punkt an diesem Projekt ist, dass die britische Seite die Titel auswählt. Die Initiative zu dem Projekt kam übrigens ebenfalls von britischer Seite und wurde von uns aufgegriffen und unterstützt. Deutsche Verleger schicken ihre Publikationen hierher an die Bibliothek des Goethe-Instituts, und hier entscheidet dann ein Gremium aus britischen Experten - Verleger, Schriftsteller und Übersetzer - welche Titel in die Broschüre aufgenommen werden. Dabei kommt es auf österreichischer und schweizer Seite leicht zu Irritationen, weil man dort meint, unterrepräsentiert zu sein und gern selbst über die Buchauswahl mitreden möchte. A: Aus welchem Angebot wählt die britische Seite die entsprechenden Titel für die “new books in german" aus? D: Es gibt ein Herausgeber-Komitee, das aus den eingeschickten Büchern deutschsprachiger Verlage eine Vorauswahl trifft. Hierbei entscheidet vor allem auch die Aktualität, denn die Auswahl soll einen repräsentativen Querschnitt des jeweils neuesten Buchmarktes in den deutschsprachigen Ländern wiederspiegeln, sowohl im Herbst, wie im Frühjahr. Hierfür schicken die Verleger sogar teilweise ihre Manuskripte. Nach dieser Vorauswahl treffen sich die Briten mehrmals, um aus den ca 100 vorgeschlagenen Titeln in einem ersten Schritt 60 näher zu beurteilen. Hierzu werden Gutachten erstellt, die in einem zweiten Treffen vorgestellt und diskutiert werden. Danach wird entschieden, welche Bücher in die "new books in german"-Broschüre aufgenommen werden. Die Testleser wechseln übrigens auch regelmäßig. Dieses Engagement ist durchwegs positiv zu sehen. Bei der Finanzierung ist das Hauptproblem, dass die Mittel von deutscher Seite [zur Finanzierung s. Gespräch mit Herrn W] vom Auswärtigen Amt kommen, und in erster Linie der Botschaft zugeteilt werden, obwohl wir im Goethe-Institut die inhaltliche Arbeit machen. 141

W: Die Botschaft ist nicht durch Kenner der deutschen oder britischen Literatur- und Verlagsszene vertreten. Solche Fachleute gibt es dort nicht. Es wäre sinnvoll, wenn wir dieses Projekt - auch finanziell - alleine betreuen könnten. A: Gibt es im Bereich Literatur- und Übersetzungsförderung auch Ausstellungen? D: Zu dieser Partnerarbeit - sie nennt sich jetzt auch Bibliothekarische Verbindungsarbeit - gehört z.B. auch eine Ausstellung, die wir hier gehabt haben. Die ist in unserer Bibliothek in Brüssel entstanden, und wir haben die englische Version ausgestellt. Darin ging es um deutsche Literatur nach 1945. Wir überlegen, eine Folgeausstellung zu organisieren, die besonders die Literatur nach der deutschen Vereinigung wiederspiegeln soll. Diese Wanderausstellung wurde bereits in England sehr positiv aufgenommen. In ihr werden Bücher und Profile der verschiedenen Autoren nach 89 vorgestellt. Im Herbst kommt die Ausstellung nach London, und dann wollen wir sie zeigen. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt also in der Literaturförderung und der Übersetzungsförderung deutscher Literatur. W: Es ist übrigens, wie ich finde, interessant, dass ich für die Vortragsserie "1949 - 1999", von der ich Ihnen vorhin erzählt habe, keinen einzigen großen Namen aus der deutschen Kunst- und Literaturszene gewinnen konnte. Ich erhielt nur Absagen, keiner war bereit, über seine 50 Jahre Deutschlanderfahrung in London einen Vortrag zu halten. A: Woher kommt das Ihrer Ansicht nach? W: Ich denke, das direkte politische Reden fällt den Autoren heute schwerer als früher. Vielleicht ist ein Auftreten beim Goethe-Institut mit dessen Honorarsätzen auch nicht mehr so interessant für bekannte Autoren. A: Zu Dialog und Partnerschaft gehört auch, dass man das Land der "anderen" kennt. Gibt es dazu Initiativen? D: Es gibt natürlich verschiedenste Gruppen, mit denen man zusammenarbeiten kann. Ein von der Initiative her vorbildliches Projekt war die Reise zweier deutscher Bibliothekare durch britische Bibliotheken. Nachdem sie so begeistert von ihren Erlebnissen waren, wollten sie die Reise erwidern und den Briten ihre Bibliotheken zeigen. Es besteht auch ein großes Interesse an Bibliotheksbauten und Einbindung der neuen Medien, z.B. mit den neuen Nationalbibliotheken in Frankfurt und London. Mit dem Anliegen des gegenseitigen Kennenlernens sind beide Seiten an das Goethe-Institut und das British Council herangetreten, und zusammen haben wir es tatsächlich geschafft, diese Besuche zu organisieren. Finanziell wurden wir dabei vom Kultusministerium in Halle, der Generaldirektion der staatlichen Bayerischen Bibliotheken und der Bibliothekarischen Auslandsstelle des Deutschen Bibliotheksinstitutes unterstützt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte wiederum in London. Wir organisierten die Ausschreibung und trafen die Auswahl. Die Gruppe bestand aus 10 britischen Bibliothekaren und einem Architekten. Es wurden besonders Bibliotheks-Neubauten besichtigt. Die Fahrt führte die Teilnehmer nach München, Göttingen, Frankfurt und Halle. W: Solche Begegnungsreisen müsste man in allen Bereichen fördern. D: Diese Fahrt war ein unglaublicher Erfolg, es gab im Nachhinein sehr viel positives Feedback. Die Kontakte zu den Teilnehmern bestehen noch heute. Die Teilnehmer werden in einer Arbeitsgruppe für geplante Bibliotheken in den neuen Bundesländern Empfehlungen ausarbeiten. Besonders der Architekt zeigte sich interessiert an den neuen Bauvorhaben, die erfreulicherweise recht unbürokratisch verwirklicht werden. Erfreulich war auch, dass die Verantwortlichen in Ostdeutschland nicht immer nur die Westdeutschen als 142

Vorbilder anerkannten, sondern auch den Blick über die Grenzen gewagt haben. Als eine Konsequenz dieser positiv verlaufenen Reise will der britische Bibliotheksverband jetzt das British Council, das französische Kulturinstitut und das Goethe-Institut zusammenbringen, um die Frage zu diskutieren, was jeweils unter Bibliotheks- und Informationsarbeit im Rahmen auswärtiger Kulturpolitik verstanden wird. A: Das heißt, der direkte menschliche Austausch ist ein wesentliches Element Auswärtiger Kulturpolitik? D: Ja! Es entwickelt sich im Moment eine sehr ungute Diskussion darüber, was Auswärtige Kulturarbeit kosten solle, z.B. wird Personaleinsatz nur unter Gesichtspunkten der Kosten gesehen. Personalkosten werden kritisch gesehen, indem man unterstellt, es handele sich um zu hohe Verwaltungskosten. Dabei machen die Menschen Kulturarbeit erst möglich. Die Art, wie Menschen auftreten und Dienstleistungen erbringen, hat bereits eine kulturpolitische Wirkung. W: Die Mitarbeiter in der Bibliothek, die jeden Tag Freundlichkeit und gute Laune verbreiten und Sachkunde ausstrahlen, "leben" Kulturpolitik. Bevor überhaupt die erste objektive Information weitergegeben worden ist, fand dabei schon die erste auswärtige Kulturpolitik statt! Das gilt für uns alle. Es stimmt einfach nicht, dass wir hier nur uns selbst verwalten. A: London ist ein Regionalinstitut. Wie sieht die Zusammenarbeit aus? D: Wir haben hier erst kürzlich ein Konzept eingeführt, mit dem die Kollegen in Frankreich schon ein ganzes Stück weiter sind. Um Kosten einzusparen, ist die Zusammenarbeit mit anderen Goethe-Instituten verstärkt worden, d.h. Informationen werden ausgetauscht und verbunden. Dazu sind die Institute in der Region mittlerweile sehr gut technisch ausgerüstet. Wir können uns über E-mail verständigen und Anfragen zu anderen Bibliotheken direkt weiterleiten. Bücher und Materialien werden untereinander ausgetauscht. Das gleiche gilt für unsere eigenen Bibliotheken in den Goethe-Instituten in Manchester, Glasgow und York. Hierbei haben wir einen Informationsfluss geschaffen, der beispielhaft ist und den einzelnen Mitgliedern eine Spezialisierung auf bestimmte Gebiete erlaubt. Dabei haben alle Bibliotheken natürlich einen ähnlichen Grundbestand, aber jede hat ihren eigenen Schwerpunkt, wir z.B. im Bereich Film. Diese Arbeitsteilung leuchtet auch dem Bundesrechnungshof ein, denn durch diese städteübergreifende Kooperation werden drastisch Kosten gespart. Allerdings ist in diesem Fall auch eine spezielle Schulung des Personals, abhängig vom jeweiligen Bibliotheksschwerpunkt, erforderlich. A: Hier betonte Herr W, dass Kompetenz mit Weiterbildung und Kosten zusammenhängt. W: Da komme ich noch einmal auf die Kompetenzfrage zurück. Wir sind letztendlich alle zu wenig aus- und fortgebildet. Unsere Filmsachbearbeiterin, die sich wirklich hervorragend in ihrem Gebiet auskennt, ist dabei eher die Ausnahme. Sie besitzt eigentlich Kuratoren-Qualität und ist sogar, da die Zentrale dies nicht bezahlte, auf Kosten des Instituts London zur Berlinale geflogen. Sie hat ihre erstklassigen Kontakte zu allen bekannten deutschen Filmemachern erhalten können. Durch ihre Reise wurde aber die Reisekasse von London, z.B. zu Lasten meiner Reisemöglichkeiten als Regionalbeauftragtem, gemindert. D: Die Regelung zur Wiederverwendung von Einnahmen ist momentan eines der meist diskutierten Probleme, nicht nur in unserem Hause. Uns wird immer erzählt, wir müssten ein stärkeres Kostenbewusstsein entwickeln. Das führt uns - übrigens auch die Österreicher und Schweizer - zu der Frage, ob wir nicht Gebühren für Leser erheben, wobei wir natürlich Kursteilnehmer und andere Bibliothekare ausnehmen würden. Ich denke, das wäre einfacher. Dadurch würden wir unsere finanzielle Situation drastisch verbessern. Wir müssten in diesem Falle 143

zwar damit rechnen, dass ein Teil unserer Leser ausbleiben würde, würden aber ca. 60 bis 80.000 DM pro Jahr einnehmen. Wir kämpfen deshalb mit unserer eigenen Zentrale um die Erlaubnis, dieses Geld dann behalten und wiederverwenden zu dürfen, bisher vergeblich. Wir wollen die Gebühren freilich nur einführen, wenn wir die Einnahmen auch wieder investieren dürfen, z.B. für ein angemessenes Kopiergerät in der Bibliothek. W: Die Leser, die die Gebühren bezahlen, müssten dann auch das Gefühl haben, sie bekommen zusätzliche Dienstleistungen. D: Unsere Leser schätzen unseren Service sehr, ich glaube nicht, dass wir mit einer Gebührenerhebung ein großes Akzeptanzproblem hätten. “Je mehr man umsonst macht, desto weniger ist es wert", dieses Dilemma ist besonders hier in London stark ausgeprägt. Wir erwarten deshalb von der Zentralverwaltung ein positives Signal, uns unser Geld zu belassen. A: Wie viel Personal arbeitet in der Bibliothek? D: Damit Sie die Zahlen noch einmal haben, Wir sitzen zu fünft in der Bibliothek. Rom und Paris haben mehr Personal. Wir liegen ungefähr im Durchschnitt, für ein Weltstadtinstitut ist es aber etwas weniger als üblich. Die Projekte, die wir in London betreuen, sind nicht mit denen irgendeines anderen Regionalinstituts zu vergleichen. Deshalb sind diese fünf Stellen auch voll gerechtfertigt. Ich selbst war aufgrund der beschriebenen Aufgabenvielfalt seit meinem Dienstantritt zu 50% der Zeit nicht in der Bibliothek anwesend! Hier sind also eher noch mehr Mitarbeiter wünschenswert! Es bringt nichts, das Bibliothekspersonal in allen Goethe-Instituten z.B. auf drei Mitarbeiter zu begrenzen.

Interview mit der Leiterin der Sprachabteilung C, Leiter der Verwaltung K, Interviewerin A

A: Sie teilen sich mit Ihrem Kollegen Herrn Bauer die Spracharbeit? C: Ja, er betreut den Primar- und Sekundarbereich und ich den Erwachsenenbereich hier im Hause mit Sprachkursen. Die Tätigkeiten im Grundstufenbereich teilen wir uns mit anderen Anbietern, die es vor Ort gibt. Ab dem Fortgeschrittenen-Niveau jedoch gibt es kein entsprechendes Angebot, das ähnlich qualifizierende Kurse anbietet wie das Goethe-Institut. Hier stehen wir außer Konkurrenz da, d.h. für eine bestimmte Klientel stehen wir als einzige Institution in London offen. Wir bemühen uns, mit Partnerinstitutionen zusammenzuarbeiten um ähnliche Kurse auch dort anzubieten, aber im großen und ganzen muss man nach wie vor feststellen, dass derartige Interessenten sich bevorzugt bei uns wiederfinden. Das gilt bis hoch auf ein Niveau, das dem kleinen oder großen deutschen Sprachdiplom entspricht, d.h. fast muttersprachliches Niveau. Wenige akademisch ausgerichteten Kurse finden sich dann in den Germanistikstudien oder “german studies” an den Universitäten wieder. Der andere Bereich für den ich zuständig bin, ist der Erwachsenenbereich außerhalb des Institutes. Das ist zum einen die sogenannte “adult education”, die in etwa unserem Volkshochschulsystem entspricht, zum anderen die sogenannte “further education”, die bei einem Alter von 16 Jahren beginnt, und schließlich die “higher education”, die unserem universitären Betrieb entspricht. Meine besondere Aufgabe ist die Betreuung dieses nachschulischen Bereichs, im Zusammenhang mit den “german studies”, die in Zusammenarbeit mit dem DAAD und in Absprache mit Partnern auf der britischen Seite durchgeführt werden. A: Dann haben Sie sicher auch an der Länderkonzeption für Deutsch als Fremdsprache in Großbritannien mitgearbeitet? 144

C: Das ist richtig. Ein interessanter Punkt innerhalb der Länderkonzeption ist das Kapitel über die Zusammensetzung der Klientel in unseren Kursen. Diese Zusammensetzung unterscheidet sich erheblich von anderen Instituten wie z.B. Paris. Unsere Klientel ist ganz international, so wie die Stadt. Es spielt keine Rolle ob Lateinamerikaner, Israelis, Spanier oder Skandinavier, die Zusammensetzung ist wahrhaft multikulturell. Das macht die Kurse so lebendig und natürlich auch anregend. Manche dieser Leute möchten sich beruflich weiterqualifizieren in Deutschland. Im Erwachsenenbereich wird Deutsch vor allem in der Altersgruppe um 40 gelernt, Französisch und Spanisch eher von einer Altersgruppe um 50 und aufwärts. Deutsch gilt als berufliche Zusatzqualifikation, da Französisch als einzige Fremdsprache selbst in England nicht mehr ausreicht. A: Das ist ein Manko des hiesigen Erziehungssystems. Heute sind die Einschreibungen in Ihrem Haus. Wie sehen die Zahlen aus? C: Wir haben bis jetzt über die Sommerpause 262 Wiedereinschreibungen, das sind Kursteilnehmer, die im vorigen Jahr oder Semester bei uns gelernt haben. Die Neueinschreibungen beginnen erst ab heute. Mit 262 Anmeldungen haben wir bereits ein Viertel aller Einschreibungen vollzogen, und wir hoffen auf die weiteren drei Viertel im Laufe dieser und der kommenden Wochen. K (Leiter der Verwaltung): Vielleicht sollte man noch etwas zu den Zahlen sagen, die sich dahinter verbergen. Die Leute, die sich im Laufe des Jahres einschreiben, erbringen uns 1,2 Millionen DM, d.h. diese Sprachkurse tragen sich finanziell, wir erwirtschaften damit Gewinne. C: Damit werden die Lehrergehälter und die Sekretariatskosten gedeckt, und es bleibt immer noch ein Gewinn, was doch sehr beachtlich ist für ein Goethe-Institut im weltweiten Vergleich. W: Das gilt wohlgemerkt nur für London, nicht für die anderen Institute, besonders in Westeuropa. A: Wie kommt es zu einem solchen Unterschied auf der Einnahmenseite der Institute und zu Ihrem Plus? K: Gute Kalkulation, angemessene Kursgebührengestaltung, obwohl die Lehrergehälter auch nicht gerade niedrig sind. C: Die Gehälter sind nicht so hoch, wie an anderen Orten. Aber es spielen mehrere Parameter eine Rolle, z.B. haben wir eine sehr geringe Ausfallquote unter den Lehrern. Um die 1,2 Millionen DM verkürzt sich aber gleichzeitig unser Zuschuss aus dem Kulturhaushalt des Bundes - das ist durchaus eine hohe Summe. K: Obwohl unsere Werbungskosten nebenbei bemerkt auch sehr hoch sind, reicht uns die zur Verfügung stehende Summe aus. A: Wo werben Sie für die Sprachkurse? K: In Zeitungen hauptsächlich, und das ist teuer, besonders in London. C: Wobei diese Anzeigen gleichzeitig noch eine sprachpolitische Funktion haben, besonders wenn wir mit den anderen Kulturinstituten zusammen werben. Damit können wir nämlich den Akzent darauf setzen, dass Sprachen zu lernen generell eine wichtige Sache ist - in Europa und dem Rest der Welt. Damit können wir quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. K: Das ist eine geniale Sache. Konzentrierte Werbeaktionen finden zusammen mit französischen und spanischen, sowie mit anderen europäischen Kulturinstituten statt. Da haben wir auch sehr gute Slogans. A: Wie sieht denn Ihr täglicher Arbeitsablauf aus? C: Geregelte Arbeitsabläufe im klassischen Sinne existieren bei uns fast nicht. Jeder Tag ist praktisch anders. Es gibt natürlich Rhythmen, z.B. im Zwei-Semester-Rhythmus Prüfungspläne, Prüfungsabnahme, Sommerkurse, 145

Lehrerkonferenzen und Fortbildungen, Außentermine mit Partnerinstituten und Universitäten. Nach einem Jahr kann ich heute sagen, dass der nachschulische Bereich in England immer mehr an Bedeutung gewinnt, d.h. der Fremdsprachenunterricht setzt hier zu spät und quantitativ zu gering ein, so dass die wirklichen sprachlich Bedürftigen letztendlich bei uns landen. Das wäre noch ausbaufähig. A: Wie viele Teilnehmer haben die Kurse? C: Im Schnitt haben die Kurse 16 Teilnehmer. Davon sind die Anfängerklassen meist etwas stärker belegt als die stark spezialisierten Kurse. A: Und welche Lehrwerke verwenden Sie? C: Die, die auf dem neuesten methodischen Stand sind. In der Mittelstufe nehmen wir jetzt einen Wechsel vor, wir haben in Großbritannien/Irland ein Mittelstufen-Curriculum entwickelt. Parallel dazu haben die Verlage neue Lehrwerke entwickelt. Auch die abschließende zentrale Mittelstufenprüfung basiert darauf. Diese Lehrwerke werden heuer eingeführt. A: Was sind das für Lehrwerke? C: Im Jahr 4 ist es der "Brückenkurs" im Hueber Verlag, die Nachfolge davon ist das Lehrbuch "M" im Jahr 5, und im Jahr 6 das Werk "Unterwegs". Diese drei neuen Lehrwerke werden im kommenden Pilotjahr von uns getestet, bevor wir uns endgültig für ein Werk entscheiden, welches am besten mit unserem eigenen Curriculum harmoniert. In der Grundstufe werden wir den Wechsel spätestens ein Jahr darauf vornehmen, der ist überfällig. A: Bieten Sie über die Parlamentskurse hinaus auch für andere Berufsbereiche Kurse an? C: Neben dem bereits von Herrn W erwähnten Parlamentarierkurs bieten wir im Bereich der Firmenkurse besonders "City-" und "Anwaltskurse" an. Diese betreffen alles, was mit dem Bereich der Wirtschaft bzw. mit juristischem Wirtschaftsdeutsch zu tun hat. Diese Kurse expandieren. Im letzten Jahr fanden ungefähr 800 Stunden in solchen Kursen statt. Meist werden sie als Individualkurse durchgeführt, manchmal auch als Firmenkurse im kleineren Kreis von 4 bis 5 Teilnehmern. Für diese Geschäftsleute können schon ein paar Brocken “Alltagsdeutsch" in Verhandlungen mit ihren deutschen Partnern wichtig sein, selbst wenn die Verhandlungssprache Englisch ist. Rezeptives Verstehen, wenn auch nur im small talk, kann im Geschäftsleben oft entscheidend sein. Oft wird von den Teilnehmern auch der Wunsch geäußert, Wirtschaftsmeldungen in den Zeitungen zu verstehen, wenigstens das eine oder andere wichtige Wort. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwar keine Prognose wagen, aber ich stelle schon fest, dass selbst hier in England, dem Land der lingua franca, die Bereitschaft zum Umdenken, d.h. zum Erlernen einer anderen Sprache wächst. Dies mag mit der europäischen Einigung zu tun haben und man merkt, dass man in Englisch zwar kaufen, aber nicht verkaufen kann. Auf Initiative von Tony Blair untersucht die Nuffield Foundation gerade in einer groß angelegten Studie, warum es in Großbritannien so schlecht um das Erlernen von Fremdsprachen bestellt ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Egal, was dabei heraus kommt, so zeigt sich hierin doch ein Bewusstseinswandel, denn so etwas hat es früher nie gegeben. Dies ist ein Schritt nach vorn. A: Ist Spracharbeit Kulturvermittlung oder Wirtschaftsförderung? W: Die Start-Debatte von Herrn Naumann fordert, dass Deutsch vor allem als Kultursprache, und nicht als reine Wirtschaftssprache gefördert wird. Aus unserer Erfahrung müssen wir allerdings klar feststellen, dass die Motivation unserer Teilnehmer wenig kulturrelevant ist. 146

C: So pauschal würde ich das nicht sehen. Sicher ist die wirtschaftliche Motivation bei einem gewissen Kreis von Teilnehmern evident, der in kürzester Zeit ein bestimmtes Ziel erreichen will. Es gibt aber auch andere, die Deutsch sehr wohl aus kulturellem Interesse lernen. Diese Menschen, ob sie Kunsthistoriker, Musiker oder Journalisten sind, bringen jedenfalls ein kulturelles Hintergrundwissen mit, auch wenn sie Geschäftsleute sind. W: Auch im Selbstverständnis der Lehrer ist die Betonung auf das Wirtschaftsdeutsch gerichtet. Hier stecken die einzigen echten Wachstumspotentiale. Oft ist dies jedoch nur der Aufhänger: Wenn die Teilnehmer erst einmal Kontakt mit uns haben, interessieren sie sich auch für andere Aspekte, z.B. für kulturelle. Im Gegensatz etwa zu Italien, wo Deutsch hauptsächlich aus kulturellen Aspekten gelernt wird, liegt hier die Betonung klar auf der pragmatischen Verbesserung der Geschäftsmöglichkeiten. C: Durch meine Besuche in allen Klassen vergangenes Jahr würde ich die These vertreten, dass eine gesunde Mischung aus wirtschaftlich orientierten Pragmatikern und allgemein Kulturinteressierten in den Kursen besteht. W: Herr Naumann griff ja die Argumentation von Herrn Sartorius auf, wonach der Hauptgrund für Deutschförderung ein kultureller sein sollte. Die frühen Äußerungen Satorius' stießen bei den Lehrern auf breite Kritik. Sie warfen ihm vor, an der Realität vorbei zu argumentieren. C: Außerdem bezogen sich die Äußerungen von Sartorius auf ein Buch, das im Jahre 1978 erschienen ist. Das zeigt, wie fern Sartorius vom heute praktizierten Deutschunterricht steht.

Interview mit der Leiterin der Programmabteilung, Dr. H

H: Ich bin Programmreferentin des Instituts London. Ich bin Stellvertreterin von Herrn W im Bereich der Programmarbeit und speziell zuständig für die Bereiche Theater, Literatur, Musik und Ausstellungen. Im Bereich Ausstellungen betreue ich auch regionale Projekte. U.a. organisiere ich verschiedene Ausstellungen mit, die wir oft auch noch anderen Institutionen zur Verfügung stellen. Es werden auch viele Anfragen an uns herangetragen, ob wir nicht innerhalb Großbritanniens interessante, kleinere Ausstellungen vermitteln können. A: Was die Ausstellungen betrifft, arbeiten Sie hier mit dem ifa zusammen? H: Die ifa-Ausstellungen sind in der Regel sehr schön gemacht, auch mit sehr schönen Katalogen, das Problem dabei ist nur, sie sind viel zu groß. Das haben wir den Verantwortlichen dort auch schon gesagt, auch mein Kollege in der Zentralverwaltung, Herr P, sprach dieses Problem bereits an. Ein aktuelles Beispiel dazu ist die vor kurzem vom ifa organisierte Ausstellung über Kunst, Landschaft und Gartenbau in Wörlitz im Zeitalter der Aufklärung. Wir wurden dann sehr kurzfristig gebeten, hier in England einen Ausstellungsplatz zu finden. Gerade heute morgen führte ich ein Telefonat mit einem Interessenten, der zwar keine idealen, aber immerhin kleine Räume zur Verfügung stellen könnte, relativ kurzfristig für nächstes Jahr im Sommer. Museen wie z.B. das Kenwood House planen 4 bis 5 Jahre im Voraus, da können wir nicht erst ein Jahr vorher kommen. Die Wörlitzer Park-Ausstellung benötigt darüber hinaus eine Fläche von über 300 Quadratmeter und das ist für die meisten kleineren Museen schlichtweg zu groß. Wenn das ifa dagegen kleine, gute "Kabinettausstellungen" produzieren würde, die flexibel einsetzbar wären, d.h. z.B. kompatibel wären mit hiesigen Dauerausstellungen, dann würde das unsere Arbeit sicher erleichtern. Die Ausstellungen sind qualitativ sehr hochwertig, aber leider viel zu groß. 147

W: Die deutschen Aussteller produzieren gelegentlich einfach am Bedarf vorbei, wir werden nicht gefragt. Die Konzentration von Ausstellungszuständigkeiten im Goethe-Institut wäre daher sehr wünschenswert, d.h. nur eine Institution mit Kenntnis des lokalen Bedarfs und mit unmittelbaren lokalen Kontakten wäre zuständig. H: Grundsätzlich sind die Ausstellungen, die das ifa produziert schon hilfreich für uns, sie müssten aber wie gesagt vor allen Dingen kleiner sein. Außerdem müssten wir erheblich mehr Kataloge und ähnliches Material haben, das wir an die potentiellen Partner weiterreichen könnten. Ich glaube nicht, dass das ifa grundsätzlich am Bedarf vorbei produziert, deren aufgegriffene Themen sind interessant und die Qualität ist hoch. Das Hauptproblem ist die Größe, und wenn sich das ifa dazu durchringen könnte, kleinere Ausstellungen zu produzieren, die auch in den Goethe-Instituten gezeigt werden könnten, wäre schon viel gewonnen. Außerdem gibt es viele Ausstellungen von denen das ifa gar nicht will, dass sie im Museum gezeigt werden, weil sie diese nicht für tauglich genug halten. Im Sommer hatten wir z.B. eine ifa-Ausstellung über Fotokunst, die hervorragend in unsere Räumlichkeiten passte. Es gibt also seitens des ifa Angebote, die wir sehr gut verwenden können. Wenn diese Angebote noch etwas stärker auf unsere Möglichkeiten der Vermittlung abgestimmt werden könnten, wäre das sehr wünschenswert. W: Also ganz abstrakt gesagt: Die Institutionen in Deutschland einschließlich der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts, müssten viel genauer den Bedarf im Ausland eruieren, bevor produziert wird. A: Ist da nicht eine direkte Korrespondenz mit der Abteilung "Ausstellungen" des ifa möglich? H: Ich persönlich habe zu meinem Münchener Kollegen ganz hervorragende Kontakte, dort funktioniert die Abstimmung mit Herrn Pöhlmann bestens, wir haben eine große Flexibilität erreicht, das ist gar kein Problem. Auch zu den ifa-Büros in Berlin und Stuttgart habe ich enge schriftliche und telefonische Kontakte, und habe mir vorgenommen, bei nächster Gelegenheit einmal das Stuttgarter Büro persönlich zu besuchen. Der Kontakt zu den dortigen Mitarbeitern ist sehr direkt und unkompliziert. . A: Aber an irgendeiner Ebene hängt es offenbar, dass die Abstimmung nicht optimal ist. H: An welcher Ebene das liegt, weiß ich leider auch nicht, aber wir haben kürzlich noch einmal in unserer Zentralverwaltung verabschiedet, dass darauf hingearbeitet wird, die Ausstellungen in Zukunft tendenziell kleiner zu gestalten. Die großen Museen hier, wie das Victoria and Albert z.B., möchten besonders ihre großen Ausstellungen selbst konzipieren, anstatt vorgefertigte Entwürfe zu übernehmen. Selbst wenn die hiesigen Institutionen mit anderen Museen in Deutschland eine Ausstellung gemeinsam gestalteten, würden sie dies niemals mit einem anderen Mittler tun. W: Da sind wir dann wieder bei der Kompetenzfrage... H: Wie gesagt, ein positives Beispiel für die Arbeit des ifa war die letztjährige Fotokunstausstellung, die vom Konzept her sehr gut in unseren Rahmen passte. A: Wie kamen Sie auf die Wahl dieser Fotokunstausstellung? H: Das hat meine Vor-Vorgängerin Karin Herrmann initiiert, die jetzt in Genua ist. Die Ausstellung wurde bereits 1994 produziert. A: Die Ausstellung wurde 1994 konzipiert. Wir leben in einem rasanten Wechsel. Gibt es Nachfolgeausstellungen? W: Das ist ein interessanter Punkt. Hier komme ich noch einmal auf das Informationszentrum der Botschaft zurück, das kürzlich selbst eine Ausstellung mit britischen und deutschen politischen Karikaturen durchgeführt 148

hat, ohne dies vorher mit uns abzusprechen. Ich musste sie erst darauf hinweisen, dass es eine solche Ausstellung bereits bei uns gab und der Gedanke nicht ganz neu war. Obwohl das Ausstellungsreferat unserer Zentrale über ständigen Geldmangel klagt, gab es für die Ausstellung des Informationszentrums Mittel aus Bonn für diese neue Ausstellung. Im kulturpolitischen Zusammenhang muss man sich hier natürlich fragen, warum diese Institution und nicht wir - als Kulturinstitut - das Geld hat, die Fortsetzung der Karikaturen-Ausstellung zu präsentieren. H: Ich bin mir zwar nicht sicher, ob wir mit unseren gegenwärtigen Personalkapazitäten eine solche Ausstellung produzieren könnten, aber wenn wir kurzfristiger und einfacher ähnliche Angebote aus der Zentralverwaltung vermitteln könnten, dann wäre das gut. Dabei müssten wir solche Ereignisse gar nicht unbedingt hier in London produzieren, es würde reichen, wenn unsere Zentrale oder das ifa entsprechende Angebote hätte. A: Wo mangelt es in dem Kompetenzwirrwarr an der Abstimmung? Wie könnte man solche Irritationen vermeiden? H: Das ifa hat natürlich, was das Know-How und die Koordination von Ausstellungen, sowie qualifiziertes Personal angeht, Vorteile, die wir im Goethe-Institut nicht haben. Insofern muss man sagen, dass die Produktion von Kunstausstellungen - die Abteilung für Kunstausstellungen ist ja beim ifa, die Abteilung für Dokumentationsausstellungen bei uns - bei vorheriger Absprache auch weiterhin beim ifa liegen sollte. W: Es sei denn, die Zuständigkeiten und das Personal fließen zusammen.. A: Beim ifa gibt es die drei Abteilungen "Wortprogramme", "Medien" und "Kunst und Kultur". Wird nicht doch manches doppelt erstellt? H: Die Abteilung "Kunst und Kultur" zeichnet das Profil des ifa in besonderer Weise aus. In den anderen Abteilungen würde ich auf jeden Fall sagen: ja. Es ist für mich nicht zu verstehen, dass das ifa z.B. Vortragsreihen organisiert, da haben wir im Goethe-Institut viel bessere fachliche und personelle Ressourcen. Gerade in diesem Fachbereich haben wir in der Zentrale drei sehr versierte Referenten. W: Generell muss man sich natürlich fragen, warum verschiedene Organisationen aus Stuttgart, Berlin oder München die Ausstellungspolitik machen müssen. Das kostet uns alle doppeltes Geld. Da helfen alle Aufrufe zur Zusammenarbeit nichts. H: Im Gegenteil, es ist eher noch ein gegenseitiger Konkurrenzdruck entstanden, jeder will den anderen übertreffen, z.B. schneller und aktueller sein. Das war ja auch beabsichtigt. W: Das Auswärtige Amt nutzt diese Konkurrenz ja auch voll aus. Man hat uns offen zu verstehen gegeben, Konkurrenz belebe das Geschäft. Leider führt diese Politik nicht zu der bestmöglichen, und auch nicht zu der billigst möglichen Kulturpolitik. Es hat wohl eher etwas mit “Teile und herrsche” zu tun. A: Gibt es noch einen Vorschlag zur Veränderung im Ausstellungsbereich? H: Noch ein konkretes Beispiel zum ifa: Eine sinnvolle Veränderung im Ausstellungsbereich wäre nötig bei der sogenannten Einzelkünstlerförderung. Wenn heute ein britisches Institut überlegt, einen deutschen Künstler auszustellen, dann kommt es in der Regel zu uns ins Goethe-Institut, um unsere Unterstützung zu erhalten. Daraufhin muss ich die Interessenten an das ifa in Stuttgart verweisen, weil die Einzelkünstlerförderung direkt über das ifa läuft. Das ifa fördert dies mit max. 10.000 DM pro Ausstellung, aber wir haben dann überhaupt keinen Einfluss mehr darauf, etwa durch Empfehlungen u.ä.. Das ifa tagt unabhängig von uns. Meiner Meinung nach sollte diese Einzelkünstlerförderung wieder beim Goethe-Institut angesiedelt sein, weil wir hier vor Ort 149

einfach viel besseren Einblick in den Stellenwert der hiesigen Institutionen haben. Es geht ja nicht nur um die Künstler, sondern auch um die Ausstellungsorte. Hier können wir viel besser beurteilen, welches Museum für welchen Künstler geeignet sein könnte, ob das Gesamtprojekt sinnvoll zu unterstützen ist. A: Gibt es ein Beispiel, wo das Kompetenzgerangel mit ifa zu Spannungen mit den englischen Partnern führte? H: Ja. Das renommierte Museum für zeitgenössische Kunst, die Whitechapel Art Galery, führt Ende dieses Jahres eine Ausstellung von Rosemarie Trockel durch. Am Anfang des Jahres fand dort eine Ausstellung von Thomas Schütte statt. Zu dieser Ausstellung hatten wir als Goethe-Institut - auf Beschluss unserer Zentrale - 30.000 DM oder 10.000 £, ein für unsere Verhältnisse sehr hoher Betrag, dazugegeben. Daraufhin ging die Whitechapel Art Galery davon aus, sie würde auch 10.000 £ für die Trockel-Ausstellung bekommen, und haben einen entsprechenden Antrag an das ifa gestellt. Sie wussten noch nicht, dass in der Zwischenzeit der Förderungshöchstbetrag beim ifa auf 10.000 DM herabgesenkt worden war. Jetzt haben sie die umgerechnet 3.000 £ erst relativ spät bekommen, und müssen sehen, wo sie die restlichen 20.000 DM herkriegen. Wir als Goethe-Institut können sie ihnen nicht geben, selbst wenn wir wollten, weil es sich dann um Doppelfinanzierung handeln würde. Solche Missverständnisse würden nicht auftreten, wenn die britischen Partner einen Ansprechpartner in London hätten. In diesem Falle hätten wir frühzeitig alle Fragen und Formalitäten klären können. Dass mich jetzt der Kulturreferent der Botschaft fragt, ob mir noch irgendetwas einfällt, wo wir die restlichen 20.000 DM herbekommen könnten, zeigt das ganze Dilemma. A: Sie können von hier aus auch besser Prioritäten setzen, da Sie Land und Leute kennen. H: Richtig, wir können die Prioritäten sinnvoll setzen. Manchmal lehnen wir ein Projekt auch ab, das uns nicht förderungswürdig erscheint. A: Welches Deutschlandbild wird bei solchen Ausstellungen vermittelt? Was erscheint Ihnen dabei besonders wichtig? H: Also hier gilt es zunächst einmal zu trennen zwischen dem, was wir bezuschussen, und dem, was wir in unserer eigenen Galerie zeigen. Bei den auswärtigen Institutionen hier im Land ist es für mich entscheidend, qualitativ hochwertige zeitgenössische Kunst zu zeigen, natürlich in ständiger Rücksprache mit den Kollegen in der Zentrale. Hier geht es darum, gute deutsche Künstler, die ohne uns vermutlich nicht nach England kommen würden, zu unterstützen. Künstler vom Rang eines Gerhard Richter, der jetzt gerade in einer der bedeutendsten Galerien Londons ausstellt, bedürfen unserer Hilfe natürlich nicht mehr. Wir konzentrieren uns eher auf die nachfolgende "Garde" deutscher und internationaler Künstler. Bei den Fotoausstellungen, die in unserer Galerie einen Schwerpunkt bilden, erachte ich es als wichtig, solche auszuwählen, die auch eine dokumentarische Qualität haben, die Einblick geben in den deutschen Alltag. Hier ist eine Ausstellung über Berlin Anfang dieses Jahres zu nennen, die auch mit anderen Berlinprogrammen kombiniert wurde, sowie eine Ausstellung, die nächstes Jahr Goethes "Hexeneinmaleins" illustriert und neue Aspekte in Goethes Werken verdeutlichen soll. Generell sollte man die Ausstellungen auf unsere jeweiligen Programmschwerpunkte abstimmen und auf aktuelle deutsche Ereignisse abstellen. A: Wer erstellt diese Konzeptionen? Welche Rolle spielt dabei die Zentrale und das Auswärtige Amt? W: Wir hier im Institut, im Rahmen der Leitlinien darauf bestehe ich auch ausdrücklich. Ich wehre mich gegen jegliche Kompetenzbeschneidung seitens mancher Fachreferate unserer Zentrale, die glauben, sie wüssten besser als wir, was in London geschehen soll. Die Entscheidung kann nur bei uns getroffen werden, die Zentrale kann 150

nur die Grundtendenz vorgeben. Es darf jedenfalls nicht passieren, dass das Auswärtige Amt oder - wenn auch selten - unsere Zentrale sich für uns Projekte ausdenken. Konkret darf uns das AA z.B. nicht vorschreiben, welche Jahrestage wir zu beachten haben. Das widerspricht dem Grundsatz der partnerschaftlichen Projektplanung. Wir können unseren britischen Partnern die Anlässe für Projekte nicht vorschreiben und uns diese also erst recht nicht von grünen Tischen in Deutschland vorgeben lassen.. H: Wir meinen damit die Jubiläumsjahre, wie etwa "100 Jahre Goethe", oder das Brecht-Jubiläum. W: Wir nutzen die Jahrestage, um durchzuführen, was wir sowieso für wichtig halten. So werden wir etwa das 50-jährige Bestehen der Bundesrepublik Deutschland mit einer Vortragsreihe begehen, nicht jedoch den 100. Geburtstag des deutschen Börsenvereins. H: Zu manchen Jahrestagen, an denen wir keine Veranstaltungen durchführen, könnten jedoch die Botschaften aktiv werden. Wichtig wäre dabei vor allem die Abstimmung, dass auch der Informationsfluss seitens der Botschaft so funktioniert, wie wir ihn - durch Programmvorschauen und Berichte - gewährleisten. A: Es interessiert mich, wie das Übersetzungsprogramm von Inter Nationes angenommen wird. H: Das ist sehr gut, es wird sehr gut angenommen und es wird eng mit I N zusammengearbeitet. In dem Gremium bei I N, in dem ausgewählt wird, welche Bücher ins Englische übersetzt werden, sitzt auch ein Vertreter des Goethe-Instituts. Für diese Übersetzungen steht übrigens jährlich ein Betrag von 1,1 Millionen DM zur Verfügung. W: Wir fördern selbst keine Übersetzungen. Unser Programm besteht aus den vorhin erwähnten "new books in german" und der Arbeitsbesprechung von deutschen und britischen Verlegern, Übersetzern, Literaturagenten und Kritikern, bei der über eine bessere Förderung des deutschen Buches geredet wird.

Interview mit dem Leiter der Verwaltung K, Institutsleiter W, Interviewerin A

A: Sie sind der Verwaltungsleiter des Hauses. Welche Aufgaben haben Sie? K: Die Verwaltung ist hier nur eine unterstützende Arbeitseinheit, die sich bemüht, den operativen Kräften im Hause "den Rücken frei zu halten", von Themen wie Haushaltsrecht und Bau-Formalitäten u.ä. . Diese Aufgabe ist nicht zu unterschätzen, da es besonders in großen Weltstadtinstituten immer viel zu tun gibt. Je mehr Aktivitäten stattfinden, um so kreativer müssen die Mittel verwaltet werden, um nicht in Konflikte mit dem Haushaltsvolumen zu kommen. Um mit dem Personal anzufangen: Es gibt in London 27 fest angestellte Mitarbeiter, von denen 14 erst kürzlich eingestellt wurden. Bei ihnen handelt es sich um Honorarlehrkräfte, die bisher mit freien Verträgen an das Institut gebunden waren und die wir jetzt mit festen Verträgen bei uns beschäftigen. Dies ist notwendig, da das europäische Arbeitsrecht dies - auch in England - so bestimmt. Dieser besondere Mitarbeiterkreis wird auch aus besonderen Haushaltsmitteln bezahlt. Es gibt weiterhin 6 Entsandte und 13 BAT-Mitarbeiter. BAT-Mitarbeiter sind den Goethe-Instituten von der Politik gekündigt, bei ihnen handelt es sich sozusagen um eine "aussterbende Rasse", die nach und nach ersetzt werden durch örtliche Mitarbeiter. W: Die deutschen Ortskräfte wurden bisher und werden weiterhin alle nach BAT bezahlt, aber die neu eingestellten Deutschen dürfen nicht mehr nach BAT bezahlt werden, sie werden schlicht nach englischem Arbeitsrecht bezahlt. A: Nach welcher Vergütungsgruppe ist die Tätigkeit der Entsandten gewertet? 151

W: Die Entsandten werden immer noch nach BAT bezahlt. Ich bin in der Kategorie Ia mit Zuschlag, Herr Bauer als mein Stellvertreter ist ebenfalls in Ia, Frau H und Frau C haben Ib und Herr K hat IIa. K: Das ist vergleichbar dem höheren Dienst bei uns. Der übliche BAT-Einstieg dort ist bei IIa bis IaZ, bei den Bibliothekaren fängt es bei IVa an und im gehobenen Dienst liegen die Verdienstspannen zwischen BAT VIa und IIa. Diese Verdienstmöglichkeiten gelten allerdings nur für die Weltstadtinstitute wie Paris, New York, Tokio oder London. Insgesamt gibt es bei uns 47 Mitarbeiter, inklusive Hauspersonal. Damit gehört London zu den eher kleineren Weltstadtinstituten, weil in der Spracharbeit eben weniger mit festangestellten Lehrern gearbeitet wird als beispielsweise in Paris, wo bereits alleine 40 Lehrer beschäftigt sind. Dies hat natürlich auch einen Einfluss auf die Kostenrechnung dieser Institute - die Sprachkurse in Frankreich z.B. sind in der Regel eher defizitär. A: Wie sieht das Haushaltsvolumen dieses Hauses aus? K: Das Haushaltsvolumen dieses Institutes liegt bei insgesamt 3,9 Millionen DM. Eigentlich kann man aber sagen, dass es rund 4 Millionen DM sind, da im Laufe des Geschäftsjahres noch einiges an Zuschüssen oder Mehreinnahmen hereinkommt. Von diesen 4 Millionen DM erwirtschaften wir 1,2 Millionen DM selbst und der Rest kommt vom Auswärtigen Amt über den Gesamthaushalt unserer Zentralverwaltung in München. Für operative Mittel, also für die Arbeit von Herrn W, Frau H und Frau D, sowie für die Programmarbeit generell, stehen uns in diesem Haushalt leider relativ wenig Mittel zur Verfügung. Dafür stehen in diesem Jahr insgesamt 220.000 DM bereit. Darin sind allerdings die Mittel für die “Pädagogische Verbindungsarbeit”, “Bibliothekarische Verbindungsarbeit”, Film, Theater und Sonstiges enthalten. Dazu werden vielleicht noch die ein oder anderen Zuschüsse kommen, aber insgesamt sind diese Mittel - verglichen mit dem Gesamthaushalt - eher gering. W: Wir müssen auch noch den Kaufkraftverlust der DM gegenüber dem Pfund berücksichtigen, die DM hat seit 1990 um ein Drittel an Wert verloren. Diese Tatsache kann man auch nicht mit noch soviel Phantasie und Kreativität wettmachen. K: Davon sind aber alle Institute gleichermaßen betroffen, zumindest in dieser Kategorie. Sponsoring ist hierbei ein häufig überschätzter Faktor. A: Kommen wir doch noch einmal zum Sponsoring. W: Nur einmal zur Größenordnung des Sponsoring: Der Botschafter hat sich bemüht, anlässlich eines Staatsbesuches Gelder zu sammeln. Ich glaube, er hat 800 Briefe an deutsche Industrievertreter in Großbritannien geschrieben, davon sind ganze 100 bis 200 Briefe überhaupt beantwortet worden. Von den Beantwortern wiederum war nur ein Bruchteil bereit, tatsächlich etwas zu spenden. Das war noch eine konventionelle und unkomplizierte Veranstaltung. Ich selbst habe bis jetzt noch keine großen Summen heranschaffen können, egal für was. Als Beispiel habe ich die Berliner Bank angeschrieben, bei der Ralf Dahrendorf Direktor ist und habe um Unterstützung für das Goethe-Jubiläum im nächsten Jahr gebeten. Selbst für diese hochkonventionelle Veranstaltung im South Bank Centre, für die ich genaue Angaben zu Werbungskosten in britischen Zeitungen u.ä. gemacht habe, hat die Bank mir geschrieben, der Betrag von 15.000 DM, den ich erbat, sei um ein Vielfaches höher als das, was sie dafür aufbringen könnten. Letztendlich haben wir gar nichts bekommen. Was meinen Sie, was ich erst für ein Schwulenfestival bekommen würde... ? 152

Gar Nichts! Schön wäre es natürlich, wenn wir wenigstens für die Vortragsreihe "1949 - 1999" ein paar Mark bekommen könnten, immerhin sind ja einige ganz interessante Namen unter den Rednern. Da diese Reden im Nachhinein auch noch gedruckt werden, bin ich diesbezüglich hoffnungsvoll. Aber wir brauchen uns keine Illusionen machen, dass wir die 400 bis 500.000 DM für die operative Arbeit, die meinem Vorgänger noch zur Verfügung standen, jemals durch Sponsoring einholen können! Man kann auf der Erwartung von Sponsoring- Geldern natürlich auch keinerlei Planung aufbauen. Entweder, die Bundesrepublik ist bereit, die Kulturpolitik zu finanzieren, oder aber es läuft nichts. A: Vielleicht noch ein Wort zum Haus ... K: Gegenüber dem grässlichen 60er- Jahre-Zweckbau des Goethe-Instituts in Paris ist dieses Gebäude natürlich sehr viel schöner, auch durch den Park dahinter. Obwohl das Haus also sehr viel mehr Charakter als sein Pariser Pendant hat, sieht man auch hier die Sünden der ehemaligen Bundesbaudirektion, angefangen bei diesen unansehnlichen abgehängten Decken, mit denen wir nichts als Ärger haben. Dieses Haus kostet leider auch einen hohen Unterhalt; zum Bauerhalt stehen uns allerdings nur sage und schreibe 5.000 DM pro Jahr zur Verfügung. Wenn wir damit zwei Eimer Farbe streichen lassen, ist das Geld schon fast weg. In diesem Jahr habe ich meine Kollegin, die unseren Haushalt verteilt, überzeugt, dass diese Summe viel zu gering für irgendeine vernünftige Maßnahme ist. So wie es jetzt aussieht, haben wir zukünftig ganze 10.000 DM zur Verfügung! Alles andere, und sei es auch noch so klein, muss ich über Baubedarfsnachweise beantragen, und zwar in fünffacher Ausfertigung an die Botschaft, das BM Bau usw. . Selbst bei Notbaumaßnahmen, als etwa Gips von der Wand abgefallen ist, hat es ein 3/4 Jahr gedauert, bis wir das Geld erhalten haben. Das kostete 30.000 DM, die wir nicht aufbringen konnten, und so hing in der Bibliothek für diese Zeit der Gips von der Wand, und wir mussten sie mit Brettern und Styropor-Platten behelfsmäßig ausbessern. Das war wohlgemerkt eine Notbaumaßnahme. Andere Baumaßnahmen, wie z.B. der Aufzug, der im Schnitt alle zwei Tage stehen bleibt, kosten 100.000 bis 300.000 DM. Da brauche ich gar nicht erst zu fragen! Zur Ergänzung: Es sind neue Baumaßnahmen geplant.

2.4. Deutsche Schule London178

Die Deutsche Schule in London liegt etwas abseits in einer ruhigen Wohngegend zwischen Themse und Richmond Park im Südwesten der britischen Hauptstadt. Sie bietet deutschsprachigen Schülern, deren Eltern in London und Umgebung wohnen, vom Kindergarten an eine deutsche Schulbildung, die zum Abitur führt. Auch Real- und

178 Deutsche Schule London. Die Beschreibung der Deutschen Schule, des Douglas House, in London ist eine Zusammenfassung der in eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnisse, den Informationen der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen sowie des Jahrbuchs der Deutschen Schule London 1997/98, der Festschrift der Deutschen Schule London zum 20-jährigen Bestehen und einer Schrift des Freundeskreises "Friends of Douglas House". Die "Friends of Douglas House" ist eine Vereinigung, die an den Entscheidungen des Schulträgers mitwirkt und Kontakte innerhalb der Schulgemeinde und mit dem Umfeld pflegt. 153

Hauptschüler aus Deutschland gehen in die Gymnasialklassen, auch wenn sie das Abitur nicht erreichen. Schulträger ist der Deutsche Schulverein, der auch den Schulvereinsvorstand aus seiner Mitte wählt. Der Schulverein hat sich eine Satzung gegeben, welche die Zuständigkeit für die finanziellen, wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten der Schule regelt. Nur in Personalfragen entscheidet der Schulleiter im Einvernehmen mit dem Vorstand des Deutschen Schulvereins. Der Schulverein orientiert sich in seiner Tätigkeit an den Richtlinien, die die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen herausgibt und stellt sicher, dass diese eingehalten werden. Erwünscht ist, dass auch die Eltern dem Deutschen Schulverein beitreten. Auf diese Art und Weise haben sie die Möglichkeit, an Entscheidungen des Schulträgers mitzuwirken. Die Höhe des Schulgeldes wird unter Berücksichtigung der allgemeinen Kosten vom Vorstand des Schulvereins festgelegt. Es wird pro Trimester erhoben. Dabei gelten folgende Sätze: Schulgeld pro Trimester: 0. – 4. Klasse £ 655.00 5. – 10. £ 819.00 11. – 13. £ 960.00 Die Deutsche Schule in London wird zu über 90 Prozent von Kindern besucht, deren Muttersprache Deutsch ist. Der offene Charakter der Schule lässt allerdings zu, dass sie allen Kindern mit deutschen Sprachkenntnissen offen steht. Die Eltern der Schüler sind meist bei international tätigen Unternehmen wie zum Beispiel DaimlerChrysler, Allianz, Deutsche Bank oder Siemens angestellt. Außerdem sind natürlich auch die Kinder von Botschafts- und Konsulatsangehörigen unter den Schülern von Richmond. In den Klassen 0 - 13 besuchen zur Zeit etwa 600 Schüler in 25 Klassen die Deutsche Schule in Richmond. Etwa 80 % von ihnen sind Deutsche und 12% Österreicher und Schweizer. Die restlichen 8% sind Kinder und Jugendliche aus verschiedenen anderen Ländern. Von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen entsandt sind etwa ein Drittel der Lehrkräfte. Ungefähr zwei Drittel sind Ortslehrkräfte, die in London wohnen und meist eine längere Unterrichtserfahrung in der Bundesrepublik hinter sich haben. Sie gewährleisten eine gewisse Kontinuität. Während die von der Zentrale für das Auslandsschulwesen entsandten Lehrkräfte nach einem bestimmten Turnus wieder nach Deutschland zurückkehren, bleiben die 154

Ortslehrkräfte der Schule meist erhalten. Sie beziehen erhalten ein Gehalt, welches den Bedingungen der englischen Besoldung entspricht. Der Englischunterricht wird ausschließlich von native-speakers erteilt, von denen sich zur Zeit drei an der Schule befinden. Die Schule hat einen Förderverein. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, die Schule ideell und vor allem materiell zu unterstützen, und hat durch vielfältige Aktivitäten bereits einige wichtige Projekte finanziert. Die "Friends of Douglas House" spielen somit eine große Rolle im sozialen und gesellschaftlichen Leben der zumeist deutschen Gemeinde. Benannt ist dieser Förderkreis nach dem 1690 erbauten "Douglas House", das heute die Schulverwaltung beherbergt und von einem großen Park umgeben ist. 1980 wurde das moderne Schulgebäude mit großer Turnhalle und Schwimmbad erbaut. Ein Sportplatz grenzt an das Schulgelände und erstreckt sich bis an das Themse-Ufer. Zur Struktur der Schule: Die Deutsche Schule London entspricht einer Schule im deutschen Bildungssystem. Sie umfasst eine Vorschule (Klasse 0), eine Grundschule (Klasse 1 - 4), eine Sekundarstufe I (Klassen 5 - 10) und die Sekundarstufe II (Klassen 11 - 13). Die gymnasiale Oberstufe führt zum Abitur. Die Schule ist zweizügig in den Klassen 1 - 11. Die Stundenpläne, Lehr- und Lernpläne entsprechen denen eines deutschen Gymnasiums. Die Sekundarstufe II ist jeweils in zwei Halbjahre gegliedert. Der Unterricht wird im Wesentlichen im Klassenverband organisiert. Prüflingen, die die Reifeprüfung bestanden haben, wird die Allgemeine Hochschulreife zuerkannt. Richtlinien für die DSL stellen die "Richtlinien für eine Schulordnung für deutsche Schulen im Ausland" (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. 1. 1982) dar. Sie folgen den Leitsätzen im "Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen" vom 14.9.1978 und der “Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zum Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen" vom 18. 1. 1979. Die Deutsche Schule London bietet den Schülern eine Menge außerunterrichtlichter Veranstaltungen, so zum Beispiel Deutsch-Förderunterricht für die Klassen 5, 6, 7 und 8, Latein als dritte Fremdsprache für die Klassen 9 - 11, Englisch, Lernen lernen, Theater, Film Club, Radieren-Tiefdruck, Fotowerkstatt, Cartoon AG, Holzarbeit, Töpfern, Chor, Kammerorchester, Leistungsturnen, Fußball, Basket- und Volleyball usw.. Das Auslandsschulwesen in London kann auf eine über dreihundertjährige Geschichte zurückblicken; es bietet einen Erlebnisraum deutscher Kultur. Schon in der Grundschule gibt es ein reichhaltiges Angebot an Theater, Tanz und Musik. Seit 1982 findet das jährliche 155

Oktoberfest der DSL unter der Schirmherrschaft des deutschen Botschafters statt. Am 3. Oktober 1990 trafen sich über 1000 Deutsche um gemeinsam diesen Tag zu feiern. Im Mittelpunkt stand das Referat des stellvertretenden Direktors des Deutschen Historischen Instituts London und die Ansprache des Botschafters. Dieser 3. Oktober war ein besonderer Tag im Leben der Deutschen Schule in London, wie auch in Deutschland. Darüber hinaus markierte dieses Datum einen besonderen Tag in der deutschen und europäischen Nachkriegsgeschichte. Die DSL nimmt lebhaften Anteil am politischen Geschehen in Deutschland und der übrigen Welt. Das traditionelle Oktoberfest, das als interkultureller Begegnungstag besonders den englischen Gästen neben bayerischer Küche ein Stück deutscher Kultur und Lebensart näherbringen soll, erfreut sich unter den Engländern großer Beliebtheit. Durch erheblich bessere Ausstattung an Unterrichtsmitteln als dies an innerdeutschen Schulen üblich ist, haben die Schüler der DSL im Fach "Kunst" außerordentliche Leistungen erzielt. So gewann man in London bereits zahlreiche Preise und Wettbewerbe wie z. B. die “National Gallery Art Competition" (1980). Diese Tradition wird fortgesetzt und aktiv gefördert, so etwa durch das jährlich stattfindende Projekt “Artist at school", bei dem Künstler mit den Schülern verschiedene kreative Arbeiten durchführen. Im literarischen Bereich tut sich die Schule besonders durch die jährlichen Dichterlesungen hervor, die regelmäßig ein Publikum von über 500 Zuschauern nach Richmond locken. Hierzu haben sich bereits weltbekannte Schriftsteller wie Günther Grass, Siegfried Lenz oder Friedrich Dürrenmatt die Ehre gegeben. Parallel zu diesen Dichterlesungen finden zudem noch Übersetzungswettbewerbe der Schüler zu den Werken ihrer Gäste statt, an denen sich Schulen aus ganz Großbritannien beteiligen. Durch diese Kontakte ist bereits ein reger Austausch mit Schulen und Schülern im Gastland entstanden, der sicherlich viel zum beiderseitigen kulturellen Verständnis beiträgt. Begleitend zu diesen Veranstaltungen werden Lesehefte in beachtlicher Auflage (1991: 1100 Stück) herausgegeben, die neben dem eigentlichen Text auch noch zahlreiche deutsch-englische Anmerkungen der Schüler enthalten. Darüber hinaus sind zwei Romane von Schülern der DSL als Taschenbücher erschienen. Das literarische Engagement der Schule hat in England ein landesweites, positives Echo erfahren und dazu beigetragen, das Bild der Deutschen in England zu verbessern. Dafür spricht auch das - im Vergleich zu anderen deutschen Schulen im Ausland - enge und herzliche Verhältnis zu den Anwohnern, beziehungsweise dem sozialen Umfeld der Schule. So wird der Deutschen Schule London die Ehre zuteil, seit 1973 an der “Petersham Flower 156

Show", einer Garten- bzw. Kunstausstellung in der Nachbarschaft, mit Schülerarbeiten teilzunehmen. 1986 durfte der Direktor der DSL Edgar Windemuth diese Ausstellung gar eröffnen. Beweis für die gute Zusammenarbeit der deutschen Gäste und ihrer britischen Gastgeber sind ferner die vielfältigen Besuche englischer, aber auch internationaler Austauschklassen oder Sport- und Musikgruppen auf dem Gelände der DSL. Für besondere Verdienste um das deutsch-britische Verhältnis sind inzwischen zahlreiche Mitarbeiter, darunter auch der ehemalige Direktor Windemuth mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Eine Besonderheit der Deutschen Schule London im Vergleich mit anderen deutschen Auslandsschulen ist auch darin zu sehen, dass überdurchschnittlich viele ehemalige Schüler ein Studium im Gastland antraten und meist auch sehr erfolgreich abschlossen. So traten beispielsweise 1990 55% der Absolventen einen Studienplatz in Großbritannien an, hingegen nur 18% in Deutschland. Hier wird der gute Ausbildungsstand deutlich, den der Besuch der DSL gewährleistet - auch im Hinblick auf ein Studium in Großbritannien. Fragt man ehemalige Schüler nach dem Einfluss ihrer Schulzeit an der DSL auf ihre berufliche Karriere, so betonen die meisten deren herausragende Unterrichtsqualität und das besonders enge und vertrauensvolle Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Hierin ist auch ein spezifisch britisch geprägtes Traditions-, vielleicht gar "Elite"- Bewusstsein der Schüler zu erkennen, zumal die Schule durch ihren Förderverein Gedenkmünzen verteilt und Ehemaligentreffen fördert, sowie Informationsveranstaltungen ehemaliger Schüler für die Abiturienten durchführt.

2.5. Interviews Deutsche Schule London

Interview mit dem Direktor OStD Ke:

A: Sie haben erst im September 98 Ihren Dienst in Richmond angetreten. Was wird anders werden an der Schule? Ke: Zum Beispiel der "jour fix". Der "jour fix" ist ein Treffen aller Lehrkräfte, das wöchentlich stattfindet. Meine Maxime ist: "Erst sehen, was sich machen lässt, dann machen, was sich sehen lässt". Ich habe erst im September 98 meinen Dienst in Richmond angetreten. Wichtig ist für mich, dass die Nutzung der neuen Medien in der Schule konsequent vorangetrieben wird. Alle Schüler sollen lernen, mit ihnen umzugehen. “Schulen ans Netz", lautet hier die Devise. Auch die Zusammenarbeit verschiedener Schulformen ist mir wichtig. Aus diesem Grund ist auch die Koordinatorin für die Grundschule beim "jour fix" anwesend. Erst so kann auch ich als Direktor einen Überblick über die Probleme der Schule gewinnen, z.B. was man unter der "Busstunde" in der 157

Grundschule versteht, was man mit den Eltern machen könnte, die rund um die Uhr in der Schule sind, oder wie der Kontakt zu anderen Schulen verbessert werden könnte. A: Welche Vorschläge haben Sie für die Arbeit der SMV? Ke: Ich glaube, dass Demokratie nicht an der Schule, sondern in der Schule gelebt werden muss. Die SMV soll regelmäßig informiert werden, wofür ein eigenes SMV-Büro mitsamt den erforderlichen Mitteln bereitgestellt werden wird. Wünsche und Vorhaben sollen so an der richtigen Stelle geäußert werden können. Bisher wurden die Schülervertretungen nicht ernst genug genommen. Es besteht seitens der Schüler ein großer Wunsch, an ihren eigenen Belangen mitzuarbeiten. Neben mir unterstützen auch die Eltern und der Förderverein diesen Plan. A: Wie macht sich das Umfeld der Schule bemerkbar? Ke: Ich war sehr überrascht, als anlässlich meiner Vorstellung an einem Elternabend rund 400 Eltern kamen. Dabei kritisierten die Eltern als erstes, dass auf der Schule kein vernünftiger Umgangston mehr herrsche, z.B. begrüßten sich die Schüler morgens nicht mehr. Dies nahm ich zum Anlass, mich jeden Morgen an die Eingangstüre der Schule zu stellen, um jeden Schüler einzeln zu begrüßen. Seit dem ist das Grüßen wieder zur Gepflogenheit an unserer Schule geworden. Heute Abend findet eine Begrüßungsveranstaltung zu Ehren des neuen Schulleiters statt, an der der Council, die Botschaft, der örtliche Bürgermeister und die Schulleiter der Umgebung teilnehmen. Am 18. Oktober 98 findet ein Frühschoppen mit Flohmarkt statt, der zusammen mit den "Friends of Douglas House" veranstaltet wird. Ich möchte einen guten Kontakt zur Stadt herstellen, um aus unserer Ghetto-Situation herauszukommen. In Richmond wohnen vorwiegend deutsche und französische Familien. Ein evangelischer Pfarrer hat hier eine deutsche Gemeinde. Viele Kinder sind bilingual aufgewachsen. In der neunten Klasse etwa sprechen 80 bis 90% der Schüler fließend Englisch. A: Der Bundespräsident macht in Großbritannien einen Staatsbesuch im Dezember 98. Ist Ihre Schule darin eingebunden? Ke: Ja, der Bundespräsident möchte bei seinem Staatsbesuch im Dezember auch in Richmond Station machen. Voller Eifer bereiten wir diesen Besuch vor. Auch die Kingston Grammar School soll besucht werden. Unsere Schule ist sehr europäisch geprägt, da 11 Nationen hier vertreten sind. Ich möchte die Kontakte zu britischen Schulen sowie deren Leitern intensivieren bzw. herstellen. Hierin sehe ich einen enormen Nachholbedarf. A: Welchen Beitrag kann Ihre Schule oder ganz allgemein das Bildungssystem zur europäischen Einigung leisten? Ke: In Bezug auf Europa scheint es mir besonders wichtig zu sein, die Integration im Arbeitsleben voranzutreiben. Ich frage mich allerdings, ob man dazu eine Abiturisierung Europas braucht, d.h. es erscheint mir fraglich, ob man in Deutschland eine Verkürzung des Abiturs auf 12 Jahre oder die Einschulung schon mit 5 Jahren anstreben sollte. Die Abschlüsse müssten angeglichen werden. A: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit des Goethe-Instituts mit der Deutschen Schule London? Ke: Die Zusammenarbeit der Schule mit dem Goethe-Institut muss gut aufeinander abgestimmt werden, besonders im Bereich der Veranstaltungen. So hat z.B. das Konzert von Wolfgang Biermann aus räumlichen Gründen bei uns in der Deutschen Schule stattgefunden. Die Theatergruppe der Deutschen Schule London kann andererseits demnächst vielleicht sogar im Goethe-Institut auftreten. Besonders im Rahmen des Umbaus des Goethe-Instituts können wir in der DSL flexibel mit unserem Raumangebot aushelfen. Die DSL ist jedoch ziemlich weit vom Zentrum abgelegen, was für Veranstaltungen oft hinderlich ist. 158

Das Goethe-Institut ist wichtig für die Fortbildungen unserer Ortslehrkräfte. Sie haben oft nicht die deutsche Lehramtsausbildung. Besonders in didaktisch-methodischen Seminaren unterstützt das Goethe-Institut die Lehrer/innen unserer Schule. Darüber hinausgehend haben das Goethe-Institut und die Deutsche Schule London allerdings eine unterschiedliche Klientel, d.h. unsere beiden Adressatengruppen sind verschieden. Die Schule ist der Ort des Lernens für die Kinder von deutschsprachigen Eltern, das Goethe-Institut ist der Ort des Lernens für die deutschlernenden Engländer.

Interview mit zwei Schülersprechern T und L

A: Ihr macht in diesem Jahr Abitur. Wie geht's dann weiter? T: Ich möchte in Oxford "philosophy", "politics" und "economics" studieren. L: Ich will ebenfalls in Oxford studieren, allerdings den Studiengang "Politische Wissenschaften und Europapolitik". A: Ihr seit beide SMV (Schülermitverantwortungs)-Vertreter. Welche Ziele habt Ihr dort? T: Wir möchten bei der Lehrerkonferenz mit anwesend sein, um zu hören, was die Lehrer über uns Schüler denken, um dann mit den Lehrern die Problemfelder zu erörtern. Fast jede Entscheidung in der Schule betrifft die Schüler, deshalb sollen unsere Vorstellungen mit in die Entscheidungsfindung eingebracht werden. L: Die Schüler der DSL wohnen weit von einander entfernt. Deshalb wäre ein Aufenthaltsraum in der Schule nötig, um soziale Kontakte knüpfen zu können. Die Friends of Douglas House haben bereits einen Billardtisch gespendet, was sehr zur Verbesserung der Kontakte und zur Freude der Schüler beiträgt. A: Wie empfindet Ihr die Deutsche Schule London? L: Wir empfinden die Deutsche Schule wie ein Ghetto, weil sie sich fern ab der Stadt auf einem abgegrenzten Areal befindet, wir nur für uns sind, und nur selten mit englischen Schülern in Kontakt kommen. Deshalb haben wir mit zwei bis drei englischen Schulen Treffen vereinbart, um gegenseitige Beziehungen aufzubauen. Die Deutsche Schule veranstaltet am 2. Dezember eine große Disko, wozu wir auch die beiden englischen Schulen einladen wollen. Die einzige Ebene, um mit englischen Jugendlichen in Kontakt zu treten, ist die private, z.B. in Form von Sportveranstaltungen. Deshalb wollen wir in Zukunft auch gemeinsame Sportveranstaltungen nach Schulschluss organisieren, z.B. Basketball-Wettbewerbe. A: Gibt es da nicht sprachliche Verständigungsprobleme? T: Die sprachlichen Herausforderungen, die an uns gestellt werden, sind groß. Es ist allerdings sehr schwer, die englische Sprache perfekt zu beherrschen, wenn man sie im Alltagsleben nicht spricht! Außerdem ist es sehr schwer, die englische Kultur kennenzulernen, wenn der alltägliche Kontakt zu Einheimischen fehlt. A: Gibt es politische Vorbehalte gegenüber Deutschen? T: Die mangelnde Kontaktbereitschaft der Engländer führen wir darauf zurück, dass die englischen Schüler einen völlig anderen Geschichtsunterricht haben als wir. Das Haupthindernis ist die deutsche Vergangenheit. Die Nazi-Vergangenheit und Hitler werden im englischen Unterricht ganz bewusst in engen Zusammenhang zu Deutschland gestellt. Daraufhin ziehen sich die englischen Jugendlichen zurück. Das gleiche gilt allerdings auch für die Deutschen. In der Nähe unserer Schule gibt es 14 Häuser, die mit einem elektrischen Zaun umgeben sind. Dort wohnen deutsche Familien, die ihre Kinder in unsere Schule in Richmond schicken. Es gibt sogar eine eigene deutsche Bäckerei und andere Möglichkeiten, sich nur auf Deutsch zu unterhalten und deutsche 159

Infrastruktur zu benützen. Als Deutschland bei der Fußballeuropameisterschaft siegte, wurden unserer Schule in Richmond Fensterscheiben eingeworfen. Der zweite Weltkrieg ist auch noch ständiges Thema in den Medien. L: Sport hat ja nichts mit Geschichte zu tun, sondern soll ein fairer Wettkampf zwischen den Nationen sein. Wenn die Engländer gewonnen hätten, wären allerorts englische Fahnen gehisst worden. Selbst der Pub gegenüber hisste bei den Siegen der Engländer demonstrativ den Union-Jack. Die Engländer empfinden dies allerdings nicht "rassistisch", im Gegensatz zu uns, wenn wir im Falle unseres Sieges deutsche Flaggen hissen würden. A: Setzt Ihr euch in der Schule mit dem europäischen Gedanken auseinander? L: Ich interessiere mich sehr für Europapolitik. Mein Vater arbeitet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich selbst war sogar in Italien und habe dort an einem Seminar für Europapolitik teilgenommen. Mich interessiert besonders die Frage, wie Europa in Zukunft aussehen wird. Ich finde es faszinierend zu verfolgen, wohin die Entwicklung im Moment geht.

3. Frankreich

1998, 35 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages, fand die Ausstellung ”vis-à- vis - zur Kultur der Verständigung” im Haus der Geschichte in Bonn statt, die unter der Schirmherrschaft des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac stand. Die umfangreiche Dokumentation zeigte viele Aspekte der deutsch-französischen Beziehungen. Im Mittelpunkt stand die Geschichte des Elysée-Vertrages, der am 22.1.63 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem Präsidenten der Französischen Republik General Charles de Gaulle unterzeichnet worden war. Das Ziel des Vertrages war die “Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, eine Jahrhunderte lange Rivalität zu beenden und ein geschichtliches Ereignis darzustellen, welches das Verhältnis der beiden Völker von Grund auf neu gestaltet.” Victoria Znined-Brand beschreibt den primären Sinn des Vertrages wie folgt: „Der Elysée-Vertrag darf also nicht als eine „harmlose Selbstverständlichkeit geschichtlicher Zwangsläufigkeiten“179 verstanden werden, sondern war im Gegenteil ein Schritt, den sowohl Adenauer als auch de Gaulle bewusst gegen herrschende Widerstände vollzogen. Primärer Sinn des Vertrages war auch nicht, einen Schlussstrich unter die negativen Erfahrungen der vergangenen Zeit zwischen den beiden Völkern zu ziehen, sondern einen Antrieb zur politischen Union Westeuropas zu geben. Die

179 Weidenfeld in Außenpolitik 39/1988, S.5. 160

Basis der deutsch-französischen Verklammerung sollten zwei Gesichtspunkte bilden: einerseits der vertraglich festgelegte Zwang zu regelmäßigen Konsultationen, andererseits der breite gesellschaftliche und kulturelle Austausch.“180 Auch das beeindruckende Bild der symbolträchtigen Friedensgeste auf dem Soldatenfriedhof in Verdun vom September 84 als Kanzler Kohl und Präsident Mitterand sich an den Händen halten, spielte eine große Rolle bei der Ausstellung „vis-à-vis“ im Bereich der Veranschaulichung der Verwirklichung des Vertrages. Gerade für Schüler und Studenten belegten die 1500 Exponate, die auch Alltagsgegenstände umfassten, das wechselvolle Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich.181 Ein Mitveranstalter der Ausstellung, das Deutsch-Französische Jugendwerk, wurde in Folge des Elysée-Vertrages am 5. Juli 1963 gegründet. Bis zum Jahr 2002 konnten 7 Millionen junge Deutsche und Franzosen an den Austauschprogrammen des DFJW teilnehmen. Zum 40. Geburtstag des Deutsch- Französischen Jugendwerkes wurde das Orpheus-Projekt verwirklicht. Unter Leitung des renommierten slowakischen Pantomimen Milan Sladek schufen 500 junge Künstler, Handwerker und Köche, Designstudenten und Musiker aus beiden Ländern ein Kunstwerk über den Orpheus-Mythos. Dieses wurde im südfranzösischen Cap d´Ail uraufgeführt. Das Jugendwerk wirkt an vielfältigen Formen deutsch-französicher Begegnungen mit: Schüleraustausch, Lehreraustausch, Ausbildungs- und Fortbildungskurse für Sprachlehrer und Forschungsaufenthalte für Studenten umfasst das Spektrum.182 Jährlich rund 7000 Treffen mit fast 200 000 jungen Deutschen und Franzosen werden vom DFJW gefördert und initiiert. Wettbewerbe sollen das Interesse an der Literatur des Nachbarn wecken, das Lesen fördern und den Unterricht in beiden Ländern anregen. Einen Beitrag zum dialogischen Austausch, zur interkulturellen Kommunikation und zu kooperativem Lernen leisten auch verschiedene Projekte sowie themenzentrierter Materialaustausch.183

180 Znined-Brand, Victoria: Deutsche und französische Kulturpolitik. Eine vergleichende Analyse. Frankfurt am Main 1999, S.103. 181 Ausstellungskatalog: ”vis-à-vis”, Köln, 1998. 182 Deutsch-Französisches Jugendwerk: Fakten, Daten und Zahlen. Bad-Honnef,1998. Internet: www.dfjw.org 183Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW): Arbeitsmaterialien. Zusammen arbeiten – Gemeinsam lernen. Die Literatur des Nachbarn. ‚Impression-Expression‘ Wettbewerb 1993/1994., 1994. 161

3.1. Das Goethe-Institut Paris184

Ich besuchte das Goethe-Institut Paris, führte ein ähnliches Interview mit dem Leiter wie in London, verzichte aber im folgenden auf die Beifügung, da wesentliche Details eines Großstadtinstituts schon in London eruiert wurden.

3.1.1. Kulturprogramme Zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit unterstützt und organisiert das Goethe-Institut Paris ein breites Spektrum von Veranstaltungen zur Präsentation deutscher Kultur. Anlässlich des 200. Geburtstages des Dichters Heinrich Heine etwa wurde ein Verbundprogramm mit Ausstellungen, Konzerten, Filmen, literarischem Kabarett, Lesungen und dem Kolloquium ”De la France et de l’Allemagne”, mit verschiedenen zeitgenössischen Schriftstellern durchgeführt. Ein vergleichbares, literarisches Verbundprogramm fand auch zum Thema ”Berlin – Paris” statt, unter Mitwirkung von z.B. Nicolaus Sombart, Brigitte Olechinski, Friedrich Dieckmann, Bert Papenfuss oder Katja Lange-MM. Im Rahmen der Ausstellungsreihe ”Saison photographique allemande” zeigte das Goethe-Institut Paris z.B. 10 Einzelausstellungen, u.a. von Thomas Ruff, Anna und Bernhard Blume oder Esther und Jochen Gerz. Diese Ausstellungen entstanden in Zusammenarbeit mit dem Centre National de la Photographie und dem Maison Européene de la Photographie. Besucher ’98: 25.135.

Deutsch lehren und lernen Die Deutschkurse für die Allgemeinheit basieren auf dem kommunikativen Ansatz und bringen den Teilnehmern neben den reinen Sprachkenntnissen auch das alltägliche soziale Leben in Deutschland näher. Darüber hinaus werden eine Reihe von Sonderkursen angeboten, beispielsweise für Jugendliche, oder Fachsprachkurse für Wirtschaftswissenschaften, für soziale Berufe, Geisteswissenschaften, Philosophie/Theologie, Geschichte und Kunstgeschichte. Besondere Betreuung kommt den französischen Deutschlehrern zugute: Innerhalb der pädagogischen Verbindungsarbeit werden Veranstaltungen aus den Bereichen Bildungs- und Sprachpolitik, Didaktik/Methodik, Fachsprachen, Fortbildungsdidaktik,

184 Goethe-Institut: Jahrbuch 1997/98, www.goethe.de: Wir über uns. Internetseite des Goethe-Instituts Paris, verschiedene Programmhefte des Goethe-Instituts Paris, u. a. zur Veranstaltungsreihe ”Présences Allemandes” und ”Centenaire Bertolt Brecht” 1998, sowie eigene Anschauung. 162

Landeskunde, Linguistik, Literatur und Mediendidaktik durchgeführt. Ein Höhepunkt hierbei ist der Deutschlehrertag mit Vorträgen, Workshops und Seminaren, der 1998 von über 1000 Teilnehmern aus ganz Frankreich besucht wurde.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst derzeit einen Bestand von 34.300 Exemplaren, darunter 31.625 Bücher, 129 Zeitungen und Zeitschriften sowie 2546 audiovisuelle Medien. Dabei findet sich deutsche Literatur im Original und meist auch in französischer Übersetzung. Die Bestände werden dabei laufend aktualisiert; Schwerpunkt sind Literatur und Sprache, Philosophie, moderne Kunst, Film, deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert und Politik und Wirtschaft nach 1945. Darüber hinaus beantwortet das Informationszentrum Anfragen zu deutschlandbezogenen Themen, so z.B. CD-ROM-Recherche oder Online-Recherche im Internet. Außerdem vermittelt das Infozentrum französischen Bibliotheken und Fachverbänden Kontakte zu deutschen Bibliothekseinrichtungen und Informationen über das deutsche Bibliothekswesen. Deutschlehrer können in der Bibliothek eine Fülle von Büchern und audiovisuellen Medien für den Unterricht (DaF) entleihen und eine persönliche Fachberatung hierzu in Anspruch nehmen. Schließlich führt die Bibliothek auch noch eine Reihe von eigenen Veranstaltungen durch, wie z.B. 1998 eine Europäische Biblio- thekskonferenz in Zusammenarbeit mit der Bibliothèque Publique d’Information, der Direction du Livre et de la Lecture und dem British Council, oder eine Ausstellung der Illustratoren des Atelier 9 aus Hamburg. Aus Anlass des 40-jährigen Jahrestages des Élysée- Vertrages wurden auf Initiative des Goethe-Instituts Bibliothekspartnerschaften zwischen deutschen und französischen Bibliotheken geschlossen.

3.2. Die Deutsche Schule Paris (DSP)185

Die Deutsche Schule Paris ist eine deutschsprachige Auslandsschule, die als einzige Schule ihrer Art im Pariser Raum über das Bildungsangebot des dreigliedrigen deutschen Schulwesens verfügt. Die Schule bietet einen deutschen Bildungsweg vom Kindergarten über Grundschule bis zum Abitur bzw. Real- oder Hauptschulabschluss. Kern der Schule ist dabei

185 Deutsche Schule Paris: Informationsheft ”Deutsche Schule Paris 1997/98” sowie Mitteilungen des Leiters der deutschen Schule in Paris und Informationen des Auswärtigen Amtes. 163

das Gymnasium, das die weitaus meisten Schüler besuchen. Nach der Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6 sowie nach entsprechender Empfehlung der Schule werden für einige Schüler ab der 7. Klasse – entsprechende Schülerzahlen vorausgesetzt – kombinierte Haupt- und Realschulklassen gebildet. Diese enden nach der 10. Klasse mit dem deutschen Realschulabschluss, ohne eine eigene Abschlussprüfung zu durchlaufen. Der Haupt- schulabschluss wird innerhalb der Realschulklassen vergeben, da die Schülerzahl für eigene Klassen zu gering ist. Die Benotung der Hauptschüler erfolgt differenziert, z.B. durch einen Notenbonus im Vergleich zu den Realschülern. Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe ist seit dem Schuljahr 1996/97 im Klassenverband organisiert. Durch die Abschaffung des personalintensiven Grund- und Leistungskurssystems erhofft sich die KMK eine Kostenersparnis für kleinere Auslandsschulen. An der Qualität und Gleichwertigkeit des Abiturs ändert sich dadurch nichts: Die Abiturprüfung der DSP ist ebenso wie der Real- und Hauptschulabschluss von der Kultusministerkonferenz anerkannt und die Prüfungen werden von einem aus Deutschland entsandten Prüfungsleiter überwacht. Dadurch ist die Vergleichbarkeit der DSP-Zeugnisse mit denen einer innerdeutschen Schule gewährleistet. Das Abitur berechtigt neben dem Studium in Deutschland auch zum Studium an einer französischen Hochschule. Dem Unterricht in allen Schultypen, einschließlich der Grundschule, liegen die Lehrpläne des Bundeslandes Baden-Württemberg zugrunde. Die Schüler der deutschen Schule Paris sind vorwiegend Kinder von im Pariser Raum ansässigen deutschen (359 Schüler und Kindergartenkinder), österreichischen (9) und schweizer (24) Experten, aber auch von Franzosen (69) und anderen Nationalitäten (44). Außerdem sind von den insgesamt 408 Schülern und Kindergartenkindern 97 solche, die eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzen (Stand: Juni 1998). Allerdings hat sich in den letzten Jahren eine rückläufige Entwicklung der Schülerzahlen abgezeichnet, die noch nicht abgeschlossen sein dürfte. Neben dem Rückgang der klassischen Klientel (Unternehmen entsenden immer weniger teures Personal ins Ausland), ist auch der Anteil der längerfristig in Paris lebenden Deutschen und der Franzosen zurückgegangen, die an einer gebührenpflichtigen, ausschließlich deutschen Schulbildung interessiert sind. Diese Entwicklung ist besonders auf die in Paris herrschende starke Konkurrenz für die deutsche Schule zurückzuführen: Es existieren zwei staatliche französische Schulen, das Lycée Franco-Allmand und das Lycée International, die kostenlos ein interkulturelles Unterrichtsprogramm anbieten. Die Kostenfreiheit wird unter anderem dadurch gewährleistet, dass die Lehrer des deutschen Zweiges an diesen Schulen von der Bundesrepublik 164

Deutschland besoldet werden. An diesen Gymnasien kann zusätzlich zum staatlich anerkannten deutschen Abitur gleichzeitig auch das französische Baccalauréat erworben werden, und das schon in 12 statt in 13 Jahren. Aufgrund dieser offensichtlichen Vorteile ziehen viele Interessenten diese Schulen der Deutschen Schule Paris aus kulturellen wie aus finanziellen Gründen vor. Diese bemüht sich deshalb im Verbund mit der Botschaft intensiv, eine gleichzeitige Vergabe des deutschen Abiturs und des französischen Baccalauréat (sog. ”Abi-Bac”- Regelung) zu ermöglichen, scheiterte aber bisher am zuständigen Ausschuss der KMK. Um ihre Stellung zu festigen, hat die Schule einen wichtigen Schritt in Richtung zweisprachige Ausbildung getan. Seit dem Schuljahr 1994/95 gibt es an der DSP einen bilingualen deutsch-französischen Zweig, in dem in den Jahrgangsstufen 7 bis 13 die Fächer Geographie bzw. Französische Geschichte auf Französisch unterrichtet werden. Im nächsten Schritt will man das Fach ”Geschichte auf Französisch” als mündliches Abiturfach genehmigen lassen. Bei der Spracherziehung an der DSP kommt natürlich der Sprache des Gastlandes, Französisch, eine besondere Bedeutung zu: Bereits im Kindergarten werden die Kinder von einer Fremdsprachenpädagogin spielerisch in die Grundzüge der französischen Sprache eingeführt. Der Französischunterricht wird danach schon ab der 1. Klasse der Grundschule – altersgemäß und in verschiedenen Niveaugruppen – fortgesetzt, und umfasst pro Jahrgang drei Wochenstunden. Dieser Prozess setzt sich konsequenterweise auch im Gymnasium (bzw. der Orientierungsstufe) fort, wo ab der 5. Klasse als erste Fremdsprache Französisch gelernt wird. Parallel dazu wird allerdings zusätzlich – jedoch auf deutlich niedrigerem Niveau als in Französisch – Englisch ab Jahrgangsstufe 5 unterrichtet, um der überragenden internationalen Bedeutung dieser Sprache gerecht zu werden. Der sich daraus ergebende Rückstand im Vergleich mit den innerdeutschen Schulen wird ab der 7. relativ zügig wieder aufgeholt. Um die Vergleichbarkeit mit innerdeutschen Gymnasien zu wahren, wird zusätzlich ab Klasse 9 Latein als Wahlfach angeboten, allerdings mit höherer Stundenausstattung als normalerweise für Wahlfächer vorgesehen. Nach 3 bis 5 Jahren können so die verschiedenen Stufen des Latinums erworben werden. Träger der privaten deutschen Schule in Paris ist der Schulverein, der sich, wie in anderen Auslandsschulen üblich, vorwiegend aus den Schülereltern zusammensetzt. Rechtsorgane des Schulvereins sind die Mitgliederversammlung und der daraus gewählte Vorstand (Vorsitzende/r, Schatzmeister/in, Schriftführer/in, jeweils samt Stellvertreter/in sowie drei 165

zusätzliche Mitglieder), der für alle finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten der Schule zuständig ist. Finanziert wird die Schule zum einen von der Bundesrepublik Deutschland, hauptsächlich aber durch die Schulgebühren der Eltern. Die Hilfe aus der Bundesrepublik besteht im Wesentlichen aus der Vermittlung und Entsendung deutscher Lehrkräfte, die für die Zeit ihres Aufenthaltes vom deutschen Schuldienst freigestellt werden. Im Schuljahr 1997/98 waren dies 13 Lehrerinnen und Lehrer. Die meisten Lehrer im Kollegium waren jedoch vom Schulverein angeworbene Ortslehrkräfte, 29 von den insgesamt 42 Lehrkräften der DSP (ohne Kindergarten und Vertretungslehrer). Weitere Hilfe vom Bund kommt in Form der jährlich neu festzusetzenden Schulbeihilfe, sowie durch Gelder zur Erhaltung der Bausubstanz. Den größten Posten des Haushaltes stellte jedoch das Schulgeld dar, das 1997/98 pro Schuljahr 24.100 FF für das jeweils erste Kind und 19.280 FF, 14. 470 FF bzw. 9.640 FF für jedes folgende Kind betrug. Zusätzlich dazu ist noch eine einmalige Zahlung von 200 FF, entweder als Mitgliedsbeitrag für den Schulverein oder als Verwaltungsgebühr zu entrichten. Unabhängig davon kann das Schulgeld in Einzelfällen – nach vorheriger Prüfung – ermäßigt werden. Aufgrund des geographisch weitverzweigten Einzugsgebietes der Schule ist ein eigenes, gebührenpflichtiges Schulbusnetz eingerichtet worden, für das jährlich zu bezahlen ist. Durch die Einnahmen aus dem Schulgeld war es dem Schulverein in den vergangenen Jahren möglich, viele wichtige Neuanschaffungen zu tätigen, von denen manch eine deutsche Schule nur träumen kann: den Schülern steht ein großzügig angelegtes Schulgebäude mit gut ausgestatteten Fachräumen für Physik, Chemie und Biologie zur Verfügung, außerdem gleich zwei Bibliotheken, ein Musikzentrum sowie eine große Aula mit Platz für 400 Personen. Im sportlichen Bereich ist neben einem eigenen großen Sportplatz samt Turnhalle vor allem ein eigenes Hallenschwimmbad als besondere Bereicherung hervorzuheben. Dank der Schulgelder konnte der Schulverein auch auf die neusten Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie reagieren, und richtete einen voll vernetzten, leistungsfähigen Computerraum mit 20 Internet-PCs ein. Neben dem Schulverein, der Schulleitung und dem Kollegium wird das schulische Leben in Paris noch maßgeblich mit von dem engagierten Förderverein, (der viele der o.g. Anschaffungen mit finanzierte) dem Schulelternbeirat und nicht zuletzt der SMV mitbestimmt. Außerhalb des regulären Unterrichts prägen vor allem die Arbeitsgemeinschaften die Schulatmosphäre mit. Die Palette an Angeboten reicht hier von zusätzlichen Sprachen wie 166

Spanisch über Informatik und Umweltgruppe bis hin zu musischen Aktivitäten wie Theater, Chor und Orchester. Nicht zu vergessen sind dabei natürlich die vielen Sportmöglichkeiten. Darüber hinaus werden – auch außerhalb der Schule – eine Reihe von guten Beziehungen zu französischen Schulen und anderen Institutionen gepflegt. Im Rahmen der Reihe ”Kulturelle Begegnungen” präsentierte die deutsch-französische Projektgruppe des ”Forum des Arts Franco-Allmand de Paris” ein ”spectacle – miroir”. Bilder von Caspar David Friedrich wurden etwa mit Musik von Franz Schubert untermalt. Aufgrund des Erfolges und der großen Nachfrage derartiger bikultureller Veranstaltungen hat man im September 1998 eine deutsch-französische Musikschule (Ecole de Musique Franco- Allemande, E.M.F.A.) in den Räumen des Musikzentrums der DSP gegründet. Neben dem stets bilingualen Unterricht in Instrumentalgruppen werden auch noch zahlreiche literarische oder künstlerische Tätigkeiten ausgeübt. In den zugehörigen Ateliers werden zudem noch Tanz/Rhythmik- und Tai-chi-Kurse angeboten, ebenso Opernbesuche, jeweils in Abstimmung zum Instrumentalunterricht. Außerdem werden literarische Texte gelesen und entsprechende Vorträge zu Themen wie ”Rilke, Rodin und Debussy” gehalten. Es ist allerdings eine Teilnahmegebühr für die Musikschule zu entrichten. Zusammen mit dem Goethe-Institut und dem Förderverein wurde eine Aufführung des Berliner ”Theater im Palais” in der Aula der DSP ermöglicht, das einen Themenabend zu Heinrich Heine bot. Dabei wurden dessen Gedichte, Lieder und Texte vorgetragen, die dem begeisterten Publikum sein Leben und Werk näherbrachten. Im März 1998 inszenierte die Theatergruppe der Schule unter großen Vorbereitungen Shakespeares Stück ”Ein Sommernachtstraum” und erregte damit weit über die Grenzen der Schule hinaus Aufsehen. Die Tanz-AG führte das Tanzspektakel ”Cinama” in echter Musical-Manier mit 52 Tänzerinnen und Tänzern auf. Ein Highlight im literarischen Bereich war die Dichterlesung der Schriftstellerin Gudrun Pausewang, die mit ihren nachdenklich-kritischen Romanen zu Themen wie Jugend im Dritten Reich, Umweltzerstörung oder Krieg besonders die Klassen 5 bis 8, aber auch deren Eltern beeindruckte. Ein traditioneller Höhepunkt des Schuljahres ist außerdem der alljährlich stattfindende Weihnachtsmarkt, der vom Förderverein organisiert wird. Die Einnahmen aus dieser Veranstaltung sowie die zu diesem Anlass reichlich eingehenden Firmenspenden kommen voll dem materiellen Wohl der Schule zugute und tragen somit dazu bei, das Niveau der deutschen Schule Paris zu sichern. 167

4. Schweden

4.1. Rahmenbedingungen zur Förderung der deutschen Sprache186

Kultur187 1998 war Stockholm nicht nur die 14. ”Kulturstadt Europas” seit 1985, sondern auch Ort der Ausstellung “Wahlverwandtschaften” , sowie der weltweiten Kulturkonferenz der UNESCO “Kulturpolitik für Entwicklung”. Dort wurde ein Aktionsplan entworfen, dessen Leitgedanke die Nachhaligkeit Auswärtiger Kultur war. (Siehe A 1.2.) Die Kulturstadt Europas ist eine zwischenstaatliche Initiative. Die Bewerberstädte müssen ihre Anmeldungen über ihre ständigen Vertretungen bei der Europäischen Union an den Rat leiten. Entscheidungen müssen einstimmig vom Rat der Kulturminister getroffen werden. “Die Wahl der Kulturstadt Europas ist eine politische Entscheidung, die von den Vertretern der Mitgliedsstaaten getroffen wird, während es Aufgabe der Kommission ist, die Veranstalter (auch finanziell) zu unterstützen (Globalsumme von ca. 600 000 € jährlich). Außerdem fördert die Kommission seit 1991 das Sekretariat der Netzwerke der Kulturstädte Europas und unterstützt Tagungen, die den Veranstaltern erlauben, ihre Ideen und ihre Erfahrungen in diesem Bereich auszutauschen.”188 Mit einem Etat von knapp 120 Millionen DM (Hauptgeber waren das Kultusministerium, die Stadt Stockholm und Sponsoren aus der Wirtschaft) wurde die Durchführung von über 1000

186 Auswärtiges Amt: Länderkonzeption. Auf der Grundlage der Länderkonzeption zur Förderung der deutschen Sprache und der damit verbundenen Wissenschaftsdisziplinen in Schweden 1998. 187 Auswärtiges Amt: Politischer Halbjahresbericht. Auf der Grundlage des Politischen Halbjahresberichts Schweden, Stand: März 998. (Der Politische Halbjahresbericht ist ein zur Unterrichtung des Auswärtigen Amtes regelmäßig erstellter Bericht.) 188 Dörr, Renate: Europäische Kulturpolitik- gibt es das? In: Handbuch Kultur Management, RAABE Fachverlag Hg., Düsseldorf, aktualisierte Auflage 1998, A 1.3 S. 3. Für die Auswahl der Kulturhauptstadt gilt ab 2005 ein neues Verfahren. Es gilt das Rotationsprinzip der einzelnen Mitgliedsstaaten: Wenn das innerstaatliche Verfahren abgeschlossen ist, wird auf Empfehlung der Kommisssion - auf der Grundlage der Stellungnahme des Europäischen Parlaments und einer Jury - vom Rat die betreffende Kulturhauptstadt Europas ernannt. Eine Vorbereitungszeit von vier Jahren ist wünschenswert. 168

Einzelveranstaltungen aus allen Kulturbereichen 1998 geplant. Die Veranstalter haben sich dabei um ein ausgewogenes Programm bemüht. Kein wichtiger Kulturbereich wurde übersehen, keiner zu sehr betont. Die große Repräsentationskultur war genauso vertreten wie Hunderte lokaler Initiativen. Das Goethe-Institut in Stockholm hat mit Zuwendungen des Auswärtigen Amts, einiger Bundesländer und Eigenmitteln eine Vielzahl von deutschen Beiträgen organisiert, vorbereitet und mitfinanziert.

Außerschulischer Deutschunterricht und Erwachsenenbildung Der außerschulische Deutschunterricht findet in Schweden hauptsächlich durch Erwachsenenbildung statt. Es gibt 11 anerkannte und staatlich unterstützte Erwachsenenbildungsverbände mit großer Tradition. Die fünf größten Verbände erreichen pro Jahr 30.000 Kursteilnehmer in allen Teilen des Landes. Sie sind in dem ”Verein Deutsch in der schwedischen Erwachsenenbildung” zusammengefasst. Das Goethe- Institut hat in diesem Verband seit 2 Jahren den Vorsitz und ist gleichzeitig wichtigster Ansprechpartner der Verbände. In Stockholm und Uppsala werden auch Vorbereitungskurse auf das Kleine Deutsche Sprachdiplom angeboten, die das Goethe-Institut im Auftrag der Ludwig- Maximilian- Universität München betreut. In den drei Ballungszentren Stockholm, Göteborg und Malmö gibt es Kurse der Grund- und Mittelstufe, in den Kleinstädten in der ”Provinz” finden vor allem Kurse der Grundstufe statt. Außerdem gibt es noch eine kommunale Erwachsenenbildung, bei der viele Deutsch lernen. Deutsch kann auch kostenlos in einem sogenannten freistehenden Kurs gelernt werden. Diese Form der Bildung steht in immer stärkerer Konkurrenz mit den Studienverbänden. Die kommunale Erwachsenenbildung wird zum Teil von den ansässigen Deutschlehrern übernommen, so dass nur 400 hauptberufliche Lehrer für die kommunale Erwachsenenbildung ”KOMVUX” tätig sind, für die es keinen Zentralverband gibt. In 248 schwedischen Gemeinden gibt es mindestens eine KOMVUX- Schule. Über die berufliche Ausbildung und Qualifikation der Lehrer gibt es keine empirischen Untersuchungen. Das Goethe-Institut veranstaltet Gruppenfortbildungen für Deutschlehrer in Deutschland sowie methodisch-didaktische Seminare in Schweden in Zusammenarbeit mit den Studienverbänden. Die Studienverbände ihrerseits laden bei eigenen Veranstaltungen Referenten des Goethe-Instituts ein. 169

Die Deutsche Auslandsgesellschaft (DAG) Lübeck bietet jährlich 10 Stipendienplätze für Deutschlehrer der schwedischen Erwachsenenbildung für ein Seminar in Lübeck an. Auf dem Gebiet der Sprachförderung arbeiten zwei Fachberater, zwei DAAD- Lektoren, die Deutsche Auslandsgesellschaft in Lübeck, die in der gesamten Region Nordeuropa und dem Baltikum tätig ist, und zwei Kulturinstitute mit insgesamt vier Dozenten, wobei der Göteborger Kollege in Personalunion auch Institutsleiter ist.

4.2. Das Goethe-Institut Stockholm189

Kulturprogramme Zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und zur Präsentation deutscher Sprache und Kultur organisiert und unterstützt das Goethe-Institut Stockholm ein breites Spektrum von Angeboten. Im Rahmen der Wortveranstaltungen konnten bereits namhafte Referenten gewonnen werden: Joachim Gauck, ehemaliger Leiter der nach ihm benannten Bundesbehörde, die das Archiv des Staatssicherheitsdienstes verwahrt, hielt im Oktober 1998 einen Vortrag zum Thema ”Das Vermächtnis der Vergangenheit – Deutschland nach der Öffnung der Stasi-Akten”, der großen Anklang fand. Auch der renommierte Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der mit Skandinavien seit seinem mehrjährigen Aufenthalt in den 50er Jahren enge Kontakte pflegt, stellte sich im Goethe-Institut Stockholm den Fragen nach seinem Kinderbuch ”Der Zahlenteufel” sowie der Rolle der Kinder in der deutschen Gesellschaft. Zu Leben und Werk Heinrich Heines entstand in Zusammenarbeit mit dem Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf eine Ausstellung, die in der Bibliothek der jüdischen Gemeinde Stockholm gezeigt wurde. Mit dem Norrköpings Kunstmuseum, dem Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung konzipierte man eine Ausstellung mit Gemälden und Zeichnungen des deutsch-jüdischen Expressionisten Felix Nussbaum, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, und dessen Bilder das Leben der Lagergefangenen wiederspiegeln. Im Theaterbereich führten die Ruhrfestspiele Recklinghausen das Stück ”Gustav Adolf” von August Strindberg auf, welches das Leben des berühmten Schwedenkönigs während des 30jährigen Krieges thematisiert und von den

189Goethe-Institut. Jahrbuch 1997/98. Internetseite Goethe-Institut Stockholm, www.goethe.de: Wir über uns. Programmhefte des Goethe-Instituts Stockholm, sowie eigene Anschauung. 170

Kritikern sehr positiv aufgenommen wurde. Zum 100. Geburtstag des politisch engagierten Wiener Komponisten Hanns Eisler stellte man ein Programm aus Vorträgen, Diskussionsrunden, Filmen und Konzerten/Liederabenden sowie einer Ausstellung zusammen. (Besucher der Kulturprogramme im Goethe-Institut Stockholm im Jahre 1998: 27.479.)

Deutsch lehren und lernen Deutschkurse werden einerseits für interessierte schwedische Bürger, andererseits für schwedische Deutschlehrer konzipiert und durchgeführt. Den Kursen für die Allgemeinheit kommt dabei in Stockholm eine untergeordnete Bedeutung zu: 1998 wurden in diesem Bereich lediglich 46 Prüfungen abgehalten. Die Pädagogische Verbindungsarbeit organisierte für schwedische Deutschlehrer verschiedene Seminare und Workshops, die dagegen wesentlich besser besucht wurden, z.B. zu Themen wie Curricula, Didaktik/Methodik, Dolmetschen/Übersetzen, Grammatik, Landeskunde, Literatur, Mediendidaktik und Prüfungsmethodik. Damit spielt die Pädagogische Verbindungsarbeit in Stockholm eine wichtigere Rolle als die allgemeine Spracharbeit. In Schweden werden keine institutseigenen Kurse angeboten. Ziel ist es vielmehr, die einheimischen Partner für die Durchführung von Kursen mit hohem Niveau auszubilden, da so die multiplikatorische Leistung viel höher ist. Alle Prüfungen werden vom Goethe- Institut angeboten. Das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache (ZDaF) wird auch von den schwedischen Studienverbänden abgenommen, die die Sondergenehmigung haben, auch externe Kandidaten zu prüfen. Für ZDaF gibt es 60 Prüfer, die fast alle vom Goethe- Institut ausgebildet wurden. Die ZMP wird zweimal jährlich in Stockholm im Anschluss an die Deutschkurse der Erwachsenenbildungsverbände angeboten. Wenn nötig wird die Prüfung auch vor Ort durchgeführt, wobei ein Referent des Goethe-Instituts (auf Kosten des Verbands) anreist und die Prüfung durchführt. In den Gymnasien gibt es Interesse an den Goethe-Instituts Prüfungen. Seit diesem Jahre werden in einem Gymnasium Stockholms bereits im dritten Jahr ZDaF und ZMP durch- geführt. Das Kleine Deutsche Sprachdiplom wird abwechselnd in Göteborg und Stockholm im Mai und November vergeben. 171

Es gibt die Zusammenarbeit des GI Stockholm mit dem Beraterkreis, einem Zusammenschluss von Vertretern deutsch-schwedischer Industrie, der Handelskammer, der Stockholmer Universität und Erwachsenenverbänden.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 11.910 Exemplaren, darunter 10.456 Bücher, 46 Zeitungen und Zeitschriften sowie 1.408 audiovisuelle Medien. Der Bestand wird allerdings nur geringfügig umgeschlagen (1998: 325 Entleiher/innen). Der größte Teil der entliehenen Literatur dürfte somit wahrscheinlich auf die Sprachkursteilnehmer beziehungsweise die Deutschlehrer entfallen, die besonders auch Materialien zum Thema ”Deutsch als Fremdsprache” im Angebot der Bibliothek finden.

4.3. Die Deutsche Schule Stockholm190

Im Gegensatz zu den deutschsprachigen Auslandsschulen mit deutschem Schulziel ist die Deutsche Schule Stockholm eine Begegnungsschule, d.h. eine zweisprachige Schule mit integriertem Unterrichtsprogramm und bikulturellem Schulziel. Offensichtlich ist es nicht leicht, solche Schulen zu gründen. Bei Behörden und Politik müssen Widerstände überwunden werden. Die beteiligten Staaten müssen in weiten Berei- chen politisch einvernehmlich sein, da beide Seiten den bikulturellen Abschluss für alle Schüler, unabhängig von ihrer Muttersprache, als Hochschulzugangsberechtigung anerkennen sollen.

Die Arbeitsweise der deutschen Schule Stockholm Die Deutsche Schule Stockholm ist eine Begegnungsschule, die deutsch- und schwedisch- muttersprachliche Schüler umfassend bilingual schult. So soll die Allgemeinbildung der Schüler in beiden Sprachen voll erreicht werden. Die DSS versteht sich im Kern als Gymnasium, je nach Qualifikation der Schüler besteht allerdings die Möglichkeit eines differenzierten Unterrichts zur Erlangung des Haupt- bzw. Realschulabschlusses. Alle sonstigen Schüler erhalten eine gymnasiale, deutschsprachige Ausbildung, die mit der allgemeinen deutschen Hochschulreife abschließt. Die Richtlinien für Lehrpläne und 172

Abiturprüfungen orientieren sich dabei an denen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Die Gymnasialausbildung zur Vorbereitung auf das deutsche Abitur wird ausschließlich von muttersprachlich deutschen Lehrkräften vermittelt, die über ein abgeschlossenes deutsches Lehramtsstudium verfügen. Der schwedischsprachige Unterrichtsanteil, der für alle Schüler verpflichtend ist, wird dagegen ausschließlich von voll ausgebildeten schwedischen Lehrern gemäß schwedischen Lehrplänen erteilt. Auf Wunsch und je nach Fächerbelegung erhalten die Abiturienten danach zusätzlich zum deutschen ein schwedisches Abschlusszeugnis.

Kindergarten Das Begegnungsprogramm der Schule beginnt bereits im Kindergarten, wo die Kinder im Rahmen eines Sprachprogrammes – ihrer Aufnahmefähigkeit entsprechend in spielerischer Form – einen ersten Einstieg in die jeweils andere Sprache erhalten. Außer der Förderung der sprachlichen Begabung und des positiven Erlebens der neuen Sprache vermittelt das Begegnungsprogramm den Kindern auch die Grundzüge von Sitten und Gebräuchen der jeweils anderen Kultur. Obwohl der Besuch des Kindergartens noch keine automatische Aufnahme in die Deutsche Schule impliziert, ist er doch eine überaus sinnvolle Vorbereitung auf den künftigen Schulalltag.

Grundschule Bevor die Kinder dann in den Grundschulzweig der DSS überwechseln, klärt die Schule sehr sorgfältig, ob die Eingangsvoraussetzungen des sehr fordernden bilingualen Bil- dungskonzeptes erfüllt werden. Um dies zu gewährleisten, lädt die Schule die interessierten Kinder zu einem Begegnungstag in die Grundschule ein, wo sie sich in Kleingruppen, bei Gesprächen, Spiel- und Bastelarbeiten kennen lernen. Dabei ”bewerten” die Lehrkräfte, wie selbstverständlich sich die Kinder in diesen Begegnungssituationen verhalten, wie sie bei der Konfrontation mit der anderen Sprache reagieren. Nach der Aufnahme in die erste Klasse ist das Erlernen von zwei Sprachen, Deutsch und Schwedisch, in Wort und Schrift obligatorisch. Die Grundschule umfasst entsprechend dem deutschen Schulsystem die Klassenstufen 1 bis 4 mit je einer deutschen und schwedischen Klasse. Die Zuweisung der Kinder in diese Klassen

190 Deutsche Schule Stockholm: Jahresbericht 1996/97 der Deutschen Schule Stockholm Tyska Skolan, verschiedene Informationsbroschüren sowie eigene Anschauung. 173

erfolgt nach ihrem sprachlichen Können, wobei in jeder Klasse auch die jeweils andere Sprache unterrichtet wird. In den schwedischsprachigen Klassen, die von einem/einer schwedischen Klassenlehrer/in betreut werden, lernen die Kinder die Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen auf schwedisch, haben allerdings auch 5 Wochenstunden Deutschunterricht bei einer deutschen Lehrkraft. Umgekehrt lernen die Erstklässler in den deutschsprachigen Klassen ihr Grundschulprogramm von deutschen Klassenleitern auf Deutsch, aber haben auch 5 Stunden Schwedischunterricht bei einheimischen Lehrern. Ab Klasse 3 haben auch die schwedischen Klassen einen deutschen Klassenleiter und der Anteil der deutschen Sprache nimmt immer mehr zu – in manchen Fächern wie Mathematik wird z.B. ausschließlich auf Deutsch unterrichtet – da die Deutschkenntnisse der schwedischen Schüler zum Ende der 4. Klasse denen der deutschen angeglichen sein müssen. Außerdem finden vielfältige gemischtsprachige Aktivitäten wie Theater, Werken, Handarbeit, Sport oder Chor statt.

Kindertagesstätte Den Begegnungscharakter setzt die Schule darüber hinaus mit einer eigenen Kindertagesstätte fort. In ihr werden Kinder der Klassen 1 bis 3 nach Schulschluss bis 17.30 betreut, bekommen eine Zwischenmahlzeit und können den Nachmittag durch Spiele, Ausflüge und Hausaufgaben sinnvoll ausfüllen. Als Korrektiv zu der ab Klasse 3 zunehmend deutschsprachigen Grundschule ist die Umgangssprache in der Tagesstätte ”Fritidshem” in der Regel Schwedisch.

Gymnasium Nach der 4. Klasse werden die Schüler der bisherigen deutsch- und schwedischsprachigen Klassen zu zwei neuen, gemischtsprachigen 5. Klassen integriert. Ab Klasse 5 wird ca. 85 % des Unterrichts von deutschen Lehrern gemäß dem innerdeutschen Gymnasiallehrplan auf Deutsch erteilt. In der Integrationsstufe, die die Klassen 5 und 6 umfasst, bemüht sich die Schule durch organisatorische und pädagogische Maßnahmen die Voraussetzungen für den gymnasialen Unterricht zu schaffen, vor allem auch auf sprachlichem Gebiet. Deswegen stehen für Schüler mit sprachlichem Förderungsbedarf in Deutsch mehrere Wochenstunden Deutschunterricht (DeFö) in Kleingruppen zur Verfügung. Schwedisch, schwedische Geschichte und schwedische Gemeinschaftskunde werden hingegen von schwedischen Lehrkräften in schwedischer Sprache unterrichtet. Damit die 174

nicht-schwedischsprachigen Schüler, die nicht den DSS-Kindergarten besucht haben bzw. nach Klasse 2 in die Schule kommen (sog. ”Seiteneinsteiger”), an den 5 bis 7 Wochenstunden auf Schwedisch aktiv teilnehmen können, wird ein besonderer Unterricht ”Schwedisch als Fremdsprache” angeboten. Dieser Förderunterricht findet zeitlich parallel zu einem Teil der normalen Schwedisch-Stunden statt und wird von speziell ausgebildeten Lehrern abgehalten. Diese Förderkurse werden maximal 4 Schulhalbjahre durchgeführt, wobei im 4. Halbjahr erstmals eine Schwedisch-Note vergeben wird. Am Ende der 6. Klasse erfolgt dann für die zeitweilig in Schweden ansässigen deutschen Kinder eine Einstufung in das deutsche dreigliedrige Schulsystem bestehend aus Gymnasium, Realschule und Hauptschule. Hierfür spricht die Schule eine Empfehlung aus, die sich an erzielten Leistungen, Ausdrucks- und Abstraktionsfähigkeit sowie Anpassungsbereitschaft und Engagement des Schülers orientiert. Spätere Umstufungen sind dabei bis zum Ende der 9. Klasse möglich. Auch für die nicht-gymnasialen Schultypen stehen Lehrwerke und Lehrpläne bereit. Für die deutschen Schüler ist Französisch ab der 7. Klasse obligatorisches Unterrichtsfach, anderssprachige Schüler mit Lücken in Deutsch belegen anstelle von Französisch in der 7. und 8. Klasse verpflichtend das Fach ”Deutsch als Fremdsprache” (Defa). Dabei erfolgt dieser Unterricht auch fachbezogen in Geschichte, Erdkunde, Biologie oder Physik. In der 9. Und 10. Klasse wird Defa durch Sozialkunde und Informatik abgelöst. Der Deutschförderunterricht (DeFö) läuft zum Ende der 9. Klasse aus. Die gymnasiale Oberstufe der Klassen 11, 12 und 13 endet mit dem deutschen Abitur. Je nach Kurswahl – es existieren Leistungskurse in Deutsch, Mathematik, Englisch, Physik und Biologie – erhalten die Schüler auf Wunsch auch ein schwedisches Abschlusszeugnis, das den N (naturwissenschaftlichen)-, S (gesellschaftswissenschaftlichen)- oder H (humanistischen)- Zweig bestätigt.

Struktur der Deutschen Schule Stockholm An der Schule unterrichten 46 Lehrer (davon 36 auf Vollzeit-Basis), zum einen Teil ortsansässige deutsch- und schwedischsprachige Lehrkräfte zum anderen Teil Lehrer, die von der Bundesrepublik Deutschland und Österreich für einen gewissen Zeitraum nach Stockholm vermittelt wurden (14). Der Schulleiter ist ebenfalls aus Deutschland vermittelt. Träger der Schule ist der Deutsche Schulverein Stockholm, der sich aus Schülereltern und Freunden der Schule zusammensetzt und einen Vorsitzenden aus seiner Mitte wählt. Der 175

Schulverein regelt alle rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten der Schule. Die Mitgliedschaft von Schülereltern ist ausdrücklich erwünscht und bietet den Eltern neben einem besseren Einblick in Geschehen und Entwicklung der Schule auch die Möglichkeit der persönlichen Mitgestaltung. Wie alle Privatschulen erhebt auch die Deutsche Schule Stockholm ein Schulgeld. Im Gegensatz zu den ”normalen” deutschen Auslandsschulen wird die DSS nämlich nicht nur von der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch durch Zuschüsse des Königreiches Schweden finanziert. Der Großteil dieser Einnahmen kommt vom Staat. Den Gemeinden ist es freigestellt, zusätzlich dazu noch Schulgeld für die in ihrem Gebiet lebenden Schüler zu zahlen, wie dies im Fall der staatlichen schwedischen Schulen geschieht. Die dabei ggf. entstehenden finanziellen Einbußen der Schule müssen über Schulgeld für die Klassen 1 bis 13 kompensiert werden. Reguläre Kosten entstehen allerdings bei der Aufnahme (1997: 500 SEK), im Kindergarten (1997: 4.400 bis 7.000 SEK pro Halbjahr) und im Freizeitheim (1997: 1.400 SEK/Monat fürs 1. Kind, 900 SEK/Monat für folgende Kinder). Für nachgewiesen Bedürftige besteht außerdem die Möglichkeit einer Befreiung vom Schulgeld. Die Schule verfügt über einen engagierten Elternbeirat, der die Interessen der Eltern und der Schüler gegenüber der Schule und dem Schulverein vertritt. Aus jeder Klasse werden zwei Elternvertreter für je zwei Jahre gewählt. Die Elternvertreter aller Klassen, einschließlich der Kindergartengruppen, wählen aus ihren Reihen schließlich einen Vorstand samt Vor- sitzendem. Auch die Schülerseite engagiert sich in Form der Schülermitverwaltung (SMV) mit eigenen Vertretern (Schülersprecher, Stufensprecher) bei den Entscheidungen der Schule. Als Besonderheit im Vergleich zu anderen Auslandsschulen bietet die Deutsche Schule Stockholm einen Gesundheitsdienst für ihre Schüler an. Die Betreuung der Schüler wird von einer täglich erreichbaren Schulschwester sowie einem eigenen Schularzt mit wöchentlicher Sprechstunde gewährleistet. Durch die große Nähe der Schulschwester wird sie als Ansprechpartnerin für vielfältige Bedürfnisse und Wünsche der Schüler genutzt.

Zusätzliche Aktivitäten der Schule 1996/97 Es gibt Arbeitsgruppen zu den verschiedensten Themen, wie Sport, Musik, künstlerische Gestaltung, Naturwissenschaften oder Informatik, für die eine ISDN-Anlage zur Verbindung aller Schulcomputer mit dem Internet angeschafft wurde. Im Rahmen des Religions- unterrichtes fand ein “indischer Abend” statt, auf dem die Schüler die indische Kultur in Form von Verkleidungen, Tänzen, Ratespielen, Musik und vor allem indischem Essen live 176

”erleben” konnten. Eine elfte Klasse besuchte das regionale Büro der Associated Press (AP) in Högtorget. Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, fanden zwei Schülerwettbewerbe statt: ein Wettbewerb ”Geschichte” für Schüler der 9. und 10. Klassen sowie ein Sonderwettbewerb in Musik, in dem die deutsche Nationalhymne interpretiert werden musste. Im literarischen Bereich hatte die Schule ein ”Highlight” im Programm: den Kurt-Tucholsky- Abend, an dem insgesamt 11 verschiedene Stücke des Autors aufgeführt wurden, der einst aus Deutschland nach Schweden emigriert ist und sich schließlich dort umbrachte. Das große persönliche Engagement der beiden Gruppen der Theater-AG und die liebevoll in Handarbeit erstellten Requisiten trugen zum großen Erfolg dieses Theaterabends bei. Auch die Musik spielt in der Schule eine große Rolle. So war am 4. Oktober der Jugendkammerchor aus Ahrensburg zu Gast, der eine bunte Mischung an Musikstücken zum Besten gab. Im klassischen Bereich ist besonders der ”Wettbewerb Jugend musiziert” zu nennen, der erstmals in der Geschichte der Deutschen Auslandsschulen auch außerhalb Deutschlands stattfand. Veranstaltet wurde er in Helsinki, das alle nordeuropäischen Deutschen Schulen dazu eingeladen hatte. Schülerinnen und Schüler aus Helsinki, Moskau, Oslo und Dublin trafen sich, um gemeinsam in verschiedenen Musikrichtungen zu musizieren. Nach vier Tagen voll von internationalen – nicht nur musischen – Erfahrungen, konnten zwei erste und ein zweiter Preis in den Kategorien ”Streichinstrument mit Klavier” und ”Blasinstrumente mit Klavierbegleitung” mit nach Stockholm gebracht werden. Enge und herzliche Beziehungen werden außerdem zur schwedischen Katedralskola (Kathedral-Schule) in Uppsala gepflegt. Diese Schule hat einen bilingualen Deutschunterricht, in dem Deutsch nicht nur als Fremdsprache, sondern auch in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern gesprochen wird. Damit ist diese Schule für einen Schüleraustausch mit der DSS prädestiniert, der auch rege praktiziert wird. So besuchten sich jeweils zwei 10. Klassen der Schulen gegenseitig, um aktuelle Fragen auf Deutsch zu diskutieren, die Schulen miteinander zu vergleichen und dabei einander kennenzulernen und die Kultur der anderen besser zu verstehen. Beim Gegenbesuch der 10a und 10b der DSS gaben sich die Schüler aus Uppsala große Mühe, eine Stadtrallye für ihre Gäste zu organisieren und einen ausführlichen Rundgang durch das – wie man feststellen musste weitaus besser ausgestattete – Schulgebäude samt schmackhaftem Schulessen anzubieten. Höhepunkt war für die Schüler das abschließende kul-i-jul-Programm, auf dem die Lehrer 177

beider Schulen ihre musikalischen, artistischen oder mimischen Talente unter Beweis stellen mussten. Im Rahmen des Biologieunterrichts konnte die DSP den bekannten schwedischen Professor Ake Seiger an der Schule begrüßen, der einem Vortrag über die Parkinsonsche Krankheit hielt. In plastischer Art und Weise und ohne zu sehr ins Fachspezifische abzugleiten, klärte er seine Zuhörer aus der 12. und 13. Klasse über Entstehung, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten dieser tückischen Krankheit auf. Ein traditioneller Höhepunkt in jedem Schuljahr ist der Frühjahrsbasar sowie der jährlich stattfindende Weihnachtsbasar, zu denen der Elternbeirat der DSS Firmenspenden von Unternehmen wie Lufthansa, BASF, BMW, Siemens, Swissair und Austrian Airlines aber auch von schwedischen Unternehmen wie etwa Stena Line, erhalten konnte. Die Einnahmen aus diesen Veranstaltungen tragen erheblich zur guten Ausstattung der Schule bei und helfen, den Integrationsgedanken der DSS auch im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der schwedischen Hauptstadt bewusst werden zu lassen.

5. Tschechien

5.1. Rahmenbedingungen zur Förderung der deutschen Sprache191

Kulturpolitische Grundlagen und Beziehungen Die Jahre 1997/98 waren geprägt durch krisenhafte innenpolitische Entwicklungen, die am 30. 11.1997 zum Rücktritt der bürgerlichen Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Vaclav Klaus und am 02.01.1998 zur Bildung einer neuen, nur zur Hälfte aus Parteipolitikern bestehenden Regierung unter dem früheren Zentralbankgouverneur Josef Tosovsky führten. Staatspräsident Vaclav Havel wurde am 20.01.1998 im zweiten Wahlgang denkbar knapp für eine zweite, fünfjährige Amtszeit gewählt, die er am 02.02.1998 antrat. Als Präsident verkörperte Havel die Stabilität des noch jungen demokratischen Systems inmitten der Krise der Parteien. Vaclav Klaus wurde Oppositionsführer, Ministerpräsident M. Zeman.

191 Länderkonzeption der Tschechischen Republik 1998: Auf der Grundlage der Länderkonzeption zur Förderung der deutschen Sprache und der damit verbundenen Wissenschaftsdisziplinen in der Tschechischen Republik 1998 und auf der Grundlage der Länderaufzeichnung Tschechische Republik, Stand: März 1998. 178

Zu Deutschland gibt es weiterhin das intensivste, zugleich ambivalente bilaterale Verhältnis. Präsident Havels Worte von 1995: ”Deutschland ist unsere Inspiration und unser Schmerz”, besitzt unverändert Gültigkeit. Im Juni 2002 trafen Havel und der deutsche Bundespräsident Rau sich in Prag, wobei sich die beiden Präsidenten bemühten, die im Vorfeld des tschechischen Wahlkampfes aufgebrochenen Diskussionen um die Beneš–Dekrete zu entschärfen und zur Versöhnung zu mahnen. Nach 13 Jahren Präsidentschaft auf dem Hradschin trat der Dissident und Dichter Vaclav Havel, der sich immer wieder für die Völkerversöhnung zwischen Tschechien und Deutschland eingesetzt hat, im Januar 2003 ab. Im Februar 2003 hat das tschechische Parlament Vaclav Klaus, den politischen Kontrahenten Vaclav Havels, der der Demokratischen Bürgerpartei angehört, im dritten Wahlgang zum Staatspräsidenten gewählt. Diese Entscheidung verursacht für den tschechischen sozialdemokratischen Regierungschef Vladimir Spidla und seine sozialliberale Koalition kurz vor der Aufnahme seines Landes in die EU eine schwierige Situation. Grundlage des bilateralen deutsch-tschechischen Verhältnisses ist der Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag von 1992 sowie die Gemeinsame Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und ihre künftige Entwicklung vom Januar 1997. Die Kulturbeziehungen der tschechischen Republik mit Deutschland sind besonders eng und haben seit 1989 einen beispiellosen Aufschwung genommen. Allgemein haben die Bundesländer (allen voran Bayern und Sachsen) einen regen grenzüberschreitenden Kulturaustausch entwickelt. Seit 1993 besteht in Prag ein Goethe-Institut, seit April 1997 gibt es zwei Koordinierungsstellen zur Förderung des deutsch- tschechischen Jugendaustauschs in Pilsen und Regensburg. Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen CSSR geschlossene Kulturabkommen vom 11.4.1978 gilt auch heute noch für die Tschechische Republik, die Verhandlungen über ein neues Kulturabkommen zwischen beiden Ländern wurden zwar begonnen, aber seit 1995 nicht weiter fortgeführt. Im politisch-ökonomischen Kontext sind die Beziehungen vor allem im wirtschaftlichen Bereich sehr eng: Deutschland ist für Tschechien wichtigster Handelspartner und zugleich größter ausländischer Investor. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Gründen bilden auch die gemeinsamen kulturellen Traditionen, die durch das jahrelange Zusammenleben entstanden sind, fruchtbare Grundlagen für das Erlernen der deutschen Sprache und Kultur. Verstärkt wird das Interesse an Deutsch durch dessen Rolle als traditionelle ”Nachbarsprache”, durch die gemeinsamen Grenzen mit Deutschland und Österreich. Beeinträchtigt werden die kulturellen Beziehungen 179

durch die Last der Geschichte. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus traten auch in Tschechien Deutsch und Englisch an die Stelle von Russisch als erste Fremdsprachen, wobei im Schuljahr 1996/97 an allen Schulen mehr Schüler Deutsch (700.000) als Englisch (650.000) lernten.

Charakteristik des Bildungswesens in Bezug auf DaF Das tschechische Bildungssystem nach der Wende kann grob in drei Blöcke aufgeteilt werden: Grundschule (Klassen 1 – 9), Mittelschule (Klassen 10 – 13) und Hochschule/Universität, wobei die allgemeine Schulpflicht bis zur 9. Klasse geht und das Abitur nach der 13. Klasse abgelegt wird. Der Besuch des Gymnasiums ist in zwei Formen möglich: 8-stufig ab Klasse 5 oder 6-stufig nach Klasse 7 der Grundschule. Begabte Schüler erhalten außerdem die Möglichkeit, nach Abschluss der Grundschule ein 4-stufiges Gymnasium zu durchlaufen. Neben dem Gymnasium existieren noch eine Reihe anderer weiterführender Schultypen, die ebenfalls zum Abitur führen, z.B. Fachschulen, Berufsfachschulen und Berufsschulen mit dualem Charakter. Voraussetzung für den Besuch aller weiterführenden Schulen ist eine Aufnahmeprüfung. Gleichgültig auf welchem Weg das Abitur erreicht wurde, eröffnet es grundsätzlich den Zugang zu allen Studienfächern (vorausgesetzt die Aufnahmeprüfung der Universitäten und Hochschulen wird bestanden). Die überwiegende Anzahl der Schulen ist autonom und gestaltet selbstverantwortlich ihren Haushalt und ihre Personalangelegenheiten. Parallel zur Situation in der Slowakei ist das Ansehen des Lehrerberufs in der Gesellschaft gering; die Gehälter liegen noch unter dem Landesdurchschnittsniveau und lassen kaum die Ernährung einer Familie zu. Die Schule kann zwar zusätzlich zum Grundlohn noch eine 10 bis 20prozentige Leistungszulage gewähren, gleichzeitig aber den Lehrer als Angestellten auch ohne großen Schutz entlassen. Etwa 70% aller Lehrkräfte sind Frauen, Männer wollen nur selten in der Schule arbeiten Die Fremdsprachenausbildung beginnt seit dem Schuljahr 1997/98 in den Grundschulen obligatorisch ab Klasse 4, in vielen weiteren Grundschulen fakultativ schon ab der 1. Klasse. Bereits ab 25 Schülern pro Klasse kann der Sprachunterricht geteilt werden, was den hohen Stellenwert von Fremdsprachen in Tschechien unterstreicht. Seit 1996 werden auch alternative Schulmodelle mit offenen Lern- und Unterrichtsformen erprobt. So können die Eltern z.B. die übliche Notenbewertung von 1 bis 5 durch schriftliche Beurteilungen ersetzen lassen oder Nichtversetzungen können durch Nachprüfungen revidiert werden. Diese 180

Regelungen könnten Deutsch zugute kommen, da es für schwieriger als Englisch gehalten wird. An den meisten Schultypen wird trotz solcher oder ähnlicher Reformansätze der lehrerzentrierte Frontalunterricht praktiziert, der auch strenge Unterrichtsrituale wie z.B. das Aufstehen zu Beginn der Stunde impliziert. Das Lernverhalten ist besonders durch Auswendiglernen und Faktenwiedergabe gekennzeichnet. Beim fremdsprachlichen Unterricht bedeutet dies vor allem eine starke Betonung der Grammatikregeln. Die Schüler sehen in guten Noten die besten Voraussetzungen für ihren beruflichen Werdegang. Alle Curricula sind so weit offen gefasst, dass für die Schulen noch genügend Freiraum für die individuelle Gestaltung des Sprachunterrichts besteht. Im Programm ”Qualität und Verantwortung” des Schulministeriums von 1994 werden für die Bildungspolitik die fünf Schwerpunkte Standards (d.h. die einheitliche Festlegung von Inhalt und Niveau der Schulbildung), Qualität (d.h. die systematische Kontrolle der Schulen seitens der Schulaufsicht und der Öffentlichkeit), Finanzierbarkeit (d.h. unmittelbare Abhängigkeit der Finanzierung vom jeweiligen Leistungsniveau der Schule und von der Qualität ihrer Arbeit), Information (d.h. unproblematischer Zugang aller Verantwortlichen wie z.B. Eltern, Arbeitgeber, Gemeinden und Staat zu den erforderlichen Informationen über das Schulwesen) und Förderung (d.h. alle Maßnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitsqualität von Schulen und Lehrern führen), gesetzt.

Stellung von Deutsch im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen ”Das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache ist nach wie vor sehr hoch. Als erste Fremdsprache ist Deutsch in der Präferenz der Schüler dem Englischen etwa vergleichbar. Dabei ist Deutsch an berufsbildenden Schulen am häufigsten erste Wahl, an Gymnasien gibt es eine leichte Präferenz für Englisch. Das deutsche Abitur kann neben der Deutschen Schule Prag an den bilingualen Gymnasien in Prag und in Reichenberg erworben werden. Zusätzlich zur Bibliothek des Goethe-Instituts in Prag gibt es Lesesäle mit deutschsprachiger Literatur in Olmütz und Brünn.”192 Von den insgesamt 727.000 Grundschülern (zum 30.09.1997), die Fremdsprachen lernen, entfallen 371.000 auf Englisch, 366.000 auf Deutsch und 7.500 auf Französisch (Russisch:

192 Politischer Halbjahresbericht Tschechische Republik, Stand: März 1998. 181

750, Spanisch: 363). Damit ergibt sich eine Verteilung von 51,0% für Englisch, 50,3% für Deutsch und 1,0% für Französisch (Russisch: 0,1%, Spanisch: < 0,1%) In den Sekundarschulen ergibt sich im Verhältnis von Deutsch und Englisch ein umgekehrtes Bild: von den 427.000 Fremdsprachenschülern lernen 316.000 Deutsch (entspricht einem Anteil von 66,9%), 294.000 Englisch (62,3%) und 27.000 Französisch (5,7%) (Russisch: 5.500, Spanisch: 5.200, jeweils ca. 1%). Auffällig ist, dass an Gymnasien mehr Schüler Englisch (88,1%) als Deutsch (67,5%) lernen.

Einstellungen zu Deutsch und Deutschland Weit verbreitet ist das Vorurteil, Deutschland wolle Tschechien kulturell und wirtschaftlich vereinnahmen. Das Wort vom ”Ausverkauf” an die Deutschen ist Allgemeinplatz. Diese Stereotypen sind besonders auf die negativen Erfahrungen mit den Deutschen im letzten Jahrhundert begründet: Der Einmarsch der Wehrmacht ins Sudetenland und die darauffolgende Zwangserrichtung eines ”Protektorat Böhmen und Mähren” durch Hitler haben tiefe Spuren der nationalen Demütigung hinterlassen. Weiter belastet werden die Einstellungen der Menschen zu Deutschland von den als ungerecht empfundenen Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaften nach einem ”Recht auf Heimat” und Aufhebung der sog. Beneš-Dekrete. Die Vertreibung von Millionen Sudetendeutschen wird vielfach nicht als Unrecht beurteilt, sondern als ”gerechte Strafe” für die Aggression der Deutschen. Die Diskussion um die Benesch-Dekrete erfuhr eine Neuauflage im Jahr 2002 im Zusammenhang mit dem Beitritt Tschechiens in die EU. Eventuellen Rückerstattungsansprüchen der Vertriebenen wurde am 24. April 2002 vom tschechischen Parlament eine Absage erteilt. Auswirkungen zeigt auch immer noch der Geschichtsunterricht des alten Systems, der die Rolle der Deutschen in Böhmen verzerrt darstellte. Auch die EU- Kommission befand am 17.10.02 die Dekrete seien mit europäischem Recht vereinbar. Entscheidend sei die politische Situation, die Präsident Eduard Benesch bei seiner Rückkehr im Mai 1945 aus dem Londoner Zwangsexil vorgefunden habe. Die Motivation zum Deutschlernen ist somit wesentlich durch wirtschaftlichen Pragmatismus zu erklären; Deutschland ist nicht nur größter Handelspartner der Tschechischen Republik, sondern teilt sich zusammen mit Österreich auch die längste Sprachgrenze des Landes. Hinzu kommt zweifellos auch die traditionelle Rolle des Deutschen als Akademiker-Sprache, besonders unter Historikern und Juristen. 182

Bedingungen für den Deutschunterricht an Schulen In Prag und Reichenberg gibt es Spezialgymnasien mit bilingualem Zweig, die zur deutschen und tschechischen Hochschulreife führen, daneben gibt es die Deutsche Schule Prag als Auslandsschule. Außerdem führen 13 Schulen zum Deutschen Sprachdiplom der KMK. Im Schuljahr 1997/98 waren insgesamt 65 entsandte Lehrkräfte, davon 54 Programmlehrkräfte und 11 Auslandsdienstlehrkräfte in Tschechien tätig. Die Berufsschulen, die eher mit deutschen Fach- bzw. Fachoberschulen zu vergleichen sind, umfassen drei- bis fünfjährige Ausbildungsgänge im Sekundarbereich 2, sowie zwei- bis dreijährige nicht-universitäre Ausbildungsgänge nach dem Abitur. In dieser Schulform findet sich die höchste Zahl an Deutsch lernenden Schülern im tschechischen Schulsystem. Qualitativ jedoch bleibt die Sprachbeherrschung hinter der in anderen Schultypen zurück, was damit zusammenhängt, dass sich der Sprachunterricht in diesen Schulen an berufsrelevanten (Grund-) Kenntnissen orientiert.

Versorgung mit Unterrichtsmaterialien Die Versorgung mit Lehr- und Lernmaterial ist gut. Die meisten Grundschulen verwenden das einheimische Lehrbuch ”Heute haben wir Deutsch”, an zweiter Stelle folgt das Lizenzwerk ”Wer? Wie? Was?” aus dem Gilde-Verlag. Zwar wurden Autoren und curriculare Arbeit nach der Wende massiv vom Ausland unterstützt, der heutige leistungsfähige Zustand der einheimischen Verlage im Lehrmittelbereich macht eine anhaltende finanzielle Förderung allerdings obsolet: Seit 1990 erschienen auf dem tschechischen Lehrbuchmarkt (ohne Lizenzausgaben) u.a. 21 Titel im Grundschulbereich (einige davon sogar mehrbändig), 23 Titel für Fachsprachen und 27 Titel mit Grammatik-, Lehr- und Wortschatzübungen. Lehrmaterialien für den Deutschunterricht werden von insgesamt 48 tschechischen Verlagen bereitgestellt.

Bedingungen für das Studium an Hochschulen Angehende Deutschlehrer für Grundschulen (Klassen 1 – 9) absolvieren ein vierjähriges Magisterstudium an pädagogischen Fakultäten oder der Pädagogischen Hochschule in Königgrätz, in dem neben Deutsch ein zweites Fach gleich gewichtet studiert wird. Dazu kommen zwei bis drei obligatorische Praktika. Das Studium endet mit den Magisterprüfungen und einer Diplomarbeit. Deutschlehrer im Gymnasialbereich (Klassen 10 – 13) durchlaufen 183

einen fünfjährigen Magisterstudiengang an pädagogischen oder philosophischen Fakultäten. An den pädagogischen Fakultäten ist die wissenschaftliche Komponente des Studiums kleiner als an den philosophischen, dafür schließen erstgenannte mehrere Schulpraktika ein. Das Germanistikstudium an philosophischen Fakultäten eignet sich daher eher für spezielle Ausbildungsgänge wie etwa Sprachgeschichte, Linguistik oder Literaturwissenschaft Studenten aus solchen Studiengängen müssen für das Lehramt an Gymnasien eine zusätzliche pädagogische Ausbildung innerhalb ihres Studiums absolvieren, die auch zwei kurze Unterrichtspraktika einschließt und kein Referendariat anschließt. Die Gestaltung der Studiengänge und Curricula ist von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich und verändert sich häufig; dies erschwert den Wechsel während des Studiums. Für Absolventen der Germanistik an philosophischen Fakultäten gibt es in der Regel drei mögliche Berufsfelder: Etwa ein Drittel der Absolventen wird Deutschlehrer an den Schulen, ein geringer Prozentsatz der Absolventen qualifiziert sich im akademischen Bereich (vor allem in der wissenschaftlichen Ausbildung, meist über ein dreijähriges Promotionsstipendium zum Dr. phil.), und der größte Teil wandert in die freie Wirtschaft ab, z.B. als Dolmetscher oder Übersetzer großer Firmen, zu Zeitungen oder Verlagen. Gerade für diese letztgenannte Berufsgruppe (und aufgrund rückläufiger Studentenzahlen) beginnen einige pädagogische Fakultäten, Studiengänge mit konkretem betriebswirtschaftlichen Bezug zu konzipieren. So existieren beispielsweise in Budweis ein Bakkalaureatstudiengang ”Deutsch und Russisch für die ökonomische Sphäre”, oder in Troppau ein vierjähriger, Zwei- Sprachen-Kombinationen umfassender Studiengang, der explizit auf die Erfordernisse der Wirtschaft ausgerichtet ist. Auch der damalige tschechische Bildungsminister Jiri Grusa betonte die Sprache als Möglichkeit des Austauschs mit benachbarten Kulturen auf den verschiedensten Gebieten: ”Sprachkenntnisse im Allgemeinen und Deutschkenntnisse im Besonderen bereichern auf verschiedenen Ebenen und auf vielfältige Weise. Sie erleichtern das Reisen, die Kommunikation mit den Nachbarvölkern im Alltag. Sie helfen uns, intensiver miteinander Handel zu betreiben und die Zusammenarbeit im Wirtschaft und Industrie zu vertiefen. Sie öffnen den Weg zum Austausch in Unterricht, Wissenschaft und Forschung. Sie erlauben uns schließlich durch die Lektüre deutschsprachiger Werke in die geistigen Sphären unserer Nachbarn vorzudringen und tragen so dazu bei, dass aus dem vormals Fremden etwas Vertrautes wird, zu dem wir freundschaftliche Gefühle hegen können. 184

Aus eigener Erfahrung weiß ich, welch ein mühevolles Unternehmen es ist, sich die deutsche Sprache anzueignen. Trotzdem möchte ich Ihnen Mut zusprechen und Sie dazu aufrufen, nicht müde zu werden, sich dieser Mühe zu unterziehen, denn Sie werden später reichlich dafür beschenkt werden.”193

5.2. Interview mit dem Leiter der Abteilung für Auslandsbeziehungen

(September 1998) E. A: Herr Dr. C, Sie sind im tschechischen Schulministerium verantwortlich für die deutschen Mittlerorganisationen in der Tschechischen Republik? Dr. P. C: Ja, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, das Goethe-Institut, der pädagogische Austauschdienst und der DAAD gehören zu den von mir betreuten Institutionen. In Tschechien gibt es derzeit 60 aus der Bundesrepublik entsandte Lehrkräfte, die an bilingualen Diplomschulen – es gibt landesweit 10 Gymnasien, die das Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz anbieten – unterrichten. E. A: Wie gestaltet sich für Sie die Zusammenarbeit mit der deutschen Seite? Dr. P. C: Die Zusammenarbeit mit der Lehrerentsendestelle in Deutschland ist gut. Es gibt in der Tschechischen Republik eine heimische Sprachprüfung in Deutsch, die sich besonders für Personen eignet, die in einem tschechischen Unternehmen arbeiten. Darüber hinaus existiert die Sprachprüfung im Goethe-Institut, die sich besonders an solche Menschen richtet, die eine Beschäftigung in einem deutschen Unternehmen anstreben. E. A: Tschechien möchte der EU beitreten. Gibt es Probleme im Bildungsbereich? Dr. P. C: Zu bemängeln sind die Ungenauigkeiten in der Präsentation der Bildungspolitik der EU in Tschechien. Darin wird von Förderprogrammen gesprochen, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht, da Tschechien diese Programme selbst finanziert. Es ist mir aus politischen Gründen wichtig, dies zu betonen, da vollwertige EU- Mitglieder für derartige Programme stets selbst zahlen müssen. E. A: Sie sind für die europäische Integration im tschechischen Bildungswesen zuständig? Dr. P. C: Ja, der Antrag auf Mitgliedschaft im Bereich ”Schule” ist bereits gestellt. Auf dem Luxemburger EU- Gipfel 1998 wurden 6 Länder aufgefordert, ein Positionspapier zu erarbeiten. Die EU-Bildungslegislation ist in einem Gesetzestext vorgegeben, worauf das nationale Bildungsprogramm abgestellt werden muss. Bevor sich die volle EU-Mitgliedschaft vollziehen kann, müssen beispielsweise das tschechische Berufsbildungssystem und die Schulgesetze geändert werden. Es gibt z.B. in Tschechien Berufe, bei denen bisher eine Trennung nach Geschlechtern vorgeschrieben ist. Dies widerspricht den Vorgaben aus Brüssel. In der Schulgesetzgebung muss Tschechien sich darauf einstellen, dass man auf Migrantenkinder in der Frage der Unterrichtssprache Rücksicht

193Grusa, Jiri.: Aus dem Vorwort des Bildungsministers der Tschechischen Republik, Jiri Grusa, zur Broschüre: ”Deutsch in der Tschechischen Republik” Goethe-Institut Prag, Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Hrsg. Prag/Köln u. a.. 1998/1999. 185

nehmen muss. Dies impliziert aber eine finanzielle Frage, da wir beispielsweise keine 10.000 Kinder aus anderen EU-Staaten auf eigene Kosten unterrichten können und wollen. E. A: Wie stehen Sie zu einer Weiterentwicklung der Deutschen Schule Prag in eine Begegnungsschule? Dr. P. C: Die Deutsche Schule Prag ist autark und autonom, jedoch würden wir auf tschechischer Seite eine Begegnungsschule bevorzugen. Die Vorgabe der schulischen Rechtsgebung an der DSP müsste sich dann allerdings am tschechischen Schulgesetz orientieren. Dies bedeutet, dass die Kinder in Tschechisch unterrichtet werden müssten, und die Pflichtschulzeit für Kinder unter 15 Jahre sich nach den tschechischen Gesetzen zu richten hätte. Bis 1995 gab es in Tschechien viele private Bildungseinrichtungen, da das alte Schulgesetz keinerlei Einschränkungen kannte. Mit der Einführung des neuen Gesetzes im gleichen Jahr wurden Einschränkungen vorgenommen. So müssen sich nun auch Privatanbieter dem Schulgesetz unterwerfen, was auch die Deutsche Schule betrifft – sie soll sich letztendlich sogar in eine Begegnungsschule umwandeln. Dies wird allerdings nicht allzu schnell vor sich gehen können, eine Umgestaltung der DSP wäre ab 2001 möglich. Es müsste eine Ausnahmeregelung in das Schulgesetz eingebaut werden, da auch schon von französischer Seite, vom Lycée 5, bereits der Wunsch nach Umwandlung geäußert wurde. Die Ausnahme müsste sich auf außenpolitische Interessen berufen. Trotzdem ist der Parameter ”Tschechisch als Unterrichtssprache” für mich wesentlich. E. A: Sie betonen als Parameter ”Tschechisch als Unterrichtssprache”? Dr. P. C: Ja, da die Mittlerorganisationen vor allem auf Sprachexport eingestellt sind. Freilich kommuniziert das Goethe-Institut mit dem Deutschlehrerverband und dem Lehrstuhl für Germanistik, was mich nicht stört, ebenso wenig wie das geflügelte Wort des ”Sprachexports” in diesem Zusammenhang. Immerhin wird der Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt, und dieser Logik will ich mich nicht widersetzen. Es gibt ja schließlich auch 40 tschechische Lektorate im Ausland. E. A: Es gibt auch bilinguale Schulen in Prag. Dr. P. C: In bilingualen Schulen, wie der Schule im Bezirk Prag 3, liegen die meisten Kompetenzen bei der jeweiligen Schulverwaltung, der Schulminister hat hier nur beschränkte Einflussmöglichkeiten. So bestimmen diese Schulen beispielsweise die Stellvertreter des Direktors, die Anzahl der Klassen, Aufnahmeprüfungen sowie finanzielle Angelegenheiten. Hier sorgt das staatliche Gymnasium sowohl für die Vermittlung des deutschen, wie auch des tschechischen Bildungsgutes. Die Auslandsabteilung für europäische Integration in Sachen Bildung, dessen Leiter ich bin, hat 35 bilaterale Verträge über schulische Zusammenarbeit abgeschlossen. Darunter waren z.B. Verträge mit Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen usw. . Beide Seiten bieten einander Stipendien, Sommer-Unis u.ä. . Es gibt auch Hospitations-Aufenthalte oder Lehrerfortbildung wie in Dillingen. E. A: Immer wieder werden Schwierigkeiten benannt, die durch ein fehlendes Kulturabkommen entstehen... Dr. P. C: Zum Kulturabkommen führte ich viele Gespräche mit dem Auswärtigen Amt, die jetzt allerdings eingefroren sind. Die tschechische Rechtsordnung kann man wegen eines Kulturabkommens nicht ändern. Im Ausländergesetz ist z.B. eine Frist von 60 Tagen vorgesehen, in der bestimmte Formalitäten erledigt werden müssen. Das betrifft hier z. B. die einreisenden Lehrer. Es gibt eine freiwillige Vereinbarung, dass die deutschen Anträge binnen einer Frist von 30 Tagen erledigt werden. Die deutsche Seite möchte hier Inventur machen. Von 60 Lehrern haben aber nur drei bis vier Probleme mit den Behörden. Sie müssen einen Nachweis über ihre 186

Wohnverhältnisse beibringen, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Oft genügt eine diesbezügliche Erklärung der Botschaft nicht, sondern die Fremdenpolizei verlangt einen notariell beglaubigten Mietvertrag. Hierbei macht die Fremdenpolizei keinen Unterschied etwa zwischen Usbeken und Deutschen. Die Deutschen erleben hier ihrerseits das Ausländerrecht der EU.

5.3. Das Goethe-Institut Prag

Kulturprogramme Es finden unterschiedlichste Veranstaltungen aus den Bereichen Wissenschaft und Literatur, Musik, Film/Fernsehen, Medien/Rundfunk/visuelle Kommunikation und Theater/Theater- projekte sowie verschiedene Ausstellungen statt. Im Rahmen der Wortveranstaltungen las z.B. der Berliner Autor und Jurist Bernhard Schlink aus seinem mehrfach ausgezeichnetem Roman ”Der Vorleser”. Ebenfalls im Herbst fand das Mediensymposium ”Softmoderne” statt, auf dem mit renommierten Experten eine Bestandsaufnahme der interaktiven Netzliteratur versucht wurde. Beispielhaft für die Ausstellungen des Goethe-Instituts Prag war etwa die Vernissage zu Klaus Kinski und dessen Regisseur Werner Herzog mit Fotografien des Schweizer Kameramanns Beat Presser, oder die in Brünn gezeigte Ausstellung ”Der geschundene Mensch” von Günther Uecker, Mitbegründer der Künstlergruppe ”ZERO”. Passend zur Vernissage führte das Institut z.B. im Bereich Film und Medien die bedeutendsten Filme Werner Herzogs auf. Im Theatersektor gab beispielsweise die Volksbühne Berlin ein Gastspiel, in dem sie das Tanzstück ”Frida Kahlo”, - dem Lebenswerk einer politisch aktiven mexikanischen Malerin gewidmet - von Johann Kresnik in Pilsen zum besten gab. Auch zum Thema “Luther, Bach, Goethe – Kultur aus Thüringen” fanden 1998 Ausstellungen, Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen statt. Im Jahre 1998 besuchten 40.912 Zuschauer die Programme des Instituts. Die tschechische Schriftstellerin Lenka Reineròva wurde im März 2003 in Weimar mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet, die das Goethe-Institut Inter Nationes für besondere Verdienste für die deutsche Sprache vergibt. Lenka Reineròva konnte als tschechische Jüdin als Einzige ihrer Familie dem Nazi-Terror entfliehen. Sie, die bilingual in Westböhmen aufgewachsen war, schrieb trotz der belastenden Erfahrung mit Hitler-Deutschland, weiter auf deutsch. 187

Deutsch lehren und lernen Das Goethe-Institut Prag steht sowohl interessierten tschechischen Bürgern, als auch tschechischen Deutschlehrern für Sprachkurse bzw. Fortbildungsveranstaltungen offen. Deutschkurse für tschechische Bürger sind unterteilt in Standardkurse, die wiederum in Grund-, Mittel-, und Oberstufenkurse aufgegliedert sind. Diese werden jeweils semesterweise angeboten. Daneben finden sich auch Spezialkurse, etwa in Fachdeutsch für Wirtschaft, Bank, Jura oder Journalistik. Außerdem finden spezielle Grammatik-, Konversations-, Landeskunde- Literatur- und Kulturkurse statt. Es kann auch das Kleine bzw. Große Deutsche Sprachdiplom (KDS, GDS) abgelegt werden. Für Deutschlehrer wird pädagogische Verbindungsarbeit geleistet, in Form von Veranstaltungen aus den Bereichen Bildungspolitik, Sprachpolitik, Didaktik/Methodik, Fachdeutsch, Fortbildungsdidaktik, Landeskunde, Linguistik, Literatur, Mediendidaktik sowie Phonetik. Besonders erwähnenswert ist hier z.B. der Deutschlehrertag 1997 mit 35 Einzelveranstaltungen, Workshops, Vorträgen und Filmen in Zusammenarbeit mit Professor Eberhard Piepho. Ähnliche Ansätze hatte auch die Curriculumentwicklung ”Training of Trainers”, in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Bratislava und der Robert Bosch-Stiftung.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 14513 Exemplaren, davon 12456 Bücher, 95 Zeitungen und Zeitschriften und 1962 audiovisuelle Medien. Mit über 3000 Entleiher/innen im Jahr 1998 war die Bibliothek gut genutzt. Sie bietet vor allem den deutschlernenden tschechischen Bürgern und Lehrern nützliche Hintergrundmaterialien und Hilfsmittel.

5.4. Interviews im Goethe-Institut

Interview (Interviewerin E.A.) mit der Leiterin des Goethe-Instituts Prag, G. B.

E. A: Frau B, Sie konnten an den verschiedensten Orten der Welt Erfahrungen in den Goethe-Instituten sammeln. G. B: Ich bin seit 1981 Mitarbeiterin im Goethe-Institut. Bevor ich nach Prag kam, war ich in den Goethe- Instituten in Nairobi und Karthum sowie in Berlin und New York tätig. Aus meinen Erfahrungen habe ich gelernt, dass die Goethe-Institute in den verschiedenen Ländern oft völlig verschiedene Hintergründe haben. So muss man etwa in New York die Leute “mit dem Lasso einfangen”, um sie zur Teilnahme an einer Veranstaltung zu bewegen. In Afrika dagegen fühlte man sich wie in einer Oase der Ruhe. Seit 1996 leite ich 188

das Goethe-Institut in Prag, welches ein Regionalinstitut ist. Darin betreue ich 8 mittelosteuropäische Länder, 9 Institute und 20 deutsche Lesesäle. E. A: Sind die 8 mittelosteuropäischen Länder, die Sie betreuen miteinander vergleichbar? G. B: Im Kontext europäischer Bündnisstrukturen sind Polen, Ungarn und Tschechien einerseits, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Kroatien andererseits miteinander vergleichbar. In den Ländern Mittelosteuropas besteht ein großes Informationsbedürfnis. Es existieren verschiedene Bibliotheken und insgesamt 42 Lesesäle, davon 20 in Mittelosteuropa und 18 in Zentral- und Ostasien. Diese werden mit Mitteln des Auswärtigen Amtes und mit Mitteln des jeweiligen Landes errichtet und unterhalten. 35 weitere Lesesäle stehen zur Diskussion. Die Betreuung der Lesesäle würde eigentlich eine zusätzliche Stelle erfordern... E. A: Im Goethe-Institut Prag gibt es eine große Bibliothek... G. B: ...diese bietet als die erste ihrer Art eine vollautomatische Ausleihe und wird sehr gut besucht. So werden alle Medien in Prag pro Jahr drei mal ausgeliehen. Seit 1997 erfolgt bei uns im Goethe-Institut auch die Betreuung neuer Lehrwerke. E. A: Wie sieht die Situation bei Ihnen im Goethe-Institut konkret aus? G. B: Weltweit werden in den Goethe-Instituten Sprachkurse angeboten. Außerdem wird an der Schaffung internationaler Netzwerke in der Curriculum-Entwicklung gearbeitet. In den mittelosteuropäischen Staaten ist Deutsch die zweite Fremdsprache, weshalb 2/3 aller Deutsch lernenden Menschen aus diesen Staaten kommen. Sehr gefragt sind auch die Fachsprachen Wirtschaftsdeutsch sowie juristisches Deutsch. Hierzu ergänzend dient auch das Kulturprogramm, welches gut genutzt wird. Diese beiden Fachrichtungen der deutschen Sprache werden besonders auch von den Beamten erlernt, die in den Harmonisierungsausschüssen für den EU-Beitritt Tschechiens arbeiten. Beim Unterricht dieser Fachsprachen wirken auch Österreich und die Schweiz mit, genau wie an der Sprachverwaltung Deutsch in Tschechien. Das Publikum wird generell langsam wählerischer: fehlende kulturpolitische Konzepte fallen auf. Anfang 1999 findet am Goethe-Institut Prag eine Veranstaltung über die Bedeutung der Kultur im europäischen Einigungsprozess statt. Auch der Kulturkanal ”Arte” verstärkt sein Engagement in bzw. seine Berichterstattung aus Mittelosteuropa. Im Oktober wird aus diesem Grund ein Festakt von ”Arte” stattfinden. Zum Deutschlandbild in Mittelosteuropa trägt maßgeblich auch das Fernsehen bei, woraus die Menschen ihre Informationen beziehen. Zudem findet bald eine Ausstellung zum Thema ”Bayern in Kiew” statt sowie eine Übersetzung von Habermas‘ ”Anthologie”, die bei Inter Nationes angefertigt wurde. E. A: Es wird beim Goethe-Institut jetzt viel über die Rolle der Regionalbeauftragten gesprochen. War dies auch ein Thema in der Regionalkonferenz? G. B: Ja. Dieses Thema war neu. Man will kürzere Leitungsspannen erreichen und zu einer Dezentralisierung kommen. Momentan stehen drei verschiedene Modelle zur Diskussion. Der bzw. die Regionalbeauftragte soll Vorgesetzte/r der anderen Institutsleiter in der Region sein. Das bedeutet, der oder die Regionalbeauftragte führt Jahresgespräche, auf denen Ziele benannt und Jahresprogramme vorgestellt werden. Der oder die Institutsleiter/in bleibt natürlich weiterhin Chef des Hauses. Die Regionalbeauftragten sollen zukünftig auch bei der Beurteilung mitwirken. Bis zur nächsten Konferenz im Sommer 1999 soll dieses Modell stehen. Wichtig dabei ist vor allem das Jahresgespräch, das als Einzelgespräch stattfindet, und partizipative Mitarbeiterführung bewirken soll. Man verständigt sich über Ziele, die anschließend evaluiert werden sollen. 189

E. A: Wie steht es um den Haushalt des Goethe-Instituts Prag? G. B: Es gibt für die Programmarbeit einerseits, und die Spracharbeit andererseits einen Sockel, der aus Erfahrungswerten besteht. Dieser Sockelbetrag richtet sich nach Größe und Leistungsfähigkeit des Instituts. Für die Programmarbeit entspricht dieser Sockel ungefähr einem Betrag von 70.000 DM und für die Spracharbeit einem Betrag von 80.000 DM. Dazu gibt es Zuschüsse in etwa gleicher Höhe aus Sondergeldern. Interessant dabei ist, dass für die Kulturarbeit in allen Goethe-Instituten 16 Millionen DM ausgegeben werden, die vom Auswärtigen Amt kommen. 40 Millionen DM kommen über die Partner hinein. Lediglich 5 Millionen DM kommen von den Sponsoren. Hierbei zeigt sich, dass unsere Partnerinstitute nicht nur für die Dialogfähigkeit unserer Institute wichtig sind, sondern auch für unsere Finanzierung. Generell wird etwa ein Drittel der Ausgaben für Kulturprogramme ausgegeben, und zwei Drittel für die Spracharbeit. E. A: Wie erfolgte für Sie der Einstieg in Prag vor zwei Jahren? G. B: Das Goethe-Institut Prag wurde mit einem unglaublichen Aufwand aufgebaut. Dr. Blos, der jetzt in Madrid ist, hat die Beziehungen zu den wichtigsten Institutionen der Stadt aufgebaut und mir diese sehr sorgfältig ”übergeben”. Seine Hauptaufgabe war es, die seit 40 Jahren aufgestauten Bedürfnisse zu decken, was ihm sehr gut gelang. Als ich 1996 Institutsleiterin wurde, vollzog ich als erstes einen Schwenk. Mir ist eine Hinwendung zum heutigen Deutschland wichtig. Deshalb bemühe ich mich, besonders auch jüngere Deutsche hier vorzustellen, da die Tschechen sehr wenig über das heutige Deutschland wissen. Ich möchte also den Dialog zwischen Deutschen und Tschechen herstellen. Noch ist dieser Dialog deutlich überlagert von der Diskussion, die von der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgeht, aber meiner Meinung nach repräsentieren die Sudetendeutschen nicht die Mehrheit bei uns. E. A: Haben Sie denn mit der Landsmannschaft auch im Goethe-Institut zu tun? G. B: Ja, das Bundesministerium des Inneren stellt Mittel für Begegnungszentren bereit. Wir erhalten daraus 31.000 DM. In dieser Woche findet hier ein Treffen der Leiter der Begegnungszentren statt. Ich glaube, auf diesem Wege kann man den Dialog zwischen Sudetendeutschen und Tschechen fördern. Man kann das hiesige Deutschlandbild aktualisieren, was dringend notwendig ist. Für uns bedeutet das ein verstärktes Engagement in der Provinz, wo sich die Begegnungszentren befinden. Diese Stationen in der Provinz können dadurch intensiver mit uns im Goethe-Institut zusammenarbeiten und z.B. Materialien von uns erhalten oder mit uns entwickeln. E. A: Wie ist die Zusammenarbeit mit den tschechischen Partnern? G. B: Die Zusammenarbeit ist hervorragend, wobei auch die tschechischen Institutionen über knappe Mittel klagen. Wir haben zu allen wichtigen Einrichtungen hier einen guten Kontakt, sei es die Karls-Universität, das Tanztheater, die Film- oder Kunsthochschule. Auch in Zukunft wollen wir auf ein kooperatives Miteinander in unseren Veranstaltungen drängen. Wir sollen beispielsweise eine Veranstaltung zum Thema ”Multimedia und Kunst” zusammen mit unseren tschechischen Partnern veranstalten. Obwohl diese Veranstaltung schon sehr kurzfristig stattfinden soll, bemühen wir uns intensiv, da wir das Thema für sehr zukunftsträchtig und förderungswürdig halten.

Interview mit der Programmsachbearbeiterin, Frau L

Frau L hat 1990 das Goethe-Institut Prag mit gegründet, das zunächst nur aus zwei Personen bestand. 190

E. A: Was war am Anfang Ihrer Arbeit hier Ihre wichtigste Aufgabe? M. L: Im Kulturbereich musste ich sensible Fragen aufarbeiten, z.B. die Frage der Vertriebenen, der Juden oder der Intellektuellen. Wir hielten literarische Lesungen ab, die all diese heiklen Themen beinhalteten. E. A: Durch die Vertreibung ist die multikulturelle Identität doch gebrochen. Wie ist die Situation jetzt? M. L: Das ist richtig, die Deutschen und Juden sind praktisch alle vertrieben oder ausgewandert. Wir führten zu dieser Thematik eine Veranstaltung mit dem Titel ”Verlorene Geschichte” durch. In vielen Vorträgen wurde die Historie aufgearbeitet. E. A: Wie gestaltet sich die multikulturelle Zusammenarbeit in Prag? M. L: Diese Zusammenarbeit verläuft vor allem trilateral, auf polnisch-tschechisch-deutscher Ebene und ist sehr intensiv. Dabei spielt die Problematik der Sudetendeutschen natürlich auch noch eine Rolle. E. A: Unsere gemeinsame Geschichte ist ja sehr belastend. Wie bringt man die unterschiedlichen Partner zusammen? M. L: Das Goethe-Institut ist neutral, d.h. es kann in Konkurrenz zueinander stehende Partner zum Gespräch einladen und vermitteln. So haben wir z.B. eine Ausstellung in Theresienstadt mit vorbereitet. Die Dokumentation erfolgte dabei zusammen mit polnischen Jugendlichen, und es fand eine Diskussion über Leben und Werk der tschechischen Juden statt. Wichtig ist, dass man in Prag nicht provokativ agiert, es gibt hier deutliche Tabugrenzen, die nicht durchbrochen werden dürfen. Wir haben wertvolle Freundschaften zu den hiesigen Partnern aufgebaut, und um diese nicht zu gefährden, müssen wir mit unseren Projekten hier sehr dezent vorgehen. E. A: Wie empfinden Sie die Präsenz Deutschlands in Prag? M. L: Deutschland ist in der Medienlandschaft nicht präsent. Der deutsche Massentourismus in Prag verbindet sich nicht mit dem Deutschland der Arbeitslosigkeit. E. A: Müsste Ihrer Meinung nach ein anderes Deutschlandbild entstehen? M. L: Das Goethe-Institut muss mit daran arbeiten, ein anderes Deutschlandbild zu erstellen, es muss eine Stimme für dieses andere Bild sein, z.B. in Theresienstadt. Ich denke, das Goethe-Institut ist dafür ein gutes Instrument. E. A: Wie kann ein anderes Deutschlandbild konkret entstehen, und wie kann das Goethe-Institut darauf einwirken? M. L: Eine gute Möglichkeit sind unsere Austauschprogramme. So gibt es z.B. 15 Stipendienplätze in Deutschland, jeweils für 4 bis 8 Wochen. Dort lernen die jungen Tschechen Deutschland kennen und kommen mit einem ausgewogenen Deutschlandbild zurück. Es ist auch wichtig, dass Journalisten nach Deutschland gehen, und dass sie das Land auf individuell zusammengestellten Reisen kennenlernen. E. A: Was könnten Sie außerdem für ein neues Deutschlandbild tun? M. L: Wir haben z.B. ein kritisches Medienseminar geboten. Es ist wichtig, die sich rasch verändernde Medienlandschaft in unseren Ländern darzustellen. Hier sei das Goethe-Institut als Trendsetter dabei. Auch die germanistische Abteilung der Karls-Universität hat an diesem Medienseminar teilgenommen. Ein Thema dieses Seminars war etwa ”Medien und Gewalt”, wozu drei Fachleute aus Deutschland gekommen waren, und der Kulturreferent war ein Tscheche. Dieses Thema ist auch hochaktuell für Tschechien. 191

E. A: Noch einmal zum 100. Geburtstag von Bert Brecht. Wie haben Sie die Möglichkeit wahrgenommen, ihn zu präsentieren? M. L: Unter den vielen Möglichkeiten, das Thema Brecht im Jahre seines 100. Geburtstages zu präsentieren, haben wir uns für ein Programm entschieden, das den Theatermann Brecht so authentisch wie möglich zeigt. Es versammelt erstmalig alles noch vorhandene Filmmaterial, das Brecht als Regisseur sichtbar macht. Der Kurator dieses Programmes – er ist Autor eines Buches über Brecht – gibt eine Einführung in die Filme. Er hat außerdem die Texte für die Filme gestaltet, die in deutschem Orginalton ausgestrahlt und simultan übersetzt werden. Über unser Programm haben wir das Brecht-Zitat von 1926: ”Der Film macht dem Drama das Bett” geschrieben. E. A: Was wird denn im einzelnen dargestellt? M. L: Ich nenne Ihnen einige Dinge: Am Montag, den 28. Juni lief der Film ”Die Mysterien eines Frisiersalons” von 1923, ein 24-minütiger Stummfilm mit Zwischentiteln, den Bert Brecht zusammen mit Erich Engel gedreht hat. Der junge Brecht inszenierte diese Groteske mit dem legendären Münchner Komiker Karl Valentin, dessen Kunst Brecht in grellere Bahnen führte. Oder der am 11. Juni aufgeführte Brecht-Film ”Die Dreigroschenoper” von 1931, der von Georg Wilhelm Pabst inszeniert wurde. Dieser berühmte Film mit seinen neblig-diesigen Bildern vom Hafenviertel wurde besonders durch seine optischen Brechungen mittels Spiegeleffekten, sowie durch weich angelegte Großaufnahmen zum Klassiker seines Genres. Auch die Brecht-Klassiker ”Die Mutter” von 1958, und ”Mutter Courage und ihre Kinder” von 1961, die nach seinem Tode gedreht wurden, hatten wir im Programm. ”Mutter Courage und ihre Kinder” stellte die berühmteste Inszenierung des Berliner Ensembles, Brechts Wirkungsstätte, dar, welche bei den Theaterfestspielen 1954 in Paris sowohl als Stück wie auch als Inszenierung den ersten Platz erhielt. Beide Filme setzten der Schauspielkunst von Helene Weigel ein legendäres Denkmal und halten die historischen Leistungen Brechts fest. Erwähnenswert ist auch unser Tanzfestival mit Anna Huber, das in diesem Monat stattfindet. Seit diesem Jahr gilt die junge Schweizer Tänzerin und Choreographin, die 1989 nach Berlin übersiedelte und ihre Ausbildung bei den ganz Großen ihres Faches erhielt, als Geheimtipp. Nach ihrem Auftritt beim Tanz-Zeit-Festival 1995 schwärmen die Kritiker von ihr. Unser Festival ”Tanec Praha” zeigt zwei Soloproduktionen von Anna Huber an zwei aufeinanderfolgenden Abenden. Am ersten Abend, ”in zwischen räumen”, wird sich ein menschliches Wesen seines Körpers bewusst, entdeckt seine Möglichkeiten und stößt auf innere und äußere Grenzen. Das Solo ist ein Spiel um imaginären Raum und reale Raumbegrenzungen. In ”brief letters” malt die Tänzerin am nächsten Abend Körperbriefe in die Luft und der Musiker schickt Töne durch den Raum. Tänzerin und Musiker versuchen den Dialog in zwei unterschiedlichen Sprachen, wobei verstörende und betörende Klang- und Körperbilder entstehen. E. A: Wie sieht es mit der Spracharbeit in Prag aus? M. L: Die Sprachabteilung des Goethe-Instituts Prag arbeitet mit allen Einrichtungen, die in der Tschechischen Republik Deutschunterricht erteilen oder planen, partnerschaftlich zusammen. Dabei werden vor allem Lehrer/innen aller Schultypen über Kontaktadressen im Bereich DaF oder Stipendienangebote beraten, und Lehrwerke- und Materialien erarbeitet und bereitgestellt, sowie Prüfungen abgehalten. Ein wesentlicher Bestandteil des Engagements besteht in der Fortbildung von tschechischen Deutschlehrer/innen. So organisieren wir selbst oder mit ortsansässigen Institutionen – aber auch mit solchen in Österreich, der Schweiz und anderen europäischen Ländern – Fortbildungen zu vielen Aspekten des Deutschunterrichts. Dies geschieht auf allen 192

Stufen des Bildungssystems, von der Grundschule bis zur Universität, und wird zudem von der Europäischen Kommission finanziell unterstützt. Diese Aktivitäten verfolgen das Ziel, die Teilnehmer zu befähigen, ihre erworbenen Kenntnisse im Kollegenkreis selbständig weiter zu vermitteln, um so selbst multiplikatorisch tätig zu werden. Damit sollen die Ergebnisse dieser Veranstaltungen letztendlich allen Deutsch-Lehrkräften zugute kommen, da es nicht möglich ist, alle Maßnahmen landesweit anzubieten. Außerdem bieten wir noch unsere Sommerintensivkurse an, die interessierten Tschechen die Möglichkeit bieten sollen, in einem eng begrenzten Zeitraum viel komprimiertes sprachliches Wissen zu erwerben. Diese Kurse dauern in der Regel nur etwa drei Wochen. Dem Sommerintensivkurs schließt sich eine Abschlussprüfung an, wahlweise als ZDaF- oder ZMP- Prüfung, die wiederum kostenpflichtig sind – 1.650 bzw. 2.400 tschechische Kronen. E. A: Welche anderen kulturellen Veranstaltungen führen Sie noch durch? M. L: Eine sehr wichtige Veranstaltung für das Zusammenleben und gegenseitige Verständnis von Deutschen und Tschechen ist unser internationaler Essay Wettbewerb ”Die Zukunft von der Vergangenheit befreien? Die Vergangenheit von der Zukunft befreien?” In Anlehnung an die Tradition der Akademien der Wissenschaften und Künste im Europa des 18. Und 19. Jahrhunderts schreiben wir zusammen mit der renommierten Zeitschrift ”Lettre International” und der GmbH ”Weimar 1999 – Kulturstadt Europas” diese Preisfrage zur Beantwortung in Form eines Essays aus. Teilnehmen kann jeder Interessierte. Die ersten drei Gewinner erhalten hoch dotierte Geldpreise in Höhe von 50.000 DM, 30.000 DM und 20.000 DM und werden zur Preisverleihung nach Weimar eingeladen. Außerdem erhalten sie ein Arbeitsstipendium in Deutschland und ihre Essays werden in den verschiedensprachigen Ausgaben von ”Lettre International” sowie anderen internationalen Kulturzeitschriften veröffentlicht. Die Essays müssen in einer der sechs UNO-Sprachen, Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch oder der Sprache des Gastgebers Deutschland eingereicht werden. Über die Vergabe der Preise entscheidet eine international und interdisziplinär zusammengesetzte Jury, die durch ein ebenfalls internationales Kuratorium ausgewählt wird, in dem die unterschiedlichsten Länder vertreten sind. Eine weitere erwähnenswerte Veranstaltung unseres Hauses ist die Theaterstudie ”Der Besuch der alten Dame” nach Friedrich Dürrenmatt, die wir in Zusammenarbeit mit Germanistikstudenten der Karlsuniversität durchführen. Einige dieser Studenten haben sich zu einer Theatergruppe formiert und spielen dieses Stück mit großer Freude an der zeitgemäßen Sprache Dürrenmatts sowie der Zeitlosigkeit und Ortsungebundenheit der Handlung. Wir unterstützen dieses Engagement durch die Bereitstellung unserer Räumlichkeiten, auch für die Aufführung.

5.5. Die Deutsche Schule Prag194

Die Deutsche Schule Prag liegt am westlichen Stadtrand von Prag, einem – trotz hoher Umweltbelastung – sehr attraktiven Standort. Sie ist eine deutschsprachige Auslandsschule, die deutsche und ausländische Schüler vom Kindergarten bis zur Allgemeinen Hochschulreife führt. Daneben wird auch der Realschulabschluss angeboten. 193

Die Schule umfasst die Grundschule (Klassen 1 – 4), die Sekundarstufe I (Klassen 5 – 10) mit einem Realschulzweig (Klassen 7 – 10) und die Sekundarstufe II (Klassen 11 – 13) mit dem Abschluss des deutschen Abiturs. Dafür besitzt die Schule die Anerkennung durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesländer. Träger der Schule ist der Deutsche Schulverein Prag (Nemecká škola v Praze, s.r.o.), der die Schule in der Rechtsform einer tschechischen GmbH (”Deutsche Schule in Prag GmbH”) führt . Eigentümer dieser GmbH ist die Bürgervereinigung zur Gründung und Förderung der Deutschen Schule Prag, die sich vornehmlich aus den Eltern der Schüler (Diplomaten, Botschaftsangehörige, Mitarbeiter international tätiger Unternehmen und anderen Geschäftsleuten) zusammensetzt und die Schule besonders materiell unterstützt. Durch finanzielle Mittel dieses Fördervereins konnten viele neue Vorhaben erst realisiert, bzw. Vorhandenes verbessert werden. So ist z.B. die überdurchschnittlich gute Versorgung mit Lehrkräften sowie die Verbesserung der Räumlichkeiten und Lernmittel maßgeblich auf den Förderverein zurückzuführen. Außerdem haben die Schülereltern dadurch den Vorzug, die Geschicke der Schule, also die Bildung ihrer Kinder verantwortlich mit zu gestalten. Neben den finanziellen Mitteln, die der Schule durch die Bundesrepublik Deutschland zugute kommen, erhebt der Schulverein zusätzlich noch – wie in allen Privatschulen – ein Schulgeld. Dessen Höhe richtet sich nach dem Alter der Schüler, bzw. ihrer Jahrgangsstufe und variiert von 5000 DM im Kindergarten bis zu 6500 DM in der Oberstufe. 219 Schüler besuchen zur Zeit die DSP, von denen 157 deutschsprachig sind (128 Deutsche, 13 Österreicher, 7 Schweizer, 15 Schüler, die die deutsche und eine andere Staatsangehörigkeit haben, davon 9 deutschsprachige), die übrigen kommen vor allem aus Tschechien (25) und anderen Ländern (31). Die Schüler sind in 14, sehr kleinen Klassenverbänden organisiert: die größte Klasse hat 25 Schüler, die kleinste gerade 5, wobei es lediglich zwei Klassen mit über 20 Schülern, und nur eine Jahrgangsstufe mit zwei Klassen (3a, 3b) gibt. Auffallend ist besonders die sehr geringe Anzahl von Oberstufenschülern (1997/98: 11. Klasse: 8, 12. Klasse: 5, 13. Klasse: 6). Der Kindergarten umfasst zwei Gruppen mit 25 bzw. 15 Kindern. Das Lehrerkollegium besteht aus insgesamt 28 Lehrkräften, davon 9 aus der Bundesrepublik entsandte Lehrer-/innen sowie zwei Programmlehrkräfte, 4 deutschsprachige Ortslehrkräfte

, 194 Deutsche Schule Prag: Jahrbuch 1997/98 sowie eigene Anschauung. 194

sowie 5 frei angeworbene, deutschsprachige Ortslehrkräfte und 8 fremdsprachige Ortslehrkräfte. Unterrichtssprache ist Deutsch, erste Fremdsprache (ab 5. Kl.) Englisch und zweite Fremdsprache (ab 7. Kl.) Französisch. Latein wird nicht als zweite FS angeboten, dafür aber Tschechisch in den Klassen 1 – 8. Neben den allgemeinen Gymnasiums- bzw. Realschulfächern stehen noch eine Reihe von zusätzlichen Wahlfächern zur Auswahl, die in Arbeitsgemeinschaften unterrichtet werden. Neben einem umfangreichen Sportangebot (AG’s für Schwimmen, Leichtathletik, Basketball, Fußball) werden auch noch AG’s für Musik, Chor, Oper, Theater, Literatur/Film, Keramik, Kunst, Latein, Physik und Zoologie angeboten. Zusätzlich dazu stehen den Schülern auch noch einige Neigungsgruppen, wie z.B. Tischtennis, Volleyball, Teakwondo oder Modern Dance offen. Zu den Fächern Musik, Kunst, Physik und Chemie stehen Fachräume bereit, für das Fach Sport wurde zum Schuljahr 1997/98 eigens ein neuer Sportplatz gebaut, der als Gemeinschaftsprojekt mit der Gemeinde Praha-Repy und der Laudová-Schule realisiert wurde. Als Auslandsschule hat die Deutsche Schule Prag über den engen unterrichtlichen Rahmen hinaus immer auch einen kulturpolitischen Auftrag, den sie sehr ernst nimmt. So betätigt sich die Schule besonders im literarisch-musischen Bereich auf vielfältige Art. Höhepunkt des Schuljahres 1997/98 war unter anderem sicherlich die ”Bertold-Brecht-Revue”, eine Aufführung der Theatergruppe der DSP die fünfmal vorgestellt wurde und mit einem großen Empfang für die zahlreichen Gäste endete. Insgesamt wurden 7 bekannte und weniger bekannte Stücke Brechts anlässlich seines hundertsten Geburtstags aufgeführt, unter beachtlicher Beteiligung der Lehrer, von denen ein Viertel des gesamten Kollegiums an der Aufführung teilnahm. Bestimmt hat auch die multikulturelle Zusammensetzung der Schauspieler zum großen Erfolg der Revue beigetragen. Für die Theatergruppe fand außerdem eine Fahrt nach Berlin zur Aufführung von Goethes ”Iphigenie auf Taurus” statt. Weitere Höhepunkte im kulturellen Leben der Schule stellen auch die häufigen Autorenlesungen dar: Bereits ab der Grundschule konnten immer wieder namhafte Autoren für Lesungen gewonnen werden. Für die Klassen 3 – 5 bzw. 1 - 6 lasen die Kinderbuchautorinnen Marlies Bardeli und Christine Nöstlinger aus ihren Werken; die älteren Klassen kamen in den Genuß von Lesungen von Dr. Peter Becher und Rudolf Tomšú. Die Autorenlesungen der beiden letztgenannten wurden mit einem anderen, sehr bedeutenden Projekt der Schule verknüpft, der Reihe ”Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts”. Im Rahmen dieser 195

Veranstaltungen las auch die Schriftstellerin Lenka Reinerová – eine Kollegin von Kafka und Brod aus der Zeit zwischen den Weltkriegen – aus ihren Erinnerungen und diskutierte anschließend mit den Zuhörern. Ein weiterer ”Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts” war mit Eduard Goldstücker, einem jüdischen Autor, der nach dem Weltkrieg in Prag geblieben war und die Ereignisse des ”Prager Frühlings” hautnah miterlebte, in der DSP zu Gast. Ihn hatte Gysis Vater 1968 als “bankrotten Revisionisten” beschimpft. Diese Autoren faszinierten die Schüler und ließen sie aktiv an der Geschichte unseres Jahrhunderts teilhaben. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist das Engagement der Schule im Bereich der Völkerverständigung. So folgte die Schule einer Einladung, für eine Ausstellung im früheren KZ Theresienstadt die Bilder vorzubereiten. Diese Ausstellung stand unter dem Thema ”Frieden für Israel – Frieden für alle”, und wurde von Vertretern der Deutschen Botschaft, der Gemeinde Theresienstadt, des Fonds Theresienstadt und der Jüdischen Gemeinde in Usti nad Labem besucht. Der Fonds Theresienstadt und die Jüdische Gemeinde wollen diese Ausstellung auch in einer Galerie in Israel zeigen. Die gesamten 6., 7., 8. und 9. Klassen besuchten im letzten Schuljahr Konzerte des Prager Symphonischen Orchesters. Außerdem fand erstmalig ein gut besuchtes Schülerkonzert statt, das von nun an jährlich wiederholt werden soll. Schließlich ist noch auf das soziale Engagement der Schule zu verweisen. Jedes Jahr veranstaltet die Deutsche Schule Prag einen traditionellen Weihnachtsmarkt. 2.000 Kronen aus dem Verkauf von selbstgebackenen Crêpes wurden einer Taubstummenschule in Prag in Form von Sachgeschenken wie Fußbällen anlässlich eines Schülerbesuches übergeben. Hohe Geldbeträge der Schule kamen im Rahmen des alljährlichen Wohltätigkeitsbasars zusammen: zwei Kinderheime am Rande Prags, die sich in finanzieller Not befinden, konnten sich über üppige Spenden freuen. Das Kinderheim in Prag-Klánovice erhielt einen Spendenbetrag für eine Dachreparatur, das Kinderheim von Dolni Pocernice für einen neuen Wandschrank und eine Heizungsreparatur. Diese Aktivitäten ebenso wie der jährlich stattfindende Flohmarkt mit den tschechischen Nachbarn tragen dazu bei, das deutsch-tschechische Verhältnis zu verbessern.

Die Deutsche Schule Prag als Pädagogisches Fortbildungszentrum Der Deutschen Schule Prag wurde im Schuljahr 1997/98 eine weitere wichtige Aufgabe übertragen. Sie wurde zum Pädagogischen Fortbildungszentrum für die Region Osteuropa und organisiert seither die Lehrerfortbildung für die Deutschen Schulen in Moskau, Prag und 196

Warschau. Diese Fortbildungsveranstaltungen wurden bisher von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln selbst zentral durchgeführt. Aus unterschiedlichen Gründen funktionierte die konkrete Wahrnehmung dieser Veranstaltungen seitens der Lehrer jedoch oft nicht. Deshalb ist man im letzten Schuljahr versuchsweise dazu übergegangen, die pädagogische Fortbildung zu dezentralisieren. Hierfür wurden die drei Auslandsschulen in Moskau, Prag und Warschau zu einer Region (Osteuropa) zusammengefasst. Die inhaltlichen Entscheidungen bezüglich der Fortbildungen werden von einem sog. Pädagogischen Beirat getroffen, der sich aus den drei Schulleitern zusammensetzt. Auch die Lehrkräfte aller Fächer und Jahrgangsstufen sollen künftig an der Entwicklung von Inhalten und Formen ihrer Fortbildung beteiligt werden, um ihre Unterrichtsarbeit gezielt zu verbessern. Hierbei sind gegenseitige Unterrichtsbesuche, Pädagogische Tage und Konferenzen an den drei Schulen geplant, wobei mehrtägige Treffen ausnahmslos in Prag stattfinden werden. Für größere Fortbildungsveranstaltungen, etwa unter Einbeziehung von Experten anderer Schulen und Hochschulen ist Prag prädestiniert. In dieser Rolle ist die DSP auch gerade dabei, eine kleine Bibliothek aus Handbüchern, Fachzeitschriften und ähnlichen Medien aufzubauen. Bayern zeigt reges Interesse an einem Austausch mit Tschechien. So heißt es im Artikel 2 des Protokolls über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Schul- und Hochschulwesens: ”Beide Seiten werden den Deutschunterricht in der Tschechischen Republik stärker fördern. Die bayrische Seite bietet die Entsendung von bis zu fünf bayrischen Lehrern an bilinguale Gymnasien an. Beide Seiten werden neue Schulpartnerschaften mit denjenigen bayrischen Schulen, die Tschechisch als Fremdsprache anbieten, anregen.”195

195 Tschechische Republik und Bayrisches Staatsministerium für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst: Protokoll über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Schul- und Hochschulwesens, zwischen dem Ministerium für Schulwesen, Jugend und Körpererziehung der Tschechischen Republik und dem Bayrischen Staatsministerium für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst für die Jahre 1996 bis 1998. München 1998. 197

5.6. Interview in der Deutschen Schule Prag

Interview mit dem Schulleiter Dr.v. H., dem stellvertretenden Schulleiter H.-W. F, dem Vorsitzenden des Personalrats G.Kr, der Koordinatorin der Grundschule und Vorsitzenden des Elternbeirates D. de F, EA Interviewerin

E. A: Herr Dr.v. H., im Juli haben wir in angeregter Runde aller an der Auswärtigen Kulturpolitik Beteiligten in Prag darüber diskutiert, die Deutsche Schule Prag in eine Begegnungsschule umzuwandeln. Dr.v. H.: Längerfristig werden sich wahrscheinlich die deutschen Auslandsschulen so wie hier in die Richtung einer Begegnungsschule entwickeln müssen. Das ist vom politischen Gesichtspunkt, vom Zusammenleben der Deutschen und Tschechen hier in Prag sehr sinnvoll. Dadurch ließe sich ein besseres Verständnis für einander aufbauen, und das ist ein sehr wichtiges Anliegen, gerade nach unserer gemeinsamen, schwierigen Geschichte. Die Schwierigkeiten liegen sicherlich darin, dass wir zusätzlich hier in Prag eine deutschsprachige Abteilung in einem tschechischen Gymnasium haben, die regen Zulauf hat. Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir dieser Einrichtung keine grundsätzliche Konkurrenz machen würden, da unser Schülerklientel deutlich anders strukturiert wäre. Das Thema Begegnungsschule ist für uns eine Perspektive, die wir längerfristig verfolgen. Ich gehe nicht davon aus, dass sich unsere Schule in den nächsten Jahren bereits umwandeln lassen wird. Wir haben auch immer wieder interessierte tschechische Schüler, aber bei ihnen handelt es sich vorwiegend um Rückwanderer oder ehemalige Emigranten, aber auch um Eltern, die ihre Kinder vom Kindergarten an zu uns schicken wollen. Dazu muss man sagen: Es hat bei uns noch nie den Fall gegeben, dass wir ein Kind aus finanziellen Gründen ablehnen mussten. Wir haben immer Mittel und Wege gefunden, solche Schüler bei uns aufzunehmen. Es gibt zwar eine Vorgabe des Außenministeriums die besagt, dass ein bestimmter Anteil von muttersprachlichen Schülern nicht unterschritten werden darf, d.h., dass der Anteil von fremdsprachigen Schülern nicht mehr als 20 v.H. sein darf, aber es ist ein Unterschied, ob man die Öffnung schon im Kindergarten zulässt. Deshalb halten wir diesen Prozentsatz nicht genau ein, wir liegen derzeit bei etwa 25%, da die Schüler nach der Aufnahme im Kindergarten Deutsch bereits fast perfekt sprechen. Für die wenigen Schüler, bei denen dies nicht der Fall ist, geben wir zusätzlichen Deutschunterricht. E. A: In den Klassen, die wir gerade besucht haben, sind Schüler sehr vieler unterschiedlicher Nationen vertreten? Dr.v. H.: Das ist richtig. Die meisten dieser Schüler sind Kinder von Mitarbeitern des ”Radio freies Europa” in Prag. Dies sendete früher aus München, wo die meisten Kinder damals auch zur Schule gegangen sind und eine deutschsprachige Schulbildung genossen haben. Langfristig verfolge ich aber das Ziel, die Schule auch für solche Schüler zu öffnen, die bisher keine Möglichkeit hatten, Deutsch zu sprechen. Dies müsste dann bereits in unserem Kindergarten anfangen, um nicht das Niveau zu senken. Jeder, der die Fähigkeit oder den Willen hat, eine deutschsprachige Schulausbildung zu durchlaufen und damit deutsche Kultur kennen zu lernen, soll auch die Chance dazu erhalten. Dies soll unabhängig von dem vorgeschriebenen Prozentsatz erfolgen, der wie ein Damoklesschwert über uns hängt. Die tschechischen und anderen nicht muttersprachlichen Oberstufenschüler sprechen praktisch perfekt Deutsch, so dass diese Vorgabe ihre Sinnhaftigkeit verliert. Trotzdem fallen diese Schüler – in meiner nicht ”frisierten” Statistik – in den Prozentsatz der nicht muttersprachlichen Schüler, und 198

verengen den Spielraum! Darüber hinaus wollen diese perfekt Deutsch sprechenden, multinationalen Schüler sich mit der deutschen Kultur vertraut machen und identifizieren. Dieser Gesichtspunkt erscheint mir auch aus außenpolitischen Gesichtspunkten sehr wichtig und nützlich für Deutschland zu sein. Wir machen diese jungen Leute – die längerfristig einmal die Führungspositionen in ihren Ländern einnehmen – mit der deutschen Kultur vertraut, und sie lieben diese Kultur! Ich glaube schon, dass die Schüler unsere Schule mögen und sich hier wohl fühlen. Als ich merkte, dass ich mit der Einrichtung einer Begegnungsschule nicht entscheidend voran kam, habe ich in diesem Schuljahr damit begonnen, tschechische Schüler auf das tschechische Abitur vorzubereiten. Deshalb habe ich vier Stunden pro Woche darauf verwendet, mit diesen Schülern tschechische Literatur, tschechische Stilistik, tschechische Aufsätze und tschechische Landeskunde zu behandeln. Dieses Angebot wird immerhin von etwa 10 Schülern wahrgenommen. Mein Ziel dabei ist, dass ich diese Schüler außer auf das deutsche, gleichzeitig – aber sicher nicht perfekt – auch auf das tschechische Abitur vorbereite. Die Erfahrungen, die diese Schüler jetzt mit dem tschechischen Abitur und dessen Prüfungsaufgaben haben, sollen ihnen natürlich auch alsbald zu gute kommen. Deshalb befinde ich mich momentan im Kontakt zu mehreren tschechischen Stellen, wie es organisiert werden könnte, dass diese Schüler bei uns, oder an hiesigen Schulen die Prüfung ablegen. Dieses Engagement ist mir sehr wichtig, auch wenn wir deshalb noch längst keine Begegnungsschule haben. H.-W. F: Sie merken also, dass wir der Idee der Begegnungsschule sehr positiv gegenüber stehen, aber Sie müssen sehen, dass diese Bemühungen nur langfristig verwirklicht werden können. Dies widerspricht aber dem eher kurzfristigen Dasein der Auslandsschulen, da wir eine enorme Fluktuation sowohl bei den Schülern, als auch den Lehrern haben. Für das Konzept einer Begegnungsstätte wäre es daher notwendig, ein Kulturabkommen mit der Tschechischen Republik zu schließen, das beispielsweise auch den längerfristigen Einsatz deutscher Lehrkräfte erlaubt. Auch in Bezug auf das Schulgebäude wären gänzlich neue Überlegungen nötig. Selbst wenn wir um- oder anbauen würden, ist dieser Komplex für eine deutsche Expertenschule konzipiert. Wenn man in Zukunft eine Begegnungsschule errichten wollte, müsste man praktisch einen völlig neuen Plan entwickeln. Die jetzt seit drei Jahren entwickelten Umbaupläne wären dann umsonst gewesen. E. A: Warum müssten die Räumlichkeiten im Fall der Umstrukturierung in eine Begegnungsschule größenmäßig verändert werden? H.-W. F: Wir brauchten in diesem Fall mindestens 6 Klassenräume mehr, da man in Begegnungsschulen spezielle Klassen für die Kinder braucht, die von Jahr zu Jahr stärker integriert werden sollen. Dr.v. H.: Zum Gebäude selbst muss man sagen, dass es ein sehr unattraktiver, hässlicher Bau ist. Wir planen allerdings schon, das Gebäude zu verändern. Es soll aufgestockt werden, die hinteren Teile sollen abgerissen werden, so dass wir auch im rein räumlichen Bedarf Fortschritte erzielen. Wir haben momentan sogar einen Teil der Schüler ausgelagert. Um die verstärkte Integration einer Begegnungsschule zu erreichen, brauchen Sie mindestens 6 Klassenzimmer und zwei Gruppenräume mehr, zuzüglich neuer Fachräume. Das ist unser Dilemma. Wir haben deshalb den Vorschlag gemacht, eine Begegnungsschule einzurichten unter Umgestaltung der Gesamtkonzeption. Es könnte aber auch zu gewissen Bedenken seitens der Elternschaft kommen, wenn man die Schule umwandeln würde... E. A: Welches sind die Bedenken der Eltern bei der Umwandlung der Schule? 199

V. R.: Die größten Bedenken der Eltern sind in der Unterrichtssprache zu sehen. In der Begegnungsschule würde normalerweise auch für die deutschen Kinder der Unterricht in der Landessprache stattfinden. Gerade eine slawische Sprache zu lernen empfinden die Eltern als problematischer als etwa eine westeuropäische. Dr.v. H.: Das stimmt aber nicht ganz. Die Sprachproblematik wird oft völlig falsch dargestellt. Überall dort, wo wir über Begegnungsschulen diskutiert haben, ist die Landessprache in einer falschen Form als Teil der Konzeption dargestellt worden. Unsere Schüler würden im Falle einer Begegnungsschule nur unwesentlich mehr Tschechisch lernen als jetzt. Nehmen wir das Beispiel der Begegnungsschule in Budapest: Die Schüler haben dort das Fach ”ungarische Kultur und Sprache”. Dieses Fach wird als eine Art ”Kulturfach” gesehen. Dies muss auch unser Ziel sein: die Vermittlung der tschechischen Kultur und Angebote zum Erlernen der Sprache, die individuell angenommen werden können. Dass beispielsweise ein Schüler der 9. Klasse, der bisher keine Ahnung von Tschechisch hat, dieses Angebot wahrscheinlich ablehnen würde, ist klar. Die Befürchtungen der Eltern sind also in diesem Fall schlicht nicht korrekt. E. A: Der Schulbesuch in der DS Prag kostet hohe Gebühren. Wenn die 8.500 DM Schulgebühren pro Jahr privat aufgebracht werden, ist das sehr viel Geld. Wenn der jeweilige deutsche Arbeitgeber das Geld bezahlt, ist es freilich für die Eltern leichter. Können tschechische Familien sich die Begegnungsschule überhaupt leisten? Dr.v. H.: Obwohl sich die Unternehmen das auch sehr genau überlegen. Die rechnen das schon durch, und wenn es sich für die Firma ab einer bestimmten Kinderzahl nicht mehr lohnt, dann werden solche Familien auch nicht ins Ausland geschickt. Es sind aber auch zum Teil erhebliche Ermäßigungen möglich. Durchschnittliche tschechische Haushalte können diese Beträge in der Regel bei weitem nicht zahlen, deshalb ermäßigen wir. Der Mindestbetrag, der für jeden Schüler zu zahlen ist, liegt bei 25.000 Kronen im Jahr, das sind rund 1.500 DM, d.h. es ist schon ein sehr großer Unterschied zu dem normalen Betrag möglich. Diese Ermäßigungen erfolgen allerdings nur in Einzelfällen, nach Offenlegung aller Einkommensarten der Eltern. Eine echte Konkurrenz für uns ist übrigens die österreichische Schule, die den tschechischen Schülern auch nur die letzten 4 Jahre Schulzeit – von der Matura ab gerechnet – anbietet. Es gibt also durchaus tschechische Schüler, die von unserer Schule abgehen und auf die österreichische wechseln. Dies geschieht aber weniger aus finanziellen Gründen, obwohl die österreichische Schule, die in das tschechische Schulnetz eingebunden ist, lediglich 500 DM im Jahr kostet. Die Hauptattraktivität dieser Schule liegt darin, dass sie – im Gegensatz zu uns – die Matura und das tschechische Abitur anbietet. E. A: Wie ist die Höhe des deutschen Schulgeldes zu erklären? Dr.v. H.: Primär aus unseren eigenen Kosten. Wir verfügen über ein Gesamtbudget von 1,2 Millionen DM und bilden daraus auch Rücklagen in Höhe von ca. 300.000 DM für unseren Neubau. Unsere Personalkosten sind sehr hoch, d.h. die finanziellen Angebote für die von uns in Deutschland angeworbenen Lehrer sind sehr attraktiv. Die Nettogehälter sind wesentlich höher als in Deutschland üblich. Die zusätzliche Belastung dieser Gehälter ist hier extrem hoch. Steuern, Abgaben und ähnliches sind hier etwa doppelt so hoch wie bei uns, d.h. 4.200 DM netto sind 8.400 DM brutto. Wenn es z.B. darum geht, eine Klasse zu teilen, weise ich immer erst auf die finanziellen Mehrbelastungen hin – obwohl das nach Erpressung klingt. Ein Lehrer mehr bedeutet 80.000 DM Mehrkosten. Wenn man dabei bedenkt, wie viele Leute das volle Schulgeld tatsächlich bezahlen, heißt das für alle anderen Eltern sofort 400 bis 500 DM mehr Schulgeld. 200

H.-W. F: Um in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Begegnungsschule zu kommen: Hier brauchen Sie natürlich auch noch zusätzliche Lehrkräfte, zusätzliche Ausstattung und damit zusätzliches Geld. E. A: Würde denn im Falle einer Begegnungsschule das Schulgeld für die Eltern teurer werden? Dr.v. H.: Das kommt darauf an. Ich gehe davon aus, wenn wir Begegnungsschule wären, würden wir auch vom Bund besser ausgestattet werden. Wir würden zuerst sicherlich fünf bis sechs neue Lehrer bekommen. Wir haben eine Lehrerversorgung, die sehr gut ist. H.-W. F: Das Splitten von Klassen und Fördern von Gruppen ist für uns deshalb so wichtig, weil wir den Schülern bei einer enorm hohen Fluktuation und unterschiedlichsten persönlichen Hintergründen, die Chance geben wollen, auch wieder an die fortgeschritteneren Gruppen in ihrem Leistungsniveau heranzukommen. Unsere spezielle Situation macht diese Praxis notwendig. E. A: Das fördert die Schlüsselqualifikationen wie Anpassungsfähigkeit und Durchhaltevermögen... Dr.v. H.: Das Einstellen auf neue Situationen ist tatsächlich eine der großen Qualifikationen, die unsere Schüler haben, ohne dass wir allzu viel dazu tun müssten. Mein Ziel ist eine Schule, die von ihren Schülern zwar Leistung fordert, gleichzeitig aber auch Spaß macht, und an der sich die Schüler wohl fühlen. Unsere Schule soll hier in Prag der Mittelpunkt der deutschen Gemeinde sein, nicht nur für die Schüler, sondern darüber hinaus auch noch für die Eltern, die häufig bei uns zu Gast sind. Manchmal müssen wir die Eltern regelrecht vertreiben, damit der Unterricht nicht gestört wird. Wir haben den Eltern für den Kontakt mit ihren Kindern sogar einen eigenen Aufenthaltsraum angeboten. Wir haben in diesem Jahr übrigens zum ersten Mal konsequent Warteklassen eingerichtet, d.h. wir halten bei Stundenausfällen Unterricht bis zur 6. Stunde bzw. vertreten erkrankte Lehrer bis zur 6. Stunde. Die Eltern können sich somit – im Gegensatz zu Deutschland – darauf verlassen, dass ihre Kinder bis zur 6. Stunde bei uns bleiben. E. A: Wie schaffen Sie es, den Vertretungsplan so gut zu organisieren? Dr.v. H.: Die meisten Lehrer haben einen relativ zusammenhängenden Stundenplan, bis auf Herrn Fischer und mich. Deshalb bleiben Vertretungsstunden meistens an uns ”hängen”. H.-W. F: Unsere Lehrer sind sich natürlich unserer besonderen Situation bewusst, deshalb sind kurzfristige Vertretungen in der Regel auch überhaupt kein Problem. Wir haben bei uns ein sehr kollegiales Verhältnis. E. A: Nach welchem bundesdeutschen Lehrplan unterrichten Sie? Dr.v. H.: Grundsätzlich gilt für Auslandsschulen folgendes: Man lehnt sich an den Lehrplan eines Bundeslandes an, das bestimmt die KMK. Aufgrund der Entwicklung unserer Schule hat bereits mein Vorgänger – da wir einen bayerischen Prüfungsbeauftragten hatten – die bayerischen Lehrpläne übernommen. Teilweise müssen wir die Lehrpläne aber auch anpassen, da wir auch andere Stundentafeln und eine andere Oberstufenorganisation – statt im Kurssystem unterrichten wir im Klassenverband – haben. Wir verwenden also bayerische Lehrpläne, die wir an unsere eigenen Verhältnisse angepasst haben. Dass wir viele bayerische Lehrer haben, liegt an der geographischen Nähe Bayerns, und daran, dass es nicht leicht ist, für Staaten des ehemaligen Ostblocks Kollegen in Deutschland zu finden. Wir suchten beispielsweise händeringend Mathematiker und Physiker und fanden keine. Dabei wäre es gerade für junge Referendare in diesen Fächern sehr hilfreich, sich erst einmal bei einer Auslandsschule zu bewerben. Wer bereit ist, in die Welt zu gehen, kommt als Naturwissenschaftler ziemlich sicher im Ausland unter. E. A: Wie viele Schüler hat die Grundschule? 201

D. de F, Koordinatorin für die Grundschule: In der ersten Klasse sind 24 Schüler, in der zweiten 17, in der dritten Klasse sind 26 Schüler und in der vierten 28. Somit haben wir drei sehr starke Klassen. Ich koordiniere die Zusammenarbeit zwischen den Lehrern und Eltern, sowie die Schülerinteressen. E. A: Wie lange sind Sie schon hier? D. de F: Seit einem Jahr. Dr.v. H.: ... und sie ist eine tolle Schauspielerin! Wir hatten im letzten Jahr unsere Brecht-Revue, da hat Frau de F auf sehr eindringliche Art und Weise eine Jüdin gespielt, die deportiert wird. D. de F: Ganz im Ernst: Ich kann bei meiner Arbeit nur bestätigen, was auch schon gesagt wurde: Hier an der Auslandsschule herrscht ein exzellenter Zusammenhalt – sowohl unter den Lehrern als auch unter Schülern und Eltern. Dr.v. H.: Ich möchte Ihnen nun Herrn G. Kr, den Vorsitzenden des Personalrats vorstellen. G. Kr: Vom Status her bin ich allerdings nur Lehrerbeirat und nicht Personalrat. Es ist also nicht genau vergleichbar mit Deutschland, obwohl die Arbeit die gleiche ist. E. A: ... d.h. Kollegen treten bei Problemen an Sie heran? G. Kr: Hier hat sich in den letzten zehn Jahren sehr vieles zum Positiven verändert. Ich verweise auf eine Versammlung in der nächsten Woche, in deren Vorfeld ich eine ”Wunschliste” zur Diskussion von Problemthemen ausgelegt habe und überhaupt keine Einträge vorfand. Dr.v. H.: Jeder Schulleiter versucht, in seiner Schule das zu verwirklichen, was er sich pädagogisch vorstellt. Ich möchte die Schüler fordern und versuche gleichzeitig zu erreichen, dass sie dabei Spaß haben. Dazu müssen alle mitarbeiten: die Eltern, die Schüler und auch die Lehrer. Ich glaube es ist uns gelungen, ein sehr förderliches Schulklima zu etablieren. Das schließt gelegentliche Probleme natürlich nicht aus, aber insgesamt ist die Atmosphäre sehr gut. Da wir alle um unsere gegenseitige Abhängigkeit wissen, gibt es nur wenig Probleme. G. Kr: Auch das Verhältnis zwischen Schülern und dem Lehrerkollegium ist ein sehr enges und freundschaftliches, nicht zuletzt aufgrund der geringen Schulgröße. Ich kenne keinen Lehrer, der nicht alle Namen seiner Schüler kennt. Es finden auch immer wieder sehr viele gemeinsame Aktivitäten statt – auch außerhalb der Schule, z.B. gemeinsame Theater- oder Kinobesuche oder im Sportbereich. E. A: Wie empfinden Sie die Wohnsituation hier in Prag? Ist es für Sie eine Verschlechterung im Verhältnis zu den Wohnungen in Deutschland? G. Kr: Nein, überhaupt nicht. Das Verwaltungsamt schreibt mir natürlich vor, in welcher Größenordnung meine Wohnung sein kann, d.h. meine Frau und ich leben schon etwas beengter als in Deutschland. Aber nach einem halben Jahr der Suche, haben wir eine sehr schöne Wohnung im Altbau-Jugendstil-Viertel von Prag gefunden. Ich bin daher einer der wenigen im Kollegium, der von hier aus gesehen jenseits der Moldau wohnt. Bei der Suche war auch viel Glück dabei. So habe ich erst am letzten Tag, an dem ich zur Wohnungssuche hier war, dieses Angebot bekommen. Ich sagte sofort zu, obwohl die 2-Zimmer-Wohnung damals noch im Rohbau war. E. A: Es gibt für Sie im Ausland eine Arbeits- und eine Aufenthaltserlaubnis. Wie oft müssen Sie die jeweiligen Dokumente erneuern lassen? Dr.v. H.: Die Arbeitserlaubnis und die Aufenthaltserlaubnis müssen wir jedes Jahr neu beantragen. 202

H.-W. F: Voraussetzung für die Arbeitserlaubnis ist die Aufenthaltserlaubnis. Diese Arbeitserlaubnis kann nicht zentral vergeben werden, es sind – je nach Wohnort – unterschiedliche Ämter zuständig. Da gibt es manchmal wirklich extreme Schwierigkeiten. G. Kr: Mit dem Zoll gibt es große Probleme, die bei jedem Umzug offensichtlich werden. Wir können beispielsweise kein Merkblatt als Umzugshilfe für unsere Kollegen erstellen, weil tatsächlich jedes Zollamt anders verfährt. Meine Möbel etwa wurden bei der Einreise als Waren deklariert, weil das Wort ”Möbel” auf dem Zollzettel auf tschechisch mit dem Begriff ”Waren” übersetzt wurde und nicht mit dem Begriff ”Gegenstände”. Da Waren natürlich handelsfähig sind, sollte ich sie verzollen. So verbrachte ich einen Nachmittag auf dem Zollamt, mein LKW war verplombt und konnte nicht ausgeladen werden. Nach langwierigen Gesprächen konnte ich den Zöllnern klarmachen, dass sie meine Wohnung einfach zum Zolllager erklären sollen. Normalerweise hätte mein gesamter Hausstand ausgeladen werden müssen, um zu klären, ob es sich um Waren oder Gegenstände handelt. Das dauert ungefähr vier bis sechs Wochen und ist einer Kollegin von uns bereits passiert. Sie ist mit einem Beutel Wäsche und zwei Pflanzen vier Wochen lang, immer für zwei bis drei Tage, von Kollege zu Kollege gezogen, bis dieses Problem geklärt worden ist. Dr.v. H.: Ich hoffe stark, dass auch dies im Rahmen eines Kulturabkommens vereinfacht wird. G. Kr: Ich habe z.B. auch schon eine ganze Reihe von Abonnements abbestellen müssen, weil ich nach jeweils 10 Nachlieferungen jedes Mal aufs Zollamt musste, um fünf Prozent Zoll nachzuzahlen, obwohl die Hefte in Deutschland bereits bezahlt waren. Dr.v. H.: Die Verfahren sind eben extrem unterschiedlich, einmal geht es sehr schnell, das andere Mal geht überhaupt nichts voran. G. Kr: Einmal wollten wir uns z.B. CDs schicken lassen. Nach tschechischem Recht ist jede CD Unterhaltungsware, obwohl es sich in unserem Fall um eine CD-Rom für den Geschichtsunterricht handelte. Zum Beweis musste ich diese CD dann mit dem Zollbeamten abhören, und weil dort auch – als Tonunterstützung – alte Arbeiterlieder zu hören waren, musste ich lange erklären, dass es sich nicht um eine Audio-CD handelte. Solche Auswüchse sind dabei jedoch nur die Spitze des Eisbergs. E. A: Dass eine CD-Rom für den Geschichtsunterricht vom Zoll als Unterhaltungsware deklariert wird, ist extrem. G. Kr: Ich habe zum Beispiel den ”Spiegel” abonniert. Es passiert ungefähr einmal im Monat, dass ich am Dienstag statt des ”Spiegel”, einen Zettel mit der Aufforderung, zum Hauptpostamt zu kommen, in meinem Briefkasten finde. Davor muss ich dann allerdings zum Zollamt und den ”Spiegel” auslösen. Ich protestiere zwar ständig dagegen, aber ändern tut sich nichts. Es passiert auch öfters, dass Sachen auf dem Postweg verschwinden. Gerade der ”Spiegel” hat ja oft z.B. eine CD-Rom für Abonnenten aufgeklebt, die nicht mehr bei mir ankommt... Dr.v. H.: Die meisten Probleme gibt es aber nach wie vor beim Umziehen. E. A: Was sollte ich bei meinem morgigen Besuch im tschechischen Schulministerium ansprechen? Dr.v. H.: Wir haben selbst relativ gute Beziehungen zu Herrn C, dessen Frau ja auch für uns arbeitet. Wir sind im Prinzip eine Schule, die für das Schulministerium nicht sehr interessant ist, weil wir nicht in das hiesige Schulnetz eingebunden sind. Längerfristig ist für uns die Frage interessant, wie wir unsere Schule zum 203

tschechischen Abitur führen können. Unser diesbezügliches Vorhaben könnten Sie noch einmal ansprechen und um Beratung und Hilfe bitten. Im Bezirk Prag 3 ist das Schulministerium natürlich genau die richtige Adresse. G. Kr: Wir sind ja integriert in das tschechische Schulsystem und arbeiten deshalb auch mit dem Schulministerium zusammen. Unsere Beziehungen zum Ministerium sind sehr gut, wir pflegen ganz hervorragende – auch persönliche – Kontakte. Dr.v. H.: Richtig, wir pflegen diese Kontakte auf persönlicher, nicht auf offizieller Ebene. Wir brauchen das Schulministerium aber nicht und wollen daher bis jetzt auch noch nicht stärker eingebunden sein. E. A: Spielt für Sie die Erneuerung des Kulturvertrages eine wichtige Rolle? Dr.v. H.: Sicher, vor allem in der Hinsicht, dass wir darin eingebunden werden. G. Kr: Wir haben ja auch Abiturienten bei uns, die tschechischer Staatsangehörigkeit sind. Für die ist ein Kulturabkommen natürlich besonders wichtig, damit das deutsche Abitur hierzulande auch anerkannt wird, etwa von den tschechischen Universitäten. Deutsche und andere nicht-tschechische Staatsangehörige müssen sich vor dem Besuch einer tschechischen Universität einer tschechischen Abiturprüfung unterziehen. Unsere tschechischen Abiturienten haben die denkbar ungünstigsten Startbedingungen: Beim Wechsel auf eine tschechische Universität müssen sie Studiengebühren zahlen und außerdem noch die Sprachprüfung bzw. das tschechische Abitur absolvieren. Wir sollten daher in die Lage kommen, Vorbereitungskurse für tschechische Staatsangehörige anzubieten, die zum Besuch von tschechischen Universitäten qualifizieren. Der einfachste Weg wäre freilich, wenn bereits das deutsche Abitur für den Besuch des Grundstudiums an tschechischen Universitäten qualifizieren würde. Zumindest sollten die tschechischen Schüler aber den deutschen gleichgesetzt werden. H.-W. F: Die Zugangsberechtigungen für die tschechischen Universitäten müssen für alle unsere Abiturienten gleich sein, egal welcher Nationalität sie sind. Dr.v. H.: Im Moment sind die Tschechen wirklich am schlechtesten dran. E. A: Welche Stelle ist dafür zuständig, d.h. wer kann diesen Zustand ändern? Dr.v. H.: Das Schulministerium. G. Kr: Dieser Punkt müsste auf jeden Fall im Kulturabkommen geregelt werden, um den Zugang zu einer tschechischen Universität mit dem deutschen Abitur, von unserer Schule, zu ermöglichen. H.-W. F: Man könnte noch ergänzen, dass Schüler nicht-deutscher Nationalität, die auf einer deutschen Schule im Ausland das deutsche Abitur gemacht haben, beim Studienwunsch in Deutschland andere, bevorzugte Zulassungsvoraussetzungen haben sollten, als irgendwelche anderen Nationalitäten aus dem Rest der Welt. Dr.v. H.: Ein ganz wichtiges Beispiel: Eine weißrussische Schülerin unseres Gymnasiums mit deutschem Abitur hatte größte Schwierigkeiten, überhaupt nach Deutschland einzureisen, um sich die Universität in Passau anzuschauen. E. A: Das heißt, dass die Voraussetzungen ein Studium aufzunehmen für Ausländer-/innen bei uns in Deutschland genauso schwierig sind... Dr.v. H.: Studieren könnte sie natürlich ohne Probleme. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Aufenthaltsgenehmigung. G. Kr: Es ist aber meiner Ansicht nach schon für Schüler in der 12. Klasse wichtig, sich bereits ein Jahr vor Studienbeginn zur Vorbereitung über die Studienbedingungen vor Ort zu informieren. Dafür ist es notwendig, 204

potentielle Studienorte direkt in Deutschland zu besichtigen, d.h. beispielsweise einmal von Hamburg über Göttingen nach München zu reisen und sich Universitäten und Wohnsituation anzuschauen. Dies ist zur Zeit nur möglich, wenn das Abitur bereits absolviert ist, d.h. schwarz auf weiß vorliegt, obwohl eigentlich schon das Jahreszeugnis der 12. Klasse genügend Aufschluss über die Qualifikation eines Bewerbers erkennen ließe. Von unseren ausländischen Abiturienten wird im Moment verlangt, nach ihrem Abschluss sämtliche Formalitäten wie z.B. Immatrikulationsunterlagen von Prag aus direkt mit der betreffenden Universität bzw. der ZVS auf dem Postwege zu erledigen. Erst nach erfolgreichem Zulassungsbescheid durch die ZVS ist eine Einreise nach Deutschland möglich, durch ein vorher bei der Botschaft zu beantragendes Studentenvisum. Nachdem sich der Student dann mit seinem Studentenvisum beim zuständigen Ausländeramt der jeweiligen Universitätsstadt gemeldet hat, erhält er schließlich eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Dieser Prozess ist derart langwierig, dass unsere Schülerin – nachdem Passau aus NC-Gründen gescheitert war – nach München wollte, und dort aufgrund von nicht eingehaltenen Fristen abgelehnt wurde. Nun ist sie schließlich in Regensburg gelandet. In der nächsten Woche muss sie – früher hat sie das deutsche Visum nicht erhalten – zum ersten Mal nach Regensburg fahren, um sich eine Wohnung zu suchen: Das Semester beginnt allerdings schon in drei Wochen! E. A: Besteht für nicht-deutsche, nicht-tschechische Schüler überhaupt keine Möglichkeit, schon vor dem Abitur nach Deutschland einzureisen um sich über die Studienbedingungen zu informieren? G. Kr: Es gibt einen Trick, der auch bereits von vielen unserer Schüler angewandt wird: Die Schüler berufen sich auf das Schengener Abkommen. In der Praxis sieht das so aus: Die Schüler gehen hier zur französischen Botschaft und besorgen sich ein Touristenvisum für Frankreich, was dort sehr leicht möglich ist. Daraufhin müssen sie mit dem Flugzeug nach Paris fliegen und haben von dort aus die Möglichkeit, ohne Visum per Zug nach Deutschland einzureisen. Dass dies mit erheblichen Kosten und Mühen verbunden ist, versteht sich von selbst. Dieses Vorgehen birgt allerdings einen weiteren Nachteil: Bei der Einreise nach Deutschland, wird der Sachverhalt der Einreise über Frankreich registriert und als ”nicht sehr freundlicher Akt” gesehen. Bei einer erneuten Beantragung eines Visums wird dann seitens der deutschen Behörden deutliche Missbilligung gezeigt. Dr.v. H.: Das ist für uns ein sehr ernstes Problem, da wir in der Oberstufe viele Schüler ausländischer Nationalität haben.

6. Slowakei

6.1. Rahmenbedingungen für die Vermittlung der deutschen Sprache

Kulturpolitische Grundlagen und Beziehungen Die Kultur- und Bildungspolitik der Regierung Meciar bis 1998 verfolgte meistens relativ eindimensionale, stark national geprägte Ziele. Dies erklärte sich zum Teil aus dem in der Vergangenheit recht ambivalenten und keineswegs spannungsfreien Verhältnis zu den großen, oft als übermächtig empfundenen Nachbarkulturen Deutschlands und Österreichs 205

bzw. Tschechiens und Ungarns. Die unbestreitbar multikulturelle Vergangenheit der Slowakei – Jahrhunderte lange Zugehörigkeit zu Ungarn bzw. die teilweise als ”Kolonisierung” empfundene Zugehörigkeit zur Tschechoslowakei – bewirkt deshalb heute oft eine demonstrative Betonung der eigenen kulturellen Identität. Ein besonders beredtes Beispiel für die Kulturpolitik der Meciar-Regierung ist das ”Gesetz über die Staatssprache”. Es greift derart in einen sensiblen Bereich der Menschen - den der sprachlichen Verständigung - ein, dass sich die Berliner Tageszeitung, taz, an Orwell erinnert sieht. “Ein pathologischer Kult” so titelt sie in einer Meldung am 17. 11. 1995, S.10: „So wird – zumindest in der Theorie – bestimmt, dass sich slowakische Staatsbürger auf slowakisch zu verständigen haben. Von anderssprachigen Veranstaltungen wird der Tribut gefordert, dass der erste Satz in der Staatssprache formuliert werden muss. Nichtslowakische Schriftzüge dürfen slowakische in der Größe nicht übertreffen und das Übersetzen von Fremdwörtern zu unterlassen, kann bestraft werden.” Deutschland ist neben Österreich der wichtigste Partner der Republik im Kultur- und Bildungsbereich. Neben der unbestreitbaren kulturhistorischen Affinität spielt dabei auch die Deutschland zugemessene Rolle als kulturpolitischer Mittler im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses eine wichtige Rolle. Deshalb stoßen deutsche Mittlerorganisationen auf großes Interesse, besonders bei deren Programmen vor Ort. Ein gegenseitiges Kulturabkommen wurde schließlich am 1. Mai 1997 unterzeichnet und ist seit 28. Mai 1998 in Kraft. Auch das Ansehen deutscher Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist in der Slowakei sehr hoch, nicht zuletzt durch die vielfältigen Stipendien und wissenschaftlichen Austauschprogramme, die von deutscher Seite finanziert werden. Solche Mittel bilden für slowakische Hochschullehrer oftmals die einzige Möglichkeit des Verbleibs an ihren Hochschulen, da die eigentliche Bezahlung so schlecht ist, dass sie zum Familienunterhalt nicht ausreicht. Hinzu kommen noch Sachspenden der DFG, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung oder des DAAD. Die geographische Nähe zum deutschen Sprachraum, die wirtschaftlichen Verflechtungen (besonders im Raum Wien- Preßburg) sowie die Vorstellung von der deutschen Sprache als Schlüssel für die westeuropäischen Institutionen, bewirken eine nahezu ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Spracharbeit. Allerdings wendet sich das Blatt sukzessive. Englisch wird mehr und mehr lingua franca. Die Zusammenarbeit im Schulbereich ist vielfältig und wird stark nachgefragt; die Entsendung deutscher Lehrkräfte verläuft ebenso wie die Zusammenarbeit mit dem 206

Schulministerium reibungslos. Obwohl es noch kein offizielles Abkommen über die Entsendung deutscher Lehrkräfte und die schulische Zusammenarbeit gibt, wird in der Praxis bereits nach den dort zu treffenden Regelungen bzw. Bestimmungen gehandelt. Universitäten und Schulen sind an entsprechenden Kontakten zu Deutschland hochinteressiert, und es gibt bereits zahlreiche Schul- und Hochschulpartnerschaften. Im DaF-Bereich sind neben dem GI, dem DAAD und der BVA-Zentralstelle für das Auslandsschulwesen auch die Robert-Bosch- Stiftung, der PAD, der Freistaat Bayern sowie das Land Sachsen-Anhalt unterstützend tätig, wobei die Nachfrage nach Gastlektoren bei weitem nicht befriedigt werden kann.

Charakteristik des Bildungswesens in Bezug auf DaF196 Das slowakische Bildungssystem befindet sich seit 1989 in ständigem Umbau, ist jedoch immer noch stark von der Zeit vor 1989 geprägt. Besonders gilt dies für die Lehr- und Lerntraditionen: Ein frontaler Unterrichtsstil wird bevorzugt. In erster Linie sollen Fakten vermittelt und Fachwissen abgefragt werden, Methodik und Transferfähigkeit werden kaum gelehrt. Ebenfalls noch aus kommunistischer Zeit stammt die starke Betonung der Naturwissenschaften im Unterrichts-/Studienangebot. Die Fremdsprachen, die nach 1989 stark an Bedeutung gewonnen haben, werden auch eher ”auswendig” gelernt, als nach modernen Lehrmethoden unterrichtet. Im Schulbereich gibt es eine 9- bis 10-jährige Grundschule, ein 4- bzw. 8-jähriges Gymnasium, sowie an die Grundschule anschließende Berufsschulen. Sämtliche Schultypen unterstehen hinsichtlich der Erarbeitung von Lehrplänen oder Curricula und Bestimmung von Lehrbüchern etc. dem Schulministerium und dessen nachgeordneten Institutionen. Gleiches gilt für die Universitäten, die allerdings seit dem Hochschulgesetz von 1996 weitgehend autonom sind. Die Motivation zu akademischen Abschlüssen in der Slowakei ist auch vom späteren finanziellen Nutzen des Abschlusses geprägt, was mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes zusammenhängt. Die akademischen Grade haben einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

196 Länderkonzeption der Slowakischen Republik 1998: Auf der Grundlage der Länderkonzeption zur Förderung der deutschen Sprache und der damit verbundenen Wissenschaftsdisziplinen in der Slowakei 1998 und auf der Grundlage der Länderaufzeichnung Slowakei, Stand: März 1998.

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Der Beruf des Lehrers hat dagegen ein schlechtes Image. Im Schulwesen werden die zweitniedrigsten Gehälter im Lande überhaupt bezahlt, Lehrer können als Angestellte jederzeit entlassen werden. Die meisten Lehrer sind übrigens (Haus-)Frauen und Mütter, die sich durch diesen Beruf etwas Geld nebenher verdienen. Das Niveau der Ausbildung und die Weiterbildungsbereitschaft ist niedrig. Die DaF-Hochschullehrer verdienen nur geringfügig mehr als die Lehrer und bessern ihr Gehalt meistens durch eine Reihe von Nebentätigkeiten wie z.B. Dolmetschen auf, weshalb sie nur die nötigste Zeit am Lehrstuhl sind. Außerdem gibt es in der Slowakei keinen einzigen regulären Professor für Germanistik.

Stellung von Deutsch im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen Auf mittlere Sicht wird Englisch Deutsch als meistgelernte Sprache in der Slowakei verdrängen, nicht zuletzt auch durch eine große Zahl freiwilliger muttersprachlicher Englischlehrer. Noch liegt Deutsch knapp vor Englisch, was die prozentuale Verteilung der Fremdsprachen auf alle Schultypen (Grundschule, Gymnasium, Berufschulen) und Universitäten angeht, wobei Englisch an den Gymnasien bereits dominiert: Deutsch: 46% (Gymnasien: 41%), Englisch: 44,6% (Gymnasien: 50%), Russisch: 5,6% (Gymnasien: 2%) und Französisch: 3% (Gymnasien: 5%).

Einstellungen zu Deutsch und Deutschland Die Einstellung zu Deutschland ist grundsätzlich positiv, oft bewundernd und nicht immer realistisch. Die Bewunderung erklärt sich besonders aus dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands nach dem Krieg, wobei unsere aktuellen wirtschaftlich-sozialen Probleme kaum wahrgenommen werden. Das Gesellschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft gilt als vorbildlich und die politisch-wirtschaftliche Ordnung imponiert. Damit verbunden sind auch hohe politische und wirtschaftliche Erwartungen an die Bundesrepublik, wobei man sich von entsprechenden Forderungen der EU und besonders Deutschlands in diesem Bereich (z.B. nach mehr Demokratie und Liberalisierung der Wirtschaft) leicht unter Druck gesetzt fühlt. Die deutschen Universitäten genießen einen ausgezeichneten Ruf, wenngleich über das deutsche Bildungssystem wenig bekannt ist. Durch die enge kulturhistorische Verflechtung der Slowakei mit dem deutschen Sprachraum und die seit 800 Jahren im Land lebenden Deutschen fühlen sich viele Slowaken – verstärkt durch persönliche Erfahrungen (z.B. Arbeits- oder Studienaufenthalte) – Deutschland eng verbunden. 208

Bedingungen für den Deutschunterricht an Schulen An den allgemeinbildenden Schulen existieren Lehrpläne für DaF für den Anfangsunterricht ab den Klassen 3, 5 und ab der Sekundarstufe I. Für die Fortgeschrittenenkurse in der Sekundarstufe II und für die Klasse 1 (besonders für die deutschsprachige Minderheit relevant) fehlt hingegen ein geeigneter Lehrplan. Die Ausstattung der Schulen mit Lehrwerken und sonstigen Materialien unterscheidet sich sowohl bedingt durch den jeweiligen Schulträger (95% der Schulen sind staatlich), als auch durch die Lage der Schule (je ländlicher, desto ärmer). Die Qualifikation der Deutschlehrer unterscheidet sich stark und ist vor allem davon abhängig, wann die Lehrkräfte ausgebildet wurden: Vor 1990 ausgebildete Lehrer haben im Allgemeinen bessere Kenntnisse (da sie oft durch großzügige Stipendien in der DDR motiviert wurden), nach 1990 ausgebildete Lehrer schlechtere (dies hängt damit zusammen, dass seit dieser Zeit viele ehemalige Russischlehrer, deren Sprachkenntisse obsolet geworden waren, innerhalb kurzer Zeit auf Deutsch ”umschulten” und dementsprechend fachlich oft unsicher sind). Die meisten Deutsch lernenden Schüler finden sich allerdings auf den Berufsschulen, wo sie neben dem allgemeinsprachlichen Unterricht zunehmend auch Fachsprachenunterricht er- halten.

Unterrichtsmaterialien Im SNP-Verlag, dem wichtigsten Schulbuchverlag des Landes, der nach wie vor quasi über ein Monopol verfügt, sind mit Unterstützung des Goethe-Instituts die Lehrwerke ”Hallo, da bin ich” für die Primarstufe, und ”Schau mal” für die Sekundarstufen I und II erschienen. Die Zulassung der Lehrbücher erfolgt durch das Schulministerium, das oft nach Finanzierbarkeit auswählt, da es hierfür auch die Kosten übernehmen muss. Für Lehrwerke aus Deutschland bedeutet dies, dass sie praktisch ausgeschlossen bleiben.

Bedingungen für das Studium an Hochschulen Die derzeit etwa 970 Germanistikstudenten der Slowakei verteilen sich auf vier Universitäten, die Deutschlehrer ausbilden. An der bedeutendsten Universität des Landes, der Comenius- Universität in Bratislava, liegt dem Germanistikstudium z.B. ein fünfjähriger Lehrplan zugrunde, wobei Germanistik in Verbindung mit einem zweiten Fach studiert wird, welches bereits vor Studienbeginn aus einem vorgegebenen Angebot ausgewählt werden muss. An der 209

gleichen Universität besteht schon seit 25 Jahren zusätzlich ein Studiengang Dolmetschen und Übersetzen für Deutsch und je eine weitere Fremdsprache. Für alle Unis gibt es außerdem ein drei- bis fünfjähriges Ein-Fach-Studium Deutsch. Da der Beruf des Lehrers kein hohes Prestige genießt und schlecht bezahlt wird, arbeiten die meisten Germanistikabsolventen als freie Dolmetscher und Übersetzer, als Mitarbeiter bei Verlagen, Zeitungen, TV oder Hörfunk oder sind in der Wirtschaft und Verwaltung des Landes tätig. Besonders in Bratislava gibt es im letztgenannten Bereich viele gutbezahlte Stellen. Für angehende Deutschlehrer fehlt ein dem zweiten deutschen Staatsexamen entsprechender Referendardienst: praktische Erfahrungen sammeln die Studenten nur innerhalb eines kurzen, mehrwöchigen Schulpraktikums, das meist schlecht organisiert ist. Die Lücke zwischen Theorie und Unterrichtspraxis verstärkt sich durch den geringen Anteil an methodisch- didaktischen Veranstaltungen (alle zwei Semester jeweils zwei Wochenstunden). Die durchschnittliche Veranstaltungsgröße umfasst aufgrund der strengen Aufnahmetests (nur ca. 10% der Studienbewerber werden angenommen) ca. 20 Studierende, was im Vergleich zu Deutschland sehr gering erscheint. Die Zahl der Hochschullehrer ist aber aus den oben genannten – v.a. finanziellen – Gründen konstant niedrig, während die Zahl der Studienanfänger seit einigen Jahren steigt. Die Ausstattung der Bibliotheken ist im allgemeinen unzureichend und für ein Germanistikstudium bzw. für Forschungsaufgaben zu gering. Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation der slowakischen Hochschulen ist Abhilfe nur durch den DAAD, das GI zu erwarten (besonders gilt dies für elektronische Medien). Beim Deutschunterricht für andere Fakultäten ist besonders unter den Wirtschaftswissenschaftlern (auf Druck der Wirtschaft) ein starker Trend hin zu verbesserter fachsprachlicher Ausbildung zu konstatieren. Von den Studenten werden hier mit großem Abstand Englisch und Deutsch gewählt, wobei ein Grundkurs in Wirtschaftsdeutsch für die meisten Studenten obligatorisch ist. Weiterführende Kurse können aufgrund des Personalmangels trotz großen Bedarfs oft nicht angeboten werden. Ausnahme bilden Vorträge von deutschsprachigen Gastdozenten und Vorbereitungskurse auf die GI-Kurse in Wirtschaftsdeutsch. Im interdisziplinären Bereich plant die Comenius-Universität in Bratislava einen Studiengang ”Deutschlandstudien” einzurichten, mit Ausrichtung auf Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaft, Soziologie, Politologie und Wirtschaft. Auch die Wirtschaftsuniversität Bratislava plant einen Studiengang, der wirtschaftswissenschaftliche Grundkenntnisse mit Deutsch als Fremdsprache kombiniert, außerdem gibt es noch drei reine 210

Fachstudiengänge, die auf Deutsch stattfinden: Verwaltungswissenschaften (Uni Kosice), Volkswirtschaftslehre und ein MBA-Studium (=Master of Business Administration, beide an der WU Bratislava).

6.2. Das Goethe-Institut Bratislava197

Kulturprogramme Das Goethe-Institut Bratislava fördert die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Slowakei durch Veranstaltungen im Bereich Musik, Film, Tanz und Theater, Ausstellungen, Literatur und Wortprogramme zu historischen, soziologischen oder wirt- schaftswissenschaftlichen Fragen. Diese Veranstaltungen dienen der Präsentation eines modernen Deutschlandbildes und entstehen durch enge Zusammenarbeit mit den slowakischen Partnern. Beispiele dafür bieten z.B. die Ausstellung ”Theaterplakate aus der Zeit des ‚Berliner Ensembles‘” anlässlich des 100. Geburtstags von Bertholt Brecht oder der Vortrag von Prof. Thomasz Szarota zum Thema ”Hitler und die Nazis in der deutschen Karikatur (1923 – 1933)”. Charakteristische kulturelle Programmarbeit wird auch durch zahlreiche Autorenlesungen verwirklicht: Milan Rúfus, der große slowakische Dichter las aus seinem Buch ”Strenges Brot” oder Mila Haugová, bekannte slowakische Dichterin, aus den Gedichten des emigrierten jüdischen Schriftstellers Paul Celan. Weitere Beispiele für kulturelle Veranstaltungen sind auch die Filmvorführungen, wie etwa von Filmen der beiden jungen slowakischen Filmemachern Peter Kerekes und Martin Repka oder des vor 10 Jahren gestorbenen deutschen Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. Besucher 1998: 10430. Anlässlich der Unterzeichnung des Kulturvertrages der Slowakei mit Deutschland referierte ich am 2. Mai 1997 im Goethe-Institut zu den Inhalten des Vertrages.

Deutsch lehren und lernen Für deutschinteressierte slowakische Bürger ab 18 Jahren werden allgemeinsprachliche und Fachsprachenkurse mit kommunikativem Ansatz angeboten. Die allgemeinsprachlichen Kurse gliedern sich dabei in solche der Mittelstufe (1, 2A, 2B, 3A, 3B), der Oberstufe (1,2), einen Vorbereitungskurs auf das Kleine Deutsche Sprachdiplom (KDS), einen 211

Kommunikationskurs und einen für kreative Grammatik. Fachsprachliche Kurse werden zu den Themenkomplexen ”Deutsch für den Beruf” sowie ”Wirtschaftsdeutsch” angeboten. Darüber hinaus gibt es zu beiden Kursgruppen vierwöchige Sommer-Intensivkurse. Im Bereich der Deutschlehrerfortbildung führt das Goethe-Institut Bratislava in Zusammenarbeit mit den staatlichen slowakischen Institutionen Workshops und (Multiplikatoren-)Seminare durch. Im Mittelpunkt stehen Seminare zur Methodik/Didaktik, Landeskunde, Linguistik, Literatur, Bildungs- und Sprachpolitik sowie Prüfungsfragen. Zusammen mit den Hochschulen der Tschechischen und Slowakischen Republik erarbeitet man ein Curriculum zum studienbegleitenden Deutschunterricht. Zusätzlich arbeitet das Institut im Vorbereitungskomitee der Tagungen mit, die der slowakische Deutschlehrerverband SUNG alle zwei Jahre durchführt. Dieser Verband wird regelmäßig auch finanziell unterstützt, genau wie die Deutschlehrerzeitung ”Begegnungen”. Außerdem werden die Lehrer durch das Goethe-Institut Bratislava in individuellen Beratungsgesprächen über Lehrmaterialien, Methodik und andere fachliche Fragen informiert. Es werden auch Lehrmaterialien entwickelt, die auf die spezifischen Anforderungen vor Ort zugeschnitten sind. “Schau mal”, ist ein Lehrwerkprojekt des GI Bratislava in Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Institut der Stadt Bratislava.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 10940 Exemplaren, davon 8772 Bücher, 63 Zeitungen und Zeitschriften sowie 2105 audiovisuelle Medien. Die Bibliothek betreut außerdem die Lesesäle in Banska Bystrica und Kosice mit Materialien und betreibt aktive Verbindungsarbeit zu slowakischen Bibliotheken: Slowakische Bibliothekare nehmen z.B. an Bibliothekskonferenzen in Deutschland teil oder stellen deutsche Werke in ihren Bibliotheken aus. Daneben vergibt die Bibliothek Buchspenden und unterstützt slowakische Verleger finanziell.

197 Goethe-Institut: Jahrbuch 1997/98, Homepage des Goethe-Instituts Bratislava, Programmhefte des GI Bratislava sowie eigene Anschauung. 212

6.3. Die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad

Im Gegensatz zu den deutschen Auslandsschulen wurde im slowakischen Poprad das System der bilingualen Schule verwirklicht. Das staatliche slowakische Gymnasium Tatarku Poprad (Gymnázium UDT Poprad) verfügt über drei Abteilungen: die achtjährige Sektion (Klassen 5 bis 12) mit der Fachrichtung Fremdsprachen, die slowakische Sektion (Klassen 9 bis 12) mit allgemeiner Fachrichtung und der Fachrichtung Informatik, sowie die bilinguale Sektion (=deutschsprachige Abteilung, Klassen 9 bis 13) mit Slowakisch und Deutsch als Unterrichtssprachen und der Fachrichtung Sprachen und Naturwissenschaften. Das bilinguale Bildungskonzept wird in Poprad stufenweise verwirklicht. In der Jahrgangsstufe I (= 9. Klasse) werden die vorwiegend slowakischen Schüler (s.u.) in 5 homogene Lerngruppen für den Deutschunterricht aufgeteilt. In diesem Spracherwerbs- bzw. Verbesserungsjahr erhalten die Schüler 16 Stunden intensiven Deutschunterricht von slowakischen Deutschlehrern. Zusätzlich dazu werden 4 Unterrichtsstunden von deutschen Programmlehrkräften erteilt, so dass in dieser Jahrgangsstufe insgesamt 20 Stunden Deutschunterricht zur Sprachschulung bereitstehen. Die so gewonnene Grundkompetenz kommt den Schülern dann in der II. Jahrgangsstufe zugute, wenn der deutschsprachige Fachunterricht beginnt. Der Unterricht in deutscher Sprache erfolgt dabei zunächst je zweistündig in den Fächern Biologie und Chemie, Physik und Mathematik. Parallel dazu findet der Unterricht in diesen Fächern mit je einer Stunde in Slowakisch statt. Auch Englisch wird hier erstmals dreistündig unterrichtet. Das Fach Deutsch selbst wird vierstündig erteilt. In der dritten Klasse wird zusätzlich dazu auch noch Geschichte / Sozialkunde auf Deutsch erteilt. Die Zensierung in diesen drei ersten Jahrgangsstufen erfolgt in Form einer slowakischen Note, die mit dem deutschen Notensystem abgestimmt ist. Ab der IV. Klasse beginnt die Oberstufe, in der durchgängig nach dem deutschen 15er-Punktesystem bewertet wird sowie zusätzlich in Form einer slowakischen Note. Das einzige Fach, das in der Oberstufe noch bilingual unterrichtet wird, ist Mathematik (12. Klasse: 3 Std. Deutsch, 2 Stunden Slowakisch; 13. Klasse: 4 Std. Deutsch, 1 Std. Slowakisch), alle anderen Hauptfächer (D, G, Bio, C, Ph) werden in Deutsch erteilt, ausgenommen die Wahlfächer, dazu kommt Slowakisch. Die Schule geht nach dem bayrischen Curriculum vor und endet mit der von der KMK anerkannten und beaufsichtigten deutschen Reifeprüfung sowie zusätzlich dem slowakischen Abitur und dem slowakischen Sprachdiplom in Deutsch. Für den Abschluss sind vier 213

schriftliche Prüfungen abzulegen (Slowakisch, Deutsch, Mathematik und eine Naturwissenschaft), von denen drei auf Deutsch geschrieben werden. Von den vier mündlichen Prüfungsfächern (Deutsch, Slowakisch, sowie zwei Wahlfächer) finden dagegen nur zwei auf Deutsch statt. Das Abitur des bilingualen Gymnasiums Poprad berechtigt sowohl zum Studium in Deutschland als auch in der Slowakei. Die Ergebnisse der Abiturprüfung liegen seit ihrer erstmaligen Durchführung im Jahre 1996 weit über dem durchschnittlichen innerdeutschen Abiturniveau (1996:1,9, 1997: 2,3, 1998: 2,09), was den Schülern in Poprad außerordentlichen Fleiß und Interesse bescheinigt und damit zusätzlich zum ausgezeichneten Ruf dieser Schule in der Slowakei beigetragen hat. Untrügliches Indiz für die hohe Wertschätzung des Angebots in der Bevölkerung sind die kontinuierlich steigenden Bewerberzahlen (1997: 105). Der Zugang zum deutschen Zweig erfolgt einerseits durch die ”zuliefernde” Grundstufe des Gymnasiums (bis zur 8. Klasse), deren dreißig beste Schüler die Ausbildung ohne Aufnahmeprüfung beginnen dürfen, andererseits aber auch durch eine solche, durch die weitere dreißig Plätze vergeben werden. Dabei müssen sich die Bewerber schriftlichen Prüfungen in den Fächern Slowakisch, Deutsch und Mathematik unterziehen, die dabei gleichrangig (max. 30 Punkte) bewertet werden. Außerdem werden die Vorleistungen der Grundschule (Durchschnitt der Gesamtnoten: max. 30 Punkte) sowie eventuelle Siege bei Lern-Olympiaden (z.B. Deutscholympiade: max. 10 Punkte, andere Olympiaden: max. 5 Punkte) berücksichtigt. Wegen der hohen Bewerberzahlen, des Erfolgs der Ausbildung, sowie der Förderung durch das slowakische Schulministerium und der Stadt Poprad, möchte die Leitung des deutschsprachigen Zweiges die Jahrgangsstärke in der Klasse I in den kommenden Jahren von bisher 60 auf 72 bis 78 Schüler erhöhen. Damit könnten drei statt bisher zwei Eingangsklassen gebildet werden, was die Aufteilung der Lerngruppen erleichtern würde. Die ca. 50% der Schüler, die aus dem eigenen Unterbau der Schule kommen, stammen aus Poprad oder der näheren Umgebung. Für Schüler, die sich von außerhalb bewerben, steht zusätzlich ein eigenes Internat zur Verfügung. Deutsche Schüler erhalten automatischen Zugang, was nicht unproblematisch ist, da der Besuch des bilingualen Zweiges nur dann erfolgversprechend ist, wenn slowakische Sprachkenntnisse vorhanden sind. Zur Zeit umfasst der bilinguale Zweig insgesamt etwa 300 Schüler, davon übrigens zwei Drittel Mädchen. Nur ca. 2% der Schüler sprechen Deutsch als Muttersprache, noch weniger besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Außer der Slowakischen besitzen nur etwa 3% der 214

Schüler eine andere Nationalität (v.a. Tschechen und Ungarn). Die Klassenstärke ist gering und beträgt in der Regel nicht über 21 Schüler. Mit insgesamt 13 deutschen Lehrkräften ist die Abteilung sehr gut besetzt. Es unterrichteten im Schuljahr 1997/98 2 Auslandsdienstlehrkräfte, 1 LP-Lehrkraft, sowie 10 Bundesprogrammlehrkräfte. Im Schuljahr 1998/99 findet gar noch eine Aufstockung der ADLK auf 4 statt. Längerfristig strebt die Schule allerdings mindestens 5 ADLK-Stellen an. Außerdem gehören etwa 20 slowakische Lehrer dem Kollegium an, von denen etwa die Hälfte ausschließlich am bilingualen Zweige unterrichtet. Schulträger (aller drei Abteilungen) des Gymnasiums ist der slowakische Staat, repräsentiert durch die Stadt Poprad. Die deutschsprachige Abteilung ist sachlich und gesetzlich dem slowakischen Schulleiter bzw. dem slowakischen Schulministerium unterstellt. Dabei wird die bilinguale Abteilung kooperativ von einem deutschen Lehrer und einer slowakischen Kollegin geleitet. Aufgrund der staatlichen Schulträgerschaft haben die deutschen Lehrkräfte wenig Einfluss auf den Schuletat. Dem bilingualen Zweig steht von deutscher Seite lediglich ein Bürokostenzuschuss in Höhe von jährlich 6.000 DM aus Bundesmitteln zur Verfügung. Dieser Betrag scheint dem deutschen Leiter der Abteilung (LdA) zu gering: mit ihm lassen sich weder laufende Kosten decken, geschweige denn außerordentliche Anschaffungen wie z.B. der dringend erforderlichen Grundausstattung im naturwissenschaftlichen Bereich. Ein Grundstock für das Fach Erdkunde sowie eine Sonderzuwendung für die Einrichtung eines Klassen-Computerraumes sind deshalb beantragt worden. Die deutsche Abteilung der Schule besitzt einen eigenen Gebäudekomplex am östlichen Rand des Stadtzentrums, der aus insgesamt vier großen Häusern und einer kleinen Turnhalle besteht. Die Häuser gliedern sich in das alte und – seit Beginn des Schuljahres 1997/98 –das neue Unterrichtsgebäude (mit Bibliothek und Schülerratszimmer), das Verwaltungsgebäude samt den Lehrerzimmern sowie das Gebäude mit den naturwissenschaftlichen Fachräumen. Somit besteht räumlich kein Problem – wohl aber qualitativ: Der Zustand der Gebäude ist erbärmlich, jedweder Komfort, der über das sprichwörtliche ”Dach über dem Kopf” hinausgeht, fehlt. Besonders die naturwissenschaftlichen Fachräume der Abteilung erlauben aufgrund ihres desolaten Zustandes kaum Experimente, diese sind nur durch aufwendige Stundenänderungen im 15 Minuten entfernten Hauptgebäude möglich. Diesen Zustand könnte jedoch nur der Schulträger, d.h. der slowakische Staat wirklich ändern. Wie generell in der Slowakei üblich ist der Unterricht im Gymnasium Poprad stark kognitiv ausgerichtet. Besonders im bilingualen Zweig mit seiner Doppelbelastung durch 215

Zweisprachigkeit und naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Dadurch kommen oftmals die musisch-künstlerischen bzw. kreativen Elemente des Schullebens, wie sie an deutschen Gymnasien oder reinen deutschen Auslandsschulen praktiziert werden, zu kurz. Trotzdem wurden einige Versuche unternommen, dieses Vakuum durch Veranstaltungen, Tagungen oder Exkursionen zu füllen. Zum einen wurde versucht, den Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern in die regionalen und gesellschaftlich-politischen Gegebenheiten der Slowakei einzubeziehen, z.B. durch Besichtigung einer örtlichen Brauerei, eines Chemie-Werkes, einer Zellulose-Fabrik oder eines technischen Museums. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts besuchten die Abschlussklassen das (relativ nahegelegene) ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. Im literarischen Bereich fand eine Autorenlesung eines Breslauer Lehrers mit anschließender Diskussion statt, und als musische Bereicherung gab ein Jugendmusikorchester aus Ilmenau in Thüringen ein Konzert. Stolz ist man in der deutschsprachigen Abteilung besonders auf die vielfältigen Schüleraustausch-Programme, die mittlerweile schon fast zum Alltag gehören. So fanden 1997/98 vier Besuche in bzw. Gegenbesuche von ausländischen Schulen statt. Austauschbeziehungen über längere Zeiträume (nicht unter 10 Tage) bestehen mit Schulen in Westerstede, Lübsz, Guben, Weilburg und Freiberg. Außerdem nahm die Schule im Verbund mit 7 anderen Schulen aus 6 europäischen Ländern an dem EU-Projekt ”Nachbarn in Europa” teil. Darüber hinaus wurde bisher schon 2 Schülern und mehreren slowakischen Deutschlehrern die Teilnahme an Sprachkursen in Deutschland auf Stipendienbasis ermöglicht. Erwähnen sollte man schließlich auch die Kontakte der Abteilung zur deutschen Minderheit in der Slowakei, den Karpaten-Deutschen. Die Teilnahme des LdA an verschiedenen Treffen der Karpaten-Deutschen in Poprad, sowie gemeinsame Ausflüge in die nähere Umgebung belegen dies. Mit Vertretern des Ortsvereins in Chmelnica wurden bereits Aufklärungsgespräche über den Zugang von deutschstämmigen Schülern in den bilingualen Zweig in Poprad geführt. Abschließend sei noch auf die Tatsache hingewiesen, dass die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad in der Slowakei nach wie vor einen Experimentierstatus genießt. Durch den Experimentierstatus der Schule wird es weiter möglich sein, nach der 8. Klasse in den bilingualen Zweig zu wechseln und so in 13 Jahren zum slowakischen wie deutschen Abitur zu gelangen. 216

Gespräch mit dem Fachberater Herr Heinrich Heinrichsen arbeitet in der Slowakei als Fachberater für Deutsch und als Koordinator des Lehrerentsendeprogramms. Dem Gespräch mit dem Fachberater entnahm ich folgende Informationen: Es gibt insgesamt rund 40 Lehrkräfte der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in der Slowakei, davon arbeiten 13 im Bilingualen Gymnasium in Poprad. Die restlichen sind auf Bildungsinstitute in der ganzen Slowakei verteilt. Dabei sind maximal zwei Lehrer an einer Bildungseinrichtung zusammen. Auch gibt es fünf Minderheitenschulen, die betreut werden müssen. Hier wird in der Primarstufe der Sprachersterwerb eingeübt, da die Deutsch- kenntnisse in den Familien nur noch gering sind. Das Bilinguale Gymnasium in Poprad ist dabei ein Kosmos für sich, der seinen Schwerpunkt bei den Naturwissenschaften hat. Eine Zusammenarbeit gibt es mit den Gymnasien in Prag, Sofia und Reichenberg . Das Aufgabengebiet von Heinrich Heinrichsen umfasst nach eigenen Angaben derzeit:

- Festlegung der Teilabordnungen zur Lehrerfortbildung

- Fachschaftsberatung, Fortbildung und Prüfungsüberwachung

- Modellstundenunterricht

- Kontakte zum Bildungsministerium Alle Nachbarländer haben mindestens zwei Fachberater. So gibt es in Ungarn drei und in Tschechien zwei Fachberater. Damit ist dort eine fundierte Tätigkeit wirklich möglich. In der Slowakei muss man sich hingegen auf Gymnasien und die Hauptstadt beschränken. Die Nachfrage und das Interesse für die deutsche Sprache sind groß. Es gibt Probleme bei der Abstimmung zwischen den Bundesländern und dem Bundesverwaltungsamt. Dabei ist klar, dass der Schwerpunkt auf das bilinguale Sprachdiplom gesetzt wird. Ein breiteres Bildungsangebot der deutschen Sprache wäre jedoch nach H. Heinrichsen sinnvoller. Jetzt ist man gezwungen, freie Programme zu kürzen und bestehende Projekte zu vernetzen. Insgesamt ist es jedoch erfolgversprechend in der Slowakei zu arbeiten. Die Fragebögen zur Verbesserung der DAF-Förderung (Teil E dieser Arbeit) sollen nach der Sommerpause an die Lehrkräfte herausgegeben werden, so Heinrichsen. Wichtig ist ihm dabei, dass die Aktion wirklich Chefsache ist. Interessant sei dann die Umsetzung der Ergebnisse in den nächsten Jahren. 217

Insgesamt gelte: "Die Schere läuft auseinander." Schulen in der Hauptstadt geht es gut, auf dem Land gibt es Probleme. Förderlich sind auch die acht Lektoren der Boschstiftung in der Slowakei. Die IV. Tagung des Verbandes der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei vom 24.- 28.8.1998 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Bratislava unter der Schirmherrschaft der Ministerin des Schulwesens der Slowakischen Republik und Unterstützung u. a. der Botschaft der BRD hat die Bedeutung des Deutschen als Fremdsprache hervorgehoben. Die Vielzahl der Fachreferenten im Bereich der Fachsprache, der Didaktik, der Grammatik, der Literatur, der Landeskunde, beim frühen Fremdsprachlernen, bei der Deutschlehreraus- und -fortbildung und in den Workshops hat das breite Spektrum des Interesses an DAF aufgezeigt.

7. Italien

7.1. Das Goethe-Institut Neapel198

Kulturprogramme Das Goethe-Institut Neapel führt unterschiedliche Veranstaltungen zur Präsentation deutscher Kultur in Italien durch. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Vorträge und Seminare zu Wissenschaft und Literatur, Musik, Film- und Videovorführungen, Konzert- und Theater- vorführungen, sowie Kunst- und Dokumentationsausstellungen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Berthold Brecht organisierte das Institut (in Zusammenarbeit mit der Coop. Le Nuvole und der Cità della Scienza) ein Verbundprogramm mit Filmreihe, Liederabend, Lesungen, Ausstellung und Vorträgen. Besonders durch die Zusammenarbeit mit italienischen Hochschulen profitiert das Goethe-Institut Neapel, nicht nur fachlich, sondern auch programmatisch: mit der Università Orientale entstand der Kongreß ”Die Funktion der Stimme in Kultur und Alltagsleben”, mit der Architekturfakultät der Universität Neapel der Kongreß ”Dresden und Neapel”, an dem Städteplaner aus beiden Städten teilnahmen. Im Theaterbereich etwa inszenierte die Gruppe ”Metastudio ‘89” das Fassbinder-Stück ”Die bitteren Tränen der Petra von Kant”, im Ausstellungsbereich organisierte die Pädagogische Verbindungsarbeit des Instituts z.B. die zeitgeschichtliche Ausstellung ”Was im Gedächtnis

198 Goethe-Instituts Neapel: Programmhefte und Broschüren des Goethe-Instituts Neapel, Napoli, 1996- 1998. 218

bleibt”, mit Begleitprogramm. Im Jahre 1998 besuchten 15 888 Interessierte die kulturellen Angebote des Instituts.

Deutsch lehren und lernen

Fit in Deutsch 1 und 2 Die Prüfungen „Fit in Deutsch 1 und 2“ sind im Goethe-Institut in Neapel entwickelt worden. Es sind zentrale Prüfungen, die für jugendliche Lerner bestimmt sind. Diese Prüfungen erfreuen sich nicht nur in Neapel zunehmender Beliebtheit. Im Jahre 2003 nehmen in ganz Italien 9000 Prüflinge daran teil. Die Schülerinnen und Schüler weisen allgemein-sprachliche Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 des Referenzrahmens des Europarats nach. Im Goethe-Institut Neapel wird darüber hinaus ein umfangreiches Sprachprogramm für interessierte Bürger, die hierfür mindestens 16 Jahre alt sein müssen, angeboten. Im Programm sind sowohl Extensiv- als auch Intensivkurse, Kurse für Allgemein- und Fachsprache, auf Anfänger- und Fortgeschrittenenniveau. Fachsprachenkurse umfassen etwa Wirtschaftsdeutsch, Konversations- oder Lesekunde. Der Unterricht folgt dabei stets dem kommunikativen Ansatz und wird durch modernste Medien und neueste Lernmethodik, beispielsweise teilautonome Kleingruppenarbeit, unterstützt. Dabei werden auch unterschiedlichste Prüfungen abgehalten wie etwa die zum Kleinen Deutschen Sprachdiplom (KDS). Im Bereich der pädagogischen Verbindungsarbeit leistet das Goethe-Institut Neapel italienischen Deutschlehrern wertvolle Hilfe, z.B. methodisch-didaktische Beratung für Lehrer staatlicher und privater Schulen oder auch Lehrerfortbildungen in speziellen Workshops und Seminaren, z.B. zu Landeskunde, Grammatik, Literatur, Linguistik oder Mediendidaktik. Im Jahr 2003 finden darüber hinaus eine Ausstellung und Fachvorträge zu Maria Montessoris Pädagogik statt. Die aktuelle pädagogische Diskussion um individuelle Förderung und Handlungsorientierung soll hiermit Impulse bekommen.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 7647 Exemplaren, darunter 7155 Bücher, 21 Zeitungen und Zeitschriften und 471 audiovisuelle Medien. Im Jahr 1998 waren es 761 Entleiher/innen . Der Bestand wird also nur relativ wenig umgeschlagen. Viele deutsche Fachbücher werden auch in italienischer Übersetzung ausgeliehen. Der Bibliothek steht ein 219

Lesesaal zur Verfügung. Neben dem reinen Verleihen des Bestandes gibt das Bibliothekspersonal in individueller Beratung auch Auskunft auf verschiedene Anfragen bezüglich deutschlandrelevanter Themen. Hierbei werden den Interessenten bezüglich ihrer Fragen detaillierte Literaturangaben zur Verfügung gestellt beziehungsweise persönlich erläuternde Hinweise gegeben. Auch bei der Bereitstellung von Hintergrundmaterial für die Sprachkurse und für die Pädagogische Verbindungsarbeit leistet die Bibliothek wertvolle Hilfe: ortsansässige Deutschlehrer können z.B. auf umfangreiches Lehrmaterial zum Thema ”DaF” zurückgreifen.

7.2. Goethe-Institute in Italien unter Sparzwang

Im März 1996 lud man die sieben Leiter der italienischen Goethe-Institute nach München zu einer Besprechung, über die Möglichkeit ein, 19 Stellen einzusparen und somit Institute personell auszudünnen oder zu schließen. In ernsthafte Gefahr der Schließung geriet dabei u. a. das Institut in Neapel. Als Begründung wurde von der Bundesregierung angeführt, dass es in Italien 7 Goethe-Institute gibt - neben Frankreich und den USA die höchste Anzahl für ein einzelnes Land. Ein langjähriger Schüler des Goethe-Instituts formulierte einmal sinngemäß: ”Reich geworden bin ich nicht mit dem, was ich hier gelernt habe, aber Goethe hat mir geholfen, die Welt und das Leben ein bisschen liebenswerter zu finden.” Im Zusammenhang mit den Protesten gegen die von der Münchner Zentrale geplante Schließung des Goethe- Instituts in Neapel äußerten sich deutsche und italienische Intellektuelle sehr kritisch, so z. B. Professor Marcello Gigante, Mitglied der Akademien der Wissenschaften in Göttingen und Heidelberg ”Wenn das Goethe-Institut jetzt gezwungen wird, sich aus Italien zurückzuziehen, entsteht zwangsläufig der Eindruck, die Deutsche Regierung wolle mit den Kriegsfolgen nichts mehr zu tun haben. Frankreich als weitblickendes Land baut seine kulturelle Präsenz in Neapel aus.”199 Und er erinnerte daran: “Das Deutschland, das wir lieben, ist nicht das Deutschland der Deutschen Mark”. Der große deutsche Philosoph, Hans-Georg Gadamer, hat in Neapel gelehrt und war Ehrenbürger der Stadt. Die Zeitung “Il Mattino” veröffentlichte am 20.2.96 einen Leserbrief von Gadamer, an Bassolino den Bürgermeister gerichtet, mit der Überschrift: “Gadamer: salviamo il Goethe.”200 Prof. Amato Lamberti, Präsident der Provinz

199 Gigante, Marcello: Pressekonferenz im Palazzo Serra di Cassano, Neapel, 2.4. 1996. 200 Gadamer, Hans Georg: Gadamer: salviamo il Goethe. In: Il Mattino, Leserbrief, 20.2.96. 220

von Neapel, äußerte sich so: “Als Soziologe kann ich nur sagen, dass wir in Neapel eher der deutschen als der angelsächsischen Fachtradition verbunden sind.”201 Besondere Beziehung Neapels mit der deutschen Kultur seit dem vorigen Jahrhundert bescheinigt der Präsident des Nationalen Philosophischen Forschungsinstituts in Neapel, Advokat Gerardo Marotta: “Das Nationale Philosophische Forschungsinstitut ist hier ansässig, es ist Herausgeber zahlreicher deutscher philosophischer Reihen.”202 Zwischen Italien und Deutschland bestehen intensive kulturelle Beziehungen und besonders zu Neapel. Goethe spricht in seiner “Italienischen Reise” 1787, eingehüllt und eingefühlt in neapoletanische Atmosphäre, davon, dass die charakterliche Prägung des Temperaments und der Kultur eines Volkes durch das Klima beeinflusst würden. In Kenntnis seiner schriftstellerischen Mittel, die ihm plötzlich als begrenzt erscheinen, stellt er fest, dass er nach dem Weggang aus Italien sich wehmütig und unfroh fühle. Doch der Gedanke an Neapel versöhne mit der Trennung: “Man sage, was man will, der Versuch, das tagsüber Gesehene in Worten festzuhalten, führt zu Reflexionen über die Grenzen schriftstellerischer Mittel."203 In Neapel schreibt er ferner, dass einer nach seinem Weggang aus Italien nicht wieder froh werde. “Und wenn ich Worte schreiben will, so stehen mir immer Bilder vor Augen der fruchtbaren Länder, des freien Meeres, der duftigen Inseln, des rauchenden Berges und mir fehlen Organe, das alles darzustellen." Auch ich habe diese Erfahrung gemacht.

Geplante Schließung des Goethe-Instituts in Neapel Die geplante Schließung des Goethe-Instituts führte zu großer Empörung der Betroffenen. Das engagierte Kollegium, Schüler und Schülerinnen, sämtliche Hochschulen, Studenten und Studentinnen, musische Einrichtungen, Abgeordnete, Politiker und Politikerinnen in Süditalien, selbst der Gemüsehändler an der Ecke setzten sich für das Institut ein. “Non chiudete il Goethe” hieß es: “Schließt das Goethe-Institut nicht!” Bürgermeister Bassolino bemühte sich um den Erhalt des Instituts. Nach den Zeiten der Mafia und Camorra war eine Politik der sauberen Hände sein großes Anliegen. Dazu schreibt die Wirtschaftswoche unter

201 Lamberti, Amato: Sondersitzung des Consiglio Provinciale di Napoli, Neapel 4.2.1996. 202 Marotta, Gerardo: La Politica Culturale Della Germania All´Estro. Versammlung im Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, Neapel., 14.Februar 1996. 203 Goethe, Johann Wolfgang : Italienische Reise. In: Werke, Hamburger Ausgabe, Band 11, 10. neubearbeitete Aufl. München 1982, S.178 ff. auch S.186,S.199, S.217, S.326ff. 221

der Überschrift “Emsige Kehrer. Wie ein Exkommunist aus dem sinnenfrohen Sündenbabel Neapel eine Vorzeigekommune macht: Neapels Exportschlager waren bislang vornehmlich kulinarisch-künstlerischer Natur: Die Pizza und "0 sole Millionen", Enrico Caruso und Sophia Loren traten vom Fuße des Vesuv ihren weltweiten Siegeszug an. Was die 1,2-Millionen- Metropole nun hervorgebracht hat, passt so gar nicht ins Bild vom sinnenfrohen, aber hoffnungslos verlotterten Sündenbabel am Vulkan: Im Schatten des schlummernden Kraters kämpft ein wackerer Bürgermeister erfolgreich für die moralische und wirtschaftliche Wiedergeburt Neapels. Verdutzt blickt die Nation gen Süden. Und sogar im tüchtigen Norden liebäugelt mancher mit dem Import des Saubermannes. "Bassolino, komm nach Mailand!” wurde Neapels Bürgermeister in der vergangenen Woche in Italiens Wirtschaftsmetropole stürmisch begrüßt. Dort galten Neapolitaner bisher bestenfalls als durchtriebene Schlawiner, ihre Stadt als die Bronx Europas – von der Camorra beherrscht und in Dreck und Lethargie versunken. [...] Das allein ist schon ein kleines Wunder. Wenige Monate, bevor sich Bassolino bei den Bürgermeisterwahlen im Dezember gegen die neofaschistischen Duce- Enkelin Alessandra Mussolini durchsetzte, hatte die Stadt Bankrott erklärt. [...] Wie ernst es den linken Stadtvätern mit dem Neuanfang ist, lassen unpopuläre Maßnahmen erahnen. Einem Heer von 4000 ehemaligen Kommunalangestellten, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen in den Genuss von Berufsunfallrenten gekommen waren, strich Bassolino kurzerhand die Bezüge. Die Botschaft war unmissverständlich: Auch für die kleinen Nutznießer der Plünderung Neapels, die Politiker und Camorra-Bosse jahrzehntelang vereint und unbehelligt betreiben konnten, ist die Schonfrist vorbei.”204 Bassolino hat in Neapel, statt der Patenschaften der Camorra, Patenschaften von Schulklassen für Kulturdenkmäler anregen und verwirklichen können. Sie sorgen für Brunnen, Kirchen, Museen, legen selbst Hand an bei Renovierung und Instandhaltung und machen Führungen. Im Vorfeld der italienischen Parlamentswahlen und unter Einbindung des Wahlbündnisses L’ULIVO (der Ölbaum), dem grünen Kandidaten und späteren Minister in Rom aus Neapel Alfonso Pecoraro, gelang der Erhalt des Instituts.

204 Wirtschaftswoche: Emsige Kehrer. Wie ein Exkommunist aus dem sinnenfrohen Sündenbabel Neapel eine Vorzeigekommune macht. Ausgabe Nr. 15 vom 4. 4. 1996. S. 30. 222

8. Portugal

8.1. Kulturpolitische und wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland205

Enge politische Beziehungen und eine breite wirtschaftliche Basis geben dem Verhältnis zu Deutschland besondere Solidität. Deutschland ist zusammen mit Spanien größter Han- delspartner Portugals und wichtiger Investor, vor allem in zukunftsweisenden Industrien. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich gut: Die Bundesrepublik stärkte 1997 ihre Stellung als wichtigster Abnehmer Portugals und zweitwichtigster Lieferant (jeweils im Wechsel mit Spanien). Deutschland führt bei den Industrieinvestitionen. Von 450 deutschen Unternehmen sind über 300 im industriellen Bereich angesiedelt und beschäftigen mit 60.000 Arbeitnehmern 1% der Erwerbstätigen im Land. Die Verbleibquote deutscher Investitionen liegt bei über 85% (internationaler Schnitt für Portugal 35%). Rund 500.000 Deutsche (mit insgesamt 5 Millionen Übernachtungen) reisten 1997 nach Portugal und trugen als drittgrößte Gruppe (nach Spaniern und Briten) zu den Tourismus-Einnahmen des Landes bei. Ein besonderes Ereignis war im Oktober 1997 die erfolgreiche Beteiligung Portugals an der Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass wurde eine eindrucksvolle Darstellung der portugiesischen Kultur auch über die Literatur hinaus unter Einschluss der portugiesischsprachigen Länder Afrikas geboten. Bei der Eröffnung am 14. Oktober waren der portugiesische Staatspräsident, der deutsche Bundespräsident und der Präsident der Europäischen Kommission anwesend. Am 18. Oktober besuchten der damalige Ministerpräsident Guterres und Bundeskanzler Kohl den portugiesischen Stand in Frankfurt. Portugal war das Thema auf der Frankfurter Buchmesse und mit einer Gruppe von 40 Schriftstellern vertreten. 1998 kamen aus dieser Gruppe 14 nach Frankfurt, unter ihnen José Saramago.206 “Als erster Portugiese ist José Saramago mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Sein Verleger sprach von einem stolzen Moment für Portugal. Die Schwedische Akademie in

205 Politischer Halbjahresbericht Portugal: Auf der Grundlage des Politischen Halbjahresberichts Portugal, Stand: März 1998. 206 Frankfurter Buchmesse: Portugal ’98. Ein Meer von Büchern. Herausgegeben zur 50. Frankfurter Buchmesse, Hg., 7. – 12. Oktober 98. 223

Stockholm sagte zur Begründung ihrer Entscheidung, der 75-jährige lasse mit seinen Parabeln die Menschen ‘die trügerische Wirklichkeit’ fassen.”207 Im Moment, da am portugiesischen Messestand die Nachricht von der Verleihung des Preises bekannt wurde, war Saramago gerade auf dem Weg zum Rückflug nach Portugal und wurde von der Nachricht überrascht. Man holte ihn vom Flughafen zurück und feierte ihn begeistert auf der Buchmesse. Der Weg durch die Menge wurde ihm gebahnt, und er musste auf einen Tisch steigen, um im Gedränge der Journalisten und Messebesucher sprechen zu können. Saramago, aus ärmsten Landarbeiterverhältnissen stammend, ein linker Autor, der sich auch heute noch als Kommunist bezeichnet, veröffentlichte neun Bücher. Zur Buchmesse wurde auf deutsch ”Die Stadt der Blinden” herausgegeben, eine Parabel über die geblendete Vernunft unter der Herrschaft der Instinkte, in der die Hauptfiguren auf eine furchtbare Irrfahrt geschickt werden. Das wichtigste Kulturereignis des Jahres 1998 in Portugal war die Weltausstellung Expo `98 in Lissabon. Hierzu wurde von den portugiesischen Veranstaltern u.a. die deutsche Choreographin Pina Bausch eingeladen, eine Tanzchoreographie über die portugiesische Hauptstadt im 500. Jahr nach der Entdeckung Indiens durch Vasco da Gama, zu erstellen. Die Entscheidung, die Zweigstelle des Goethe-Instituts in Coimbra zu schließen, hat zu erheblichem Unverständnis und Protesten geführt. Im Juni 1997 konnte ein ”Deutsch- Portugiesischer Kulturverein” gegründet werden, der mit Unterstützung des Goethe-Instituts die Sprachkurse weiterführen soll. Noch ist die Zahl der Sprachschüler gering. Die Aussichten für eine erfolgreiche Fortführung der Sprachkurse bleiben jedoch abzuwarten.

8.2. Das Goethe-Institut Porto208

Das Goethe-Institut Porto – geografisch gesehen – am Rande Europas wurde im Jahr 1957 gegründet. Mit nur 1 Entsandtem und 4 Lehrkräften ist es ein kleines Institut. Unter Leitung dieser 5 Mitarbeiter kamen 1997/98 immerhin 5 Veranstaltungen, aus dem Bereich Wissenschaft und Literatur und 5 Filmreihen, zustande. 9 Ausstellungen wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese 17 originären Goethe-Instituts-Veranstaltungen zogen binnen Jahresfrist über 4200 Besucher an. In 62 Deutschkursen wurden im genannten Zeitraum 6.050 Unterrichtseinheiten einschließlich der Prüfungen angeboten. Bei den 112 Prüfungen betrug

207 Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 9. 10. 1998. S. 1. 208 Goethe-Institut: Jahrbuch 1997/98. S. 116. 224

die Durchfallquote 12,5 Prozent. 18 Veranstaltungen der Pädagogischen Verbindungsarbeit befassten sich mit verschiedenen Themen, wie Didaktik/Methodik, Landeskunde, Literatur, sprachlicher Fortbildung und Kinderkursen. Auch Sonderkurse für Germanistikstudenten und Deutschlehrer wurden angeboten.

Zur Veranschaulichung seien hier einige Höhepunkte aus dem Jahresprogramm angeführt:

- Europa-Galerie. Reihe von Künstlergesprächen, Ausstellungen und Workshops in der Galerie des Instituts, ermöglicht durch die "Kunstbrücke" von Dr. Klaus Schulz, u.a. mit Steffen Vollmer und Brigitte Volz, in Zusammenarbeit mit der Hochschule der Bildenden Künste (Porto)

- Die europäische Herausforderung. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Kolloquium, u.a. mit Mario Soares und Freimut Duve, MdB

- Heiner-MM-Projekt. In Zusammenarbeit mit dem Rivoli-Theater

- Projekte mit portugiesischen Schulklassen. Programmvorführungen im Rahmen der Pädagogischen Verbindungsarbeit

8.3. Die Deutsche Schule Porto209

Die Deutsche Schule Porto ist eine deutschsprachige Privatschule, die als eine von zwei deutschen Auslandsschulen in Portugal das dreigliedrige deutsche Schulsystem dort verfügbar macht. Dabei wird sie im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Bundesverwaltungsamt unterstützt. Die Schule führt zu den Abschlüssen der deutschen Allgemeinen Hochschulreife, dem Mittleren Abschluss, und dem Hauptschulabschluss (bzw. qualifizierenden Haupt- schulabschluss). Die Gleichwertigkeit der Zeugnisse mit denen im innerdeutschen Schulwesen ist durch eine Zuerkennung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der deutschen Bundesländer (KMK) gewährleistet. Durch die gleichzeitige Anerkennung der Schule durch das portugiesische Unterrichtsministerium können Schüler, die ein Versetzungszeugnis der DSP erhalten haben, in jedem Jahrgang in die folgende Klasse des portugiesischen Schulsystems wechseln. Dies gilt jedoch nicht mehr automatisch für den anschließenden Besuch einer portugiesischen Hochschule: bis 1988 galt auch hier das Abschlusszeugnis der Deutschen Schule Porto als generelle Zugangsberechtigung; seit 1989

209Deutsche Schule Porto: Informationsbroschüren 1998/99, Schulleiterjahresbericht 1997/98. 225

müssen sich die Schüler aus Porto jedoch wie alle anderen Bewerber dem System des portugiesischen Hochschulzugangs (provas especificas) unterwerfen, bei dem sie ent- sprechend ihrem Studiengang in zwei Fächern Zulassungsarbeiten schreiben müssen. Hierbei bestätigt sich aber schon seit Jahren eine große Überlegenheit der Schüler der beiden deutschen Schulen, deren Ergebnisse in der Regel weit über dem portugiesischen Durchschnitt liegen. Der Schule gehört neben dem Gymnasium auch eine Grundschule sowie ein eigener Kindergarten an. Haupt- und Realschüler werden in den regulären Gymnasialklassen unterrichtet und verlassen die Schule entsprechend früher, Hauptschüler nach der Klasse 9, Hauptschüler mit qualifizierendem Hauptschulabschluss und Realschüler nach der 10. Klasse. Beide Gruppen werden nach den gymnasialen Lehrplänen unterrichtet und durchlaufen die gleichen Prüfungen wie die Gymnasiasten, erhalten allerdings stets einen differenzierten Notenbonus. Der Kindergarten umfasst zwei Jahrgänge mit jeweils vier Gruppen, drei vormittags und eine nachmittags. Entsprechend dem Anspruch der Schule machen die portugiesischen Kinder hier erste spielerische Erfahrungen mit der deutschen Sprache (begrenzter Sprachunterricht), die deutschen Kinder ebenso mit der portugiesischen. Die Aufnahme deutscher Kinder in Kindergarten, Grundschule und Gymnasium (nach Vorlage eines vorausgehenden deutschen/deutschsprachigen Zeugnisses) ist jederzeit möglich, ortsansässige portugiesische Kinder werden nur dann in die Grundschule aufgenommen, wenn sie auch schon den Kindergarten der DSP besucht haben. Der Besuch der Grundschule ist wiederum Voraussetzung für den Besuch des Gymnasiums für die portugiesischen Schüler. Schwierigkeiten für manche deutschen Kinder bereitet beim Wechsel vom Kindergarten in die Grundschule das portugiesische Recht, das praktisch ein Höchstalter von 6 Jahren bei Eintritt in die Schule festlegt .Die Grundschule umfasst wie in Deutschland vier Jahrgänge mit bisher je zwei Klassen. Seit dem Schuljahr 1997/98 ist jedoch ein dritter Grundschulzug aufgebaut worden, der durch die erhöhte Zahl von Bewerbungen erforderlich wurde (1997/98 überstieg die Zahl der Bewerber mit 105 die der angebotenen Plätze mit 70). Zur notwendigen Auswahl der gymnasial geeigneten Schüler hat die Grundschule in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium ein Kriteriensystem entwickelt, welches nicht der objektiven Bewertung dient, sondern eine Relation zwischen den Schülern herstellen soll. Durch dieses Verfahren rechnet man mit einem Durchschnitt von etwa 25% der Schüler, die nach der Grundschule die DSP verlassen müssen und somit das überlaufene Gymnasium zumindest partiell entlasten. Da die Grundschule vom portugiesischen Unterrichtsministerium als portugiesische Grundschule anerkannt ist, müssen die Lehrpläne 226

entsprechende nationale Elemente, wie etwa verstärkten Mathematikunterricht, berücksichtigen. Etwa die Hälfte des Unterrichts wird in portugiesischer Sprache erteilt. Im Gymnasium müssen ebenfalls deutsche und portugiesische Lehrpläne berücksichtigt werden, was zu einer deutlich höheren Wochenstundenbelastung als in Deutschland führt. Ab der 7. Klasse findet täglicher Nachmittagsunterricht zwischen 14.30 und 17.50 statt (7. Bis 10. Stunde). Dies ist teils durch die sprachliche Integration der deutschsprachigen und portugiesischen Schüler bedingt: Deutsch wird von Klasse 1 bis 8 größtenteils getrennt in Deutsch als Mutter-, bzw. für die portugiesischen Schüler Deutsch als Fremdsprache erteilt. Ab der 9. Klasse ist der Deutschunterricht integriert. Portugiesisch wird außer für später eintretende deutsche Schüler weitgehend nach muttersprachlichen Kriterien unterrichtet. Im Schuljahr 1997/98 hat der Fachbereich DaF einen Schulversuch unternommen, der zur Vermeidung späterer Sprachprobleme in Jahrgangsstufe 9, eine Teilintegration bereits ab der 7. Klasse vorsieht. Neben drei Wochenstunden DaF/DaM werden die Schüler der 7. und 8. Klassen integriert in drei Klassengruppen mit einem stärker auf altersgemäße Literatur ausgerichteten Curriculum unterrichtet. Durch diese Maßnahmen erhofft man sich einerseits sprachliche Synergieeffekte zwischen muttersprachlichen Schülern und ihren Klassenkameraden, andererseits eine bessere Vorbereitung auf Inhalte und Arbeitstechniken, die sonst erst von den Fremdsprachlern in Klasse 9 (zum Nachteil der Muttersprachler) eingeführt werden müssten. Schüler ohne Portugiesischkenntnisse müssen diese innerhalb von drei Jahren erwerben, nach dieser Zeit nehmen sie am normalen Portugiesischunterricht teil und werden entsprechend (versetzungsrelevant) benotet. Für solche Schüler werden allerdings spezielle Portugiesischkurse organisiert und in den Stundenplan integriert. Erste ”reguläre” Fremdsprache ist Englisch ab der 5. Klasse und Französisch ab der 7. Klasse. In der 10. Klasse müssen sich die Schüler dann für eine der beiden entscheiden. Die Entwicklung von gymnasialen Lehrplänen erfolgt in enger Abstimmung mit den deutschen Schulen auf der iberischen Halbinsel. Die Deutsche Schule Porto hatte 1997 insgesamt 713 Schüler bzw. Kindergartenkinder, davon besuchten 337 das Gymnasium, 229 die Grundschule und 147 den Kindergarten. Das Lehrerkollegium umfasste zu diesem Zeitpunkt 14 vermittelte Lehrkräfte aus der Bundesrepublik, 30 deutschsprachige und 9 portugiesische Ortslehrkräfte, sowie 8 Kindergärtnerinnen. Inzwischen wurde für den 3. Grundschulzug eine weitere Grundschullehrerin aus Deutschland angeworben, die aus den Schulgeldern dieser Klassen finanziert wird. Schulträger der DSP ist der Deutsche Schulverein zu Porto, dessen Mitglieder 227

sich vorwiegend aus den Eltern der Schüler zusammensetzen. Die Mitgliederversammlung wählt den Schulvereinsvorstand, nimmt Berichte des Schulleiters entgegen und entscheidet über den Erwerb bzw. Verkauf von Immobilien. Mitglied des Schulvereins können dabei volljährige Personen mit guten deutschen Sprachkenntnissen werden, deren Aufnahmeanträge von zwei Mitgliedern des Vereins befürwortet werden müssen. Der Vorstand des Schulvereins, in dem der deutsche Konsul in Porto sowie der Schulleiter von Amts wegen einen Sitz haben, vertritt die Schule in allen rechtlichen Fragen und lenkt das Schulgeschehen in finanzieller Hinsicht: er entscheidet über die Dienstverträge der Lehrer (in Absprache mit dem Schulleiter) und stellt den Schulhaushalt auf. Im Rahmen des Haushaltsplanes legt der Schulvereinsvorstand auch die Höhe des Schulgeldes fest, das die DSP als Privatschule erhebt. Die Höhe des Schulgeldes richtet sich nach der Kinderzahl (differenziert werden die Beträge bis zu einer Kinderzahl von 4) sowie der Schulart (Kindergarten, Grundschule, Gymnasium) und wird pro Trimester erhoben. Im Kindergarten sind es für das erste Kind pro Jahr 325.000 Escudos, für das zweite Kind im Jahr 315.000 Esc., für das dritte 305.000 Esc. und für das vierte 295.000 Esc. In der Grundschule erhöhen sich die Beträge, und zwar auf 355.000 Esc. für das erste Kind pro Jahr, 345.000 Esc., 335.000 Esc. bzw. 325.000 Esc. für die folgenden Kinder im Jahr. Für das Gymnasium gelten schließlich die höchsten Sätze, mit 380.000 Esc. für das erste Kind im Jahr, bzw. 370.000 Esc., 360.000 Esc. und 350.000 Esc. für die folgenden drei p.a. Für alle Schüler ist bei der Ersteinschreibung eine einmalige Gebühr in Höhe von 55.000 Esc. fällig sowie jedes weitere Schuljahr für den selben Zweck eine in Höhe von 15.000 Esc. Für Kindergartenkinder fällt für didaktisches Material eine Jahresgebühr von 5.000 Esc. an, für Grundschüler müssen ebenfalls 5.000 Esc. bezahlt wer- den. Zusätzlich werden für Grundschüler jährlich 2.000 Esc., für Mittelstufenschüler der Klassen 5 bis 10 jeweils 3.500 Esc. sowie für Oberstufenschüler 4.000 Esc. an Kopierkosten berechnet. Schließlich stellt der Schulvereinsvorstand für alle Schüler noch eine Ver- sicherungsprämie in Höhe von 3.000 Esc. in Rechnung. Ermäßigungen beim Schulgeld können auf Antrag bei nachgewiesener Bedürftigkeit gewährt werden. Weitere Zuschüsse erhält die Schule aus Mitteln des Bundes. In den Sommerferien 1998 begann die umfangreiche Sanierung der Heizung und der Turnhalle der Schule. Weitere absehbare Sanierungsmaßnahmen dürften die Türen und Fenster des Gebäudes betreffen. Auf längere Sicht hin reicht auch das Sporthallenangebot für die Schulgröße nicht aus, so dass mittelfristig mit dem Neubau einer Turnhalle gerechnet werden muss. Eltern können ihre Interessen auch über den Elternbeirat artikulieren; gleiches gilt für die Schüler, denen dafür 228

die Schülermitverwaltung zur Verfügung steht. Die Rechte und Arbeitsweise beider Institutionen sind dabei in der Schulordnung bzw. der Satzung festgelegt. Trotz der starken Stundenbelastung werden an der Schule viele extracurriculare Aktivitäten durchgeführt: es bestehen Arbeitsgemeinschaften für Mannschaftssportarten, Selbstverteidigung, Judo, Wirtschaft, Theater, Mittel- und Oberstufenchor sowie Astronomie, die meistens von vermittelten Lehrkräften betreut werden. Im Schuljahr 1997/98 wurden in diesem Zusammenhang zwei Singspiele und ein Theaterstück aufgeführt. Die Sportgruppen stellten sich Wettkämpfen mit Schulen in Madrid und Lissabon, und konnten sich erfolgreich an zwei Turnieren mit der Englischen und der Internationalen Schule beteiligen. In der Grund- und Mittelstufe wird zusammen mit der Firma Futurekids eine informationstechnische Grundausbildung angeboten. Hierbei wurden zwei Internetanschlüsse installiert und entsprechende Hard- und Software für die Arbeitsgruppe ”Internet” beschafft. Im kulturellen Bereich konnten darüber hinaus auch noch einige Veranstaltungen mit Künstlern aus Deutschland organisiert werden, beispielsweise ein Konzert mit dem Kammerchor des Stiftsgymnasiums Verden oder ein Konzert mit den Bundespreisträgern des Wettbewerbs ”Jugend musiziert”. Besondere Erwähnung gebührt auch der traditionellen Feier zum Tag der Deutschen Einheit. Schüler der 12. Klassen führen eine traditionelle Deutschlandfahrt durch. Diese Veranstaltungen, die oft unter tatkräftiger Mithilfe von Schulverein, Elternbeirat und Privatpersonen stattfanden, verdeutlichen den starken Zusammenhalt der mit der Schule verbundenen Menschen und fördern deren hohe Identifikation mit ihr.

9. Türkei

9.1. Rahmenbedingungen für die Vermittlung der deutschen Sprache210

Kulturpolitische Grundlagen und Beziehungen Grundlage der deutsch-türkischen Kulturbeziehungen ist das Kulturabkommen vom 8. Mai 1957. Dort ist vor allem der Austausch deutscher Lehrkräfte durch das BVA bzw. die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen an türkischen Gymnasien geregelt (dies schließt

210 Länderkonzeption Türkei: Auf der Grundlage der Länderkonzeption zur Förderung der deutschen Sprache und der damit verbundenen Wissenschaftsdisziplinen in der Türkei. Auswärtiges Amt, Hg., Bonn, 1998. 229

auch die Vermittlung von Lehrern an die private Elite-Schule Özel Alman Lisesi in Istanbul mit ein). Zusätzlich dazu wurde am 26. Mai 1986 ein Zusatzabkommen zum Kulturabkommen (”Anadolu-Programm”) mit dem Ziel geschlossen, die Entsendung von deutschen Lehrern an die staatlichen Anadolu-Gymnasien mit intensivem Deutschunterricht zu ermöglichen. Im akademischen Bereich wirkt besonders der DAAD mit verschiedenen Austauschprogrammen und Stipendien für Studenten und Dozenten. Ein im Jahre 1991 geschlossenes Abkommen legte die Grundlage für zwei deutschsprachige Fachbereiche ”Wirtschaftsinformatik” und ”Betriebswirtschaft” an der Marmara-Universität Istanbul, die Pläne zur Gründung einer eigenen deutschsprachigen Universität in Istanbul wurden jedoch nicht weiter verfolgt. Im politisch-ökonomischen Kontext ist Deutschland mit großem Abstand wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner der Türkei. Verstärkt werden diese Interaktionsprozesse durch die mehr als 2,2 Millionen in Deutschland lebenden Türken, von denen sich etwa 40.000 selbständig gemacht haben, oder als Arbeitnehmer einen erheblichen volkswirtschaftlichen Faktor darstellen. Auf der anderen Seite kamen, mit mehr als 2,3 Millionen jährlich, die weitaus meisten Touristen in der Türkei aus Deutschland und mehr als 700 deutsche Unternehmen sind in der Türkei mit Tochtergesellschaften oder Niederlassungen präsent.

Charakteristik des Bildungswesens in Bezug auf DaF Die Bildung hat in der Türkei seit Atatürk einen sehr hohen gesellschaftlichen Stellenwert bekommen. Eltern scheuen oft keine Kosten oder persönliche Mühen, ihre Kinder in den Schulen optimal betreuen zu lassen, sei es durch teuere Nachhilfe oder durch Erneuerungen am Schulgebäude. Obwohl Lehrer laut Atatürks Definition die ”Retter der Nation” darstellen und ihr Beruf gesellschaftlich geachtet ist, verdienen sie so wenig, dass etwa 40% von ihnen noch einen zweiten Beruf ausüben, um das Durchschnittseinkommen von 550 DM im Monat aufzubessern. Die Erziehungsreform ist ein mutiges und ehrgeiziges Unterfangen, dessen weitere Elemente die Verbesserung der Schulsituation im Osten der Türkei, die Verringerung der Klassengröße, eine Erhöhung der Qualität des Unterrichts und eine verbesserte Beschulung von Mädchen sein sollen. Zuständig für die Lehrpläne, Curricula und Lehrwerkgenehmigungen in allen Schulformen ist allein das Nationale Türkische Erziehungsministerium in Ankara. Die Provinzen haben praktisch keine Kompetenzen. Obgleich im Rahmen der Lehr- und Lernreformen neuerdings auf einige fast revolutionäre 230

Verhaltensweisen, wie selbständiges und eigenverantwortliches kritisches Urteilsvermögen oder vernetzte und problemorientierte Handlungskompetenz, Wert gelegt wird, bleibt die Türkei doch größtenteils ein Hort überholter Lernformen: lehrerzentrierter Frontalunterricht, prüfungsfixiertes Lernen, unkritisches, detailgenaues Repetieren von auswendig gelerntem Wissen und nationalen Parolen etc. sind noch immer die entscheidenden Charakteristika. Peter Scholl-Latour schreibt in Allahs Schatten über Akatürk - Die Türkei in der Zerreißprobe über Reise in die Osttürkei, bei der ihn Ekin Deligöz, eine grüne Bundestagsabgeordnete, in ihr Heimatdorf begleitet. “Wir machen einen Rundgang durch das Dorf. Da existiert zwar ein bescheidenes Schulhaus, vor dem eine grobe Atatürk-Büste aus Bronze aufgepflanzt ist. An der Wand lesen wir den unvermeidlichen Spruch “Welch ein Glück, Türke zu sein”. Aber der Unterricht wurde hier eingestellt. Der Lehrer hat das Dorf verlassen, und die Kinder müssen täglich den langen Weg nach Havza zu Fuß zurücklegen.”211

Stellung von Deutsch im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen Deutsch ist, zusammen mit Englisch und Französisch (und Arabisch auf den religiösen Schulen) eine der drei wichtigsten Fremdsprachen in der Türkei. Dabei liegt Deutsch weit abgeschlagen hinter Englisch, dass mit 95% der Schüler eine absolute Monopolstellung genießt (Deutsch: 4%, Französisch: 1%). Auch in den Grundschulen, die seit der Erziehungsreform ab der 4. Klasse eine erste Fremdsprache lehren, zeigt sich ein ähnliches Bild: Englisch lernen etwa 98% der Schüler. An ungefähr 9% der fremdsprachlich ausgerichteten Anadolu-Schulen wird Deutsch neben Englisch als erste Fremdsprache angeboten. Auf den Regelschulen, die sich der Grundstufe anschließen – immerhin für 2/3 aller Schüler, die die Aufnahmeprüfung in die Elite-Schulen nicht schaffen maßgeblich – sinkt die Bedeutung des Deutschen kontinuierlich: von ca. 200.000 Deutsch lernenden im Jahre 1992 auf ca. 80.000 in 1996. Dies hat auch zu einer massiven Verschlechterung der Arbeitsplatzsituation der Deutschlehrer für diesen Schultyp geführt: von etwa 5.000 Deutschlehrern werden nur ca. 1.800 als solche eingesetzt. Die weitaus größte Deutschlernergruppe stellen die Schüler dar, die Deutsch auf den Anadolu-Gymnasien mit Englisch als erster Fremdsprache, als zweite Fremdsprache lernen. Deren Zahl wird auf 100.000 bis 130.000 Schüler geschätzt. Aufgrund der geringen Wochenstundenzahl, Deutsch

211 Scholl-Latour, Peter: Allahs Schatten über Atatürk. Die Türkei in der Zerreißprobe. München 2001. S. 343. 231

wird vier Jahre lang als zweistündiges Wahlfach angeboten, ist das Sprachniveau dieser Schülergruppe allerdings eher gering. In 34 Anadolu- Schulen wird Deutsch unterrichtet. An 19 dieser Schulen hat die Bundesregierung augenblicklich insgesamt 71 deutsche Lehrer vermittelt. An zwei weiteren Schulen in Istanbul (staatliches Istanbul Lisesi mit besonderem Status und privates Alman Lisesi) unterrichten nochmals 60 Lehrer aus Deutschland. Entsprechend dem Verhältnis im Schulbereich gibt es mehrere englischsprachige Universitäten in der Türkei (z.B. die renommierte Middle East Technical University in Ankara) aber nur eine Universität, die deutsche Studiengänge anbietet (s.o. die Marmara- Universität in Istanbul). Der Hauptgrund für das schlechte Abschneiden von Deutsch als Fremdsprache im Vergleich zu Englisch liegt, neben dessen Bedeutung als Weltsprache Nummer eins, auch in der geringen Attraktivität des Deutschen als Ausbildungssprache: aufgrund der nivellierten deutschen Massen-Universitäten, des ökonomischen Gefälles und der Schwierigkeiten bei der Visa-Beantragung, erscheint Deutschland als Studienstandort unattraktiv. An den Universitäten studieren derzeit zwischen 5.000 und 6.000 Studenten an den Deutschfachbereichen. Neuzugelassen werden jährlich etwa 7.000. Ebenso viele absol- vieren jährlich die Diplomprüfung. Die Tendenz ist allerdings eher rückläufig. Insgesamt gibt es an den derzeit 55 Universitäten des Landes 24 Deutschabteilungen, von denen jeweils die Hälfte philologisch bzw. didaktisch ausgerichtet sind. Besonders groß ist die Nachfrage nach Deutsch an den Universitäten mit wirtschafts- und betriebswirtschaftlichen Fakultäten und an Tourismushochschulen. Besonders durch die starke Verflechtung des Landes mit Deutschland in der Wirtschaft, im Handel und durch den Tourismus, sehen viele Türken eine Motivation zum Erlernen der deutschen Sprache. Im Schulbuchsektor gibt es praktisch keine eigene Verlagslandschaft: das Regionallehrwerk für Regelschulen entstammt dem staatseigenen Schulbuchverlag, die in den Anadolu-Schulen eingesetzten Werke für DaF stammen durchweg aus deutschen Verlagen. Bei der Bewilligung ausländischer Literatur legt das Erziehungsministerium strenge Maßstäbe an: deutschen Verlagserzeugnissen wurde in der Vergangenheit schon mehrfach die Zulassung verweigert, z.B. aufgrund der Problematisierung der Kurdenfrage, der Fotos nackter Männer oder der als diskriminierend empfundenen Darstellung türkischer Gastarbeiter in Deutschland. Fast noch strenger werden die Zulassungsanträge von Lektüren überprüft: so wurden z.B. Texten von Berthold Brecht die Zulassung als Schullektüre verweigert, da dieser Kommunist war.

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Einstellungen zu Deutsch und Deutschland Die Türken sind traditionell positiv gegenüber Deutschland eingestellt. Dies ist begründet durch die lange politische Zusammenarbeit. Deutschland wurde besonders seit dem ver- gangenen Jahrhundert gerne als ”großer Bruder” und ”Freundesland” bezeichnet. Es beteiligte sich an der Entwicklung des Landes in den letzten Jahrzehnten des Osmanischen Reiches und deutsche Fachleute spielten eine wichtige Rolle bei der Modernisierung des Landes im Rahmen der Atatürkschen Reformen. Oft wird auch heute noch an die Waffenbrüderschaft im 1. Weltkrieg erinnert. Andererseits trugen die vielen türkischen Gastarbeiter als Heimkehrer oder auf Heimaturlaub zu diesem positiven Bild bei. Hinzu kommen noch die größtenteils freundschaftlichen wirtschaftlichen und touristischen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Auf der anderen Seite provozieren einige türkische Politiker Deutschland mit polemischen Ausfällen, da sie in den Deutschen die Drahtzieher für den Ausschluss aus den Verhandlungen zum EU-Beitritt 1997 in Luxemburg sehen. Auch die ausländerfeindlichen Anschläge in Deutschland trüben das Verhältnis. Deutschland ist weiterhin der bedeutendste Handelspartner der Türkei. Die Exporte nach Deutschland betrugen 1997 im Zeitraum Januar bis November 4,67 Mrd. US$ (+0,2% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) und somit 20,5% aller türkischen Exporte. Mit Investitionen in Höhe von 281,6 Millionen US$ für 1997 stand Deutschland zum Jahresende an erster Stelle (vor den USA und den Niederlanden). 1997 stellte Deutschland 39% des Tourismuskontingents in der Türkei, mit einem Zuwachs der Besucherzahlen von 10% im Vergleich. zum Vorjahr. Als mit der Wahl vom 3.11.02 die konservative islamisch-demokratische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei AKP mit ihrem Vorsitzenden Tayyip Erdogan mit 34% stärkste Partei im türkischen Parlament wurde, waren die Reaktionen auf den Wahlsieg sehr skeptisch. War doch Erdogan in der islamistischen Bewegung unter Necmettin Erbakan groß geworden. Nun muss Erbakan, der infolge eines Gerichtsurteils zur Zeit noch nicht Ministerpräsident werden kann, (dazu benannte Staatspräsident Sezer den stellvertretenden AKP Vorsitzenden Abdullah Gül) in den fünf Jahren der Regierungszeit seiner Partei beweisen, dass er die kemalistischen und laizistischen Prinzipien der Türkei anerkennt und so hilft, den Weg zum Beitritt in die EU zu öffnen.

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Bedingungen für den Deutschunterricht und das Studium an Hochschulen

Das Deutschstudium an türkischen Hochschulen dauert in der Regel vier Jahre und wird mit einem Diplom abgeschlossen. Für Studenten mit unzureichenden Vorkenntnissen verlängert sich das Studium um ein Vorbereitungsjahr. Das Niveau der Aufnahmeprüfung hat in den letzten Jahren allerdings rapide abgenommen: Heute erhalten praktisch auch Studenten ohne jegliche Vorkenntnisse einen Regelstudienplatz für Deutsch. Die Studienschwerpunkte sind verschieden, meistens steht ein Kanon aus den Bereichen Spracherwerb, Literatur- wissenschaft, Sprachwissenschaft, Übersetzung, Kulturgeschichte/Landeskunde und u.U. pädagogischer Fächer zur Auswahl. Der Praxisbezug der Lehrerausbildung lässt stark zu wünschen übrig. Im Rahmen des Studiums (didaktischer Teil) ist eine Praktikumszeit von lediglich drei Wochen fest eingeplant, faktisch bedeutet dies für angehende Lehrer oft, dass sie nur eine Stunde Unterrichtet haben, ehe sie in ihren Beruf starten. Die Berufsaussichten bei den beiden vorhandenen Studiengängen Allgemeines Germanistikstudium und Berufsbezogenes Deutschstudium (beide gleichen sich in Aufbau, Fächern Abschlussverfahren) sind gleichermaßen schlecht: nach dem Einstellungsstop für Deutschlehrer finden bei weitem nicht alle (s.o.) Absolventen einen Job als Lehrer. Lukrativer – aber nicht unbedingt zahlreicher – sind die Betätigungsfelder Tourismus und Wirtschaft. Hierbei werden Absolventen vor allem von Unternehmen mit Geschäftskontakten nach Deutschland oder von Banken nachgefragt.

9.2. Das Goethe-Institut Istanbul

Kulturprogramme Die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei sowie die Präsentation deutscher Kultur wird durch das Goethe-Institut Istanbul auf vielfältige Art verwirklicht. So konzipierte man zusammen mit dem Französischen Kulturinstitut eine Filmreihe in Erinnerung an die gesellschaftlich umwälzenden Ereignisse im Mai 1968. Gezeigt wurden u.a. ein Film über Leben und politische Wirkung der RAF-Gründerin Ulrike Meinhof oder die Dokumentation ”Aufrecht gehen – Rudi Dutschke ‚Spurensuche‘”. Besondere Mühe gab man sich auch bei der Reihe ”Retrospektive Deutsch-Türkischer Filmemacher”, mit Beiträgen und Podiumsdiskussionen türkischer Filmemacher in 234

Deutschland, deutscher Filmemacher mit Türkei-, bzw. türkischen Regisseuren mit Deutschland-Bezug. Im musikalischen Bereich gaben z.B. die “Akademie für alte Musik”, Berlin oder das international mehrfach ausgezeichnete Leipziger Streichquartett Konzerte, die vom Goethe-Institut organisiert wurden. Auch im Theatersektor kamen auf Einladung des GI zwei der bekanntesten deutschsprachigen Regisseure, Philippe Besson und Paul Plamper, mit je einem Stück, nach Istanbul. Im Rahmen der Ausstellungen stand beispielsweise eine zum Thema ”Exil Türkei” auf dem Programm, die anlässlich des 75jährigen Jubiläums der Türkischen Republik an die Epoche besonders fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Türken in der Zeit nach 1933 erinnern sollte, als die Türkei von den Nazis verfolgten Wissenschaftlern, Künstlern und Politikern Zuflucht gewährte, die wiederum ihrerseits zum Aufbau der modernen Türkei beitrugen. Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Ausstellungsarbeit bot das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart: Es zeigte zusammen mit DaimlerChrysler die Ausstellung ”Ein Stück Großstadt als Experiment - Planungen am Potsdamer Platz”. Schließlich fanden, als Beispiel für die Wortveranstaltungen, noch verschiedene Symposien statt, etwa zur Tourismuspolitik im Mittelmeerraum im 21. Jahrhundert. 1998 besuchten 85.270 Zuschauer die Programme.

Deutsch lehren und lernen Das Goethe-Institut Istanbul bietet differenzierte, lernorientierte Sprachkurse mit einem umfangreichen Prüfungsprogramm für interessierte Türken an. Darüber hinaus werden im Rahmen der pädagogischen Verbindungsarbeit verschiedene Workshops und Seminare für Deutschlehrer durchgeführt, differenziert in die Bereiche: Bildungs-/Sprachpolitik, Curricula, Didaktik/Methodik, Landeskunde, Literatur und Mediendidaktik. Die Sprachkurse sind getrennt in Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse, die jeweils einem kommunikativen Ansatz folgen und aufeinander aufbauen. Inhaltlich sind sie für über 16jährige konzipiert und in Winter-, Frühjahrs- und Sommertrimester unterteilt. Im Sommer werden außerdem Intensivkurse angeboten. Standardkurse gliedern sich dabei in Grund-, Mittel- und Oberstufenniveau, Spezialkurse werden zu Grammatik, Konversation und Deutsch für den Beruf angeboten.

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 16.127 Exemplaren, darunter 14.000 Bücher, 53 Zeitungen und Zeitschriften sowie 2.073 audiovisuelle Medien. Schwerpunkte 235

bilden dabei deutsche Literatur, Philosophie, Geschichte / Politik des 20. Jh. Außerdem beantwortet das Infozentrum Anfragen zu deutschlandbezogenen Themen und vermittelt Kontakte zu deutschen Bibliotheken. Deutschlehrer erhalten umfangreiche Materialien zum Thema DaF. Außerdem unterstützt man türkische Schulen und Bibliotheken mit Buchspenden.

9.3. Die Schulreform in der Türkei

Hintergrund der Schulreform Die türkische Regierung unter Ministerpräsident Yilmaz hatte am 18. August 1997, als erstes und wichtigstes innenpolitisches Vorhaben, eine umfassende Erziehungsreform im Parlament verabschieden lassen. Hauptsächlich ausschlaggebend dafür war ein Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates vom 28.2.1997, der sich vornehmlich aus türkischen Generälen zusammensetzt und die eigentliche politische Entscheidungsgewalt in der Türkei inne hat. Kern dieser Reform ist die Einführung einer 8-jährigen, durchgehenden Schulpflicht für alle türkischen Kinder. Damit wollte das Militär, das sich traditionell als Hüter des laizistischen, kemalistischen Erbes der Türkei versteht, dem Einfluss der religiös orientierten Imam-Hatip- Schulen auf die Kinder im sensiblen Alter entgegenwirken. Diese Schulen schlossen sich an die bisherige 5-jährige (Pflicht-) Grundschule an. Ein weiteres Bestreben war sicherlich auch die Anhebung des allgemeinen Bildungsniveaus besonders in ländlichen Bevölkerungs- schichten im Südosten, wo viele Kinder die Schule bereits nach 5 Jahren verließen.

Situation vor der Reform / Besonderheiten des türkischen Schulsystems Bisher verpflichtete die Grundschule lediglich zum fünfjährigem Besuch. Für ca. 30 – 35% der Schüler endete damit jeglicher Schulbesuch, knapp zwei Drittel setzten den Schulbesuch allerdings fort. Auf die 5-jährige Grundschule folgten drei sog. Orta-Klassen (Orta 1-3), die der deutschen Mittelstufe (Sekundarstufe I) ähnelten und drei sog. Lise-Klassen (Lise 1-3), vergleichbar der deutschen Oberstufe (Sekundarstufe II). Während ein Großteil der Schüler ohne Aufnahmeprüfung in die Sekundarstufe vorrückte, bewarben sich besonders talentierte Schüler über eine Aufnahmeprüfung an folgende, im Vergleich zu den normalen Gymnasien (Lise), weit renommiertere Schultypen: die naturwissenschaftlich ausgerichteten FEN-Lisesi, 236

die fremdsprachigen Anadolu-Lisesi und die sog. Süper-Lisesi. Letztere beiden Typen setzten allerdings nach dem Grundschulbesuch noch eine einjährige Vorbereitungsklasse, die sog. Hazirlik voraus. Eine weitere Alternative stellte, wie erwähnt, der Besuch der Mittelstufe auf den islamischen Imam-Hatip-Schulen dar, die von immerhin 13-15% der Schüler nach der Grundschule besucht wurden. Generell lässt sich also sagen, dass das türkische Schulsystem nach der Formel 5 + 3 + 3, bzw. bei Besuch der Elite-Schulen nach der Formel 5 + 1 + 3 + 3 funktionierte.

212 9.4. Die Deutsche Schule Istanbul (Alman Lisesi)

Die Deutsche Schule Istanbul ist eine deutschsprachige Auslandsschule, die deutsche und nicht-deutsche Schüler zur deutschen allgemeinen Hochschulreife führt. Daneben werden auch noch der Real- und Hauptschulabschluss angeboten, jedoch nicht durch eine gesonderte Prüfung, sondern nur durch die Jahresendzeugnisse der 10. Klasse. Das Alman Lisesi ist in ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium, Haupt- und Realschüler werden mit in die Gymnasialklassen integriert. Alle Abschlüsse der Schule sind denen innerhalb des deutschen Schulsystems gleichwertig. Die zum Schuljahr 1997/98 in Kraft getretene türkische Schulreform betrifft auch die Deutsche Schule Istanbul zum Teil erheblich [siehe eigenen Bericht hierzu!], da sie eine Privatschule des türkischen Rechts ist, und damit den Weisungen des türkischen Schulministeriums unmittelbar unterliegt. Auf der Grundlage des türkischen Privatschulgesetzes dürfen die nicht-türkischen Schüler pro Schule jeweils nur 20% der türkischen ausmachen. Ferner schreibt das Erziehungsgesetz von 1961 den türkischen Kindern im Grundschulbereich den Besuch von rein türkischen Schulen vor. Aus diesem Grund kann das Alman Lisesi – im Vergleich zu den meisten anderen Privatschulen in der Türkei – keine eigene Grundschule einrichten. Besonders betroffen von der Ausweitung der allgemeinen Schulpflicht auf 8 Jahre in der Türkei sind die türkischen Kinder, für die die Möglichkeit entfällt, bereits die bisherige Mittelstufe (Orta-Stufe, Klassen 6 bis 8) auf der deutschen Schule zu besuchen. Sie können heute erst zu Beginn der 9. Klasse in diese Schule überwechseln, wo sie – wie auch schon vor der Reform nach der 5. Klasse – in die

212 Deutsche Schule Istanbul: Jahrbuch der Deutschen Schule 1997/98, Schulleiterjahresbericht 1997/98, Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule Istanbul 1993, Informationsblatt für künftige Auslandslehrer über die Deutsche Schule Istanbul. 237

Übergangsklasse (Hazirlik) kommen. In dieser einjährigen Vorbereitungsklasse erhalten sie intensiven Deutschunterricht im Umfang von 25 Wochenstunden. Vor der Aufnahme in die Vorbereitungsklasse durchlaufen alle türkischen Bewerber nach der Grundschule eine zentrale Aufnahmeprüfung in Istanbul. In der Aufnahmeprüfung werden neuerdings verstärkt, neben dem reinen Fachwissen der Schüler, zusätzlich noch deren Denk- und Urteilsfähigkeit getestet. Der Wegfall der Orta-Stufe hat vor allem eine negative Auswirkungen auf Rückkehrerkinder, die künftig nicht mehr vor der 8. Jahrgangsstufe aufgenommen werden dürfen, und denen somit der direkte Anschluss an das deutsche Schulsystem in ihrer Heimat verwehrt bleibt. Es hat sich allerdings für die türkischen Neuankömmlinge gezeigt, dass diese auch mit geringeren Vorkenntnissen im Deutschen hochmotiviert sind, und den sprachlichen Anschluss binnen kurzer Zeit schaffen. Künftig unterstehen die deutschen Kinder der Jahrgangsstufen 5 bis 8 (in der Türkei: ”Sekundarstufe I”) der ”Privatschule der Deutschen Botschaft Ankara – Zweigstelle Istanbul”, d.h. dem deutschen Generalkonsulat, und sind somit nicht an die türkische Schulreform gebunden. Sie können nach wie vor im Gebäude des Alman Lisesi von den dortigen, regulären Lehrkräften unterrichtet werden. Dadurch werden die deutschen Schüler, dem Aufbau des innerdeutschen Schulsystems entsprechend, von der 5. Klasse an als Gymnasiasten geführt. Ab der 9. Klasse gelten die deutschen Schüler dann als Gastschüler. Für die rein türkischen Klassen der auslaufenden Mittelstufe (Orta, Klassen 6 bis 8) gilt das türkische Gesetz. Alle Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 12, also das eigentliche Lise, unterstehen ebenso wie die Vorbereitungsklasse (Hazirlik) dem türkischen Schulministerium. Am Ende des Schuljahres 1997/98 befanden sich 898 Schüler auf der Schule. Rund 80% von ihnen waren Türken (750), 11,4 % Deutsche (108) und 8 % Schüler anderer Nationalitäten, vor allem Österreicher. Deutsch ist somit für ca. 15% der Schüler Muttersprache. Auffällig ist auch der außerordentlich hohe Anteil der Jungen (569) von fast 2/3 aller Schüler im Vergleich zum Anteil der Mädchen von gut 1/3 (329). Dies mag mit dem traditionellen islamischen Rollenverständnis zu tun haben. Die Klassenstärken sind, im Vergleich zu Deutschland, mit durchschnittlich 30 Schülern sehr hoch, im Vergleich zur übrigen Türkei jedoch eher niedrig. Aufgrund ihres Charakters als Begegnungsschule wird versucht, türkische und nicht-türkische Schüler, so weit wie möglich, zu integrieren, d.h. in gemeinsamen Klassen zu unterrichten. Durch den hohen Anteil türkischer Schüler ist dies nur begrenzt möglich: in der Praxis werden die einzelnen Klassenstufen vierzügig unterrichtet, mit nur je einer gemischt-national besetzten Klasse. Das Lehrerkollegium bestand 1998 aus 25 vermittelten deutschen 238

Auslandsdienstlehrkräften, 7 Bundesprogrammlehrkräften, sowie aus deutschen (8) und türkischen Ortslehrkräften. Letztere, etwa 20 Lehrer, unterrichten neben Türkisch, Sport, Musik und Kunst vor allem die türkischen Kulturfächer (Religion, nationale Geschichte/Revolutionsgeschichte, Ethik, Logik u.a.). Unterrichtssprache ist – gemäß der Zielsetzung der Schule – Deutsch. Türkisch wird von türkischen Lehrern nur für die türkischen Schüler erteilt. Gleiches gilt für die türkischen Kulturfächer. Für türkische Schüler gilt außerdem die Sprachenfolge: Deutsch ab der Vorbereitungsklasse, d.h. zukünftig ab Klasse 8, Englisch (zukünftig) ebenfalls ab Klasse 8 und Französisch ab Klasse 9 in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften. Türkische Schüler erhalten keinen Lateinunterricht. Die deutschen Schüler lernen wie im innerdeutschen Gymnasialsystem: Englisch ab der 5. Klasse, Französisch ab der 7. Klasse als zweite verpflichtende Fremdsprache, und Latein nur in den Arbeitsgemeinschaften. Alle Schüler werden bei den Naturwissenschaften in Biologie ab Klasse 6, in Physik ab Klasse 7 und in Chemie ab Klasse 8 unterrichtet. Da die deutschen (bzw. nicht-türkischen) Schüler seit 1966 einen Gastschülerstatus haben, entfällt für sie die Verpflichtung zum Unterricht in türkischer Sprache und Kultur. Allen deutschsprachigen Fächern liegen deutsche Lehrpläne zugrunde, die von der KMK genehmigt wurden. Da die Schule allerdings der staatlichen türkischen Schulaufsicht untersteht, sind einige Einschränkungen zu befolgen: formal wird dies besonders durch die vorgeschriebene Kleiderordnung (Schuluniformen) sowie durch die stark betonte äußerliche Disziplin deutlich, die einen schülerzentrierten Unterricht nach deutschen Vorstellungen verhindert. Inhaltlich dürfen entsprechend den türkischen Vorschriften z.B. keine politischen Diskussionen im Unterricht stattfinden. Deutsche Schüler legen ihr Abitur in der 12. Klasse ab, Haupt- und Realschüler erhalten ihre Abschlüsse mit dem Zeugnis der 9. bzw. 10. Jahrgangsstufe. Bisher erlangten türkische Schüler nach 12 Jahren das ”Lise Diplomasi”. Freiwillig konnten sie dazu noch die deutsche Reifeprüfung ablegen. Von dieser Möglichkeit machte gut die Hälfte aller türkischen Schüler – mit steigender Tendenz – Gebrauch. Ab dem Jahr 2002 wird dieses durch gemeinsame Abschlüsse eher die Regel. Nach dem Abschluss finden noch separate Aufnahmeprüfungen zum Besuch der türkischen Universitäten statt, zu deren Vorbereitung meist intensive Nachhilfe an den Wochenenden genommen wird. Schulträger ist der ”Verein zum Betrieb der Deutschen Schule Istanbul”. Er ist für alle wirtschaftlich-rechtlichen und personellen Angelegenheiten der Schule zuständig und erhebt das Schulgeld von derzeit etwa 5.500 DM, das in 4 unterjährlichen Raten zu zahlen ist. Für die Schuluniform sowie für die selbst zu zahlenden Schulbücher sind ca. weitere 500 DM pro Jahr zu veranschlagen. Die 239

Bücher werden über eine deutsche Buchhandlung vor Ort aus Deutschland bestellt. Das Gebäude der Schule liegt im Herzen des stark europäisch geprägten Stadtteils Beyoglu-Pera, in unmittelbarer Nähe des Galataturms und des Tünelplatzes. Die Schule verfügt über je zwei Fachräume für Biologie und Physik sowie über einen für Chemie. Darüber hinaus gibt es Fachräume für Deutsch, Geographie, Kunst, Werken, Musik und Informatik (die Schule ist unter http://www.shuttle.de/dsi-tr im Internet zu erreichen). Aufgrund der Innenstadtlage sind die Sportmöglichkeiten begrenzt: es gibt lediglich eine kleine Turnhalle von 19 x 10 Metern, einen Gymnastiksaal für Mädchen sowie eine asphaltierte Laufstrecke von 120 x 10 Metern samt einer Sprunggrube. Darüber hinaus verfügt man über je eine Schüler- und Lehrerbibliothek, Videoräume und ein kleines Fotolabor. In der nächsten Zukunft steht der Schule eine Grundrenovierung bevor. Im Rahmen einer 1991 gegründeten Musikschule findet Instrumentalunterricht auf schuleigenen Instrumenten statt. Außerdem werden zahlreiche Arbeitsgemeinschaften angeboten, z.B. in Sport, Musik, Kunst, Informatik, Biologie, Sprachen, Schach oder Theater. Die Schule pflegt enge Verbindungen zu Schulen in Deutschland: mit Gymnasien in Würzburg, Hamburg (2 Schulen) und Berlin (3 Schulen) bestehen Schüleraustausch- Programme und Partnerschaften, die einen bedeutenden Anteil am erzieherischen Begegnungsauftrag der Schule haben. Zum guten Ruf der Deutschen Schule Istanbul, die traditionell als eine der angesehensten Schulen in der Türkei gilt, trägt bei, dass es nun binationale Abschlüsse gibt. Erstmals wurden im Jahre 2002 binationale Abschlüsse am Alman Lisesi und am Istanbul Lisesi durchgeführt. Gegenseitiges Vertrauen in Gleichwertigkeit drückt sich auf diese Weise aus.

Inhaltliche Auswirkungen der Schulreform Die türkische Erziehungsreform, die bereits mit dem Schuljahr 1997/98 in Kraft trat, sieht die schrittweise Abschaffung des bisherigen differenzierten Schulsystems vor, d.h. konkret die Abschaffung der Mittelstufe. Die Jahrgangsstufen 1 – 8 werden von nun an als Grundstufe (Ilk Ögretim) definiert, die jedes türkische Kind besucht haben muss. Alle Differenzierungsformen, die bislang nach Klasse 5 einsetzten, werden also ab jetzt um drei Jahre verschoben und beginnen erst mit der Jahrgangsstufe 9. Für die achtjährige Grundstufe sieht die Reform genaue Stundentafeln vor. Bezüglich der Fremdsprachenausbildung bedeutet dies:

- für die Klassen 4 und 5 jeweils zwei Stunden Fremdsprachenunterricht 240

- für die Klassen 6 bis 8 jeweils vier Stunden. Ferner wird ab Klasse 4 ein dreistündiges Wahlfach angeboten, das jedoch von Schule zu Schule unterschiedlich gestaltet, bzw. von den Eltern gewählt wird. Dafür steht ein Katalog aus ca. 18 Fächern zur Auswahl, beispielsweise eine zweite Fremdsprache, Informatik, Zeichnen usw.. Somit wird die fremdsprachliche Ausbildung – jedenfalls was die erste Fremdsprache anbelangt – zwar um zwei Jahre vorgezogen, aber die Möglichkeit standardmäßig eine zweite Fremdsprache zu erlernen besteht nur, wenn die Eltern diese zweite Fremdsprache als Wahlfach benennen. Die oben erwähnte, schrittweise Abschaffung der differenzierten Mittelstufe vollzieht sich wie folgt: Schuljahr 1997/98: letztmaliges Angebot der Vorbereitungsklassen (Hazirlik) in den Anadolu-Schulen / letztmaliges Angebot der 6. Klassen in Iman-Hatip-Schulen Schuljahr 1998/99: letztmaliges Angebot der 6. Klasse auf Anadolu-Schulen nach den alten Lehrplänen Schuljahr 1999/00: letzte 7. Klasse usw.

Organisatorische Auswirkungen der türkischen Schulreform Die Schulreform wirkt sich in unterschiedlicher Weise auf deutsche und türkische Schüler sowie daraus resultierend auch auf die Lehrkräfte / Verwaltung und das allgemeine Zusammenleben aus. Auswirkungen für die türkischen Schüler: Für die türkischen Schüler steht nach dem Wegfall von drei bzw. vier (inkl. Vorbereitungsklasse) Jahren intensivem Deutschunterricht zu befürchten, dass deren bisherige Leistungen – Deutsches Sprachdiplom DSD II, Reifeprüfung – nicht mehr erbracht werden können. Ein Sonderfall wäre darin zu sehen, dass die Eltern Deutsch bereits ab der 6. Klasse als Wahlfach benennen. Selbst dann jedoch würde die bisherige Intensität des Deutschunterrichtes (bis zu 24 Stunden in den Hazirlik-Klassen) nicht mehr erreicht werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern Deutsch als erste Fremdsprache in der Grundschule bevorzugen, ist angesichts der überragenden Bedeutung des Englischen als unbestreitbarer ”lingua franca” eher unwahrscheinlich, bzw. hängt auch davon ab, wie sicher den Eltern Englisch als 2. Fremdsprache (Wahlfach ab Klasse 6) zugesichert wird. 241

Ein Ausweg für die türkischen Kinder könnte die Gründung einer Grundschule am Alman Lisesi durch den Absolventenverein oder eine türkische Stiftung sein oder die Einrichtung einer sprachintensiven Vorbereitungsklasse vor der 9. Jahrgangsstufe. Dazu bedarf es allerdings der Genehmigung durch den türkischen Staat. Damit könnte der Deutschunterricht wenigstens auf 4 Jahre ausgedehnt werden, obwohl einige deutsche Konzeptionen sogar 4 Jahre zur Heranführung an das Abitur plus einer Hazirlik-Klasse vorsehen. Zur Aufrechterhaltung des Abiturniveaus könnte außerdem eine zusätzliche Deutschprüfung für alle türkischen Bewerber erforderlich werden, d.h. eine Aufnahme nur für diejenigen Kinder erfolgen, die bereits in der Grundschule Deutsch gelernt haben. Generell aber soll die Oberstufe weiterhin auch den türkischen Kindern und Jugendlichen offen stehen. Die türkischen Offiziellen machten daraufhin deutlich, dass die Gesetzeslage eine Ausnahme für ausländische Kinder nicht vorsehe, und dass somit auch die Mittelstufe für deutsche Kinder nicht unter derselben Schulverwaltung wie das Gymnasium weitergeführt werden dürfe. Dieser Teil der Schule müsse selbständig verwaltet werden. Da das türkische Schulgesetz jedoch auch Schulen verschiedener Schulträger in einem Gebäude verbietet, sei ein gemeinsamer Verbleib beider Schulen am Ort problematisch. Nicht zu vergessen ist außerdem das nach der Reform neu zu bewertende, im Privatschulgesetz festgesetzte 20 v.H.- Kontingent, das den Anteil deutscher Schüler auf 20% der türkischen reduziert. Dies ist unter den neu entstandenen Bedingungen nicht mehr einzuhalten, bzw. nur für die Oberstufe praktikabel. Allerdings war von der türkischen Seite auch zu hören, dass man dort – im Rahmen der bestehenden Gesetze – an für beide Seiten akzeptablen Lösungen interessiert sei. Ein Ausweg könnte es sein, den Teil des Gebäudes in dem der Mittelstufenunterricht für deutsche Schüler stattfindet, abzutrennen (z. B. durch zwei verschiedene Eingänge) und diese neu entstandene Schule formell der deutschen Botschaft bzw. der Zweigstelle der Botschaftsschule in Istanbul (bisher nur Klassen 1 – 5) zu unterstellen. Daraus würden sich wiederum administrative Schwierigkeiten (Schulleitung, zwei Schulvereine ) und Probleme für die Lehrkräfte (Erteilung von Unterricht an zwei verschiedenen Schulen, Stundenplanabstimmung) ergeben. Diese Alternative könnte allerdings am Rechtsstatus der Botschaftsschule scheitern: der Verein zum Betrieb der Schule ist kein türkischer Verein. Schließlich böte sich als letztes Mittel noch eine Umwandlung des deutschen Zweiges in eine Privatschule an, womit freilich der kulturpolitische Charakter der Schule als binationale Begegnungsstätte verloren ginge. 242

10. Russland

10.1. Das Goethe-Institut Moskau

Kulturprogramme Das Goethe-Institut Moskau organisiert verschiedenste Veranstaltungen aus den Bereichen Wissenschaft und Literatur, Musik, Film/Filmreihen, Medien/Rundfunk/visuelle Kommu- nikation, Theater/ Theaterprojekte, sowie Ausstellungen zur Präsentation deutscher Kultur. Einer der Schwerpunkte der kulturellen Programmarbeit des Instituts war z.B. die Konferenz ”Bauliche, soziale und kulturelle Entwicklung von Plattenbau-Großsiedlungen”, die in Zusammenarbeit mit dem Senat der Stadt Berlin und der Stadt Moskau durchgeführt wurde. Diese Konferenz wurde begleitet von einer Ausstellung und verschiedenen Konzerten, u.a. mit einer der wenigen deutschen, international maßgeblichen Musikgruppen, der Kultband ”Einstürzende Neubauten”. In der Reihe ”Heimatfilme” zeigte das Kino des Goethe-Instituts verschiedene deutsche Filme, die dem russischen Publikum den Wandel Deutschlands von der Zeit des ersten Weltkriegs bis heute vor Augen führen sollten. Die Palette der Filme reichte dabei von Werken wie ”Fernweh” (stellvertretend für die Zeit zwischen 1919 – 1928) und ”Heimatfront” (1943), über ”Grün ist die Heide”, ”Schwarzwaldmädel” oder ”Sissi” (Nachkriegszeit), bis hin zu moderneren Filmen wie ”Der wilde Clown”, ”Herbstmilch” oder ”Die Krücke”. Im Anschluss an die Vorführungen fanden oftmals noch zusätzliche Diskussionsrunden statt. Im Rahmen der Musik- und Theateraufführungen gaben die Opern Bonn und Moskau unter der Regie von Jurij Liubumow das Stück ”Pique Dame” zum Besten, im März ’98 folgte ein Tschechov-Festival. Natürlich wurde auch des 100. Brecht – Geburtstags mit einem Vortrag zum Thema ”Brecht und das Schicksal der Kunst im 20. Jahrhundert” gedacht. 1998 besuchten 53 018 Zuschauer die Programme des Instituts.

Deutsch lehren und lernen Für interessierte russische Bürger wird ein differenziertes Sprachkurs-Angebot bereitgehalten. Anfänger und Fortgeschrittene können dabei unter allgemeinen Sprachkursen und speziellen Sprachkursen wählen. Die allgemeinen Deutschkurse untergliedern sich wiederum in ein dreisemestriges Grundstufenprogramm (optional: 2 Semester Intensivkurs), ein drei- semestriges (optional zweisemestriges) Mittelstufenprogramm und in ein zweisemestriges 243

Oberstufenprogramm. Alle drei Kurse können mit jeweils angemessenen Prüfungen abgeschlossen werden: mit dem Zertifikat Deutsch als Fremdsprache (ZDaF), der Zentralen Mittelstufenprüfung (ZMP) und der Zentralen Oberstufenprüfung (ZOP). Spezielle Deutschkurse werden in Form eines zweisemestrigen Wirtschaftsdeutschkurses, der mit der Prüfung für Wirtschaftsdeutsch (PWD) abgeschlossen werden kann, und einem Kurs für juristisches Fachdeutsch, angeboten. In Sonderfällen werden auch externe Kurse, etwa in Unternehmen, durchgeführt. Im Bereich der pädagogischen Verbindungsarbeit führt das Institut u.a. Seminare und Workshops, zu den Themen Bildungs-/Sprachpolitik, Didaktik/Methodik, Fachsprachen, Landeskunde, Literatur und Mediendidaktik für russische Deutschlehrer, durch. Das GI ist auch Partner für die Entwicklung von Lehrmaterialien, wie z. Bsp. für das Werk “Hallo Nachbarn”, für deutsche Minderheiten bestimmt. Es werden Fernstudiengänge angeboten, deren Zielgruppe vor allem Deutschlehrer und Studenten der Germanistik sind. Das Stipendienprogramm ”Russlandfonds der deutschen Wirtschaft”, initiiert von Botschafter Dr. von Studnitz, hat bei deutschen Unternehmen sowie auf russischer Seit positive Resonanz gefunden. Mit der Durchführung wurde der DAAD beauftragt. Das Programm ist auf 10 Jahre angelegt. Die finanziell Ausstattung pro Jahr beträgt gegenwärtig 130.000 DM (66 468 €). Damit können zur Zeit über 60 Stipendien à 20.000 DM (10 226 €) finanziert werden. Im Verlauf des 1. Förderjahres (1997/98) wurden 20 Kandidaten ausgewählt, die ihr Studium im Oktober 1997 in Deutschland aufgenommen haben. Es werden für die folgenden Jahre ca. 70-80 Stipendien vergeben.213

Informationszentrum / Bibliothek Die Bibliothek umfasst einen Gesamtbestand von 10. 433 Exemplaren, davon 9.034 Bücher, 69 Zeitungen/Zeitschriften und 1.330 audiovisuelle Medien. Der Bestand wird nur mäßig umgeschlagen (1998: 1.614 Entleiher/innen), vielfach von den eigenen Kursteilnehmern oder den Lehrern. Die Bibliothek organisierte 1998 eine deutsch-russische Bibliothekskonferenz.

213Politischer Halbjahresbericht Russische Föderation. Auf der Grundlage des Politischen Halbjahresberichts Russische Föderation (Russland). Auswärtiges Amt, Hg., Bonn, Stand: März 1998. 244

10.2. Bericht des Leiters des Goethe- Instituts

In einem Bericht des Institutsleiters Kahn-Ackermann im Goethe-Institut in München im Februar 99 stellte sich die Situation in Russland und der GUS wie folgt dar: Die Kulturangebote aus Deutschland sind weitestgehend reduziert, ohne dass bisher neue Möglichkeiten aufgebaut wurden.. Institutionelle Strukturen existieren so gut wie gar nicht mehr. Der Verband der Schriftsteller besaß z.B. ein eigenes Gebäude welches häufig genutzt, dann jedoch zu einem Luxusrestaurant umfunktioniert und dadurch zweckentfremdet wurde. Der intellektuelle Diskurs in Russland ist praktisch zusammengebrochen. Ein Substanzverlust, der sich künstlerisch-intellektuell festmacht, ist zu verzeichnen. Die Elite- Strukturen funktionieren nicht mehr, wobei man sich im Sprachbereich noch Partner aussuchen kann. Deutschlehrer müssen sich monatelang ohne Gehalt über Wasser halten und sind zum Teil sogar unterernährt. Trotzdem kommen sie oft über Hunderte von Kilometern zu Fortbildungen ins Goethe-Institut durch die GUS gereist. Dafür gibt es in Russland 100 Kontaktstellen für Weiterbildungsmaßnahmen an verschiedenen Orten wobei das Goethe- Institut an 48 vertreten ist. 30 Netzwerk Orte, in denen oft freiberufliche Mitarbeiter des Goethe-Instituts Fortbildungsseminare durchführen, befinden sic darunter. Häufig ist das Goethe-Institut auf die Ortskräfte angewiesen, d.h. auf Ehefrauen, die im Gastland geheiratet haben. Sie sind die Basis der Arbeit vor Ort, haben allerdings keinerlei Chancen, beruflich weiter aufzusteigen. Die Möglichkeit ihre Position zu verändern oder ihren Dienstort zu wechseln besteht nicht. Deshalb ist eine Forderung des Institutsleiters, die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs für diese Lehrkräfte zuzulassen, bzw. andere, leistungsfördernde Maßnahmen ergreifen zu können. Die Ortslehrkräfte sind überqualifiziert, werden jedoch nur als Sachbearbeiter bezahlt. Diese qualifizierten Fachleute haben Zugang zur lokalen bzw. regionalen Szene, oder können diesen Zugang eröffnen. Sie müssen jedoch, formal und finanziell Sachbearbeiter sein. Somit ist es nur eine logische Konsequenz, dass sich mittlerweile auch die Konkurrenz für diese unterforderten und frustrierten Lehrkräfte interessiert und eine massive Abwerbung betreibt. So wurde zum Beispiel eine Ortslehrkraft Marketingleiter in einer neu gegründeten Bertelsmann-Buchhandlung in Moskau. Auch aus diesen Gründen sind dringend gegensteuernde Maßnahmen zu treffen. Es gab eine Puschkin- Ausstellung im Goethe-Institut Moskau, in der dessen zweihundertsten Geburtstags gedacht wird. Puschkin (1799-1837) gilt als der größte russische Dichter. Puschkin trägt zum 245

emotionalen Selbstverständnis und zur nationalen Selbstaufwertung vieler Russen bei. Deswegen kann dieses Jubiläum durchaus auch als eine Art ”Medizin” zur Heilung des gekränkten russischen Nationalstolzes angesehen werden. Ein großes Fest wurde gefeiert, ein Erlebnis für Moskau mit Ausstrahlungskraft für Europa. Ansonsten wird in Moskau Kulturpolitik vollständig politisiert bzw. fragmentarisiert, und es gibt keinen kulturpolitischen Diskurs.

10.3. Die Deutsche Schule Moskau214

Die Deutsche Schule Moskau ist eine deutschsprachige Auslandsschule, die in Russland deutsche Bildungsziele vermittelt und zu deutschen Abschlüssen führt. Die Schule bietet dabei den Hauptschulabschluss nach der Jahrgangsstufe 9, den Realschulabschluss nach der Jahrgangsstufe 10, sowie die Reifeprüfung nach der 13. Klasse an. Das Abitur berechtigt zum Studium an deutschen und russischen Hochschulen, Haupt- und Realschulabschluss sind denen im innerdeutschen Schulwesen ebenfalls gleichwertig. Alle drei Stufen des deutschen Schulsystems sind somit auch in Moskau verfügbar.

An die übliche, vierjährige Grundschule schließt sich in den Klassen 5 und 6 die Orientierungsstufe an, nach der die Schüler – entsprechend ihrer Neigungen und Fähigkeiten – entweder in den Haupt-, Realschul- oder den gymnasialen Zweig überwechseln. Dabei gliedert sich die Schule in die Sekundarstufen I (7. bis 10. Klasse) und II (10. bis 13. Klasse), wobei in Stufe I je nach Schultyp die verschiedenen Zweige gefahren werden. Grundlage für die Unterrichtsgestaltung an der deutschen Schule Moskau sind die Lehrpläne des Bundeslandes Baden-Württemberg. Die Schule hat derzeit etwa 350 Schüler, von denen die meisten die Grundschule bzw. die Sekundarstufe I besuchen. Den angeschlossenen Kindergarten besuchten 1997 95 Kinder. Die Klassenstärken der DSM liegen mit durchschnittlich ca. 18 Schülern deutlich unter dem innerdeutschen Niveau, wobei es in der Sekundarstufe II – ihrer geringen Schülerzahl entsprechend – lediglich jeweils eine Klasse pro Jahrgangsstufe gibt. Aufnahmekriterien für den Besuch der Schule sind entweder die deutsche Staatsangehörigkeit oder entsprechend der Zielsetzung der Schule auch nicht-

214 Hackenberg, Jürgen: Auf der Grundlage des Berichts des Schulleiters Jürgen Hackenberg, Jahresrückblick, Moskau, 1997/98. 246

deutsche Schüler, sofern sie die deutsche Sprache beherrschen und ihre Eltern innerhalb der Russischen Föderation leben. Die meisten Schüler kamen aus Deutschland (246), gefolgt von Russland (50), Österreich (19) und der Schweiz (6). Aus anderen Ländern kamen schließlich noch 24 Schüler. Deutsch ist die Muttersprache von insgesamt 273 Kindern. Wie in vielen anderen deutschsprachigen Auslandsschulen macht sich auch in Moskau das Problem stetig sinkender Schülerzahlen bemerkbar. Grund für diese Entwicklung sind zum einen die katastrophale wirtschaftliche Lage in Russland, zum anderen aber auch eine sich zunehmend verändernde Personalpolitik deutscher Unternehmen mit der Tendenz, weniger teueres Personal, d.h. vor allem solches ohne Kinder, ins Ausland zu entsenden. Eine erneute Steigerung der Schülerzahlen hofft man dadurch zu erreichen, dass die Schule mehr als bisher auch für russische Schüler geöffnet wird. Die russische Sprache ist beispielsweise seit kurzer Zeit fest im sprachlichen Unterrichtsangebot der Schule verankert: erste Fremdsprache ist Englisch ab der 5. Jahrgangsstufe, zweite Fremdsprache jedoch entweder Französisch oder Russisch. Für die Schüler, die Russisch nicht als zweite Fremdsprache gewählt haben, kommt dies allerdings ab der 11. Jahrgangsstufe als dritte Fremdsprache verpflichtend hinzu. Russisch wird außerdem in Form einer Arbeitsgemeinschaft schon ab der ersten Klasse angeboten. Um der zunehmenden Anzahl russisch sprechender Kinder in der Grundschule den Eintritt in das deutschsprachige Schulsystem zu erleichtern, wurde in Zusammenarbeit mit dem Kindergarten ein Konzept entwickelt, bei dem die angehenden ABC-Schützen in spielerischer Form in die deutsche Sprache eingeführt werden: dreimal pro Woche treffen sich die Kinder mit ihren künftigen Lehrern zum Deutsch-Intensiv-Kurs, in dem sie Personen, Gegenstände und Verhaltensweisen des Schulalltags kennen und verstehen lernen. Zusätzlich dazu wurde der Intensiv-Kurs (DIK) auch innerhalb der Klassen eins bis drei eingeführt. Hier beschäftigen sich die Schüler unter sich in kleinen Gruppen mit der deutschen Sprache. Mit diesem Angebot wird die Schule ihrer selbstgestellten Aufgabe gerecht, die Schüler neben der fachlichen Qualifikation auch mit der russischen (bzw. deutschen) Sprache und Kultur vertraut zu machen sowie durch außerschulische Aktivitäten menschliche und kulturelle Verbindungen zum Gastland zu pflegen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern. Das Lehrerkollegium setzt sich zum größten Teil aus ortsansässigen deutschsprachigen Lehrern (24 Ortslehrkräfte), 2 freien Lehrern, sowie 13 von der Bundesrepublik entsandten Auslandslehrkräften und 3 Bundesprogrammlehrkräften zusammen (1997). Träger der deutschen Schule Moskau ist der Deutsche Schul- und Kindergartenverein, der eigene Rechtsfähigkeit besitzt und für finanzielle und personelle Angelegenheiten zuständig ist. Wie 247

alle deutschen Schulen im Ausland finanziert sich die DSM nur zum Teil durch Gelder aus dem Bundeshaushalt. Deshalb erhebt der Schulverein der DSM ein Schulgeld, dessen Höhe sich nach der Anzahl der Kinder richtet: beim 1. Kind sind es 7.200 DM pro Jahr, beim 2. 7.056 DM, beim 3. 6.915 DM, beim 4. 6.777 DM und beim 5. Kind ist schließlich ein Jahresbeitrag von 6.641 DM zu zahlen. Beim Kindergarten erfolgt die Staffelung ebenfalls nach der Anzahl der Kinder, zusätzlich dazu allerdings noch nach Ganz- oder Halbtagsbetreuung, wobei folgende Sätze gelten: 1. Kind: 5.400 DM / 3.600 DM, 2. Kind: 4.300 DM / 2.900 DM, 3. Kind: 3.200 DM / 2.200 DM. Weitere Kosten entstehen ferner bei der Anmeldung (300 DM), bei eventueller Aufnahmeprüfung (50 DM), sowie in Form einer Kaution von 1.600 DM zur Zwischenfinanzierung größerer Sonderausgaben, die allerdings nach Abmeldung von der Schule zuzüglich 2% Jahreszinsen zurückerstattet wird. Mitglieder des Schulvereins zahlen einen Jahresbeitrag von 20 DM. Eine weitere Besonderheit der Schule ist auch der angeschlossene Hort für Grundschulkinder, bei dem die Kinder nach einem Mittagessen und den Hausaufgaben von drei Erzieherinnen beim Spielen, Basteln oder Singen betreut werden, sowie ein eigener Busservice, um die großen räumlichen Distanzen Moskaus zu überbrücken. Für den Hort ist pro Kind ein Jahresbeitrag von 3.500 DM zu entrichten, bei Teilzeit (3Tage/Woche) 2.100 DM bzw. 1.400 DM (2 Tage/Woche). Die Busgebühr beträgt pro Jahr – in vier Zonen gestaffelt – 1.900 DM, 2.200 DM, 2.550 DM bzw. 2.900 DM. Die Deutsche Schule Moskau liegt im Südwesten der russischen Hauptstadt in unmittelbarer Nähe der Metro-Station Jugo-Sapadnaja. Die Gebäude der DSM (Hauptgebäude und Nebengebäude mit Kindergarten, gymnasialer Oberstufe sowie Fachräumen für Kunst und Werken) wurden 1996/97 vollständig saniert und befinden sich in einem sehr guten Zustand. Bereits kurz nach der Vereinigung der beiden deutschen Schulen in Moskau am 3. Oktober 1990 war klar, dass das Gebäude aus dem Besitz der ehemaligen DDR von Grund auf saniert werden musste. Nach Beginn der Bauarbeiten im März 1996 fand der Unterricht behelfsmäßig in zwei Schichten von 8.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr abends im Kindergartengebäude statt. Die Kindergartenkinder selbst mussten gar in die leerstehende Etage eines benachbarten Hochhauses umziehen. Am 3. Oktober 1997, also sieben Jahre nach der Gründung der Deutschen Schule Moskau, wurde der erfolgreiche Abschluss der Bauarbeiten mit einem großen Festakt in der Aula der Schule gefeiert. Aus diesem Anlas reiste der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Dr. Werner Hoyer nach Moskau, um die persönlichen Grüße des Außenministers zu übermitteln. Kinkel betonte in seinem 248

Glückwunschtelegramm die besondere Aufgabe der Schule als Mittler zwischen den beiden Kulturen, und hob die Bedeutung von Toleranz und Weltoffenheit im Unterricht hervor. Die gemeinsame Erziehung von Schülern unterschiedlicher Nationalitäten solle ihnen helfen, das gemeinsame Haus Europa zu bauen. Neben der Schulkantine, der Bibliothek, dem Kinderhort und den Fachräumen wurde im Schuljahr 1997 mit Unterstützung des Elternbeirates ein Aufenthaltsraum zur Erledigung der Hausaufgaben eingerichtet. Reichhaltige Spenden des Schul- und Kindergartenvereins ermöglichten außerdem die Einrichtung eines, mit modernen PCs ausgestatteten, Computerraumes, in dem alle Workstations über einen Server ans Internet angeschlossen sind. Seit dem Frühjahr 1998 hat die DSM durch die tatkräftige Mithilfe ihrer Schüler auch eine eigene Web-Site: unter http://www.aha.ru/~dsm kann man die Schule über die Datenautobahn erreichen. Das kulturelle Leben an der Schule kann sich ebenfalls sehen lassen: besonders im musischen Bereich bietet die DSM vielfältige Betätigungsmöglichkeiten und organisiert hochkarätige Musikveranstaltungen. Glanzpunkt im Schuljahr 1996/97 war die Aufführung der, unter immensen Eigenleistungen vorbereiteten, Oper ”Orpheus und Eurydike” von Christoph Willibald Gluck. Unter der Mithilfe einer eigens (für 7 Wochen) aus Stuttgart eingeflogenen Regisseurin, einer professionellen Choreographin, Ton- und Beleuchtungstechnikern sowie insgesamt 120 Mitwirkenden, darunter auch der Chor der Pädagogischen Universität Moskau, wurde die Aufführung schließlich ein phänomenaler Erfolg. Sogar die ”Frankfurter Allgemeine Zeitung” berichtete ganzseitig von diesem Ereignis. Bei der Aufführung der Oper wurden erstmals völlig neue Darbietungsformen gewählt: Elemente des Schatten- und Figurentheaters wurden mit Tanzelementen und musikalischen Solos, Chor und Orchester kombiniert. Im musikalischen Bereich hat sich außerdem die Musikschule der DSM etabliert. Hier wollen musisch engagierte und interessierte Deutsche, die in Moskau leben, den Schülern die Möglichkeit geben, bei guten (vorzugsweise deutschsprechenden) Lehrern Instrumentalunterricht zu erhalten und das Zusammenspiel verschiedener Instrumente zu üben. Die Musikschule der DSM veranstaltet nebenbei auch noch Konzerte, die sich großer Beliebtheit erfreuen. So gab der deutsche DAAD-Stipendiant Holger Berndsen vom Moskauer Konservatorium ein Klavierkonzert und beriet die Schüler in einer anschließenden Diskussion. Im März 1998 nahmen 10 Schüler der DSM-Musikschule am Wettbewerb ”Jugend musiziert” in Helsinki teil. Im Theaterbereich wurden zwei Vorstellungen gegeben, einmal das moderne russische Theaterstück ”Aus der Tierwelt” von dem in Deutschland lebenden Moskauer Dramatiker Ilja Tschlaki, der sich danach persönlich einer angeregten 249

Diskussion stellte, und die Aufführung des ”Dornröschen Syndrom” der Theater AG der Schule. Auch in ihrem kulturellen Umfeld ist die Schule gut verankert. Zusammen mit der Moskauer Schule Nr. 1277 führte die 10. Klasse der Realschule ein dreitägiges Projekt zum Thema ”Vorurteile, Klischees und Konflikte im interkulturellen Zusammenleben” durch, dessen Ausgangspunkt Max Frischs Lektüre ”Andorra” war. Dabei berichteten die russischen Schüler von den Eindrücken ihrer Klassenfahrten nach Deutschland und die deutschen Schüler von ihren Erfahrungen in Moskau. Die Schüler kamen so zu dem Ergebnis, dass sie sich trotz der jeweils fremden Umgebung nicht fremd im Sinne eines ”Ausgegrenztseins” gefühlt haben bzw. fühlen, so wie es Max Frisch in seinem Stück thematisiert. Besonders die deutschen Schüler begrüßten die Gelegenheit, mit ihren russischen Altersgenossen zusammenzuarbeiten und Kontakte aufzubauen. Anlässlich des 850-jährigen Jubiläums der russischen Hauptstadt nahmen Kinder der Klassen 4 bis 6 am internationalen Wettbewerb ”Moskau in den Zeichnungen der Kinder aller Welt” teil. Hierbei wurde ein Gemein- schaftsbild von mehreren Schülern erstellt. Lohn dieser Mühen war ein vom Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow unterschriebenes Diplom und ein Buch, mit allen prämierten Zeichnungen samt Beschreibung und Namen des ”Künstlers”.

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11. Reformbedarf, der sich aus Teil C ableitet

11.1. Analyse der typischen Ergebnisse untersuchter Einrichtungen

Bei der nun folgenden Untersuchung geht es darum, einige Beispiele aus Teil C zusammenzufassen, um zu zeigen wo Vorstellungen von Reformen umgesetzt werden sollen, wo Indikatoren für eine Operationalisierung im Sinne von Verständnisbildung füreinander, wo grenzüberschreitende Kooperation, das Lernen mit- und voneinander zu finden sind. Als Leitfaden für die Analyse des Reformbedarfs dienen die Themenbereiche, die Alois Wierlacher und Hans R. Reich als „zentrale Bedingungen der Selbstkonstitution“215 für die interkulturelle Bildung benennen, sowie die Themenschwerpunkte, die für die Fragebögen unter D aufgestellt sind. Aus drucktechnischen Gründen ist der übliche Fußnoten-Verweis auf bereits gebotene Textstellen und Zitate, aus den aus C 2.-10. wiedergegebenen Passagen, nicht möglich. Diese Textdoppelungen sind durch kursive Setzung kenntlich gemacht, womit sie zugleich bei der anfolgenden Auswertung als zitierte Belege leichter auffindbar werden sollen. Absichtlich wird auf den Originaltext zurückgegriffen, um nicht die Interpretation der Interpretation vornehmen zu müssen und die Aussagen so authentisch wie möglich zu belassen.

Die Beschreibungen der Rahmenbedingungen für die Goethe-Institute und Deutschen Schulen in den Partnerländern in Teil C verdeutlichen die Substanz und Tragfähigkeit der dritten Säule und dienen somit ihrer Darstellung. Um sich eine Vorstellung von der Zukunft der Einrichtungen und den anstehenden Reformen machen zu können, ist es wichtig, die tatsächlichen Verhältnisse zu kennen. Deshalb habe ich die Ansichten der Deutschen Schulen und der Goethe-Institute wie folgt entworfen:

215 Reich, Hans R.; Wierlacher Alois: Bildung. In: Handbuch interkulturelle Germanistik. Wierlacher Alois u. Bogner Andrea, Hg., Stuttgart, 2003. S.206. Siehe auch unter: Begriffliche Klärung. A.1.2. Interkulturelle Bildung. 251

Deutsche Schulen: die Lage, der Schulverein und die Eltern, das Schulgeld, Anzahl der Schüler, Lehrkräfte, Struktur der Schule, Abschlüsse, außerunterrichtliche Veranstaltungen, interkulturelle Komponente. Die Beschreibung der Goethe-Institute konzentriert sich auf drei Punkte: Kulturprogramme, Deutsch lehren und lernen, Bibliothek. In den Beschreibungen finden sich die spezifischen Ausprägungen im Kontext mit dem jeweiligen Land und seiner Kultur. Hildegard Hamm-Brücher hat, wie unter A 1.3 ausgeführt, den bildhaften Vergleich der Brücke bei der Beschreibung der Funktion Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik gewählt. Um dies auf die Brückenfunktion der Kultur und Bildungsarbeit zu übertragen, müsste dort, wo einst ein Hindernis bestand, ein konstruktiver Dialog durch Anschauungsgewinnung, auch im Bewusstsein des Trennenden, ermöglicht werden. Dass im zusammenwachsenden Europa dieses für einen dauerhaften Bestand von immenser Bedeutung sein wird, ist ja offenkundig. Es stellen sich die Fragen: (Siehe A 1.2.) Wo gibt es grenzüberschreitende Kooperation, wird mit- und von einander gelernt, findet interkulturelle Bildung statt (Siehe A 1.2.), in welchem Maß wird Deutsch als Fremdsprache angenommen, wird die Sprache des Partnerlandes gelernt? Werden andere Vorgehensweisen als gleichwertig anerkannt, kreative Vorgehensweisen bei der Organisation von interkulturellen Veranstaltungen in dem von mir untersuchtem Spektrum umgesetzt?

Der zweite von mir zu untersuchende Punkt, der institutionelle Reformbedarf (Siehe A 1.2.), müsste als Ziel unterstellen, dass die den Einrichtungen übertragenen Aufgaben den formulierten Zielsetzungen entsprechend bewältigt werden können. Gerade unter dem Druck der Sparforderungen zeigt sich, wie wichtig eine zielorientierte Organisation und die Erschließung aller möglichen Geldquellen ist. Zu diesem Komplex gehören neue Formen des kulturellen Gestaltens, der Bildungsarbeit und intensivierte Zusammenarbeit unter den verschiedenen Mittlern sowie die Kooperation mit anderen europäischen Partnern. Auch örtliche Mängel können den Bestand ganzer Einrichtungen in Frage stellen. Wichtig ist hier auch, dass die Kompetenzen klar verteilt sind. Die Nutzung der Synergien ist ein in die Zukunft weisendes Thema. Stetige Anpassungen an neue Gegebenheiten und Anforderungen, vor allem auch im Hinblick auf die Akzeptanz der Nutzer, ist zudem weiterhin unerlässlich. Ob die von mir oben genannten Punkte realisiert werden, soll deshalb untersucht werden.

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Zielrichtung der Reformen Bei der Nennung der Leitlinien unter A 1.3. werden mehr Optionen offeriert als übersichtlich und operationalisierbar sind, jedoch würde das Weglassen dieser auch bedeuten, ineinander verschränkte und verwobene Leitlinien nicht zu benennen. Genauso wenig praktikabel scheint mir, Ziele umzusetzen, wie sie auf der zwischenstaatlichen Konferenz über Kulturpolitik und Entwicklung im April 1998 in Stockholm als Selbstverpflichtung der Teilnehmerstaaten münden sollten. Da unsere gesellschaftliche Zukunft auch davon beeinflusst werden wird, ob wir es vermögen im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungsarbeit Reformen umzusetzen und Nachhaltigkeit zu bewirken, soll noch mal ein Blick auf die Ausrichtung sinnvoller Reformen geworfen werden, auch ohne die Verifizierung dieser im Detail zu beschreiben. Darüber hinaus wird danach gefragt, in wieweit die von der UN-Kommission zur Umsetzung und Einbeziehung in den Agenda Prozess wichtigen Gruppen: Frauen, Wissenschaftler und nichtstaatliche Organisationen beteiligt sind.

11.2. Anstehende Reformen inhaltlicher Art

Deutschlandbild Dass Bild, das sich die Menschen der Partnerländer vom jeweilig anderen machen, ist durch viele Komponenten geprägt und bestimmt auch die Zugänglichkeit für Begegnungen. Die Situation in Großbritannien, wie unter C 2. beschrieben, weist erhebliche Störungen einer konstruktiven Kommunikation zwischen Deutschland und England aus. Die historischen Belastungen wiegen selbst heute noch so schwer, dass immer wieder nur mit großen Bemühungen beider Seiten ein akzeptables Bild voneinander entstehen kann. Europafeindliche und kritische Tendenzen in England verbinden sich mit der Propagierung von Vorurteilen gegenüber Deutschland, weil unterstellt wird, es stünden deutsche Großmachtinteressen hinter der europäischen Einigung. Dieses Vorurteil wird von einigen Boulevardblättern wie zum Beispiel der Sun, dem Mirror oder dem Daily Telegraph vielleicht schwerer als in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg aufgegriffen und gepflegt. Die Rolle der Muttersprache als “Weltsprache” schafft in England zusätzlich eine Distanz zum Kontinent. Dem Erlernen einer anderen Sprache wird nicht prioritär Bedeutung zugemessen. Die 253

Verwertbarkeit einer zu lernenden Sprache steht im Vordergrund. Frankreich ist der unmittelbare Nachbar und langjährige Verbündete, wer nach Frankreich reisen will, braucht schon Kenntnisse in Französisch, da dort das Fremdsprachenlernen nicht sehr ausgeprägt ist. Auf die Balearen reist man touristisch, also ist Spanisch eine weitere gefragte Sprache. Wie sich unter C 2.1. bei der Umfrage des Goethe Instituts gezeigt hat, herrschen unter britischen Jugendlichen hartnäckige Vorurteile gegenüber Deutschland, die sich erst allmählich beim Erlernen von Deutsch oder dem Besuch des Landes auflösen. Dahingehend wirkt auch das Programm “German Season” mit web sides zur Information über deutsch-britischen Jugendaustausch, sowie Stipendienprogrammen des DAAD. Leider geht der Austausch bisher einseitig (dreimal soviel) von Deutschland nach England. Im Sinne des Abbaus von Vorurteilen und um sich ein eigenes Bild zu machen, müssten Programme stärkere Förderung erfahren, die englischen Schülern, Studenten und Wissenschaftlern einen Besuch in Deutschland und das Erlernen der deutschen Sprache ermöglichen. 44500 Besucher der Kulturprogramme des GI in London zeigen, dass dieses Institut etwas zu bieten hat. Durch die Auswahl der Referenten (wie unter C 2.2. beschrieben), wie z. B. der bekanntlich aus Deutschland stammende Lord Dahrendorf, der in England studiert hat, dessen Frau Engländerin ist, oder der ebenfalls bei uns wie international hoch angesehene frühere Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, beide in Deutschland als moralische Instanz respektiert, stehen für ein nicht unkritisches aber eben doch sehr differenziertes, positives Deutschlandbild. Die neuen Bundesländer, vertreten durch die Vorstellung Weimars als Kulturstadt Europas 1999, sollen neue Informationen und Entwicklungen vermitteln. Fazit: Das Deutschlandbild, welches sich Menschen anderer Länder machen, entscheidet mit über eine gemeinsame friedliche Zukunft.

Beziehung zum Partnerland

Ebenso schwierig gestaltet sich der Dialog mit Tschechien. Hartnäckig werden die Beneschdekrete von 1948, welche “ alle Akte der gerechten Vergeltung” an Sudetendeutschen für straffrei erklären, vom Tschechischen Parlament verteidigt. Vaclav Havel, dessen Amtszeit im Frühjahr 2003 zu Ende ging, hat zwar einen Neubeginn angestoßen, konnte aber letztlich das verkrampfte Verhältnis nicht wesentlich beeinflussen. Dass die EU- Kommission die Dekrete als mit dem europäischen Recht vereinbar fand, war 254

im Sinne eines Brückenbaus nicht hilfreich, weil Mord, Vertreibung und Enteignung nachträglich, gleich von welcher Seite, nicht legalisiert werden können. In der deutsch- tschechischen Erklärung von 1997 wird die “Zwangsmigration der Sudetendeutschen” tschechischerseits bedauert. Auch das Goethe-Institut Prag leistet seinen Beitrag zur Verständigung zwischen den beiden Völkern durch Vermittlung eines aktuellen Deutschlandbildes, wie im Interview mit der Leiterin des GI Prag unter 5.4. klar zum Ausdruck kommt: “Mir ist eine Hinwendung zum heutigen Deutschland wichtig. Deshalb bemühe ich mich, besonders auch jüngere Deutsche hier vorzustellen, da die Tschechen sehr wenig über das heutige Deutschland wissen. Ich möchte also den Dialog zwischen Deutschen und Tschechen herstellen. Noch ist dieser Dialog deutlich überlagert von der Diskussion, die von der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgeht, aber meiner Meinung nach repräsentieren die Sudetendeutschen nicht die Mehrheit bei uns. E. A: Haben Sie denn mit der Landsmannschaft auch im Goethe-Institut zu tun? G. B: Ja, das Bundesministerium des Inneren stellt Mittel für Begegnungszentren bereit. Wir erhalten daraus 31.000 DM. In dieser Woche findet hier ein Treffen der Leiter der Begegnungszentren statt. Ich glaube, auf diesem Wege kann man den Dialog zwischen Sudetendeutschen und Tschechen fördern. Man kann das hiesige Deutschlandbild aktualisieren, was dringend notwendig ist. Die Programmreferentin des GI stellt eine Möglichkeit vor, aktuell Verbindungen zwischen der tschechischen und deutschen Kultur aufzubauen: 5.4. Eine sehr wichtige Veranstaltung für das Zusammenleben und gegenseitige Verständnis von Deutschen und Tschechen ist unser internationaler Essay Wettbewerb ”Die Zukunft von der Vergangenheit befreien? Die Vergangenheit von der Zukunft befreien?” In Anlehnung an die Tradition der Akademien der Wissenschaften und Künste im Europa des 18. Und 19. Jahrhunderts schreiben wir zusammen mit der renommierten Zeitschrift ”Lettre International” und der GmbH ”Weimar 1999 – Kulturstadt Europas” diese Preisfrage zur Beantwortung in Form eines Essays aus. Teilnehmen kann jeder Interessierte. Die ersten drei Gewinner erhalten hoch dotierte Geldpreise in Höhe von 50.000 DM, 30.000 DM und 20.000 DM und werden zur Preisverleihung nach Weimar eingeladen. Außerdem erhalten sie ein Arbeitsstipendium in Deutschland und ihre Essays werden in den verschiedensprachigen Ausgaben von ”Lettre International” sowie anderen internationalen Kulturzeitschriften veröffentlicht. 255

In manchen Ländern sind die Beziehungen nicht von historischen Belastungen geprägt. Wie unter 9.1. beschrieben, sind die Türken traditionell positiv gegenüber Deutschland eingestellt. Dies ist begründet durch die lange politische Zusammenarbeit. Deutschland wurde besonders seit dem vergangenen Jahrhundert gerne als ”großer Bruder” und ”Freundesland” bezeichnet. Es beteiligte sich an der Entwicklung des Landes in den letzten Jahrzehnten des Osmanischen Reiches, und deutsche Fachleute spielten eine wichtige Rolle bei der Modernisierung des Landes im Rahmen der Atatürkschen Reformen. Oft wird auch heute noch an die Waffenbrüderschaft im 1. Weltkrieg erinnert. Andererseits trugen die vielen türkischen Gastarbeiter als Heimkehrer oder auf Heimaturlaub zu diesem positiven Bild bei. Hinzu kommen noch die größtenteils freundschaftlichen wirtschaftlichen und touristischen Beziehungen zwischen beiden Staaten.” Diskussionsgegenstand auch zur Einschätzung und Erfahrung eines Deutschlandbildes bot in Moskau ein Zyklus der Heimatfilme, wie unter 10.1. beschrieben. Deutsche Landschaft, Tradition, Dorfleben, Vergangenes wurde gezeigt. Heimeliges, Erwärmendes aus einer Zeit, die nicht mehr ist, im Gegensatz zu den gegenwärtig harten Lebensbedingungen für viele Menschen in Russland. Wie beim Interview mit den Schülersprechern unter 2.5. deutlich wird, sind auch Deutsche im Ausland geneigt, sich in Parallelgesellschaften einzurichten. Erscheinungen, die wir hier bei Immigranten kritisieren, treten auch bei Auslandsdeutschen auf: T: Wir empfinden die Deutsche Schule wie ein Ghetto, weil sie sich fern ab der Stadt auf einem abgegrenzten Areal befindet, wir nur für uns sind, und nur selten mit englischen Schülern in Kontakt kommen. Deshalb haben wir mit zwei bis drei englischen Schulen Treffen vereinbart, um gegenseitige Beziehungen aufzubauen. Die Deutsche Schule veranstaltet am 2. Dezember eine große Disko, wozu wir auch die beiden englischen Schulen einladen wollen. Die einzige Ebene, um mit englischen Jugendlichen in Kontakt zu treten, ist die private, z.B. in Form von Sportveranstaltungen. Deshalb wollen wir in Zukunft auch gemeinsame Sportveranstaltungen nach Schulschluss organisieren, z.B. Basketball-Wettbewerbe. A: Gibt es da nicht sprachliche Verständigungsprobleme? T: Die sprachlichen Herausforderungen, die an uns gestellt werden, sind groß. Es ist allerdings sehr schwer, die englische Sprache perfekt zu beherrschen, wenn man sie im Alltagsleben nicht spricht! Außerdem ist es sehr schwer, die englische Kultur kennen zu lernen, wenn der alltägliche Kontakt zu Einheimischen fehlt. A: Gibt es politische Vorbehalte gegenüber Deutschen? 256

T: Die mangelnde Kontaktbereitschaft der Engländer führen wir darauf zurück, dass die englischen Schüler einen völlig anderen Geschichtsunterricht haben als wir. Das Haupthindernis ist die deutsche Vergangenheit. Die Nazi-Vergangenheit und Hitler werden im englischen Unterricht ganz bewusst in engen Zusammenhang zu Deutschland gestellt.” Fazit: Auch die Schulen sind gehalten sich der Gesellschaft des Gastlandes zu öffnen. Isolation kann durch eine Deutsche Schule noch verstärkt werden. Umso mehr muss die Aufgabe gesehen werden, von der Schule her die deutsche Gemeinde zu öffnen zum Nutzen der Völkerverständigung. Auch die Deutsche Schule Prag engagiert sich in diesem Sinne, wenn sie wie unter 5.5. dargestellt z.B. für eine Ausstellung “ Frieden für Israel, Frieden für alle” im früheren KZ Theresienstadt, Bilder erstellt. Dieses dient nicht nur der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch dem Friedenserhalt in der Welt. Fazit: Unsere Beziehung zum Partnerland muss vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte reflektiert werden.

Deutsch als Fremdsprache

Deutsch als Fremdsprache findet in einer Weltstadt wie London besonders als Wirtschaftsdeutsch seine Interessenten. Dem gemäß muss das Angebot zunächst sehr sach- orientiert sein. Jedoch lehrt die Erfahrung, dass die zunächst utilitaristischen Motive einen stabilen Bezug zur deutschen Sprache begründen und darauf aufbauend Nähe und Offenheit für kulturelle Inhalte hergestellt werden. 2.1.A: Ist Spracharbeit Kulturvermittlung oder Wirtschaftsförderung? C: So pauschal würde ich das nicht sehen. Sicher ist die wirtschaftliche Motivation bei einem gewissen Kreis von Teilnehmern evident, der in kürzester Zeit ein bestimmtes Ziel erreichen will. Es gibt aber auch andere, die Deutsch sehr wohl aus kulturellem Interesse lernen. Diese Menschen, ob sie Kunsthistoriker, Musiker oder Journalisten sind, bringen jedenfalls ein kulturelles Hintergrundwissen mit, auch wenn sie Geschäftsleute sind. W: Auch im Selbstverständnis der Lehrer ist die Betonung auf das Wirtschaftsdeutsch gerichtet. Hier stecken die einzigen echten Wachstumspotentiale. Oft ist dies jedoch nur der Aufhänger: Wenn die Teilnehmer erst einmal Kontakt mit uns haben, interessieren sie sich auch für andere Aspekte, z.B. für kulturelle. Im Gegensatz etwa zu Italien, wo Deutsch hauptsächlich aus kulturellen Aspekten gelernt wird, liegt hier die Betonung klar auf der pragmatischen Verbesserung der Geschäftsmöglichkeiten. 257

C: Durch meine Besuche in allen Klassen vergangenes Jahr, würde ich die These vertreten, dass eine gesunde Mischung aus wirtschaftlich orientierten Pragmatikern und allgemein Kulturinteressierten in den Kursen besteht. Die Frage ist, was die dritte Säule der Außenpolitik zur Stabilisierung der zweiten Säule beiträgt. Ist die Spracharbeit nun Kulturvermittler oder Wirtschaftsförderer? Nach den Aussagen der Leiterin der Sprachabteilung ist eine solche Abgrenzung nicht möglich. Fazit: Deutsch als Fremdsprache trägt zum Verständnis unseres Landes und unserer Kultur bei und befördert auch das wirtschaftliche Miteinander.

Zwei Fremdsprachen lernen

Das Goethe-Institut beansprucht für sich die Vermittlung der Schlüsselfunktion der Mehrsprachigkeit. Jeder sollte seine Muttersprache, Englisch als lingua franca und eine weitere Sprache lernen. Insofern argumentiert der Leiter des GI London konsequent dafür, Deutsch als zweite Fremdsprache zu lernen. Es ist nicht anzunehmen, dass die britische Regierung von sich aus weitere Anstrengungen unternehmen wird, um den Fremdsprachen- unterricht auszuweiten: 2.1.Der Schwerpunkt dieser Bildungsreform liegt vor allem in der Verbesserung der schriftlichen Fertigkeiten, vor allem in der Förderung der drei großen "R" im Primarschulbereich: reading, writing und arithmetic. Sehr wohl würde sich aber eine Verbesserung ergeben, wenn durch Vorgaben der EU generell dem Fremdsprachenunterricht eine größere Bedeutung beigemessen würde. Auch zwischen Deutschland und Frankreich wird beklagt, dass das Interesse an der jeweiligen Nachbarsprache nachlässt. Selbst in der Deutschen Schule Paris wird neben der französischen Sprache die englische ab der fünften Jahrgangsstufe unterrichtet und man bemüht sich, in Englisch keinen “Rückstand” gegenüber Deutschland entstehen zu lassen. Man geht davon aus, dass es ohne Englisch keine Zukunftschance für junge Leute geben wird. Nur über eine stärkere Verbindlichkeit einer zweiten Fremdsprache kann eine Lösung gefunden werden, wie es auch der Leiter des GI bestätigt. 2.3.W: Die Rolle der deutschen Sprache in Großbritannien wird erst wirklich verändert bzw. verbessert, wenn eine zweite Fremdsprache in der Sekundarstufe an britischen Schulen obligatorisch wird. Wenn wir in Deutschland die obligatorischen Fremdsprachen allerdings selbst abbauen, wird es kulturpolitisch ziemlich schwierig sein, den Engländern die 258

Bedeutung einer zweiten Fremdsprache zu verdeutlichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwar keine Prognose wagen, aber ich stelle schon fest, dass selbst hier in England, dem Land der lingua franca, die Bereitschaft zum Umdenken, d.h. zum Erlernen einer anderen Sprache wächst. Dies mag mit der europäischen Einigung zu tun haben und man merkt, dass man in Englisch zwar kaufen, aber nicht verkaufen kann. Auf Initiative von Tony Blair untersucht die Nuffield Foundation gerade in einer groß angelegten Studie, warum es in Großbritannien so schlecht um das Erlernen von Fremdsprachen bestellt ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Egal, was dabei heraus kommt, so zeigt sich hierin doch ein Bewusstseinswandel, denn so etwas hat es früher nie gegeben. Dies ist ein Schritt nach vorn. Zur Stellung von Deutsch im Verhältnis zu anderen Fremdsprachen in der Türkei ist unter 9.1. zu lesen: Deutsch ist, zusammen mit Englisch und Französisch (und Arabisch auf den religiösen Schulen) eine der drei wichtigsten Fremdsprachen in der Türkei. Dabei liegt Deutsch weit abgeschlagen hinter Englisch, das mit 95% der Schüler eine absolute Monopolstellung genießt (Deutsch: 4%, Französisch: 1%). Auch in den Grundschulen, die seit der Erziehungsreform ab der 4. Klasse eine erste Fremdsprache lehren, zeigt sich ein ähnliches Bild: Englisch lernen etwa 98% der Schüler. An ungefähr 9% der fremdsprachlich ausgerichteten Anadolu-Schulen wird Deutsch neben Englisch als erste Fremdsprache angeboten. Auf den Regelschulen, die sich der Grundstufe anschließen – immerhin für 2/3 aller Schüler, die die Aufnahmeprüfung in die Elite-Schulen nicht schaffen – sinkt die Bedeutung des Deutschen kontinuierlich. Für die Türkei ist Deutschland der wichtigste Handels- und Wirtschaftspartner. Die meisten Touristen kommen von dort. In Deutschland lebt die größte Zahl von Auslandstürken. Trotzdem hat die Türkei die Sprachenfrage eindeutig zugunsten des Englischen entschieden. Für ein freiwilliges zusätzliches Erlernen des Deutschen ist der Studienstandort Deutschland zu unattraktiv, weil die Einreisebedingungen nicht flexibel gehandhabt werden können. Die deutsche Bürokratie will hier nicht unterscheiden zwischen einem Studenten und einem Hilfsarbeiter. Die Gefahr, dass sich Deutschland intellektuell abschottet, wird an diesem Beispiel belegt. Ähnliche Schwierigkeiten gelten für die meisten Länder. Während sich die USA bemühen, Begabungen aus der ganzen Welt anzulocken, reagiert die Bundesrepublik restriktiv und kleinlich.

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Fazit: Junge Europäer sollten in Zukunft zwei Fremdsprachen lernen, wobei Deutsch als zweite Fremdsprache eine besondere Rolle einnehmen könnte.

Die Sprache des Partnerlandes

Problematisch wird es, wenn die deutschen Schüler die Sprache eines Gastlandes lernen sollen, die nicht von vorne herein als existenziell bedeutsam eingeschätzt wird. Dazu äußert sich der Leiter der Deutschen Schule Prag. 5.6. Dr.v. H.: Die Sprachproblematik wird oft völlig falsch dargestellt. Überall dort, wo wir über Begegnungsschulen diskutiert haben, ist die Landessprache in einer falschen Form als Teil der Konzeption dargestellt worden. Unsere Schüler würden im Falle einer Begegnungsschule nur unwesentlich mehr Tschechisch lernen als jetzt. Nehmen wir das Beispiel der Begegnungsschule in Budapest: Die Schüler haben dort das Fach ”ungarische Kultur und Sprache”. Dieses Fach wird als eine Art ”Kulturfach” gesehen. Dies muss auch unser Ziel sein: die Vermittlung der tschechischen Kultur und Angebote zum Erlernen der Sprache, die individuell angenommen werden können. Dass beispielsweise ein Schüler der 9. Klasse, der bisher keine Ahnung von Tschechisch hat, dieses Angebot wahrscheinlich ablehnen würde, ist klar. Die Befürchtungen der Eltern sind also in diesem Fall schlicht nicht korrekt. Fazit: Die Sprache des Partnerlandes zu lernen, bedeutet, auch interkulturelles Lernen zu verwirklichen.

Bürokratische Hemmnisse für ein Studium im Partnerland

Die Staaten Mittelosteuropas in die EU aufzunehmen, bedeutet auch für die Bundesrepublik, sich gemeinsamer Wurzeln zu entsinnen, das Gewirr bürokratischer Hemmnisse zu beseitigen und ein Studium in Deutschland zu ermöglichen. Erscheinungen wie in der Deutschen Schule Prag unter 5.6. beschrieben, müssen schnellsten beseitigt werden. E. A: Besteht für nicht-deutsche, nicht-tschechische Schüler überhaupt keine Möglichkeit, schon vor dem Abitur nach Deutschland einzureisen, um sich über die Studienbedingungen zu informieren? 260

G. Kr: Es gibt einen Trick, der auch bereits von vielen unserer Schüler angewandt wird: Die Schüler berufen sich auf das Schengener Abkommen. In der Praxis sieht das so aus: Die Schüler gehen hier zur französischen Botschaft und besorgen sich ein Touristenvisum für Frankreich, was dort sehr leicht möglich ist. Daraufhin müssen sie mit dem Flugzeug nach Paris fliegen und haben von dort aus die Möglichkeit, ohne Visum per Zug nach Deutschland einzureisen. Dass dies mit erheblichen Kosten und Mühen verbunden ist, versteht sich von selbst. Fazit: Bürokratische Hemmnisse für ein Studium im Partnerland müssen abgebaut werden.

Gemeinsam mit Partnern erstellte Lehrmittel

Im Folgenden erklärt eine Fachkraft, die die örtlichen Gegebenheiten genau kennt, warum das Lehrmaterial, welches in Deutschland von Inter Nationes ohne Mitarbeit im Partnerland und ohne das Goethe-Institut entstanden ist, didaktisch unbrauchbar und der Zukunftsfähigkeit abträglich ist: 2.3.B: Beispielsweise deren Lehrübungen oder die Mappen über deutsche Städte sind größtenteils viel zu schwer. Wir versuchen Inter Nationes, bereits bevor sie produzieren, zu einer Kooperation zu bewegen. Das Problem am Inter Nationes-Material ist einfach, dass die örtlichen Bedürfnisse zu unterschiedlich sind, um auf einheitliches Material aufzubauen. Das Inter Nationes Deutschlandspiel war beispielsweise ein ziemlich dröges Ding. Jetzt heißt es “Kubuk", und schon das klingt ziemlich eckig. Diese Materialien sind entweder nicht ausführlich genug, oder schlichtweg zu langweilig. In der Sprache etwa haben sie eine viel zu dichte Information. Auch beim Thema Deutsch als Wirtschaftssprache muss man sich fragen, was deren Materialien mit Wirtschaft zu tun haben. Das Zeug ist sprachlich und didaktisch völlig unbrauchbar, das kann man vergessen. Hingegen wurden im Lehrwerkprojekt des GI “Schau mal”, welches z. B. in Bratislava (Siehe unter 6.2.) entstanden ist, unter Mitarbeit von Partnern wie der Gesamthochschule Kassel, unterstützt vom Pädagogischen Institut der Stadt Bratislava, Themenbereiche berücksichtigt, die aus einem gemeinsam von slowakischen, polnischen, tschechischen und ungarischen Fachleuten erarbeiteten Curriculum stammen. Ein Themenbereich ist “das Eigene und das Fremde” benannt. Globale Aspekte interkulturellen Miteinanders werden hier angesprochen. 261

In Zusammenarbeit hat das GI in Moskau mit der GTZ und russischen Autoren Material vor allem für deutsche Minderheiten erarbeitet (Siehe 10.1. “Hallo Nachbarn”), welches während der Erstellungsphase im Unterricht getestet wurde. Russische Lehrer wurden fortgebildet, es zu nutzen. Wie zu erwarten, war die Nachfrage nach diesem Unterrichtsmaterial von Anfang an stark. Ausschlaggebend dafür waren die länderübergreifende Zusammenarbeit und ein auf die Nutzer zugeschnittenes Unterrichtswerk sowie entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für die Lehrkräfte. Fazit: Gemeinsam mit Partnern anderer Länder hergestellte Lehrmittel erleichtern den Lernerfolg der Benutzer.

Länder übergreifende Lehrerausbildung

Unter 5.5. wird geschildert, wie das Pädagogische Fortbildungszentrum für Lehrer der Deutschen Schule Prag Länder übergreifend wirkt: Der Deutschen Schule Prag wurde im Schuljahr 1997/98 eine weitere wichtige Aufgabe übertragen. Sie wurde zum Pädagogischen Fortbildungszentrum für die Region Osteuropa und organisiert seither die Lehrerfortbildung für die Deutschen Schulen in Moskau, Prag und Warschau. Diese Fortbildungsveranstaltungen wurden bisher von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln selbst zentral durchgeführt. Aus unterschiedlichen Gründen funktionierte die konkrete Wahrnehmung dieser Veranstaltungen seitens der Lehrer jedoch oft nicht. Deshalb ist man im letzten Schuljahr versuchsweise dazu übergegangen, die pädagogische Fortbildung zu dezentralisieren. Hierfür wurden die drei Auslandsschulen in Moskau, Prag und Warschau zu einer Region (Osteuropa) zusammengefasst. Die inhaltlichen Entscheidungen bezüglich der Fortbildungen werden von einem sog. Pädagogischen Beirat getroffen, der sich aus den drei Schulleitern zusammensetzt. Auch die Lehrkräfte aller Fächer und Jahrgangsstufen sollen künftig an der Entwicklung von Inhalten und Formen ihrer Fortbildung beteiligt werden, um ihre Unterrichtsarbeit gezielt zu verbessern. Hierbei sind gegenseitige Unterrichtsbesuche, Pädagogische Tage und Konferenzen an den drei Schulen geplant, wobei mehrtägige Treffen ausnahmslos in Prag stattfinden werden. Für größere Fortbildungsveranstaltungen, etwa unter Einbeziehung von Experten anderer Schulen und Hochschulen, ist Prag prädestiniert. 262

Diese Fortbildungsveranstaltungen dienen der gegenseitigen Verständigung ebenso wie der Qualifikation. Es gilt, kreativ in der Organisation zu sein, um diese Treffen effizient zu gestalten. Eine andere Variante der Deutschlehrerausbildung, die unter schwierigen regionalen Bedingungen kreativ eingesetzt wird, sind Fernstudiengänge. 30 Netzwerkorte und 100 Kontaktstellen für Weiterbildungsmaßnahmen der Deutschlehrer nennt der Leiter des Goethe- Instituts Moskau unter 10.2. Fazit: Länder übergreifende Lehrerausbildung schafft Verbindungen und befördert den Dialog.

Begegnungsschule

Deutsche Schulen im Ausland werden sich die Frage stellen müssen, ob die herkömmlichen Expertenschulen, die das Deutsche Schulwesen im Ausland kopieren, in einer multikulturellen Gesellschaft noch zeitgemäß sind, oder ob Schulen, die mehr Begegnung mit Menschen des Partnerlandes ermöglichen, zukunftsfähiger sind. Dazu führte ich mit dem Schulleiter der DS Prag ein Gespräch (Siehe 5.6.), welcher diese Frage eindeutig zugunsten der Begegnungsschulen ( wie unter B 2.3. definiert) beantwortet: E. A: Herr Dr.v. H., wir haben darüber diskutiert, die Deutsche Schule Prag in eine Begegnungsschule umzuwandeln. Dr.v. H.: Längerfristig werden sich wahrscheinlich die deutschen Auslandsschulen so wie hier in die Richtung einer Begegnungsschule entwickeln müssen. Das ist vom politischen Gesichtspunkt, vom Zusammenleben der Deutschen und Tschechen hier in Prag sehr sinnvoll. Dadurch ließe sich ein besseres Verständnis für einander aufbauen, und das ist ein sehr wichtiges Anliegen, gerade nach unserer gemeinsamen, schwierigen Geschichte. Die Schwierigkeiten liegen sicherlich darin, dass wir zusätzlich hier in Prag eine deutschsprachige Abteilung in einem tschechischen Gymnasium haben, die regen Zulauf hat. Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir dieser Einrichtung keine grundsätzliche Konkurrenz machen würden, da unser Schülerklientel deutlich anders strukturiert wäre. Das Thema Begegnungsschule ist für uns eine Perspektive, die wir längerfristig verfolgen. Ich gehe nicht davon aus, dass sich unsere Schule in den nächsten Jahren bereits umwandeln lassen wird. Wir haben auch immer wieder interessierte tschechische Schüler, aber bei ihnen 263

handelt es sich vorwiegend um Rückwanderer oder ehemalige Emigranten, aber auch um Eltern, die ihre Kinder vom Kindergarten an zu uns schicken wollen.

Die Deutsche Schule in Stockholm (4.3.) erfüllt die wesentlichen Kriterien der Begegnungsschule. Ein schwedischsprachiger Unterrichtsanteil ist für alle Schüler verpflichtend, bikulturelle Abschlüsse als Hochschulzugangsberechtigung werden geboten, das Begegnungsprogramm beginnt im Kindergarten, eine eigene Kindertagesstätte mit der Eingangssprache Schwedisch existiert, kleine Sprachfördergruppen für Deutsch erleichtern das Lernen. Sachfächer werden von schwedischen Lehrern in Schwedisch unterrichtet. Gemeinsame Anstrengungen zweier Länder bedeutet es, eine solche Schule zu unterhalten: Die Schule Stockholm wird nicht nur von Deutschland, sondern auch vom Königreich Schweden finanziert: In Begegnungsschulen wird interkulturelle Erziehung ermöglicht (siehe auch unter A 1.2. begriffliche Klärung). Dazu sagt Dagmar Schipanski auf der Konferenz deutscher Auslandsschulen 2002: “Deutsche Schulen im Ausland sind Begegnungsschulen, sie erziehen zu Mehrsprachigkeit und zu interkultureller Kompetenz. In einer Zeit, in der nicht sicher ist, ob der “Clash of Civilizations” wirklich durch einen Dialog der Kulturen verhindert werden kann, dienen diese Schulen der Friedenssicherung. Ein Dialog der Kulturen ist nur mit Mehrsprachigkeit und interkultureller Kompetenz seiner Akteure erreichbar.”216 Fazit: Die Schule der Zukunft ist die Begegnungsschule und verwirklicht interkulturelle Erziehung.

Anerkennung von Abschlüssen

Hier setzt auch der Vorschlag des BLASchA ein, ein europäisches Abitur, “E-BAC” als Ergänzung zum internationalen Abitur, dem “I-BAC” auf den Weg zu bringen. Gerade im Zusammenhang der europäischen Erweiterung wird dies als eine gewichtige und

216 Schipanski, Dagmar: Auslandsschulen im Spannungsfeld zwischen Bildungsqualität und Budget. Rede anlässlich der Konferenz Deutscher Auslandsschulen- weltweit, vom 4. bis 6. April 2002 in Mexiko-Stadt. www.ds2002.org 264

hochdifferenzierte Aufgabe gesehen.217 Dialogische, bikulturelle, übernationale Abschlüsse sind sicher das Modell der Zukunft. In einigen Deutschen Schulen sind sie schon verwirklicht, andere müssen noch nachziehen: 3.2.Es existieren zwei staatliche französische Schulen, das Lycée Franco-Allmand und das Lycée International, die kostenlos ein interkulturelles Unterrichtsprogramm anbieten. Die Kostenfreiheit wird unter anderem dadurch gewährleistet, dass die Lehrer des deutschen Zweiges an diesen Schulen von der Bundesrepublik Deutschland besoldet werden. An diesen Gymnasien kann zusätzlich zum staatlich anerkannten deutschen Abitur gleichzeitig auch das französische Baccalauréat erworben werden, und das schon in 12 statt in 13 Jahren. Aufgrund dieser offensichtlichen Vorteile ziehen viele Interessenten diese Schulen der Deutschen Schule Paris aus kulturellen wie aus finanziellen Gründen vor. Diese bemüht sich deshalb im Verbund mit der Botschaft intensiv, eine gleichzeitige Vergabe des deutschen Abiturs und des französischen Baccalauréat (sog. ”Abi-Bac”- Regelung) zu ermöglichen, scheiterte aber bisher am zuständigen Ausschuss der KMK. 1972 wurde in Folge des Elysée- Vertrages ein Abkommen über die Einrichtung binationaler Gymnasien und die Einführung des deutsch-französischen Abiturs unterzeichnet. Also müsste die Durchführung des Erwerbs gemeinsamer Abschlüsse zwischen Deutschland und Frankreich forcierter durchgesetzt werden. Das Alman Lisesi in Istanbul gewährt durch gut organisierten Austausch schon frühzeitig Einblick in das deutsche Schulsystem und ermöglicht seit dem Jahr 2002 den binationalen Abschluss. 9.4.Die Schule pflegt enge Verbindungen zu Schulen in Deutschland: mit Gymnasien in Würzburg, Hamburg (2 Schulen) und Berlin (3 Schulen) bestehen Schüleraustausch- Programme und Partnerschaften, die einen bedeutenden Anteil am erzieherischen Begegnungsauftrag der Schule haben. Zum guten Ruf der Deutschen Schule Istanbul, die

217 Stoldt, Peter, bis 2001 Ländervorsitzender des BLASchA In: Nachhaltigkeit Auswärtiger Kulturpolitik. Dokumentation der Sonnenberg – Tagung der AGAL (Arbeitsgruppe Auslandslehrer in der GEW) vom 17. bis 22. November 2002 im Internationalen Haus Sonnenberg, St. Andreasberg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Drucklegung erfolgt : Braunschweig, 2003.

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traditionell als eine der angesehensten Schulen in der Türkei gilt, trägt bei, dass es nun binationale Abschlüsse gibt. Erstmals wurden im Jahre 2002 binationale Abschlüsse am Alman Lisesi und am Istanbul Lisesi durchgeführt. Gegenseitiges Vertrauen in Gleichwertigkeit drückt sich auf diese Weise aus. Die Anerkennung der Abiturzeugnisse ermöglicht den Schülern ein problemloses Studieren im Gastland oder in Deutschland, welches freilich immer mit dem Nachweis der Sprachkenntnisse verbunden sein sollte. Auch die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad bietet die gegenseitige Anerkennung seit 1998 (siehe 6.3.). Allerdings gibt es ohne Kulturabkommen für den gegenseitigen Austausch Hürden, die für angehende Studenten schwer zu überwinden sind wie das Beispiel unter 5.6. zeigt. Das dient der Brückenbildung nicht. Das vom BLASchA vorgeschlagene E-BAC allerdings kann noch nicht erworben werden. Fazit: Gegenseitig anerkannte Abschlüsse zeigen Respekt und schaffen Vertrauen.

Bibliothekspartnerschaften und gemeinsame Ausstellungen

Zusammenarbeit mit den Institutionen und Bibliotheken, die ein Interesse an deutscher Literatur haben- wobei es nicht immer wichtig ist, diese Literatur auch auf deutsch zu publizieren- sind Voraussetzungen guter Bibliotheksarbeit des Goethe- Institutes, wie sich unter 2.3. beim Gespräch mit der Leiterin der Bibliothek D und dem Institutsleiter W in London ergibt: A: Wie sieht Ihre Kenntnis des englischen Buchmarktes aus? D: Das einzigartige an uns ist unsere genaue Beobachtung des englischen Buchmarktes. Wir bekommen sämtliches Material, Verlagskataloge, Textproben usw. Wir wissen genau, was neu erscheint, insbesondere über Deutschland oder aus dem Deutschen übersetzt. Ein Drittel unseres Bestandes ist in englischer Sprache. A: Wieso ist ein Drittel Ihrer Medien in englischer Sprache verfasst? D: Weil sehr oft die Informationen gebraucht werden, und wir nicht immer davon ausgehen können, dass der Betreffende Deutsch spricht. Wenn wir diesen englischen Bestand nicht hätten, müssten wir oft selbst etwas zusammenschreiben, wenn wir die Interessenten nicht verprellen wollen. Obendrein ist natürlich auch der Aspekt interessant, dass wir aus der englischen Literatur über Deutschland direkt mitbekommen, wie die Briten Deutschland 266

sehen. Es ist traurig, dass es sich für eine einzelne Bibliothek in England nicht lohnt, neue deutsche Literatur oder übersetzte deutsche Titel in ihr Programm aufzunehmen. W: Das ist auch der Grund, warum ich Ihnen vorher sagte, ich glaube dass das Goethe- Institut im Bibliotheks- und Informationsbereich im Jahre 2010 noch eine bedeutende Rolle hier spielen kann und wird. A: Partnerarbeit ist eine Maxime des Goethe-Instituts. Wie wird diese in Ihrem Bereich verwirklicht? D: Ein weiteres Arbeitsfeld, das in den letzten Jahren erst hinzugekommen ist - und gleichzeitig ein Grundprinzip der Goethe-Institute verkörpert - ist die Partnerarbeit. Wir arbeiten heute verstärkt mit anderen Bibliotheken, mit Übersetzern, mit Verlegern und Buchhändlern. Diese Entwicklung ging von Osteuropa aus. Dort hat man frühzeitig festgestellt, dass mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Personal keine effiziente deutschsprachige Bibliothek dauerhaft zu erhalten ist. Man wollte die Infrastruktur dort stattdessen durch verstärkte Zusammenarbeit mit ortsansässigen Bibliotheken verbessern. Dabei wurde viel erreicht. Wir setzen heute einen Schwerpunkt unserer Arbeit in die Verbesserung der Zusammenarbeit mit hiesigen Institutionen. Ein Beispiel, das schon genannt wurde, sind die “new books in german"-Broschüren, die ja in Kooperation mit einer britischen Initiative erarbeitet und verbreitet werden. Der wichtigste Punkt an diesem Projekt ist, dass die britische Seite die Titel auswählt. Die Initiative zu dem Projekt kam übrigens ebenfalls von britischer Seite und wurde von uns aufgegriffen und unterstützt. [...] W: Die Botschaft ist nicht durch Kenner der deutschen oder britischen Literatur- und Verlagsszene vertreten. Solche Fachleute gibt es dort nicht. Es wäre sinnvoll, wenn wir dieses Projekt - auch finanziell - alleine betreuen könnten. Fazit: Genaue Kenntnis des Buchmarktes im Partnerland ist nötig, um zielorientiert zu arbeiten. 2.3. A: Gibt es im Bereich Literatur- und Übersetzungsförderung auch Ausstellungen? D: Zu dieser Partnerarbeit - sie nennt sich jetzt auch Bibliothekarische Verbindungsarbeit - gehört z.B. auch eine Ausstellung, die wir hier gehabt haben. Die ist in unserer Bibliothek in Brüssel entstanden, und wir haben die englische Version ausgestellt. Darin ging es um deutsche Literatur nach 1945. Wir überlegen, eine Folgeausstellung zu organisieren, die besonders die Literatur nach der deutschen Vereinigung wiederspiegeln soll. Diese Wanderausstellung wurde bereits in England sehr positiv aufgenommen. In ihr werden 267

Bücher und Profile der verschiedenen Autoren nach 89 vorgestellt. Im Herbst kommt die Ausstellung nach London, und dann wollen wir sie zeigen. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt also in der Literaturförderung und der Übersetzungsförderung deutscher Literatur. Für einzelne Bibliotheken in Großbritannien lohnt es sich nicht mehr, deutsche Bücher im Bestand zu haben. Doch das Goethe-Institut hält dagegen. Es hat 1998 eine Studienreise britischer Bibliothekare nach Deutschland realisiert, deutsche Bibliotheksarbeit konnte vor Ort demonstriert werden, auch Interesse und Begeisterung an räumlicher und baulicher Gestaltung wurde dabei geweckt. Ein Jahr zuvor hat der British Council europäische Bibliothekare nach Großbritannien eingeladen. Die Konsequenzen aus einer erfolgreichen Zusammenarbeit sind vielschichtig. U. a. will der britische Bibliotheksverband den British Council, das Institut Francais und das Goethe-Institut zur europäischen Zusammenarbeit im Bibliothekswesen zusammenbringen. Eine Stufe auf dem Weg dorthin sind Partnerschaften: Aus Anlass des 40. Jahrestages des Élysée-Vertrages (Siehe 3.1.) wurde auf Initiative des Goethe-Institutes Paris ein Netz deutsch-französischer Bibliotheks-Partnerschaften geknüpft. Den Anfang machten die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Bibliothèke Publique d´Information du Centre Georges Pompidou am 7.2.03. Fazit: Bibliothekspartnerschaften und gemeinsame Ausstellungen im Bereich Literatur- und Übersetzungsförderung erhöhen die Möglichkeit der Teilnahme der Nutzer an der Wissensgesellschaft.

Partnerschaftliche Ausstellungsmodelle

Aus der Fülle des unter C angebotenen Materials seien hier nur einige Beispiele genannt: das Ausstellungsmodell, wie unter 2.3. von der Programmreferentin des Goethe-Instituts genannt, kann ohne gegenseitige Absprache der Mittlerorganisationen und ohne genaue Abstimmung auf die örtlichen Gegebenheiten trotz hoher Qualität keinen Erfolg haben. Gerade die Gartenkunst in Wörlitz, man denke an Fürst Pückler Muskau, der England bereiste, um Gartenkunst zu studieren und sich Anregungen für seine Gartenparadiese in Deutschland zu holen, verbindet England und Deutschland. Ausstellungen sind Katalysatoren für kulturelle Entwicklungen, die aufzeigen können, wo z. B. Gemeinsames in der Geschichte der 268

Gartenkunst die lebendige Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen verbindet. Es hätte einen hohen Stellenwert, diese dann auch optimal zur Geltung zu bringen: H: Die ifa-Ausstellungen sind in der Regel sehr schön gemacht, auch mit sehr schönen Katalogen, das Problem dabei ist nur, sie sind viel zu groß. Das haben wir den Verantwortlichen dort auch schon gesagt, auch mein Kollege in der Zentralverwaltung, Herr P, sprach dieses Problem bereits an. Ein aktuelles Beispiel dazu ist die vor kurzem vom ifa organisierte Ausstellung über Kunst, Landschaft und Gartenbau in Wörlitz im Zeitalter der Aufklärung. Wir wurden dann sehr kurzfristig gebeten, hier in England einen Ausstellungsplatz zu finden. Gerade heute morgen führte ich ein Telefonat mit einem Interessenten, der zwar keine idealen, aber immerhin kleine Räume zur Verfügung stellen könnte, relativ kurzfristig für nächstes Jahr im Sommer. Museen wie z.B. das Kenwood House planen 4 bis 5 Jahre im Voraus, da können wir nicht erst ein Jahr vorher kommen. Die Wörlitzer Park-Ausstellung benötigt darüber hinaus eine Fläche von über 300 Quadratmeter und das ist für die meisten kleineren Museen schlichtweg zu groß. Wenn das ifa dagegen kleine, gute "Kabinettausstellungen" produzieren würde, die flexibel einsetzbar wären, d.h. z.B. kompatibel wären mit hiesigen Dauerausstellungen, dann würde das unsere Arbeit sicher erleichtern. Die Ausstellungen sind qualitativ sehr hochwertig, aber leider viel zu groß. W: Die deutschen Aussteller produzieren gelegentlich einfach am Bedarf vorbei, wir werden nicht gefragt. Die Konzentration von Ausstellungszuständigkeiten im Goethe-Institut wäre daher sehr wünschenswert, d.h. nur eine Institution mit Kenntnis des lokalen Bedarfs und mit unmittelbaren lokalen Kontakten wäre zuständig.[...] W: Also ganz abstrakt gesagt: Die Institutionen in Deutschland einschließlich der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts, müssten viel genauer den Bedarf im Ausland eruieren, bevor produziert wird. Fazit: Partnerschaftliche Ausstellungsmodelle verbinden die lebendige Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen.

Partnerschaftliche Projektplanung

Partnerschaftliche Projektplanung und Nutzen des Wissens um lokale Gegebenheiten, ganz im Sinne der Agenda 21: “Global denken, lokal handeln”, erhöht die Motivation der Mitarbeiter und die Wirksamkeit der Kulturarbeit. Die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen müssen mit in eine zukunftsfähige Kulturarbeit einfließen. 269

(Siehe auch unter 2.3.Gespräch mit der Leiterin der Programmabteilung des GI in London)

W: Ich wehre mich gegen jegliche Kompetenzbeschneidung seitens mancher Fachreferate unserer Zentrale, die glauben, sie wüssten besser als wir, was in London geschehen soll. Die Entscheidung kann nur bei uns getroffen werden, die Zentrale kann nur die Grundtendenz vorgeben. Es darf jedenfalls nicht passieren, dass das Auswärtige Amt oder - wenn auch selten - unsere Zentrale sich für uns Projekte ausdenken. Konkret darf uns das AA z.B. nicht vorschreiben, welche Jahrestage wir zu beachten haben. Das widerspricht dem Grundsatz der partnerschaftlichen Projektplanung. Wir können unseren britischen Partnern die Anlässe für Projekte nicht vorschreiben und uns diese also erst recht nicht von grünen Tischen in Deutschland vorgeben lassen. Fazit: Kompetenzbeschneidung der einzelnen Institute in der Projektplanung hat negative Auswirkung.

Dichterlesungen, sowie Programme zu Gedenktagen von Dichtern und Schriftstellern

So wurde Brechts 100. Geburtstag in allen Goethe-Instituten gedacht, aber dabei wurden durchaus örtlich eigene Akzente gesetzt. Für alle Länder jedoch gilt, dass Brecht als entschiedener Gegner der Nationalsozialisten das “andere Deutschland” verkörpert. Die Programmgestalterin des Goethe- Instituts in Prag unter 5.4. erklärt ihre Präsentation wie folgt: M. L: Unter den vielen Möglichkeiten, das Thema Brecht im Jahre seines 100. Geburtstages zu präsentieren, haben wir uns für ein Programm entschieden, das den Theatermann Brecht so authentisch wie möglich zeigt. Es versammelt erstmalig alles noch vorhandene Filmmaterial, das Brecht als Regisseur sichtbar macht. Der Kurator dieses Programmes – er ist Autor eines Buches über Brecht – gibt eine Einführung in die Filme. Er hat außerdem die Texte für die Filme gestaltet, die in deutschem Orginalton ausgestrahlt und simultan übersetzt werden. Über unser Programm haben wir das Brecht-Zitat von 1926: ”Der Film macht dem Drama das Bett” geschrieben. Auch die Deutsche Schule Prag widmet Brecht als Sympathieträger mehr Aufmerksamkeit als ihm oft im eigenen Land entgegengebracht wird, wo er manchmal als Kommunist und Kollaborateur verfemt wurde (5.5.). Die Präsentation in der DSP unterscheidet sich gravierend von der des Goethe-Instituts: Höhepunkt des Schuljahres 1997/98 war unter 270

anderem die ”Bertold-Brecht-Revue”, eine Aufführung der Theatergruppe der DSP die fünfmal vorgestellt wurde und mit einem großen Empfang für die zahlreichen Gäste endete. Insgesamt wurden 7 bekannte und weniger bekannte Stücke Brechts anlässlich seines hundertsten Geburtstags aufgeführt. Fazit: Dichterlesungen, sowie Programme zu Gedenktagen von Dichtern und Schriftstellern können das Verständnis für deutsche Geschichte und Kultur verstärken.

11.3. Organisatorischer und struktureller Reformbedarf

Doppelarbeit und Überschneidungen

Ganz klare Worte hierzu findet der Leiter des Goethe-Instituts London unter C 2.3. Er bezweifelt, dass Goethe-Institute in westlichen Großstädten in dieser Form weiterbetrieben werden sollten. Er sieht den Bereich der Bibliotheken am unproblematischsten. Das German Information Center der Deutschen Botschaft leistet dabei kostenintensive Doppelarbeit, Informationsarbeit, die das Goethe-Institut besser zu leisten im Stande wäre: A: Herr W, wir haben im Bundestag über das Thema Synergien, Kooperationen und Überschneidungen der Arbeit im Auswärtigen Kulturbereich gesprochen. Wie ist die Situation in London? W: Mittlerweile fange ich an zu zweifeln, ob es heute noch sinnvoll ist, die Goethe-Institute in den westlichen Weltstädten in der jetzigen Form zu betreiben. Die größte Skepsis habe ich im Bereich der Programmarbeit. Zuerst möchte ich Ihnen die anderen Bereiche schildern, die weniger problematisch sind. Am unproblematischsten ist hierbei der Bereich Bibliotheks- und Informationsarbeit, mit dem wir kürzlich ins Internet gegangen sind. Die Bibliothekarin ist dabei sehr engagiert und nutzt die neuen Medien bestmöglichst aus. Wenn ich mir das Goethe-Institut London im Jahre 2010 vorstelle, dann habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass es dann eine vernetzte, multimediale Bibliotheksarbeit geben wird. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings dann die Frage, ob wir zusätzlich noch ein Informationszentrum in der deutschen Botschaft brauchen. Hier kommt es zu Überschneidungen. Dort wird zwar auch politische Informationsarbeit betrieben, die wir in dieser Art sicher nicht leisten könnten und wollen. D: Die Botschaft bietet z.B. einen Internet-Katalog mit deutschsprachigen Filmen an, die von dpa und Inter Nationes vertrieben werden. Für diesen Katalog zahlte das Auswärtige Amt 8.000 DM. Einen vergleichbaren Katalog aus unserem Hause erstellten wir für ungefähr 271

120£! Es fließt da sehr viel Geld, aber man muss sich nach dem Nutzen dieser Maßnahmen fragen.[...] W: Die Botschaft baut über dieses Informationszentrum eine Art eigener Mittlerorganisation auf. Da der dortige Kulturreferent z.B. auch Themenveranstaltungen zu deutscher Literatur organisiert, ist hierin eine klare Kompetenzüberschreitung zu unseren Ungunsten zu sehen. Wenn I N sein Material wenigstens noch selbst an die Schulen verschicken würde, wäre das noch eher verständlich. Aber die Botschaft zwischenzuschalten, halte ich für unsinnig. Fazit: Effektiver Einsatz der Mittel bedeutet Doppelarbeit und Überschneidungen zu meiden.

Kompetenzvorsprünge im Partnerland

Deutlich wird auch unter 2.3. erkannt, in welchen Bereichen der Kompetenzvorsprung der Goethe-Institute einer Weltstadt verloren gegangen ist : Also noch einmal: Geld fehlt, nicht nur uns, und wir haben auch keinen Kompetenzvorsprung mehr, was soziopolitische Veranstaltungen angeht. Das gleiche gilt im übertragenen Sinne auch für kulturelle Veranstaltungen wie Musik-events, Ausstellungen usw. Eine neue Kollegin von uns, Frau H, ist zwar sehr versiert in Themen wie Bildender Kunst u.ä., aber die Leiter der Londoner Museen kennen selbst alle wichtigen deutschen Museen, d.h. wenn meine Kollegin etwa unsere Mithilfe an bestimmten Ausstellungen anbieten würde, dann würde wahrscheinlich nicht mal ein persönliches Gespräch mit den dortigen Verantwortlichen zustande kommen, es sei denn, wir gäben ihnen 80 - 90.000 DM! Die Kuratoren der großen Londoner Museen brauchen nicht den Rat von uns und auch nicht den Rat vom Direktor des Goethe-Instituts. Einen Kompetenzvorsprung haben wir allenfalls noch gegenüber kleineren Galerien. Das gleiche gilt für den Bereich Musik. Fazit: Kompetenzvorsprünge im Partnerland müssen erkannt werden.

Gemeinsames Einbringen der unterschiedlichen Kompetenzen

Auf Aufgaben, die in der Zukunft gemeinsam mit Partnern bewältigt werden sollten und deren finanzielle Aspekte zielt das folgende Beispiel der Erstellung eines Sprachfilms unter 2.3. ab: 272

W: Dieser Bereich wird meiner Meinung nach im Jahre 2010 ebenfalls eine wichtige Rolle in unserer Arbeit spielen. Hierbei konzentrieren wir uns auf die traditionelle Aufgabe der Fortbildung englischer Deutschlehrer, aber wir sind auch auf anderen Gebieten aktiv: So produzieren wir derzeit unseren dritten größeren Sprachfilm zusammen mit der BBC. Dafür stellt uns das Goethe-Institut München eine größere Summe zur Verfügung - sechsstellige Beträge, ca. 275. 000 DM. Unser Beitrag besteht neben dieser Summe vor allem aus dem Einbringen unseres Know-Hows. Herr Bauer, der Leiter der pädagogischen Verbindungsarbeit, mein Stellvertreter, war bei den Filmaufnahmen anwesend, überprüfte die Manuskripte. Wir überprüfen u.a. die deutschen Dialoge auf Verständlichkeit und Authentizität etc.. Wir helfen bei der Suche nach Schauplätzen für die Filme, wir suchen die Darsteller aus den deutschen Schülern aus und stellen den Kontakt zu den Schulen, in denen gedreht werden soll, her usw.. Auf diese Art und Weise garantieren wir, dass wirklich ein authentisches Deutschlandbild entsteht. Diese Sprachfilme werden von der BBC weltweit vertrieben, so dass eine sehr große kulturpolitische Reichweite erreicht wird. Fazit: Gemeinsames Einbringen der unterschiedlichen Kompetenzen erhöht die Wirksamkeit Auswärtiger Kulturpolitik.

Gemeinsames Einbringen der finanziellen Ressourcen

Das folgende Beispiel schildert anschaulich unter 2.3., wie es nicht gehen kann im partnerschaftlichen Miteinander: Nun zum finanziellen Aspekt: Die London School of Economics, eine international renommierte Universität hat sehr viel Geld zur Verfügung. Bei einer Veranstaltung mit uns vor zwei Jahren trugen sie gar zwei Drittel der Kosten. Kürzlich sagten sie mir aber, sie hätten zur Zeit massive Finanzprobleme, und ein geplantes Seminar mit ihnen müssten wir alleine bezahlen. Wir müssten also nicht nur dafür sorgen, dass die deutschen Teilnehmer kämen, sondern auch die Teilnahme sämtlicher anderer europäischen Teilnehmer organisieren und finanzieren. Das Seminar sollte sich mit der Frage beschäftigen, wer kulturell und im Hinblick auf die Werte der "Civil Society" zu Europa gehört, also wer konkret und politisch zu Europa gehört. Vertreter einer anderen Stiftung, mit der wir in Umweltthemen zusammenarbeiten, des ”International Institute for Environment and Development”, haben mir auf meine neuerliche Anfrage gesagt, sie seien finanziell so am Ende, dass ihnen ihr Aufsichtsrat aufgetragen habe, sogar die vorbereitenden 273

Gesprächskosten mit mir abzurechnen. Ich sollte ihnen nicht nur die Veranstaltung und die Teilnahme der deutschen Referenten finanzieren, sondern auch noch die Stunden, die sie mit mir zur Vorbereitung verwendeten. An diesem Punkt hört mein Verständnis dann auf, denn dann finanzierten wir praktisch den gesamten Dialog nur noch alleine. Fazit: Gemeinsames Einbringen der finanziellen Ressourcen bedeutet Fairness im Umgang miteinander.

Der Zustand der Gebäude

Das Äußere spiegelt oft den inneren Zustand wieder. In maroden Gebäuden zu lernen und zu arbeiten, für internationales Ansehen und für Partnerschaft zu werben, fällt nicht leicht. Eltern schicken ihre Kinder nicht gerne in baulich heruntergekommene Schulen. Mit Gips oder Platten notdürftig verkleisterte oder vernagelte Wände zeugen nicht von dem nötigen Respekt gegenüber an deutscher Kultur Interessierten und Lernwilligen und lassen gegenüber Schülern an Fürsorgepflicht mangeln. So wird im Goethe-Institut London unter 2.3. vom Leiter der Verwaltung berichtet: ...zum Bauerhalt stehen uns allerdings nur sage und schreibe 5.000 DM pro Jahr zur Verfügung. Wenn wir damit zwei Eimer Farbe streichen lassen, ist das Geld schon fast weg. In diesem Jahr habe ich meine Kollegin, die unseren Haushalt verteilt, überzeugt, dass diese Summe viel zu gering für irgendeine vernünftige Maßnahme ist. So wie es jetzt aussieht, haben wir zukünftig ganze 10.000 DM zur Verfügung! Alles andere, und sei es auch noch so klein, muss ich über Baubedarfsnachweise beantragen, und zwar in fünffacher Ausfertigung an die Botschaft, das BM Bau usw. Selbst bei Notbaumaßnahmen, als etwa Gips von der Wand abgefallen ist, hat es ein 3/4 Jahr gedauert, bis wir das Geld erhalten haben. Das kostete 30.000 DM, die wir nicht aufbringen konnten, und so hing in der Bibliothek für diese Zeit der Gips von der Wand, und wir mussten sie mit Brettern und Styropor-Platten behelfsmäßig ausbessern. Das war wohlgemerkt eine Notbaumaßnahme. Andere Baumaßnahmen, wie z.B. der Aufzug, der im Schnitt alle zwei Tage stehen bleibt, kosten 100.000 bis 300.000 DM. Da brauche ich gar nicht erst zu fragen!

Flexibel im Raumangebot zu sein, sich gegenseitig aushelfen, wenn Renovierungsarbeiten anstehen, das schlägt der Schulleiter der Deutschen Schule London unter 2.5.vor:

274

Ke: Die Zusammenarbeit der Schule mit dem Goethe-Institut muss gut aufeinander abgestimmt werden, besonders im Bereich der Veranstaltungen. So hat z.B. das Konzert von Wolfgang Biermann aus räumlichen Gründen bei uns in der Deutschen Schule stattgefunden. Die Theatergruppe der Deutschen Schule London kann andererseits demnächst vielleicht sogar im Goethe-Institut auftreten. Besonders im Rahmen des Umbaus des Goethe-Instituts können wir in der DSL flexibel mit unserem Raumangebot aushelfen. Die DSL ist jedoch ziemlich weit vom Zentrum abgelegen, was für Veranstaltungen oft hinderlich ist.

Auch in der Frage der baulichen Substanz müssen sich beide Partnerländer um Verbesserungen bemühen. Beispielhaft für eine Schule, deren baulicher Zustand beklagenswert ist und den Lernerfolg behindert, sei hier die deutschsprachige Abteilung des Gymnasiums Poprad in der Slowakei genannt. Da heißt es unter 6.3.: Die deutsche Abteilung der Schule besitzt einen eigenen Gebäudekomplex am östlichen Rand des Stadtzentrums, der aus insgesamt vier großen Häusern und einer kleinen Turnhalle besteht. [...] Somit besteht räumlich kein Problem – wohl aber qualitativ: Der Zustand der Gebäude ist erbärmlich, jedweder Komfort, der über das sprichwörtliche ”Dach über dem Kopf” hinausgeht, fehlt. Besonders die naturwissenschaftlichen Fachräume der Abteilung erlauben aufgrund ihres desolaten Zustandes kaum Experimente, diese sind nur durch aufwendige Stundenänderungen im 15 Minuten entfernten Hauptgebäude möglich. Diesen Zustand könnte jedoch nur der Schulträger, d.h. der slowakische Staat wirklich ändern. Fazit: Der Zustand der Gebäude soll einen positiven Einfluss auf die Lernenden ausüben.

Gestaltung der Begegnungsschulen

Unter 5.6. erläutert der Schulleiter der Deutschen Schule Prag, dass räumliche Erweiterungen für die Umwandlung der Schule in eine Begegnungsschule notwendig sind. Eine Schule, die als Begegnungsschule funktionieren soll, müsste einladend gestaltet sein, mehr Gruppenräume und Fachräume, auch wegen eines erweiterten Sachfachangebotes in den verschiedenen Sprachen, aufweisen: Dr.v. H.: Zum Gebäude selbst muss man sagen, dass es ein sehr unattraktiver, hässlicher Bau ist. Wir planen allerdings schon, das Gebäude zu verändern. Es soll aufgestockt werden, die 275

hinteren Teile sollen abgerissen werden, so dass wir auch im rein räumlichen Bedarf Fortschritte erzielen. Wir haben momentan sogar einen Teil der Schüler ausgelagert. Um die verstärkte Integration einer Begegnungsschule zu erreichen, brauchen Sie mindestens 6 Klassenzimmer und zwei Gruppenräume mehr, zuzüglich neuer Fachräume. Das ist unser Dilemma. Wir haben deshalb den Vorschlag gemacht, eine Begegnungsschule einzurichten unter Umgestaltung der Gesamtkonzeption. Fazit: Begegnungsschulen müssen einladend gestaltet sein.

Schließungen deutscher Kulturinstitute im Ausland

Schließungen oder beabsichtigte Schließungen deutscher Kulturinstitute haben vordergründig mit “Finanzknappheit” zu tun, drücken aber mangelnde Wertschätzung gegenüber der gemeinsamen Geschichte, gegenüber dem betroffenen Institut und den Menschen, die dies als wertvollen Kulturvermittler erachten, aus. Dieses kam deutlich bei der beabsichtigten Schließung des Goethe-Instituts in Neapel – unter 7.2.- zum Ausdruck: Ein langjähriger Schüler des Goethe-Instituts formulierte einmal sinngemäß: ”Reich geworden bin ich nicht mit dem, was ich hier gelernt habe, aber Goethe hat mir geholfen, die Welt und das Leben ein bisschen liebenswerter zu finden.” Im Zusammenhang mit den Protesten gegen die von der Münchner Zentrale geplante Schließung des Goethe-Instituts in Neapel äußerten sich deutsche und italienische Intellektuelle sehr kritisch, so z. B. Professor Marcello Gigante, Mitglied der Akademien der Wissenschaften in Göttingen und Heidelberg: “Wenn das Goethe-Institut jetzt gezwungen wird, sich aus Italien zurückzuziehen, entsteht zwangsläufig der Eindruck, die Deutsche Regierung wolle mit den Kriegsfolgen nichts mehr zu tun haben. Frankreich als weitblickendes Land baut seine kulturelle Präsenz in Neapel aus.”218 Und er erinnerte daran: “Das Deutschland, das wir lieben, ist nicht das Deutschland der Deutschen Mark”. Der große deutsche Philosoph, Hans-Georg Gadamer, hat in Neapel gelehrt und war Ehrenbürger der Stadt. Die Zeitung “Il Mattino” veröffentlichte am 20.2.96 einen Leserbrief von Gadamer, an Bassolino, den Bürgermeister gerichtet, mit der Überschrift: “Gadamer: salviamo il Goethe.”219 Prof. Amato Lamberti, Präsident der

218 Gigante, Marcello: Pressekonferenz im Palazzo Serra di Cassano, Neapel, 2.4. 1996. 219 Gadamer, Hans Georg: Gadamer: salviamo il Goethe. In: Il Mattino, Leserbrief, 20.2.96. 276

Provinz von Neapel, äußerte sich so: “Als Soziologe kann ich nur sagen, dass wir in Neapel eher der deutschen als der angelsächsischen Fachtradition verbunden sind.”220 Besondere Beziehung Neapels zu der deutschen Kultur seit dem vorigen Jahrhundert bescheinigt der Präsident des Nationalen Philosophischen Forschungsinstituts in Neapel, Advokat Gerardo Marotta: “Das Nationale Philosophische Forschungsinstitut ist hier ansässig, es ist Herausgeber zahlreicher deutscher philosophischer Reihen.”221 Zwischen Italien und Deutschland bestehen intensive kulturelle Beziehungen und besonders zu Neapel. Goethe spricht in seiner “Italienischen Reise” 1787, eingehüllt und eingefühlt in neapoletanische Atmosphäre, davon, dass die charakterliche Prägung des Temperaments und der Kultur eines Volkes durch das Klima beeinflusst würden. In Kenntnis seiner schriftstellerischen Mittel, die ihm plötzlich als begrenzt erscheinen, stellt er fest, dass er nach dem Weggang aus Italien sich wehmütig und unfroh fühle. Doch der Gedanke an Neapel versöhne mit der Trennung: “Man sage, was man will, der Versuch, das tagsüber Gesehene in Worten festzuhalten, führt zu Reflexionen über die Grenzen schriftstellerischer Mittel."222 In Neapel schreibt er ferner, dass einer nach seinem Weggang aus Italien nicht wieder froh werde. “Und wenn ich Worte schreiben will, so stehen mir immer Bilder vor Augen der fruchtbaren Länder, des freien Meeres, der duftigen Inseln, des rauchenden Berges und mir fehlen Organe, das alles darzustellen." Auch die Entscheidung z. B. das Goethe-Institut in Coimbra zu schließen, hat zu europaweiten Protesten – siehe unter 8.1.- geführt. Ob die dann neu gegründeten “Kulturvereine” deren Arbeit übernehmen können, bzw. ersetzen, mag angezweifelt werden. Eine Evaluation wäre nötig, um eine “erfolgreiche Fortführung” wenigstens der Sprachkurse zu beweisen. Fazit: Schließungen deutscher Kulturinstitute im Ausland werden als Affront gewertet und müssen verhindert werden.

220 Lamberti, Amato: Sondersitzung des Consiglio Provinciale di Napoli, Neapel 4.2.1996. 221 Marotta, Gerardo: La Politica Culturale Della Germania All´Estro. Versammlung im Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, Neapel., 14.Februar 1996. 222 Goethe, Johann Wolfgang : Italienische Reise. In: Werke, Hamburger Ausgabe, Band 11, 10. neubearbeitete Aufl. München 1982, S.178 ff. auch S.186,S.199, S.217, S.326ff. 277

Finanzielle Mittel, um den kulturellen Auftrag zu erfüllen

Nicht nur die Konferenz für Kultur und Entwicklung hat- wie oben unter 5. beschrieben- gefordert, mehr personelle Kapazitäten und finanzielle Mittel für kulturelle Belange zur Verfügung zu stellen und die Wirtschaft sowie Privatleute zugleich aufgefordert durch Sponsoring kulturelle Aktivitäten zu unterstützen. Die Grenzen des Sponsoring jedoch werden, sowohl unter 2.3. beim Gespräch mit dem Leiter der Verwaltung des GI London, als auch an anderer Stelle in dieser Arbeit deutlich aufgezeigt, dass es eine Aufgabe der Bundespolitik ist, Auswärtige Kultur- und Bildung zu finanzieren:

W: Nur einmal zur Größenordnung des Sponsoring: Der Botschafter hat sich bemüht, anlässlich eines Staatsbesuches Gelder zu sammeln. Ich glaube, er hat 800 Briefe an deutsche Industrievertreter in Großbritannien geschrieben, davon sind ganze 100 bis 200 Briefe überhaupt beantwortet worden. Von den Beantwortern wiederum war nur ein Bruchteil bereit, tatsächlich etwas zu spenden. Das war noch eine konventionelle und unkomplizierte Veranstaltung. Ich selbst habe bis jetzt noch keine großen Summen heranschaffen können, egal für was. Als Beispiel habe ich die Berliner Bank angeschrieben, bei der Ralf Dahrendorf Direktor ist und habe um Unterstützung für das Goethe-Jubiläum im nächsten Jahr gebeten. Selbst für diese hochkonventionelle Veranstaltung im South Bank Centre, für die ich genaue Angaben zu Werbungskosten in britischen Zeitungen u.ä. gemacht habe, hat die Bank mir geschrieben, der Betrag von 15.000 DM, den ich erbat, sei um ein Vielfaches höher als das, was sie dafür aufbringen könnten. Letztendlich haben wir gar nichts bekommen. Was meinen Sie, was ich erst für ein Schwulenfestival bekommen würde... ? Gar Nichts! Fazit: Ausreichende finanzielle Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden, um den kulturellen Auftrag zu erfüllen.

Politische Veränderungen bedeuten institutionelle und systemorientierte Veränderungen

Da kann die Erweiterung der EU nicht ohne Folgen bleiben. Dies verdeutlicht das Interview mit der Leiterin des Goethe-Instituts in Prag unter 5.4. Die Betreuung und Zusammenarbeit von acht Goethe-Instituten in MOE wird von Prag aus organisiert. Die Dezentralisierung der pädagogischen Fortbildung in den Regionalinstituten, wie unter 5.5. beschrieben, bedeutet 278

auch, auf die örtlichen Gegebenheiten besser eingehen zu können. Die geographische Lage, das Eintreten in die EU, die Bedeutung des Deutschen als Fremdsprache (siehe unter “Rahmenbedingungen zur Förderung der deutschen Sprache” und “Einstellung zu Deutsch und Deutschland”) unterscheiden sich in Mittelost- Europa – auch durch die geschichtlichen Bedingungen- von anderen europäischen Ländern. Arte, der 1992 ins Leben gerufene deutsch-französische Kulturkanal, hat sein Engagement und seine Berichterstattung aus MOE mit Unterstützung des Goethe-Instituts verstärkt. Dieses bedeutet auch ein Einbinden der Beitrittsländer aus MOE in das bestehende Europa. Auch die Schulreform in der Türkei- unter 9.3. beschrieben- und die Einführung einer 8- jährigen durchgehenden Schulpflicht ist dem europäischen Zusammenwachsen geschuldet. Sie ist die Voraussetzung für einen Beitritt in die EU. Die allgemeine Anhebung des Bildungsniveaus auch in ländlichen Bevölkerungsschichten, das gleichzeitige Zurückdrängen der Imam-Hatip-Schulen (Prediger- Schulen) und somit des islamischen Einflusses auf den Unterricht, sind positive Begleiterscheinungen dieser Entwicklung. In diesem Zusammenhang wurde auch die Filmreihe des GI Istanbul gemeinsam mit dem Institut Francais geboten über die Umwälzungen 1968, den Studentenaufstand im Mai 68 in Paris. In der Türkei spielt das Militär traditionell eine wichtige politische Rolle. Viele Politiker- wie Ecevit, Erbakan, Demirel waren Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen Ämtern. Die Strukturen waren verkrustet wie in Deutschland und Frankreich vor 1968. Deshalb fand dieser Themenkomplex des Aufbruchs Interesse vor allem bei Intellektuellen und Kulturschaffenden. Der Aufbruch wurde auch politisch umgesetzt. Tayyip Erdogan, Vorsitzender der bei den Parlamentswahlen 2002 siegreichen islamischen Partei AKP besuchte, wie auch seine vier Kinder, eine Imam- Hatip-Schule. Befürchtungen eines Europa-feindlichen Kurses jedoch tritt er durch offensive Vorschläge zur Frage türkischer Beitrittsverhandlungen entgegen. Nach der Abspaltung der AKP vom fundamentalistischen Flügel um Erbakan ist damit eine neue politische Öffnung vollzogen, bei der die Anpassung an internationale Entwicklungen nicht versäumt wird. Fazit: Aufgrund der politischen Veränderungen müssen Veränderungen der institutionellen Strukturen und im Schulsystem stattfinden.

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D Befragung von Beschäftigten an Goethe-Instituten und Deutschen Schulen

1. Die Entstehung des Fragebogens

Bei Reisen in verschiedene Länder, beim Besuch der Goethe-Institute und Deutschen Schulen stellten sich stets ähnliche Fragen, die sich an die dort unterrichtenden Lehrkräfte, Instituts- und Schulleiter und zuständigen Kulturreferenten, Eltern, Schüler und Studenten richteten. Aus dem Kreis der Beschäftigten betraf dies an den Deutschen Schulen die Auslandsdienstlehrkräfte, die Programmlehrkräfte und die Ortslehrkräfte. An den Goethe- Instituten die Entsandten und die Ortslehrkräfte. So entwickelte sich die Idee, einen Fragebogen zu entwerfen, um einen besseren Überblick zu bekommen, Aussagen zu erhalten, die allgemeiner gültig sind, und Problemstellungen zu erkennen, die häufig wiederkehren. Den Kreis der Befragten musste abgegrenzt werden – geographisch, zahlenmäßig und personell. Geographisch war das Thema durch die politische Diskussionsebene vorgegeben. Das Zusammenwachsen Europas und das Hinterfragen dieses Zusammenwachsens auf der Ebene der Bildung ist ein Thema des 21. Jahrhunderts. So war die Eingrenzung sowohl dadurch, als auch durch persönliche Schwerpunktsetzung gegeben. Die Befragung sollte in verschiedenen europäischen Ländern stattfinden. Um einen umfassenden Überblick zu bekommen, wählte ich zwei westeuropäische Länder, England und Frankreich, ein Land aus ”Randeuropa”, Portugal, zwei südeuropäische Länder, Italien und die Türkei, sowie zwei mittelosteuropäische Länder Tschechien und die Slowakei sowie Russland. Die Wahl und Zahl der Probanden entwickelte sich folgendermaßen: Zwei zu befragende Personen pro Land aus zwei verschiedenen Institutionen waren zuerst beabsichtigt. Jedoch erschien mir dies im Laufe des Prozesses zu wenig. Dabei könnte eine subjektive Meinungsbildung eines bestimmten Menschen zum Tragen kommen, die unter Umständen noch von Tagesstimmungen abhängig ist. Dieses wollte ich vermeiden. So weitete ich dann das Vorhaben auf 3 bis 5 Personen einer Institution aus, um repräsentative Aussagen zu erhalten. 280

Der Personenkreis wurde auf die Beschäftigten eingegrenzt, Schüler bzw. Eltern und sonstige Beteiligte wurden mit anderen Methoden einbezogen. In Vorüberlegungen wurde eine inhaltliche Untergliederung nach Fragerichtungen und Schwerpunkten vorgenommen. Es entstanden folgende Gliederungspunkte: • Persönlicher Werdegang, Ausbildung und Bewerbung, • Vorstellungen vom Gastland, • Schulinterne / institutsinterne Arbeitsbedingungen, • Eigenes didaktisches / methodisches Konzept, Medien und Bücher, • Deutschlandbild der SchülerInnen, StudentInnen und die Korrektur des Bildes, • Perspektiven und Kontakte der SchülerInnen, StudentInnen nach Abschluss der Ausbildung , • Kontakte der SchülerInnen, StudentInnen nach Deutschland, • Europa im Unterricht, • Berufliche Perspektiven. So entstand ein erster Fragebogen mit 54 Fragen, der als Pretest an einige Goethe-Institute und Deutsche Schulen verschickt wurde. Auf diese ersten Fragebögen gab es nur eine geringe Resonanz. Lediglich die Deutsche Schule in Poprad, das Goethe-Institut und die Deutsche Schule in Porto und Stockholm schickten Fragebögen bearbeitet zurück. Auf Nachfrage bei den anderen Institutionen und Schulen kam die Antwort, dass manche Fragen nicht die Situation der Beschäftigten träfen. So trifft z.B. die Frage nach dem Sprachunterricht Deutsch als Fremdsprache viele Entsandte des Goethe-Instituts nicht, da sie nicht mit Sprachunterricht, sondern mit Kulturprogrammen befasst sind. Auch die Ortskräfte der Deutschen Schulen und des Goethe-Instituts sahen sich mit einer speziellen Problematik konfrontiert, die sie in den Bögen nicht entsprechend beachtet fanden. So schrieb etwa Dr. Johannes D, der Leiter des Goethe-Instituts in Stockholm: „Der Fragebogen, so wie ich ihn verstehe, richtet sich an Kollegen, die Sprachunterricht im Ausland erteilen. Die Goethe- Institute in Schweden haben jedoch keinen eigenen Sprachbetrieb. Statt dessen arbeiten wir mit den Verbänden der Erwachsenenbildung zusammen. Auf diese Weise erreichen wir letztlich mehr Sprachlehrer.” Das Goethe – Institut in Stockholm, beteiligte sich deshalb nicht an der Beantwortung. Daraufhin wurden mit der zuständigen Abteilung des Goethe-Instituts in München zusammen die Fragebögen überarbeitet. 281

Hier war vor allem die Abteilung 20 (Spracharbeit Ausland) betroffen. Mit dem Leiter, Dr. Wolfgang Bader, der Vertreterin des Leiters, den Zuständigen für Pädagogische Ver- bindungsarbeit, Christine M und Edeltraud K-R, Betreuerin des Sonderprogramms MOE/GOS, fanden intensive Gespräche statt. Veränderungen wurden vorgenommen. So wurden einige Fragen präzisiert, zum Teil Ankreuzverfahren und Multiple Choice zur Erleichterung der Beantwortung (und Aus- wertung) angeboten und zum Teil eine andere, logischere Reihung vorgenommen (z.B. berufliche Perspektiven alt: Punkt 9 zum Schluss. Neu: Punkt 3 im Anschluss an die Fragen nach dem Persönlichen Werdegang). Weiterhin wurden die Punkte 4-9 gesondert auf die Bedingungen von Ortskräften ausgerichtet. Die Fragebögen für die Lehrer an Deutschen Auslandsschulen und Deutschunterrichtende an den Goethe-Instituten erhielten einen gesonderten Mittelteil, der sich auf ihre spezielle Unterrichtssituation bezog. Der Fragenkatalog wurde von 54 auf 43 Fragen reduziert. Mit den neu konzipierten Fragebögen schickten Edeltraud K-R und Christine M ein Unterstützungsschreiben an die Goethe-Institute in London, Paris, Neapel, Istanbul, Prag und Bratislava. In diesem Schreiben wurden die Leiter der Goethe-Institute gebeten, KollegInnen aus verschiedenen Aufgabenbereichen für eine Mitarbeit an der Fragebogenaktion zu bewegen. Weitere Unterstützung im Goethe-Institut in München erfuhr ich in Gesprächen mit Dr. Georg Lechner und Dr. Peter Bumke, die mit der Leitung der Abteilung 10 (Kulturprogramme) betraut waren. Nach diesen vorbereitenden Aktionen rief ich nach drei Wochen in den Instituten an und fragte nach, wie es mit der Weitergabe und Bearbeitung der Unterlagen stünde. Jeder Fragebogen war darüber hinaus mit einem persönlichen Anschreiben versehen. Ähnlich verlief die Vorgehensweise bei den Deutschen Schulen. Mit dem Leiter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, Walter Schmidt in Köln, ebenso wie mit dem Verantwortlichen für die Deutschen Auslandsschulen im Auswärtigen Amt, Dr. Fischer, wurden Gespräche geführt. Fast alle Goethe-Institute und die Deutschen Schulen, hatte ich entweder schon besucht, oder besuchte sie während der Fragebogenaktion, um ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Dort fanden auch die Interviews mit Schulleitern und Institutsleitern sowie Lehrern und Schülern, Eltern und sonstign Beteiligten statt. Bei den Institutionen, bei denen weniger als 3 Fragebögen zurückkamen, hakte ich dann nochmals nach. So entstand ein lebhafter Briefwechsel. Zum Teil waren aber die Befragten 282

derart mit den Problemen vor Ort beschäftigt, wie z. B. in Moskau im Goethe-Institut, dass sie sich an der Aktion nur mit 3 Fragebögen beteiligen wollten. Das Gespräch mit dem Leiter des Goethe-Instituts in Moskau zeigt deutlich auf, wo die Belastungen liegen. Nun erfolgte der Rücklauf der Fragebögen bis Ende Oktober 1998. Die Rücklaufquote lag nach den intensiven vorangegangenen Dialogen jetzt bei etwa 80%. Im November konnte mit der Auswertung der zurückgesandten Fragebögen begonnen werden.

2. Methodische Vorgehensweise bei der Erstellung und Auswertung

Als wissenschaftliche Grundlage der Durchführung einer Fragebogenerhebung und deren Auswertung diente u. a. Peter Atteslanders Methoden der empirischen Forschung. Spezifischen Forschungsprinzipien gemäß wurden die Fragebögen nach verschiedenen Kriterien erstellt, die in ihrer Gesamtansicht eine qualitativ orientierte Beobachtung ergeben. Kriterien dafür waren: • Die Offenheit des Untersuchungsgegenstandes. So wurde durch den Untersuchungsgegenstand der Inhalt, die Untersuchungssituation, die Methoden und der Ablauf der Befragung vorgegeben. Die befragten Personen wurden dabei nicht gezielt für die Befragung ausgewählt, sondern beteiligten sich selbstständig in den betroffenen Institutionen. Daraus resultiert eine flexible und offene Forschung. • Der ”Prozesscharakter von Gegenstand und Forschung.”223 Durch den direkten Kontakt mit den Leitern und Mitarbeitern der angesprochenen Institutionen, einerseits durch persönliche Besuche und andererseits durch briefliche Kontakte, trat ein Prozess der Kommunikation in Gang. Dadurch gelang es nicht nur objektive Realitäten abzubilden, sondern auch Konstitutionsprozesse sozialer Realität nachzuzeichnen. ”Durch die Anwendung der alltagssprachlichen Regeln der Kommunikation wird eine Ähnlichkeit der ”Alltagstheorien” mit wissenschaftlichen Aussagen unterstellt. Forschung verhält sich hier analog den kommunikativen Vorgängen des Alltagslebens, sie beruht auf

223 Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, Berlin,1995, S. 92 ff. 283

kommunikativen Vorgängen und wird durch sie begründet. Forschung kann ohne Kommunikation nicht existieren. Forschung ist Kommunikation.”224 Die hier gestellte Forschungsfrage ist problemorientiert. Durch das Ansprechen der Problematik von Beschäftigten an deutschen Institutionen im Ausland wird eine aktuelle Problematik, die sich auf berufliche Perspektiven und das Umfeld bezieht, thematisch erarbeitet und in qualitative Forschung umgesetzt. Die Ergebnisse daraus können als Basis für vielerlei Aktivitäten, sei es Verbesserungen oder weitere forschende Tätigkeiten in diesem Arbeitsfeld dienlich sein.225 Bei der Erstellung der Fragebögen wurde nach den von Peter Atteslander vorgeschlagenen Faustregeln gearbeitet226: Fragen sollten einfache Wörter enthalten. Fragen sollten möglichst kurz formuliert werden. Fragen sollten konkret sein. Fragen sollten möglichst nicht suggestiv sein. Fragen sollten keine eigenen Werteinschätzungen beinhalten. Fragen sollten nicht im Konjunktiv formuliert werden. .Fragen sollten sich nur auf einen Sachverhalt beziehen. Fragen sollten keine doppelten Negationen enthalten. Fragen sollten zumindest formal ”balanciert” sein, es sollten alle Antwortmöglichkeiten enthalten sein Um bei der Auswertung den Standards zu entsprechen, wurden die durch die Fragebögen erhaltenen Daten gemäß der in der qualitativen Sozialforschung entwickelten Verfahren ausgewertet. Ausgehend von vorläufigen Ergebnissen und Interpretationen wurden im laufenden Forschungsprozess Daten und Hypothesen verknüpft und zunehmend verallgemeinert. Die Durchführung der Fragebogenerhebung habe ich wie von Peter Schlobinski in seiner Empirischen Sprachwissenschaft vorgeschlagen in fünf verschiedene Phasen eingeteilt: ”Fragebogenaufbau und Formulierung der Fragen,

224 ebd. 225 ebd. 226 a. a. O., S. 192 f. 284

Festlegung der Stichprobe, Pretest: Überprüfung des Fragebogens an kleiner Teilstichprobe, Erhebung und Statistische Auswertung”.227 Die Auswertung fand für Goethe-Institute und Deutsche Schulen getrennt statt. Die Antworten wurden so reduziert, dass die zentralen Inhalte erhalten blieben, wiederholende, verdeutlichende Wendungen wurden gestrichen. Dabei zeigte sich, dass die Unterschiede bei der Beantwortung der Fragen in den Deutschen Schulen und Goethe-Instituten nicht so groß waren, dass sie bei der Endauswertung relevant blieben. Ich habe die Trennung deshalb im letzten Schritt aufgehoben, um bei der Generalisierung die Aussagen auf ein höheres Abstraktionsniveau zu heben und in nun folgenden Reduktionen ähnliche Aussagen zusammenzufassen. Dabei wurden Fragen und Aussagen von besonderer Dichte deutlich. Die Ergebnisse finden sich unter Fazit aus der Befragung.

3. Fragebogenerhebung

Insgesamt wurden 90 Fragebögen ausgewertet, die ich an 17 verschiedene Institutionen verschickt habe. Davon wurden an den Goethe-Instituten 42 Fragebögen beantwortet und an den Deutschen Schulen 48 Fragebögen. Die Befragungen wurden in 9 verschiedenen Ländern durchgeführt und staffeln sich folgendermaßen: Großbritannien Insgesamt 11 Fragebögen 5x GI London 6x DS London Frankreich Insgesamt 9 Fragebögen 5x GI Paris 4x DS Paris Schweden Insgesamt 7 Fragebögen

227 Schlobinski, Peter: Empirische Sprachwissenschaft. WV studium, Band 174, Opladen, 1996, S. 40. 285

7x DS Stockholm Tschechien Insgesamt 10 Fragebögen 6x GI Prag 4x Fachberater Prag Slowakei Insgesamt 12 Fragebögen 4x GI Bratislava 8x DS Poprad Italien Insgesamt 6 Fragebögen 6x GI Napoli Portugal Insgesamt 14 Fragebögen 7x GI Porto 7x DS Porto Türkei Insgesamt 13 Fragebögen 3x GI Ankara 3x GI Istanbul 7x DS Istanbul GUS Insgesamt 8 Fragebögen 3x GI Moskau 5x DS Moskau 286

4. Fragenbereiche228

Die Fragen wurden unter inhaltlichen Aspekten zusammengefasst, um Aussagen zu verdichten und die Auswertungen übersichtlicher zu machen. Relevante Fragenbereiche, in denen eine Zusammenstellung besonders für einen Gesamtvergleich geeignet waren, wurden nach der Gesamtauswertung noch einmal statistisch und inhaltlich aufbereitet, um ein Fazit zu ziehen.. Die Fragenbereiche und die enthaltenen Fragen sind die folgenden:

4.1. Ausbildung/ Fortbildung

Im Fragebogen entsprechen die Fragen dieser Nummerierung: 1.7 Welche Ausbildung haben Sie? 1.8 Sind Sie im Bereich DaF oder DaZ ausgebildet? 1.9 Wie wurden Sie auf den Einsatz im Partnerland vorbereitet? 1.10 Wie sind Sie besoldungsmäßig eingestuft? 1.11 An welchen Fortbildungen haben Sie im Bereich DaF/ DiDaZ teilgenommen? Von wem wurden die Fortbildungen angeboten? 1.12 Haben Sie selbst schon Fortbildung erteilt? Welche?

4.2. Dialog und Partnerschaft

Im Fragebogen tragen die Fragen zu Dialog und Partnerschaft folgende Nummerierung: 1.5 Inwieweit beherrschen Sie die Sprache des Gastlandes? 1.9 Wie wurden Sie auf den Einsatz im Partnerland vorbereitet? 2.1 Sind deutliche politische Veränderungen im Gastland seit Ihrer Anfangszeit zu verzeichnen? Worin bestehen diese? 2.2 Welche sozialen Vorstellungen bzw. Bedingungen im Partnerland machen Ihnen Schwierigkeiten? Welche sonstigen Probleme tauchen auf? 2.3 Welche kulturellen Zusatzaufgaben und Repräsentationspflichten fallen an? 3.5 Welche Verbesserung Ihrer Situation könnten von Deutschland aus initiiert werden?

228 ALTMANN, ELISABETH: Fragebögen an die Beschäftigten ausgewählter Deutscher Schulen und Goethe- Institute in Europa. Die wissenschaftlichen Rohdaten der Auswertung sind für Interessierte nach Vereinbarung mit der Autorin einsehbar. 287

4.7 Wie gestaltet sich der kollegiale Umgang (mit der Schulverwaltung des Partnerlandes)? 4.8 Gibt es organisatorische Schwierigkeiten? 4.9 Worin bestehen die Kontakte zur dt. Botschaft bzw. Konsulat? 9.1 Wieweit und in welcher Form haben Sie Kontakt zur Bevölkerung des Landes? 9.2 Wenn Sie in einem Land in Mittel und Südosteuropa und in der GUS arbeiten: Wieweit und in welcher Form haben Sie Kontakt zur deutschsprachigen Minderheit?

4.3. Lehre vor Ort

Im Fragebogen entsprechen die Fragen zur Lehre vor Ort folgender Nummerierung: 4.4 Welche Klassen bzw. Kurse unterrichten Sie? 5.1 Mit welchen Büchern/ Medien arbeiten Sie? 5.2 Entspricht das Unterrichtsmaterial Ihren Vorstellungen? 5.3 Welche Vorkenntnisse haben Ihre Schüler/Studierenden? 6.2 Welches sind die Erwartungen der Schülereltern an Ihren Unterricht? 6.3 Welche Besonderheiten im Lernverhalten Ihrer Schüler fallen Ihnen im Vergleich zu Ihren Erfahrungen in Deutschland auf? 2.4 Welche landeskundlichen Materialien werden/wurden im Unterricht in der letzten Zeit eingesetzt?

4.4. Europafragen

Bei den Fragen zum Europa- Komplex wurden die folgende Fragen ausgesucht: 4.5 Welche Vorteile können Sie sich vorstellen bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach? 8.1 Spielt der europäische Gedanke im Unterricht eine Rolle? Die Fragen 9.3 und 11.1 ist aus dem Fragenkomplex zur Pädagogischen Verbindungsarbeit: 9.3 Welche Vorteile können Sie bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach vorstellen? 11.1 Spielt der europäische Gedanke in Ihrer Arbeit eine Rolle?

4.5. Deutschlandbild

Zum Deutschlandbild wurden folgende Fragen ausgewählt: 6.1 Wie ist das Interesse an einem Studium in Deutschland? 288

6.4 Welches sind die Erwartungen der Schüler/ Studenten bezüglich der Zukunftsaussichten, wenn sie Deutsch gelernt haben? 2.4 Welche landeskundlichen Materialien werden/wurden im Unterricht in der letzten Zeit eingesetzt? 10.1 Entspricht das Deutschlandbild Ihrer Partner in der Spracharbeit der Realität? 10.2 Welche Kulturveranstaltung in Ihrer Institution hat besonders guten Anklang gefunden?

4.6. Zukunftspläne

Bei den Fragen zur Zukunft der Lehrenden wurden folgende Fragen ausgesucht: 3.1 Wann kehren Sie nach Deutschland zurück? 3.2 Welches wird Ihre nächste Tätigkeit sein? 3.3 Kann es zur Kündigung kommen, aus Gründen, die von Ihnen nicht zu verantworten sind? 3.7 Welches ist Ihr persönlich wichtigstes Berufsziel?

4.7. Forderungen für die Zukunft

Hierzu wurden für die Lehrenden folgende Fragen ausgesucht: Im Fragebogen tragen die Fragen folgende Nummerierung: 3.5 Welche Verbesserungen Ihrer Situation könnten von Deutschland aus initiiert werden? 3.6 Welche einsatzbezogenen Forderungen stellen Sie an die Bundespolitik?

5. Statistische Auswertung der Fragebögen

Zahlenmaterial zur Befragung Besetzung der Leitungsstellen der untersuchten Einrichtungen 14 männlich, 3 weiblich

Ausbildung und Fortbildung

1.7. Welche Ausbildung haben Sie?

Abgeschlossenes Studium 83 Davon mit Promotion 6 Deutschlehrerdiplom 1 Abgeschlossene Berufsausbildung 1

289

1.8. Sind Sie im Bereich DaF oder DaZ ausgebildet ? ja 34 nein 50

1.9. Wie wurden Sie auf den Einsatz im Partnerland vorbereitet? gar nicht. 29 durch einen Vorbereitungslehrgang, ein Ausreiseseminar 32 durch Einführung bzw. Hospitation vor Ort 14 Ortskraft 1 vorheriger Auslandsschuldienst 1 eigene Vorbereitung 1

1.10. Wie sind Sie besoldungsmäßig eingestuft?

BAT I a 3 BAT I b 6 BAT II a 10 BAT III 3 BAT IV a 5 BAT IV b 1 Bundesprogrammlehrer 8 Ortskraft 8 A 12 2 A 13 10 A 14 5 A 15 2 A 16 2 Honorarkraft 8 Unklare Angaben 14

290

1.11. An welchen Fortbildungen haben sie teilgenommen?

Das ist nicht meine Aufgabe. 1 GI Seminare 30 Management bei Zentralverwaltung (ZV) 1 Lehrpläne bei ZV 1 viele verschiedenartige 13 Zentralstelle für das Auslandsschulwesen 7 schulinterne Fortbildungen 11 gar keine 13

1.12. Haben Sie selbst schon Fortbildungen erteilt? für Verwaltung 3 zu methodischen Fragen, Lehrerbildung, im Partnerland und in Deutschland 39 schulinterne Fortbildungen für andere Fächer und allgemeine Fragen 10 keine 23

Dialog und Partnerschaft (Deutsche im Ausland)

1.5. Beherrschung der Sprache des Gastlandes erste Kenntnisse 15 mäßige Kenntnisse 13 gute Kenntnisse 18 sehr gute Kenntnisse 15 keine Kenntnisse 1

2.1. Sind deutliche politische Veränderungen im Gastland seit ihrer Anfangszeit zu verzeichnen. Worin bestehen diese ?

291

politische Umgestaltung, Änderung des Wirtschaftssystems, 15 Islamisierungstendenzen Wechsel der parlamentarischen Mehrheit 8 keine Veränderung 22

2.2. Welche sozialen Vorstellungen bzw. Bedingungen im Gastland machen Ihnen Schwierigkeiten ? Welche sonstigen Probleme tauchen auf? andere Mentalität 23 Ablehnung von Deutschen, von Ausländern, anderen Kulturen 4 Bürokratie 6 schlechte Bezahlung der Ortskräfte 6 soziale Kluft zu den einheimischen Kräften 2 Kriminalität 1 eigene soziale Probleme, Gesundheitssystem 5 Rückgang der Schülerzahlen 1

4.7. Wie gestaltet sich der Umgang mit Lehrern und der Schulverwaltung des Partnerlandes ? enge Zusammenarbeit mit Lehrern 8 Gut 14 Problemlos 13 mäßig 5 offiziell gut ! 1 gelegentlich problematisch 3 kaum vorhanden 5

4.8. Gibt es organisatorische Schwierigkeiten?

Ja 19 292

ja, viele 4 keine nennenswerten 3 Keine 7 keine Angaben 10

4.9. Gibt es Kontakte zur deutschen Botschaft bzw. zum Konsulat? gute Kontakte 6 kaum Kontakte 34 keine Kontakte 6 keine Angabe 10

9.1.Wieweit und in welcher Form haben Sie Kontakte zur Bevölkerung des Landes? private 4 dienstliche 7 geringe 8 keine 2 ...... zur deutschen Minderheit private 2 Dienstliche 2 Geringe 1 keine 1

Lehre vor Ort 4.4. Welche Klassen bzw. Kurse unterrichten Sie? (Mehrfachnennungen möglich)

Grundkurs 6 Mittelstufe 8 Oberstufe 6 Fachunterricht Wirtschaftsdeutsch 1 293

Grundschule 10 Sek. I 23 Sek. II 22 Studenten 1

2.4. Welche landeskundlichen Materialien werden/wurden im Unterricht in der letzten Zeit eingesetzt? (Mehrfachnennungen möglich) wie bei DaF in Deutschland 5 Audiokassetten, Videos, Filme aus dem Haus 10 deutsche Literatur 8 eigene Mitschnitte aus den Funkmedien 8 Zeitungen 7 Material von IN und GI 7 sehr vielfältiges Material 1 Ausstellungsbesuche 1 BBC Projekt 1 keinerlei 5 5.1. Mit welchen Büchern/Medien arbeiten Sie?

vor allem Lehrbuch 15 Lehrbuch + Video + Kassetten 14 vor allem aktuelles Material 3 Ich erteile Fachunterricht. 2 Ich verwende ein eigenes Werk, Tandemunterricht deutsch/ französisch. 1

5.2.Entspricht das Unterrichtsmaterial Ihren Vorstellungen ? sehr 4 ja 1 weitgehend 26 294

kaum 3 nicht 2 gar nicht 1 keine Angaben 7

5.3. Welche Vorkenntnisse haben Ihre Schüler? Mäßige 1 aus dem Kindergarten 1 seit der Grundschule 2 gute 2 wie in Deutschland 9 Sek. I 7 Sek. II 11 sehr unterschiedliche 4 keine 3

6.2. Welches sind die Erwartungen der Schülereltern an Ihren Unterricht? guter Erfolg in Deutsch 3 Grammatikvermittlung 1 gute Noten 3 fachliche und soziale Leistung der Schüler fördern 9 modernerer Unterricht als im einheimischen System 3 nur Wissensvermittlung 5 das deutsche Niveau (Rückkehrabsicht) 5 großes Interesse der Eltern allgemein 1 keine Forderungen, kein Interesse 4 Ich arbeite mit Erwachsenen. 9

6.3. Welche Besonderheiten im Lernverhalten Ihrer Schüler fallen Ihnen im Vergleich 295

auf?

Motivation und Disziplin sind hoch 12 starke Leistungsorientierung, Noten werden sehr wichtig genommen 4 wenig leistungsbewusst, passiv 2 wenig teamfähig 2 gravierende Lernprobleme 5 nicht kritikfähig 1 lernen viel auswendig, sind fleißig aber unselbstständig 8 auch Studenten wollen Lenkung 1 keine Angaben 8

Europafragen

9.3 Welche Vorteile können Sie sich vorstellen bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder?

Bessere Zusammenarbeit: 3 vielfältigere Angebote 2 organisatorische Erleichterungen, effektivere Arbeit, Materialeinsatz, Raumnutzung 12 multikulturelles, intereuropäisches Denken, Abbau von Vorurteilen 10 Bessere Absprache, gemeinsame Projekte 13 Erfahrungsaustausch 7 vergleichbare Abschlüsse 2 keine Vorstellungen 2 keine Vorteile 1 keine Angaben 5

Deutschlandbild /Studium in Deutschland

6.1. Wie ist das Interesse an einem Studium in Deutschland?

296

Gering 6 mäßig 15 groß, aber kaum zu verwirklichen 18 groß 18 sehr groß 4

6.4 Welches sind die Erwartungen der Schüler/ Studenten bezüglich der Zukunftsaussichten, wenn sie Deutsch gelernt haben?

Arbeit im Heimatland bei einer deutschen Firma 17 ” ” ” im Tourismus 4 Studium in Deutschland 17 Arbeit ” ” 12 allgemein bessere berufliche Aussichten 20 allgemeines Interesse 3 Kontakte nach Deutschland 12

10.1. Entspricht das Deutschlandbild Ihrer Schüler/Studenten in der Spracharbeit der Realität? ja 3 nicht feststellbar 2 weitgehend 3 manchmal nicht 15 oft nicht 11 keine Angaben 2

10.2. Welche Kulturveranstaltung in Ihrer Institution hat besonders guten Anklang gefunden?

Dichterlesungen 4 historische Ausstellung 2 297

Informationsveranstaltung 1 Jugendkonzert 1 Kunstausstellungen 3 weiß nicht 2

Zukunftspläne

Wann kehren Sie nach Deutschland zurück? in diesem Jahr 2 in ein bis drei Jahren 21 in drei bis fünf Jahren 16 später 5 unbestimmt 9 gar nicht 14

3.2.Welches wird Ihre nächste Tätigkeit sein?

Lehrtätigkeit in Deutschland 29 Schulaufsicht 1 Bibliothek, Sprachabteilung 4 Selbstständigkeit 2 keine Veränderungen zu erwarten 12 unbestimmt 19 Weiterstudium 1 Lehrer in einem anderen Land 2 Ruhestand 3

3.3. Kann es zu Kündigungen kommen?

Ja 22 298

bei Mittelkürzungen ja 1 kaum 8 unbestimmt 3 nein 32

3.7. Welches ist Ihr persönlich wichtigstes Berufsziel?

Weiterarbeit mit inhaltlichen Schwerpunkten: Entwicklung von Lehrmaterial 2 Völkerverständigung, Deutschland darstellen, Jugendarbeit ,interkulturelle Ziele 17 Weiterarbeit und Karriere 6 weitere Qualifizierung 4 wieder ins Ausland gehen 2 Weiterarbeit ohne besonders ausgeführte Perspektive: soziale Absicherung der Familie 4 ein Arbeitsplatz in Deutschland 3 eine zufriedenstellende, sinnvolle Tätigkeit 18 Einbringung der Erfahrung aus dem Ausland 3

Forderungen für die Zukunft

3.6. Welche einsatzbezogenen Forderungen stellen Sie an die Bundesrepublik?

Abbau der deutschen Bürokratie, des Kulturföderalismus 4 Unterstützung bei Schwierigkeiten mit der Verwaltung des Gastlandes 7 finanzielle Besserstellungen 2 steuerliche Besserstellung 1 längere Vertragsdauer 2 Bewerbungsmöglichkeit im Auslandsdienst 1 diplomatischer Status 1 bessere soziale Absicherung 17 kürzere Arbeitszeit 2 299

einfachere Vermittlung 1 Einstellungsgarantie bei der Rückkehr nach Deutschland 4 berufliche und aufenthaltsrechtliche Absicherung des Partners 5 Anerkennung für die Auslandstätigkeit nach der Rückkehr 1 bessere Vorbereitung auf den Aufenthalt im Gastland 11 mehr Verständnis für das Gastland 2 mehr Fortbildung 4 mehr Ortskräfte zur besseren Einbindung vor Ort 2 Qualität der Schule kontrollieren 1 Verbesserung der wirtschaftlichen Kontakte mit dem Partnerland 1 mehr Autonomie der Schule, organisatorische Straffung 3 Es fehlt ein Konzepte für die AKP, der Stellenwert ist zu gering. 9 politische Unabhängigkeit von den Geldgebern 1 Erhalt der Schule 1 bessere Ausstattung der Schulen 5 keine Kürzungen 3 Schulleiterschulungen 2

300

6. Interpretation und Ergebnisse der Untersuchung

Die Fragebögen ließen Raum für eigene Angaben. Die Befragten antworteten nicht auf alle Fragen, was sich aus der zahlenmäßigen Auswertung leicht ersehen lässt. Es gibt also nicht 90 Antworten auf eine Frage, sondern so viele Antworten, wie Befragte es für wichtig und notwendig erachteten. Sicherlich ist die unverfängliche Aussage die einfachere und mancher hat z.B. nach seinen Sprachkenntnissen im Gastland befragt, dazu lieber keine Angaben gemacht. Während auf die Frage zur Ausbildung und Besoldung noch fast alle antworteten, haben die Befragten im Laufe des doch sehr umfangreichen Fragebogens sich die Bereiche ausgewählt, die ihnen relevant erschienen. So ist z. B. bei der Frage nach der Vorbereitung auf die Arbeit im Gastland klar, dass die Ortskräfte, weil dort ansässig, darauf nicht antworteten. Zur Auswertung selber gab es mehrere Vorstufen. Eine war die Zählung und inhaltliche Fixierung der Antworten der einzelnen Institute und Schulen. Nachdem sich aus der geringen Zahl der Antworten einzelner Einrichtungen kein Fazit ziehen ließ, wurden die Antworten aller Institute und Schulen, wie oben beschrieben, inhaltlich zusammengefasst. Da die Art der Antworten der Deutschen Schulen sich nicht wesentlich von denen der Goethe- Institute unterschieden, wird bei der statistischen Auswertung auch beim Fazit nicht nach Deutschen Schulen und Goethe-Instituten getrennt. Wo es notwendig ist und unterschiedliche Ergebnisse deutlich werden, wird dies benannt.

6.1. Ausbildung und Fortbildung

Besetzung von Leitungsstellen 14 der von mir untersuchten Einrichtungen hatten einen männlichen Leiter, 3 eine Leiterin. Dies ist ein eklatantes Ungleichgewicht, zumal es im Lehrberuf, je nach Schulart, mal mehr, mal weniger, statistisch gesehen etwa ebenso viele Männer wie Frauen gibt. Von der Beförderung hängt auch die besoldungsmäßige Einstufung ab. In den oberen Gehaltsstufen befinden sich demnach vorwiegend Männer. Dazu sagt der Frauenförderplan des Goethe- Instituts: “Aus der Statistik ‚Besetzung nach Funktionen’ geht hervor, dass Frauen in der Führungsebene so gut wie nicht vorhanden sind, nur 3%! [...] Auf der Leitungsebene sind Frauen mit 29% innerhalb der DozentInnenlaufbahn vertreten.[...] Nur 15% der 301

Bereichsleitungen in der Zentralverwaltung sind mit Frauen besetzt.”229 In den Deutschen Schulen im Ausland sieht es nicht anders aus. So sind z.B. alle in dieser Arbeit vorkommenden Schulleiter - aus dem Jahr 1998 - männlich. Inzwischen gibt es im Jahr 2002 Schulleiterinnen an der DS Paris und Stockholm. Wenn Paare sich bewerben, geht –bei gleicher Ausbildung- meist er als ADLK und sie als Ortskraft. Im Bereich Ausbildung und Fortbildung zeigt sich, dass die Spanne der schulischen und beruflichen Abschlüsse der Befragten von der mittleren Reife bis zum Abitur, vom Wirtschaftskorrespondenten über den Diplomlehrer zum Grund- und Hauptschullehrer bis zum Lehramt am Gymnasium, zur Promotion auch in Theologie und Kunstgeschichte reichen. Ein abgeschlossenes Studium ist die Regel. Die Ausbildungen der Befragten sind vielfältig und die Befragten weiterbildungswillig. Die besoldungsmäßige Einstufung und Absicherung sowie der Kündigungsschutz der Programmlehrkräfte, bedingt, der Ortskräfte und der Honorarkräfte hingegen deutlich, liegen weit unter den sehr günstigen Bedingungen für die Entsandten des Goethe-Instituts oder für die Auslandsdienstlehrkräfte. Auch die Zulagen und Spesen, die die letzteren erhalten, unterscheiden sich gravierend. Auf dieses Problem wird an mehreren Stellen in der Arbeit eingegangen. Im Bereich DaF oder DaZ wurde ca. 60% der Befragten nicht ausgebildet. Am Goethe- Institut nahmen einige der Befragten an der Dozentenausbildung Deutsch als Fremdsprache in München teil. Manche gaben an, in diesem Bereich Autodidakten zu sein. Henrici äußert sich dazu in seinen 10 Thesen wie folgt: “10. These: Deutsch als Fremdsprache ist ein Fach, das in besonderer Weise auf internationale Beziehungen angewiesen ist und der Stärkung internationaler Verständigung dient. Die Praxis des Unterrichts DaF ist ein ständiger Ort der internationalen Begegnung, des kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Austauschs: Jeder erfährt, lernt etwas vom anderen. Vorbereitet werden die zukünftigen DaF-Lehrenden für diese Praxis im In- und Ausland[…]in der konkretesten Form durch Praktika, die im Inland und/oder Ausland stattfinden und die intensiv vor- und nachbereitet werden. Praxiserfahrungen außerhalb der Hochschule, bei denen Fremdheit am differenziertesten und eindringlichsten erfahren wird, sind ein hoher Motivationsfaktor für die theoretische Beschäftigung mit Unterrichtsproblemen

229 Goethe-Institut, Frauenförderplan: Ist-Analyse der Situation von Frauen im Goethe-Institut und Zielvorgaben. München, Oktober 1996, S.7. 302

und mit dem zu ihrer Bewältigung notwendigen Basis- und Spezialwissen der Bezugs- und Inhaltswissenschaften. Diese Fremdheitserfahrungen vor Ort sind nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Lehrenden eine notwendige Bedingung für ihre kompetente Berufsausübung.”230 Für den Einsatz im Partnerland erhielten ca. 20% eine Einweisung vor Ort, ca. 40 % wurden weitgehend sich selber überlassen, 20% hatten keine Vorbereitung erhalten. Persönliche Einführung durch die Vorgänger fand kaum statt, eher selten wurde an Hospitationsprogrammen teilgenommen. Lehrer der Deutschen Schulen erhielten auf einer eintägigen Einweisung des Bundesverwaltungsamts wichtige Informationen zu formalen Bereichen, andere nahmen am zweiwöchigen Vorbereitungslehrgang dort teil. Auch Probekurse mit Betreuung durch die Leiter der Sprachabteilungen der Goethe-Institute und spezielle Deutschlehrerseminare im Goethe-Institut wurden absolviert. Während des Einsatzes im Ausland nahmen die Befragten an vielfältigen Fortbildungen im Bereich DaF und DaZ des Goethe-Instituts, der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, an verschiedenen Instituten für Lehrerfortbildung und Universitäten teil. Verlage, Management- seminare, Sprachschulen und Volkshochschulen boten weitere entsprechende Fortbildungen. Von den Befragten wurden auch zahlreiche Fortbildungen durchgeführt.

Zwischenergebnis Bei der Stellenbesetzung und bei den Bewerbungen vor allem von Leitungsfunktionen liegt eine Benachteiligung von Frauen vor. Ein erster Schritt, der Benachteiligung entgegen zu- wirken ist ein Frauenförderplan, wie er beim Goethe-Institut mit der “Betriebsvereinbarung zur Förderung der Gleichstellung von Frauen im Goethe-Institut”, vorliegt. Darin werden konkrete Zielvorgaben benannt, um zukünftig eine unbewusste Diskriminierung von Frauen auszuschließen. Hier muss die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen nachziehen.

230 Henrici, Gert: Deutsch als Fremdsprache. Quo Vadis? Konstituierungsprobleme eines jungen akademischen Fachs. In: Deutsch als Fremdsprache. Wo warst Du, wo bist Du, wohin gehst Du? Zwei Jahrzehnte der Debatte über die Konstituierung des Fachs Deutsch als Fremdsprache. Gert Henrici und Uwe Koreik, Hrsg.. BAsweiler, 1994, S. 200 f. 303

Lehrer, die für die im wesentlichen gleiche Arbeit unterschiedlich besoldet werden, Entsandte der Goethe-Institute, die Vergütungen und Spesen weit über dem Niveau der Ortskräfte erhalten, produzieren Gefühle der Ungleichheit und Ungerechtigkeit sowie den Wunsch nach Reformen. Umso mehr gilt es Arroganz von Entsandten, die sich bei manchen am höheren Verdienst festmacht, entgegen zu wirken. Gerade durch die Ergebnisse der Pisa- Studie wurde dem Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Bildungssystemen ein Dämpfer versetzt. Sich überheblich gegenüber den Kollegen des Gastlandes oder Ortskräften zu verhalten, konterkariert den interkulturellen Ansatz. Deutsch als Fremdsprache hat für Lehrende und Lernende mit Lernen und Erfahrung zu tun, mit Methoden und der Darstellung der Sprache. Dies ist nicht etwas, was dem Lehrenden, der Deutsch als Muttersprache spricht, rein intuitiv zur Verfügung steht. Sich mit der Wissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache und dessen Didaktik zu befassen, steht vor der Vermittlung des Deutschen. Diese Voraussetzung wird im Gesamtkontext zu wenig beachtet. Der ”interkulturellen Germanistik” muss im Gesamtgefüge des deutschen Universitätsbetriebs mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Insbesondere, wenn sich die Deutschen Schulen vermehrt den Schülern des Gastlandes öffnen werden, entsteht hier ein immenser Nachholbedarf. Auch wenn die Schulen in der Bundesrepublik immer multikultureller werden, im Sinne eines Nebeneinanders, ist der Anteil der Lehramtsstudenten, die DaF, DaZ belegen, um dies zu verändern, zahlenmäßig nicht ausreichend. Da auch die meisten Bewerber für den Auslandsschuldienst nicht langfristig geplant haben, ist es erklärlich, dass sie in diesem Bereich über keine Vorbildung verfügen, zumal sie in den Deutschen Schulen im Ausland häufig ihre Fächer, wie in Deutschland nach deutschem Lehrplan vor vorwiegend deutschen Schülern unterrichten. Als Konsequenz einer gewünschten zunehmenden Internationalisierung ergeben sich vor allem verbindlichere Einführungs- und Fortbildungsveranstaltungen. Dazu ist mehr nötig als die folgenden Absichtserklärungen: ”Um die Attraktivität der verschiedenen Formen der Auslandsschularbeit zu erhalten, bedarf es einer permanenten Fortbildung aller Lehrkräfte sowie des Leitungs- und Verwaltungspersonals. Langfristig sollen auch Schulträger und Eltern in die Auslandsschul- entwicklungspläne einbezogen werden. Das Auswärtige Amt wird darüber ständig informiert 304

und um politische Unterstützung gebeten.”231 ”Die Information über das Tätigkeitsfeld Auslandsschularbeit muss schon während der Ausbildung in den Studienseminaren einsetzen, damit der Arbeitsplatz Auslandsschule in die Karriereplanung einbezogen werden kann.” 232 Was diese Aus- und Fortbildung konkret leisten soll, muss noch näher diskutiert werden. Selbst die Türkei bildet nun in mehrmonatigen Seminaren, die für den Auslandsschuldienst vorgesehenen Lehrer in der entsprechenden Landessprache aus und bemüht sich um berufliche Information. Eine Woche Vorbereitung, wie sie die ZfA bietet, reicht nicht aus. Allerdings sind die neueren Anstrengungen anzuerkennen, während des Auslandseinsatzes den Lehrkräften Fortbildungen anzubieten. Eine Wochenstunde steht dafür zur Verfügung. Die Ausgestaltung erfolgt vor Ort. Für den Einsatz im Ausland werden Intensivsprachkurse vor und während des Aufenthaltes, sowie rechtzeitige Aufklärung über die realen Bedingungen von den Befragten gewünscht. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen sieht zurecht die Fortbildung der Auslandsdienstlehrkräfte als ein wesentliches Merkmal für die Zukunftsfähigkeit. Die wöchentliche Reduzierung des Stundendeputats um eine Stunde, um sich fachdidaktisch und interkulturell bezogen auf die Schulortsituation fortzubilden, ist ein erster Schritt. “Die Zukunft wird wesentlich dadurch bestimmt, dass die Fortbildungszentren ab 1999 die Auslandsteile der Vorbereitungslehrgänge im ADLK- und PLK - Bereich übernehmen. Diese konkrete Aufgabe soll nicht nur die Perspektiven von neuen und an der Schule bereits heimisch gewordenen Lehrkräften vermitteln. Die dort aufgeworfenen pädago- gisch/inhaltlichen Fragen können in Fortbildungsveranstaltungen mit dem Ziel der Schulentwicklung bearbeitet werden.”233 So trafen sich zum Beispiel Rektoren aller 22 Fortbildungsregionen im November 2002 auf Veranlassung der ZfA, um den Themenkomplex Schulentwicklung zu diskutieren.

231 http://www.auslandsschulwesen.de/zentralstelle für das Auslandsschulwesen/fortbild.htm (Stand: 28.11.01). 232 Petry, Wolfgang: Wie lässt sich die ‚Ressource’ Auslandskontakte und Auslandserfahrung für die Entwicklung des Inlandsschulwesens besser als bisher nutzen? Dokumentation der Sonnenberg-Tagung der GEW 1998, S.13ff. 233 http://www.auslandsschulwesen.de/Zentralstelle für das Auslandsschulwesen/fortbild.htm (Stand: 28.11.01). 305

Fazit: Ein Frauenförderplan für die Deutschen Schulen, der eine größere Anzahl von Frauen in Leitungsfunktionen zum Ziel hat, muss in Kraft treten, der bereits existierende Frauenförderplan des Goethe-Instituts umgesetzt werden. Ungleiche Einstufung und Absicherung bei Beschäftigten mit vergleichbarer Qualifikation müssen abgebaut werden. Mehr Ausbildung in Deutsch als Fremdsprache ist nötig, deshalb ist auch der interkulturellen Germanistik im Gesamtgefüge des deutschen Universitätsbetriebs mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Sprachkurse zum Erlernen der Sprache des Partnerlandes, sowie Vorbereitung auf das Gastland durch Einführungs- und Fortbildungsveranstaltung sollen angeboten werden.

6.2. Dialog und Partnerschaft

Danach gefragt, ob die Sprache des Gastlandes beherrscht wird, wurde vielfach angegeben, keine oder Anfangssprachkenntnisse zu besitzen. Etwa die Hälfte der Beantwortenden gab an, die Sprache mittelmäßig zu beherrschen. Sehr gute Sprachbeherrschung nimmt ein Viertel der Befragten für sich in Anspruch. Die zum Teil unzureichenden Sprachkenntnisse müssen sich negativ auf die Ergebnisse des Deutsch als Fremdsprache (DaF) - Unterrichtes auswirken, da kontrastive Vergleiche nicht möglich sind. Dazu stellt Ehnert fest: ”Da im Kontrast der Sprachen und Kulturen die deutsche Sprache jeweils unterschiedlich zu betrachten und zu lehren ist, müssen kontrastive oder, im Sinne wirklicher zweiseitiger Vergleiche, konfrontative Studien betrieben werden. Sie sind mehr als Fehleranalyse und Prophylaxe durch Sprachvergleich, können aber auch nicht unmittelbar zu einer geeigneten Grammatik der Zielsprache Deutsch für SprecherInnen einer bestimmten Ausgangssprache führen. Vielmehr liefern diese Untersuchungen bessere Einsichten in beide verglichene Sprachen und damit eine Basis für eine didaktische Grammatik des jeweiligen Sprachenpaares. Um Lernersprachen einzuordnen, Fehlerquellen beurteilen zu können, sollten Lehrerinnen und Lehrer über Sprachentypologie und Universalienforschung Bescheid wissen, in einigen Fällen auch mit der Sprachplanung vertraut sein.”234

234 Ehnert, Rolf: Das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern. Hartmut Schröder, Hg.. 2. Korr. Aufl. (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache. Bd. 26) Frankfurt am Main, u.a., 1994. S. 224. 306

Bei der Frage nach politischen Veränderungen im Gastland während des Aufenthaltes werden häufig aktuelle landestypische Entwicklungen benannt. Soziale Vorstellungen und Bedingungen im Partnerland, die Schwierigkeiten machen, hängen oft mit der schlechteren materiellen Situation zusammen, auch mit dem Gegensatz zwischen arm und reich, einem starken Autoritätsbegriff, sowie bürokratischen Hindernissen und Unübersichtlichkeiten im Schul- und Ausbildungssystem sowie im Gesundheitssystem. Die Kontakte zur deutschen Botschaft bzw. zum Konsulat sind sehr unterschiedlich ausgeprägt, z. B. sind sie in Moskau sehr eng, in Prag weniger, bei der großen Mehrheit kaum vorhanden. Der Kontakt zur Bevölkerung des Landes hängt in hohem Maße vom Sprachvermögen ab. Nur eine Minderheit gab an, dass sie gute und problemlose Kontakte habe. Auch die organisatorischen Probleme waren zahlreich. An kulturellen Zusatzaufgaben fallen die Präsentation der Schule oder des Instituts an, die Kontaktpflege zu Bildungsinstitutionen, Interviews und Vorträge, Gestaltung von Festen und Konzerten. Repräsentationsaufgaben hängen jedoch stark von der Position ab, die der Befragte in seinem Arbeitsumfeld einnimmt. Die Kontakte zur deutschsprachigen Minderheit in den Ländern des ehemaligen Ostblocks sind nur wenig ausgeprägt, oft erfolgte keine Angabe dazu in den Fragebögen. Auch Kontakte mit der Schulverwaltung des Partnerlandes oder der deutschen Botschaft bestehen nur wenige.

Ergebnis ”Interkulturelle Bildung ist eine objektive Notwendigkeit, und keine Frage des persönlichen oder bildungspolitischen Geschmacks”235 Zur interkulturellen Bildung gehört auch die Mehrsprachigkeit. Dieses darf nicht nur für Schüler- es muss auch für Lehrer gelten. Mehrsprachigkeit hilft bei der Bewältigung von Alltagsproblemen. Da es sich bei den Deutschen Schulen oft um Spiegelbilder der Schulverhältnisse in Deutschland handelt, werden die Möglichkeiten zu einem interkulturellem Miteinander im Gastland nicht genutzt. Allerdings sind die Deutschen Auslandsschulen faktisch Gesamt- schulen, das unterscheidet sie von einem deutschen Gymnasium. Alle Schüler gehen zusam- men in eine Klasse, von der aus dann der Hauptschulabschluss, der Mittlere Schulabschluss

235 Heine, Marcella: Vortrag ”Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule”, Sonnenberg- Tagung der GEW 1998. 307

oder das Abitur gemacht werden kann. Deutsch wird fast ausschließlich als Muttersprache gelehrt. Vielfach wird gefordert, die Deutschen Schulen für einen größeren Anteil von Schülern des Gastlandes zu öffnen. Dann würde verstärkt Deutsch als Fremdsprache unterrichtet und der interkulturelle Austausch gefördert. Ausbildung ohne Auslandsaufenthalt, eine Art ”Ghettoleben”, ein Abschotten vor der fremden Kultur und Sprache, sind eher die Regel. Schüler, Schulvorstand, Lehrerschaft leben im Gastland oft nah beieinander. Sie bilden eine “community”, sie leben wie in einem kleinen Dorf, dementsprechend bilden sich Grüppchen, blüht der Klatsch. Es entstehen “Kumpelverpflichtungen”, denen man sich nur schwer entziehen kann. Die Entsandten und Mitarbeiter der kulturellen Einrichtungen sollten, gerade im Interesse ihrer Schüler und Studenten, auf eine intensive Kontaktpflege im Gastland vorbereitet werden. Die Tatsache dass viele der Befragten keinen oder kaum Kontakt zur deutschen Botschaft oder zum Konsulat haben, sollte nachdenklich machen. Austausch auch auf dieser Ebene bringt Synergieeffekte. Fazit: Organisatorische Schwierigkeiten werden abgemildert durch das Erlernen der Sprache des Gastlandes. Der Umgang mit der anderen Mentalität kann durch intensive Kontaktpflege schon bei der Vorbereitung eingeübt werden. Kontakte zur Botschaft müssten im Sinne der Vernetzung von Seiten der Botschaft intensiviert werden. Deutsche Schulen müssen aus der “Ghettobildung” raus und Begegnungsschulen werden.

6.3. Lehre vor Ort - Medieneinsatz im Fach Deutsch als Fremdsprache

Im Unterricht werden Lehrbücher, Videos und Kassetten eingesetzt und landeskundliches Material benutzt, welches auch in Deutschland zum Einsatz kommt. Audiovisuelle Medien, bezogen über Inter Nationes, bereichern den Unterricht und sind unumgängliche Notwendigkeit im Zeitalter der Neuen Medien und weltweiten Kommunikation. Aktuelle Zeitungen und Zeitschriften, Literatur, diverse Lektüren, Fernsehmitschnitte, eigene Materialien werden eingesetzt. Die Vielfalt der Medien ist beachtenswert. Weitgehend entspricht das Unterrichtsmaterial den Vorstellungen der Lehrenden. Die Herstellung der Medien erfordert “Bei allem Engagement für die von der Zentralstelle geförderten und damit letztlich auch propagierten Lehrwerke hat die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen stets 308

großen Wert darauf gelegt, dass die Entscheidung über Auswahl und Beschaffung für die einzelnen Schulen allein bei den dort Verantwortlichen liegen kann.”236 Geringe Kenntnisse über die momentanen Verhältnisse in Deutschland sahen die Befragten bei den meisten ihrer Schüler und Studenten als gegeben. Mit Hilfe von geeigneten Medien könnte hier gegengesteuert werden. Höhere Lernmotivation, größerer Fleiß, weniger Kritik, manchmal aber auch geringeres Sozialempfinden als in Deutschland wurden konstatiert. Zwei- oder Mehrsprachigkeit, auch mit Einsatz aktueller Medien vermittelt, wird von den Studenten als Bereicherung empfunden.

Zwischenergebnis Immer wieder wird von Fachwissenschaftlern ein gutes Fundament für die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache gefordert, welches auch landeskundliches Fachwissen und Wissen um den geeigneten Medieneinsatz einschließt. Der Medieneinsatz in DaF geht von bekannten Lehrwerken zu Foliensammlungen, von landeskundlichen Medien aller Art bis zu eigenen Materialien für aktuelle Themen, sowie Verwendung von Lehrwerken, an denen die Unterrichtenden selber mitgewirkt haben. ”Ich verwende ein eigenes Werk im Tandemunterricht Deutsch/Französich”, so lautet eine Antwort. Das bedeutet, dass trotz vielseitigen Angebots zusätzlich in Eigenarbeit das genau für den Unterricht passende Lehrmaterial erstellt wird. In den Goethe-Instituten kommen mehr unterschiedliche landeskundliche Materialien wie z.B. Originalmitschnitte von Rundfunk und Fernsehnachrichten, Originalliteratur, von IN hergestellte Videofilme zum Einsatz als in den Deutschen Schulen. Es stellt sich bei den Antworten allgemein heraus, dass Materialien von Inter Nationes Medien sehr gefragt sind und gerne eingesetzt werden. Von den Studenten des Goethe-Instituts wird häufig modernerer Unterricht als im einheimischen System erwartet, dem wird, das ergibt die Befragung, entsprochen.

236 Schmidt, Walter: 29 Jahre in der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – Rückblick und Ausblick. In: Neue Akzente in der Auswärtigen Kulturpolitik. Schulische Arbeit zwischen Ökonomisierung und interkulturellem Auftrag. Dokumentation der Sonnenberg-Gewerkschaft-für-Erziehung-und-Wissenschaft- Tagung vom 19. bis 24. November 2000 im Internationalen Haus Sonnenberg, St. Andreasberg. Hg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Braunschweig, 2001, S. 23 f. 309

Fazit: Zwei- oder Mehrsprachigkeit, auch mit Einsatz aktueller Medien vermittelt, wird von den Studenten als Bereicherung empfunden. Motivation und Disziplin der Lernenden werden als hoch eingestuft. Die Entscheidung über Auswahl und Beschaffung des Lehrmaterials für die einzelnen Schulen liegt allein bei den dort Verantwortlichen, das bedeutet, dass trotz vielseitigen Angebots zusätzlich in Eigenarbeit das genau für den Unterricht passende Lehrmaterial erstellt wird. Von den Studenten des Goethe-Instituts wird häufig moderner Unterricht erwartet, dem wird, das ergibt die Befragung, entsprochen.

6.4. Europafragen

“Sich einerseits mit dem europäischen Gedanken zu identifizieren und andererseits den Nationalstaat in seiner Bedeutung zurücktreten zu lassen, bedeutet ja auch einem Widerspruch in sich selber Raum zu geben. Denn was wäre ein vereinigtes Europa anderes als nur ein größerer Nationalstaat, der zu Lasten der kleineren Staaten entsteht. Diese Paradoxie verdoppelt sich, wenn man historisch in Rechnung stellt, dass die Idee des europäischen Nationalstaates ausgerechnet in dem Augenblick entsteht, als mit der französischen Revolution für die Durchsetzung von Rechten gekämpft wird, die keineswegs auf einen Nationalstaat beschränkt sein können. Diese heute im wesentlichen als Menschenrechte bezeichneten Standards sind inzwischen aber europäische Orientierung.”237 Bei den Antworten der Befragten zeigt sich, in das zukünftige Europa werden positive prozesshafte und strukturelle Entwicklungsmöglichkeiten impliziert. Bei der Zusammenarbeit verschiedener Kulturinstitute unter einem Dach werden als Vorteile benannt: gegenseitige Befruchtung, direkte Absprachen, Erfahrungsaustausch, Austausch im Bereich Methodik und Didaktik, Abbau von Vorurteilen, bessere Verständigung und interkulturelle Zusammenarbeit, Einsparung überflüssigen Verwaltungsaufwandes und Standardisierung der Abschlüsse. Der europäische Gedanke äußert sich konkret im Fach Wirtschaft in Zusammenhang mit dem Euro, in der Erweiterung der EU, in der Teilnahme an

237 Lenzen, Dieter: Schulen für Europa - Europa für Schulen, aus einem Vortrag am 16.9.98 im Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Bonn, 98. (Typoskript). 310

Comeniusprojekten, trinationalen Veranstaltungen TRIANGLE (Deutschland, Frankreich, Großbritannien), bei Projektwochen oder bei Diskussion über die Herkunftsländer der Schüler, in der Auseinandersetzung mit fremden und eigenen Traditionen, bei der Ökologie und bei der Begegnung mit der Literatur. Zwischenergebnis “Es gibt keinen Unterricht, in dem der europäische Gedanke nicht dominieren würde”, so die Aussage eines Befragten. Die Grundlage der europäischen Zusammenarbeit bildet ein gemeinsamer Kulturkreis mit einem 2000-jährigen gemeinsamen kulturellen Erbe. Die Vorreiter des europäischen Gedankens sind die Universitäten Europas gewesen. Diese multinationalen Universitäten schufen trotz der Vielfältigkeit Europas ein europäisches Identitätsgefühl. Daran muss wieder angeknüpft werden. Organisatorische Erleichterungen, effektivere Arbeit, bessere Material- und Raumnutzung würden sich viele der Befragten bei einer Zusammenlegung der euro- päischen Kulturinstitute wünschen. Sie äußern, dadurch könnten auch europäisches Denken und Abbau von Vorurteilen gefördert werden. Unter 7. wird dieser Fragenkomplex in Bezug auf die Fragebögen noch einmal ausführlicher angesprochen. Fazit: Es werden eine große Anzahl organisatorischer Erleichterungen, wie effektivere Arbeit, bessere Material- und Raumnutzung genannt, die bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder entstehen können. (Siehe 7.)

6.5. Deutschlandbild/Studium in Deutschland

Für die Schüler der Deutschen Schulen und die Lerner der Goethe-Institute wäre ein Studium in Deutschland in der Regel sehr interessant, jedoch häufig nicht finanzierbar. Wenn nun deutsche Universitäten beginnen, Studenten aus dem Ausland für ein Studium in Deutschland zu gewinnen, hätten Absolventen der dortigen deutschen Bildungseinrichtungen relativ geringe Schwierigkeiten, sich bei uns zu integrieren. Im aktuell diskutierten ”Wettbewerb um die besten Köpfe” kann Deutschland nicht mithalten. Beim internationalen Studentenaustausch ist von Deutschland aus mehr zu leisten als bisher. Werbung und Information könnten an den Schulen und an den Goethe- Instituten erfolgen. Beratung und finanzielle Förderung in Deutschland wären allerdings unerlässlich. In der Türkei sind englischsprachige Universitäten sehr beliebt. Die Planungen für eine deutsche Hochschule in 311

Istanbul sind zunächst gescheitert, Hauptursache ist geringes Engagement der deutschen Ansprechpartner. Man erwartet, wenn auch nicht in Deutschland, so doch im eigenen Land mit guten Deutschkenntnissen bessere Chancen auf eine lukrative Anstellung. Vorteile im Wirtschaftsleben im europäischen Raum in leitenden Funktionen werden als Zukunftsaussichten gesehen. Als Kulturveranstaltungen haben Lesungen zum 100. Geburtstag von Brecht, zum Heine-Jahr, historische Ausstellungen und Jugendrockkonzerte besonders guten Anklang gefunden. Dichterlesungen, Kunstausstellungen, z.B. vom ifa zusammengestellt, Musikveranstaltungen mit deutschen Künstlern sind im Goethe-Institut ein Teil der Kulturarbeit, finden aber auch in den Deutschen Schulen statt. Obwohl die Befragung ergibt, dass das Deutschlandbild, welches die Lernenden haben häufig nicht der Realität entspricht, möchten viele Lernende in Deutschland studieren oder eine Arbeit bei einer deutschen Firma aufnehmen. Wie richtig erweist es sich auch unter diesem Aspekt, dass in den Schulen und Goethe-Institutionen ein umfassendes Deutschlandbild vermittelt wird, wie sich aus der Beschreibung der Deutschen Schulen und der Goethe-Institute unter C entnehmen lässt, welches Absolventen auch anregt, ihre Wünsche zu hinterfragen.

Zwischenergebnis Trotz der begrenzten Möglichkeiten wird viel versucht, um deutsche Kultur, Lebensweise und Denkart den Interessierten nahe zu bringen. Dieses geht deutlicher aus dem Teil C hervor als aus den Antworten im Fragebogen. Aber auch in Zukunft sollte das Angebot nicht in Englisch, so die Befragten, sondern vorwiegend in deutscher Sprache offeriert werden. Nur so kann dem Wunsch nach stärkerem Kontakt mit Deutschland entsprochen werden. Würden alle Deutschen Schulen in Begegnungsschulen umgewandelt, bestünde intensiver und direkter die Möglichkeit, ein umfassendes Deutschlandbild zu vermitteln und den Austausch zu befördern. Bisher kommen von den jungen Menschen, die ein Studium in Deutschland aufnehmen, ein Drittel als Absolventen von Begegnungsschulen, zwei Drittel von den rein deutschen Auslandsschulen. Seit dem Jahr 2001 gibt es intensive Beratung durch den DAAD zum Studium in Deutschland. 60 nichtdeutsche Stipendiaten, die einen sehr guten Abschluss an einer Deutschen Schule gemacht haben, können an einer Universität in Deutschland studieren. Deutsche haben generell das Recht auf BAFöG. 312

Fazit: Das Interesse an einem Studium in Deutschland ist groß, für viele angehende Studenten aber kaum zu verwirklichen. Die Erwartungen der Lernenden zielen auf das Erlernen des Deutschen, um ein Studium in Deutschland aufnehmen zu können, eine Arbeitsstelle bei einer deutschen Firma im Sitzland zu übernehmen, allgemein bessere berufliche Bedingungen und Kontakte nach Deutschland zu bekommen. Das Deutschlandbild der Lernenden entspricht jedoch häufig nicht der Realität.

6.6. Zukunftspläne

Nur wenige der Lehrenden erwarten in der Hierarchieleiter hinauf zu steigen. Manche hoffen in dem Beruf, in dem sie sich zur Zeit der Befragung befinden, bis zur Pensionierung zu bleiben. Sie planen keine Rückkehr und möchten ihre Tätigkeit fortsetzen. Frustration über die wahrscheinlich bevorstehende Schließung des Goethe-Instituts Neapel drückt sich wohl in der Antwort auf die Frage nach der Zukunftstätigkeit eines Befragten aus: ”Lumpensammler in Timbuktu.” Bei einer Schließung des Goethe-Instituts werden Kündigungen befürchtet. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit und der ungesicherten Zukunft macht sich in diesen Fällen breit. Das ist keine gute Grundlage, um ein Bild zu vermitteln, welches Vertrauen zu Deutsch- land schafft. Als persönlich wichtigste Berufsziele nennt man die Zufriedenheit der Arbeits- und Projektpartner, der Schüler und Studenten, eine interessante Arbeit zu haben, dem Aufwand gemäß bezahlt zu werden, für größeres Verständnis zwischen Deutschland und dem jeweiligen Gastland zu wirken, aber auch die Arbeit in einem Schulsystem, das mehr Offenheit, Toleranz und weniger Bürokratie produziert. Berücksichtigung der eigenen Erfahrung nach der Rückkehr wünschen sich viele Lehrer.

Zwischenergebnis In diesem Fragekomplex zeigte sich, dass persönliche und berufliche Zukunftspläne bzw. Wünsche oft zusammenfallen. Als persönlich wichtigstes Berufsziel wurden häufig das Anlie- gen genannt, einen Beitrag zur Völkerverständigung und zur Verwirklichung von interkul- turellen Zielen zu leisten. Ergänzend dazu wurden eigene Karriereplanungen sowie die Absicherung der beruflichen Stellung für wichtig gehalten. Die Berücksichtigung der eigenen Erfahrung nach der Rückkehr ist ein Bereich mit dem sich, nach jahrelanger Argumentation der AGAL, nun auch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder befasst. Im Beschluss der KMK heißt es dazu unter der Überschrift: “Nutzung der Auslandskontakte und Auslandserfahrungen in Unterricht und 313

Schule: An den Schulen in Deutschland gewinnen die Ziele und Maßnahmen internationaler, vorrangig europäischer Erziehung zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung lässt sich durch Lehrkräfte mit Auslandserfahrungen positiv mitgestalten. In vielfältiger Weise können sie ihre Kenntnisse, Überzeugungen und Haltungen in das Bemühen um internationales Verstehen einbringen.”238 Fazit: Bei einem großen Teil der befragten Mitarbeiter kann es zu einer Kündigung kommen. Unter diesem Druck macht sich die Gefahr der Demotivation breit. Als wichtigste Berufsziele nennt man die Zufriedenheit der Arbeits- und Projektpartner, der Schüler und Studenten, eine interessante Arbeit zu haben, dem Aufwand gemäß bezahlt zu werden, für größeres Verständnis zwischen Deutschland und dem jeweiligen Gastland zu wirken, aber auch die Arbeit in einem Schulsystem, das mehr Offenheit, Toleranz und weniger Bürokratie produziert sowie die Berücksichtigung der eigenen Erfahrung nach der Rückkehr.

6.7. Forderungen für die Zukunft

Von Deutschland aus wird die Verbesserung der Rückkehrbedingungen von Bun- desprogrammlehrkräften in den Schuldienst und der sozialen und arbeitsrechtlichen Absicherung gefordert. Dazu gehört auch die problemlose freiwillige Krankenversicherung in der Heimat für Urlaubsaufenthalt und Anrechtsbewahrung. Bereits jetzt haben die Schulbehörden große Probleme bei der Stellenbesetzung für den Auslandsschuldienst. Bisher waren unter den Programmlehrkräften viele, die die Wartezeit auf einen Arbeitsplatz in Deutschland überbrückt haben. In Zukunft ist anzunehmen, dass der Bedarf im Ausland nicht gedeckt werden kann, denn die Wartelisten für Lehrer sind leergefegt. Das föderalistische System im Bereich der Kultur- und Bildungspolitik wird von vielen Befragten als Grund für zahlreiche Schwierigkeiten und als Hindernis für eine gemeinsame Auswärtige Kulturpolitik angesehen. 16 Bundesländer, 16 verschiedene Beurteilungs- richtlinien und 16 Verfahrensregeln verhindern die Transparenz und öffnen das Tor für Willkür. Dies kann auch Konflikte mit dem Schulleiter verursachen.

238 Beschluss der KMK: Nutzung der Auslandskontakte und Auslandserfahrungen der im Ausland tätigen und aus dem Ausland zurückgekehrten Lehrkräfte. 6.12.2001. S.3. 314

Die Höhe der Wochenstundenzahl der Lehrkräfte wird moniert und Möglichkeiten für ein Sabbatjahr gefordert. Der Stellenabbau bei den Goethe-Instituten soll gestoppt und die Mittelausstattung auch für Kulturprogramme verbessert werden. Für viele Lehrer erfordert der Formular- und Antragskrieg mit dem Bundesverwaltungsamt zuviel Energie. Auch die Anreiseprozedur - häufig festgelegt im Schulabkommen - müsste erleichtert werden. Die finanzielle Besserstellung der kulturellen Programmarbeit im Goethe-Institut und politische Unabhängigkeit - auch von den Geldgebern - wird als ein wichtiges Ziel gesehen. Weitere Schließungen von Goethe-Instituten werden als Armutszeugnis deutscher Auswärtiger Kulturpolitik gewertet.

Zwischenergebnis ”Mit Befriedigung stellt die Bundesregierung fest, dass sich trotz dieser einzelnen Schwierigkeiten viele Lehrkräfte um den Einsatz als Bundesprogrammlehrkräfte bemühen und ihre Aufgabe im Ausland gewöhnlich mit großem Engagement und hohem persönlichen Einsatz erfüllen,” so beantwortete die Bundesregierung die kleine Anfrage zur Situation der Programmlehrkräfte.239 Paul Michel in der Bundesstelle für Rechtsschutz beim GEW- Hauptvorstand kann von vielerlei Problemen und Rechtsschutzfällen während des Einsatzes und bei der Rückkehr der Bundesprogrammlehrkräfte aus dem Auslandsdienst berichten. Die diesbezüglichen Erfahrungen der Rückkehrer müssen genutzt werden, um derartigen Schwierigkeiten vorzubeugen. Eine KMK-Vereinbarung, die verbindlich klärt, wie Beurteilungen zu gestalten sind, sollte in allen Deutschen Schulen gelten. Dazu müssten alle 16 Beurteilungskataloge durchgesehen werden. Manche Schulleiter haben niemals beurteilt. Persönliche Abrechung bei Beurteilungen darf nicht vorkommen. Hierbei ist auch zu monieren, dass die Personalvertretung für Auslandsschullehrer nicht klar geregelt ist. Eine Personalvertretung vor Ort und eine bundesweite Personalvertretung ist dringend notwendig. Mehr Interesse an Kulturpolitik, Mäßigung des finanziellen Drucks von Deutschland und ein deutliches Bekenntnis zur Auswärtigen Kulturpolitik wird erwartet. Kurt Simon, Vorsitzender

239 Altmann, Elisabeth: Zur sozialen Situation der Bundesprogrammlehrkräfte und zur finanziellen Ausstattung des Bereichs Deutsch als Fremdsprache in Europa. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage, Drucksache. 13/11316, 1998. 315

der AGAL, der Arbeitsgruppe der Auslandslehrer und Auslandslehrerinnen der GEW sagt dazu auf der GEW-Sonnenberg-Tagung im November 2002: „Man muss immer wieder sagen: Die wirklichen Erfolge jeglicher Bildungsarbeit im In- und Ausland werden frühestens in 10 Jahren sichtbar.” Für die Lehrerfortbildung im Bereich des Konfliktmanagements stellt das Bundesverwaltungsamt fest: “Lehrerfortbildung im Auslandsschulwesen muss weiterhin die "klassischen" Aufgaben wahrnehmen.[…]Aber Lehrerfortbildung muss sich darüber hinaus auch neuen Bereichen widmen: Teamteaching und Teamcoaching, Methodentraining, Kommunikations- und Beratungstraining und verstärkte Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz der Lehrkräfte”240 Diese Schlüsselqualifikationen sind unabdingbar, um die Europäisierung der Auswärtigen Kulturpolitik kompetent in Angriff zu nehmen. Die föderalistische Struktur im Auslandsschulwesen, die von vielen der Befragten als eher hinderlich gesehen wird, könnte überwunden werden. Hier steht der Vorschlag der Arbeitsgruppe Auslandslehrer und Auslandslehrerinnen der GEW für die Errichtung eines “Auswärtigen Schulamtes”. Es sollten nach den Vorschlägen im Gutachten von Prof. Battis, Kompetenzen die beim Bund und bei den Ländern liegen, zusammengefasst werden. Der Vorteil wäre eben auch eine gemeinsame Personalvertretung. Das “Auswärtige Schulamt” könnte sich intensiver um die Bündelung fachlicher Notwendigkeiten kümmern. Diese Forderung ist bei der KMK allerdings nicht beliebt. Fazit: An dieser Stelle wurde eine Fülle von Vorschlägen unterbreitet, die im Folgenden wörtlich aufgeführt werden, weil sie erheblichen Reformbedarf erkennen lassen.

7. Weitere Reformvorschläge aus den Fragebögen

7.1. Verbesserungen für die Deutschen Schulen

Exemplarisch sollen hier aus dem Fragenkomplex “Forderungen für die Zukunft” einige Aussagen, die für das Handlungsfeld bestimmend sind, wörtlich wiedergegeben werden und anschließend die unterschiedliche Sichtweise der Befragten und der Entscheidungsträger auf der offiziellen Ebene unter 7.2. verdeutlicht werden: Dazu wird zuerst auf die Auswertung der Fragebögen in einzelnen Schulen zurückgegriffen.

240 http://www.auslandsschulwesen.de/zentralstelle für das Auslandsschulwesen/fortbild.htm (Stand: 28.11.01). 316

Deutsche Schule Poprad

Welche Verbesserungen Ihrer Situation könnten von Deutschland aus initiiert werden? Im Folgenden werden die Anliegen der befragten Lehrer/innen genannt: Eine Stellenzusage in Deutschland nach endgültigem Vertragsende ( bzw. verwertbare Anerkennung des Auslandsdienstes), soziale und arbeitsrechtliche Absicherung, Möglichkeit in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen, Bewahrung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld über die Gesamtdauer des Auslandsaufenthalts, problemlose freiwillige Krankenversicherung in Deutschland zwecks Urlaubsaufenthalt und Anrechtsbewahrung, Erleichterung der Einreise durch entsprechende Schulabkommen, Schaffung einer Vermittlungsstelle für BPLK nach deren Rückkehr, mehr DaF- Einsatzmöglichkeiten nach der Rückkehr z.B. in der Unternehmensberatung und in Schulen. Weitere Vorschläge bezogen sich eher auf den pädagogischen Bereich: Mehr Ortslehrkräfte aus dem Partnerland, würden breitere berufliche Erfahrungen vermitteln. Genauere Information über die Arbeit, Fortbildungsveranstaltungen mit Zukunftsperspektiven, intensiver Dialog, Berücksichtigung eigener Erfahrungen bei der Fortschreibung des Programms, Aufklärung über die real vorherrschenden Bedingungen vor Ort, umfangreiche und schnellere Bereitstellung von Arbeitsmaterialien, bessere sprachliche Vorbereitung der Lehrkräfte v.a. auf dem Gebiet der nicht gängigen Sprachen, Fortbildungsangebote im Bereich DaF in Deutschland, (während der Unterrichtszeit und voll finanziert), Intensivsprachkurs während des Aufenthalts. Dies waren die einsatzbezogenen Forderungen.

Deutsche Schule Istanbul

Welche Verbesserungen Ihrer Situation könnten von Deutschland aus initiiert werden? Die Antworten, die ebenfalls wörtlich wiedergegeben werden, waren: Aufnahme in die Arbeitslosenversicherung und Übernahme in den staatlichen Schuldienst. Die Bedingungen für die Programmlehrer sind ausgesprochen ”Single - freundlich”. Es sollte vom Bundestag aus, mehr dem sozialen Bereich und den familienpolitischen Aspekten Rechnung getragen werden. Lehrer, die als Bundesprogrammlehrkräfte ins Ausland gehen und in Deutschland verbeamtet sind, sollten im Ausland unter gleichen materiellen Bedingungen arbeiten wie in Deutschland, also gleiche Bruttobezüge, gleiche Abzüge, Beihilfe usw. haben. Bessere soziale Absicherung der Programmlehrkräfte, evtl. Erhöhung der Chance auf einen Arbeitsplatz, ein 317

festes Stellenangebot in Deutschland für Programm- und Ortslehrkräfte nach 3-4 jährigem ”Auslandsdienst”, Rücknahme der finanziellen Kürzungen (Umzugsfinanzierung, etc.), Reduzierung der Pflichtstundenzahl, da erhebliche zusätzliche Belastungen im Ausland auftreten, bessere Familienförderung, wie in Deutschland auch. So die sozialpolitischen Anliegen der Befragten der Deutschen Schule in Istanbul. Als eher fachliche Vorstellungen wurden geäußert: Ermöglichung von Sprachkursen, bessere Vorbereitung auf das Gastland, zielgerichtete Sprachkurse zur Bewältigung des Schullebens und Alltags, verpflichtend und unter Stundenermäßigung einzurichten. Entwicklung und Betreuung pädagogischer Konzepte, spezifische Beratung durch die Fachberater, die fundierte Kenntnisse im DaF-Bereich haben sollten. Deutschland sollte besser prüfen, in welche Städte es deutsche Lehrer schickt: Es ist in den Städten Bedarf an Deutsch, in denen Universitäten mit deutschsprachigen Fakultäten betrieben werden oder in denen Betriebe Wirtschaftskontakte mit Deutschland pflegen. Dann ist der Deutschunterricht nicht nur eine Mode oder Reklame für eine Schule, sondern es gibt langfristige Nachfrage. Durch vermehrten Einsatz von Programm- und Ortslehrkräften kommt es häufig zum Wechsel im Kollegium. Zur Aufrechterhaltung der Kontinuität des Schulbetriebs sollte man die vermittelten Lehrkräfte länger als 8 Jahre im Auslandsschuldienst lassen oder die Programmlehrkräfte für mehrere Schuljahre einstellen und ihnen dann eine feste Stelle in Deutschland zusichern.

7.2. Abgleich mit politischen Entscheidungsträgern, sowie Primärquellen:

Es findet sich eine unterschiedliche Sichtweise vor allem zur materiellen Absicherung deutscher Lehrer im Ausland zwischen den Betroffenen und der politischen Ebene. Jedoch zeigt sich ein Problembewusstsein, was die verschiedenen “Lehrerkategorien” betrifft. Die Diskussion um die “teuren” Auslandsdienstlehrkräfte wird schon lange auf der politischen Ebene geführt: “Außenminister Kinkel hat dann Anfang der 90er Jahre selbst die Leiter der großen Mittler, wozu auch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen gezählt wird, jährlich zu Arbeitsessen ins Gästehaus der Bundesregierung eingeladen, an denen selbstverständlich auch der Leiter der Kulturabteilung sowie der Leiter des Grundsatzreferates teilnahmen. Hier wurden konzeptionelle Fragen der Außenkulturpolitik angesprochen und unter dem Blickwinkel der beteiligten Institutionen in aller Offenheit erörtert. Das war die Ebene, in der 318

u.a. Klage geführt wurde über die teuren Auslandslehrer. [...] So war auch die Gesprächsrunde, zu der Außenminister Fischer im Sommer 1999 nach Berlin eingeladen hatte, u.a. richtungsweisend für das künftige Verhältnis von GI und Inter Nationes sowie für die Vorstellungen von Art und Umfang der in Zukunft finanzierbaren Lehrerkategorien im Auslandsschulwesen. So konnte ich bereits auf die Reduzierung der Kosten für die Auslandsdienstlehrkräfte durch die Umstellung ihrer finanziellen Versorgung auf Zuwendungsrecht hinweisen.”241 Die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und den Kul- tusministern der Länder in der BRD, vertreten durch den Präsidenten der Ständigen Konferenz der Kultusminister, über den Einsatz deutscher Lehrkräfte im Ausland. (‚Rahmenstatut’) 1994 wird zur Zeit (Juni 2002) vom Bund- Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland (BLASchA) überarbeitet. Hier ist die Definition mehrerer Gruppen von Lehrern, die sich nach ihrem rechtlichen Status und nach ihren Aufgaben unterscheiden, festgelegt. (Siehe B 1.2.) Für die soziale Absicherung der Bundesprogrammlehrkräfte ist der Bundestag zuständig. Die Wiedereinstiegschancen der Programmlehrkräfte haben sich seit der Durchführung der Befragung zum Positiven verändert. Vertreter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen treten an die Länder heran mit dem Wunsch, dass Lehrer/innen mit Auslandserfahrung einen Bonus bei der Einstellung bekommen. Für den Dienst an Deutschen Schulen im Ausland finden sich besonders im naturwissenschaftlichen Bereich und im Bereich moderner Sprachen allerdings zunehmend weniger Bewerber, sodass für das Schuljahr 2002/2003 der Bedarf kaum gedeckt werden kann. Die durch das Rahmenstatut festgelegten Lehrerkategorien müssen revidiert werden. Im Entwurf des überarbeiteten Rahmenstatuts, bleiben die Lehrerkategorien erhalten, es wird aber viel stärker als bisher auf unterschiedliche Ausbildung der Ortslehrkräfte eingegangen.

241Schmidt, Walter: 29 Jahre in der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – Rückblick und Ausblick. In: Neue Akzente in der Auswärtigen Kulturpolitik. Schulische Arbeit zwischen Ökonomisierung und interkulturellem Auftrag. Dokumentation der Sonnenberg – Tagung der AGAL (Arbeitsgruppe Auslandslehrer in der GEW) vom 19. bis 24. November 2000 im Internationalen Haus Sonnenberg, St. Andreasberg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ,Hg.. Braunschweig, 2001, S. 32 f. 319

Im Rundschreiben an die Fachberater sowie die Goethe-Institute hat die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen im November 98 über Umstrukturierungen berichtet. Fachberater- aufgaben sollten aus ihrem bisherigem Zuständigkeitsbereich auf das Goethe-Institut übergehen. Das bedeutete, dass im Januar 1999 ca. 40 von 90 Fachberaterstellen auf das Goethe-Institut übertragen wurden. Betroffen waren Fachberater deren Aufgaben- und Einsatzbereich vor allem der Förderung der deutschen Sprache in der Pädagogischen Verbindungsarbeit gewidmet ist. So fährt Walter Schmidt in seinen Erläuterungen auf der Sonnenbergtagung fort: “Ebenso kann ich hinweisen auf den Abbau von Aufgabenüberschneidungen durch die zwischen GI und Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Abstimmung mit dem Leiter der Kulturabteilung vereinbarte Abgrenzung beim Einsatz von Fachberatern für Deutsch, nämlich zwischen der Pädagogischen Verbindungsarbeit des GI einerseits und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen-Fachberatung sowie Koordination des Einsatzes von Programmlehrkräften an Sprachdiplomschulen in der Verantwortung des BLASchA andererseits, wobei auch weiterhin eine vertrauensvolle Kooperation im Rahmen der im Auftrag der Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (StADaF) in den Hauptstädten weltweit erarbeiteten Länderkonzeptionen erfolgen soll.”242 Fachberaterstellen der ZfA auf das Goethe-Institut zu übertragen, stieß auf den Unwillen der Betroffenen. Denn ”Fachberater der ZfA sind vor Ort präsent und garantieren die kontinuierliche Verknüpfung pädagogischer Aktivitäten und unterrichtlicher Praxis. Sie initiieren durch unterrichtsbegleitende dezentrale Lehrgangs- und Projektangebote, Schulpartnerschaftsinitiativen, Hospitationen, Durchführung von Stipendienauswahlverfahren u.v.m..”243 Fachlich handelt es sich bei der Unterrichtung von Schülern in den Deutschen Schulen um einen anderen Aufgabenbereich, als ihn Fachberater des Goethe-Instituts wahrnehmen. Deshalb wird abzuwarten sein, ob die Veränderung der Rolle der Fachberater, in der geplanten Form zu sinnvollen Ergebnissen

242 ebd. 243 Proksch, Josef: Neue Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Goethe-Institut und Bundesverwaltungsamt- Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Tagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Der Auslandsschuldienst- ein Beitrag zur Interkulturellen Erziehung vom 15.-20.11.1998. Dokumentation der Sonnenberg - Tagung in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Braunschweig, 1999, S. 144. 320

führen wird. Hier wurden Veränderungen vorgenommen, ohne zu fragen, was es bringen wird oder gebracht hat. Sind positive oder negative Effekte eingetreten? Wurde die Zahl der Fachberater beim Goethe-Institut erhalten oder die Mittel anderweitig ausgegeben? Diese Fragen wären Anlass für eine gründliche Evaluation.

7.3. Goethe-Institute - in Zukunft Europäische Kulturinstitute?

Exemplarisch soll hier auf die Frage nach der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder aus den Fragebögen eingegangen werden und mit der Einstellung der Entscheidungsträger unter 7.4. abgeglichen werden. Dazu wird auf die Auswertung der Fragebögen in einzelnen Goethe-Instituten zurückgegriffen.

Goethe-Institut Prag

Welche Vorteile können Sie sich vorstellen bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach? Auch hier werden die Antworten auf die Fragen wörtlich wiedergegeben: Bessere Zusammenarbeit, Koordinierung von kulturellen und sprachlichen Aktivitäten.

In welchen Themenbereichen äußert sich konkret in Ihrem Unterricht die Annäherung der europäischen Länder? Beim interkulturellen Lernen, in Reise und Verkehr, in der Wirtschaft.

Welche Vorteile können Sie bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach vorstellen? Absprachen zu gemeinsamer Finanzierung z.B. von Musik-, Kunst-, Sportprogrammen. Ende der Konkurrenzgefühle! Synergien aller Art, anregende Konkurrenz. Überzeugendes Vorleben europäischer Zusammenarbeit und Gemeinsamkeiten in einem ”Kandidatenland”. Schnellere gegenseitige Information, gemeinsame Projekte.

Spielt der europäische Gedanke in Ihrer Arbeit eine Rolle? Der Versuch besteht ihn in Landeskundeseminaren zu entwickeln.. Besonders intensiv in der Arbeit mit Hochschuldozenten, weil sie die zukünftige akademische Elite des Landes unterrichten. 321

Punktuell besonders Euregio Tirrhena (Südbaden, Basel, Südelsass), die 30 Jahre funktioniert und viele konkrete Projekte über die Grenzen verwirklicht.

Goethe-Institut Paris

In welchen Themenbereichen äußert sich konkret in Ihrem Unterricht die Annäherung der europäischen Länder? Im Bereich der Landeskunde, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, Pressekursen. Welche Vorteile können Sie sich bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach vorstellen? Kosteneinsparung durch gemeinsame Nutzung der Ressourcen (Personal, Räume,...) Intensivierung der Zusammenarbeit und Verbreiterung des Angebots im Kulturbereich, gemeinsames Programm. In einer Stadt wie Paris sehe ich persönlich keinen Vorteil. Liegt in Europa auf der Hand (aber nicht nur da): Gemeinsamer übernationaler Dialog großer europäischer Themen: Kulturelle und sprachliche Vielfalt, Lernen und Bildung, Arbeit und Arbeitslosigkeit, Immigration, Jugend, Globalisierung, u. v. m. Außerhalb Europas hilft das in ähnlicher Weise, Dialog mit europäischen. Kulturen, eigene Wurzeln (z.B. Südamerika).

Spielt der europäische Gedanke in Ihrer Arbeit eine Rolle? Die Frage des Zusammenlebens, des Umgangs mit Fremden, interkulturelles Lernen, Mehrsprachigkeit. Spielt eine große Rolle und verlangt nach Konkretisierung. Leitmotiv = Realisation der Mehrsprachigkeit in einer europäischen Bildungssprachenpolitik. Werbung für Deutsch nicht national pointiert, sondern dem allgemeinem Gedanken des Plurilinguismus untergeordnet. Zunehmend diskutieren wir innovative Fachfragen auf europäischem Niveau. z.B. seit 15 Jahren trinationales Kolleg TRIANGLE (D,F,GB), demnächst ”Autonomes Lernen” mit Belgien und den Niederlanden.

7.4. Unterschiedliche Sichtweisen

Während die Kulturhandelnden eine vorwiegend positive Sichtweise auf die sich anbahnende Zusammenarbeit europäischer Kulturinstitute haben, sind diesbezügliche Vorstellungen an der Kulturpolitik Mitwirkender eher als abwartend und kritisch zu beurteilen: 322

Hans- Werner Bussmann244 ist gegen eine allzu starke Vereinheitlichung europäischer Kultur. Er hält ein Plädoyer für eine pragmatische Form kultureller Zusammenarbeit europäischer Kulturinstitute. Auf die Frage, ob durch Schaffung europäischer Kulturinstitute wieder mehr Spielraum für die durch Budgetkürzung in Bedrängnis geratene Programmarbeit bereitsteht, sollte man, so Bussmann, fordern: Auf Grund der finanziellen Beschränkungen sollten alle Spar- und Synergieeffekte auch auf europäischer Ebene genutzt werden, aber dabei sollten nicht nur die finanziellen Probleme Motor sein. Die starke Stellung der unterschiedlichen Institute verschiedener Länder könne seiner Meinung nach nicht einfach durch ein einziges Institut übernommen werden. Das breite Spektrum der Nationen innerhalb der EU und ihrer Mitgliedstaaten solle genauso wie die Tatsache, dass der permanente Austausch der Kulturen Europas auch maßgeblich zum wirtschaftlichen Reichtum beigetragen habe, nach innen und nach außen für alle sichtbar bleiben. Daher hätten die europäischen Kulturinstitute die Aufgabe ”Einheit in Vielfalt” zu zeigen. Es sei aber fraglich, ob ein gemeinschaftliches europäisches Kulturinstitut wünschenswert sei, wegen des deutlichen Wettbewerbs zwischen den einzelnen Nationen. Das dezentrale Prinzip der EU und die berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten und ihrer Bürger an einem kulturellen Profil, das die historisch geprägte, nationale Identität weiterhin tragen soll, spreche selbst gegen eine integrierte und zwangsläufig auch harmonisierte europäische Kulturpolitik. Die rechtlichen Grundlagen der EU lassen hier nur eine zwischenstaatliche Lösung zu. Jeder Staat muss selbst die Auswahl seiner Partner treffen, so Bussmann. Auch Keith Dobson spricht sich gegen eine von der Europäische Union angeordnete Zusammenarbeit aus: “Tempo und Muster der europäischen Zusammenarbeit werden am besten von den Anforderungen der kulturellen und akademischen Gemeinschaften bestimmt, wie sie sich durch die Vermittlerorganisationen manifestieren, statt in Brüssel angeordnet zu werden. Vorschläge für die Errichtung eines Netzwerkes aus ‚Europäischen Kulturhäusern‘, die von der EU- Kommission als Plattform für die auswärtigen Kulturaktivitäten ihrer

244 vgl. Bussmann, Hans-Werner: Europäische Kulturinstitute - Mehr als Retter aus der finanziellen Not? In: Zeitschrift für KulturAustausch 3/97, Stuttgart, S. 11 f. 323

Mitgliedstaaten eingerichtet werden sollen, haben mich nicht überzeugt.”245 Für ihn sind sich selbständig entwickelnde Programme unter den verschiedenen Mittlerorganisationen viel wichtiger und langfristig auch erfolgreicher. Als Beispiel beschreibt er das LINGUA- Programm, ein gemeinsames Unternehmen von Deutschen, Franzosen und Briten, das zur Förderung des Erlernens europäischer Sprachen eingerichtet wurde. Dabei, so Dobson, hat das Goethe-Institut, durch hervorstechendes Engagement, das hohe Maß an Professionalität und seinen guten Ruf als aktiver Förderer der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Kulturarbeit eine führende Rolle gespielt. Solche Initiativen sind - seiner Meinung nach - gute Entwicklungen in die richtige Richtung, wobei die deutschen Mittlerorganisationen allgemein besonders aktiv und maßgeblich am Vorankommen beteiligt sind. Die Kooperation unter der Leitung der Mittlerorganisationen und der kulturellen, akademischen und wissenschaftlichen Vereinigungen, die von ihnen vertreten werden, ist auf Europaebene zu bevorzugen, äußert der Pragmatiker Dobson.246 Meiner Ansicht nach sind europäische Projekte bei allen Kulturorganisationen zu fördern. Die Schaffung eines “Europäischen Kulturinstituts” liegt jedoch in weiter Ferne und würde die Vielfalt der kulturellen Ausprägungen beschneiden. Gemeinsame Aktivitäten der nationalen Institute würden exakte Planung und Festlegung eines gemeinsamen Ziel- und Aufgaben- kataloges erfordern. Für solche Projekte müsste eine Leitung, die das Wissen und die Fähigkeiten hätte, den Mitarbeitern ermöglichen, das gesamte kulturelle Spektrum entsprechend ausgewogen darzubieten, gesucht werden. Kooperative, interaktive und praktische Zusammenarbeit der nationalen Institute in möglichst vielen Bereichen, ist wünschenswert. Es gibt schon heute gemeinsame Lesesäle und Zusammenarbeit bei bestimmten kulturellen Veranstaltungen. Diese Lesesäle ermöglichen den kleineren Mitgliedstaaten, mit eigenen Büchern präsent zu sein.

245 Deutscher Bundestag. Anhörung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages: Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Vortrag von Keith Dobson, Direktor des British Council, Deutschland. 246 vgl. Dobson, Keith: Britischer Pragmatismus in der Auswärtigen Kulturarbeit. Interview mit dem Direktor des British Council in Deutschland. In: Zeitschrift für KulturAustausch, 2/98. S.11-13, sowie Dobson, Keith: Bestandsaufnahme und Perspektiven der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Vortrag bei der Anhörung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages am 14. April 1997. Drucksache 13/62/12. 324

Die von mir entwickelten Gedanken haben eine aktuelle Entsprechung gefunden: Mit dem Kulturministerium des Großherzogtums Luxemburg und dem Institut Francais will man ein gemeinsames Institut einrichten. Wie das trinationale Institut aussehen wird, welche rechtlichen Grundlagen es haben soll, verhandeln die Zuständigen zur Zeit allerdings noch. Es soll eine integrierte Organisation werden. Der Direktorposten, so ist es angedacht, könnte im zweijährigen Turnus zwischen den Nationen wechseln. “Die Arbeit, die das neue Institut leisten soll, nimmt sich im Vergleich zur völkerverbindenden Rhetorik bescheiden aus,”247 bemerkt dazu die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ein Weg europäische Kulturarbeit zu betreiben ist, örtliche interkulturelle Initiativen als Modelle aufzugreifen und finanziell zu unterstützen. Immer zählt das Engagement und die Begeisterung der Menschen, die Projekte verwirklichen wollen. Von höherer Stelle aufoktroyierte, komplexe Ideen werden von den Partnern nur mit halbem Herzen realisiert. Man könnte auf positive Erfahrungen z.B. bei der Durchführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms im Bereich der allgemeinen Bildung “SOKRATES” zurückgreifen. Das Programm ist Gegenstand gründlicher Evaluierung. Sicher ließen sich gewonnene Infor- mationen auf Kooperationsprojekte der nationalen Kulturinstitute übertragen.

247 Reiter, Markus: Babylon in Luxemburg. In: F.A.Z. vom 19.6.2002, S. 45. 325

Die Diskussion ist in Bewegung. Dieter Strauss, Leiter des Pariser Goethe-Instituts sagt dazu: “Der Zusammenschluss ist vielmehr eine Chance für den innereuropäischen, vor allem aber auch für den übereuropäischen Dialog mit fernen Kulturregionen.”248 Robert Peise, der Träger des Rave-Preises 2002 für Auswärtige Kulturpolitik, den er für seine Diplomarbeit mit dem Titel: “Ein Kulturinstitut für Europa. Untersuchungen zur Institutionalisierung kultureller Zusammenarbeit” erhalten hat249, plädiert für eine intensivere Zusammenarbeit der europäischen Kulturinstitute in Drittländern. In der Laudatio250 zur Verleihung wird dargestellt, wie sinnvoll eine “EUKAP”, eine europäische Kulturaußenpolitik in einer globalisierten Welt sein wird.

248 Dann kann man sogar Piraten jagen. Ein Gespräch mit Dieter Strauss, dem Leiter des Pariser Goethe- Instituts. In: FAZ, 4.10.2002. S.39. 249 Rave-Forschungspreis des Instituts für Auslandsbeziehungen 2002 für Auswärtige Kulturpolitik. Preisträger Robert Peise für seine Diplomarbeit mit dem Titel: “Ein Kulturinstitut für Europa. Untersuchungen zur Institutionalisierung kultureller Zusammenarbeit.” 250 Weber, Raymond: Elemente für eine europäische Kulturaußenpolitik: Ziele, Prinzipien und Strukturen. In: Zeitschrift für KulturAustausch 3/02, S. 114. 326

E Zukunftsfähigkeit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

Aus den in der Arbeit gewonnenen Erkenntnissen und der politischen Situation ergeben sich auf der Grundlage der Aufgaben und der Leitlinien der Auswärtigen Kultur folgende Ansatzpunkte für eine Neuorientierung.

1. Politische Neuorientierung in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

In der Aussprache zum Koalitionsantrag ”Auswärtige Kulturpolitik für das 21. Jahrhundert” von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der FDP “Public Private Partnership” am 24.1.2002 wurde sehr deutlich, dass der Dialog der Kulturen nach dem 11.September 2001 im Mittelpunkt der Auswärtigen Kulturpolitik steht. Für alle Rednerinnen und Redner des Bundestages war folgende Frage von zentraler Bedeutung: Haben wir eine Chance, solche Anschläge in Zukunft mit Hilfe interkultureller Dialoge zu verhindern? Den eigenen kulturellen Erfahrungshorizont für neues Denken zu öffnen, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern und Kulturen zu verwirklichen, sowie Wissen und Kenntnisse über fremde Kulturen bei uns im breiteren Rahmen zu vermitteln, war das gemeinsame Anliegen in dieser Aussprache. Mit welchen Maßnahmen dieses Anliegen verwirklicht werden soll, blieb allerdings offen. Vor dem Hintergrund des 11. Septembers 2001 und der großen politischen Umbrüche der letzten Jahre, dem Fall der innerdeutschen Grenze, der Beendigung des Kalten Krieges und der Entstehung neuer Demokratien in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas hat die deutsche Auswärtige Kulturpolitik erheblich an Bedeutung gewonnen. Dieser größeren Bedeutung muss politisch endlich Rechnung getragen werden. ”Die deutsche Politik war in den ersten Jahren nach der Vereinigung zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihr neues Bild im Ausland zu reflektieren,”251 1993 schrieben, um Abhilfe zu schaffen, 26 Autoren aus dem In- und Ausland, unter ihnen Hildegard Hamm-Brücher, einen Sammelband über die Defizite der Auswärtigen Kulturpolitik mit dem Titel “Freund oder Fratze? Das Bild von Deutschland in

251 Maass, Kurt- Jürgen: Vor neuen Herausforderungen. In: Musikforum. Nr. 90/1999. S. 24 ff. 327

der Welt und die Aufgaben der Kulturpolitik”252. Hilmar Hoffmann forderte darin, eine Offensive zu starten, weil die neue Weltlage eine neue Politik nötig mache und eine veränderte Aufgabenstellung beinhalte. Diese Aufgaben der Auswärtigen Kulturpolitik formuliert Kurt-Jürgen Maass, der Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen: “Ein weiteres Ziel der Auswärtigen Kulturpolitik hat sich besonders nach dem Fall des Eisernen Vorhangs herausgebildet. Unterstützt durch die Außenkulturpolitik wird danach auch die europäische Wertegemeinschaft, die Vermittlung von Werten, Normen und Prinzipien, der Transformationsprozess ehemals sozialistischer Staaten in Richtung auf Demokratien und soziale Marktwirtschaften.”253 Die Zäsur der Auswärtigen Kulturpolitik nach der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands beschreibt Bernd Wagner, Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. und Redakteur deren Zeitschrift “Kulturpolitische Mitteilungen”254: “Auch wenn sich an den allgemeinen Zielsetzungen der kulturellen Auslandsarbeit, wie sie in den 70er Jahren entwickelt und diskutiert wurde, nichts grundlegend geändert hat, so steht sie doch vor einer Neuorientierung und Umstrukturierung. Zum einen hinkt seit den 80er Jahren die reale Praxis auswärtiger Kulturpolitik hinter den formulierten Zielen hinterher. Zum anderen hat sich durch die Zäsur von 1989 nicht nur die bundesrepublikanische Gesellschaft verändert, sondern 1989 markiert einen weltweiten Umbruch.”255 Wegweisend für eine zweite, wesentlich veränderte Sichtweise der deutschen Außenpolitik nach dem 11.September 2001 war die Rede des Bundesaußenministers Fischer zur Eröffnung der dritten Konferenz der Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen am 27. Mai 2002. In vier Thesen begründete Joschka Fischer die Zäsur in der internationalen Politik

252 Hoffmann, Hilmar; Maass, Kurt Jürgen (Hg.): Freund oder Fratze. Frankfurt, 1994. 253 Maass, Kurt-Jürgen. In: Forum. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Internet. Auswärtiges Amt, Hg., 27.11.2001. 254 Die “Kulturpolitischen Mitteilungen” der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. mit Sitz in Bonn, einem bundesweiten Zusammenschluss kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen, bringen aktuelle Informationen über allgemeine kulturpolitische Trends und Entwicklungen. 255 Wagner, Bernd: Felder und Aufgaben von Kulturpolitik auf Bundesebene. In: Zwischen Leuchtturmprogramm und Warnblinkanlage. Bündnisgrüne Kulturpolitik auf Bundesebene. Dokumentation des Kulturpolitischen Ratschlags am 8. Juli 1995 in Bonn. Albert Schmidt (MdB), Hg., für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. S. 26 f. 328

durch den Tag der “alles verändert hat.”256 Er plädierte für ein starkes Europa, welches gemeinsam mit Amerika die globalen Herausforderungen bewältigen kann und begründete die stärkere Zurückhaltung Europas beim Einsatz militärischer Mittel in einer langen, durch Kriege geprägten Vergangenheit. Eine europäische Friedensordnung und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Russland müssten die Ziele sein. Nur wenn sich Europa und die USA stärker den Problemen des ärmeren Teils der Welt zuwenden, so Fischer, könne dauerhaft eine Friedensordnung Bestand haben. Europa müsse dabei auch den Frieden im Nahen und Mittleren Osten als prioritär begreifen und seinen Platz in der Welt neu definieren. Dazu gehörte - so Fischers 4. These- auch die Schaffung einer europäischen Verfassung und einer funktionierenden europäischen Demokratie. Er sieht die Auswärtige Kulturpolitik als einen integralen Bestandteil einer auf Konfliktprävention und Friedenssicherung ausgerichteten Außenpolitik257. In der Frage der Irak-Krise zu Beginn des Jahres 2003 hat gerade diese Einstellung des Bundesaußenministers dazu geholfen, andere Länder dazu zu bewegen, vor einem Militärschlag der USA mit Unterstützung Englands gegen den Irak, mögliche Friedensoptionen zu durchdenken. Jedoch verursachen die Differenzen in der Irak-Politik in den Vereinigten Staaten eine zunehmend antieuropäische Stimmung. Wie aktuelle politische Auseinandersetzungen und unterschiedliche Interessenlagen das Bild des “befreundeten” Landes in ein “schiefes” Bild verwandeln können, zeigen rhetorische Entgleisungen von Medien und von Politikern, vor allem gegen Frankreich und Deutschland, am Beginn des Jahres 2003 Donald Rumsfeld, US- Verteidigungsminister, bezeichnete denn auch diese beiden Länder als zum “alten Europa” gehörend, für ihn ein negatives Bild. Er meint damit Länder, die seiner Meinung nach unmodern sind und zum Klub der Undankbaren gehören.. Dabei versucht er zu trennen, was sich langsam in Europa verbindet, das “alte” und das “neue” Europa, welches keine historische Kategorie bezeichnen kann, wenn er zur gleichen Zeit Italien, Spanien, Bulgarien, Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Kroatien, die die USA bei ihrem Waffengang gegen den Irak unterstützen wollen, als “neues” Europa wertet.. Da dieser Aussage keine begriffliche Klarheit unterliegt, ist sie in den Bereich der Polemik zu verweisen. Dabei muss unterstellt werden, dass hier kein realistisches Bild der

256 Rede des Bundesaußenministers Fischer zur Eröffnung der dritten Konferenz der Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen, Berlin 27.Mai 2002. 257 Fischer, Joschka:Vortrag auf dem Forum zur Auswärtigen Kulturpolitik, München, 2000. 329

Bundesrepublik Deutschlands und Frankreichs in den USA als Kulturnation vermittelt werden sollte, sondern das langsam entstehende europäische Selbstbewusstsein aus machtpolitischen Gründen beschädigt werden sollte. Dazu sagt der italienische Philosoph und Gadamer Schüler Gianni Vattimo, der für eine Selbstbegrenzung der einzig noch gebliebenen Hegemonialmacht plädiert: “Es gibt in Europa schon länger eine Tendenz, sich, wenn auch nicht in Gegnerschaft, so doch als Alternative zu den USA zu konstruieren. [...] Wenn dies dazu führt, dass wir unsere Verfassung besser gestalten, ist das ausgezeichnet.”258 Die Einschätzung Jutta Limbachs, dass die “herkömmlichen Konzepte politischer Zusammenarbeit mit der weltweiten Entwicklung nicht Schritt halten” 259wird durch diese politische Situation bestätigt und so verweist Jutta Limbach auch auf die “langfristigen Perspektiven, die Auswärtige Kulturpolitik dem Krisenmanagement der Regierungspolitik” entgegen setzen kann durch das “Erarbeiten eines gemeinsamen Verständigungshorizontes”260 Nach dem Attentat am 11.September 2001 wird man gut daran tun, die wirtschaftlichen Niederlassungen, Verflechtungen und Interessen der radikal islamischen Gruppen in der Schweiz, in den USA und in Großbritannien, Deutschland und Frankreich zu beobachten und zu zerstören. Der fundamental-islamische Terrorismus speist sich auch aus eben dem Geld, welches in Europa und den USA “gewaschen” oder erwirtschaftet wird. Hier versuchen zu wollen, mit “interkulturellem Dialog” Abhilfe zu schaffen, hieße blauäugig zu sein. Die saudi-arabischen Netzwerke des Fundamentalismus greifen weit, Verwirklichung der Demokratie oder des Dialogs mit Andersdenkenden ist nicht ihr Ziel, Gleichberechtigung und Bildung für Frauen schon gar nicht. “Von nun an kann sich in den reichen Ländern niemand mehr einer kritischen Betrachtung der Außenpolitik der letzten 50 Jahre entziehen, insbesondere der Erdölpolitik, wie sich an der Irak-Krise zeigt. Unsere wirtschaftliche Entwicklung beruht unter anderem auf Bündnissen mit Öldiktaturen und bestärkt diese darin, vollkommen überholte Glaubenslehren zu begünstigen.”261 José Saramago beklagt das

258 Vattimo, Gianni: Nicht mehr Terror. Interview mit Luca di Blasi in der Frankfurter Rundschau. 23.2.03. S.9. 259 Limbach, Jutta: Rede bei Amtsantritt.. München, 21. Mai 2002. Typoskript 260 Limbach, Jutta: Rede bei Amtsantritt.. München, 21. Mai 2002. Typoskript

261 Brisard, Jean-Charles; Dasquié, Guillaume: Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden. Zürich, München, 2001, S.189. 330

Fehlen einer weltweiten Demokratiedebatte. Eine schleichende Militarisierung zur Sicherung der wirtschaftlichen Dominanz der USA sei erkennbar. “Was die Spannungen zwischen der christlichen und islamischen Welt angeht, wird vom Kampf der Kulturen gesprochen. Die Einschätzung teile ich nicht. Denn die Wechselwirkungen zwischen unseren Kulturen sind enorm und der Aspekt des Zusammenprallens, den ein Clash of Civilisations voraussetzt, ist meines Erachtens nicht gegeben”262 Er fordert auf, sich einzumischen und die Macht der multinationalen Konzerne mit demokratischen Mitteln zu begrenzen. So gilt es, die Rolle der Auswärtigen Kulturpolitik als Bestandteil der Außenpolitik neu zu bestimmen. Diese Neubestimmung muss dem tatsächlichen gestiegenen Gewicht der Bundesrepublik Deutschland und ihrer veränderten Rolle im internationalen Staatengefüge gerecht werden. Gerade vor dem bedrohlichen Hintergrund des Krieges gegen den Irak, der am 20. März 2003 seinen Anfang nahm, muss es eine wichtige Aufgabe der Auswärtigen Kulturpolitik sein, unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten zu erkennen und auch eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige Rechtsauffassung zu fordern. Zentrale Praxisfelder der Auswärtigen Kulturpolitik sind die von Bundesaußenministers Fischer geforderte Friedensordnung, Demokratievermittlung, eine Politik der Offenheit und der kritischen Toleranz auf den verschiedensten Politikfeldern. Eine Anpassung an die politischen und wirtschaftlichen US-amerikanischen Vorstellungen ist dabei wenig hilfreich. Die USA, die nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums die einzige supranationale globale Supermacht geblieben ist, braucht ein Regulativ. Wer heute von sozialen, demokratischen und friedenspolitischen Zielen redet, findet sich nicht im mainstream der amerikanischen Gesellschaft des Jahres 2003. Rita Süßmuth, langjährige Präsidentin des Deutschen Bundestages mahnte an, dass in den Texten zur Auswärtigen Kulturpolitik in Deutschland die Rolle der Demokratie und der Menschenrechte zukünftig mehr Berücksichtigung finden sollte. Sie erinnerte daran, dass das europäische Menschenrechtsverständnis in einem historischen, europäischen Kontext entstanden ist. Dies müsse in Deutschen Schulen und den Goethe-Instituten deutlich gemacht werden. Die Fragen nach den Widersprüchen der Demokratie müsse gestellt werden. Diese müssten konkret beim Namen genannt werden.263

262 Die Welt ist blind. Interview der FR mit José Saramago. In: Frankfurter Rundschau. S.9., 22.März, 2003. 263 Süßmuth, Rita In: Nachhaltigkeit Auswärtiger Kulturpolitik. Dokumentation der Sonnenberg – Tagung der AGAL (Arbeitsgruppe Auslandslehrer in der GEW) vom 17. bis 22. November 2002 im Internationalen Haus

331

Auswärtige Kulturpolitik muss die Verschiedenheit der Aufgaben nach der jeweiligen Situation des Landes sehen, abhängig vom wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Stand. ”Der Preis für dies Vertrautwerden in der Distanz ist die alte Erfahrung der Auslandsbildung, dass jeder, der gelernt hat, soweit möglich mit fremden Augen zu sehen, nun vieles auch in seiner angestammten Welt mit anderen Augen sieht und selbst anders gesehen wird. Es mag auf eine Bewertung dieser Konsequenz als Preis, nicht als Gewinn hinweisen, dass die literarische Hermeneutik der kulturellen Fremde bislang so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat.”264 In Staaten, in denen die Demokratie unterentwickelt ist, soll Auswärtige Kulturpolitik das demokratische Potenzial stärken und Menschenrechtsbewegungen unterstützen. Nur so kann eine Informationsvermittlung und ein Meinungsaustausch über Länder, Kulturen und Gegebenheiten erfolgen, die der Bevölkerung in autoritär bestimmten Gesellschaften sonst vorenthalten sind. Auswärtige Kulturpolitik kann so in unterschiedlichen Situationen durch ihren interkulturellen Anspruch z.B. gegen diktatorische, nationalistische, ethnische, und religiöse Bewegungen wirken. Alois Graf von Waldburg-Zeil, der Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen stellt fest, dass die Globalisierung zu einem euro-islamischen Dialogs führen muss: “Es wäre ein Dialog, bei dem es nicht um einen Wettstreit der Werte, sondern um eine gemeinsame Suche nach den besten politischen Lösungen für den Umgang mit gemeinsamen Herausforderungen geht. Je überzeugender demokratische Entwürfe hierbei abschneiden, umso größer wäre die Chance für Demokratie und Menschenrechte.”265 Auswärtige Kulturpolitik hat ihr Zentrum im internationalen, kulturellen und wissenschaftlichen Geben und Nehmen, in der Förderung des Deutschlernens im Ausland und des Fremdsprachenlernens in der Bundesrepublik Deutschland als Prinzip des gleichberechtigten Austausches. Dazu kritisierte Helmut Glück auf dem Symposium der Universität Bamberg mit dem Thema ”Wozu DaF studieren?” die

Sonnenberg, St. Andreasberg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Drucklegung erfolgt : Braunschweig, 2003. 264 Wierlacher, Alois: Vertrautwerden in der Distanz. In: Fremdgänge. Eine anthologische Fremdheitslehre für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Wierlacher, Alois /Albrecht Corinna, Hrsg., Inter Nationes, Bonn, 1998, S. 127. 265 Waldburg-Zeil, Alois: Schleichendes Gift. In: Der Dialog mit dem Islam. Zeitschrift für KulturAustausch. 1/02, Stuttgart, S.10. 332

Praxis, wenig qualifizierte Menschen mit diesen Aufgaben zu betreuen.: “In allen diesen Fällen liegt das politische Deutschland mit dem gelehrten Deutschland über Kreuz, hier klaffen tiefe Risse zwischen dem, was in der Wissenschaft unstrittig ist und dem, was aus politischen Gründen für opportun gehalten wird. ‚Die Politik’ will häufig scheinbar billige Lösungen, die à la longue sehr teuer sind.” 266 Ab Januar 2003 tagt der ‚Beirat für Deutsch als Fremdsprache’, der vom Auswärtigen Amt eingerichtet wurde. Es beraten 10 Professoren der Fachrichtung mit. Realisiert werden sollten diese Aufgaben nicht nur mit Hilfe der dafür zuständigen Wissenschaftsbereiche wie Deutsch als Fremdsprache, den Rechtswissenschaften, sondern genauso im Rahmen von Immigrations-, Innen- und Friedenspolitik und in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Gerade eine ausgezeichnete Qualifikationsgrundlage macht es den Agierenden möglich, sich am Grundsatz kultureller Wechselbeziehungen im Sinne einer gegenseitigen Bereicherung nationaler Kulturtraditionen zu orientieren. Interkulturelle Kompetenz zu erwerben, sich in anderen Kulturen zurecht zu finden, Minderheiten zu unterstützen und die Menschenrechte einzufordern und umzusetzen, das sind die Herausforderungen. Die Bundesregierung darf nicht dabei stehen bleiben, vor allem die aufgeklärten Eliten in der Gesellschaft sowie jetzige und zukünftige Entscheidungsträger in anderen Nationen mit Mitteln der Auswärtigen Kulturpolitik zu gewinnen, denn das widerspräche dem demokratischen und friedensfördernden Prinzip des gleichberechtigten Zugangs zu Fremdsprachen und anderen Kulturen für Frauen wie Männer und für alle gesellschaftlichen Schichten. Daraus ergibt sich zwingend, dass sich die gestiegene Bedeutung der Auswärtigen Kulturpolitik auch in entsprechend aufgestockten Haushaltsansätzen niederschlagen muss. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Haushaltsansatz des Jahres 2002 ist auf 0,22 Prozent des Haushaltes des Bundes abgesunken. 1997 betrug er noch 0,26 Prozent des Bundeshaushaltes. Eine effektivere, zielorientierte und gut koordinierte Verwendung der Mittel – bei klarer Abgrenzung der Kompetenzen – versteht sich von selbst und muss sichergestellt werden, wo das nicht der Fall ist. Insbesondere die Verteilung der Mittel für Auswärtige Kulturpolitik auf neun Bundesressorts und das Fehlen nachweisbar effizienter Koordinierungsinstrumente im

266 Glück, Helmut: Wozu DaF studieren? In: Dr. Rabes Hochschulreihe Band 6, 1998, Helmut Glück/Kristine Koch, Hrsg., S.76. 333

Bereich der Mittlerorganisationen, wie es auch aus dem empirischen Teil C dieser Arbeit heraus deutlich wird und wie in der Expertenanhörung des Auswärtigen Ausschusses festgestellt, fordern Kritik heraus. Es ist ein orientierungsloses Herumlavieren, indem man einerseits fordert, dass ”die Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik und ihre Träger [...] erhöht werden [müssen]”267 und andererseits im Bericht der Bundesregierung vom 14. Februar 1996 hervorhebt, dass ”auch mit weniger Geld [eine] umfassende und überzeugende Auswärtige Kulturpolitik [betrieben]” werden muss. Es sollte Außenminister Fischer, trotz der beengten Haushaltslage, ermöglicht werden, die Prioritäten, die er in der Auswärtigen Kulturpolitik erkannt hat, auch mit den dafür nötigen Finanzen in Zukunft umzusetzen.

1.1. Für eine bessere Finanzierung der deutschen Auslandsschulen

Die Finanzierung der Auswärtigen Kulturpolitik gibt Anlass zu breiter Diskussion. Häufig steht die Umstrukturierung der Auswärtigen Kulturpolitik unter dem Primat der Haushaltsdiskussion. Zum Kurs der Bundesregierung bemerkt Hans Zehetmaier, sie käme ihren Verpflichtungen nicht nach: “Erst vor zwei Wochen stellte der für die Auslandsschulen im Auswärtigen Amt zuständige Staatssekretär Jürgen Chrobog in der Kultus- ministerkonferenz fest: ‘Die deutschen Auslandsschulen sind ans Ende gespart.’ Und so kommt es, dass der Außenminister in glühenden Farben vom Dialog der Kulturen schwärmt, der nach dem 11. September so besonders wichtig sei, während sich andererseits die kleine Deutsche Schule in Teheran wegen finanzieller Auszehrung kaum noch über Wasser halten kann. Ich zitiere aus der Kultusministerkonferenz vom November, was beim letzten Treffen über alle Parteigrenzen hinweg für einhellige Empörung gesorgt hat: ‘Die Haushaltsplanung des Bundes bis 2004 sieht eine weitere Absenkung des Schulfonds vor. Damit können laufende Verpflichtungen der Auslandsschularbeit im Sinne der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Auswärtigen Kulturpolitik nicht mehr unter den bisherigen Ansprüchen von Unterrichtsqualität und Schulabschlüssen erfüllt werden und auch die

267 Deutscher Bundestag, Bericht der Bundesregierung: Kinkel, Klaus, Bundesaußenminister Rede vom 23. Mai 1995. 334

notwendige Berücksichtigung von Wirtschaftswachstumsregionen in der Auslandsschularbeit kann nur sehr eingeschränkt erfolgen.’” 268

Im Konzept zum Auslandsschulwesen stellt die Bundesregierung im März 2000 fest: “Von den Sparmaßnahmen der Bundesregierung zur Konsolidierung des Bundeshaushalts 2000 bis 2003 bleiben die Auslandsschulen nicht ausgenommen. Im Jahr 2000 sinkt der Schulfonds um 7% auf 357 Millionen DM. Bis 2003 folgen weitere jährliche Absenkungen um 8 Millionen DM. Nach sorgfältiger Einzelprüfung wird die personelle und materielle Förderung der Schulen den Sparbeschlüssen angepasst. Notwendige Baumaßnahmen (Neu- bauten u.a. in Peking, Budapest und Prag sowie Sanierungen in Paris und Istanbul) werden fortgesetzt. Die Einsparungen werden erreicht durch: Ergänzung des Einsatzes vergleichsweise teurer Auslandsdienstlehrkräfte durch kostengüns- tigere Bundes- und Landesprogrammlehrkräfte sowie Ortskräfte. Straffung des Lehrerentsendeprogramms MOE/GUS (Konzentration auf Sprachdiplomarbeit, Pädagogenfortbildung und Mittelpunktschulen der deutschen Minderheit). Qualität und Substanz des deutschen Auslandsschulwesens bleiben trotz der Kürzungen und der daraus oft folgenden Schulgelderhöhungen gewahrt. ”269 Dass trotz massiver Kürzungen Qualität und Substanz des Auslandsschulwesens erhalten bleiben werden, ist die übliche Beschwichtigungsformel von Haushaltspolitikern. Die Realität wird anders aussehen. Allein in den Haushaltsjahren 2001/2002 betrugen die Kürzungen für die deutschen Auslandsschulen 10,84 Millionen Euro, von 1998 bis 2003 trotz des Ausbaus der Europäischen Schulen 20,45 Mio €. Unter der sich entscheidend verändernden Berufsperspektive für Lehrer ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren kaum noch qualifizierte Bewerber für Arbeitsplätze bei den deutschen Kulturinstituten im Ausland zur Verfügung stehen. Die Kultusministerien werden ihrerseits unter dem drohenden Lehrermangel dafür sorgen, dass die Zahl der von ihnen Entsandten drastisch reduziert wird.

268 Zehetmeyer, Hans: Anmerkungen zum Sparkurs der Bundesregierung. In: Frankfurter Rundschau vom 20. 12. 2001. 269 Bundesregierung: Auswärtige Kulturpolitik-Konzeption 2000 für das Auslandsschulwesen, Berlin, März 2000. 335

Auf ihrem ersten Weltkongress in Mexiko-Stadt im April 2002 suchten die deutschen Auslandsschulen nach Möglichkeiten, mit dem knappen Budget umzugehen. “So beschlossen die Teilnehmer, noch vor Jahresende in Berlin einen ‚Weltverband der Schulträger Deutscher Auslandsschulen” zu gründen. Er soll die Zusammenarbeit mit staatlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Einrichtungen verbessern – nicht zuletzt um die Finanzen zu sichern.”270 Befremdlich ist es, die für die Schulen vorgesehenen Mittel von zwischen 1998 und 2001 von 192 Millionen Euro auf 177 Millionen Euro zu senken und dann in einer Bundestagsdebatte zu sagen: “Wir haben im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens im Haushalt den Titel für die Auslandsschulen aufgestockt – und zwar um 5 Millionen Euro.”271 Die Bundestagsdebatte am 21. März 2002 zur Zukunft der Deutschen Auslandsschulen hat verdeutlicht, dass weitere Einsparungen nicht möglich sind, selbst Mitglieder der Regierungsfraktion sehen dies so: “Die Auslandsschulen sind in einem sehr guten Zustand. Aber man muss dazu sagen, dass wir uns allmählich doch überlegen müssen, ob noch weitere Kürzungen vorgenommen werden dürfen.272 Im Gesamthaushalt der Auswärtigen Kulturpolitik sind für 2003 Kürzungen vorgesehen. Jedoch wird eine Bestandssicherung für die Deutschen Schulen gegeben. Das heißt, die Kürzungen werden das Goethe-Institut treffen. Wie sich bei der Beschreibung der Deutschen Schulen im Ausland im Teil C zeigt, variiert das Schulgeld sehr stark. Vielen Eltern fällt es schwer, bei solch hohen Zahlungen – bis 8000 Euro jährlich – ihre Kinder weiterhin auf die Deutschen Schulen zu schicken. Auch Firmen und Unternehmen, denn sie bringen oft das Schulgeld auf, werden sich in Zukunft den Wirt- schaftlichkeitsfaktor von Mitarbeitern mit mehreren schulpflichtigen Kindern im Ausland vor Augen führen. Die Zukunft der Schulen hängt auch davon ab, ob ihr Besuch erschwinglich bleibt. Man versucht von politischer Seite Kosten zu dämpfen, z. B. mit folgendem Vor- schlag: “Die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern wird verstärkt und kontinuierlich besser: der Ausbau der EuroCampus-Schulen z. B. in Kooperation zwischen

270 Geinitz Christian: Lehren in Zeiten des Sparens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. April 2002, S. 10. sowie Geinitz Christian: Deutsche Schulen im Ausland. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.4.2002, S.10. 271 Grießhaber, Rita. In: Protokoll der 227.Sitzung des deutschen Bundestages vom 21.März 2002. S.22532- 225318. 272 Mark, Lothar (SPD). In: Protokoll der 227.Sitzung des deutschen Bundestages vom 21.März 2002 S.22532- 22539. 336

Frankreich und Deutschland in Shanghai oder das gemeinsame Kulturzentrum von Goethe- Institut und British Council in der Ukraine sind nicht nur Ausdruck sparsameren Wirtschaftens, sondern auch Beispiele für die zurecht geforderte europäische Zusammenarbeit.”273 Das Thema der Rede von Dagmar Schipanski (damalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz) auf der ersten weltweiten Konferenz Deutscher Auslandsschulen, war: “Das Auslandsschulwesen im Spannungsfeld zwischen Bildungsqualität und Budget.” Sie appellierte vor allem an die Länder, die Unterstützung der Deutschen Auslandsschulen fortzusetzen. Auch brachte sie ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass deutsche Unternehmen im Ausland die Schulen oft finanziell unterstützen und rief zu weiteren Spenden auf. Zum Stichwort ”sponsoring” ist dennoch dem Bildungsrechtler L. Dietze zuzustimmen, wenn er sagt: “Doch ist nicht zu erwarten, das bei allen Bemühungen um die Erschließung neuer Einnahmequellen für die Schulbildung das öffentliche Schulwesen nach niederländischem Vorbild privatisiert wird, oder die Schulaufsicht nach schwedischem Vorbild radikal reduziert werden wird.”274

1.2. Deutsche Schulen zukünftig in der Hand der Wirtschaft?

Nachhaltigkeit Auswärtiger Bildungspolitik war das Thema der Sonnenberg-Tagung der GEW im November 2002. Eva-Maria Stange, Vorsitzende des Bundesverbands der GEW fragte bei der entsprechenden Podiumsdiskussion die Teilnehmer, ob sich ein neues Bewusstsein anbahne, ob eine Modernisierung der inhaltlichen Arbeit stattfinde in Anbetracht dessen, dass bis zum Jahr 2020 die Hälfte der jetzigen Lehrerschaft in Pension gehen werde. Der Abteilungspräsident der ZfA, Lauer, betonte, dass Nachhaltigkeit eine Frage der Auswirkung auf die nächsten Generationen sei. Es gebe seit 1999 einen Fragebogen an die Schulleitungen, von denen mehr als zuvor Rechtfertigung verlangt werde. Es werde gefragt, welche Persönlichkeiten in Politik, Wirtschaft, kulturellem und öffentlichem Leben die Schule hervorgebracht habe. Dabei werde ein besonderes Augenmerk auf die Leistungsträger der Gesellschaft gerichtet. Es werde auch gefragt, wie man durch Veranstaltungen auf die

273 ebd. 274 Dietze, Lutz: Bildungsrecht. Aktuelle und europäische Aspekte. In: Pädagogik. Handbuch für Studium und Praxis, Leo Roth, Hg. München, 2001, S.613. 337

Schule aufmerksam mache. Er betonte den Wunsch der Eltern, dass die Schule für ihre Kinder international eine Spitzenstellung einnehme und dass der Schulentwicklung breiter Raum eingeräumt werde. Die Netzwerkbildung der Deutschen Schulen zu einem Weltverband werde eine positive Rolle spielen. Er bemängelte, dass die Wahrnehmung der Deutschen Schulen im Ausland in Deutschland zu wünschen übrig lasse. Vieles, was geleistet werde, sei wenig glamouröse Kleinarbeit. Er wertete die Tätigkeit im Ausland auch als Investition in die Zukunft für die Inlandsschulen. Der Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK), Klause, konterte und hob die Leistung der deutschen Wirtschaft für die Deutschen Auslandsschulen hervor. Seine Frage war: Wo bewegen wir uns im globalen Bildungsmarkt? Er meinte, es fehle die ordnende Hand. Die Deutschen Schulen seien lange Zeit in ihrer quantitativen Wirkung unterschätzt worden. “Bei Begegnungsschulen laufen sie bei uns offene Türen ein,” so seine Aussage. Im schwierigen Umfeld der Schule müsse der Lehrer die Qualität aufrecht erhalten. Berufliche Bildungsgänge müssten weiter gefördert werden. Er wies auf die Stellungnahme des DIHK hin, in der es heißt: “Der DIHK hat mit einem Tag der Deutschen Auslandsschulen am 19.März 2002 erstmals für die deutsche Wirtschaft auf die Bedeutung der Auslandsschulen für den Standort Deutschland und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen hingewiesen. In Briefen an die Bundesregierung, einschlägige Ausschüsse des Parlaments und an die Kultusminister der Länder wurde vom DIHK auf die Konsequenzen einer falschen Sparpolitik aufmerksam gemacht.”275 Schule laufe nicht mehr so, wie die Wirtschaft sich das vorstelle. Man fordere mehr Personal- und Rückkehrer- Entwicklungsmöglichkeiten für die Lehrer. Die Politik habe die strategischen Positionen nicht im Blickfeld: Eine Brücke zu Deutschland, auch als Exportnation zu schlagen, Deutsche Schulen sollten zur Elitebildung beitragen und einen positiven Beitrag zur Einwanderungspolitik und zur Außenwirtschaft bilden. Die Schulen seien aus Projekten der Wirtschaft hervorgegangen, sie gehörten grundsätzlich in den Rahmen der Wirtschaftspolitik. Auf die Frage der Gewerkschaftsvorsitzenden Stange, ob die Schulen weiterhin unter der Kontrolle des Auswärtigen Amtes stehen sollten oder in privater Trägerschaft weitergeführt werden, antwortete der DIHK-Vertreter, dass es die Forderung des DIHK sei, den Schulen einen stärkeren unternehmerischen Status zu verleihen, über den sie mit mehr Verantwortung

275 DIHK: Zur Zukunft der Schulen im Ausland. 16.4.2001.S.1 338

für ihre Leistungserstellung auch eine größere Unabhängigkeit und Eigenverantwortung erhalten sollten. Das ginge über den Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik weit hinaus. Der Leiter der Schulabteilung im Auswärtigen Amt, Vortragender Legationsrat Lauk, widersprach dieser Auffassung. Die Schulen seien Teil einer außenpolitischen Philosophie und ihre Inhalte außenpolitischer Natur. Der europäisch-islamische Dialog z.B. sei ein politischer Auftrag der Erziehung zu Weltoffenheit, Austausch und Multiethnizität. Deshalb sei auch in der Konzeption 2000 in den Leitlinien für die Deutschen Schulen die Begegnung mit der Gesellschaft und der Kultur des Gastlandes als erstes Ziel benannt worden. Die Deutschen Schulen im Ausland seien eine originäre Aufgabe des Auswärtigen Amtes, das gehe allein aus der haushaltsrechtlichen Lage hervor. Das AA stelle die Mittel. Schulbeihilfe, Regelförderung, Projektförderung für pädagogische und soziale Projekte, das alles sei Sache des AA. Warum sollten die Länder sonst bereit sein, die Lehrkräfte zu beurlauben? Die ordnende Hand sei durch das pädagogische Grundkonzepte gegeben. 12- jährige Schulzeit, ein eigenes Schulprofil und Schulentwicklung seien hier zu nennen. Die Tatsache, dass der Bundespräsident auf seinen Reisen auch die Auslandsschulen besuche, ebenso wie der Außenminister und die Abgeordneten, zeige dass großes Verantwortungsbewusstsein bestehe. Die Deutsche Sprache schaffe Zugang und Affinität zur deutschen Kultur und Wirtschaft. Es tat sich bei der Diskussion eine Gemengelage zwischen Kultur und Wirtschaft auf. Die Unmittelbarkeit der Bedürfnisbefriedigung und des Mehrwertes sind Faktoren der Wirtschaft, nicht der Kultur. Kultur beinhaltet Werte, die nicht in Zahlen auszudrücken sind. Wirtschaftsgüter kann man zwar kulturell betrachten und die Außenseite der Kultur ist marktfähig, insofern begegnen sich beide. Im Kern geht es aber um einen eigenen Wertbereich, der eigenen Gesetzen unterliegt und darin von der Wirtschaft unterstützt werden sollte. Wirtschaftliche und kulturelle Nachhaltigkeit sind darüber hinaus unterschiedlich zu sehen. Kulturelle Nachhaltigkeit kann auch gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Präsenz nicht (mehr) gegeben ist. 339

1.3. Stiftungen und Sponsoring in der Auswärtigen Kulturpolitik276

Für die im argen liegende Finanzierung der Auswärtige Kulturpolitik sollen Stiftungen eine zunehmende Rolle spielen. Aus diesem Grunde wurde auch über ein neues Stiftungsgesetz diskutiert. Eine Veränderung des Sponsoring- und Stiftungsrechts war dringend notwendig, um der Kultur weitere Einnahmen aus dem privaten Sektor zukommen zu lassen. Stiftungen bieten als gemeinnützige Einrichtungen engagierten Bürgern, Unternehmen und Institutionen die Möglichkeit, Kunst und Kultur finanziell zu unterstützen und damit auch die öffentliche Hand zu entlasten. In den Vereinigten Staaten ist die Tradition Geld in Stiftungen zu investieren viel weiter verbreitet. J. F. Kennedy prägte dieses Bewusstsein mit dem Ausspruch ”Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt.” Auch in Deutschland ist der gute Wille vorhanden: Jedes fünfte Unternehmen will künftig seine Kulturausgaben erhöhen, so wie auch kulturbegeisterte und wohlhabende Menschen in Zukunft privates Vermögen in den Kulturbereich einfließen lassen wollen. Mit Forderungen

276 Stiftungsdebatte: Es lagen folgende Texte vor: Neue Stiftung will gegen Feindbilder angehen. In: Die Welt vom 6. 6. 1998, S. 4. Hammerthaler, Ralph: Jenseits des Lamentierens. In: Süddeutsche Zeitung vom 5. 6.1998, S. 14. Ziegert, Susanne: Imagetransfer über Kultur. In: Die Welt vom 13. 5. 1998, S. 26. Maass, Kurt- Jürgen: Wider die Verstaatlichung des Daseins. In: Wirtschaft und Wissenschaft. Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, Hg. Nr. 1, 1998. W, Albert: Die Zukunft des Goethe-Instituts, Brief an die Regionalbeauftragten, Juni 1998. Vollmer, Antje: Die Neuorientierung und Weiterentwicklung der Bundeskulturpolitik ist überfällig. (Antrag) Bundestagsdrucksache 13/9796, vom 28. 1. 1998. Vollmer, Antje: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Stiftungswesens, (Gesetzentwurf), Bundestags- drucksache 13/9320, 1.12.97. Vollmer, Antje: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Stiftungswesens. Drucksache 14/.. Fassung vom 23.März 1999. Glasmacher, Virginia: Staat in Bringeschuld. In: Zeitschrift für KulturAustausch 2/96, Stuttgart, S.26ff. Bertram, Hans-Bodo: Kultur ist kein Hilfsmotor der Exportwirtschaft. In: Zeitschrift für KulturAustausch. 2/96, S.32ff. Strahlendorf, Peter: Kultursponsoring – Retter der Auswärtigen Kulturpolitik? In: Zeitschrift für Kultur- Austausch. 2/96, S.34ff. 340

für attraktiveres Sponsoring wurden außerdem von verschiedenen Seiten Vorschläge für ein besseres Konzept des Gesetzgebers ausgearbeitet, wie z.B. ”10 Empfehlungen zur Verbesserung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts”, die vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, dem Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vorgelegt wurden. Außerdem gibt es viele Initiativen zur Ankurbelung des Kultursponsorings, wie z. B. die “Düsseldorfer Erklärung”277 von Klaus Staeck und Hans Haacke. Einen etwas anderen Weg schlägt die “Gemeinsame Erklärung der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Friedrich-Ebert-Stiftung e.V., Friedrich-Naumann-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung e.V. und der Heinrich-Böll-Stiftung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen”278 ein. Darin vertreten die der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Freien Demokratischen Partei Deutschlands und der Bundespartei Bündnis 90/Die Grünen nahestehenden Stiftungen, dass sie “von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig sind und ihre Aufgaben selbstständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit wahrnehmen.” Aus ihrem Aufgabenkatalog leiten die Stiftungen ihren Anspruch auf staatliche Förderung: “Die Förderung der gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit, Information und Politikberatung der Politischen Stiftungen ist Bildungsförderung im gesellschaftlichen Pluralismus.”279 Ein Aufgabenschwerpunkt der Politischen Stiftungen ist die Auswärtige Kulturpolitik: Ziel ist u.a.“durch Informationen und internationale Begegnungen die europäischen Einigungsbestrebungen unterstützen und zur Völkerverständigung beitragen.”280 Gemeinsames Anliegen aller ist es für verbesserte Rahmenbedingungen in der privaten Kulturförderung einzutreten, aber gleichzeitig vor dem Rückzug des Staates aus seiner Verantwortlichkeit in der Kulturförderung zu warnen: Jede private Mark, die zusätzlich in die Kultur fließt, ist zu begrüßen. Jede private Mark jedoch, die eine öffentliche ablöst, birgt eine Gefahr einseitiger Einflussnahme von Privatpersonen und Unternehmen auf öffentliche

277 Staeck, Klaus; Haacke, Hans: Düsseldorfer Erklärung. In: Zeitschrift für KulturAustausch 2/96, S. 55. 278 Gemeinsame Erklärung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen. In: Friedrich Naumann Stiftung, http://www3.fnst.de/stiftung/datenundfakten/gemerkl.phtml vom 22.07.2002 279 a.a.O. Dritter Abschnitt 1. 280 ebd. S.1. 341

Institutionen, so die einhellige Meinung aller Initiativen. 1998 wurde der erste Antrag für ein neues Stiftungsrecht in den Bundestag eingebracht. Die Kulturausschussvorsitzende, Monika Griefahn, und die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer entwickelten diesen mit dem Rechtsexperten Ludwig Stiegler in der 14. Legislaturperiode weiter. Das neue Stiftungsrecht gäbe es nicht ohne sie. “Stiftungen waren immer ein freiheitliches Instrument, mit dessen Hilfe Bürger ihren Willen und ihre Fähigkeit zur Gestaltung ihrer sozialen und kulturellen Umwelt zum Ausdruck gebracht haben, [....] Wir werden mit dem ‘Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen’ die finanziellen Rahmenbedingungen von Stiftern und Stiftungen wesentlich verbessern.”281 Als Konsens aller Bemühungen wurde durchgesetzt:

- Verbesserung des Betriebsausgabenabzugs bei Kultursponsoring,

- Das Engagement der Sponsoren wird steuerlich honoriert. Als der Bundesfinanzminister Hans Eichel bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2002 vorschlug, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an kulturelle Einrichtungen wieder zu streichen, hagelte es Protest. Die designierte Kulturstaatsministerin Christina Weiss äußerte dazu: “Damit hätte ich meinen Job nicht angetreten, das habe ich dem Kanzler klar gesagt. Nein, das wäre ein zu schlechter Start gewesen.” 282 So wurde das Vorhaben Hans Eichels nicht umgesetzt. Peter Strahlendorf sieht in einem Artikel ”Kultursponsoring – Retter der Auswärtigen Kulturpolitik?” den Widerspruch zwischen Wirtschaft auf der einen und Kultur auf der anderen Seite in dem Bestreben der beiden Seiten, die eigene Position zu wahren. Das heißt, die Kunst will unabhängig sein und nicht dem Einfluss der Sponsoren unterliegen und die Wirtschaft bzw. die Sponsoren können nur investieren, wenn sich das Engagement lohnt. Als ein dritter Faktor tritt die Politik hinzu, die auf die leeren Kassen verweist und nach innovativen Handlungen und Denkanstößen sucht. Die erreichte attraktivere Gestaltung des Kultursponsorings kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Das Zusammenwirken von Außenpolitik, Kommerz und Kultur hat gute Chancen, Erfolg zu haben, indem der Staat die Basisarbeit sichert und die Wirtschaft durch kulturelle Top-Events die Öffentlichkeit für sich

281Vollmer, Antje: Partner im öffentlichen Diskurs. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 18.2.2000, Artikel AG 7/2000, Gastkommentar: Antje Vollmer. 282 Schlüter, Christian: Kultur-Lobby- Arbeit. In: Frankfurter Rundschau. 6.11.2002. S.17. 342

gewinnt. Dabei besteht die Gefahr, dass sich der Staat um die mühsame Basisarbeit kümmern muss, während sich die Wirtschaft die Rosinen heraus pickt. Als Förderer des Kultursponsorings zeigt sich Hilmar Hoffmann. Er wirbt um Mitglieder für die ”Freunde und Förderer des Goethe-Instituts.”283 So wurde z. B. im Jahr 2000 auf der EXPO der Themenpavillons des Goethe-Instituts ”Forum Wasserwelten” gesponsert. Zu den Bemühungen des Präsidenten um Sponsoring, bemerkt die FAZ: ”Inzwischen nutzte Hoffmann seine Kontakte in Politik und Wirtschaft zum Klinkenputzen - er ging, neudeutsch gesprochen, zum ‚fundraising‘. Fünf Millionen Euro will er als Kapitalstock für eine Goethe- Stiftung sammeln, die Projekte im Ausland unterstützen soll. [...] Als ‚Partner der Wirtschaft‘ hat er sein Haus in Stellung gebracht, bietet Imagetransfer mit kulturellem Gütesiegel für Firmen wie BMW, Preussen Elektra, DaimlerChrysler. Im ‚Freundeskreis Wirtschaft‘ des Instituts sitzen mehrheitlich [...] hochvermögende Industrieführer.”284 Doch sei hierbei auch an die Aussage des Leiters der Kulturprogramme in München, Dr. Georg Lechner erinnert, der das Kultursponsoring für völlig überbewertet hält. Im Schulbereich wird das Sponsoring in etwa auf 1% der Ausgaben, mit der baulichen Komponente auf 5% geschätzt.

Bundeskulturstiftung Eine Bundeskulturstiftung wird schon seit der Ideengebung von Willy Brandt diskutiert. Was diese genau tun soll, wer Geldgeber ist, darüber streiten sich die Politiker. Das wichtigste Kulturthema des Jahres 2001 war die Frage, ob und wann es zur Gründung einer weiteren gemeinsamen Kulturstiftung von Bund und Ländern kommen wird und ob der Bund eine solche Stiftung gegebenenfalls auch allein einrichten kann oder will. “Fünfundzwanzig Millionen Mark hat Hans Eichel für das kommende Jahr spendiert, ohne genau zu wissen, wofür; im Jahr darauf sollen es fünfzig werden und ein weiteres Jahr später gar fünfundsiebzig - falls es die Haushaltslage dann noch hergeben sollte. Zum Ausgleich für diese Spendierfreudigkeit spart sich der Bund ein schlüssiges Konzept, wofür das viele Geld denn nun eigentlich ausgegeben werden soll. Die Zwecke haben sich seit den Tagen Michael Naumanns und der Erstvorstellung des Projekts durch Julian Nida-Rümelin bis zur

283 Goethe-Institut - Partner der Wirtschaft. http//www.goethe.de, Internetseite Stand: 2001. 284Geyer, Christian: Partnerin, Achtundsechzig verweht: Das Goethe- Institut wählt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.1.2002, S.41. 343

vollständigen Beliebigkeit geändert. Weder der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien noch sonst irgendein Verfechter der geplanten neuen Kulturstiftung hat bisher die simple Frage beantwortet: Gibt es irgendein Vorhaben, das die geplante neue Kulturstiftung besser, effektiver, umfassender fördern könnte als die bisherige Kulturstiftung der Länder? Im Wissen darum, dass man sich auf verfassungsrechtlich dünnem Eis bewegt, wurde aus der ursprünglich beabsichtigten Förderung innovativer Projekte im Bereich zeitgenössischer Kunst – die Länder sollten dafür exklusiv die Denkmalpflege bekommen! – die Förderung ‘innovativer Projekte im internationalen Kontext’.”285 Martina Meister stellt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fest: ”Als Julian Nida-Rümelin Naumanns Erbe antrat, erklärte er das Projekt einer Bundeskulturstiftung sofort zur Herzensangelegenheit. [...] Nida-Rümelins Vorgänger Michael Naumann hatte vor zwei Jahren die alte Idee von Günter Grass und Willy Brandt wiederbelebt und die Gründung einer Bundeskulturstiftung angeregt. Naumann dachte damals noch an eine Art Feuerwehrtopf, der überall dort zum Einsatz kommen sollte, wo Not an der Kultur ist. Ihm schwebte beispielsweise der Rückkauf von Beutekunst vor. [...] Als Think-and-Money-Tank gedacht, sollte sich um die Kulturstiftung ein Netzwerk bilden mit einem Schwerpunkt im internationalen Austausch.”286 Eine solche Stiftung, glaubte seinerzeit Willy Brandt, würde viele Träume erfüllen. Nun ist der Traum in Erfüllung gegangen. Die Nationalstiftung wird ab 2002 über einen Etat von 12,8 Millionen Euro, im folgenden Jahr über 25,6 und schließlich über 38,3 Millionen Euro zur Förderung von national und international bedeutsamen Vorhaben, insbesondere zur kulturellen Integration, Kooperation und Innovation verfügen. Als die UNESCO im August 2002 die internationale Gemeinschaft aufrief, die durch das Hochwasser in Deutschland, Österreich und Tschechien beschädigten Kulturgüter zu bewahren und zu sanieren, reagierte Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin sofort. Er stellte zwei Millionen Euro Soforthilfe als Grundstock aus der Bundeskulturstiftung für die im Verlauf der Katastrophe beschädigten oder auch gefährdeten Kulturgüter zur Verfügung. Diese befinden sich entlang der Flussläufe von Mulde, Elbe und Moldau und deren

285 Zehetmeyer, Hans: Anmerkungen zum Sparkurs der Bundesregierung. In: Frankfurter Rundschau vom 20. 12. 2001. 286 Meister, Martina: Alleingang - Quo vadis Kulturstiftung? Frankfurter Rundschau vom 20. 12. 2001, S.17. 344

Nebenflüsse. Auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes stehen der Zwinger und die Semperoper in Dresden, die von den Fluten umspült waren. In Dessau konnte ein Deich an der Mulde nicht gehalten werden, die Bauhausarchitektur ist gefährdet. Das historische Zentrum und das alte jüdische Viertel in Prag, standen unter Wasser, die Moldau wurde zum reißenden Strom. Die Gedenkstätte im früheren Konzentrationslager Theresienstadt musste in aller Eile geräumt werden. In Südböhmen stand das Wasser ebenfalls in den Altstädten der im Weltkulturerbe verzeichneten Städte von Cesky Krumlov und Ceske Budejovice. Hier bieten sich Ansätze zu einer freundschaftlichen deutsch-tschechischen Zusammenarbeit, um das gemeinsame europäische Kulturerbe zu erhalten. Beiträge der Bundeskulturstiftung sind sicher ein richtiger Schritt dazu. Man darf gespannt sein, wie sich die Stiftung weiterentwickelt.

2. Umstrukturierung von Goethe-Institut und Inter Nationes

2.1. Finanzielle Aspekte und Schließungen

”Wo es im tiefsten Innern grollt und zürnt, ist Sarkasmus keine rhetorische Entgleisung. Und es scheint, als habe sich tief im Innern Hilmar Hoffmanns, des scheidenden Präsidenten des Goethe-Instituts Inter Nationes, ein enormes Frustrationspotential angesammelt. Kurz vor Beendigung seiner fast neunjährigen Amtszeit zog Hoffmann in Berlin Bilanz - hinsichtlich der Aktivitäten seines Instituts im vergangenen Jahr, der Erfolge und Rückschläge, insbesondere aber hinsichtlich der Verheerungen, die durch die rigide Sparpolitik der Bundesregierung in der auswärtigen Kulturarbeit entstehen. Resignative Untertöne waren unüberhörbar, so in der sarkastisch geäußerten Erkenntnis, das einzige stabile Moment in der auswärtigen Kulturpolitik seien Haushaltskürzungen. Man dürfte aus solcherlei harscher Kritik am ‚Eichel-Plan‘ und den damit verbundenen Mittelkürzungen wohl die Philippika eines Mannes herausfiltern, der fürchtet, um die Früchte seiner Arbeit gebracht zu werden. Offenkundig sind die Schließungen auswärtiger Institute für Hoffmann kein purer administrativer Akt, und wenn er wiederholt von einer ‚Chronique scandaleuse‘ sprach, verdichtete sich der Eindruck, hier zähle einer nicht nur exotische Städtenamen auf, sondern Leidensstationen. Es war anrührend und sollte als Appell des scheidenden Präsidenten nicht im Raum verhallen, wenn von ‚Liebesentzug‘ für die betroffenen Länder die Rede war und nicht etwa nur von einem Prestigeverlust für die Bundesrepublik und ihre Regierungsorgane. 345

Man spürte, dass die geplante Rückführung des Etats auf den Status von 1989 wie ein Damoklesschwert über dem Goethe-Institut und seinem Fusionspartner Inter Nationes liegt. Rund 4,5 Millionen Mark sollen durch die übliche ‚Verschlankung‘ des Apparats eingespart werden, eine abstrakte Summe, die erst an kurios anmutenden Beispielen anschaulich wird, etwa wenn zu hören ist, dass es im Goethe-Institut in Kairo fast zu Prügeleien um deutsche Tageszeitungen kommt, weil diese nur in jeweils einem Exemplar vorhanden sind. Bestürzend, vielleicht aber auch heilsam, ist, dass erst der Septemberterror die Einsicht fördern musste, dass Friedenspolitik über Kulturpolitik erfolgen muss und allemal billiger ist als ein Spürpanzer. ”287 Das vom Goethe-Institut, nach dem "Eichel-Plan" zu erbringende Kürzungsvolumen beläuft sich zum Jahr 2003 auf ca. 14 Millionen €. Die Maßnahmen der Bundesregierung zwangen das Goethe-Institut allein im Jahr 1999 zwölf Institute im In- und Ausland zu schließen. Seit 1989 wurden insgesamt achtunddreißig Institute geschlossen und neunzehn eröffnet. Da die Schließungen immer auf erheblichen Widerstand aller Betroffenen stoßen, verfolgt das Goethe-Institut offensichtlich seit einigen Jahren die Strategie der sogenannten ‘Umstrukturierungen’.”288 Hilmar Hoffmann, hat sich immer wieder vehement gegen Schließungen von Goethe-Instituten gewandt. “Die uns durch den Sparkurs der Regierung aufgezwungenen Maßnahmen", so Hoffmann, "berühren den Kern unseres Auftrags und zerstören an einigen Standorten die Früchte jahrzehntelanger Arbeit. Wir können der Bundesregierung die Nachricht nicht ersparen: Deutschland wird durch diese Politik Freunde verlieren."289 Auch der Betriebsrat befasst sich mit den Institutsschließungen, den Stellenkürzungen und den allgemeinen Sparmassnahmen: “Zusätzlich zu den finanziellen Kürzungen von 7,6 Mio DM erhielt das Goethe-Institut erstmals keine sogenannten Personalverstärkungsmittel mehr, d. h. der personell verursachte, aber nicht planbar gewesene finanzielle Mehrbedarf musste aus eigenem Haushalt erwirtschaftet werden. [...] Das Goethe- Institut wird ein anderes werden, und zwar ‚freiwillig’. Es wird nicht nur die Landkarte für

287 Lehnart, Ilona: Der Betrogene. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 12. 2001, S. 49. 288 ebd. 289 ebd. 346

das GI verändert, sondern die Identität des Goethe-Institute selbst, und die der einzelnen Institute wird anders,”290 so Marion Haase in den Mitteilungen des Betriebsrats. Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen wurden folgende elf Institute bis zum 31. 12.1999 geschlossen: York, Großbritannien; Patras, Griechenland; Chania, Griechenland; Nicosia, Zypern; Genua, Italien; Toulouse, Frankreich; Seattle, USA; Ann Arbor, USA; Houston, USA; Vancouver, Kanada; San José, Costa Rica. Betroffen von diesen Maßnahmen waren insgesamt ca. 130 Arbeitsplätze an den genannten Instituten, d. h. überwiegend Ortskräfte und 10 Entsandte im höheren Dienst. Die Schließungen des Jahres 1998 habe ich im Teil B dieser Arbeit unter dem Kapitel: ”Ein Markstein wird demontiert”, aufgeführt. Bei den Schließungen oder Zusammenlegungen von Goethe-Instituten war Europa seit 1989 am stärksten betroffen, während gleichzeitig die anderen Mittler, wie der DAAD, hier ihre Präsenz ausbauen. Die oben genannten Goethe- Instituten und z. B. die in Malmö Turku, Bergen, Coimbra, Reykjavik, Marseille Patras, Chania, Genua, Toulouse sind hier zu nennen. Inkonsequent, angesichts der Klagen über die Schließungen, wurden von Hilmar Hoffmann und den zuständigen Fachkräften Kriterien für erhaltenswerte Institute benannt.291 Im Folgenden Beispiele aus dem Kriterienkatalog, der als Hintergrund für weitreichende Entscheidungen wie Schließungen von Instituten, dient :

290 Haase, Marion : Mitteilungen des Betriebsrats 1/98. In: Auslandsinstitute- auf dem Weg wohin? München, 1998, S.11ff. 291 Goethe – Institut: Umstrukturierung des Institutsnetzes im Ausland: Schließungen. Standortanalyse. Goethe- Institut Bereich 02, Planung und Kontrolle. München, 1997. 347

Auskunft über die Anzahl der Goethe-Institute in dem Land. Handelt es sich um ein Hauptstadtinstitut. Wie sind die Verkehrsverbindungen zum nächsten Goethe-Institut? Zu untersuchen sind das kulturpolitische und das sprachpolitische Umfeld im Gastland, insbesondere die Situation des Faches Deutsch als Fremdsprache. Auf der Grundlage einer Reihe weiterer Kriterien werden die Wirkungsmöglichkeiten des Goethe-Instituts unter kultur- und sprachpolitischen Rahmenbedingungen analysiert. Die Kriterien zur politischen Bewertung sollten in Absprache mit dem Auswärtigen Amt untersucht werden. Nach der Darstellung der Kosten sind institutspolitische Aspekte darzustellen. Dazu zählt beispielsweise die erfolgte Schließung eines Instituts im gleichen Land. Schließlich werden Auffangmöglichkeiten für die Aktivitäten des Goethe-Instituts gesucht. Im Kriterienkatalog werden die Kulturinstitute anderer Nationen vor Ort aufgeführt und die weitere deutsche Präsenz vor Ort durch andere Institutionen dargestellt. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand, die Wirkungsmöglichkeiten des Goethe-Instituts im Rahmen des vorgegebenen kultur- und sprachpolitischen Umfelds, in einem Land bzw. an einem Standort, zu untersuchen. Wenn sich diese Wirkungsmöglichkeiten - trotz intensiven Engagements der Mitarbeiter des Goethe-Instituts vor Ort - im regionalen Vergleich als gering erweisen und keine Perspektiven erkennbar sind, wird eine Schließung vorgeschlagen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt, der ebenfalls mit der Abschätzung der Wirkungs- möglichkeiten des Goethe-Instituts zusammenhängt, ist die Dichte des Institutsnetzes. So viel zum Skript ”Standortanalyse” des Goethe-Instituts. Es ist zu bezweifeln, dass taugliche Daten für eine Umstrukturierung und für Schließungen anhand dieser Kriterien ermittelt werden konnten. Bisher wurden kaum zwingende Argumente vorgelegt, es galt also eher, eine bereits vorgesehene Aufgabe des Standortes zu rechtfertigten. In der Diskussion vor Ort zeigten sich vielmehr häufig gute Gründe, die für eine Erhalt sprachen. Prof. Dr. Schneider292 von der Universität Konstanz beschäftigt sich mit diesem Themenkomplex. Er fordert Kriterienvergleichbarkeit und eine systematische Evaluation. Man solle nicht Ziele, die mit dem Rotstift zu erreichen seien, festlegen. Der neueste Stand der Sozialwissenschaften sei hier gefragt.

292 Schneider, Gerald. In: Sonnenberg-Tagung 2002. 348

2.2. Vorstellungen zur Neuorganisation von Inter Nationes

Der Reformbedarf für Inter Nationes war 1998 offensichtlich, denn der Versuch der Kohlregierung, Inter Nationes vielfach wie eine Regierungsorganisation zu vereinnahmen, hatte zu heftigem Reibungsverlusten vor allem im Umgang des Vorstands mit den Mitarbeitern geführt. Der Wunsch nach ruhigerem Fahrwasser war verstärkt gegeben bei der Wahl eines neuen Vorstands nach der Bundestagswahl 1998. Dass die Wahl des Vorstands aber unmittelbar mit dem Verlust der Eigenständigkeit und der Aufgabe vieler Tätigkeitsbereiche von Inter Nationes zusammenhängen sollte, erwartete man damals nicht.

Vorschläge des Bundesrechnungshofes Im Folgenden seien Kritik und Vorschläge genannt, die der Bundesrechnungshof äußerte,angesichts des ökonomischen Drucks unter dem das Goethe-Institut und Inter Nationes standen. Im Bericht des Bundesrechnungshofes zur Haushaltsführung des Goethe- Instituts wird moniert, dass im Wege einer Ausdünnung von Personal- und Projektmitteln an einer Vielzahl von Standorten nach der Rasenmähermethode gespart worden sei und hierdurch Strukturveränderungen versäumt worden seien. Über Institutsschließungen sei stets unter dem ökonomischen Druck zurückgehender öffentlicher Zuschüsse entschieden, und dies in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen worden. “Der Bundesrechnungshof hat ferner die Spracharbeit der Institute in Westeuropa näher untersucht. Nach den Ergebnissen der Teilkostenrechnung subventioniert das Auswärtige Amt die betreffenden Sprachkursbetriebe derzeit mit Beträgen zwischen 5 und 60 DM je durchgeführter Unterrichtseinheit. Diese Subventionierung erfolgt nach dem Gießkannenprinzip, d.h. unabhängig davon, ob sie angesichts bestehender Sprachkursangebote im Gastland oder der finanziellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Kursteilnehmers, überhaupt notwendig ist. Das Goethe- Institut beabsichtigt, bis spätestens zum Jahre 2003, den überwiegenden Teil der vor Ort entstehenden Kosten dieser Sprachkurse (sog. lokale Kosten) mit den jeweiligen Gebühreneinnahmen zu decken.”293

293 Bundesrechnungshof: Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Goethe-Instituts e.V. vom August 2000, S. 17. 349

Im Bericht des Bundesrechnungshofes über die Prüfung der Vergabe von Zuwendungen an Inter Nationes wird untersucht, ob die Aufgaben, die bisher von Inter Nationes wahrgenommen wurden ”aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen besser von anderen Mittlern übernommen werden sollten.”294 ”Der BRH empfiehlt daher, ähnlich wie beim AKP-Einsatz in den mittel- und osteuropäischen Staaten und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, für den gesamten Bereich der AKP und insbesondere für die Mittlerorganisationen, eine langfristige Gesamtplanung zu erarbeiten.”295 Im Kapitel ”Neustrukturierung von Inter Nationes” empfiehlt der Bundesrechnungshof, die Gesamtzahl der bei Inter Nationes vorhandenen Stellen von 147 auf 83 zu reduzieren, sowie die Über- tragung der Aufgaben der Auswärtigen Kulturpolitik auf einen anderen Mittler des Aus- wärtigen Amtes. Hier denkt der Bundesrechnungshof besonders an das Goethe-Institut. Es heißt, dies könne ”sozialverträglich organisiert werden, indem Arbeitsbereiche in Bonn be- lassen werden.” 296

Mein Vorschlag eines neuen Konzeptes für Inter Nationes Unter der Prämisse, Inter Nationes als selbständige Einheit erhalten zu können, stellte ich mir 1998 folgendes neues Konzept vor: Inter Nationes sollte zu den Zielgruppen und ausländischen Multiplikatoren guten Kontakt pflegen und ausbauen, sowie im In- und Ausland Inter Nationes geeigneten Multiplikatoren nahe bringen. Dazu gehören besonders Repräsentanten der Botschaften, Ansprechpartner im Inland sind multinationale Wirtschaftsunternehmen und internationale Organisationen im Bereich Kultur und Bildung. Es ist wichtig, Inter Nationes innerhalb des Netzwerkes der Mittlerorganisationen zu stärken. Das Profil von Inter Nationes als Medienorganisation muss

294 Bundesrechnungshof: Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages über die Prüfung der Vergabe von Zuwendungen, die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und das Auswärtige Amt zur Förderung von Inter Nationes e.V. Bonn gewähren. Frankfurt am Main, August 1999, S. 2. 295 Bundesrechnungshof: Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO an den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages über die Prüfung der Vergabe von Zuwendungen, die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und das Auswärtige Amt zur Förderung von Inter Nationes e.V. Bonn gewähren. Frankfurt am Main, August 1999, S. 6. 296 ebd. 350

besser herausgestellt werden. Für im Ausland tätige Mittler sowie Universitäten, Bibliotheken, Schulen und Journalisten muss Inter Nationes ganz selbstverständlich die erste Adresse für deutsche und fremdsprachige Medien sein. Eine Arbeitsgruppe soll die Ziele genau formulieren und Zielgruppen für jedes erstellte Material benennen,

- Brainstorming über Verbesserungsmöglichkeiten und neue Ideen findet statt,

- der Plan zur Umsetzung der Ideen wird aufgestellt,

- der zeitliche und organisatorische Ablauf wird festgelegt,

- ein einheitliches gut wieder erkennbares Auftreten in Print-, Digitalmedien und Veröffentlichungen wird entwickelt (Corporate Idendity),

- das Logo wird optimiert. Angestrebt wird eine Organisation, die sich als Corporate-Community versteht. Die Organisationsstruktur muss so beschaffen sein, dass Entscheidungswege nicht zu lang werden. Wichtig sind überschaubare Bereiche, klare Einheiten, in denen Verantwortung transparent delegiert und kontrolliert werden kann. Dazu gehört unabdingbar die Motivation der Mitarbeiter. Mitarbeiter bei IN müssen an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter und Anregungen der Abnehmer sollen geprüft werden und dem Vorstand vorgelegt werden. Die anstehenden Reformen bieten Gelegenheit, das innerbetriebliche Miteinander auf Anforderungen nach den Grundsätzen eines modernen Projektmanagements zu organisieren: Training on the Job, Supervision und Weiterbildung müssen zu selbstverständlichen Aspekten der Arbeit werden. Die Kontakte zu den Mitgliedern und deren Know How ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit. Bisher sind der enorme Sachverstand und die gesellschaftlichen Möglichkeiten dieses Personenkreises in keiner Weise genutzt worden. Vorstand und Verwaltungsrat müssen kontinuierlich eng zusammenarbeiten und sich abstimmen. Konstruktive Planungsgespräche mit dem Bundespresseamt und dem Auswärtigen Amt sind selbstverständlich. Parteipolitische Neutralität zu wahren ist für die Arbeit des Vorstandes Voraussetzung. Außerordentlich wichtig ist die Abstimmung der Aufgaben der Mittlerorganisationen untereinander. Die Einführung einer Corporate Identity, gerade in Abgrenzung zu den anderen Mittlern, muss unter Hinzuziehung von Fachleuten geplant und durchgeführt werden. Hier ist die Koordination mit dem Verwaltungsrat, der Mitgliederversammlung und den Ämtern von größter Bedeutung. Die Verwendung der zugewiesenen Mittel muss zu jeder Zeit einer Überprüfung standhalten. Das Gästeprogramm 351

ist eine ganz starke und wichtige Seite der Arbeit von Inter Nationes. Dem Kontakt mit ausländischen Multiplikatoren muss Priorität eingeräumt werden. Dabei soll den ausländischen Journalisten, Politikern, Fachleuten und Verantwortlichen aus dem Kulturbereich neben der landeskundlichen Kenntnis über Deutschland ein realistisches Deutschlandbild vermittelt werden. Der Rahmenvertrag muss um den Punkt ”Herstellung, Beschaffung und Verbreitung von Online-Medien” erweitert werden. Wie bisher sind neue Medien zu benutzen, um Inhalte zu vermitteln, z.B. landeskundliche Materialien online oder per CD-ROM.(z. B. die CD ”Von Aachen bis Zwickau”). Weitaus stärker als bisher ist die Nutzung neuer Medien (Internet, DVD, CD-ROM) von Bedeutung, um alle Nutzergruppen zu erreichen. Fernlehrgänge über Internet, Bestellen von Material, Dienstleistungen per Internet, die einen echten Mehrwert für Benutzer darstellen, sorgen für Kundenorientierung. Ergebnis: Die Diskussion um die Vermeidung von Doppelarbeit und Überschneidungen, die Berichte des Bundesrechnungshofes, der Einfluss des organisatorisch stärkeren und größeren Goethe- Instituts, sowie seine medienwirksame Außenvertretung durch Hilmar Hoffmann, verursachten, dass die Eigenständigkeit von Inter Nationes nicht erhalten blieb und viele Tätigkeitsbereiche ebenfalls nicht. Dennoch sind die oben von mir ausgeführten Vorstellungen auch für die erhaltenen Aufgabenbereiche beim Goethe-Institut Inter Nationes heute noch von Bedeutung.

3. Die Fusion zum Goethe-Institut Inter Nationes

3.1. Bergers Detailkonzept

Peter Soetje, Vorstand von Inter Nationes und aktiver und engagierter Befürworter einer Fusion des Goethe-Instituts mit Inter Nationes, hatte noch bei seiner Vorstellung im August 1998 in seinem Bewerbungsschreiben Gegenteiliges geäußert: “Für den neuen Vorstand sehe ich folgende vorrangige Aufgaben und empfinde diese als eine besonders reizvolle Herausforderung: Der Verein muss im Kreis der Mittlerorganisationen und in der politisch interessierten Öffentlichkeit deutlich profiliert werden. Profilschärfung bedeutet 352

Existenzsicherung - dazu gehört, die eigenen Stärken auszubauen und neue Tätigkeitsfelder zu erschließen.”297 Am 18. November 1999 hat die Mitgliederversammlung von Inter Nationes dem Vorstand auf seine Vorlagen hin das Mandat erteilt, in Verhandlungen mit dem Goethe-Institut mit dem Ziel einer Fusion einzutreten. Der zukunftseröffnende Antrag in der entscheidenden Sitzung von Inter Nationes, die Fusion als die Schaffung einer neuen, dritten Mittlerorganisation zu verstehen, war von Alois Wierlacher formuliert und gestellt worden und auch ursprünglich von Roland Berger und anderen so aufgefasst worden. Nach Vorbereitung durch beide Vorstände wurden die rechtlichen Regelwerke298, d. i. Verschmelzungsvertrag, Satzung und Rahmenvertrag, intensiv mit den Arbeitsgruppen der gewählten Vertreter aus den Mitgliederversammlungen von Inter Nationes und dem Goethe-Institut beraten. Beratungs- punkte waren: − Die Rechtsform der Fusion − Der Name der Institution nach der Fusion − Die Zusammensetzung des Präsidiums − Die Zusammensetzung des Vorstandes − Die Zusammensetzung der Mitgliederversammlung. Nach Ausschreibung und Präsentation haben die Vorstände, Anfang März 2000, die Unternehmensberatung Roland Berger & Partner GmbH beauftragt, auf der Basis einer Funktionsanalyse beider Fusionspartner, einen Vorschlag für die Aufbauorganisation der fusionierten Institutionen zu erarbeiten. Sie legte im August 2000 ein Detailkonzept vor: ”Goethe-Institut - Inter Nationes – Die Fusion gemeinsam gestalten. Die Fusion von Goethe- Institut und Inter Nationes führt zu einer neuen, gemeinsamen Organisation.”299 Vor der Betrachtung seines Detailkonzeptes soll jedoch aus der Sicht des Managermagazins die Arbeit von Roland Berger & Partner GmbH - International Management Consultants

297 Soetje, Peter: Bewerbungsschreiben von Peter Soetje vom August 1998 an Inter Nationes. 298 Goethe-Institut Inter Nationes: Satzung (vom 21. 9. 2000 i. d. F. vom 8. 1. 2001) und Rahmenvertrag zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut Inter Nationes. 299Berger, Roland: Detailkonzept Boland Berger & Partner GmbH- International Management und Consultants. Die Fusion gemeinsam gestalten – Goethe-Institut - Inter Nationes. München, 3. August 2000, S. 4. 353

beleuchtet werden. Das Managermagazin fragte, wie Unternehmen die Arbeit von Beratungsfirmen wie Boston Consulting, Roland Berger und McKinsey beurteilen.

Wie gut erfüllten Berater die an sie gestellten Erwartungen? Boston Consulting Roland Berger McKinsey Voll 50 % 45 % 40 % Zum Teil 50 % 45 % 60 % Gar nicht 0 % 10 % 0 % Wurden die Geschäftsergebnisse durch die Projekte verbessert? Boston Consulting Roland Berger McKinsey Deutlich 33 64 39 Mäßig 58 18 50 Gar nicht 9 18 11

”Das Managermagazin hat dazu Führungskräfte der 200 bedeutendsten deutschen Unternehmen befragt. Wie groß das Interesse an diesem brisanten Thema in den Chefetagen ist, beweist der Rücklauf. Nahezu die Hälfte der Angeschriebenen beteiligte sich - so viel wie bei kaum einer zweiten Studie dieser Art. Rund 30 Consultingfirmen wurden bewertet, die drei Branchenriesen noch einmal gesondert analysiert. [...]” Und weiter: “Kaum ein Deutscher verfügt in Wirtschaft und Politik über solch ein Beziehungsgeflecht wie Roland Berger (63). Er trifft sich mit Gerhard Schröder und dessen potenziellem Herausforderer Edmund Stoiber. Er verkehrt mit vielen Vorständen und Firmenchefs, auch privat. In über 30 Jahren baute er sein Netzwerk auf. ‚Es gründet auf persönlichem Vertrauen, und deshalb bin ich stolz darauf‘, sagt der Unternehmensgründer. Bergers Unternehmensberatung bietet alles an, ist nahezu ein Vollsortimenter. Wer so viel macht, macht natürlich auch Fehler. Wie bei keinem anderen Consultant, das zeigt die Managermagazin-Umfrage, streuen bei Berger die Noten: Es gibt Spitzenwerte, aber auch etliche Ausreißer nach unten. Ein Manager des Hamburger Modeunternehmens Wünsche klagt über die ‚Abzocker‘ aus München, sie hätten ‚Zahlen verglichen, die nicht vergleichbar waren‘ und dem Unternehmen strategisch nicht weitergeholfen. Bei einer Tochter der Essener RAG (früher: Ruhrkohle) versuchte sich eine Berger-Truppe als Berater für Fusionen und Übernahmen. Erfolglos. ‚Die haben nicht einen einzigen Interessenten angeschleppt, den wir 354

nicht schon vorher kannten‘, ereifert sich ein RAG - Manager, die hatten überhaupt keine Ahnung.‘”300 Soweit das Managermagazin. Nun wieder zurück zur Fusion Goethe-Institut Inter Nationes. Schon der erste Satz in Bergers Detailkonzept ”Die Fusion gemeinsam gestalten” ist nicht umgesetzt worden. Berger arbeitet mit einem wirtschaftspolitisch vielleicht vertretbaren Tableau, jedoch nicht mit einem kulturpolitisch adäquaten Instrumentarium. Deshalb kann man seinen Erkenntnissen wenig kulturpolitisch-analytische, geschweige denn zukunftsträchtige Bedeutung beimessen. Die Fusion wurde nicht gemeinsam gestaltet, sondern diktiert, und es gibt einen großen Verlierer: Inter Nationes. Claus Detjen, der ehemalige Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung und stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates von Inter Nationes, hatte diese Entwicklung vorausgesehen, wie er gegenüber dem Generalanzeiger301 in Bonn erklärte. Nicht nur mehr als ein Drittel sogenannter MAK (nach Roland Berger: Mitarbeiterkapazitäten) wurden bei Inter Nationes eingespart, auch der Mitgliederanteil wurde eingegrenzt. Ebenso verfuhr man bei der Wahl des Präsidiums. Die Mitgliederversammlung von Goethe-Institut Inter Nationes wählte, entsprechend der Satzung, aus ihrer Mitte sechs Mitglieder ins Präsidium. Auf der Versammlung am 22. November 2001 fand die Neuwahl des Präsidiums statt. Erst beim dritten Wahlgang wurde eines der früheren Mitglieder von Inter Nationes ins Präsidium gewählt und dies erst nachdem der bisherige Vorsitzende des Verwaltungsrates von Inter Nationes, der renommierte Fernsehjournalist Roland Appel seine Kandidatur zurückgezogen hatte und die Mitglieder ausdrücklich gebeten hatte, wenigstens ein ehemaliges IN - Mitglied, Frau Professor Dr. Inge C. Schwerdtfeger, bisher stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats von Inter Nationes, in das Präsidium zu wählen. Auch der Vertreter der Arbeitnehmer von Inter Nationes im Präsidium, Jochen Windt, der nicht nur die Arbeitsgruppe Vertrieb bei Inter Nationes leitete, sondern sich auch in vielen Jahren durch ständigen Einsatz für die Belange der Mitarbeiter und des Betriebes über das normale Maß hinaus stark gemacht hat, wurde nicht in das neue Präsidium gewählt. Somit eliminierte man in der Anfangssituation Inter Nationes Vertreter und mögliche Kritiker der neuen Institution.

300 Hirn ,Wolfgang/ Student, Dietmar: Gewinner ohne Glanz. In: Managermagazin 7/01, S. 50 ff. 301 General-Anzeiger: Inter Nationes: Kritik an Fusionsmodell, 18.11.99, Bonn, S.16. 355

In seinem Detailkonzept302 gibt Roland Berger an, die “Dimensionierungsvorschläge sind ausschließlich als ein erster Vorschlag zu verstehen und stellen kein endgültiges Ergebnis dar. Die endgültige Dimensionierung der einzelnen Bereiche kann erst zusammen mit den Verantwortlichen im Rahmen der Umsetzungsphase erfolgen.”303 Von daher war ein genauer Überblick über die Auswirkungen des Detailkonzeptes lange nicht möglich. Roland Berger befasste sich in weiten Teilen seiner Konzeption mit der Einsparung oder Umsetzung von ”Mitarbeiterkapazitäten”, ”MAK”. Die Sprache seiner Konzeption ist technokratisch. So heißt es “Für den Aufbau einer nach Regionen segmentierten Abteilung Strategie & Controlling werden 10,5 bis 13,5 zusätzliche MAK benötigt.” Das bedeutet, in München entsteht eine neue Abteilung ”Strategie & Controlling”. In der Zentrale in München werden keine Mitarbeiterstellen abgebaut. Es wird zusätzlich eine neue Hierarchieebene eingeschoben zwischen Vorstand und Institutsleitung, die 12 Regionalbeauftragten. Vier Regionaltische in München in der Zentrale, bestehend aus einem Abteilungsleiter für alle vier Tische, jeweils zwei Referenten nach I b bezahlt und einem Sachbearbeiter übernehmen die ”strategische Steuerung” . Sie sollen die Tätigkeit der Institute vor Ort ”strategisch steuern”, nach den Grobzielen, die der Institutsleiter festgelegt hat. Der Institutsleiter wird also in Zukunft bei seinem Regionaltisch in München nachfragen, welche Themenpalette mit welchen Referenten zu bestimmten kulturellen Gegebenheiten empfohlen wird. Der Regionaltisch wird dann seinem Abteilungsleiter die erarbeiteten Vorschläge vorlegen, nachdem er die entsprechende Abteilung dazu befragt hat. Die Zahl der an die Goethe-Institute ins Ausland entsandten Kräfte wird jedoch drastisch gekürzt. Es wird 12 Regionalinstitute geben, 15 wichtige Institute und 100 Institute mit je einem Entsandten. Die Frage stellt sich, woher weiß man in der Zentrale, was vor Ort ankommt? Der Institutsleiter in London und die dortige Programmreferentin haben dazu folgende Einstellung: “Wir hier im Institut erstellen die Konzeption im Rahmen der Leitlinien und wehren uns gegen jegliche Kompetenzbeschneidung seitens mancher Fachreferenten in unserer Zentrale.”304 Im Januar 2002 fand eine wichtige Weichenstellung im Goethe-Institut

302Detailkonzept Boland Berger & Partner GmbH- International Management und Consultant: Die Fusion gemeinsam gestalten – Goethe-Institut - Inter Nationes. München, 3. August 2000. 303ebd. 304 Interviews in Teil C 356

Inter Nationes statt. Auf der konstituierenden Präsidiumssitzung wurden Personal- entscheidungen von großer Tragweite für das Institut getroffen. Da scheint es im Sinne des Goethe-Instituts sinnvoll, wenn man sich vorher weitgehend der Altlast Inter Nationes ent- ledigt hat. Die Wahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten, des Finanzausschusses, des Per- sonalausschusses, die Besetzung der Leitungen für die Abteilungen ”Strategie und Control- ling”, ”Kultur und Gesellschaft”, ”Wissen und Literatur”, ”Künste” und ”Zentraler Dienst”, standen an. Der Betriebsrat von Inter Nationes beurteilt die Beratungsfirma Roland Berger und sein Konzept so: “Nachweislich wurde keine komplette Ist-Analyse gestellt. Ein Berufsanfänger und ein Berater mit wenig Berufserfahrung haben das Konzept erstellt und erläutert. Roland Berger erhielt etwa eine halbe Million für sein Konzept. In München wurde eine neue Abteilung ”Strategie und Controlling” geschaffen, also die Zentrale gestärkt, anstatt die Kapazitäten in die Arbeit vor Ort zu stecken. Die Institutsleiter werden zukünftig zu Managern, die die Vorgaben dieser Abteilung erfüllen.” 305

3.2. Der Fusionsprozess

Der Mietvertrag für Inter Nationes in Bonn läuft bis 2005, auch die Bestandsgarantie. Langfristig gesehen, so nimmt der Betriebsrat an, wird ein Sog nach Berlin wirken, da im Prä- sidium von Goethe-Institut Inter Nationes starke Befürworter eines Berlin-Umzuges hinzugekommen sind. Die Personalsituation bei Inter Nationes in Bonn sieht wie folgt aus: Über den Sozialplan werden es über kurz oder lang 33 Stellen weniger am Standort Bonn sein. Die Beschäftigten gehen entweder in Altersteilzeit oder in den Vorruhestand bzw. wer- den mit einer Abfindung freiwillig ausscheiden. Bis zum Jahr 2008 sollen noch weitere 50 Arbeitsplätze eingespart werden. Inzwischen wird ein eventueller Schließungstermin zum 31.12.2002 diskutiert, so berichtete das Mitglied des Goethe – Institut Vorstands Schumacher am 8.3.2002 in Bonn. Der Betriebsrat von Inter Nationes hatte recht, als er sich wie folgt über den Fusionsprozess äußerte: “Am vergangenen Freitag, den 16. 6. 2000, fand die dritte (und voraussichtlich letzte) Sitzung des Lenkungsausschusses in Berlin statt. Der Eindruck der letzten Wochen wurde noch einmal bestätigt und verstärkt: Unsere Arbeit ‚geht auf‘ in

305Windt, Jochen: Mitarbeitervertreter im Präsidium des Goethe-Instituts, Präsidiums- sitzung,19.9.01.(Typoskript) 357

Goethe (man könnte auch sagen, sie ist nicht mehr wiederzufinden bzw. zu erkennen), Kompetenzen werden in die Zentrale und v. a. in die Auslandsinstitute verlagert. Etwas überspitzt könnte man auch sagen: Alle Macht den Instituten! Die von den Vorständen entwickelten "strategischen Ziele" dokumentieren eine erschreckende Unkenntnis unserer bisherigen Arbeit und lassen für die Zukunft Schlimmes befürchten. Bei der Fixierung des Goethe-Instituts auf ‚Sprache‘ ist zu vermuten, dass z. B. die angestrebte Konzentration auf Schlüsselthemen im Umkehrschluss bedeutet, Themen und Projekte, die dazu nicht passen, wegzulassen. Leidtragende einer solchen Konzentration sind natürlich wir, denn unser Aufgabenspektrum war immer sehr viel breiter angelegt als das von Goethe. Dies wird uns heute oft als Nachteil vorgehalten mit dem Hinweis, wir hätten kein geschärftes Profil. Andererseits waren wir immer flexibel genug, kurzfristig auch neue und zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Wenn das die versprochene Fusion‚ gleichberechtigter Partner auf Augenhöhe ist, kann man nur sagen: Klassenziel nicht erreicht, Versetzung ernsthaft gefährdet, Herr Sötje! Lieber keine Fusion als eine so schlechte Fusion! Diese Fusion wird dazu führen, dass der Standort Bonn in wenigen Jahren aufgegeben wird.”306 Die “Verhandlungsstrategie" von Peter Sötje war charakterisiert von “vorauseilendem Gehorsam" gegenüber seinem zukünftigen Arbeitgeber und der Preisgabe bisheriger und zukünftiger Aufgaben und Produkte von Inter Nationes, so der damalige Betriebsrat: „Die Gründe für die Haltung von Sötje sind allgemein bekannt. Nach der seit langem erwarteten Bekanntgabe des Ausscheidens von Generalsekretär Joachim Sartorius zum Jahresende 2001 machte Sötje sich Hoffnungen auf dessen Nachfolge. Seine Bewerbung sollte offensichtlich dadurch unterstützt werden, dass er sich dem Goethe-Institut als derjenige präsentierte, der den stets ungeliebten Konkurrenten Inter Nationes als leicht verdaulichen Happen auf dem Silbertablett serviert. Den zukünftigen Generalsekretär oder wahlweise Vorstand des Goethe- Instituts ficht das nicht an, er hat sie ohnehin nie verstanden und gemocht – “profilloser Bauchladen" war und ist seine Einschätzung, die wir so krass bislang weder von Mitgliedern noch von Mittelgebern oder den Beziehern unserer Materialien gehört haben”307.

306 Windt, Jochen, Betriebsrat von Inter Nationes: Am vergangenen Freitag. In: BR aktuell, 19.Juni 2000 zur 3. Sitzung des Lenkungsausschusses in Berlin am 16.6.2000. 307 Windt, Jochen, Betriebsrat von Inter Nationes auf der Verwaltungsratssitzung von Inter Nationes, Bonn, September 2000. 358

Peter Sötje muss sich fragen lassen, was er denn in den knapp eineinhalb Jahren seiner Zeit als Vorstand von Inter Nationes getan hat, um das seiner Meinung nach fehlende Profil zu schärfen. Bei seiner Bewerbung für den Vorstandsposten von Inter Nationes hatte er noch Profilschärfung und Existenzsicherung von Inter Nationes auf seine Fahnen geschrieben. Er hat sich, unmittelbar nachdem er das Amt des Vorstands bei Inter Nationes angenommen hatte, für eine Fusion mit dem Goethe-Institut stark gemacht, sich sobald es möglich war, als Generalsekretär dort beworben. Die Präsidiumsmitglieder des Goethe-Institutes wurden vom damaligen Kulturstaatsminister Naumann telefonisch beredet, die Kandidatur Soetjes zu unterstützen. Die Mitglieder haben dieses Ansinnen zurückgewiesen, worauf sich Soetje veranlasst fühlte, seine Kandidatur zurückzunehmen. Soetje wurde Mitglied des Vorstandes. Seit November 2002 ist Soetje der Leiter des Goethe-Instituts in New York. Der Vorstand des GIIN wurde ‚verschlankt’, auch sein Kollege Braeß ist Leiter eines Goethe-Instituts geworden- in Barcelona.

3.3. Altes Fundament ehrt man

Weitere Fusionen stehen an. Das Goethe-Institut hat massive Probleme mit der Finanzierung und der Personalstruktur. Die einzige Rettung ist, sich auf Kosten zu fusionierender Betriebe zu sanieren. In der Sitzung des Präsidiums im November 2001 berichtete der Vorstand über aktuelle Entwicklungen. Da hieß es: “Im Rahmen seiner Intensivierung der Beziehungen zu Institutionen in Deutschland plant der Vorstand die Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Im Gespräch zwischen den beiden Generalsekretären von Goethe-Institut und dem ifa, wurde dem ifa dargelegt, dass aus Sicht des Goethe-Instituts die Bündelung vorhandener Aktivitäten, die Vermeidung von Doppelstrukturen, von nicht abgestimmtem Nebeneinander und die gezielte Verbesserung des Informationsaustausches vor dem Hintergrund der allen Mittlern auferlegten Sparzwänge sinnvoll sei. Das Goethe-Institut hat konkrete Vorschläge unterbreitet zwecks Einleitung von Gesprächen mit ifa.”308 Wie im Interviewteil von der Programmreferentin des Goethe-Instituts in London ausgeführt, ist es sicher von Bedeutung, dass das ifa sein Angebot stärker auf die Möglichkeit der Vermittlung im Goethe-Institut abstimmt. Man wird aber aufpassen müssen, ob bei “der

308 Goethe-Institut: Sitzung des Präsidiums des Goethe-Instituts Inter Nationes am 21. November 2001. 359

Einleitung von Gesprächen” nicht mit der Planung einer Vereinnahmung, nach dem Modell der Fusion mit Inter Nationes, gerechnet werden muss. Dann würde die Maxime Goethes nicht zum Tragen kommen: ”Altes Fundament ehrt man, darf aber das Recht nicht aufgeben, irgendwo wieder einmal von vorn zu gründen.”309 Das alte Fundament würde in diesem Falle nicht geehrt sondern einfach abgebrochen.

3.4. Eine Frau an der Spitze des Goethe-Instituts

Zur personellen Erneuerung des Goethe-Instituts

Generalsekretär Leonhard ins Amt eingeführt Am 12. 10. 2001 hat in München Präsident Hilmar Hoffmann den neuen Generalsekretär des Goethe-Instituts Inter Nationes, Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, in sein Amt eingeführt. Zuletzt war Leonhard Vorstand des Deutschen Rundfunkarchivs in Frankfurt/M. und Potsdam-Babelsberg. Leonhard nannte die Vollendung der Fusion als erstes Ziel, die auch eine neue Aufmerksamkeit für das bislang unterentwickelte “institutionelle Gedächtnis" des Hauses voraussetze. “Nur wenn man wisse, woher man komme, könne man das "Wohin" aktiv gestalten. Wichtig sei zudem, dass man trotz finanzieller Engpässe in näherer Zukunft einen Generationenwechsel im Personal ermögliche. Zudem sei ein intensiver Personalaus- tausch mit deutschen und europäischen Mittlern und Partnern zu verwirklichen. Eine in München und Bonn angesiedelte Zentrale des Instituts sei stärker als Teil eines Netzwerks in Deutschland zu verstehen, das, ausgehend von den Inlandsinstituten neue Ko- operationen sowohl mit anderen Mittlern als auch mit Medien und Kulturinstitutionen aller Art eingehen werde. Nur so sei die Zweibahnstraße im Kulturdialog glaubhaft und nachhaltig zu realisieren. In diesem Kulturdialog werde sich, so Leonhard weiter, das Gl mit neuen Themen, die nicht nur dem klassischen Kanon entsprächen auch jüngeren Zielgruppen nähern. Eine nicht unwesentliche Rahmenbedingung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe sei auch das äußere Erscheinungsbild der Institute. Hier sei der Gesetzgeber gefragt, die

309 Goethe, Johann Wolfgang: Maximen und Reflexionen Nr. 548. 360

Sparauflagen zu überdenken, die das Bild Deutschlands im Ausland auf Dauer negativ beeinflussten. 310 Am 12. März 2003, also genau 17 Monate später, stellte Roland Koch, hessischer Ministerpräsident, neue Gesichter vor, unter ihnen Joachim-Felix Leonhard, die Staatssekretäre der hessischen CDU-Landesregierung werden. Lange hielt es Leonhard also nicht im wichtigen Amte als Goethe-Generalsekretär. Laut Angaben des hessischen Innenministeriums verdienen Staatssekretäre 8097 € monatlich plus Zulagen. Die Entscheidung zum Wechsel dürfte Leonhard auch dadurch erleichtert worden sein. Nachdem der berufliche Neustart des Generalsekretärs sich für das Goethe-Institut überraschend vollzog, wurde als Interimssekretär der erfahrene, langjährige Generalsekretär, der das Institut über 25 Jahre bis 1996 geleitet hatte, Horst Harnischfeger berufen. Andreas Schlüter, der zuletzt Geschäftsführer der Bertelsmann-Stiftung war, ein Fachmann für deutsches und internationales Stiftungsrecht, Gründungsgeschäftsführer der ersten deutschen Bürgerstiftung, der von Reinhard Mohn gegründeten Stadtstiftung Gütersloh, wurde im September 2003 zum Nachfolger gewählt. Für welche Inhalte er steht, lässt sich bei Abschluss dieser Arbeit noch nicht absehen.

Hilmar Hoffmann geht Das Präsidium des Goethe-Instituts in München musste in einer Zeit, in der die Sachzwänge des Sparens die Auswärtige Kulturpolitik bestimmen, über die Nachfolge von Hilmar Hoffmann als Chef der Institution, entscheiden. “Dabei hatte das Goethe-Institut mit Bundesaußenminister Joschka Fischer im Rücken auf frischen Wind bei der Vermittlung deutscher Kultur im Ausland gehofft. Doch nach dem Antrittsbesuch des Grünen-Politikers im November 1998 in der Münchner Zentrale folgte schnell Ernüchterung. Zwar hatte Fischer keine ausdrücklichen Versprechungen gemacht, aber die Bedeutung auswärtiger Kulturpolitik auch vor dem Hintergrund zunehmender wirtschaftlicher Globalisierung herausgestrichen. Gleichwohl machte der Rotstift vor Institutsschließungen nicht halt. So hat Hoffmann, für seine Verdienste als Kulturpolitiker soeben mit dem Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet, auch eigentlich nur einen Wunsch‚ ‚dass endlich hier im Haus nicht mehr über

310 Goethe-Institut: Wesentliche Gedanken aus einer Pressemitteilung des Instituts vom 15. 10. 2001. (Typoskript) 361

Kürzungen gesprochen werden muss.‘ Sein eindringlicher Appell zum Abschied nach neun Jahren an der Spitze der größten deutschen Mittlerorganisation: aus der Anti-Terror-Allianz eine Pro-Kultur-Allianz zu machen. Dabei ist Hoffmanns Rechnung ziemlich einfach: So würde die Wiederbegründung des Goethe-Instituts im Kabul rund 400 000 Euro (782 000 Mark) kosten, sehr viel weniger als ein Spürpanzer, meinte der frühere Frankfurter Kulturdezernent, in dessen Amtszeit mehr als 30 Institute geschlossen werden mussten. Hoffmann sieht die auswärtige Kulturpolitik von übermotivierten Sparkommissaren immer mehr an den Rand gedrängt. Um erfolgreich und nicht nur aktionistisch wirken zu können, bedürfe es mittel- und langfristiger Perspektiven. Institutsschließungen gerade in islamischen Ländern hätten sich als eklatante Fehlentscheidungen erwiesen. ‚So muss mit viel Geld jetzt aktionistisch wiederbelebt werden, was zuvor gewaltsam unterbrochen wurde‘, meinte Hoffmann. Gerade vor dem Hintergrund der Terroranschläge in den USA sei mehr denn je der Dialog der Kulturen gefordert..”311 Lassen wir zum Abgang des Präsidenten einen Literaten sprechen, Stephan Wackwitz, den langjährigen Pressesprecher des Goethe-Instituts, der in seinem Roman ”Walkers Gleichung” eine amüsante, satirische und unterhaltsame Schilderung der deutschen Kulturpolitik im Ausland gibt.312 “In der Tiefe des großen Raumes, ragte der genialische Schopf des berühmten Hilmar Hoffmann, des Präsidenten des Goethe-Instituts, über die Menge hinaus. Er unterhielt sich, wie es schien, angeregt mit einer jungen Dame und ließ das gebieterische Auge goethegleich, jedoch andererseits auch wieder sehr steinadlerhaft unter den buschigen Augenbrauen hervor über die glänzende Besetzung des Salons schweifen. Und bei dem nun folgenden Empfang im gotischen Saal wurden so viele Freundschaften geschlossen, Fehden begraben, Geschäfte angebahnt, Konzerte, Gastregien, Tourneen, Gastprofessuren verabredet und Brüderschaften getrunken, dass die Beziehungen zwischen Bonn und der kleinen tropischen Hauptstadt nicht nur als vollkommen repariert gelten konnten, sondern in der Folgezeit einen lang anhaltenden und für alle Seiten äußerst profitablen Aufschwung nehmen sollten”.313 Man spürt die leise Ironie aus den Worten eines Insiders.

311 Nürnberger Nachrichten: Fataler Sparzwang, 15. 1. 2002. S. 27. (dpa) 312 Wackwitz, Stephan: Walkers Gleichung, Göttingen, 1996, S.215. 313 Wackwitz: Walkers Gleichung, Göttingen, 1996, S.282. 362

Eine Präsidentin wird das Goethe-Institut Inter Nationes leiten Am Donnerstag, den 17. Januar 2002 wählte das Präsidium Jutta Limbach, die Sozial- demokratin und als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, mächtigste Frau in Deutsch- land als Nachfolgerin von Hilmar Hoffmann zur Präsidentin des Goethe-Instituts. Wie Hilmar Hoffmann ist sie bei Amtsantritt 67 Jahre. Vor dem Hintergrund der neuen europäischen Entwicklung ist dies eine wichtige reformorientierte Entscheidung. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wird vom Europäischen Konvent entworfen. Nicht nur in den Bereichen, in denen die Europäische Union beschließen kann, unterstützende Maßnahmen durchzuführen, wie in der Kultur und der Bildung, wird Jutta Limbach kompetent das Goethe- Institut vertreten können, sondern auch die Entwicklung des gesamten Verfassungstextes wird ihr ein großes Anliegen sein und sie wird den schwierigen Verständigungsprozess begreifbar machen können. Wie unter A.1.2. festgestellt sieht der globale Aktionsplan der Konferenz der Vereinten Nationen von 1992 die Erhöhung des Frauenanteils bei kulturellen Entscheidungsträgern vor. Für eine Kulturinstitution in Deutschland ist die Vergabe einer solchen Funktion an eine Frau eine Premiere. Ein Einblick in die Presseberichterstattung und Äußerungen wichtiger Persönlichkeiten zeigt die Bedeutung dieses Ereignisses. In der Frankfurter Rundschau heißt es: “Über kleinlichen Parteienproporz hinaus ist Jutta Limbach wegen ihrer juristischen Kompetenz weithin akzeptiert.”314 “Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) begrüßte die Wahl. Limbach sei auf Grund ihrer langen Erfahrung im politischen und öffentlichen Bereich hervorragend geeignet, die Arbeit des Goethe-Instituts als größte Mittlerorganisation für auswärtige Kulturpolitik fortzuführen. Auch Hoffmann zeigte sich von seiner Nachfolgerin hoch erfreut: ‚Mit Jutta Limbach haben wir einen erstklassigen Griff getan. Als höchste Richterin des Landes und zupackende Politikerin wird sie den Berliner Sparkommissaren sicher gut Paroli bieten können.’ ” 315

314 Nutt, Harry: Anderes Spielbein, Valmy: Eine Präsidentin wird das Goethe-Institut leiten. In: Frankfurter Rundschau, 18.1.2002 .S. 17. 315Nürnberger Nachrichten: Frau an der Spitze, 18. 1. 2002. S. 21.(dpa) 363

Am 21. Mai 2002, dem Tag der Amtseinführung von Jutta Limbach in Berlin durch Bundesaußenminister Fischer, veröffentlichte die F.A.Z. ein Interview über die “grund- sätzliche Ausrichtung der ,dritten Säule` der Außenpolitik.”316 Jutta Limbach äußerte sich darin nach der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und dem Mäzenatentum befragt, - wie folgt: “Auch in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft muss Kulturarbeit ihre Eigenständigkeit bewahren können. Dass ich nicht ein so genialer Klinkenputzer (wie Hilmar Hoffmann) sein werde und glücklich bin, den BMW-Aufsichtsratsvorsitzendem Volker Doppelfeld an meiner Seite zu wissen, das können sie mir glauben”317. Zu Vize-Präsidenten des Goethe-Instituts wurden Volker Doppelfeld und Klaus-Dieter Lehmann (Präsident Stiftung Preußischer Kulturbesitz) gewählt. Zusammen mit dem amtierenden Generalsekretär Joachim-Felix Leonhard und dem insgesamt vierköpfigen Vorstand werden sie das neue Führungsteam des Goethe-Instituts Inter Nationes bilden. Leonhard betonte das hohe fachliche Ansehen der neuen Präsidentin: Frau Limbach sei eine ausgewiesene Expertin in einem Schlüsselthema des GI, nämlich in Menschenrechtsfragen. Ihre Wahl dürfe getrost auch als inhaltlich-politisches Signal verstanden werden. “Die am 27. März 1934 geborene Berlinerin begann ihre Karriere 1971 als Rechtsprofessorin an der FU Berlin. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte die Sozialdemokratin schließlich 1989, als sie zur Berliner Justizsenatorin ernannt wurde. Limbach setze sich entschieden für eine strafrechtliche Verfolgung der DDR-Regierungskriminalität ein. Eines ihrer Lieblingsthemen blieb auch in Karlsruhe, wo sie seit 1994 an der Spitze des obersten deutschen Gerichts steht, die Gleichberechtigung der Frauen. Doch bei aller Sympathie für eine gezielte Frauenförderung hat Limbach, die selbst drei Kinder großgezogen hat, eines stets vertreten: “Ohne Selbstbehauptungswillen kommt eine Frau in unserer Gesellschaft nicht voran.”318 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet: “ ‚Wenn ich aufrichtig bin’, teilte Frau Limbach im feministischen Sammelwerk ‚Juristinnen‘ 1982 mit, ‚kann ich keinen hindernisreichen Berufsweg nachzeichnen, den ich allein, mit eigener Kraft,

316 Bahners, Patrick und Hintermeier, Hannes: Deutsche Kultur braucht keine neuen Etiketten, F.A.Z. vom 21.Mai 2002, S. 52. 317 ebd. 318 Nürnberger Nachrichten: Frau an der Spitze, 18. 1. 2002. S. 21.(dpa) 364

geschlechtsdiskriminierenden Widrigkeiten trotzend, die Professur stets im Blick, gemeistert hätte.‘ Doch niemand vermute jetzt umgekehrt Protektion. Wer sowohl als Berliner Justizsenatorin wie im höchsten Richteramt reüssiert, der kann nicht als Eliza Doolittle beschrieben werden, die auf einen Professor Higgins angewiesen wäre. Sie war schlauer als die Schlauesten, härter als die Härtesten, und sie ist eine ehrliche Frau dabei geblieben. Hilmar Hoffmann freut sich deshalb auf seine Nachfolgerin; sie könne ja so gut mit Schröder. Und Joschka Fischer, quasi ihr Dienstherr, weil das Außenministerium den größten Teil des Institutsetats aufbringt, hat gleichfalls eine Willkommensfanfare in Richtung Karlsruhe geschmettert.”319 Die Zukunft wird uns zeigen, wie sie das Institut aus der Diskussion um die Sparzwänge herausführt, welche neuen “Strukturen und Projektformen”320, die sie jetzt ganz allgemein im Interview der F.A.Z. anregt, realisiert werden und wie ihre Pläne für das “Goethe- Institut und Inter Nationes”321, wie sie das Institut , nicht ganz korrekt nennt, aussehen werden. Kurze Zeit später sollte, wie zu erwarten, auch mit ihrer Zustimmung aus dem Namen Goethe- Institut Inter Nationes wieder der ursprüngliche Name Goethe- Institut gelten. Das lästige Anhängsel Inter Nationes wurde fallen gelassen.

319 Platthaus, Andreas: My fair Lady, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. 1. 2002, S. 43. 320 Bahners, Patrick und Hintermeier, Hannes: Deutsche Kultur braucht keine neuen Etiketten, F.A.Z. vom 21.Mai 2002, S. 52. 321 ebd. 365

F Fazit: Die Reform der dritten Säule ist unerlässlich

”Was auf administrativer Ebene eher einer ferngesteuerten Verschickungspolitik glich, folgte in der Nahperspektive der jeweiligen Institute mit ihren zahlreichen sogenannten Ortskräften seit jeher einer Politik des Kulturkontaktes. Goethe machte auch dann noch weiter und konnte weiter machen, wenn die politische Kommunikation abgebrochen war. In diesem Sinne war die Auswärtige Kulturpolitik nie eine Säule wie in der Metapher Willy Brandts, sondern vielmehr ein Spielbein mit vielfältigen Optionen jenseits der Politik.”322 Bei der Amtseinführung der neuen Präsidentin Jutta Limbach in der GI-Zentrale in München war die Tendenz klar: Keine grundsätzliche Finanzverbesserung, so Außenminister Fischer, der gleichzeitig die Bedeutung des interkulturellen Dialogs als Beitrag zur Offenheit unserer Gesellschaft würdigte. Ist die Auswärtige Kulturpolitik die dritte Säule der Außenpolitik? Die Ergebnisse meiner Arbeit zeigen, dass sie eine Säule ist, welche jedoch wegen ihres erheblichen Renovierungsbedarfs nicht tragfähig ist. Die Auswärtige Kulturpolitik wurde nicht neugeordnet, sondern nur um einige ihrer vielfältigen Optionen durch mangelnde Finanzierung gebracht. Eine Neuordnung erfolgte bisher auf der strukturellen Ebene insofern, als Inter Nationes quasi aufgelöst wurde. Die inhaltliche Reform wurden in Ansätzen umgesetzt, wie unter C 11. gezeigt, die institutionelle und die Strukturreform wurden nicht ausreichend angepackt. Nach dem Wahlausgang der Bundestagswahlen im September 2002 teilte der amtierende Kulturstaatsminister Nida-Rümelin Anfang Oktober mit, dass er sein Amt zur Verfügung stellen werde. Seine Nachfolgerin Christina Weiss, die viele Jahre das Amt der Kultursenatorin in Hamburg innehatte, wollte eine Neuordnung der ministeriellen Zuständigkeiten durchsetzen. Die Goethe-Institute sollten aus dem Auswärtigen Amt herausgelöst und der Kulturstaatsministerin zugeordnet werden, die wiederum dem Kanzleramt untergeordnet ist. Dies hätte nicht nur eine Machtverschiebung vom Auswärtigen Amt zum Kanzleramt bedeutet, sondern auch die Auswärtige Kulturpolitik in weiten Bereichen aus den Zusammenhängen der Außenpolitik gerissen. Die “dritte Säule” der Außenpolitik wäre in Gefahr geraten im Machtpoker um ihre Eigenständigkeit gebracht zu

322 Harry Nutt: Anderes Spielbein. Eine Präsidentin wird das Goethe-Institut leiten. Frankfurter Rundschau, 18. 1. 2002. S. 17. 366

werden und in Abhängigkeit von der ersten mächtigeren Säule zu geraten und demontiert zu werden. Dieses durchzusetzen ist nicht gelungen. Jedoch muss gehandelt werden. Es sollten die Äußerungen des Leiters des Pariser Goethe–Instituts beherzigt werden: “Man muss aufhören die Kulturarbeit, einschließlich der Sprachkurse, Stipendien und dergleichen kaputt zu machen. Das richtet sich nicht nur an die Politiker, sondern auch an die Industrie, die exportieren will, aber nicht kapiert, wie viel Kapital im Kulturbereich gerade in entfernteren Weltregionen zerstört wird.”323 Die inhaltliche Neuorientierung der Auswärtigen Kultur im zusammenwachsenden Europa steht an. Erste Schritte hat Bundesaußenminister Fischer mit seinem Friedensappell auf der Botschafterkonferenz 2002 (Siehe E 1.) unternommen. Strukturen haben den Inhalten zu folgen. Der Weg zur inhaltlichen Erneuerung wird häufig durch Kompetenzwirrwarr, wie er an unterschiedlichsten Stellen der Arbeit aufgezeigt wird, erschwert. Bezeichnend für den gegenwärtigen Zustand heißt es in einem Artikel der FAZ mit dem Titel: BMZ? AA? GTZ? DAAD? “Das feingewebte Tuch, das die Bundesregierung [...] für den Wiederaufbau ziviler Strukturen in Afghanistan bereit gelegt hat, wurde nämlich sogleich wieder zerschnitten: in einen größeren, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zufallenden und einen kleineren, vom Auswärtigen Amt verwalteten Teil. Dieses wiederum hat, da es ja im akademischen Bereich über keine eigenen Kompetenzen verfügt, die Universitätstranche an den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) vergeben, die nun den Vergaben des Bewirtschaftungs- und Zuwendungsrechtes unterliegt. Und da sind - leider- Mittel für den technischen Wiederaufbau der Universitäten nicht vorgesehen. Aus den Mitteln des BMZ lässt sich auch nichts machen: Universitäten fallen absprachegemäß nicht in seinen Kompetenzbereich. Die deutschen Hochschullehrer in Kabul haben einen Staketenlauf zwischen DAAD, Auswärtigem Amt und BMZ rasch drangegeben: Kurz entschlossen beschafften sie die erforderlichen Elektro-Utensilien auf eigene Kosten und begannen mit der Sanierung einiger Arbeitsräume.”324

323 Dann kann man sogar Piraten jagen. Ein Gespräch mit Dieter Strauss, dem Leiter des Pariser Goethe- Instituts. In: FAZ vom 4.10. 2002.S.39. 324 Naumann, Clas M. In: BMZ? AA? GTZ? DAAD?. FAZ, 21.11.2002. S.40. 367

Damit Auswärtige Kulturpolitik ihren Aufgaben gerecht werden kann „Ansprechpartner zu sein und zu gewinnen, der internationalen Verständigung zu dienen und diesem Zweck dienliches Kulturwissen zu fördern“325, sowie den Erwerb interkultureller Bildung326 zu er- möglichen, bietet sich deshalb an auf der Grundlage der Befunde in der vorliegenden Arbeit, die Struktur unter folgenden Gesichtspunkten zu verändern:

1. Die Auswärtige Kulturpolitik muss besser koordiniert werden. Auf der Ebene der Ministerien ist deshalb festzuschreiben, dass das Auswärtige Amt die Federführung in allen Belangen hat. 2. Das Geflecht der deutschen Vertretungen und Institutionen im Ausland, welches aus immerhin ca. eintausend diplomatischen, kulturellen und politischen Dependancen in einhundertfünfzig Staaten besteht, muss u.a. durch den Einsatz neuer Medien besser genutzt und vernetzt werden. (Siehe B 1.6.) 3. Der Grundsatz, die Auswärtige Kulturpolitik nach Möglichkeit an nichtstaatliche Träger zu delegieren, ist stärker zu beachten. Ein zusätzliches Informationszentrum, wie z. B. das ”German Information Centre” als Mittler Auswärtiger Kultur der deutschen Botschaft in London, ist in Frage zu stellen. 4. Die Vergabe von Haushaltsmitteln an Träger der Auswärtigen Kulturpolitik muss gründlicher daraufhin überprüft werden, ob die jeweils für eine bestimmte Aufgabe am besten geeignete Organisation gefördert wird. Die Aufgaben der Auswärtigen Kultur- arbeit müssen von dafür qualifizierten Menschen wahrgenommen werden. 5. Die Studienfächer Interkulturelle Germanistik-Deutsch als Fremdsprache und Didaktik des Deutschen als Fremdsprache müssen einen höheren Stellenwert bekommen. 6. Die Arbeit der Trägerorganisationen ist ausreichend zu finanzieren. 7. Bei Kooperationen im Ausland sollten sich alle Organisationen nach ihren Möglichkeiten finanziell beteiligen.

325Bauer, Gerd Ulrich: Auswärtige Kulturpolitik. In: Wierlacher, Alois; Bogner, Andrea, Hg.: Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart, 2003. S.132. 326Reich, R. Hans; Wierlacher, Alois: Rahmenbegriffe interkultureller Germanistik. Bildung. In: Wierlacher, Alois; Bogner, Andrea, Hg.: Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart, 2003. S.132. Siehe unter A 1.2.

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8. Anstatt die Kapazitäten in der Verwaltung der Zentralen der Institute zu verstärken, sollten für die eigentliche Aufgabe im In- oder Ausland genügend Personal und Mittel zur Verfügung gestellt werden. 9. Bei Zusammenlegungen und Fusionen ist darauf zu achten, dass es keine ”feindliche Übernahmen” gibt. 10. Grundsätzlich ist eine Überprüfung der Entscheidungskriterien des Goethe-Instituts zu fordern, die bei zukünftigen Überlegungen über die Schließung und die Eröffnung eines Goethe-Instituts sowie bei der Auslagerung der Spracharbeit anzuwenden sind.327

Mit der Veränderung der Struktur ist immer auch eine Veränderung der Inhalte gegeben. Eine inhaltliche Reform ist unverzichtbar: Um hier wirksam zu werden, ist mehr auf die Kompetenz und den reichen interkulturellen Erfahrungsschatz der Beschäftigten vor Ort zu setzen: “Man soll die Arbeit vor Ort lassen, weil wir vor Ort einen besseren Einblick in die hiesigen Institutionen haben,” so Dr. Barbara H, Programmreferentin im Goethe-Instituts in London. Die Wissenschaften im Bereich der Kultur, des Deutschen als Fremdsprache, der Didaktik des Deutschen als Zweitsprache und der Interkulturellen Pädagogik und Germanistik sind gefragt, neue inhaltliche Impulse zu geben. Interdisziplinäre Studiengänge, in dem Kultur- und Lernstile vermittelt werden, sind die Antwort auf das Zusammenwachsen Europas. Die Politik ist gehalten, sich intensiver mit inhaltlicher Weiterentwicklung zu beschäftigen, vorliegende Konzepte zu diskutieren und sie umzusetzen. “Wir sind letztlich alle zu wenig aus- und fortgebildet”, stellte der Leiter des Goethe-Instituts London zur Frage nach der Ausbildung in meiner Erhebung fest. Dies ist eine Aufforderung an die Mittlerorganisationen, mehr für die Aus- und Fortbildung derer zu tun, die im ständigen Kontakt mit einem anspruchsvollen, internationalen Publikum stehen. Die Leiterin der Sprachabteilung, ergänzt dazu: “Unser Klientel ist ganz international, die Zusammensetzung wahrlich multikulturell. Das macht die Kurse so lebendig und natürlich.”328 Die Zusammensetzung, die multikulturell ist, in eine interkulturelle Lerngruppe zu verwandeln,

327Altmann Elisabeth: Für eine Neuordnung der Zuständigkeiten in der Auswärtigen Kulturpolitik, (Antrag) Bundestagsdrucksache 13/8679 . 328 Die genannten Zitate finden sich in der Interviewserie, durchgeführt im Goethe-Institut in London, im Teil C der vorliegenden Arbeit. S.107ff. 369

erfordert viel Wissen, gutes Unterrichtsmaterial und die Bereitschaft mit den Institutionen im Partnerland zusammen zu arbeiten. Das Verständnis für die Kultur und für die Deutschen wird ohne die Kenntnis der deutschen Sprache unvollständig bleiben müssen, ebenso ist es umgekehrt mit dem Verständnis für andere europäische oder internationale Kulturen. Die Neigung zu Vorbehalten, die Goethe am 19.3.1807 seinem Gesprächspartner Riemer darstellte, muss überwunden werden: “Darum werden so viele Menschen durch die Erscheinung eines neuen, fremden Menschen in der Gesellschaft beunruhigt. Er entdeckt ihnen, was sie nicht haben und dann hassen sie ihn, oder er entdeckt ihnen durch sein Gegenteil, was sie haben, und so verachten sie ihn wieder.”329 Auch die Deutschen Schulen können sich der Internationalität nicht mehr entziehen. Es genügt nicht, ein zu kritisierendes “deutsches” dreigliedriges Schulsystem (Siehe: B 4.1.: Migranten in Deutschland haben schlechte Spracherwerbsbedingungen) zu etablieren. Wie sich aus der Untersuchung der Deutschen Schulen im Ausland ergeben hat, gehen Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten gemeinsam in eine Klasse, d. h. der erste Schritt zur Aufhebung der Dreigliedrigkeit des deutschen Schulalltags ist schon getan. Allerdings ist die Grundlage vieler Deutscher Schulen ein deutscher Lehrplan. Nicht mehr als 25% “fremdsprachige” Schüler, die häufig gut Deutsch sprechen, besuchen diese Schulen in einem anderen europäischen Land. Dieses ist keine interkulturelle Leistung und die Forderungen, die an interkulturelles Lernen gestellt werden müssen (Siehe A 1.2.), werden so nicht erfüllt. Von den deutschen Auslandsschulen könnten Impulse nach Deutschland ausgesandt werden, das übliche System zu überwinden. Die Grundlagen sind vorhanden. Alle Schüler besuchen gemeinsam eine Schule und machen ihren Abschluss von der gleichen Klasse aus. Um aber die deutschen Auslandsschulen zu interkulturellen Einrichtungen zu machen, bedarf es vermehrter Öffnung. “Langfristig verfolge ich aber das Ziel, die Schule auch für solche Schüler zu öffnen, die bisher keine Möglichkeiten hatten, Deutsch zu sprechen. Dies müsste dann bereits in unserem Kindergarten anfangen, um nicht das Niveau zu senken. Jeder, der die Fähigkeit oder den Willen hat, eine deutschsprachige Schulausbildung zu durchlaufen und damit deutsche Kultur kennen zu lernen, soll auch die Chance dazu erhalten. Dies soll unabhängig von dem vorgeschriebenen Prozentsatz erfolgen,” so der Schulleiter der

329 Johann Wolfgang von Goethe am 19. März 1807 an Friedrich Wilhelm Riemer, zitiert nach Dobel, Richard, Hg., Lexikon der Goethe-Zitate Bd.1, (1968), München 1972, Sp. 220. 370

Deutschen Schule in Prag, Dr.v. H. in der Interviewserie dieser Arbeit. Der Personalratsvorsitzende H.-W. F ergänzt: “Wir stehen der Idee der Begegnungsschule sehr positiv gegenüber, aber wir sehen, dass diese Bemühungen nur langfristig verwirklicht werden können”. Die neuen Schulen, die Deutschland über die Auswärtige Kultur finanziert, müssen Begegnungsschulen sein und zwar im weiteren Sinne als durch die Aufnahme nichtdeutscher Schüler. “Interkulturelle Erziehung heißt nicht Integration ausländischer Kinder in die deutsche Regelklasse”330 Auch die Aussage der Ländervertreter ist noch zu begrenzend: “Kulturelle Begegnung bildet das Strukturprinzip der deutschen Begegnungsschulen in aller Welt. Kultureller Dialog gehört zum integralen Programm auch in den deutschsprachigen Schulen im Ausland. Kultureller Dialog durch die Einbeziehung begegnungsspezifischer Inhalte ist eines der tragenden Prinzipien für die Lehrplanentwicklung an deutschen Auslandsschulen.”331 Die Begegnungsschulen sollen sich durchaus am Schulsystem der Partnerländer orientieren. “Darüber hinaus sind alle Schulen dem Begegnungsgedanken verpflichtet. Diese Begegnung mit der Kultur und mit der Gesellschaft des Landes, in dem deutsche Kinder und deutsche Schulen Gastrecht genießen, macht den besonderen Charakter unserer Auslandsschulen aus,”332 urteilt Dagmar Schipanski, die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, auf dem weltweiten Kongress der Auslandsschulen optimistisch und fährt fort: “Die Länder wollen Bilinguale Unterrichtsprogramme und –abschlüsse noch stärker in die deutschen Auslandsschulen tragen.”333 Die Herausforderungen, die sich an alle Schulen in Europa richten, erfordern Anstrengungen und nicht Beharrung. Das bedeutet, dass Lehrer die Möglichkeit zu

330Götze,Lutz/Pommerin Gabriele: Bilinguale Konzepte vor dem Hintergrund der Zweitspracherwerbsforschung.- In: Zielsprache Deutsch,19 (1988) 4, S.31f.. 331BLASchA: Stellungnahme der Ländervertreter im Bund-Länder-Ausschuss für schulische Arbeit im Ausland (BLASchA), 24. 2. 1997.(Typoskript) 332 Schipanski, Dagmar: Auslandsschulen im Spannungsfeld zwischen Bildungsqualität und Budget. Rede anlässlich der Konferenz Deutscher Auslandsschulen- weltweit, vom 4. bis 6. April 2002 in Mexiko-Stadt. www.ds2002.org 333 ebd. 371

spezifischer Weiterbildung als “organisiertes Lernen”334 erhalten. Lutz Dietze führt diesen Gedanken unter rechtlichen Gesichtspunkten in einem Essay “Recht auf Weiterbildung unter Aspekten der europäischen Integration,”335 aus. Auch für die Deutschen Schulen im Ausland bedeutet der Prozess der Europäisierung die Aufgabe der Nationalschulen zugunsten zumindest bilingualer Schulen, in denen junge Menschen verschiedener Regionen und Staaten friedlich zusammen leben und lernen. Für die Schulen in Deutschland fordert dies auch Prof. Dietze: “Bei dieser kulturpolitischen Brückenbildung empfiehlt sich künftig vermehrt, das persönliche Umfeld der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, um die Wirkung der Schulen nachhaltiger zu verstärken. Insbesondere die Eltern könnten an der Gestaltung des Schullebens und bei deren Außenwirkung noch mehr integriert werden als bisher.”336 Was läge näher als auch die Eltern, die aktiv am Schulleben der Deutschen Schulen teilnehmen, wie sich im Teil C der Arbeit zeigt, auch zu den inhaltlichen und strukturellen Reformen der Deutschen Schulen ihren Beitrag leisten zu lassen. Die Europäische Union sollte bildungspolitisch aktiviert werden. Die Bewältigung des Spagats zwischen größerer Autonomie für die Schulen und föderalistischer Schulaufsicht im Europa der Regionen ist nicht leicht. “Schulen in Europa sollen sich in ihrer Arbeit und ihren Perspektiven zu ‘Europäischen Schulen’ entwickeln. Mit diesem Begriff möchte ich nicht nur die explizit multinational-integrativen Institutionen erfassen, die sich direkt der Förderung des Zusammenlebens junger Menschen in dem sich vereinigenden Europa verpflichten; dieser wachsende Kreis ist durch vielfältige Spielarten charakterisiert, in denen Fremd- sprachenförderung und Vermittlung einer ‘europäischen Geschichte’ einerseits, grenzüber- schreitende Begegnungen andererseits praktiziert werden.”337 Um es zusammenzufassen, für eine inhaltliche Reform sind folgende Aspekte unverzichtbar:

334 Dietze, Lutz: Recht der Weiterbildung unter Aspekten der europäischen Integration: primär, akzessorisch, subsidiär. In: Bildungspolitik im Umbruch. Staatsmonopol in der Weiterbildung. Verlag Neue Zürcher Zeitung.1991. S.834. 335 ebd. S.831ff. 336 Dietze, Lutz: Elternrecht macht Schule. 2. Aufl. Düsseldorf, 1987, S.221. Siehe auch: Schulleitung. Ein Lernsystem. Band 1: Schulorganisation Schulrecht. Vor einer Renaissance der Elternbeiräte? LE 16.06. Neuwied, 2003. 337Mitter, Wolfgang: Welche Schulen braucht Europa? Vortrag im Zentrum für europäische Integrations- forschung, Bonn. 16. 9. 1998. (Typoskript) 372

1. Meine Untersuchungen haben ergeben, dass die Beschäftigten ebenso Vermittler deutscher Kultur wie Bindeglieder des interkulturellen Bereichs als auch diejenigen sind, die den Reformbedarf erkannt haben. Deren Kompetenz und Erfahrungsschatz bilden einen Grundstock von künftig nicht zu unterschätzender Bedeutung bei den anstehenden Reformen. (Siehe z.B. C 11.) 2. Die maßgeblichen Säulen nationaler Außenpolitik würden ohne Vermittlung der Sprache der Deutschen und ihrer Kultur in der Tragfähigkeit beeinträchtigt sein, was ebenso für das Verständnis anderer nationaler Kulturen und den Zugang zu ihnen gilt. 3. Die deutschen Schulen im Inland können von dieser Interkulturalität bei den nun bevorstehenden Reformen profitieren. Hier ist der national interne Informationsbedarf bei weitem nicht befriedigt. Ich plädiere daher entschieden dafür, dass sich dies zukünftig ändert. 4. Diese Gedanken gilt es auch auf das Deutsche Auslandsschulwesen zu übertragen, die auf den Weg gebracht werden müssen, interkulturelle Einrichtungen und Begegnungsschulen zu werden. Die Lehrer müssen in diesen Entwicklungsprozess einbezogen werden. Die Verbreitung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in den verschiedenen Gremien und Organen der Schule sollten nach dem Auslandsaufenthalt besser als bisher genutzt werden. 5. Die Deutschen Schulen im Ausland sollten sich von der Serviceleistung ehemaliger Konsulatsschulen zur Schule junger Europäer, zu Begegnungsschulen mit bilingualem Angebot entwickeln. Der Prozess der Europäisierung bedeutet die Aufgabe der Nationalschulen zugunsten zumindest bilingualer Schulen. 6. Von den deutschen Auslandsschulen. könnten Impulse ausgesandt werden, andere Optionen als das dreigliedrige Schulsystem zu bieten. Die Herausforderung, die sich an alle Schulen in Europa richtet, erfordert Anstrengung und nicht Beharrung 7. Deshalb sind die Chancen gut, dass die Erziehungs- und Kulturwissenschaften, insbesondere die Interkulturelle Germanistik, die Didaktik des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache der Auswärtigen Kulturpolitik neue inhaltliche Impulse geben können. 8. Die Politik indes ist stärker als bisher aufgefordert, die inhaltliche Weiterentwicklung sowie die vorliegenden Konzepte kritisch zu begleiten und deren Umsetzung zu erleichtern. 373

9. Die Europäische Union sollte bildungspolitisch aktiviert werden. Dabei sehe ich keinen Widerspruch zwischen einer föderalistischen, europäischen Schulaufsicht und Verwirklichung größerer Autonomie für die Deutschen Schulen. So könnte die Debatte um die Zukunftsfähigkeit und damit über den Reformbedarf im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Bundes angeregt werden. Die Befragung belegt, dass die Beschäftigen dies für wünschenswert und möglich halten. Es zeigt sich, dass Kulturpolitik, Gestaltungswille, Sachverstand, Reformwille und Demokratie zusammen gehören. 374

G Literaturverzeichnis

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391

ANHANG

D 3. Befragung von Beschäftigten an Goethe-Instituten und Deutschen Schule Fragebogen

3.1. Gestaltung des Fragebogens

1. Persönlicher Werdegang, Ausbildung und Bewerbung 1.1. An welcher Institution arbeiten Sie?

Goethe-Institut O Deutsche Schule O 1.2. Was hat Sie veranlasst, sich bei dieser Institution zu bewerben ? 1.3. Wie und wo haben Sie sich beworben? 1.4. Seit wann arbeiten Sie in diesem Land?

seit 0-5 Jahren O seit 5-10 Jahren O seit 10-15 Jahren O seit 15-20 Jahren O seit mehr als 20 Jahren O 1.5. Inwieweit beherrschen Sie die Sprache des Gastlandes?

zweisprachig O sehr gut O gut O mittelmäßig O erste Kenntnisse O 1.6. In welchen anderen Ländern haben Sie schon gearbeitet? 392

1.7. Welche Ausbildung haben Sie?

Abitur O 1. Staatsexamen O abgeschlossenes Studium O sonstiges:______1.8. Sind Sie auch im Bereich Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache ausgebildet?

ja O nein O 1.9. Wie wurden Sie auf den Einsatz im Partnerland vorbereitet? 1.10. Wie sind Sie besoldungsmäßig eingestuft? 1.11. An welchen Fortbildungen haben Sie im Bereich DaF bzw. DiDaZ teilgenommen? Von wem wurde die Fortbildung angeboten? 1.12. Haben Sie schon selbst Fortbildung erteilt? Welche?

2. Vorstellungen/ Aufgaben vom Gastland/ im Land 2.1. Sind deutliche politische Veränderungen im Gastland seit Ihrer Anfangszeit zu verzeichnen? Worin bestehen diese? 2.2. Welche sozialen Vorstellungen bzw. Bedingungen im Partnerland machen Ihnen Schwierigkeiten? Welche sonstigen Probleme tauchen auf? 2.3. Welche kulturellen Zusatzaufgaben und Repräsentationspflichten fallen an? 2.4. Welche landeskundlichen Materialien (Audio- und Videokassetten, Filme, Literatur, usw.) werden/ wurden im Unterricht in der letzten Zeit eingesetzt? 393

3. Berufliche Perspektiven 3.1. Wann kehren Sie nach Deutschland zurück?

gar nicht O in diesem Jahr O in 1-3 Jahren O in 3-5 Jahren O späterer Zeitpunkt O 3.2. Welches wird Ihre nächste Tätigkeit sein? 3.3. Kann es zur Kündigung kommen, aus Gründen, die von Ihnen nicht zu verantworten sind?

ja O nein O 3.4. Sind Sie sozial abgesichert am Arbeitsplatz im Ausland oder nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland?

Im Ausland: ja O nein O

in Deutschland: ja O nein O 3.5. Welche Verbesserungen Ihrer Situation könnten von Deutschland aus initiiert werden? 3.6. Welche einsatzbezogenen Forderungen stellen Sie an die Bundespolitik? 3.7. Welches ist Ihr persönlich wichtigstes Berufsziel?

394

Bitte beantworten Sie die Fragenkomplexe 4 - 9 nur, wenn Sie an einer Schule oder an einem Goethe-Institut als Ortskraft im Unterricht tätig sind.

4. Schulinterne/ institutsinterne Arbeitsbedingungen 4.1. Wie viele Schüler bzw. Studenten gibt es in Ihrer Einrichtung? 4.2. Arbeiten Sie auch in der Verwaltung?

ja O nein O

4.3. Wie viel Wochenstunden unterrichten Sie?

5-10 O 10-15 O 15-20 O 20-25 O 25-30 O

4.4. Welche Klassen bzw. Kurse unterrichten Sie?

Goethe-Institut: GS O MS O OS O

Deutsche Schule: Sek I O Sek II O Sek I+II O 4.5. Welche Vorteile können Sie sich vorstellen bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach? 4.6. Wie schätzen Sie die Verteilung Ihrer Studierenden bzw. Schüler nach Nationalitäten ( in %)? 395

4.7. Wie gestaltet sich der kollegiale Umgang? (mit der Schulverwaltung des Partnerlandes?) 4.8. Gibt es organisatorische Schwierigkeiten? ( Bücher, Räume, Stundenpläne) 4.9. Worin bestehen die Kontakte zur Botschaft bzw. zum Konsulat? 5. Eigenes didaktisches/ methodisches Konzept, Medien und Bücher 5.1. Mit welchen Büchern bzw. Medien arbeiten Sie im Deutschunterricht? 5.2. Entspricht das Unterrichtsmaterial Ihren Vorstellungen ?

ja, sehr O weitgehend O kaum O überhaupt nicht O 5.3. Welche Vorkenntnisse haben Ihre SchülerInnen bzw. StudentInnen?

Deutsch seit: Kindergarten O Grundschule O Sek I O Sek II O Keine Vorkenntnisse O 6. Perspektiven und Kontakte der SchülerInnen/ StudentInnen nach Abschluss der Ausbildung 6.1. Wie ist das Interesse an einem Studium in Deutschland? 6.2. Welches sind die Erwartungen der Schülereltern an Ihren Unterricht? 6.3. Welche Besonderheiten im Lernverhalten Ihrer SchülerInnen fallen Ihnen auf im Vergleich zu Ihren Erfahrungen in Deutschland? 6.4. Welches sind die Erwartungen Ihrer SchülerInnen bzw. StudentInnen bezüglich der Zukunftsaussichten, wenn sie Deutsch gelernt haben? 7. Kontakte der SchülerInnen/ StudentInnen in Deutschland 7.1. Was könnte getan werden, um die Kontakte Ihrer SchülerInnen mit Deutschland zu intensivieren? 8. Europa im Unterricht 396

8.1. Spielt der europäische Gedanke im Unterricht eine Rolle?

ja O manchmal O kaum O nein O 8.2. In welchen Themenbereichen äußert sich konkret in Ihrem Unterricht die Annäherung der europäischen Länder? O Welche Frage hat Ihnen gefehlt? O Wenn Sie wollen, schreiben Sie mir für eventuelle Rückfragen Ihren Namen und Ihre Adresse auf.

Bitte beantworten Sie die Fragenkomplexe 9-11 nur, wenn Sie als entsandte MitarbeiterIn des Goethe-Instituts oder als Ortskraft in der Pädagogischen Verbindungsarbeit tätig sind.

9. Spezifizierung der Tätigkeitsfelder 9.1. Wieweit und in welcher Form haben Sie Kontakt zur Bevölkerung des Landes? 9.2. Wenn Sie in einem Land in Mittel- und Südosteuropa und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten arbeiten: Wieweit und in welcher Form haben Sie Kontakte zur deutschsprachigen Minderheit?

9.3. Welche Vorteile können Sie sich bei der Zusammenarbeit der Kulturinstitute verschiedener Länder unter einem Dach vorstellen? 10. Deutschlandbild und Korrektur 10.1. Entspricht das Deutschlandbild Ihrer Partner in der Spracharbeit der Realität? 10.2. Welche Kulturveranstaltung in Ihrer Institution hat besonders guten Anklang gefunden? 11. Europa in der auswärtigen Kulturarbeit 11.1. Spielt der europäische Gedanke in Ihrer Arbeit eine Rolle? O Welche Frage hat Ihnen gefehlt? 397

O Wenn Sie wollen, schreiben Sie mir für eventuelle Rückfragen Ihren Namen und Ihre Adresse auf.

398