Edition Ausbaustrecke für 230 km/h Fachbuchreihe der ETR – Eisenbahntechnische Rundschau

© 2005 bei Eurailpress Tetzlaff-Hestra GmbH & Co. KG, Nordkanalstraße 36, D-20097 Hamburg Telefon + 49 (0) 40 237 14 - 03; Telefax: + 49 (0) 40 237 14 - 259 E-mail: [email protected], Internet: www.eurailpress.com Alle Rechte der Verbreitung und Wiedergabe vorbehalten. Übersetzungen in eine andere Sprache, Nachdruck und Vervielfältigung — in jeglicher Form und Technik, einschließlich Übernahme auf elektronische Datenträger und Speicherung in elektronischen Medien, auch auszugsweise — nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Verlagsredaktion: Dipl.-Volksw. Ursula Hahn Anzeigen: Silke Härtel (verantw.) Vertrieb und Buchservice: Riccardo di Stefano Layout und Produktion: Axel Pfeiffer Druck: Druckhaus Darmstadt GmbH Printed in Germany ISBN 3-7771-0332-2 Ausbaustrecke Hamburg–Berlin für 230 km/h

Herausgeber: Dipl.-Ing. Roland Heinisch Dipl.-Ing. Armin Keppel Dr.-Ing. Dieter Klumpp Professor Dr.-Ing. Jürgen Siegmann

in Zusammenarbeit mit der DB ProjektBau GmbH, Berlin

Konzeptionelle Beratung und Schriftleitung: Dipl.-Ing. Wolfgang Feldwisch Dr.-Ing. Eberhard Jänsch Inhalt

7 Vorwort Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, Berlin

9 Geleitwort Dr. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin

10 Tempo 230 zwischen Hamburg und Berlin Dipl.-Ing. Wolfgang Feldwisch, a.M.; Dipl.-Ing. Olaf Drescher, Berlin und Dr.-Ing. Christine Haag, Berlin

20 Wiedergeburt einer Rekordstrecke Dipl.-Ing. Hans-Erich Fröhlich und Dipl.-Ing. Christian Knittler, Berlin

26 Planfeststellung und Bauaufsicht Prof. Dipl.-Ing. Rolf Schädlich und Volker Kurze, Berlin

32 EG-Prüfung der ABS Hamburg–Berlin Dipl.-Ing. Hartmut Freystein; Dipl.-Ing. Dirk Behrends und Dipl.-Ing. Markus Köppel, Bonn

40 Zeitgemäße Werkzeuge der Projektorganisation Dipl.-Ing. Jörg-Peter Rosenfeld, Berlin

42 Fahren und Bauen auf der Strecke Dipl.-Ing. Gabriele Schimke, Berlin; Dipl.-Ing. Andreas Henkel und Dipl.-Ing. Ingo Bartels, Hannover

48 Georadar für die Erkundung des Untergrunds Dipl.-Ing. Jürgen Niessen und Dipl.-Ing. (FH) Sabine Boden, Achim

56 Geogitter und Stopfsäulen Dipl.-Ing. Steffen Tost, ; Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Kempfert, und Dipl.-Ing. Frank Brünger, Wallenhorst

64 Dynamische Stabilität der Erdkörper Prof. Dr.-Ing. Klaus Lieberenz, Dresden; Dipl.-Ing. Dirk Wegener, Dresden und Dr.-Ing. Frank H. Müller-Boruttau, Inning-Buch

76 Erdbauwerke Dr.-Ing. Ulrike Weisemann, Dresden und Dipl.-Geol. Ralph Fischer, Frankfurt a.M.

83 Beseitigung der Bahnübergänge Dr. rer. nat. Martina Schimmelmann, Potsdam und Dipl.-Ing. Klaus Püllen, Hannover

90 Straßen- und Eisenbahnbrücken Dipl.-Ing. Jens Kulecki, Berlin

4 Edition ETR Inhalt

96 Moderne Hochgeschwindigkeitsweichen Dipl.-Ing. und Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Dubsky, Butzbach

102 Oberleitung und Bahnstromversorgung Dipl.-Ing. Ralf Klammert, Berlin

106 Leit- und Sicherungstechnik Dipl.-Ing. Klaus Pulvermacher; Dr. Michael Bernhardt und Dipl.-Ing. Ralf Ingendorf, Berlin

112 Umbau des Bahnhofes Wittenberge „Befreiung aus der Insellage“ Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Kieke, Berlin/Wittenberge

118 Reisendensicherung auf der Strecke Hamburg–Berlin Dipl.-Ing. Rolf-Dieter Hausdörfer und Dr.-Ing. Christine Haag, Berlin

124 Inbetriebnahme der ABS Hamburg–Berlin mit 230 km/h Dipl.-Ing. Rainer Melzow und Dipl.-Ing. Rolf Rainer Ehrlich, Berlin

Inserenten

ARGE PRA 1 Spandau - Neustadt ...... 85 BGS Ingenieurges. für Bau- und Verkehrswesen mbH...... 39 DB Bahnbau GmbH ...... 37 Eurailpress Tetzlaff-Hestra GmbH & Co. KG ...... 6, 75, 117 GEPRO Ingenieurges. mbH ...... 79 Heitkamp Rail GmbH ...... 35 Huesker Synthetic GmbH ...... 61 INGENO Europrojekte GmbH...... 8 Ing. Büro Dipl.-Ing.H. Vössing GmbH ...... 25 Kempfert & Partner GmbH ...... 59 MIB Ingenieurgesellschaft für Verkehrssysteme mbH ...... 81 Scheidt & Bachmann GmbH...... 109 Schüßler-Plan Consult GmbH...... 41 VEPRO Verkehrsbau Projekt GmbH ...... 73 Wiebe Holding GmbH & Co.KG ...... 49 Baugesellschaft WITTFELD...... 63

Edition ETR 5 Tempo 230 zwischen Hamburg und Berlin

aller ESTW und Anbindung an die Be- triebszentrale (BZ)) sowie der Instandhal- tung und ġ Inbetriebnahme bis 12/2004.

Mit der gestellten Aufgabe, keine Neu- baustrecke zu errichten, sondern eine vor- handene Strecke auf Hochgeschwindig- keitsniveau auszubauen, betrat die DB AG technisches Neuland. Bislang waren 200 km/h das Tempolimit beim Ausbau vorhandener Bahnstrecken. Für den erstma- ligen Ausbau auf 230 km/h musste die Technik weiterentwickelt werden.

2.2 Technische Grundlagen für 230 km/h durch Weiterentwicklung des gelten- den Regelwerkes

Grundsätzlich bestanden folgende Mög- lichkeiten: Bild 6: Reisendensicherung im Bf Neustadt/Dosse (Quelle: DB AG) ġ Anwendung der Neubaustreckenstan- dards für v = 250 km/h, ġ Verzicht auf den Einsatz von Zügen mit schaftlichere Lösung wurde in Abstimmung ġ Nachweis der gleichen Sicherheit der Wirbelstrombremsen und mit dem EBA erstmals die Ertüchtigung der für v * 200km/h geltenden technischen ġ Verzicht auf eine Ausrüstung für bogen- bestehenden UIC-60-Regelweichen mit star- Lösung bei Anwendung für v=230 km/h schnelles Fahren (Neigetechnik). ren Herzstücken auf Betonschwellen für den und/oder Geschwindigkeitsbereich v ) 230 km/h vor- ġ neue technische Lösungen für den Aus- Da die Eisenbahnstrecke Bestandteil des gesehen (ausgenommen Bogenweichen). baustreckenstandard v=230 km/h. TEN-Netzes wurde, mussten die Techni- Mit Bescheid vom 03. Juni 2002 erteilte schen Spezifikationen für Interoperabilität das EBA die Zulassung zur Betriebserpro- In ausgesprochen kooperativer Zusammen- (TSI) gemäß EG-Richtlinie 96/48 nach bung. arbeit zwischen der DB AG und dem Eisen- ihrer Inkraftsetzung im Dezember 2002 in bahnbundesamt (EBA) wurden nach Abwä- die Planung integriert werden [5, 6]. Auf dieser Grundlage wurden 123 vorhan- gung von Kosten, Qualität und Terminen dene Weichen mit starren Herzstücken er- folgende Planungs- und Ausbauparameter In den meisten Bereichen kam vornehmlich tüchtigt, zumeist mit Hilfe von elastischen festgelegt: aus Sicherheitsgründen das bereits für v > Rippenplattenlagerungen und Schwellen- 230 km/h geltende Regelwerk zur Anwen- verbindungsplatten. ġ Bestandsschutz für die gesamte Strecke , dung. Abweichungen vom Regelwerk wur- ġ Ertüchtigung des Unterbaus gemäß DB- den durch den Projektleiter im Rahmen von Sicherung von Reisenden Richtlinie 836 mit einer Schutzschicht- „Unternehmensinternen Genehmigungen“ auf Bahnsteigen, an denen Züge dicke von 40 cm, (UiG) bei dem betroffenen Eisenbahninfra- mit v > 200km/h vorbeifahren ġ Ertüchtigung des Oberbaus mit einer strukturunternehmen (EIU) beantragt. Zu- Schotterstärke von 35 cm unter der sätzlich erforderliche behördliche Zustim- Erstmals fahren ab dem 12. Dezember Schwelle und Einbau elastischer Zwi- mungen beantragte der Projektleiter mit der 2004 auf der Strecke Hamburg–Berlin schenlagen, „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) beim EBA. Züge mit Geschwindigkeiten von 230 km/h ġ Ertüchtigung von Weichen mit starren direkt an Bahnsteigen vorbei, auf denen Herzstücken für den Geschwindigkeits- sich Reisende aufhalten. Zur Sicherung der bereich 200 km/h < v ) 23 0km/h, Reisenden wurde für die betreffenden 21 ġ Ertüchtigung und teilweiser Neubau der 2.3 Neue technische Lösungen Bahnsteige ein Maßnahmenpaket ent- Ingenieurbauwerke, Nachweis des dy- wickelt, das aus Sicherungsgeländern im namischen Schwingverhaltens aller Ei- Um das Projekt mit den verfügbaren finan- Abstand von 3,70 m ab Gleismitte, Warn- senbahnbrücken und Ausrüstung mit Un- ziellen Mitteln innerhalb des vorgegebenen schildern, Blindenleiteinrichtungen und terschottermatten, Zeitrahmens zum Ziel zu führen, sind eine schraffiertem Gefahrenbereich auf den ġ Anpassung und teilweiser Umbau der Reihe neuer technologischer Lösungen erar- Bahnsteigen sowie der Installation eines Bahnstromversorgung und der Oberlei- beitet und angewandt worden: akustischen automatischen Reisenden- tungsanlage nach Bauart Re 200 mod, Warnsystems (RWS) besteht (Bild 6). Am ġ Ausrüstung der Strecke mit Linienzugbe- Ertüchtigung von Weichen mit starren 25. Februar 2002 erteilte das EBA die Zu- einflussung (LZB) des Typs CE 72 II, Herzstücken für den Geschwindig- lassung zur Durchführung der Betriebser- ġ Beseitigung aller Bahnübergänge nach keitsbereich v ) 230 km/h probung für diese Sicherungsmaßnahmen. § 11 der Eisenbahn-Bau- und Betriebs- Das RWS besteht aus den Elementen ordnung (EBO) für v > 160 km/h [4], Bisher war für die Befahrung von Weichen ġ Reisendensicherung auf Bahnsteigen an mit Geschwindigkeiten >200 km/h der Ein- ġ zug- und bahnsteigkantenbezogene An- Gleisen, die mit v > 200 km/h befahren bau von Weichen mit beweglichen Herz- sagen bei v > 160 km/h (33 Bahnstei- werden, stückspitzen gefordert. Als neue und wirt- ge) und

Edition ETR 13 Wolfgang Feldwisch, Olaf Drescher und Christine Haag

ġ € Tafel 2: Ausgewählte Planungsgrundlagen für vmax = 230 km/h 38 Mio. Eigenmittel DB AG ġ 504 Mio. E Baukostenzuschüsse des Status Nr. Thema Verfahren UiG ZiE Bundes im Rahmen der Finanzierungs- vereinbarung 1 Unterbau ġ 136 Mio. € für die Beseitigung von 1.1 Regelanforderung an den Unterbau gemäß Richtlinie 836 R N N 1.2 Planumskantenabstand RNN Bahnübergängen, welche nach §§ 3, 13 des Eisenbahn-Kreuzungs-Gesetzes 2 Oberbau 2.1 Feste Fahrbahn Bauart Züblin und Rheda AEE (EKrG) zwischen den Kreuzungsbeteilig- 2.2 Anwendung hochelastischer Oberbau IEN ten Bund, Bahn und Straßenbaulastträ- 2.3 Schienen Produktion Kattowice AEE gern gedrittelt wurden. 2.4 Weichen, Überhöhungsfehlbetrag AEN 2.5 Weichen, starre Herzstücke IEE 2.6 Schotterstärke RNN Insgesamt wurden somit 594 Mio. E (88%) 2.7 Aufbereiteter Schotter AEN der Kosten des Streckenausbaus durch den 3 Ingenieurbau Bund finanziert. 3.1 Anprallschutz RNN 3.2 Dynamische Einflüsse auf Eisenbahnüberführungen RNN 4 Technische Ausrüstung 4 Projektorganisation 4.1 Vorsignalabstand AEE 4.2 LZB AI N N 4.1 Projektstruktur 5 Regelprofil im bisherigen BÜ-Bereich R 6 Sicherung von Reisenden auf Bahnsteigen gemäß EBO INEDie Bauherrenfunktion wurde zentral von der Organisationseinheit Großprojekte der 8 Zugbegegnungen bei 4,0 m Gleisabstand FNNDB Netz AG wahrgenommen, die die Be- UiG: Unternehmensinterne Genehmigung lange der Eisenbahninfrastrukturunterneh- ZiE: Zustimmung im Einzelfall durch das Eisenbahn-Bundesamt men (DB Netz, DB Station&Service und A: Abweichung vom Regelwerk, Nachweis gleicher Sicherheit DB Energie) koordinierte. Die technische AI: Ausnahme nach Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung E: Genehmigung erteilt und kaufmännische Projektverantwortung F: Nachweis erforderlich, dass eingesetztes Fahrzeug aerodynamisch ist lag im Projektzentrum Hamburg–Berlin der I: Technische Innovation mit Betriebserprobung DB ProjektBau GmbH (vormals DB Projekt N: Nicht erforderlich R: Regelwerk gilt Verkehrsbau GmbH) in einer Hand (Bild 7). Die Gesamtstrecke wurde in 4 Abschnitte für Streckenbau und BÜ-Beseitigung und ġ zyklische Ansagen bei v > 200 km/h ġ neue Funktionalitäten der LZB einen übergreifenden Abschnitt für die Aus- (21 Bahnsteige). rüstung mit Leit- und Sicherungs- wird in diesem Buch berichtet. technik (LST), Linienzugbeeinflussung (LZB) Sicherung der dynamischen Stabilität und Bahnstrom gegliedert, für die je ein von Unterbau und Untergrund durch Mit der Realisierung der 2. Ausbaustufe Projektleiter verantwortlich war. Die Ab- Einbeziehung von elastischen des VDE 2 steht die Summe aller Planungs- schnittsgrenzen orientierten sich an den Elementen im Oberbau grundlagen für vmax = 230km/h als neuer Landesgrenzen der beteiligten Bundeslän- Streckenstandard für Ausbaustrecken zur der. Die jeweils verantwortlichen Projektlei- Um besondere unterbautechnische Ertüchti- Verfügung. Eine Übersicht der Planungs- ter führten neben direkt zugeordneten Mit- gungsmaßnahmen in bestimmten kritischen grundlagen zeigt Tafel 2. arbeitern auch externe Planungsbüros für Streckenabschnitten zu vermeiden, wurde die Streckenertüchtigung, die BÜ-Beseiti- eine gegenüber dem Standardoberbau elas- gung und die Leit- und Sicherungstechnik. tischere Konstruktion eingesetzt. Dabei wird die aus höherer Geschwindigkeit und 3 Kosten und Finanzierung Mit der Gesamtkoordination, der Zusam- höherer Radlast resultierende Erhöhung der menführung der Einzelplanungen in eine Unterbaubeanspruchung durch eine elasti- Am 21. Oktober 2002 wurde die Einzelfi- Gesamtvorplanung, Rahmenentwurfs- und sche Oberbaukonstruktion (Schwellen B 90 nanzierungsvereinbarung für die 2. Aus- Entwurfsplanung sowie der Erarbeitung der mit Schienenbefestigung E 14 oder baustufe der Ausbaustrecke Hamburg– Finanzierungsgrundlagen wurde je ein alternativ der Einsatz besohlter Schwel- Berlin zwischen BMVBW, DB Netz AG, Büro für Bau und Ausrüstung beauftragt. len) kompensiert. Die im Rahmen der DB Station & Service AG und DB Energie wissenschaftlichen Begleitung vorgenomme- unterzeichnet. Für die Bau- und Ausrüstungsleistungen nen Messungen ergaben keine Auffälligkei- wurden EU-weit insgesamt ten und bestätigten die gewählte Lösung. Grundsätzlich waren alle Baumaßnahmen zuwendungsfähig, die für die Erhöhung der ġ 10 Planungspakete, Über weitere technische Innovationen, wie Streckengeschwindigkeit notwendig sind ġ 5 Bauüberwachungspakete, z.B. und dem Kriterium der wirtschaftlichsten Lö- ġ 10 Vergabepakete für den Streckenaus- sung entsprachen. Ausgenommen waren bau, ġ die dynamischen Berechnungen von Ei- Rationalisierungsmaßnahmen sowie Maß- ġ 26 Vergabepakete für die BÜ-Beseitigun- senbahnbrücken, nahmen für Wartung und Instandsetzung. gen, ġ die Bewertungsverfahren für Erdbauwer- ġ 6 Vergabepakete für die LST/LZB-Leis- ke, Der Ausbau im Rahmen der 2. Ausbaustufe tungen und ġ den Einsatz von Georadar zur Unter- kostete insgesamt 678 Mio. €. Davon ġ 3 Vergabepakete für Bahnenergieanla- grunderkundung und waren gen

14 Edition ETR Tempo 230 zwischen Hamburg und Berlin

ġ messtechnische Untersuchungen zur Fest- stellung der Eignung dieser Bauwerke.

Aus den Ergebnissen wurden jeweils spezi- fische Maßnahmen zur Ertüchtigung abge- leitet. Im Rahmen der Vorplanung wurden abschnittweise unterschiedliche Ausbauva- rianten mit den Ausbaugeschwindigkeiten 200 km/h bis 230 km/h untersucht und ge- genübergestellt. Aus einer Nutzen/Kosten- Optimierung wurde das endgültige Ge- schwindigkeitsband für die Gesamtstrecke bestimmt. Dieser optimierte Ausbauvor- schlag mit der Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h wurde in der Entwurfsplanung präzisiert und in der Finanzierungsverein- barung verankert. Im Ergebnis wurden zwi- schen Berlin–Spandau und Hamburg-Berge- dorf 256 km Strecke ausgebaut, davon:

ġ 205 km (80 %) für vmax = 230 km/h ġ 39 km (15 %) für 200 ) vmax ) 230 km/h ġ 12 km (5 %) für 160 ) vmax ) 200 km/h. Bild 7: Projektbeteiligte (Quelle: DB AG) Für die Ermittlung der Kosten- und Bauzei- mit diversen Losen in Teilnehmerwettbewer- 5 Leistungen der Vor- und tenpläne war von wesentlicher Bedeutung, ben angekündigt, ausgeschrieben und ver- Entwurfsplanung dass nur auf Bahngrundstücken gebaut und geben. Auf Grund der Größe der Pakete keine Baustraße auf Grundstücken Dritter und der Zeitziele kamen in der Regel Ar- 5.1 Leistungen der Streckenplanung angelegt werden konnte. Damit musste die beitsgemeinschaften zum Zuge. Insgesamt Baulogistik von der Schiene aus erfolgen; wurden 317 Ingenieur-Büros, Gutachter Für die Streckenplanung war der Bestand dementsprechend schwierig gestaltete sich und Vermesser (davon 236 aus der Regi- aller Fahrweganlagen vor Ort mit den tech- die baubetriebliche Einordnung unter Auf- on) und 105 Bau- und Ausrüstungsfirmen nischen Grundlagen für 230 km/h abzu- rechterhaltung des Betriebes. (davon 17 aus der Region) vertraglich ge- gleichen. Dazu wurden umfangreiche Nach- bunden. weise der Sicherheit und Gebrauchstaug- lichkeit der vorhandenen Anlagen durchge- 5.2 Maßnahmen zur Beseitigung führt. Hierzu gehörten unter anderem der Bahnübergänge 4.2 Beratungs- und Entscheidungsgremien ġ theoretische Betrachtungen zum Verhal- Nach § 11 EBO sind insgesamt 56 Bahn- ten der Eisenbahnbrücken und der Erd- übergänge einschließlich von 2 Privat- Grundsätzliche Entscheidungen zum Projekt körper bei dynamischen Belastungen Bahnübergängen beseitigt worden (Bild 8) wurden in einem „Steuerkreis“ mit den Spit- aus dem Hochgeschwindigkeitsverkehr – 27 in Brandenburg, 20 in Mecklenburg- zen des BMVBW, des EBA und der DB AG sowie Vorpommern und 9 in Schleswig-Holstein getroffen. Für die konkrete Erarbeitung der Planungsgrundlagen wurde ein „Planungs- begleitender Arbeitskreis (PAK)“ unter Lei- tung des Bauherrenvertreters eingerichtet, der sich nach Gewerken in verantwortliche Fachausschüsse untergliederte. Im PAK waren das BMVBW, das EBA, die DB Netz AG, DB Station & Service AG, DB Energie und die Projektgesellschaft vertreten.

Parallel konstituierte sich ein „Länderar- beitskreis“ unter der Leitung des BMVBW, der über Vorgehensweise und Finanzie- rung der Bahnübergangsbeseitigung bera- ten hat.

Die Inbetriebnahme der Strecke wurde seit Juli 2003 durch die Inbetriebnahmekom- mission unter der Leitung des Anlagenma- nagements der DB Netz AG Niederlassung Ost vorbereitet. Bild 8: Eisenbahnüberführung Zernitz (Quelle: DB AG)

Edition ETR 15 Wolfgang Feldwisch, Olaf Drescher und Christine Haag

Tafel 3: Maßnahmen zur Beseitigung der Bahnübergänge senbahnknotens Berlin und des Streckenab- schnitts bis Wittenberge (als nächster Halt- Bundesland Anzahl Errichtung von Schließung Bahnüber- Eisenbahn- Straßen- mit Ausbau ersatz bahnhof des Fernverkehrs) betrieblich simu- gänge überführungen überführungen von Ersatz los liert und bewertet. Im Ergebnis wurden im wegen Einvernehmen zwischen dem BMVBW, den beteiligten Bundesländern und der DB AG 1) Brandenburg 27 2 17 – 7 sowohl der Bau eines 3. Gleises für die Mecklenburg- Fernbahn als auch die Verlängerung der Vorpommern 20 7 8 6 – Gleichstrom-S-Bahn in überwiegend einglei- siger Ausführung zeitlich zurückgestellt. Zur Schleswig-Holstein 9 22) 133 Zukunftssicherung wurde bei der Dimensio- Gesamt 56 11 26 9 10 nierung der lichten Weite der neu errichte- ten Kreuzungsbauwerke im Bereich Berlin- 1) zusätzlich 4 Fußgängertunnel Spandau bis Falkensee eine nachträgliche 2) zusätzlich 1 Fußgängertunnel Anlagenerweiterung berücksichtigt. Zudem wurde für eine spätere Verlängerung der S-Bahn eine Überleitverbindung in Falken- (davon war je einer noch der 1. Ausbaustu- wurden die Kreuzungsvereinbarungen see vorgesehen. fe zugeordnet). Die Mehrzahl davon wurde nach Eisenbahn-Kreuzungs-Gesetz (EKrG) durch Bau von Ersatzmaßnahmen nach erarbeitet. §§ 3, 13 des Eisenbahn-Kreuzungs-Geset- zes (EKrG) substituiert (Tafel 3). Zu diesem Zweck wurden im Rahmen der 2. Ausbau- 6 Betriebliche Einordnung und stufe neu 42 Kreuzungs- und 7 5.3 Infrastrukturplanungen Durchführung der Bau- und Schließungsvereinbarungen mit 35 Kreu- für den Nahverkehr Ausrüstungsleistungen zungsbeteiligten abgeschlossen. Im Korridor Berlin-Spandau bis Falken- In der DB Richtlinie Ril 406 ist beschrieben, Bei den Maßnahmen zur Beseitigung von see/Nauen wurde die künftige Gestaltung wie die betriebliche Einordnung von Bau- Bahnübergängen handelt es sich grund- des Eisenbahnverkehrs gesondert unter- maßnahmen unter laufendem Eisenbahnbe- sätzlich um planfeststellungsrelevante Sach- sucht mit dem Ziel, die Auswirkungen des trieb gesteuert und mit den betroffenen Ver- verhalte. Auf Grund der unterschied- Hochgeschwindigkeitsverkehrs auf den Re- kehrsunternehmen abgestimmt wird. lichen regionalen Interessen und Planungs- gionalverkehr zu ermitteln und einer Ver- fortschritte wurde in der Regel für jeden schlechterung der Betriebsqualität vorzu- Da nur ein kurzer Planungszeitraum zur Bahnübergang ein gesondertes Planfeststel- beugen. Dabei wurden die Verkehrsströme Verfügung stand und die Planungen in un- lungsverfahren durchgeführt. Die insgesamt im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) terschiedlichen Leistungsphasen parallel lie- 50 Verfahren dauerten zwischen 13 und und im motorisierten Individualverkehr fen, sind Abweichungen von der grundsätz- 35 Monaten und führten in einigen Fällen (MIV) unter Einbeziehung des gesamten Ei- lichen Vorgehensweise zugelassen worden. zu mehrfachen Überarbeitungen der Unter- lagen; jedoch wurden immer die projekt- seitig eingebrachten Lösungen planfestge- stellt.

Für die zügige Planung der Maßnahmen war die Phase der Kartierung (12 Monate) von entscheidender Bedeutung. Diese Lei- stungen wurden in Vorbereitung der Plan- rechtsverfahren frühestmöglich beauftragt. Gleichzeitig konnten Erkenntnisse aus der 1. Ausbaustufe und der Transrapidplanung genutzt werden.

Zur Kostensenkung wurden standardisierte Lösungen entwickelt, die mit möglichst ge- ringen betrieblichen Einschränkungen reali- siert werden konnten. So wurden Straßen- brücken mit Fertigteilüberbauten und rechten Kreuzungswinkeln (kurze Bauwer- ke) und lichten Weiten, die ein Bauen ohne Geschwindigkeitsreduzierungen zuließen, bevorzugt. Für die spezifischen Belange der Straßenbaulastträger wurden für Straße und Bauwerk jeweils gesonderte Entwurf- sunterlagen gefertigt und z. T. Auditierun- gen zu verkehrssicherheitsrelevanten Aspekten durchgeführt. Auf der Grundlage der insoweit abgestimmten Planunterlagen Bild 9: Freigelegte Rüttelstopfsäulen zwischen Paulinenaue und Friesack (Quelle: DB AG)

16 Edition ETR Tempo 230 zwischen Hamburg und Berlin

Bild 10: InterCityExpress mit Neigetechnik (ICE T) auf der Brücke über den Havelländischen Großen Hauptkanal bei Paulinenaue (Quelle: DB AG/Bedeschinski)

In der Vorplanung wurden die Anmeldun- einem Gleis und der betrieblichen Abwick- schen den Bahnhöfen Nauen und Witten- gen zur Baubetriebsplanung auf der Basis lung auf dem 2. Gleis rund um die Uhr ge- berge vom 14. Juli 2003 bis 27. Septem- eines überschlägigen Mengengerüsts unter arbeitet. ber 2003 und die Konzentrierung der Bau- Berücksichtigung der Baulogistik – die maßnahmen konnte eine wesentliche grundsätzlich über die Schiene abzu- Durch Sicherungsmaßnahmen wie dem Ein- Reduzierung der Kosten erreicht werden. wickeln war – vorgenommen. Mit der Kon- satz von festen Absperrungen zwischen Die ICE-Züge wurden in dieser Zeit über kretisierung der Planung wurden auch die Baustelle und Betriebsgleis sowie automati- Stendal umgeleitet. Anmeldungen zur Baubetriebsplanung kon- schen Warnsystemen konnte im Betriebs- kreter. In dem monatlich tagenden Arbeits- gleis eine Geschwindigkeit von 120 km/h Der Fahrweg lag in einem Bereich von kreis Baubetriebsplanung wurden die Vor- gewährleistet werden. 13 km Länge zwischen Paulinenaue und stellungen der Bauunternehmen hinsichtlich Friesack auf einem Rost von teilvermörtelten Sperrpausen den tatsächlich zur Verfügung Der vergleichsweise lange und kalte Winter Stopfsäulen mit einer darüberliegenden stehenden Möglichkeiten gegenübergestellt 2002/2003 und der extrem heiße Sommer geogitterbewehrten Kiessandschicht. Da und Lösungen abgestimmt. Mit Hilfe des 2003 verursachten erhebliche Rückstände im diese Lösung den Anforderungen für v = Fahrplantrassen- und Infrastrukturmanage- Bauablauf. Im Raum Wittenberge mussten 230 k m/h nicht entsprach, wurde das mentsystems RailSys wurden Lösungsvor- die Baumaßnahmen zudem im Jahr 2002 Tragsystem ertüchtigt durch Einbau eines 3- schläge zur betrieblichen und baulichen Ab- aufgrund eines Jahrhunderthochwassers der lagig bewehrten mineralischen Tragschicht- wicklung einzelner Maßnahmen erarbeitet. Elbe zeitweilig eingestellt werden. 2003 systems mit zugfesten Geogittern (Bild 9). zwangen brütende seltene Schwarzstörche Mit Hilfe eines täglichen Soll-Ist-Vergleiches Insgesamt wurden ca. 9000 betriebliche und Seeadler zu einem räumlich begrenz- der Leistungen im Rahmen der Totalsper- Sperrpausen sowie 800 signaltechnische ten Baustopp. Die zeitlichen Rückstände rung und Dank der hervorragenden Zusam- Bauzustände realisiert. 40 Hilfsbrücken konnten jedoch sämtlich aufgeholt werden. menarbeit aller Beteiligten konnte der Ter- waren im Einsatz. In 4 bis 6 Bauspitzen min der Wiederinbetriebnahme eingehalten wurde mit durchgängigen Sperrungen in Durch die Totalsperrung der Strecke zwi- werden (Bild 10).

Edition ETR 17 Wolfgang Feldwisch, Olaf Drescher und Christine Haag

Bild 11: Maximale Reisezeitgewinne (Quelle: DB AG)

Zusätzlich zur Abnahme der Bau- und Aus- rüstungsleistungen wurden bei allen vor- handenen Eisenbahnüberführungen Son- derprüfungen durchgeführt und die dynamische Stabilität für 230 km/h nach- gewiesen. Auch alle Erdbauwerke, d. h. Erdkörper, Durchlässe und Stützbauwerke, wurden hinsichtlich ihrer Eignung für die geplante Streckengeschwindigkeit bewer- tet.

Bei den neu errichteten Straßenüberführun- gen wurde in Vorbereitung der Übergabe an die Baulastträger die erste Hauptunter- suchung durchgeführt. 7 Abnahmen und Inbetriebnahmen Für die Erhöhung der Streckengeschwindig- keit auf 230km/h mussten anschließend 7.2 Inbetriebnahmen 7.1 Abnahmen Hochtastfahrten für die fahrtechnische Teil-

freigabe und Abnahme der Oberleitung Die Erhöhung der Geschwindigkeit auf vmax Unmittelbar nach Fertigstellung neu errich- durchgeführt werden. Dazu wurde die = 230 km/h erfolgte am 19. September teter Bauwerke sowie ertüchtigter Strecken- Strecke in 9 Teilabschnitte untergliedert, 2004 auf dem Streckenabschnitt von Ber- abschnitte wurde der jeweilige Abschnitt insgesamt wurden ca. 250 Messfahrten mit lin-Spandau bis km 110,1 und am 12. De- zunächst für den Betrieb mit vmax = Geschwindigkeiten 160 km/h < vmax ) zember 2004 von km 110,1 bis Hamburg 160 km/h freigegeben. 253 km/h durchgeführt. Hbf. Für die Inbetriebnahme der Gesamt-

Bild 12: Fahrschaubild für die 230 km/h-Fahrt Hamburg–Berlin in 90 Minuten (Quelle: DB AG)

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Bild 13: Schnellfahrstrecken (Quelle: DB AG)

strecke zwischen Bf Berlin-Spandau und schen Ausbaustrecken (200 km/h) und [3] Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäi- Hamburg Hbf wurde das EG-Prüfverfahren Neubaustrecken (250 km/h), siehe Bild 13. schen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den zu den Teilsystemen Infrastruktur und Ener- Aufbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes gie durchgeführt. Im Projekt ABS Hamburg-Berlin sind die (TEN). vorhandenen Reserven der Technik wirt- [4] §11, Absatz 2 der Eisenbahn-Bau- und Betriebs- schaftlich genutzt worden. Aufgabe der ordnung vom 08.05.1967, zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung eisen- nächsten Jahre muss es sein, auf weiteren bahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002. 8 Projektergebnis Abschnitten des DB-Fernstreckennetzes ana- [5] Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli über loge Möglichkeiten zu erschließen, um den die Interoperabilität des transeuropäischen Hoch- Durch den Streckenausbau haben sich die Reisenden zwischen den Ballungsräumen geschwindigkeits-Bahnsystems, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft L 235/6 vom Reisezeiten zwischen Hamburg und Schwe- zusätzliche Reisezeitverkürzungen anbieten 17.09.1996. rin beziehungsweise Hamburg und Berlin- zu können. [6] Entscheidung der Kommission vom 30. Mai 2002 /Dresden gemäß Bild 11 verkürzt. über die technische Spezifikation für die Interope- Die gefahrenen Geschwindigkeiten gemäß rabilität des Teilsystems „Infrastruktur“ bzw. des Teilsystems „Energie“ des transeuropäischen Bild 12 – Fahrt von Hamburg nach Berlin – Hochgeschwindigkeitsbahnsystems gemäß Artikel führen zu einer hohen Durchschnittsge- 6 Absatz 1 der Richtlinie 96/48/EG, in: Amts- schwindigkeit von 190 km/h. Auf genau blatt der Europäischen Gemeinschaft L 245/280 vom 12.09.2002 mit Änderung L 275 vom der Hälfte der Streckenlänge erreicht der Schrifttum 11.10.2002. ICE-T seine Höchstgeschwindigkeit von [1] Weigelt, H.: Von den Anfängen des Schnellver- 230 km/h. Das liegt an den wenigen Kur- kehrs zum ICE, in: Martinsen, O. u. Rahn, R. ven und der flachen Trassierung der (Hrsg.): ICE – Zug der Zukunft, Darmstadt, 3. Auf- Strecke. lage 1997. [2] Feldwisch, W., Drescher, O., Knittler, Chr.: Die Ertüchtigung der Bahnstrecke Berlin–Hamburg auf Der neue Geschwindigkeitsstandard v = 230km/h, ETR – Eisenbahntechnische Rund- 230 km/h schließt die bisherige Lücke zwi- schau 51 (2002), H. 10, S. 696ff.

Edition ETR 19 Fahren und Bauen auf der Strecke

Bild 7: Hochtastmessfahrten bei „Grüner Welle“ tungen nur abschnittsweise erfolgen. Teil- den Zeitraum von März 2002 bis Oktober DB Netz AG. Sie haben oft unbürokratisch weise erfolgten die Messfahrten sogar pa- 2004: und kurzfristig die Einordnung der Baumaß- rallel, was höchste Ansprüche an die fahr- nahmen sichergestellt. planbearbeitenden Mitarbeiter stellte. In ġ Gegenüber der ursprünglich benannten dieser Phase hat sich bewährt, dass die Anzahl von maximal 4 möglichen Bau- Einordnung der Messfahrten in direkter Ab- spitzen (durchgängige Sperrungen) auf stimmung mit den Niederlassungen Ost der Gesamtstrecke waren im Verlauf des und Nord der DB Netz AG unter Einbezie- Projektes fast ständig 6 Bauspitzen zu Schrifttum hung der Prüfergebnisse der RMCon und bewerkstelligen. [1] Warninghoff, C., Ferchland, Ch.: Nutzung von Si- unter Beteiligung der betreffenden Aus- ġ Über 9000 Sperrpausen waren betrieb- mulationen zur Unterstützung der betrieblichen Infra- führenden der jeweiligen Messfahrten er- lich zu regeln. strukturplanung. ETR, Juni 2004. folgte. ġ Insgesamt mussten über 800 Bauszu- [2] Demitz, J.; Hübschen, C.; Albrecht, C.: Timetable stability – using simulation to ensure quality in a re- stände LST/TK realisiert werden. gular interval timtable. Computers in Railways IX, Aus der projektbegleitenden betrieblichen 2004. Untersuchung mit RailSys konnten folgende [3] Weigand, W.; Kübert, K.; Beschorner, Ch.: Stand Aussagen abgeleitet werden: der Planungen und Bewertung von Netzknoten – Gesamtdarstellung. ETR, Juni 2004. ġ [4] Radtke, A.; Hauptmann, D.: Automated planning of Verträglichkeit der jeweils aktuellen Bau- 4 Zusammenfassung timetables in large railway networks using a micros- betriebszustände auch unter Berücksich- copic data basis and railway simulation techniques. tigung der Umleitungsstrecken Mit Hilfe von RailSys konnten die Auswir- Computers in Railways IX, 2004. ġ die aus Baubetriebszuständen resultie- kungen der Baumaßnahmen auf der [5] Bendfeldt, J.-Ph.; Warninghoff, C.-R.: Infrastrukturbe- zogene Auswertung von Betriebssimulationen in der renden Beförderungszeitverlängerungen Strecke Hamburg–Berlin sowie die daraus Eisenbahnbetriebswissenschaft. ETR, Juni 2004. ġ die jeweils zu erwartende Betriebsqua- resultierenden Betriebsabläufe und Baube- [6] Rail Management Consultants GmbH, Hannover. lität triebszustände projektbegleitend analysiert www.rmcon.de. ġ Stabilität der Fahrzeugumläufe und beherrscht werden. Das Bauen ġ Realisierbare Betriebs- und Logistikkon- während des laufenden Betriebes hat hohe zepte während des Baubetriebs Ansprüche an alle Projektbeteiligten ge- ġ notwendige Bauinfrastruktur und stellt. Das Projektziel wurde trotz einiger ġ Durchführbarkeit der vor Inbetriebnahme unkalkulierbarer Hindernisse erreicht. notwendigen Mess- und Abnahmefahr- Wichtig war dabei – neben der Einsatz- ten. freude der am Projekt direkt Beteiligten – die Mitarbeit der örtlichen Betriebsdurch- Folgende Daten verdeutlichen das baube- führung und der Koordination Betrieb/Bau trieblich zu bewältigende Volumen über der Niederlassungen Ost und Nord der

Edition ETR 47 Jürgen Niessen und Sabine Boden

Georadar für die Erkundung des Untergrunds

Der Einsatz der Erkundung des Untergrunds von Bahnstrecken durch Radar mit Hilfe des GeoRail-Verfahrens hat sich in den letzten Jahren immer mehr bewährt. Die Grobdiagnose von Eisenbahntrassen sowie deren Qualitätskontrolle nach dem Umbau oder einer Sanierung sind mittlerweile als Standard anerkannt. Auch spezielle Anwendungen – Dipl.-Ing. wie hier bei der ABS Hamburg–Berlin, während der 2. Ausbaustufe, Jürgen Niessen die Erkundung des Horizontes von Teilvermörtelten Stopfsäulen (TVSS) – Abteilungsleiter. – werden immer zahlreicher. Dieser Bericht beschreibt den Einsatz des GeoRail®-Verfahrens auf der ABS Hamburg–Berlin, 2. Ausbaustufe, für die folgenden Anwendungen:

ġ Grobdiagnose der Trasse als Planungsunterstützung im Jahre 2000 ġ Erkundung der Teilvermörtelten Stopfsäulen (TVSS), Durchführung 2003 Dipl.-Ing. (FH) ġ Bestandsdatenerfassung nach dem Umbau im Jahre 2004. Sabine Boden Technische Angestellte. – Anschrift der Autoren: GBM Wiebe Gleisbaumaschinen GmbH – GeoRail, Im Finnigen 6, D-28832 Achim. 1 Einführung: der neuesten Generation von Radaranla- Warum GeoRail®? gen entgegen: Sie haben eine um Faktor 8 höhere Scan-Rate als Geräte der Vorgän- Die konventionelle Vorgehensweise bei der gergeneration. Dies erlaubt für Geschwin- Erkundung von Baugründen zur Erfassung digkeiten bis 80 km/h die doppelte hori- von Schwachstellen und anderen Merkma- zontale Auflösung bei der Erzeugung von len ist ein rasterförmiges Abteufen von Boh- vier Radarprofilen während einer Mess- rungen oder die Erstellung von Schürfen. fahrt. Es werden 20 Scans je Meter und Diese direkten Aufschlüsse repräsentieren Profil erzeugt, was einem optisch scharfen die Eigenschaften von Baugründen mit hin- Abbildungsmaßstab von 1 : 250 entspricht. reichender Präzision – an der Stelle ihrer Platzierung. Alles was nicht getroffen wird, Eine weitere Neuerung ist die Weg- fällt durch das Raster, was spätestens bei gebung. GPS-Systeme kommen seit Ende der Baudurchführung zu Problemen führen 2003, neben den üblichen Komponenten kann. Anhand des Georadarverfahrens wie radgebundenem Inkrementalgeber, werden hingegen kontinuierliche Längs- Doppler-Radar und dem Streckendaten- schnitte für bis zu vier Profilen je Gleis grundbaustein, zusätzlich zum Einsatz. Sie während einer Messfahrt erzeugt. Die wei- werden über den ASCOS-Dienst mit Korrek- terhin erforderlichen direkten Aufschlüsse turdaten beaufschlagt und gewährleisten werden dadurch nur an den Stellen durch- eine Lagegenauigkeit von +/- 0,5 m. Das geführt, welche in den Radargrammen als von GBM GeoRail® eingesetzte System ist Résumé Schadstellen zu erkennen sind. Die Erkun- außerdem kompatibel für DB-Ref, was noch dung geschieht effizienter, weniger Schad- deutlich genauere Zuordnungen garantiert. Geo radar for investigating subsoils stellen werden übersehen. Des Weiteren läuft grundsätzlich eine digi- In conjunction with the second phase of the up- tale Videokamera mit. Diese dokumentiert grading measures on the Hamburg–Berlin rail- Das GeoRail® Verfahren ist seit vielen Jah- das Gleisumfeld, den Zustand der Entwäs- way line, the GeoRail technique was used to ren bekannt und wird an dieser Stelle nicht serung und unterstützt die Auswertung der perform preliminary investigations and to make noch einmal detailliert beschrieben. Einige Georadardaten. Sämtliche Komponenten a rough diagnosis. The interpretation of the geo-radar data and the meaningful exploitati- grundsätzliche Neuerungen dürfen aller- werden von einem zentralen PC auf dem on of the results were tackled jointly with a firm dings nicht unerwähnt bleiben. Seit Ende Fahrzeug gesteuert. of consultant engineers. As planning progres- 2003 werden für die Erkundung der Gleis- sed, the technique was used to map out the ho- achse bis zu einer Tiefe von vier Meter ge- rizons of partly mortared compacted columns meinsam mit Antennenspezialisten ent- so as to be able to avoid damaging these wickelte 400 MHz-Hornstrahler eingesetzt. 2 Grobdiagnose mit dem when removing material from above them. ® Once all the work had been completed on the Diese haben den Vorteil, dass sie mit GeoRail Verfahren upgraded line, GeoRail was run again to carry einem konstanten Abstand von ca. 40 cm out a quality check, which recorded the state zur Schwellenoberkante gefahren werden 2.1 Durchführung der Messungen of the permanent way at that point in time. können. Das pneumatische Auf- und Abfah- These records might prove to be of great assi- ren der Antennen an Hindernissen, wie Im Rahmen der Planungen für die 2. Aus- stance to the owner of the project if ever gua- z. B. Weichen und Bahnübergängen, ist baustufe der Strecke Hamburg–Berlin auf rantee claims have to be made. jetzt nicht mehr erforderlich. Dies kommt 230 km/h wurde das GeoRail Verfahren

48 Edition ETR Ausbaustrecke Hamburg – Berlin

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Edition ETR 49 Jürgen Niessen und Sabine Boden

Sitzungen bei der DB ProjektBau in Berlin. Es waren Vertreter aller Ingenieurbüros an- wesend, so dass eine umfassende Diskussi- ® Bild 1: GeoRail -Fahr- on der Ergebnisse möglich war. Alle betei- zeug während der ligten Ingenieurbüros erhielten die für ihren Messfahrt mit vier Streckenabschnitt zutreffenden GeoRail® 371Antennenpaaren Daten und bewerteten diese.

Um eine kontinuierliche Dokumentation der Schotterbasis zu erhalten, beauftragte die DB ProjektBau Berlin im Fortlauf der Pla- nungsarbeiten die Erstellung einer zweidi- mensionalen Darstellung (2D-Darstellung). Dazu wurden die in den Radargrammen sichtbaren Schichtgrenzen mit einem Algo- rithmus automatisch oder halbautomatisch gescannt und in einer fortlaufenden Darstel- lung am Monitor dargestellt. Die Mächtig- keiten des Schotters wurden, nach der Kali- brierung anhand von Schürfen, in einer Excel-Tabelle abgelegt.

Mit dessen sowie dem horizontalen Verlauf der Unterkante (UK) Schotter konnte auf die

Bild 2: 2D-Darstellung im Rahmen der Grob- km 061,300 - 061,360 schlecht diagnose

Spätsommer 2000

eingesetzt. Die ersten Messungen wurden im Spätsommer 2000 durchgeführt. In Zu- sammenarbeit mit der DB ProjektBau Berlin und den mitwirkenden Ingenieurbüros wur- den gemeinsame Aufschlussprogramme er- stellt. Das Ziel war eine möglichst umfas- sende Darstellung der örtlichen Gegeben- heiten.

Die Erfassung der Daten zur Grobdiagnose wurden mit der „alten“ Gerätegeneration durchgeführt (Bild 1). Die Messgeschwin- digkeit betrug 30 km/h. Trotzdem wurden nur zwei Schichten benötigt: Die Messun- gen fanden nachts statt, die Signale zeig- ten Grün. Es wurden – wie damals nicht anders möglich – nur zwei Profile, in der Gleisachse und auf der Feldseite, aufge- nommen.

2.2 Ergebnisse

Nach der Datenbearbeitung erfolgte eine Präsentation der kompletten Strecke in zwei Bild 3: Teilvermörtelte Stopfsäulen nach der Freilegung

50 Edition ETR Georadar für die Erkundung des Untergrunds

Qualität des Untergrundes geschlossen zeigt den Verlauf einer Säulenreihe in werden. Entsprechende Verdachtsbereiche Längsrichtung. wurden mittels direkter Aufschlüsse genauer analysiert und deren Erkenntnisse zur Ein Algorithmus ermittelte dann die Hoch- 2D-Darstellung herangezogen, siehe Bild 2. punkte der Säulenhorizonte automatisch (Bild 6).

Feldseitige Antenne Diese Bereiche wurden in einer Liste festge- 3 Erkundung der Teilvermörtel- halten. Sie waren Grundlage für das ten Stopfsäulen (TVSS) Abschieben des Materials oberhalb der Säulen. Auf nachträglichen Wunsch der Im Laufe der Planungen für die ABS Ham- ausführenden Bau-ARGE wurde eine meter- burg–Berlin kam eine weitere Aufgaben- weise Auflistung der Säulenreihen erstellt. stellung hinzu: die Erkundung der Teilver- Ein Ausschnitt einer solchen Tabelle und mörtelten Stopfsäulen (Bild 3) im Strecken- das Längshistogramm sind in Bild 7 darge- bereich Paulinenaue (km 50,650 – km stellt. 61,400). Diese sollten während der Durch- führung der Baumaßnahmen nicht beschä- digt werden, weshalb die Überdeckung von großem Interesse war. Bild 4: Feldseitiges Antennenpaar während der 4 Bestandsdatenerfassung Im feldseitigen Profil der Grobdiagnose aus Messfahrt zur Erkundung der TVSS nach dem Ausbau dem Jahre 2000 konnten die Säulen schon schemenhaft erkannt werden. Weitere Mess- bis etwa 1,50 m Tiefe lieferten. Für die 4.1 Durchführung der Messungen fahrten waren allerdings erforderlich. Diese Durchführung dieser Messungen mussten fanden im Januar 2003 statt, wenige Mo- spezielle Antennenadapter hergestellt wer- Nachdem die Baumaßnahmen abgeschlos- nate vor dem Umbau. den (Bild 4). Diese ermöglichten Aufnah- sen waren, erfolgten weitere Messfahrten, men von Profilen, welche 4,625 m von der um den Zustand der Schotterbasis und der Gleisachse entfernt waren. Aus Gründen PSS zu dokumentieren. Außerdem wurden 3.1 Durchführung der Messungen der Sicherheit der Antennen wurde die Bereiche mit Bodenaustausch erfasst. Ziel Messgeschwindigkeit auf maximal 30 km/h dieser Dokumentation ist die Feststellung Die Säulenreihen befinden sich nicht in der reduziert. des Ausbaustandes unterhalb der sichtba- senkrechten Flucht mit den Standardpositio- ren Teile des Bahnkörpers nach dem Aus- nen der Antennen. Die Apparatur wurde bau der Strecke auf 230 km/h. Auch mit entsprechend der erwarteten Lage der Säu- 3.2 Auswertung dem eventuellen Hintergrund, die Gewähr- len angepasst. Mehrere Messschichten leistungsansprüche des Auftraggebers zu si- mussten gefahren werden. Der Grund: In Nach Durchführung der Messung sowie chern. beiden Gleisen sollten unterschiedliche Auf- der Datenbearbeitung wurden die in allen zeichnungen erfolgen. Zu Ersteren wurde Radarprofilen deutlich erkennbaren Säulen Im Sommer 2004 erfolgten hierzu die Mess- die Signallaufzeit so eingestellt, dass sich mit einer Linie verbunden. Es ergab sich fahrten. Die erste Befahrung wurde mit den eine Eindringtiefe von etwa vier Metern ein, den unterschiedlichen Einbautiefen der 400 MHz-Schmetterlingsantennen auf der ergab. Dies diente der Erfassung der Torf- Säulen entsprechender, Horizont, welcher Bahn- und Feldseite durchgeführt. In Gleis- schicht und den Bereichen, wo die Säulen sich in den Radargrammen gut verfolgen achse hingegen kam ein 400 MHz-Horn- nicht bis an die UK Planumsschutzschicht ließ. Anhand einiger Schürfe wurde die strahler zum Einsatz. Die Erkundungstiefe (PSS) heran reichten. Andererseits wurden Tiefenlage des Horizontes der TVSS kali- betrug bei diesen Messungen 2 m bis 4 m, Antennen benutzt, die bei geringerer Lauf- briert und im Maßstab 1: 250 abgebildet. so dass die Untergrenze des Bodenaustau- zeit deutlich höhere vertikale Auflösungen Folgender Radargrammausschnitt (Bild 5) sches und die tiefer gelegenen Erdkörper-

Schwelle Bild 5: Radargramm- ausschnitt der TVSS

Horizont der TVSS

Februar 2003

Edition ETR 51 Jürgen Niessen und Sabine Boden

DBAG 6100 Bln Spandau–Hamburg-Altona Querdarstellung der Säulereihen Bild 6: Animierte Quer- profildarstellung

Säulen Soll

Säulen Ist

Darstellung der letzten Spalte, min. Tiefe des Säulenhorizontes über mindestens 6 Säulenreihen.

Säulenreihe (Tiefe in cm)

Bild 7: Längshistogramm (oben) und tabellarische Darstellung der Säulenreihen

52 Edition ETR Georadar für die Erkundung des Untergrunds

UK Schotter

UK PSS

Sommer 2004

Bild 8: Radargrammausschnitt nach dem Ausbau schichten detektierbar waren. Bei einer 4.2 Datenauswertung und Interpretation den Anwender anschaulicher zu machen, weiteren Messfahrt kamen für alle drei Pro- gefiltert und verstärkt. file (Gleisachse, Bahn- bzw. Feldseite) Nach den Messungen erfolgt die Datenbe- 1000 MHz-Hornstrahler zum Einsatz. Diese arbeitung. Die Streckenkilometrierung und Die Radargrammdaten werden vom geolo- haben die Eigenschaft, den Tiefenbereich eventuell vorhandene Fehlerprofile werden gischen Fachpersonal ausgewertet (Bild 8). bis zu etwa 1, 50 m mit sehr hoher vertika- eingearbeitet. Eine Synchronisation erfolgt Die sichtbaren Schichtgrenzen, die UK ler Auflösung abzuscannen. Die Schotter- zwischen den GPS-Daten, der Streckenkilo- Schotter, die UK PSS sowie weitere Erdkör- basis kann mit derartigen Antennen sehr metrierung sowie dem digitalen Video. Im perschichten, werden möglichst pixelgenau gut dargestellt und bewertet werden. Anschluss werden die Daten, um sie für gescannt und diese Koordinaten anschließend

Tafel 1: Visuelle Grobdiagnose

Edition ETR 53 Jürgen Niessen und Sabine Boden

Tafel 2: Bewertung des Schotters

Bild 9: Animierte 2D-Darstellung

54 Edition ETR Georadar für die Erkundung des Untergrunds

kilometrierungsbezogen in einer Datenbank Querprofil als animierte, fortlaufende Dar- können mit geringen betrieblichen Beein- abgelegt. stellung sowie das digitale Video. flussungen zerstörungsfreie Zustandserfas- sungen des Gleises schnell erfolgen. Der nächste Schritt ist die visuelle Grobdia- Weitere vorhandene Streckenmerkmale gnose. Bei dieser werden die Profile nach können integriert werden: wie z. B. Lärm- ihren Signaturen bewertet. Dies geschieht schutzwände, Stützbauwerke, Entwässe- 5 Zusammenfassung mit definierten, von der DB AG und der rungseinrichtungen, Tunnelabschnitte oder ÖBB akzeptierten Kürzeln. Sie beschreiben aber Abschnitte mit PSS. Im Rahmen des Ausbaus der ABS Ham- den visuellen Charakter dieser Radar- burg–Berlin, 2. Ausbaustufe, wurde das grammsignaturen. Auch diese Informatio- Mit weiteren Georadarmessungen nach GeoRail-Verfahren zur Vorerkundung und nen werden in einer Datenbank abgelegt. verschiedenen Befahrungsintervallen kön- Grobdiagnose eingesetzt. Eine Auswertung Tafel 1 zeigt die visuelle Grobdiagnose. nen Unterschiede zum Urzustand des Gleis- der Georadardaten, sowie deren erfolgrei- körpers, insbesondere der Schotter- bzw. chen Umsetzung der Ergebnisse, erfolgte Für die Beschreibung des Zustandes der Schutzschicht, ermittelt werden. Trendaus- gemeinsam mit den Ingenieurbüros. Im Ver- Schotterbasis, der Schotterqualität und des sagen sind möglich. Die Gegenüberstel- lauf der weiteren Planungen wurden die Feinkorngehaltes gelten noch strengere Re- lung der aktuellen Georadarmessdaten mit Horizonte von Teilvermörtelten Stopfsäulen geln. Tafel 2 gibt Aufschluss über die Vor- denen in der Historie, welche in einer Da- (TVSS) erkundet, um diese beim Abschie- gehensweise. tenbank abgelegt sind, unter Einbeziehung ben des darüber befindlichen Materials der Strecken- und Materialdaten, ermög- nicht zu beschädigen. Nach abgeschlosse- Nachdem diese Bearbeitungsschritte durch- licht eine Planung der Instandhaltungsarbei- nem Ausbau der ABS Hamburg - Berlin geführt wurden, wird eine 2D-Darstellung ten auf qualifizierter Basis. Die Vorausset- wurde die Strecke nochmals befahren, um (Bild 9) erzeugt. Diese 2D-Darstellung ist zungen für ein Streckenmonitoring wären eine Qualitätskontrolle durchzuführen, u.a. ablauffähig und beinhaltet neben den ani- geschaffen. um den Urzustand des Gleiskörpers sowie mierten Radargrammdaten die Bohrauf- eventuelle Gewährleistungsansprüche des schlussgraphiken, Schienenlängshöhen, das Mit der Anwendung von GeoRail-Verfahren Auftraggebers zu sichern.

IC-Zug auf der ABS Hamburg–Berlin (Foto: DB AG/Reinsch)

Edition ETR 55 Dynamische Stabilität der Erdkörper

bar. Die maximalen Schwinggeschwindig- keitsamplituden der 2D-FE-Berechnung stim- men mit den Messergebnissen gut überein. Die Zugüberfahrten können also wirklich- keitsnah erfasst werden.

Wie Bild 19 zeigt, stimmen die Ergebnisse der 2D-FE-Berechnung mit den Messergeb- nissen bis 12 Hz gut überein. In diesem nie- deren Frequenzbereich werden ausschließ- lich quasistatische Beanspruchungen aufgrund der Radsatzlasten und zugehöri- ger Achs- und Drehgestellabstände einge- tragen. Bei höheren Frequenzen bestehen vertretbare Abweichungen zwischen Mes- sung und Modellrechnung, da die eingetra- genen Frequenzen hier auch durch zusätzli- che, zufällige dynamische Anregungen z. B. Radunrundheiten erfolgen.

Der Vergleich zwischen Messung und an- gepasster FE-Berechnung zeigt, dass so- wohl die Einwirkungen als auch die Wider- stände ausreichend wirklichkeitsnah simu- liert werden können. Damit konnte das Be- rechnungsmodell an den Messergebnissen kalibriert worden, und realistische Progno- seberechnungen werden möglich.

6 Zusammenfassung

Der gezielte Einsatz von hochelastischen Elementen im Oberbau kann ein Mittel zu Erzielung der dynamischen Stabilität des komplexen Gesamtsystems von Oberbau, Unterbau und Untergrund sein. Durch hoch- elastische Elemente können elastische Ein- senkungen und Spannungen vermindert Tiefe unter SO [m] sowie dynamische Beanspruchungen redu- ziert und in ihrem Frequenzbereich verän- dert werden. Bei hohen Fahrgeschwindig- keiten und kritischen Baugrundverhältnissen können die hochelastischen Elemente im Oberbau das Gesamtsystem ergänzen und Bild 16: FE-Modell, angenommene dynamischen E-Module und Vergleich der elastischen Einsenkun- so zu einem Gleis mit optimierter homoge- gen bei FE-Berechnung und Messung

Edition ETR 73 Ulrike Weisemann und Ralph Fischer

Bild 12: Für den Rohrdurchlass in km 151,860 erfolgte eine statische und dynamische Nachbemessung und eine Ermittlung der Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung der jährlichen Abrostungsrate

Bild 13: Kategorisierung der Stützbauwerke bezüglich Bewertung der Standsicherheit bei Erhöhung der Geschwindigkeit von v = 160 km/h auf v = 230 km/h

Kate- Jahr der Auswirkung/ gorie Errichtung erforderliche Maßnahmen Begründung

keine / Stützbauwerk nach Schrifttum I seit 1983 keine RIL 836 bzw. DS 836 berechnet [1] Weisemann, U.; Wegener, D.: Beurteilung der Standsicherheit von bestehenden Erdbauwerken - vorhanden / Stützbauwerk nicht nach Herangehensweise und Lösungswege am Beispiel II bis 1982 sofortige Begutachtung RIL 836 bzw. DS 836 berechnet ABS Hamburg - Berlin; ; Vortrag Bahnbau 2004. [2] Lieberenz, K.; Müller-Boruttau, F.H.; Wegener, D.: Elastische Gleiskomponenten verringern die dyna- mische Unterbau- und Untergrundbeanspruchung; Vortrag Bahnbau 2004. [3] GEPRO Ingenieurgesellschaft mbH: Beurteilung der Standsicherheit der Erdbauwerke, Teilheft 5, Beurteilung der Erdbauwerke für eine Erhöhung der Geschwindigkeit von v = 160 km/h auf v = 230 km/h; 14.03.2003. [4] GEPRO Ingenieurgesellschaft mbH: Beurteilung Bauwerk außerhalb der Verkehrsbelastung der Standsicherheit der Erdbauwerke, Ergänzung zu Teilheft 5, Beurteilung der Erdbauwerke für eine Erhöhung der Geschwindigkeit von v = 160 km/h auf v = 230 km/h, Stirnwände von Durch- Bauwerk innerhalb der Verkehrsbelastung, lässen; 12.03.2003. durch RIL 836 abgedeckt [5] Lieberenz, K.; Müller-Boruttau, F.H.; Weisemann, U.: Sicherung der dynamischen Stabilität von Un- Bauwerk innerhalb der Verkehrsbelastung, terbau/Untergrund–Herangehensweise und Lö- nicht durch RIL 836 abgedeckt sungswege an der ABS Hamburg - Berlin; Vortrag Bahnbau 2002; Der Eisenbahningenieur 54 (2003) Heft 2, S. 14-24. [6] Fischer, R.; Lindner, A; Kissel: Technische Mittei- lung zur Oberbaukonstruktion; DB Systemtechnik - Bild 14: Ergebnisse der Kategorisierung der Stützbauwerke bezüglich Bewertung der Standsicherheit Oberbautechnik / TZF 61; 17.12.2002. bei Erhöhung der Geschwindigkeit von v = 160 km/h auf v = 230 km/h [7] „Richtlinie 836; Erdbauwerke planen, bauen und instand halten“, AG, 21.12.1999. [8] „PLAXIS; Finite Elemente Code for Soil and Rock Analysis; Version 7“, R.B.J. Brinkgreve, P.A. Ver- ordnung zusätzlich bezüglich ihrer Be- Durch die vorgesehene Erhöhung der meer, A.A. Balkema / Rotterdam / Brookfield triebs-, Verkehrs- und Standsicherheit in- Radsatzlasten im Güterverkehr auf 25 t 1998. spiziert werden, um den Ist-Zustand fest- werden die dynamischen Zusatzlasten [9] Rump, R.; Ehling, B.; Rehfeld, E.: Wirkungen von Verkehrserschütterungen auf Erdbauwerke und un- zustellen und zu beurteilen, wegen der geringen Güterzuggeschwindig- gebundene Tragschichten im Oberbau; in ETR – ġ gewartet werden, um den Soll-Zustand keit (120 km/h) nur wenig ansteigen. Das Eisenbahntechnische Rundschau 45 (1996) Heft zu bewahren und Belastungsniveau wird jedoch insgesamt 7/8, S. 485-491. ġ bei Mängeln oder Schäden instand ge- gegenüber dem heutigen Zustand angeho- [10] „SN 640 312 a; Erschütterungseinwirkungen auf Bauwerke“, Schweizerische Normenvereinigung setzt werden, um den Soll-Zustand wie- ben. Ein Teil der Bauwerke ist deshalb SNV, Zürich 1992. der herzustellen. durch Sonderinspektionen regelmäßig zu [11] iSi: imb-dynamik-Rad-Schiene-Simulationsmodell, überprüfen. siehe dazu www.imb-dynamik.de.

82 Edition ETR Hans-Jürgen Kieke

Umbau des Bahnhofes Wittenberge „Befreiung aus der Insellage“

Seit der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke Hamburg–Berlin im Jahr 1846 verfügte die Stadt Wittenberge über ein repräsentatives Bahnhofs- gebäude, gelegen am östlichen Rande der Stadt. Später, mit dem Betrieb der Strecke Wittenberge–Stendal–Magdeburg, kamen das Bahnhofsge- bäude und der Bahnhofsvorplatz in eine Insellage. Umgeben von Gleisan- Dipl.-Ing. (FH) lagen, erfolgte der Zugang zur Stadt seitdem durch eine Fußgängerunter- Hans-Jürgen Kieke führung und einen höhengleichen Bahnübergang. Bei den Umbauarbeiten Funktion Projektleiter PRA 2, (Neustadt(a)–Klein im Zuge des Streckenausbaus auf 230 km/h, die im Jahr 2000 begonnen Warnow). – Anschrift: und nach genau 4 Jahren abgeschlossen wurden, sind die Eisenbahnglei- DB ProjektBau GmbH, Niederlassung Ost, PZ Nord, se zwischen dem Bahnhofsgebäude und der städtischen Bebauung stillge- Caroline-Michaelisstr. 5-11, D-10115 Berlin. legt worden. Damit ist nun, nach vielen Jahrzehnten, wieder der direkte Zugang zum Empfangsgebäude Wittenberge hergestellt.

1 Der Bahnhof vor dem Umbau Im nördlichen Bahnhofsbereich waren um- fangreiche Bahnanlagen mit Ablaufberg, Durch die Zusammenführung der beiden Rangiergleisen und Überholungsgleisen Strecken Hamburg–Berlin und Magde- vorhanden. Der gesamte Bahnhof wurde burg–Wittenberge nördlich vom Bahnhofs- 1986–1987 mit Oberleitung der Reichs- gebäude (Bild 1) kam es zu einer Auftei- bahn-Bauarten Re 1 und Re 2 überspannt. lung in eine „Berliner Seite“ mit 15 Gleisen, Die Betriebsführung und Rangiertätigkeiten 1 Hausbahnsteig und 2 Mittelbahnsteigen wurden von 7 Stellwerken ausgeführt. Das (Bild 2) sowie eine „Magdeburger Seite“ Stellwerk „Win“, nördlich vom Bahnhofsge- mit 20 Gleisen sowie 1 Hausbahnsteig und bäude im Zusammenführungsbereich der 2 Mittelbahnsteigen (Bild 3). Der Zugang beiden Strecken gelegen, diente als Be- zur Stadt erfolgte mit langen Wegen über fehlsstellwerk. Die Bahnanlagen und Eisen- eine Stichstraße mit Fußgängerunterführung bahnüberführungen über die Hartwigstraße und Bahnübergang über die „Magdebur- und über die Stepenitz waren durch den ger Seite“ zur Bahnstraße. Viele Minuten jahrzehntelangen Eisenbahnbetrieb tech- langen Wartens vor den geschlossenen nisch verschlissen, so dass durch den Bahn- Schranken waren keine Ausnahme. hof nur mit Geschwindigkeiten von

Résumé Modernization of Wittenberge station Wittenberge station looks back over a railway history of nearly 160 years. For many de- cades, it was situated in a sort of “island” loca- tion in the middle of the tracks, between the tracks from Hamburg turning off for Berlin and those for Magdeburg. Phase 2 of the upgrad- ing of the Hamburg–Berlin line – combined with the closure of Wittenberge depot – provi- ded the opportunity to rethink the station’s lay- out completely. The engineering work lasted four years, from August 2000 to August 2004. In this time, a completely new transport facility was created. The InterCity/ICE-station itself is now easy for customers to use and is properly connected with the town it serves. The maxi- mum permitted speed for trains not stopping in Wittenberge now is up to 200 km/h on the realigned through tracks. Bild 1: Empfangsgebäude Wittenberge (Quelle: DB AG/Reiche)

112 Edition ETR Die Ausbaustrecke Hamburg–Berlin wurde als erste deutsche Eisenbahnstrecke nach der Richtlinie über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeits-Bahn- systems zugelassen. Seit dem 12. Dezember 2004 benötigen die 230 km/h schnellen ICE-T-Züge nur noch 90 Minuten Fahrzeit zwischen Hamburg Hauptbahnhof und Berlin Zoologischer Bahnhof. In 18 Fachbeiträgen von anerkannten Fachleuten informiert das Buch über alle Schritte und Maßnahmen auf dem Weg zur schnellsten Ausbaustrecke Deutschlands: Dynamische Beanspruchung des Untergrundes und der Eisenbahnbrücken, Hochrüstung der Weichen und der Oberleitung, Ausrüstung der Strecke mit Linienzugbeeinflussung, Maßnahmen zum Schutz der Reisenden auf den Bahnsteigen der Schnellfahrstrecke und den vollständigen Umbau des Eisenbahnknotens Wittenberge. Das Werk erscheint in der Premium-Fachbuchreihe „Edition ETR“ der Zeitschrift ETR – Eisen- bahntechnische Rundschau.