Medienbericht
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PETER KRAUSKOPF Medienbericht Winnetou hat ein neues Gesicht. Am 23. Juni 2007 hatte Erol Sander seine Premiere in der Rolle des edlen Apachen auf der Bad Segeberger Freilicht- bühne am Kalkberg. Was diesen Auftritt gegenüber anderen Neubesetzun- gen der Rolle wie etwa mit Marc Schützenhofer in Rathen oder Christoph Gregor Steiner in Winzendorf in der gleichen Saison1 so einzigartig mach- te, war die Tatsache, dass hier ein Star in die Fußstapfen von Stars trat. Doch anders als 1992, als Gojko Mitic (damals 52) das rote Stirnband des Bühnen-Winnetous von Pierre Brice (damals 63) übernahm und die väter- liche Darstellung des indianischen ›boy hero‹ fortsetzte, kam es diesmal zu einem wirklichen Relaunch der Figur: zum Generationenwechsel. Nach einem Franzosen und einem Serben ist es im Deutschland des 21. Jahrhunderts ein Türke, der die Sehnsucht des Publikums nach edler Exo- tik erfüllt. Mit seinen 38 Jahren nicht mehr wirklich jung, sondern eher in den besten Jahren, verfügt Erol Sander jedoch über genügend elastische Präsenz, um einen jungen Winnetou zu verkörpern. Wenn er einen großen Teil seiner Rolle mit nacktem Oberkörper spielt (das letzte und einzige Mal traute sich das Thomas Schüler zwischen 1976 und 1980), wird der Kontrast zur Behäbigkeit seiner in die Jahre gekommenen Vorgänger mit Korsett unterm Jagdrock mehr als deutlich. Es ist nicht die Knorrigkeit ei- nes Gojko Mitic, die von Erol Sander aufgenommen wird. Es ist die Ele- ganz des jungen Pierre Brice, als deren Erbe er sich ausweist. Für die beiden alten Herren war es jeweils ein Comeback, als sie die Winnetou-Rolle auf der Freilichtbühne übernahmen. Besonders Pierre Bri- ce half der Erfolg, auch außerhalb der ewigen Jagdgründe des Indianer- films als TV-Schauspieler zu reüssieren. Doch während Brice mit besser- wisserischen Auguren zu kämpfen hatte, die sein kindisches Indianerspiel im Manegensand meist als peinliche Clownsnummer belächelten, ist für Erol Sander der Ritt über die Freilichtbühne ein stolzer, zukunftsweisender Erfolg im Portfolio seiner Rollen. Seine Schauspieler-Karriere in Deutschland begann Sander 1999 als ers- ter türkischer Krimiserien-Star im deutschen Fernsehen. Doch sein Kom- missar Sinan Toprak war kein abgehärteter Vertreter einer 281 mit Argwohn beäugten Minderheit, sondern ein braver Familienvater mit dem Auftreten eines eleganten Weltmanns à la James Bond. Ideologiekriti- ker mögen in dieser Assimilation des Gastarbeiters durch das globalisierte Showbusiness eine selbstverräterische Anpassung sehen, dem ehemaligen Fotomodell ebnete sie den Weg ins Rollenfach des exotischen Herzensbre- chers in den aufwendig verfilmten ›Lore‹-Romanen, mit denen besonders die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten die Reinheit des Herzens ihres Publikums bedienen. Wie selbstverständlich gehört auch Winnetou in die- ses Rollenfach der Traumfabrik. Ob es einem gefällt oder nicht, Karl Mays populärste Figur hat sich damit als kraftvolle, zur permanenten Wiederer- findung geeignete Konstante der populären Kultur in Deutschland erwie- sen. Es nimmt nicht wunder, dass im Zuge von Erol Sanders Winnetou- Auftritt auch ein neuer Winnetou-Film ins Gespräch gebracht wurde, von dem man bis Redaktionsschluss für diesen Medienbericht allerdings nichts Neues mehr hören konnte. Überhaupt erwies sich der Berichtszeitraum 2007 als brodelnde Ankündigungsküche für Karl-May-Filmprojekte. Der Karl-May-Verlag annoncierte seit Frühling des Jahres das Buch zum Zei- chentrickfilm ›Winnetoons – Der Schatz im Silbersee‹, der bis Redaktions- schluss noch nicht in die Kinos gekommen war. Der Filmproduzent Basti- an Clevé wurde nicht müde, überschwänglich eine Verfilmung der Ori- entserie unter dem Arbeitstitel ›Im Schatten des Schut‹ mit Starbesetzung anzukündigen. Am realistischsten schien noch das Projekt des jungen Re- gisseurs Hendrik Handloegten über Karl Mays große Orientreise 1899/1900. Ob bei diesen Plänen das große Karl-May-Jubiläumsjahr 2012 seine Schatten vorauswirft, sei einmal dahingestellt. Der Karl-May-Freund würde sich jedenfalls freuen, wenn daraus etwas würde – ganz gleichgül- tig, was. Gegen die Unwägbarkeiten, die das Auftreiben von Produktionsgeldern für professionelle Filmproduktionen mit sich bringt, ist der Enthusiasmus der Karl-May-Fans in ihrem Drang, Karl-May-Filme zu schaffen, so zuver- lässig wie ein Schweizer Uhrwerk. 20.000 Euro und viel Herzblut brachte der Unternehmensberater Mike Dietrich auf, um mit ›Winnetou und das Geheimnis der Geisterschlucht‹2 ein zweites Fanfilmprojekt zu realisieren. Im Jahr zuvor war dem Spaßspektakel ›Winnetou und der Schatz der Ma- rikopas‹ vorausgegangen, in dem bereits hoch motivierte Enthusiasten an Originalschauplätzen unter dem blauen Himmel Kroatiens auf herzerfri- schende Art Szenen nachempfanden, wie man sie aus den Winnetou- Filmen 282 kennt. Die Unzulänglichkeiten des Laienspiels wurde dabei mit einer sym- pathischen Portion Selbstironie konterkariert. Dem neuen Fanfilmprojekt sieht man hingegen den Ehrgeiz an, das putzmuntere Erstlingswerk in allen Bereichen zu übertreffen. Vieles macht den Sprung zur Halbprofessionali- tät deutlich, was die Spontaneität manchmal leiden lässt. Zum einen gibt es diesmal Pferde im Film, während im Vorgänger Old Shatterhand und Win- netou zu Fuß unterwegs waren. Dann stellte sich der joviale TV- und Frei- lichtbühnendarsteller Horst Janson bereitwillig zur Verfügung, in einer Rahmenhandlung den Erzähler zu geben, und nicht zuletzt nutzte der auf Karl-May-Hits abonnierte Schlagersänger D. Maverick die Gelegenheit, mit seiner ›Shatterband‹ seinen Song als Hit zum Film zu präsentieren. Um dem Ganzen ein Echtheits-Siegel zu geben, gestattete Martin Böttcher er- neut, seine Original-Filmmusiken zu verwenden. Und ein veritabler Wer- befilm für die Western-City Dasing bei Augsburg, wo die süddeutschen Karl-May-Festspiele stattfinden, ist bei der ganzen Sache auch noch her- ausgekommen. Ästhetisch gesehen irritiert die Unbedarftheit, mit der die Protagonisten zur Sache gehen, und ohne die so ein Projekt vermutlich nie realisiert wer- den könnte. Kein Bild, keine Szene wird kritisch hinterfragt, das parodisti- sche Element der laienhaften Imitation wird nie so überzogen, dass eine tiefer gehende Erkenntnis hindurchschimmert. Die Faszination von ›Win- netou und das Geheimnis der Geisterschlucht‹ macht eine im besten Sinn des Wortes naive und affirmative Umgehensweise mit dem Medium Film aus, die anscheinend aus einer tief sitzenden Nostalgie nach einfachsten Film-Bildern und Kino-Konventionen gespeist wird. Der Winnetou-Figur, wie er sie im Kino und auf der Freilichtbühne ge- spielt hatte, mehr Tiefgang zu geben, war der ausdrückliche Ehrgeiz von Pierre Brice, als er im Jahr 1978 begann, die TV-Serie ›Mein Freund Win- netou/Winnetou le Mescaléro‹3 als deutsch-französische Co-Produktion zu realisieren. Authentischer wollte Brice seinen Winnetou machen, weg- kommen von der May’schen Märchenfigur und ihn als Medium seiner ei- genen, durchaus May-nahen Philosophie von Frieden und Völkerverstän- digung nutzen. Ein wichtiger Partner war ihm dabei der Drehbuchautor Jean-Claude Deret, der mit einer Indianerin verheiratet war. Seit dem Debüt von Brice als Winnetou 1962 in ›Der Schatz im Silber- see‹ hatte sich die Darstellung der Indianer im Film grundsätzlich verän- dert. In den 1950er Jahren ging der amerikanische Western mit der Be- handlung der Indianer durch die Weißen durchaus kritisch um, 283 doch die positiv dargestellten Protagonisten waren – wie Mays Winnetou – nach wie vor vom Bild des edlen Wilden bestimmt. So konnten sich Brice und sein Regisseur Harald Reinl bei der Gestaltung der Rolle fast nur an den Darstellungen von Jeff Chandler als Cochise (›Der gebrochene Pfeil‹, im Original: ›Broken Arrow‹, 1950, Regie: Delmer Daves) oder Rock Hudson als ›Taza, der Sohn des Cochise‹ orientieren (im Original: ›Taza, Son of Cochise‹, 1954, Regie: Douglas Sirk – wobei man voraussetzen darf, dass der in Hamburg gebürtige Sohn dänischer Eltern, der als Detlef Sierck seine melodramatische Ader als Regisseur von Zarah Leander in den 1930er Jahren bei der UFA entwickelte, seinen Winnetou intus hatte). Erst ab Ende der 1960er Jahre wandelte sich das Indianerbild im Kino. Im Zuge der amerikanischen Rassenaufstände Ende der 1960er Jahre wurde auch die Indianerfrage neu gestellt. Bücher wie Dee Browns ›Bury My He- art at Wounded Knee‹ rückten das Unrecht der Weißen gegenüber den In- dianern ins Blickfeld, 1973 kam es am ›Wounded Knee‹ sogar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung. So benutzten zeitkritische Filmemacher häufig die zur Vernichtung führende Indianerpolitik der USA als Metapher für den Vietnamkrieg. Filme wie ›Little Big Man‹ (1970, Regie: Arthur Penn), ›Das Wiegenlied vom Totschlag‹ (im Original: ›Soldier Blue‹, 1970, Regie: Ralph Nelson) oder der umstrittene ›Ein Mann, den sie Pferd nannten‹ (im Original: ›A Man Called Horse‹, 1970, Regie: Elliot Silverstein) stellten die Indianer ganz anders in den Mittelpunkt als vorher. Überzeugend stellte Charles Bronson diese Wandlung des Indianerbildes zur Härte in ›Chatos Land‹ (im Original: ›Chato’s Land‹, 1971, Regie: Michael Winner) dar. Erst in den 1990er Jahren, mit dem Erfolg von Kevin Costners ›Der mit dem Wolf tanzt‹, kam es zur Versöhnung zwischen Kritik und Romantik. Indianer setzten durch, dass indianische Rollen in Hollywood nur noch mit India- nern besetzt wurden. Indianische Darsteller wie Graham Greene und Wes Studi machten Karriere. Sogar der Indianeraktivist Russell Means, 1973 beim Kampf am ›Wounded Knee‹ einer der Aufständischen,