UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT Die letzte Reserve Noch nie stand Siemens so schlecht da wie heute. Nun drängt der neue Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger (l.) Konzernchef Heinrich von Pierer zum Handeln. Kommt endlich die lange versprochene Wende?

102 managermagazin NOVEMBER 1998 eden Morgen um Viertel vor acht steigt Heinrich von Pierer J(57) vor der bonbonrosa ver- putzten Siemens-Zentrale am Wittels- bacher Platz aus seinem Wagen. Und weil er ein leutseliger Mensch ist, geht er oft durch den Mitarbeitereingang, wünscht den beiden Pförtnern fröhlich „einen guten Morgen“, hält ein kleines Schwätzchen. Mittlerweile aber hat der kur- ze Weg durch die Portiersloge für den Siemens-Vorstandsvorsitzenden nichts Vergnügliches mehr: An der Wand hängt ein Display, das mit roten Leuchtbuchstaben den Kurs der Sie- mens-Aktie anzeigt. Weniger als 100 Mark waren es Mitte September, ei- nige Tage später stürzte das Papier so- gar unter den kritischen Wert von 90.

Siemens München 400

350

300 Dax 250

200

150 Siemens 100

1992 93 94 95 96 97 98 Umsatz* 115 Mrd. Mark Veränderung zum Vorjahr 7,5 Prozent Gewinn vor Steuern* 850 Mio. Mark Vorjahr 3535 Mio. Mark Kurs-Gewinn-Verhältnis 14,1

Marktkapitalisierung** 49,5 Mrd. Mark

Kurs relativ zum --30,4 Prozent DAX

*Geschätzt. **12.10.1998. Quelle: Datastream

Mit der weltweiten Börsenkrise kann von Pierer sich und die Seinen nicht trösten. Seit Jahren entwickelt sich der Siemens-Kurs schlechter als der Dax, und die Lücke wird immer größer. Der Abstand zum Durchschnitt der 30 größten deutschen Aktien- gesellschaften beträgt derzeit rund 30 Prozent; die Siemens-Aktie gehört zu den Papieren mit der schlechtesten FOTOS:

ANDREAS POHLMANN Performance im Dax.

NOVEMBER 1998 managermagazin 103 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS

Der miserable Börsenkurs spricht Die Konzernführung jedenfalls Siemens ist für die Zukunft ein vernichtendes Urteil über von Pie- ist alarmiert. All diese Firmen „wur- schlecht gerüstet – im Großen wie im rer und dessen Managementqualitäten. den aufgekauft oder stückweise zer- Kleinen. Eine eindeutige strategische Seit sechs Jahren ist der freundliche legt“, schrieb der Siemens-Zentralvor- Ausrichtung ist nicht zu erkennen. Der Franke im Amt – seither häufen sich stand im Spätsommer sorgenvoll in Multi war immer – und ist es bis heute die Sanierungsfälle: Anlagenbau, Me- einem internen Papier an seine 3500 – ein Gemischtwarenladen, der fast al- dizintechnik, bereits zweimal die Führungskräfte. les anbietet, was irgendwie mit Elek- KWU, permanent die Datenverarbei- Das Unternehmen zehrt von der trotechnik und Elektronik zu tun hat. tung und die Verkehrstechnik. Und Substanz. „Wir geben mehr Geld aus Die Konzentration auf Kernge- schon wieder die Halbleitersparte. als wir einnehmen; seit 1995 können schäftsfelder steht aus. Kein Wunder: Dem Konzern fehlte es bislang an den elementaren Steuerungsinstru- menten für ein effizientes Portfolio- management. Waldspaziergang und Harmonieterror

In einer so schlechten Verfassung wie heute war das Traditionsunternehmen seit Jahrzehnten nicht. Für das am 30. September zu Ende gegangene Ge- schäftsjahr hatte von Pierer einen Überschuß von drei Milliarden Mark angepeilt. Der ist nach Einschätzung der Bankgesellschaft nach au- ßerordentlichen Strukturierungsmaß- nahmen auf 850 Millionen Mark abge- sackt – bei einem Umsatz von 115 Mil- liarden Mark entspricht das einer Um- satzrendite nach Steuern von weniger Zuwenig Schlagkraft: Ex-Finanz- Mangelnde Konsequenz: als 1 Prozent. chef und AR-Vorsitzender Baumann Ex-Aufsichtsratschef Franz Besonders profitabel war Siemens nie. Anfang der 90er Jahre waren von Pierer, Ex-Finanzchef Karl-Hermann Das jahrelange Mismanagement wir notwendige Investitionen nicht Baumann (63) und der damalige Auf- bringt das gesamte Unternehmen mit mehr aus dem Mittelzufluß tätigen“, sichtsratsvorsitzende Hermann Franz seinen über 400 000 Mitarbeitern in heißt es in dem Vorstandspapier. Zur (70) mit dem Versprechen angetreten, Gefahr: Bei einer Börsenkapitalisie- Zeit sei nur ein Drittel des Unterneh- es besser zu machen. Doch unter ihrer rung von weniger als 50 Milliarden mens völlig gesund, sagt von Pierer, Ägide wurde alles nur noch schlimmer. Mark sei Siemens gegen eine feind- ein zweites Drittel befinde sich auf Nun hat sich die Konstellation der liche Übernahme nicht mehr gefeit, „gutem Wege“, der Rest habe akute Führungsspitze verändert. Franz zog heißt es im Zentralvorstand. Probleme. sich im Februar dieses Jahres vom Siemens erlebt in der Pierer-Ära Es hapert im Strategischen wie Aufsichtsratsvorsitz zurück. Baumann eine erst schleichende und jetzt immer im Operativen. Die Vorräte sind zu trat seine Nachfolge an und übergab schneller voranschreitende Wertever- hoch, sie haben sich in den vergange- das Finanzressort an Heinz-Joachim nichtung. Die Eigenkapitalrendite von nen vier Jahren verdoppelt. Die Zah- Neubürger, den ehemaligen Invest- weniger als 10 Prozent liegt erheb- lungsziele sind zu lang, allein in mentbanker und Hoffnungsträger im lich unter dem Durchschnitt der mei- Deutschland war 1997 ein Drittel aller Hause Siemens. sten Wettbewerber (siehe Graphik Rechnungen überfällig. Die Nutzung Mit dem neuen Finanzchef gehört Seite 108). der ausgedehnten Siemens-Immobi- jetzt endlich einer zur Führungstroika, Konzerne wie DEC, Westing- lien ist nur geringfügig rentabel. „In der handeln will. Schafft er die Wen- house und Olivetti mußten für die Er- der Summe“, so klagt der neue Finanz- de? Wird sich der Konzern tatsächlich tragsschwäche mit dem Verlust ihrer chef Heinz-Joachim Neubürger (45), ändern? Selbständigkeit bezahlen. Bald auch „hat das Unternehmen zuviel Kapital Wenn Neubürger überhaupt eine

F. HELLER/ARGUM (2) Siemens? gebunden.“ Chance haben soll, dann müssen von

104 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS

Pierer und sein Chefkontrolleur Bau- mann radikal umdenken. Bavarian Blues Beide kennzeichnet, daß sie mehr Zwei Drittel aller Siemens-Bereiche sind ertragsschwach reden als handeln. Von Pierer ist häufig unterwegs. Er mischt sich mit Vorliebe Gute Ergebnisse unter das Siemens-Volk: Fast jede Fa- Automatisierungs- und An- hat die traditionell ertragsstarke Licht- brik in seinem Riesenreich hat er schon triebstechnik: Der Bereich hat im technik ihre Weltmarktposition ausge- einmal besucht (siehe Kasten Seite Geschäftsjahr 1997/98 mit innovativen baut. 116). Weit mehr als andere Firmen- Produkten und effizienten Prozeßab- Passive Bauelemente und chefs tritt er als Festredner bei inter- läufen den Löwenanteil des Ergebnis- Röhren: Hochwertige Produkte ha- nationalen Veranstaltungen und Re- ses von 1,2 Milliarden Mark in der In- ben aus dieser Kleinteilesparte eine dustriesparte erwirtschaftet. Konzernperle gemacht, die bei rund gionaltagungen auf. Wenn einer so Öffentliche Kommunikations- 2,5 Milliarden Mark Umsatz über 200 viel Zeit der Repräsentation widmet, netze: Die klassische Nachrichten- Millionen Mark Gewinn vor Steuern bleibt vielleicht zuwenig Zeit für technik ist die Cash-Cow des Bereichs, erzielt. das Nachden- bei Internet-Technologie besteht star- Automobiltech- ken über den ker Nachholbedarf. Rote Zahlen bei nik: Der vor zehn Jah- Münchner Allerlei Übertragungstechnik und Call-Cen- ren gegründete Kfz- großen Wurf. Siemens hat 16 Unternehmens- Ex-Finanzchef tern. Zulieferer hat plan- bereiche, die zu 7 Arbeitsgebieten : Mit der erfolgreichen Über- mäßig sein Ergebnis zusammengefaßt sind* Karl-Hermann nahme des US-Konkurrenten Sylvania verbessert. Baumann war mehr an Bord, Schwache Ergebnisse erwies sich Information Medizinische Technik: Nach Übernahme der Elec- und Kommunikation aber weder als Verlusten von 170 Millionen Mark vor trocom von Daimler- 50 strategischer Steuern, die vor allem auf Probleme Benz, gehört zu den Vordenker noch im US-Markt zurückzuführen waren, weltweit führenden Medizin- Licht technik 8 Umsatz in 7 als durchset- trägt dieser Bereich 1997/98 wieder Anbietern von Brief- Milliarden 9 11 Bau- zungsfähiger mit über 100 Millionen Mark zum Er- sortiermaschinen. Die Verkehr Mark** elemente gebnis bei. Ergebnisse sind noch Manager. Viel- Anlagenbau und Technische unbefriedigend. 30 17 mehr beließ er Dienstleistungen: Nach zwei Elektromechani- Industrie Energie es bei gebets- Jahren Durststrecke, verursacht durch sche Komponen- mühlenartig zu hohe Kosten bei Einfachmonta- ten: Ein chronisch er- gen und Problemen bei der Gebäude- tragsschwacher Be- wiederholten technik, weist der Bereich wieder reich, der voraussicht- *Zum 1. 10. 1997 wurde der Unternehmensbereich Ermahnungen.l Gewinne aus. Große Hoffnungen wer- lich auf der Siemens- Siemens Financial Services gegründet. Kontrollmecha- den in die Übernahme der schweizeri- Verkaufsliste stehen **1997/98 geschätzt, nicht konsolidiert. nismen, mit de- schen Elektrowatt (Gebäudetechnik) wird. nen die Effi- gesetzt. Siemens Nixdorf Informa- Energieübertragung und tionssysteme: Milliardenver- zienz der 16 Siemens-Unternehmens- -verteilung: Nach dem Verkauf des luste und zuletzt nur marginale bereiche hätte überprüft werden kön- defizitären Starkstromkabelgeschäfts Gewinne haben zum 1. Oktober zur nen, dachte er zwar an, setzte sie aber an Pirelli erzielt die Sparte wieder Rückgliederung in den Siemens-Kon- nicht durch. Sechs Jahre lang bastelte leichte Gewinne. zern geführt. Eine Portfoliobereini- Baumann an Methoden, den Share- Produktions- und Logistik- gung ist notwendig, im PC-Geschäft systeme: Der im vergangenen Jahr wird ein internationaler Partner ge- holder-Value-Gedanken im Konzern gegründete Bereich, entstanden durch sucht. zu verankern. Erst sein Nachfolger Neubürger packt jetzt an. Verluste Bis vor kurzem hat von Pierer beim Stichwort Shareholder Value die Halbleiter: Nach einem Milliarden- zungen und Preiskalkulationen bei Han- Mundwinkel nach unten gezogen. Die verlust im vergangenen Geschäftsjahr dys brachten im vergangenen Ge- muß die Produktion von Speicherchips schäftsjahr ein Null-Ergebnis. Siemens Aktionäre hat er ein ums andere Mal zugunsten von Logic-Chips drastisch sucht dringend einen Entwicklungspart- mit einem „Nächstes Jahr geht’s berg- eingeschränkt werden. ner für Mobilfunkstationen und Handys. auf“ eingelullt. Skeptische Analysten Verkehrstechnik: Mismanage- Energieerzeugung KWU: Tech- hat er als Besserwisser abgetan. ment bei der Bahntechnik ließ die Ver- nische Probleme bei einer neuen Gene- Auch Hermann Franz nahm den luste 1997/98 um über 300 auf 500 ration von Gasturbinen und ineffizi- Millionen Mark ansteigen. ente Produktionsabläufe haben dazu Aktionär nicht ernst genug. Vorder- Private Kommunikations- geführt, daß dieser Bereich im vergan- gründig drängte er immer wieder auf systeme: Verfehlte Markteinschät- genen Jahr keine Gewinne machte. Leistungssteigerung. Bereichsfürsten, die besonders schlechte Zahlen vor-

106 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS wiesen, mußten sich während langer technik: Bereichsvorstand Wolfram Und das alte Dreigestirn hat den Waldspaziergänge im Einzelgespräch Martinsen (57) brach zweimal sein mit 45 Jahren für Siemens-Verhält- rechtfertigen und Besserung geloben. Versprechen, die Sparte zu sanieren. nisse ungewöhnlich jungen Finanz- Wenn die dann doch nicht eintrat, ge- Die Verluste zogen sich über zwei profi Heinz-Joachim Neubürger beru- schah – von ganz wenigen Ausnahmen Jahre hin und erreichten im Geschäfts- fen – die wohl nutzbringendste Ent- abgesehen – nichts. jahr 1997/98 mit rund einer hal- scheidung für das Unternehmen, die es Ein bequemes Leben für die Sie- ben Milliarde Mark eine Rekordhöhe. je getroffen hat. mens-Führungskräfte. Sanktionen für Erst als sich dieses Desaster abzeich- Von Pierer hatte Neubürger Mitte Mismanagement gab es kaum. Und so nete, legte Franz seinem Schützling der 80er Jahre in der Türkei kennen- wie die Bereichsvorstände ihre Pro- Martinsen nahe, das Unternehmen im gelernt. Der junge Investmentbanker September zu ver- arbeitete damals als Abteilungsleiter lassen. bei J. P. Morgan die Finanzierung für Abgeschlagen Beispiel KWU: Bei der Eigenkapitalrendite rangiert Siemens weit hinter Vorstand Adolf den Hauptwettbewerbern* (Angaben in Prozent) Hüttl (59) ist bei Steiler Sturz Intel 35,6 der Fertigung wich- Erneut enttäuscht Siemens die Rendite-Erwartungen 115 ,0 0 Microsoft 35,1 tiger Einzelkompo- 106,93 nenten für Kraft- 94,18 IBM 24,6 88,76 84,60 werke das Kosten- 81,65 Compaq 24,4 management außer Umsatz in Milliarden Mark Kontrolle geraten; General 22,6 Electric** die KWU verliert ABB 21,0 2,6 auf wichtigen Wert- 2,4 2,3 2,4 1,9 Hewlett 20,5 schöpfungsstufenll Packard Geld. Und weil die Umsatzrendite in Prozent* Nokia 20,2 technischen Pan- 0,7 Ericsson 19,5 nen, vor allem bei 1992/93**93/94** 94/95 95/96 96/97 97/98*** den neuen Gastur- Nortel 13,8 *Bereinigt um außerordentliche Erträge. binen, mit rund **Mit dem Vorjahr nicht vergleichbar. ***Geschätzt. Beginn des Geschäftsjahres: 1. Oktober Motorola 10,1 einer halben Mil-

SIEMENS 9,7 liarde Mark zu Bu- che schlagen, fährt ein Kraftwerk von Siemens aus. Sei- *Geschäftsjahr 1997. **Ohne GECS. der Bereich mit ei- ne Lösung war so pfiffig, daß von Pie- nem Umsatz von rer Jahre später auf der Suche nach ei- bleme ungestraft beschönigen, aus- zehn Milliarden Mark in diesem Jahr nem Finanzspezialisten auf Neubürger sitzen und verschleppen durften, so wahrscheinlich Verluste ein. verwies. selbstgerecht agierte auch das Trio Dennoch steht von Pierer zu 1989 kam Neubürger zu Siemens Franz, von Pierer und Baumann. Hüttl. Wie auch anders? Schließlich – als einer der ganz wenigen Querein- Wichtig war es, die große Sie- gehört Hüttl, ebenso wie Franz und steiger. Er baute die Abteilung für Inve- mens-Familie zusammenzuhalten. Bloß von Pierer, zum Erlanger Männerbund stor Relations auf und wurde dann Lei- keine harten Schnitte, die den hinge- – dem Old Boys’ Network der KWU. ter der indischen Landesgesellschaft. bungsvoll gepflegten Familiensinn Im Februar dieses Jahres trat hätten beschädigen können. Bloß kei- Ein Quereinsteiger Neubürger sein Amt als Finanzvor- ne lauten Auseinandersetzungen im muß aufräumen stand in München an – und geriet mit- Zentralvorstand, die vielleicht nach ten hinein in das Katastrophenjahr: Die draußen gedrungen wären. „Kritisiert Gewiß: Von Pierer hat – gemeinsam Preise für Speicherchips sind seither wird bei Siemens nur hintenherum“, mit Baumann und mit Rückendeckung noch tiefer gestürzt, bei Gasturbinen bekennt ein vor Monaten ausgeschie- von Franz – das Top-Programm ange- und Dieselloks tauchten ständig tech- dener Siemens-Vorstand. stoßen. Es trug dazu bei, daß die Pro- nische Probleme auf. Und ein Siemens-Direktor sagt duktivität innerhalb von fünf Jahren Zugleich sorgt die Finanzkrise es frei heraus: „Bei uns herrschte der von 3 Prozent um 7 Punkte auf 10 Pro- in Asien dafür, daß Zahlungen aus- Harmonieterror.“ zent gestiegen ist. Das Führungstrio bleiben. Insbesondere die KWU und Die Folgen sind fatal: Weil Mis- hat auch Unternehmensteile mit einem der Bereich Öffentliche Kommunika- manager zu lange im Amt blieben, Jahresumsatz von zehn Milliarden tionstechnik werden erhebliche Ab- konnten Brandherde nicht rechtzeitig Mark verkauft und für die gleiche schreibungen auf Außenstände von gelöscht werden. Beispiel Verkehrs- Summe neue Bereiche akquiriert. Fernost-Kunden vornehmen müs

108 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS

steigende Kosten automatisch über Preisanpassungsklauseln an die Kun- Gewinnen mit WIN den abgewälzt werden. Anders Neubürger. Er kennt das Wie Siemens den Shareholder Value steigert kurzlebige Geschäft der Finanz- märkte; und er weiß um die neue as aus den USA stammende seite liegen die Ansatzpunkte etwa Macht der institutionellen Investoren. DKonzept des Economic Value bei den Margen, der Produktivitäts- Noch hält die Familie Siemens, größter Added (EVA) sorgt seit einiger Zeit verbesserung, der Kapazitätsausla- Einzelaktionär des Konzerns, Stimm- auch in Europa für Aufsehen. Welt- stung oder der Produktinnovation. rechtsanteile von knapp über 14 Pro- weit setzen immer mehr Unterneh- Wie hoch aber sind die Gesamt- zent des Kapitals. Aber mit der staat- men EVA als Maßstab für die finan- kapitalkosten des eingesetzten Ver- lich verordneten Abschaffung des zielle Performance ein. In Deutsch- mögens? Für die Siemens AG wur- Mehrfachstimmrechts wird sie erheb- land gehört Siemens zu den Pionieren. den sie mit 8,5 Prozent nach Steuern lich an Einfluß verlieren. Da der Name EVA konzernin- angesetzt. Dieser Wert ist das Ergeb- Das Sagen bei Siemens haben tern belegt war, nennen die Münch- nis einer komplexen Rechnung. jetzt die großen Fonds – und die ner ihr Geschäftswertkonzept WIN: Für die einzelnen Geschäfts- fackeln nicht lange. Auch Neubürger Wertsteigerungsinitiative. bereiche können die Kapitalkosten- nicht. Das ständig wiederkehrende Zum Stichtag 1. Oktober hat ziele von den 8,5 Prozent abweichen. „geht nicht“, droht Neubürger, „gibt es Siemens mit WIN eine neue, wert- Der Lampenproduzent Osram ist nicht mehr“. orientierte Steuerungsgröße einge- beispielsweise weniger risikobehaf- Gerade mal acht Monate ist führt, den Geschäftswertbeitrag tet als die zyklische Halbleitersparte Neubürger im Amt. Und plötzlich (GWB). Er errechnet sich aus der (HL). Die Osram-Gesamtkapital- stehen auf der Siemens-Agenda Maß- Differenz zwischen dem Geschäfts- kostensätze sind daher nur einstellig, nahmen, die keiner aus der alten Garde ergebnis (nach Steuern, vor Finan- die der Halbleitersparte zweistellig. anzupacken wagte: Ein neues Ma- zierungskosten) und den Kapitalko- Die jeweilige Höhe setzt das Sie- nagement des Anlage- und Umlauf- sten für das eingesetzte Geschäfts- mens-Finanzressort fest. vermögens ist geplant, die Bereichs- vermögen. Damit wird GWB zum Die Gefahr, daß Führungs- vorstände und ihre Geschäftsfeldleiter Kern eines wertorientierten Füh- kräfte versuchen, ihren GWB kurz- sollen anhand eines fein ausgeklügel- rungssystems. Alle Projekte und fristig aufzubauschen, soll ein drei- ten Kontrollinstrumentariums zu bes- Investitionen müssen sich daran jähriges Bonusprogramm verhin- serer Performance gezwungen wer- messen lassen, ob sie den Geschäfts- dern. Es honoriert den langfristigen den, und der Konzern wird fit gemacht wert steigern (positiver GWB) oder Geschäftswertbeitrag stärker als den für das Listing in den USA. Werte vernichten (negativer GWB). kurzfristigen. Für jedes Geschäftsgebiet und jeden Auch strategisch wichtige Inve- Bereichsfürsten unter Bereich werden vom Markt abgelei- stitionen oder Akquisitionen müssen schärferer Kontrolle tete GWB-Ziele formuliert. sich nicht gleich im ersten Jahr rech- Die Führungskräfte können nen. Aber künftige Geschäftswert- Mal sehen, ob sich der ungestüme Fi- selbst entscheiden, wie sie vorgehen, beiträge müssen die Anlaufkosten nanzmann wirklich durchsetzen kann. um den Wert ihres Verantwortungs- überkompensieren. Die drei Milliar- Wenn er erfolgreich sein will, braucht bereichs zu erhöhen. Sie können den Mark teure Elektrowatt AG ver- er nicht nur neue Instrumente – er muß beispielsweise nicht betriebsnot- dient beispielsweise erst ab 2001 das gesamte Management auf Kurs wendiges Vermögen veräußern, die ihre Kapitalkosten – die Siemens- bringen. Vorräte verkleinern, die Prozesse Finanzabteilung hat Elektrowatt je- Das wird schwer, denn es bedeu- vereinfachen oder Außenstände doch als guten langfristigen Wert- tet: Neubürger muß seine Vorstands- schneller eintreiben. Auf der Ertrags- steigerer ausgewiesen. kollegen disziplinieren. Daß das Effi- zienzsteigerungsprogramm Top nicht mehr zustande brachte als die bran- sen. Die Deregulierung der Telekom- Stromversorger ihre Ansprüche an chenübliche Produktivitätserhöhung, munikations-, Verkehrs- und Energie- Produktqualität, Service und Schnel- lag schließlich nicht zuletzt an der Ei- märkte sowie die Globalisierung ver- ligkeit immer höher. genwilligkeit und Willkür der einzel- schärfen die ohnehin heikle Lage des Das Umfeld, in dem Siemens nen Bereichsfürsten. ehemaligen Hoflieferanten. Die Mar- agiert, hat sich in den 90er Jahren Die konnten von Pierers Bitte, bei gen verfallen, und zugleich schrauben völlig verändert. Doch von Pierer hat Top mitzumachen, einfach ausschla- Ex-Monopolisten wie die Deutsche das zu spät realisiert. Als ehemali- gen. „Laßt mich doch in Ruhe mit Bahn, die Deutsche Telekom und die ger KWU-Chef hatte er gelernt, daß eurem Top“, durfte der für Passive

110 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS

Bauelemente und Röhren zuständige Bei den jährlichen Budgetge- Tatsächlich aber verbirgt sich hinter Vorstand Klaus Ziegler (63) maulen, sprächen mit dem Zentralvorstand leg- dem Slogan ein ganz neues Konzept. ohne abgestraft zu werden. ten die Bereichschefs traditionell Zah- Das komplizierte Steuerungswerk läßt Ziegler hat seinen Beritt mittler- len über Auftragseingang, Umsatz und sich auf eine schlichte Formel redu- weile prächtig herausgeputzt, mit Ergebnis vor. Ab 1995 experimentierte zieren: Jeder Bereich soll zumindest oder ohne Top. Andere indes, die der Zentralvorstand mit einer neuen die Kosten des eingesetzten Eigen- Top gar nicht, nur halbherzig oder Kennziffer, dem Ertrag auf das inve- und Fremdkapitals verdienen (siehe falsch umsetzten, haben ihre Bereiche stierte Vermögen. Länger als ein Jahr Kasten Seite 110). völlig heruntergewirtschaftet. Wenn wurde meist nicht zurückgeblickt. Es Ob die Vorgaben erreicht wer- sie überhaupt zur Verantwortung ge- gab zuwenig Transparenz, wie sich die den, wird in gemeinsamen Quartalsge-

PC-Fertigung in Augsburg: Nach dem Ausstieg von Massive technische Probleme bei Dieselloks: Die Acer braucht Siemens dringend einen neuen Partner norwegische Staatsbahn will ihr Geld zurückhaben zogen wurden, dann immer viel zu Bereiche über eine längere Zeitspanne sprächen überprüft – eine neue Erfah- spät. hin entwickelt hatten. rung für die Siemens-Vorstände. Vier- Wie zum Beispiel Horst Langer Nicht einmal Einblick in die Ge- teljährlich kommen alle 16 Unterneh- (62). Der promovierte Ingenieur be- winn-und-Verlustrechnung verlangten mensbereichsleiter, einschließlich der treute im Zentralvorstand unter ande- die Zentralvorstände. Und wenn es sieben Zentralvorstände, für einein- rem die Medizin- und Verkehrstech- darum ging, Investitionen in mehr- halb Tage zusammen. Der Bereich mit nik. Beide Bereiche rissen zusammen- stelliger Millionenhöhe abzusegnen, den schlechtesten Zahlen muß im Bei- genommen ein Loch von rund 750 brauchte es nicht viel mehr als eine sein der anderen Kollegen als erster Millionen Mark in die Siemens-Kasse. schlichte Plausibilitätserklärung. Freie den Stand der Dinge vortragen, der Dennoch dauerte es Jahre, bis Langer Bahn für wachstumshungrige Be- Rest folgt in der Reihenfolge der Per- zum 1. Oktober dieses Jahres unfrei- reichsvorstände. formance. willig in den Vorruhestand ging. Wer die Soll-Linie verfehlt – so Was Siemens – unter anderem – Rohrkrepierer oder sieht es Neubürger –, „steht unter Er- fehlt, ist ein Frühwarnsystem mit ein- Big Bang? klärungszwang“. deutigen, meßbaren und überprüfba- Zwei Quartalsgespräche gab es ren Zielvorgaben. „Eigentlich hatten Heute beklagt Neubürger, daß „der bereits – im November steht das wir bislang keine quantitativen, son- Konzern in der Vergangenheit zuviel dritte an. Und Neubürger gelobt: dern nur qualitative Vorgaben“, sagt in Sachanlagen investiert hat, ohne auf „Die Atmosphäre wird von einem OBERHEIDE/ARGUM J. ein Siemens-Direktor. So forderte Top die Rendite zu achten“. Quartalsgespräch zum anderen blei- alles mögliche: Produktivität erhöhen, Um den Schein der Kontinuität haltiger.“ Umsatz steigern, Rendite verbessern – zu wahren, wird Top jetzt unter dem Zu seinem großen Erstaunen hat und am Ende gar nichts. Superlativ Top Plus weitergeführt. Neubürger festgestellt, daß für die mei-

112 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS

Der gute Mensch von Redakteurin Ursula Schwarzer begleitete Siemens-Chef Heinrich von Pierer durch Ostdeutschland .30 Uhr. Abflug von München wähnt er nicht. Aber der Siemens-Chef macht Verluste, hätte längst ge- 7nach Görlitz. Die beigefarbe- freut sich, „daß wir hier 70 Lehrlinge schlossen werden müssen. nen Sitze im fünfsitzigen Learjet ausbilden“. Auf der Fahrt zum Werk erklärt sind abgeschabt. Heinrich von Pierer Heinrich von Pierer hat ein ausge- von Pierer, warum man es nicht ein- gönnt sich zum Frühstück nur einen zeichnetes Namensgedächtnis, kennt fach dichtmachen könne: Die Beleg- Joghurt und ein Hörnchen. Er will Werksleiter und zahlreiche Mitarbeiter schaft würde bis zum endgültigen abnehmen, damit er mit seiner Se- persönlich. „Erinnern Sie sich noch, Aus dann nur noch über Probleme nioren-Tennismannschaft den Auf- Herr Kupka, wie ölverschmiert der reden, die Produktivität würde noch stieg in die Oberliga schafft. Boden früher hier war und wie toll das tiefer sinken. Deshalb baue Siemens 1991 hatte Siemens das Turbi- jetzt aussieht? Wir können gemeinsam die neue Fabrik, um den Mitar- nenwerk in Görlitz übernommen, stolz sein“, ermutigt er den Betriebs- beitern einen neuen Job zu geben. ein Sanierungsfall. Mittlerweile ratsvorsitzenden des Werks und legt Bei Siemens würden die Proble- schreibt das Werk operativ schwarze ihm den Arm um die Schulter. me harmonisch und sozialverträg- Zahlen, doch es hapert an der Ter- 14.30 Uhr. Weiterflug nach Leip- lich gelöst. mintreue, sie liegt nur bei 40 bis zig. Heinrich von Pierer gesteht, daß er Wieder Fabrikbesichtigung. Bei 60 Prozent. Als der Werksleiter von Flugangst habe. Er rasiert sich und ver- seiner Ansprache vor den Werks- Pierer erklärt, das liege an der tieft sich anschließend in die vorberei- angehörigen verbreitet er vor allem Unpünktlichkeit der Zulieferer, ruft teten Akten. Dabei stößt er auf einen Zuversicht. „An der Wirtschaftlich- der in bestem Fränkisch aus: „Na, Zeitungsartikel über den Mitarbei- keit müssen wir noch ein bißchen geh zu.“ terabbau bei der Siemens-Medizin- arbeiten“, sagt er. Keine Rüge, kei- Offene Kritik übt Heinrich von technik in Dresden. ne konkreten Forderungen. „Es wird Pierer nicht. Er weist die Fabrik- Plötzlich wird von Pierer wütend. weitergehen“, verspricht er. Wie, manager behutsam darauf hin, daß es Er fordert seinen mitreisenden Presse- sagt er nicht. noch besser gehen könnte: Sie sollten chef auf, etwas gegen die Lügenkam- Beim Abendessen in Leipzig sich am Abend fragen, ob sie mehr in pagne zu unternehmen, die von der sind alle Vertriebsbeauftragten für der Kasse haben als am Morgen. PDS betrieben wurde. Er spricht sehr die neuen Bundesländer versam- Beim Rundgang durch die Pro- leise, wie immer, wenn es ihm ernst ist. melt, etwa 30 Männer. Sichtlich er- duktionshallen geht von Pierer spon- Ankunft in Leipzig. Vor den To- müdet, dankt von Pierer für die Auf- tan auf die Mitarbeiter zu, nimmt ih- ren der Stadt baut Siemens ein neues bauarbeit, ermutigt zum Durchhal- nen die Berührungsängste. Wieviel Werk. Bis zur Fertigstellung wird die ten. Ein Vertriebsmanager fragt ihn, Megawatt hat die Turbine, was für Produktion in der alten Telephon- ob es stimme, daß die Ergebnislage ein Werkstück ist das? Er schüttelt fabrik, einem abbruchreifen DDR- des Konzerns dramatisch sei. „Ja“, Hände, klopft auf die Schulter, be- Gebäude, aufrechterhalten. Die Fabrik bestätigt der Vorstandschef, „aber wundert, lobt: „Also, viel Erfolg, wir wissen, was wir zu tun haben.“ gell.“ Und er lächelt – unentwegt. Der Konzernlenker ist müde, 10.45 Uhr. Die Auslieferung mag nicht mehr diskutieren und der 100. Turbine wird gefeiert. löffelt seinen Eintopf aus. Gegen Spontan hält von Pierer eine Rede, 22 Uhr bricht er zu Fuß zu seinem sagt, was er an diesem Vormittag Hotel auf, macht trotz seiner Er- bereits ein dutzendmal erzählt hat: schöpfung noch einen Abstecher daß er zum fünften Mal hier sei, daß zum frisch renovierten Leipziger die Stadt Görlitz sich toll entwickelt Bahnhof. Im Hotel „Kempinski“ habe und daß dies ein prima Werk verzichtet er auf einen letzten Drink mit hochmotivierten Mitarbeitern an der Bar – er muß noch seine Rede sei. Daß von 2000 Beschäftigten nur für den kommenden Tag an der Uni- noch 700 übriggeblieben sind, er- versität Greifswald überarbeiten. sten Siemens-Manager „Benchmar- das Kontrollinstrument einzuführen. king“ ein Wort ist, das sie nur aus der „In 18 Monaten werden 80 Prozent des Zeitung kennen. Unternehmens gebenchmarkt sein“, Erfolgskonzerne wie General verspricht Neubürger. Electric messen sich mit dem Bench- Manches Debakel hätte vermie- marking seit Jahren an den Vorgaben den werden können, wenn Ex-Finanz- der Besten einer Branche. Nicht so Sie- chef Baumann, ein promovierter mens. Erst jetzt fängt der Vorstand an, Heinrich von Pierer im Turbinen- Kaufmann, wenigstens die gebräuch- werk Görlitz: Loben, loben 116 managermagazin NOVEMBER 1998 UNTERNEHMEN MISMANAGEMENT SIEMENS lichsten Handwerkszeuge aus dem Vorgänger Peter Pribilla (57), der da- gen, etwa an amerikanischen Internet- Instrumentenkasten der Betriebswirt- mals mit in dem Gremium saß, dem oder Mobilfunkfirmen, hat Siemens schaftslehre angewandt hätte. Doch Botsch das Drama verkündete, rief derzeit nicht genügend Geld. Der Aus- der, so scheint es, wurde viel zu selten entsetzt aus: „Was hat der nur aus mei- weg wäre ein Aktientausch. Der aber geöffnet. nem schönen Bereich gemacht.“ ist nur möglich, wenn die Siemens- Da konnte es dann passieren, daß Dennoch wurde Botsch geschont. Aktie in den USA notiert ist. Dietrich Botsch (60), der den Bereich Schließlich hatte er das erfolgrei- Sollte Siemens den Sprung über Private Kommunikationssysteme lei- che Vermittlungssystem EWSD ent- den Atlantik tatsächlich schaffen, tete, voll danebengriff – und keiner hat wickelt. Zum Dank durfte er noch bis müßte sich der Konzern den strengen es gemerkt. Der Nachrichtentechniker Juni in Amt und Würden bleiben, dann Shareholder-Value-Ansprüchen der wurde er auf den amerikanischen Aktionäre unterwer- Posten eines haus- fen. Diese fordern Transparenz und be- internen Techno- strafen Ankündigungen, denen keine logieberaters ab- Taten folgen, unmittelbar. geschoben. Investmentbanker Neubürger ak- Nun aber ver- zeptiert die Mechanismen der Finanz- spricht selbst von märkte und drängt deshalb seine Kol- Pierer ein Ende legen im Vorstand zum Handeln. Der des Schmusekur- „Big Bang“ stehe kurz bevor, sagt ses. Er werde Neubürger. künftig andere Saiten aufziehen, Wer geht verkündete er im zuerst an die Börse? Sommer einer in- ternationalen Auf der Aufsichtsratssitzung am 2. Journalistenschar. Dezember soll das Kontrollgremium Zugleich verlas beschließen, welche Standorte auf- er einen Zehn- gegeben werden. Und vor allen Dingen Punkte-Katalog welche Geschäftsfelder und Arbeits- zur „nachhaltigen gebiete abgestoßen oder an die Börse Verbesserung der gebracht werden. Ertragskraft“. Der Als potentielle Börsenkandidaten Gasturbinenproduktion: Nachbesserungen und Ver- enthält neben nennen Analysten die Lampen-Toch- tragsstrafen haben das KWU-Ergebnis auf null gedrückt wohlvertrauten ter Osram, ferner das Kraftwerksge- Sprechblasen wie schäft, den Halbleiterbereich, die Au- der „raschen Be- tomobiltechnik und die neu hinzuge- hat den Preis der Siemens-Handys reinigung von Problemfeldern“ auch kaufte Elektrowatt. falsch kalkuliert und sie unter Ko- Revolutionäres – zumindest aus Sie- Auf der Verkaufsliste stehen die sten an die Telekom verkauft. Er mens-Sicht. Unternehmensbereiche Elektromecha- hat zu verantworten, daß Siemens bei So will der Weltkonzern jetzt nische Komponenten und Teile der Ver- der Entwicklung der neuen Dual- nachholen, was andere global agie- kehrstechnik (Lokomotiven, Waggon- Band-Handys weit hinter die Konkur- rende Unternehmen wie Daimler- bau) sowie Übertragungstechnik für renz zurückgefallen ist und vieles Benz, Deutsche Telekom, Veba und öffentliche Telephonnetze. Auch die mehr. Benckiser längst vollzogen haben: erst vor drei Jahren gegründete Sie- Folge: Während die Konkurrenz Siemens will an die New Yorker Bör- mens Business Services (SBS) wird mit Handys glänzende Geschäfte se gehen. sich, so interne Spekulationen, aus der macht, fährt Siemens in dieser Sparte Bis es soweit ist, werden aller- Konzernfamilie verabschieden müssen. Verluste ein – mit den entsprechen- dings noch zwei Jahre verstreichen. Der Count-down läuft. Gebannt den Auswirkungen auf den ge- Denn Voraussetzung für das Listing wartet die Finanzszene darauf, daß samten Unternehmensbereich. Das ist die Umstellung der Konzernbuch- Siemens die Ankündigungen wahr Ergebnis vor Steuern sank von 1996 führung auf den US-Standard GAAP – macht. Am Tag nach der Aufsichtsrats- bis 1998 von 503 Millionen Mark und damit hat Siemens gerade erst sitzung werden die Investoren ihr Ur- auf null. begonnen. teil fällen. Das Kursbarometer über der Zur Jahreswende 1997/98 kam Bittere Konsequenz der späten Pförtnerloge am Wittelsbacher Platz Botsch um das Eingeständnis der Entscheidung: Für strategisch wich- wird es anzeigen. Anne Preissner/ Mißwirtschaft nicht mehr herum. Sein tige Akquisitionen oder Beteiligun- Ursula Schwarzer

NOVEMBER 1998 managermagazin 119