Die Kriegs Verwaltung 1940 bis 1945

In der Geschichtsschreibung über den Zweiten Weltkrieg ist die Lage in den von Deutschland besetzten Gebieten bisher nur unzureichend behandele worden. Im Gegensatz zu der Bedeutung, die den Leiden der betroffenen Bevölkerung bei den Nachkriegsprozessen gegen die deutschen Verantwortlichen zukam, hat sich die Ge- schichtsschreibung bisher noch mehr mit dem militärischen Geschehen befaßt. Es entspricht der Rolle der Besatzungsverwaltungen schon während der Kriegs- jahre, daß sie im Schatten der militärischen Ereignisse standen und den Erforder- nissen der Kriegführung den Vorrang einräumen mußten. Schließlich verdankten sie ihre Existenz nur dem Erfolg der Waffen. Bei militärischen Rückschlägen, wenn ein Landesteil wieder zum Gefechtsgebiet wurde, hatte audi die Besatzungsver- waltung ein Ende. Wie aus dem nachstehend wiedergegebenen Bericht aus dem Stabe des General- quartiermeisters (Gen. Qu.) hervorgeht, stand nur ein Teil der besetzten Länder unter militärischer Verwaltung1. Das Oberkommando des Heeres (OKH) verlor während des Krieges auch auf diesem Gebiet gegenüber dem Oberkommando der (OKW) und der Partei an Gewicht und mußte äußerst folgenreiche Einbrüche in die von ihm angestrebte Einheit der Verwaltung hinnehmen. Der Be- richt ist ein Zeugnis für das Scheitern der mit der Schaffung der Militärverwal- tungsorganisation verfolgten Pläne, das im Falle Belgiens und Nordfrankreichs2 am deutlichsten sichtbar wird. Diese Entwicklung ist zwar in Umrissen bekannt, im Detail wegen der wenigen vorhandenen Quellen aber nur ungenügend zu ermitteln. Gerade von der für die besetzten Länder zuständigen Dienststelle des Heeres, dem Generalquartiermei- ster, stehen der Forschung nur wenige Unterlagen zur Verfügung. Somit kommt dem Abschlußbericht des OKH über die Militärverwaltungen, trotz vieler Mängel, besondere Bedeutung zu. Er entstand 1944/45 in der Abteilung Kriegsverwaltung des Generalquartiermeisters und wurde wenige Wochen vor der Kapitulation abgeschlossen. Zuständig für Fragen der vollziehenden Gewalt, die sich nach der Heeres-Dienst- vorschrift(H. Dv.) 90, »Versorgung des Feldheeres«, für den Generalstab des Heeres (GenStdH) ergaben, waren das Referat Qu 23 und, seit der Mobil- machung, ein Zivilbeauftragter des Reichsinnenministeriums4 (Referat Z.) im Stabe des Generalquartiermeisters. Beide Stellen wurden im November 1939 als Abteilung I Β unter Major i. G. Koßmann5 (Mil.) und Kriegsverwaltungschef

1 Vgl. auch Walter Herdeg, Grundzüge der deutschen Besatzungsverwaltung in den west- und nordeuropäischen Ländern während des Zweiten Weltkrieges, Tübingen 1953 (=Studien des Instituts für Besatzungsfragen, 1). a Vgl. S. 122 f. 8 Im August 1939 unter Hptm.i.G. Gähtgens. 4 Ministerialdirigent Dr. Danckwerts, Leiter der Abt. Reichsverteidigung im Reichsinnen- ministerium. 6 Generalmajor a. D. Richard Koßmann, 1942-1944 Chef des Kommandostabes beim Mil.Befh. in Frankreich. Vgl. seinen Bericht »Das Arbeitsgebiet der Gruppe Qu 2« in: Eduard Wagner, (KV-Chef) Dr. Danckwerts (Ziv.) zusammengefaßt®. Hinzu kamen im Juni 1940 Staatssekretär Posse vom Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft als KV-Chef für Wirtschaftsfragen, der sich durch Ministerialdirektor (KV-Chef) Sarnow ver- treten ließ. Die Dienststelle des Generalquartiermeisters wurde am 1.10.1940 erneut umgegliedert7. Zu den Fachgruppen Heeresnachschubführer, Heeresinten- dant, Heeresarzt, Heeresveterinär, Heeresfeldpostmeister und dem Kommandanten des Stabsquartiers traten nunmehr die Chefgruppe mit dem Zentralbüro, die Abteilung Heeresversorgung und die Abteilung Kriegsverwaltung. Letztere stand unter Leitung von Major i. G. Schmidt v. Altenstadt und umfaßte die Gruppen

Qu 4 Organisation der Militärverwaltung, vollziehende Gewalt, Operations- gebiet insbesondere: (Qu 4/Org.) Einsatz und Organisation der Besatzungstruppen, Kom- mandanturen und , Zusammenarbeit mit , Marine, zivilem Luftsdiutz und Natio- nalsozialistischer Volkswohlfahrt, (Qu 4/R) Angelegenheiten der Wako8, Räumung und Freimachung, Kriegsgefangenen- und Flüchtlingswesen

Qu 5 im Rahmen der vollziehenden Gewalt, Grenzübertritt und Grenzkontrolle, Sonderkommandos insbesondere: (Qu5/Z) Fragen des Zollgrenzschutzes, Grenzkontrolle und Überwachung des Personen-, Güter- und Zahlungsmittelverkehrs, Verfolgung von Plünderung und Hamsterei, (Qu 5/Abw.) Einreise in die besetzten Gebiete, Personenüberwachung im besetzten Gebiet, Abwehr im Rahmen der Mil. Verw. Der Gruppe Qu 5 angegliedert: Passiersdieinhauptstelle Berlin (2. Staffel des Gen. Qu.)

GFP9 Organisation und Einsatz der GFP, Abwehr- und sicherheitspolizeiliche Fragen

V (unter KV-Chef Dr. Danckwerts) Organisation, Personalbesetzung (V) und Steuerung (V) der Militärver- waltung, Zusammenarbeit mit der Zivilverwaltung (Heimat), Politische Fragen, Presse und Propaganda, Reichsverteidigungsgesetz und vollzie- hende Gewalt, Freimachung und Flüchtlinge (mit Qu 4/R), Verord- nungen und Gesetze

W (unter KV-Chef Sarnow) Zusammenarbeit mit den obersten Reichsbehörden in wirtschaftlichen Fragen, Bearbeitung sämtlicher wirtschaftlicher Angelegenheiten einschl. solcher der Militärverwaltungen, Verordnungen und Gesetze wirtschaft- licher Art angegliedert: Verbindungsoffizier des OKW/WiRüAmt.

Der Generalquartiermeister, Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des Generalquartiermeisters des Heeres General der Artillerie Eduard Wagner, München/Wien 1963, S. 302-312. • Militärarchiv Freiburg (MA) III Η 42: Gen.Qu. I Β Nr. 3393/39 g. v. 13. 11. 1939. 7 MA III Η 43, Teil 2: OKH/GenStdH/Gen.Qu./GZ (Ia) 1. St. Nr. 261/40 g.Kdos. v. 26.9.1940. 8 Deutsche Waffenstillstandskommission in Wiesbaden. Dazu Hermann Böhme, Der deutsch- französische Waffenstillstand im Zweiten Weltkrieg, Teil I, Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940, Stuttgart 1966. • Geheime Feldpolizei. Die Gruppe Wirtschaft hatte im Herbst 1944 noch immer MV-Chef10 Sarnow zum Leiter, während Danckwerts, nach einer kurzen Abkommandierung nach Frankreich, seit November 1943 in Belgrad als Chef der Militärverwaltung beim Militärbefehlshaber Südost tätig war. Nachfolger von Danckwerts in der Abt. Kriegsverwaltung wurde MV-Chef Dr. Medicus, Ministerialdirigent im Reiths- innenministerium. Dr. Franz Albrecht Medicus hatte seine Erfahrungen auf dem Gebiet der Militär- verwaltung in Frankreich gesammelt. Am 10.6.1942 hatte er die Führung des Verwaltungsstabes im Militärverwaltungsbezirk11 A, St. Germain, mit der Lei- tung der Abt. Verwaltung des Militärbefehlshabers vertauscht. Zugleich war er Stellvertreter des Chefs des Verwaltungsstabes, KV-Chef Dr. Elmar Michel. Als Medicus dann im Herbst 1943 die Nachfolge von Danckwerts antrat, überließ ihm dieser auch die weitere Behandlung eines der gewichtigsten Probleme der Abt. Kriegs Verwaltung: die Sorge um die Rechtsstellung, Kriegsbesoldung und Aner- kennung der Militärverwaltungsbeamten, die aus einer ungenügenden Würdigung der von der gesamten Kriegsverwaltung des Heeres geleisteten Arbeit resultierte. Diese Anerkennung blieb den Militärverwaltungen versagt, den Beamten die Gleichstellung mit ihren Kollegen in anderen Zweigen der Reidisverwaltung oder der Wehrmacht. An dieser schon 1940 einsetzenden, den Interessen der militärischen Besatzungsver- waltungen abträglichen Entwicklung konnten weder der Generalquartiermeister noch die Abt. Kriegsverwaltung etwas ändern. Die Überflügelung des OKH durch das OKW gefährdete nicht zuletzt innenpolitisch so exponierte und dem OKH nachgeordnete Dienststellen wie die Militärverwaltungen, die sich nach fast allen Seiten ihrer Haut zu erwehren hatten. Als sich dann noch die Rechtsstellung der MV-Beamten verschlechterte und ihre Tätigkeit mitunter als bloße »Drückeberge- rei« verdächtigt wurde, waren alle Voraussetzungen für einen »Stiefkindkomplex« gegeben, und zwar vornehmlich bei hohen Verwaltungsbeamten, die sidi als beson- ders qualifizierte Fachleute ohnehin ihren soldatisdien Kollegen und Gegenspielern überlegen fühlten und ihnen trotzdem den Vorrang einräumen mußten. Der Be- richt gibt ausreichend Zeugnis davon. Nach den militärischen Rückschlägen an allen Fronten und der Räumung fast aller besetzten Gebiete stellten sich der Abt. Kriegsverwaltung im Herbst 1944 nodi folgende Aufgaben: Abwicklung der ehemaligen Militärverwaltungen in Frank- reich, Belgien/Nordfrankreich und im Südosten, die Erstellung von Abschlußbe- richten, die Entlassung des Personals und Verhandlungen über die Stellung derjeni- gen Beamten, die bei den Heeresgruppen und Armeen noch für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben zurückgehalten wurden. Bedeutung bekam auch die »Be- weissicherung«, die Vorbereitung von Unterlagen für Verhandlungen mit den Regierungen der ehemals besetzten Länder. Dabei hatte Medicus noch einige Mühe, dem Befehlshaber des Ersatzheeres und dem OKW die Wichtigkeit dieser Arbeiten plausibel zu machen und eine ausreichende personelle Ausstattung der Reststäbe beim OKW durchzusetzen, das ohnehin eine sdinelle Abwicklung forderte. Das Mißtrauen des OKW galt vor allem dem Reststab der Militärverwaltung in

10 Die Umbenennung der »Kriegsverwaltungsbeamten« in »Militärverwaltungsbeamte« war im Mai 1943 angeordnet worden. 11 Das besetzte französische Gebiet war zu diesem Zeitpunkt in drei Bezirke und den Bereich »Groß-Paris« unterteilt. Frankreich, die aus dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 einigermaßen kom- promittiert hervorgegangen war. Die Reststäbe befanden sich in Württemberg (für Belgien/Nordfrankreich), in Wien (für Südost) und in Potsdam (für Frankreich). Medicus trieb die Abfassung der Schlußberidite energisch voran, um sich gegenüber dem OKW abzusichern und um die nötigen Unterlagen für einen geplanten »Mantelberidit« der Abt. Kriegs- verwaltung, eine Einführung zu den Ausarbeitungen der Abwicklungsstäbe, zu be- kbmmen. Er wandte sich dabei in erster Linie an den Reststab für Frankreich unter Dr. Michel, der ihm räumlich am nächsten lag und dessen Ergebnisse - in Frank- reich hatte die größte der ehemaligen Militärverwaltungen gearbeitet, und Medicus hatte ihr lange Zeit angehört - ihn besonders interessierten. Medicus stand in engem Kontakt zu dem Potsdamer Stab12, nahm Einsicht in die Berichtsentwürfe und griff selbst in die Arbeiten ein, als sie nicht im gewünschten Sinne ausfielen. Die Abfassung der Schlußberidite litt unter dem Fehlen wichtiger Akten, die ent- weder vernichtet oder über das gesamte Reichsgebiet verstreut waren, sowie unter der Tatsache, daß sich einige Fachleute bereits bei der Truppe befanden und nicht freigegeben wurden. Immerhin war Medicus mit der wirtschaftlichen Berichter- stattung zufrieden, zumal er sich auf diesem ihm fremden Sachgebiet audi kein fachmännisches Urteil zutraute. Den vorgelegten Entwurf eines Verwaltungsberichts bezeichnete Medicus dagegen als »völlige Pleite«13. Er fand es vor allem unverständlich, daß der Reststab Frankreich keine Verbindung mit den Personen aufgenommen hatte, die auf Grund eigener Tätigkeit im besetzten Frankreich mit Beiträgen und Auskünften der Vervollständigung des Rechenschaftsberichts dienlich sein konnten. Medicus schrieb persönlich an den Reichsbevollmächtigten in Kopenhagen, Dr. Best14, an die SS-Führer Oberg15 und Dr. Knochen16 u. a. und übernahm schließlich selbst die Fertigstellung des Verwaltungsberidits für Frankreich. Der Sdilußbericht des Generalquartiermeisters über die Kriegsverwaltung, der zumindest zum großen Teil von Medicus stammt, stützt sich somit in starkem Maße auf die Verhältnisse im besetzten Frankreich. Medicus informierte aber auch den Abwicklungsstab in Potsdam über einige Punkte des vorgesehenen OKH-Beridits, damit die Ausarbei- tungen für Frankreich darauf abgestimmt werden konnten17. Die Vorbereitungen für die Erstellung des allgemeinen Berichts über die Kriegsver- waltung begannen im November 1944. Medicus forderte die Unterlagen aus dem Jahre 1939 über die Gründung der Militärverwaltung an. Es hat den Anschein, als ob er dieses Material nicht mehr erhalten hat, denn die Darstellung der Vorge- schichte und Anfangszeit der Militärverwaltungen ist, gemessen an ihrer Bedeu- tung, im Bericht relativ kurz behandelt, enthält Ungenauigkeiten und keine Zitate

12 Vgl. den in der Akte ΜΑ Η 17/29 gesammelten Schriftverkehr. 13 Ebd.: Schreiben von MV-Chef Dr. Medicus an Generallandschaftsdirektor Parisius v. 14. 1. 1945. Es heißt dort weiter: »Hätte ich geahnt, in welchem Maße unsere Männer auf diesem Gebiet versagten, dann hätte ich selbst mit Hand angelegt. Damit konnte ich aber nicht rechnen... Es wäre doch ein Jammer, wenn unsere ganze Arbeit versackt und wir hinter den wirtschaftlichen Dingen weit zuriickblieben und auf diese Weise kaum in die Geschichte eingingen.« 11 Vorgänger von Medicus in der Leitung der Abt. Verwaltung des Militärbefehlshabers in Frankreich. 15 1942-1944 Höherer SS- und Polizeiführer im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich. ie 1940-1942 Beauftragter des Chefs der und des SD, 1942-1944 Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Frankreich. 17 ΜΑ Η 17/29: MV-Chef Dr. Medicus an MV-Chef Dr. Michel v. 8. 2. 1945. aus den Akten, wie sie in den zweiten Berichtsteil bei der Erörterung weit weniger wichtiger Fragen aufgenommen worden sind. Wichtiger als die Aktenanforderung war jedenfalls die drei Tage später an MV-Chef Dr. Danckwerts in Wien ergan- gene Bitte der Abt. Kriegsverwaltung18, den »historischen Teil« des Mantelbe- richts zu verfassen. Die Disposition wurde Danckwerts überlassen, doch schlug die Abt. Kriegsverwaltung folgende Gliederung für den erbetenen Rückblick im »All- gemeinen Teil« des Berichts vor: I. Der Weg zur Mil. Verw. A. Gründe für die Errichtung B. Der Chef der Zivilverwaltung als Vorläufer C. Seine Ausgestaltung zur Mil. Verw. Es war nicht festzustellen, wie die endgültige Gliederung zustande kam und welche redaktionellen Änderungen in der Abt. Kriegsverwaltung noch vorgenommen worden sind. Auf jeden Fall aber hat Danckwerts seinen »historischen Teil« gelie- fert, denn Medicus schickte ihn noch im März 1945 an den ehemaligen Chef des Verwaltungsstabes beim Militärbefehlshaber in Frankreich mit der Bitte um eine kritische Stellungnahme19. Es wäre möglich, daß sich der »historische Teil« mit dem ganzen Abschnitt I des Mantelberichts deckt. Das würde einige Wiederholungen in der Berichterstattung erklären. Mit Sicherheit stammen aber die Abschnitte II, III und IV - mit ihrer teilweise starken emotionalen Färbung - von der Abt. Kriegsverwaltung, und zwar von der Gruppe Verwaltung, d. h. fast ausschließlich von Medicus. Der Man- telbericht sollte sich »insbesondere darauf erstrecken, welche Tätigkeit Gen. Qu. entfaltet hat, insbesondere wie von ihm der Apparat der Militärverwaltung aufge- baut und erhalten wurde«. Ein Schwergewicht lag auf der Schilderung der organi- satorischen und personellen Steuerung20. Das Ergebnis, nach außen ein amtlicher Bericht einer Abteilung des OKH, ist in starkem Maße durch die Mentalität des Berichterstatters bestimmt. Medicus be- stritt auch nicht die subjektiven Züge seiner beiden Berichte: »Ich bin mir bewußt, daß manche Stellen darin sind, die so oder so Anstoß erregen können... Ich habe aber den Bericht so gefaßt, wie ich es vor meinem Gewissen allein verantworten kann. Viel Freude wird das OKW mit meinen Ausführungen nicht haben, und ich möchte auch gar nicht erreichen, daß Gen. Qu. sich den Berichtsinhalt zu eigen macht. Dies gilt sowohl für das vorliegende Bruchstück Verwaltung wie für meinen eigentlichen Mantelbericht qua OKH .. .«21. Wenig Freude mußten auch die Kommandostäbe der ehemaligen Militärbefehlshaber an den Darstellungen von Medicus haben. Seine Angriffe grenzen mitunter an Gehässigkeit. Die zeitweilige Abkommandierung eines Offiziers zum Abwicklungsstab in Potsdam erfolgte, wie

18 Ebd.: MV-Chef Dr. Medicus an MV-Chef Dr. Danckwerts v. 7.11. 1944. 19 Ebd.: MV-Chef Dr. Medicus an Staatsminister Dr. Schmid, Württ. Staatsministerium des Innern, v. 26. 3. 1945: »Die gleiche Bitte [>jede . . . gewünschte Korrektur oder Ergänzung vorzunehmen^ gilt für die Allgemeinen Aufzeichnungen aus der Feder von Dr. Danckwerts, die Bestandteil des Mantelberichts des OKH/Gen.Qu. bilden. In diesem Mantelbericht liegt das Schwergewicht in der Darlegung der Vorgeschichte, d. h. der Entstehung der Militär- verwaltung. Hier haben Sie doch in der Praxis alles miterlebt, so daß Sie auch hier wertvolle Fingerzeige geben können.« 20 Ebd.: Niederschrift der Abt. Kriegsverwaltung (Verw.) v. 1.3.1945 über die Besprechung mit den Abwicklungsstäben Mil.Befh. Frankreich und Mil.Befh. Südost in Bad Reichenhall am 28.2.1945. 21 Ebd.: MV-Chef Dr. Medicus an MV-Chef Dr. Michel v. 27. 3. 1945. Medicus im Namen seiner Kollegen betonte, »trotz unserer bekannten Einstellung zum ehemaligen Kommandosektor beim Mil. Befh. Frankreich«22. Dem Abschlußbericht der Abt. Kriegsverwaltung liegt also so manches Ressenti- ment zugrunde. Weitere Schwächen ergeben sich aus dem Zeitpunkt der Abfassung, der eine offene Sprache und rückhaltlose Kritik nicht zuließ. Darüber hinaus neigt die Berichterstattung eher dazu, die in den besetzten Ländern erzielten Leistungen als den angerichteten Schaden und die offensichtlichen Verstöße gegen jede Art von Recht anzudeuten. Es sind in dieser Hinsicht auch während des Krieges schon muti- gere Stimmen laut geworden. Aber trotz dieser Mängel ist der bisher unveröffentlichte Mantelbericht aus dem OKH eine wichtige Quelle für die Geschichte der Besatzungsverwaltungen im Zweiten Weltkrieg. Er ist für die zahlreichen Studien des einstigen Tübinger Insti- tuts für Besatzungsfragen teilweise ausgewertet worden, auf ihn stützt sich Walter Baum in einer Darstellung der Ausübung der vollziehenden Gewalt durch das Heer23. Er ist aber vor allem eine unentbehrliche Einführung zu den Schlußberidi- ten der einzelnen Militärverwaltungen, soweit diese noch rechtzeitig vor Kriegs- ende fertiggestellt werden konnten24. Hans Umbreit

22 Ebd.: MV-Chef Dr. Medicus an Ministerialrat Klas, Reichsinnenministerium, v. 24. 12. 1944. 23 Vollziehende Gewalt und Kriegsverwaltung im »Dritten Reich«, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau, 1956, S. 475-496. 24 Ein Teil dieser Abschlußberichte befindet sich im Militärarchiv Freiburg, ein größerer Be- stand im Max-Planck-Institut für öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Absdilußbericht der Abteilung Kriegsverwaltung des OKH/GenStdH/Gen.Qu., abge- schlossen Anfang April 1945: Allgemeine Einführung des GendStH/Gen.Qu. in die Rechenschafts- und Sdilußberichte der Militärverwaltungen in Frankreich, Belgien/Nord- frankreich und Serbien (Südost)25.

I. Entstehung der Militärverwaltung

1. Mob. Vorbereitungen Im Zuge der Wiederaufrüstung des Reiches und der vorbereitenden Einstellung auf einen Abwehrkrieg hat das OKH sehr bald die Notwendigkeit empfunden, im Operationsge- biet des Heeres befehlsmäßigen Einfluß auf Verwaltung und Wirtschaft des Operations- gebietes zu erhalten. Das OKH ging dabei von dem Grundgedanken aus, daß in dem Raum, in welchem das Feldheer marschiert, kampiert und kämpft, die Bedürfnisse der Truppe und des Kampfes allen anderen Interessen vorgehen und auf schnellstem und ein- fachstem Wege befriedigt werden müssen. Demzufolge bestimmte bereits das 1. Reichsver- teidigungsgesetz vom 21. 5. 19352®, daß der Ob. d. H.27 im Operationsgebiet des Heeres »vollziehende Gewalt« ausübe. Damit erhielt der Ob. d. H. in alleiniger Verantwortlich- keit gegenüber dem Führer volle Handlungsfreiheit über Verwaltung und Wirtschaft im Operationsgebiet; er erhielt insbesondere das Recht, allen zivilen Dienststellen mit Vor- rang vor Anordnungen anderer Stellen Weisungen zu erteilen. Diese Rechtsgrundlage, die im 2. Reichsverteidigungsgesetz vom 4.9.193828 bestätigt wurde, bildete den Ausgangs- punkt für alle einschlägigen organisatorischen Mob-Vorbereitungen des OKH. Sie wur- den im engsten Einvernehmen mit dem Beauftragten für den Vierjahresplan2" sowie dem Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung30 und dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft81 geplant und entworfen. Beteiligt waren u. a. die Staatssekretäre Neumann32, Pfundtner33, Stuckart34 und Posse35. Im OKH lag die federführende Be- arbeitung beim Leiter der Abteilung VI des Generalstabes39. Die Mob-Vorbereitungen waren zunächst nahezu ausschließlich auf das Heimatgebiet ab- gestellt. Bei Ausbruch jedes Krieges liegt das Operationsgebiet naturgemäß zunächst rest- los innerhalb der Landesgrenzen. Außerdem war in den Anfängen der Mob-Vorbereitung angesichts der damaligen militärischen Stärkeverhältnisse die Einstellung auf eine defen-

28 ΜΑ Η 17/219. Die Datierung »abgeschlossen Anfang April 1945« erscheint zweifelhaft angesichts der Bemerkung auf S. 129 über die Auflösung der Abt. Kriegsverwaltung am 20. 4. 1945 und die Weiterführung ihrer Aufgaben durch ein bestimmtes Referat im OKW. 26 IMT Bd. XXX, S. 60 ff. 27 Die Darstellung ist an dieser Stelle ungenau. Nach § 2, Ziff. 1 des 1. Reichsverteidigungs- gesetzes ging bei der Erklärung des »Verteidigungszustandes« für das ganze Reichsgebiet die gesamte vollziehende Gewalt auf Hitler Uber, der ihre Ausübung auf den Reichskriegs- minister übertrug. Laut § 2, Ziff. 1 des 2. Reichsverteidigungsgesetzes stand dem ObdH und den Oberbefehlshabern der Armeen das Recht zur Ausübung der vollziehenden Gewalt nur in dem von Hitler zu bestimmenden Operationsgebiet zu, wenn nicht gerade ein über- raschender Angriff auf das Reichsgebiet erfolgte. In diesem Fall konnte die Exekutive auch auf die Wehrkreisbefehlshaber, die Kommandierenden Admirale oder die Luftgaubefehls- haber übergehen. 28 IMT Bd. XXIX, S. 319 ff. 29 Hermann Göring. 30 Wilhelm Frick. 31 Waither Funk. 32 Erich Neumann, Vierjahresplan. 33 Hans Pfundtner, Reichsinnenministerium. 34 Wilhelm Stuckart, Reichsinnenministerium. 36 Hans Posse, Reichswirtschaftsministerium. Vgl. S. 118. III 34 i. G. Eduard Wagner. sive Haltung [der]37 Lage entsprechend. Im Operationsgebiet (Heimat) kam es dem OKH mobmäßig vor allem darauf an, die Befehlsführung gegenüber den zivilen Dienststellen sicherzustellen. Die Schwierigkeit lag darin, daß die zivile Behördenorganisation fachlich in eine ungemein große Zahl von Behörden aufgespalten war und daß deren Amtsbe- reiche sidi territorial nicht deckten. Andererseits mußten die Operationsabsdinitte der militärischen Befehlshaber nach taktischen Gesichtspunkten abgegrenzt werden und muß- ten infolgedessen ihrerseits - zumal sie beweglich blieben - die zivilen Amtsbereiche mannigfaltig durchschneiden. Dem militärischen Befehlshaber im Operationsgebiet stand deshalb eine für den Soldaten nicht erlernbare Vielzahl ziviler, untereinander unabhängi- ger Dienststellen gegenüber. Eine Zusammenfassung dieser Dienststellen wurde vom OKH nachdrücklich verlangt, wobei das Ruhrgebiet und Wehrkreis VIs8 geraume Zeit im besonderen Brennpunkt der Betrachtung standen.

2. Der Chef der Zivilverwaltung im Heimatkriegsgebiet Da eine durchgreifende Reorganisation der zivilen Dienststellen rechtzeitig nicht erwartet werden durfte, griff man zu einer Aushilfe, indem man den »Chef der Zivilverwaltung« schuf. Diese Einrichtung war weiter nichts als eine Dachorganisation einfachster Art, die man über sämtliche zivile Dienststellen in den einzelnen Abschnitten des Operationsgebie- tes setzte. Auf diese Organisation wurde die Befugnis delegiert, den zivilen Dienststellen des Abschnitts in Durchführung der Befehle des militärischen Befehlshabers Weisungen mit Vorrangsrecht zu erteilen. Damit erhielt der militärische Befehlshaber einen einzigen zivilen Partner, der, fachkundig ausgewählt und mit dem notwendigen Einblick in das Behördenlabyrinth ausgestattet, eine einfache und schnelle Befehlsführung gewährlei- stete. Der CdZ sollte auf Antrag des OKH vom Reichsminister des Innern ernannt wer- den. Diesem blieb er beamtenrechtlich unterstellt, während er seine fachlichen Weisungen vom Oberbefehlshaber der Armee, der er zugeteilt war, erhielt (H. Dv. 90 Nr. 24). Die Einrichtung des CdZ (Heimat) war im Westen des Reiches ein stärkeres Bedürfnis als im Osten38, da hier wenigstens die territoriale Gliederung des zivilen Apparates ein- facher war und den taktischen Abschnitten besser entspradi. Immerhin war sie audi hier nicht entbehrlich. Als Chef der Zivilverwaltung wurden u. a. in Aussicht genommen und eingesetzt: Staatsminister Jonathan Schmid40, Stuttgart, Regierungspräsident von Pfeffer41, Wiesbaden, Ministerialdirektor Turner42, Gauleiter und Oberpräsident Josef Wagner, Landeshauptmann von Wedelstädt, Königsberg, Direktor Fitzner43, Beuthen.

87 Lücke im Text. 38 Münster. SB Bei der Auswahl der CdZ (Heimat) mußte, was in diesem Bericht nicht zum Ausdruck kommt, gemäß H.Dv.90 auf die Oberpräsidenten (und Gauleiter) zurückgegriffen werden. Die Auf- marschanweisungen für den Fall »Weiß«, und zwar die noch mehrfach ergänzten »Besonderen Anordnungen für die Versorgung Nr. 1« für die Heeresgruppen und die Armeen vom 15. 6. 1939, sahen folgende Chefs der Zivilverwaltung im Heimatgebiet vor: Oberpräsident und Gauleiter Josef Wagner (H.Gr.Süd), Landrat Piesbergen (14. Armee, für Mähren), Ober- präsident und Gauleiter Schwede-Coburg (4. Armee) und Oberpräsident und Gauleiter Erich Koch (3. Armee). Im Westen war Gauleiter Bürckel CdZ bei der 1. Armee. 40 Im Text irrtümlich Jonathan »von« Schmid. Minister Dr. Schmid, 1940-1942 Chef des Ver- waltungsstabes bei der Militärverwaltung in Frankreich, war CdZ bei der 7. Armee. 41 Nach Beginn des Westfeldzuges Beauftragter für das Flüchtlingswesen beim ObdH, dann beim Chef der Militärverwaltung in Frankreich, General Alfred Streccius, und später für kurze Zeit Stellvertreter Schmids in Paris. 42 Ministerialdirektor Harald Turner leitete während des Westfeldzuges den Militärverwaltungs- stab der Heeresgruppe A, anschließend die Militärverwaltung im Bezirk Paris. Er wurde auf Betreiben des Militärbefehlshabers in Frankreich Anfang 1941 abgelöst und avancierte bald darauf zum Leiter der Militärverwaltung in Serbien. 43 Im Text irrtümlich »Pfitzner«. Otto Fitzner war in Vertretung des Gauleiters Wagner CdZ beim Grenzschutz-Abschnittskommando 3 in Ostoberschlesien. 3. Operationsgebiet jenseits der Reichsgrenze In der weiteren Entwicklung der außenpolitischen und militärischen Lage trat die Not- wendigkeit hervor, die Organisation eines über die deutschen Grenzen hinaus getragenen Operationsgebietes ins Auge zu fassen. Da man zunächst davon ausging, daß das Opera- tionsgebiet jenseits der Grenze keinen ländermäßigen Umfang erreichen werde, behielt man anfänglich der Einfachheit halber den Chef der Zivilverwaltung (CdZ Feindesland) als Organ des militärischen Befehlshabers bei44. Man war sich allerdings dessen bewußt, daß die organisatorische Struktur jenseits der Grenze sich nachhaltig wandeln könne. Jedenfalls konnte der CdZ sehr schnell den Charakter einer Dachorganisation verlieren und gezwungen werden, sich einen mehr oder minder starken Unterbau zu schaffen, sei es, daß er die landeseigenen Behörden durch eigene Unterorgane überwachen lassen oder daß er die Verwaltung des Landes durch eigene Unterorgane durchführen mußte. In bei- den Fällen mußte dem inneren Wesen nach bereits eine der Bezeichnung »Zivilverwal- tung« nicht mehr entsprechende militärische Verwaltung entstehen. Allerdings sollten die in ihr tätigen Beamten ihren zivilen Charakter nicht verlieren; sie sollten Zivilbeamte bleiben und lediglich zum Wehrmachtsgefolge treten.

4. Verwaltung unter militärischer Führung Die Einrichtung sollte aber eindeutig unter ausschließlicher Leitung der militärischen Befehlshaber stehen (vgl. H. Dv. 90 Nr. 30). Diese Organisationsform ist in den Einsät- zen , Tschechei und vor allem in Polen praktisch in Erscheinung getreten und hat sich in vieler Beziehung bewährt4*. Sie eignete sich für einen Einsatz in Gebieten, die alsbald zum Reich geschlagen oder in echte Zivilverwaltung übernommen werden konn- ten. Sie hatte den Nachteil, daß ihre Struktur verhältnismäßig locker gefügt war, weil die in ihr tätigen Zivilbeamten erklärlicherweise ihre Ressortzugehörigkeit den militärischen Bindungen voranstellten und infolgedessen nur schwer zu einem einheitlichen Apparat zusammenwachsen konnten. Es ergaben sich nicht unbeträchtliche Unstimmigkeiten durch einseitige Eingriffe außermilitärischer Stellen und durch deren Versuche, neben der CdZ- Organisation und unabhängig von ihr eigene Sonderorganisationen einzurichten. Wenn schon im Heimatgebiet die Vielheit der Verwaltungsorgane Bedenken erregen mußte, so

44 Die hier skizzierte zeitliche Abfolge triflt nicht zu. Die Einrichtung der CdZ Feindesland war gleichfalls schon in der H.Dv.90 vom 1. 4.1935 (Ziff. 135-140) vorgesehen. Bei den Vor- bereitungen zum Polenfeldzug wurden die CdZ Feindesland zugleich mit den CdZ Heimat ernannt. Das OKH besetzte die Stellen teilweise mit höheren Verwaltungsbeamten, deren Stab sehr klein gehalten war. Weiteres Verwaltungspersonal wurde mit der fortschreitenden Besetzung Polens nachgeführt. Das Reichsinnenministerium entsandte gleichfalls auf Antrag des OKH eine Anzahl von höheren Beamten (vorwiegend Oberregierungsräte, Landräte, Regierungsräte), die, mit kleinen Verwaltungstrupps und zuverlässigen Volksdeutschen, als Stadt- und Landkommissare bzw. Bürgermeister die Verwaltung im besetzten Polen aufzu- bauen hatten. Als CdZ (Feindesland) waren eingeteilt: Ministerialdirektor Dr. Dill (14. Armee), Regierungspräsident Rüdiger (10. Armee), Regierungsvizepräsident v. Craushaar (8. Armee), Polizeipräsident Herrmann (4. Armee) und SS-Brigadeführer Jost (3. Armee). Hinzu kamen nach etwa einer Woche Kriegsdauer der Gauleiter Albert Forster und der Danziger Senats- präsident Arthur Greiser als CdZ bei den Militärbefehlshabern in Danzig/Westpreußen bzw. in Posen und noch später Reichsminister Arthur Seyß-Inquart im Militärbezirk Krakau. 45 Tatsächlich hat sich diese Einrichtung - der in seiner Kritik bewußt zurückhaltende Bericht der Abt. Kriegsverwaltung deutet es im folgenden an - in Polen nicht bewährt. Alexander Daliin, Deutsche Herrschaft in Rußland 1941-1945, Düsseldorf 1958, S. 34. (Auch vorher nicht im Falle des Sudentenlandes und der Tschechei. Vgl. Baum, S. 482 f.) Die Unterstellung der CdZ unter den militärischen Befehlshaber war mitunter nur fiktiv, besonders im Falle des Reichsministers Dr. Frank als Oberverwaltungschef beim Oberbefehlshaber Ost. Auch Forster und Greiser waren in ihrer von politischen Gesichtspunkten geleiteten Tätigkeit dank der eigenen »Hausmacht« reichlich selbständig. Vgl. Martin Broszat, Nationalsozia- listische Polenpolitik 1939-1945, Stuttgart 1961, S. 27 ff. Die mangelhafte Vorbereitung einer Besatzungsverwaltung durch den Generalstab des Heeres trug dazu bei, daß sich die Ein- richtung einer deutschen Verwaltung teilweise unter chaotischen Umständen vollzog (vgl. Broszat, S. 53 f.). war eine solche Vielheit im besetzten Gebiet unerträglich. Hier mußte unter allen Um- ständen der fremden Bevölkerung gegenüber ein einheitlicher, mit den Verhältnissen des Landes vertrauter und für sie verantwortlicher Wille maßgebend sein, um Ordnung und Wirtschaft des Landes wiederherzustellen und dessen Hilfsmittel für die Zwedke der Kriegführung dienstbar zu madien. Klarheit und Einfachheit der Organisation mußten hier vor dem Bestreben nach Verfeinerung den Vorrang behalten. Nadi Lage der Dinge konnte dieser einheitliche Wille im Operationsgebiet nur durch den militärischen Befehlshaber repräsentiert werden. Außerdem war dieser der einzige, der über die zur Durchführung einer Verwaltung unentbehrlichen sadilichen und persönlichen Hilfsmittel des Heeres verfügen konnte. Das OKH war infolgedessen grundsätzlich dar- auf bedacht, einem einseitigen Hineinregieren außermilitärischer Behörden so weit als möglich entgegenzutreten. Dabei verkannte es jedodi keineswegs, daß die besetzten Ge- biete sich in den Rahmen der zentralen Lenkung des Großdeutschen Reiches schnell und nachhaltig einzufügen hätten. Es vertrat deshalb von vornherein bereitwillig den Stand- punkt, daß die militärischen Befehlshaber dem fachlidien Weisungsrecht der zentralen Reichsstellen weitgehend zu entsprechen hätten. Dieser Gedanke kam auch zum Ausdrude in dem Erlaß des Führers über die Einrichtung einer militärischen Verwaltung in Polen vom 25.9.19394·. Diese Organisation hatte der Oberbefehlshaber des Heeres zur Festi- gung der CdZ-Organisation herbeigeführt; sie wurde aber bald durch die Einriditung des Generalgouvernements überholt47.

5. Militärverwaltungsorganisation Die dargelegten Erfahrungen führten den Oberbefehlshaber des Heeres im Oktober 1939, als die offensiven Pläne für die Fortführung des Krieges im Westen Gestalt annah- men, dazu, die Vorbereitung einer festgefügten militärischen Verwaltungsorganisation anzuordnen. Er ging hierbei von der Voraussicht aus, daß die Organisationen nunmehr in Gebiete getragen werden könnten, deren Vereinigung mit dem Großdeutschen Reich nicht in Betracht komme oder doch bis Kriegsende in der Schwebe gelassen werden müsse. Da- mals wurde der Standpunkt vertreten, daß eine Zivilverwaltung als Ausdruck einer Annexionsabsicht (vgl. rote Sammelmappe: Arbeitsrichtlinien für die Militärverwaltung Nr. 1 Abs. 3)48 gewertet werden müsse, und daß deshalb nur eine Militärverwaltung für derartige Gebiete in Frage kommen könne, zumal diese Gebiete aller Voraussicht nach dauernd Operationsgebiet bleiben würden4·.

6. Wesen der Militärverwaltung In Durdiführung des Auftrags des Oberbefehlshabers des Heeres wurde vom Stabe des Generalquartiermeisters der Plan für die Organisation einer Militärverwaltung ausge-

44 Enthalten in der Akte MA III Η 452 (Chef GenStdH: Polenfeldzug - Chefsachen, September 1939). 47 Die territoriale Neugliederung der besetzten polnischen Gebiete - Einrichtung der Reichsgaue Danzig/Westpreußen und Posen (Wartheland), Zusammenfassung des restlichen Landes in einem »Generalgouvernement« - kam auch für das OKH und die CdZ, soweit sie aus der Beamtenlaufbahn stammten, überraschend. Sie wurde mit Resignation hingenommen, wobei Brauchitsch letztlich sogar froh war, keine Mitverantwortung an den kriminellen bevölke- rungspolitischen Maßnahmen in Polen tragen zu müssen. Vgl. auch Broszat, S. 30; Wagner, S. 143 ff. 48 MA W 02-2/1 u. 85199: Sammelmappe »Militärverwaltung«, OKH/GenStdH/Gen.Qu. Nr. 800/40 g. - Nr. 1 Abs. 3 der »Arbeitsrichtlinien für die Militärverwaltung« lautet: »Hand- lungen, die auf eine Annexionsabsicht hindeuten könnten, sind zu unterlassen.« 49 Hier erliegt der Berichterstatter der Versuchung, Erkenntnisse des Jahres 1945 mit den bei der Vorbereitung der Militärverwaltungsorganisation angestellten Gedankengängen zu ver- mengen. Daß die gegebenenfalls zu besetzenden Länder Operationsgebiet gegen England blieben, war mit Sicherheit nicht vorausgesehen worden. Im übrigen neigte Hitler dazu, jede Militärverwaltung durch eine Zivilverwaltung zu ersetzen. Aussage von Reichsminister Lammers in Nürnberg, IMT Bd. XI, S. 117. arbeitet. Der Plan war territorial der damaligen Lage entsprechend zunächst auf Holland und Belgien abgestellt50. Sachlich hatte er zwei Hauptziele: 1.Die Militärverwaltung sollte alle Verwaltungszweige51 möglichst ausnahmslos vereini- gen (Grundsatz der »Einheit der Verwaltung«). 2. Soldatische Führung und fachkundiges Wissen sollten, in militärischer Disziplin verbun- den, Träger der Verwaltung werden. Zu 1. Im Heimatgebiet war die öffentliche Verwaltung in Formen hineingewachsen, die das Gegenteil einer Einheit darstellten. Solche Verhältnisse waren für eine deutsche Ver- waltung im besetzten Feindesland nicht brauchbar. Deshalb war das Oberkommando des Heeres aus theoretischer Überlegung und praktischer Erfahrung58 in voller Übereinstim- mung mit dem Bevollmächtigten für die Reichsverwaltung zu der Erkenntnis gekommen, daß im besetzten Gebiet entscheidender Wert auf die Zusammenfassung möglichst aller Verwaltungszweige gelegt werden müsse. Zu 2. Soldatische Führung war für eine Militärverwaltung selbstverständlich. Die Men- schenauswahl und Erziehung des deutschen Heeres gewährleistete mit großer Zuverlässig- keit diejenigen Eigenschaften, die im Feindesland auch für die Verwaltungstätigkeit zu den wichtigsten zählen: schnelles Erfassen des Wesentlichen, Erfindungsgabe, Entschluß- kraft und Energie. Daß der Soldat andererseits das Verwaltungsgebiet fachlich nicht beherrschte, war ihm regelmäßig bewußt und konnte von ihm freimütig zugegeben wer- den. Infolgedessen war er einer fachlichen Beratung durchaus aufgeschlossen. Die Planung ging derzeit von der Annahme aus, daß es möglich sein werde, die führenden Stellen bei der Kommandobehörde der Militärverwaltung mit Berufsoffizieren zu besetzen. Dies hat sich jedoch nur zum Teil verwirklichen lassen. Da, wo es geschehen ist, hat sich die Pla- nung voll bewährt. Bei dem immer fühlbarer werdenden Mangel an Berufsoffizieren hat man sich aber sehr bald veranlaßt gesehen, auch auf Reserveoffiziere zurückzugreifen. Bei diesen war nicht selten - wie audi schon im Ersten Weltkrieg - zu beobachten, daß bei geringerer Ausbildung der oben erwähnten soldatischen Eigenschaften die an sich erklärliche Neigung auftrat, die Erfahrungen und Gewohnheiten eines eigenen verwal- tungsfremden Zivilberufs auf die Verwaltungstätigkeit zu übertragen. Hieraus entwickel- ten sich gelegentlich nicht unbeträchtliche Reibungen und Störungen53.

7. Das Verwaltungskorps Fachkundiges Wissen stand in den geschulten und erfahrenen Beamten der Zivilressorts ausreichend zur Verfügung. Daß die Zivilressorts bereitwillig geeignete Kräfte zur Mili- tärverwaltung abstellen würden, war ohne weiteres anzunehmen. Tatsächlich hat diese Bereitwilligkeit auch in Zeiten größter Personalknappheit in einer Weise angehalten, die dankbar anerkannt werden muß. Die Auswahl der Beamten wurde im großen und gan- zen den Ressorts überlassen. Das OKH beschränkte sich vorwiegend darauf, die Beset- zung der leitenden Stellen und die jahrgangsweise Auswahl zu beeinflussen. Die Qualität der abgestellten Beamten lag anfänglich beträchtlich über dem Durchschnitt. Mit der Ab- gabe der jüngeren Jahrgänge84 war später in den Referentenstellungen ein gewisses Ab- sinken der Qualität zu verzeichnen. Da die Militärverwaltung seit 1942 ihr Personal jahrgangsmäßig schneller und rücksichtsloser durchkämmte als manche andere Verwal- tung, erwuchsen ihr daraus bei kritikloser Vergleichung nicht wegzuleugnende Nachteile.

50 Nicht auf Frankreich. So enthielt beispielsweise die ausgearbeitete (gelbe) Sammelmappe »Wirtschaft« (vgl. S. 118) nur Informationen über die heutigen Benelux-Staaten. 51 Anmerkung im Text: Verwaltung in weitestem Sinne, also einschließlich Wirtschaft. sa Mit den Parteidienststellen im besetzten Polen. Deshalb die Ubereinstimmung mit dem Bevoll- mächtigten für die Reichsverwaltung, d. h. in erster Linie mit dem Reichsinnenministerium. 53 Eine Reverenz des Berichterstatters gegenüber seinen militärischen Vorgesetzten, aber kaum die eigene Meinung. Die hier unternommene Unterscheidung zwischen Berufs- und Reserve- offizieren hält einer Nachprüfung nicht stand. 54 Zum Dienst in der kämpfenden Truppe. 8. Militärisdie Führung Bei der Planung kam es darauf an, den Träger des fachlichen Wissens in ein Verhältnis zu dem führenden Soldaten zu bringen, das einerseits die fachliche Beratung des Soldaten im Sinne der von ihm geführten Verwaltung gewährleistete und andererseits die Durchfüh- rung der von dem Soldaten gegebenen Befehle und Richtlinien sicherte. Es verstand sich von selbst, daß dieses Verhältnis nur ein militärisches sein konnte. Nur eine, und zwar auch äußerlidi sichtbare Einordnung in das Heer konnte die notwendige Disziplin und das notwendige Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen. Leider war diese Einordnung auf einem bereits vorgebahnten Wege nicht zu ermöglichen. Die Wehrlücke nach dem Welt- krieg hatte den Nachwuchs an Reserveoffizieren derart gehemmt, daß gar nicht daran zu denken war, die erforderliche Anzahl von fadikundigen Reserveoffizieren verfügbar zu machen. Außerdem würde der Offiziersrang der verfügbaren fachkundigen Reserveoffi- ziere den für sie vorgesehenen Verwaltungsstellen nidit entsprochen haben. Es wäre nicht angängig gewesen, beispielsweise einen im Leutnantsrang stehenden Reserveoffizier an die Spitze einer großen Militärverwaltung zu stellen und ihm Reserveoffiziere im Haupt- manns- oder Majorsrang nachzuordnen. Der Gedanke, die Beamten als Wehrmacht- beamte der Reserve zu übernehmen, sdieiterte ebenfalls an Rangüberlegungen und am grundsätzlichen Widerspruch des Heeresverwaltungsamtes.

9. Rechtsstellung, insbesondere Rang Unter diesen Umständen blieb nur übrig, eine Sonderregelung zu treffen, indem man die Beamten als Wehrmaditbeamte eigener Art auf Kriegsdauer einzog und ihren Rang, ihre Uniform und ihre Bezüge durch Sonderbefehl bestimmte. Die vom Chef des Generalsta- bes des Heeres in Vertretung des Oberbefehlshabers des Heeres gezeichneten besonderen Anordnungen für die Militärverwaltung vom 3.4.1940 Gen Qu IΒ Qu 2 haben die Rechtsstellung in diesem Sinne eindeutig geregelt und bejahten audi den Wehrdienst der Beamten durdi ausdrückliche Bezugnahme auf § 21 des Wehrgesetzes. Diese Rechtsstellung, insbesondere die Bejahung des Wehrdienstes, wurde nachträglich im Jahre 1942 angefochten mit dem Erfolg, daß die Anerkennung des Wehrdienstes mit rückwirkender Kraft aufgehoben und die endgültige Entscheidung darüber auf das Kriegsende vertagt wurde. Der Angriff stützte sich im wesentlichen darauf, daß die mili- tärische Hierarchie eine Uberspringung von Rangstufen grundsätzlich nicht ertragen könne. Abgesehen davon, daß dieser Grundsatz bereits anderweitig mehrfach durchbro- chen war (vgl. Sonderführer), wurde dabei völlig verkannt, daß die Militärverwaltungs- beamten ihre Verwaltungstätigkeit nicht erst zu erlernen brauchten, sondern ausschließlich mit Aufgaben befaßt wurden, deren Beherrschung sie in ernster und langer Laufbahn aus- reichend dargetan hatten. Bei der Rangeinweisung der MV-Beamten wurde den hierar- chischen Gesichtspunkten der Wehrmacht dadurch Rechnung getragen, daß man den Beamten nicht den ihrer Verwaltungsstellung entsprechenden militärischen Rang, sondern lediglich den »allgemeinen Offiziersrang« zuerkannte. Zusätzlich wurde aber bestimmt, daß sie hinsichtlich der für sie in Betracht kommenden Vorschriften wie ein General- major, Oberst usw. behandelt werden sollten54.

10. Uniform Die Uniformierung der Militärverwaltungsbeamten war unabweisbar, da sie der feind- lichen Bevölkerung gegenüber befehlend und handelnd auftreten und auch den deutschen

85 Diese Regelung blieb aber bis Kriegsende umstritten. So heißt es beispielsweise im Schluß- bericht der Militärverwaltung im Befehlsbereich Südwestfrankreich, Juli-September 1944, S. 48 (MA, ohne Signatur, Bestand Mil.Befh. Frankreich): »So stellte sich . . . der Feldkom- mandant von La Rochelle als beste organisatorische Form vor, die Verwaltung zwar mit gelernten Fachleuten zu besetzen, diese aber entsprechend ihrem militärischen Rang als Soldaten, Uffz. oder als Offiziere einzusetzen und dem Feldkommandanten ohne jede Selb- ständigkeit zu unterstellen.« Heeresorganen gegenüber durch ihr äußeres Erscheinungsbild ohne weiteres legitimiert sein mußten. Daß nur die Heeresuniform in Betradit kam, ergibt sich aus den bereits ge- machten Darlegungen. Die Uniformabzeidien mußten, wenn die Uniform ihren Zweck erfüllen sollte, der Verwaltungsstellung angepaßt werden. Dabei wurde der Grundge- danke beaditet, daß die Abzeidien zwar eindeutig mit den Rangabzeichen des Offiziers und des Wehrmachtbeamten vergleichbar sein, daß sie aber andererseits eine Verwechs- lung ausschließen mußten.

11. Verwaltungsstäbe Entsprechend der Truppenorganisation wurden auch die Militärverwaltungsbeamten in den einzelnen Einheiten unter einem in gehobener Stellung befindlichen Militärverwal- tungsbeamten zusammengefaßt und als Verwaltungsstab (Verwaltungsabteilung, Verwal- tungsgruppe) dem soldatischen Führer unterstellt. Daß neben den Verwaltungsstab ein rein soldatisch zusammengesetzter Kommandostab treten mußte, war unvermeidlich, da der soldatische Führer neben den Aufgaben der Militärverwaltung stets auch Aufgaben der Truppenführung zu erfüllen hatte und da der Militärverwaltungsbeamte, dem Kom- mandobefugnisse nicht verliehen werden konnten, für den genannten Zweck nicht ver- wendbar war.

12. Dualismus: Verwaltungsstab - Kommandostab Dieser zwangsläufig sich ergebende Dualismus konnte zu erheblichen Bedenken Anlaß geben. Einmal konnte es nicht vermieden werden, daß die Aufgaben des Kommandosta- bes und des Verwaltungsstabes sich auf gewissen Gebieten, insbesondere im Gebiete des Ic, überschnitten. Zum anderen war es dem militärischen Führer etwas Neues und Unge- wohntes - und haben es tatsächlich später bei der praktischen Handhabung nur wenige überragende Militärbefehlshaber verstanden -, mit zwei Stabschefs arbeiten zu müssen. Die unausbleibliche Folge davon war, daß der militärische Führer auch in eindeutigen Angelegenheiten der Militärverwaltung den ihm an sidi schon als Offizier näher stehen- den Chef des Kommandostabes zu Rate zog, und daß dieser wiederum den Kommando- stab mit der Angelegenheit befaßte. Doppelarbeit, Reibungen und Leerlauf konnten hier- aus erwachsen. Eine Steigerung dieser Unstimmigkeiten konnte in den Militärverwal- tungsbeamten einen »Stiefkindkomplex« entstehen lassen und konnte im ungünstigen Fall zu einer Lähmung der Militärverwaltung und damit zu einer Gefährdung des eigent- lichen Zwecks der Organisation führen. Nachträglich kann festgestellt werden, daß die befürchteten Folgeerscheinungen stets dort aufgetreten sind, wo die einschlägigen Stellen des Kommandostabes mit fachfremden Reserveoffizieren besetzt worden waren oder wo der führende Verwaltungsmann sich nicht durch seine Persönlichkeit diesen organisatori- schen Mängeln zum Trotz durchsetzte. Insgesamt betrachtet ist es aber doch dem guten Willen der Offiziere und der Militärverwaltungsbeamten, unterstützt durdi eine sorgfäl- tig abwägende Personalpolitik, gelungen, zu sachlicher Gemeinschaftsarbeit und zu einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu gelangen und damit den zweifellos schwachen Punkt der Organisation zu überbrücken"6. (Näheres unter IV, 3 Buchstabe b.)

13. Anlehnung an die Heeresgruppen Die Gliederung der Organisation mußte sich anfänglich naturgemäß eng an die taktische Gliederung des Feldheeres anlehnen. Infolgedessen waren die beiden Heeresgruppen87

M Dazu stellt der Abschlußbericht des Bereichs Südwestfrankreich fest (ebd.): »Der Aufbau der Militärverwaltung in Frankreich ist im ganzen als richtig anzusehen gewesen. Die Arbeit der Verwaltung wurde jedoch bedeutend erschwert durch eine zu enge Verknüpfung mit militärischen Stäben [im Text unterstrichen] . 87 Nicht die drei Heeresgruppen, wie Eberhard Jäckel, Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1966, S. 59, berichtet. Zur Geschichte der Militärverwaltung in Frankreich erscheint demnächst: Hans Umbreit, Der Militärbefehls- haber in Frankreich 1940-1944 (=Militärgeschichtliche Studien, 7). die gegebenen Träger der Einrichtung. Sie sollten unter Oberleitung des OKH und mit Hilfe von Oberfeld-, Feld- und Ortskommandanturen die Militärverwaltung einrichten und durchführen. Da der Generalstabschef des Heeresgruppenkommandos durch Verwal- tungsaufgaben nicht zusätzlich belastet werden sollte, wurde den Heeresgruppenkom- mandos ein damals normalerweise für die Heeresgruppe nicht vorgesehener Oberquar- tiermeister zugeteilt, der damit in allen laufenden Geschäften die soldatische Führung der Militärverwaltung übernahm.

14. Geplante personelle Besetzung (Ende 1939) Der vorstehend geschilderte Organisationsplan fand die grundsätzliche Billigung des Oberbefehlshabers des Heeres bereits Ende 1939. Anschließend wurde die personelle Be- setzung der zunächst in Betracht kommenden Stellen vorbereitet. Als Oberquartiermeister der beiden Heeresgruppen wurden die Generäle Hellmich68 und Auleb", als Chefs der Militärverwaltungen Regierungspräsident Reeder80 und Ministerialdirektor Turner aus- ersehen. Diese faßten die ihnen zugeteilten Offiziere und Beamten vorbereitend zusam- men und arbeiteten nach den grundsätzlichen Weisungen des OKH und unter dessen Betei- ligung Richtlinien für die weitere Durchbildung der Organisation und für die sachliche Verwaltungsarbeit aus. Dabei wurden zahlreiche Planspiele veranstaltet, die zur Schulung der Beteiligten dienten und wertvolle Gesichtspunkte für die Gestaltung der grundsätz- lichen Bestimmungen erbrachten. Auf wirtschaftlichem Gebiet beteiligte sich federführend der Stab des GBWel unter persönlicher Leitung des Staatssekretärs Posse. Die gesamte Arbeit fand ihren Niederschlag in dem roten und gelben Sammelheft »Militärverwal- tung« bzw. »Militärverwaltung - Wirtschaft«, deren Anordnungen und Richtlinien vom Oberbefehlshaber des Heeres abschließend im März 1940 gezeichnet wurden. Eine Reihe von Durchführungsbestimmungen folgte, insbesondere die »Besonderen Anordnungen« des Oberbefehlshabers des Heeres vom 3.4.1940. Auf der Grundlage dieser Planung wurden die Militärverwaltungen in Belgien und Frankreich eingerichtet®2. Daß die territoriale Abgrenzung der beiden Militärverwaltun- gen nicht den Landesgrenzen angepaßt wurde, hatte seinen Grund darin, daß der Ab- schnitt der Heeresgruppe Β taktisch außer Belgien die beiden Departements Nord und Pas-de-Calais mit umfaßte. Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, daß es während der ganzen Besatzungszeit nicht zu einer Bereinigung dieser territorialen Uberschneidung gekommen ist, legt der Sonderbericht der Militärverwaltung in Frankreich dar.

15. Loslösung der Militärverwaltungen von den Heeresgruppen Organisatorisch trat im Aufbau der beiden Militärverwaltungen von Belgien und Nord- frankreidi und von Frankreich sehr bald die von Anfang an vorgesehene Änderung ein, daß die Militärverwaltungen von den Heeresgruppen losgelöst und besonderen Militär- befehlshabern unterstellt wurden (Vgl. H. Dv. 90 Ziff. 141). Nach Erledigung der opera-

88 Generalmajor Heinz Hellmich, O.Qu, der H.Gr.B. (Im Text irrtümlich »Helmig«). 59 Generalmajor Helge Auleb, O.Qu, der H.Gr.A, 80 Regierungspräsident Eggert Reeder, H.Gr.B, anschließend Chef der Militärverwaltung in Belgien/Nordfrankreich. 61 Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft. 62 Anmerkung im Text: In Holland kam diese Einrichtung nicht über ein gewisses Anfangs- stadium hinaus, da dort sehr bald eine Zivilverwaltung eingesetzt wurde. Anmerkung des Bearbeiters: Die Ablösung der Militärverwaltung in Den Haag unter General v. Falkenhausen erfolgte sehr zum Mißvergnügen des OKH. (»Das Verhalten in der Frage Militärverwaltung Holland zeigt wieder die völlige Unaufrichtigkeit der obersten Führer dem OKH gegenüber.« Generaloberst Halder, Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres, 1939-1942, Bd. I, Vom Polenfeldzug bis zum Ende der Westoffensive (14. 8. 1939-30. 6.1940), Stuttgart 1962, S. 302. (Eintragung zum 17. 5. 1940). Somit wurde Falkenhausen für Belgien frei, und der ursprünglich für Brüssel vorge- sehene General v. Vollard-Bockelberg übernahm am 15. 6. 1940 den Befehl über die Stadt und die Umgebung von Paris. tiven Aufgaben erwies es sich als zweckmäßig und notwendig, eine klare Scheidung zwi- schen der taktischen Truppenführung und der territorialen Befehlsgewalt eintreten zu lassen. In Frankreich vollzog sich dieser Wandel allerdings erst nach gewissen Zwischen- lösungen. Insbesondere übernahm der Oberbefehlshaber des Heeres bis zum November 194063 Jig Funktion des Militärbefehlshabers in eigener Verantwortlichkeit. Unter ihm führte als sein Militärverwaltungschef General Streccius die laufenden Geschäfte sowohl des Kommandostabes wie des Verwaltungsstabes. Der Grund für diese Regelung lag dar- in, daß es derzeit besonders darauf ankam, die Wiederingangsetzung der französischen Wirtschaft mit dem Truppenbedürfnis in Einklang zu bringen, und daß naturgemäß die höchste Kommandostelle des Heeres diesem Zweck am nachhaltigsten gerecht werden konnte®4.

16. Einbrüche in die Einheit der Militärverwaltung Vorstöße gegen die Verwaltungseinheit setzten bereits kurz nadi der Errichtung der bei- den Militärverwaltungen ein. Während es im vorbereitenden Stadium gelungen schien, nahezu sämtliche Zentralstellen mit der Zusammenfassung aller Verwaltungszweige im Rahmen der Militärverwaltung zu befreunden oder sich doch mit ihr abzufinden, machten sich schon bald nadi dem Einmarsch fachpartikularistische Störungen nachhaltig bemerk- bar. Es ist schwer festzustellen, wodurch sie neuen Antrieb erhalten haben. Die schwerste sachliche Belastungsprobe für die Einheit der Verwaltung wäre wegen der hier vielfach widerstreitenden Interessen im Bereich der Wirtschaft gewesen. Aber gerade auf diesen Gebieten blieb die Einheit der Verwaltung bei den in Frankreich und Belgien tätigen Militärverwaltungen im wesentlichen erhalten: Die dem GenStdH/Gen. Qu. unterste- henden Militärbefehlshaber wurden mit ihren Militärverwaltungen in gewissem Umfange (nachstehend Ziff. 17) den fachlichen Weisungen des Vier jahresplanes unterworfen. Dar- über hinaus entwickelte sich zwischen den wirtschaftlichen Reichsressorts und den Militär- befehlshabern (Chefs der Mil. Verwaltungen) unmittelbarer Schriftverkehr. Zwischen den Militärverwaltungen einerseits, dem Vierjahresplan, den beteiligten Fachministerien - insbesondere dem Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Finanzministerium —, den ver- schiedenen Reichsstellen und Wirtschaftsgruppen wie den Zentralen der heimischen Wirt- schaft andererseits entstand eine reibungslose und erfolgreiche Zusammenarbeit, für die schon deshalb die Voraussetzungen gegeben waren, weil die in den Militärverwaltungen tätigen Persönlichkeiten nicht nur die besten Kenner ihres Faches, sondern zugleich auch meist die Exponenten ihrer Heimatdienststellen waren. Die Zusammenfassung aller die- ser Sachbereiche unter dem Militärbefehlshaber in der Militärverwaltung ermöglichte einen schnellen Ausgleich der militärischen und wirtschaftlichen Interessen an Ort und Stelle. Gewiß führte der Ressortpartikularismus in dem Bestreben, eigene Verwaltungssäulen zu schaffen oder Persönlichkeiten, denen man eine Einreihung in den Behördenorganismus nicht zumuten wollte, in selbständige Stellungen unterzubringen, zu gelegentlichen Aus- bruchsversuchen; diese wurden aber gegenüber den zivilen Reichsressorts (Ausnahme: Arbeitseinsatz!) im allgemeinen überwunden. Schwieriger lagen die Verhältnisse dort, wo die 'Wehrmacht Wirtschaftsfragen, die nun einmal einen Fremdkörper im Aufgabenbe- reich der Wehrmacht bilden, in eigene Verwaltung genommen hatte. An der Spitze die- ser von der Wehrmacht eingerichteten und einen Bestandteil der Wehrorganisation bil- denden wirtschaftlichen Verwaltungseinrichtungen standen keine Wirtschaftsexperten,

93 Bis zum 25. 10. 1940, als General d.Inf. Otto v. Stülpnagel als Militärbefehlshaber in Frank- reich seinen Dienst antrat. 41 Der Hauptgrund ist eher darin zu sehen, daß von der Beendigung des Westfeldzuges bis zum Herbst 1940 das OKH sich in Fontainebleau niedergelassen hatte. Der ObdH konnte auf diese Weise die Leitung der Militärverwaltung in Frankreich leicht selbst kontrollieren und das Arbeiten der neuartigen Besatzungsverwaltung in dem wichtigsten eroberten Land gegen Eingriffe von außen - zumindest seitens der Heeresgruppen und Armeen - abschirmen. sondern Generale. Dadurch, daß diese Apparatur, die audi ausschließlich oder doch über- wiegend mit Offizieren besetzt war, militärische Gestalt angenommen hatte, war ihre Eingliederung in die für die Wirtschaftslenkung übliche Organisationsform erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht; allein schon an Rangfragen konnte die Eingliederung die- ser militärischen Organisation in die unter dem Mil. Befh. zusammengefaßte Wirtschafts- verwaltung scheitern. Die Ereignisse bestätigten diese Sorgen: Schon im Juni 1940 richtete das WiRü-Amt eigene selbständige Rüstungsinspektionen neben und außerhalb der Mili- tärverwaltung ein, obgleich vorher gerade mit dem WiRü-Amt eingehende und abschlie- ßende Vereinbarungen auch personeller Art über die Eingliederung in die Militärverwal- tung getroffen waren". Dieser erste Einbruch war von weittragender Bedeutung, weil nach Übernahme des Geschäftsbereichs des WiRü-Amtes auf das zivile Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion diese Abspaltung der Rüstung auf weitere wichtige Geschäftsbereiche der Kriegswirtschaft ausgedehnt wurde.

17. Weisungsrecht gegenüber den Militärverwaltungen unter Erhaltung der Verwaltungs- einheit Das vorstehend berührte Verhältnis der wirtschaftlichen Reichsministerien zu den Mili- tärverwaltungen läßt die Frage entstehen, ob den wirtschaftlichen Reichsministerien ein Weisungsrecht gegenüber den Militärbefehlshabern (Militärverwaltungen) zustand, wor- aus sich Folgerungen für die Verantwortlichkeit ergeben würden. Diese Frage hat während der ganzen Tätigkeit der Militärverwaltungen praktisch keine Rolle gespielt, zumal nach einer Anordnung des Gen. Qu. vom 30. 7. 1940 Nr. 18457/40 »Weisungen von Dienst- stellen außerhalb des OKH, die unmittelbar an den Militärbefehlshaber ergehen, ohne Sachbehandlung an das OKH abzugeben waren«. Von dieser Anordnung wurde durch Verordnung des Gen. Qu. vom 21. 8. 1940 Nr. 11634/40g der Beauftragte für den Vier- jahresplan ausgenommen. Die Grenze zwischen »Ersuchen« und »Weisung« ist flüssig. Meist waren übrigens die von den Ressorts an die Mil. Befh. (Chef Mil. Verw.) gerichte- ten Wünsche vorher unter den Beteiligten abgesprochen worden, so daß schon deshalb sich Meinungsverschiedenheiten nicht ergaben. War dies trotzdem der Fall, so griff Gen. Qu. vermittelnd ein.

18. Herauslösung der Polizei aus der Militärverwaltung Eine erhebliche fachliche Einbuße erlitt die Einheit der Militärverwaltung durch die Ein- setzung des Höheren SS- und Polizeiführers®·. Erstmalig geschah dies im Januar 1942 in Serbien durch Erlaß des OKW. Der Höhere SS- und Polizeiführer erhielt die gleichen Aufgaben und Zuständigkeiten wie er sie in der Heimat hatte. Er blieb zwar dem Mili- tärbefehlshaber persönlich und unmittelbar unterstellt, erhielt aber seine polizeilichen, fachlichen Weisungen vom Reichsführer SS. Die gleiche Maßnahme wurde im März 1942 für die Militärverwaltung in Frankreich angeordnet®7, während in Belgien und Nord- frankreich die Polizei in den Händen des Militärbefehlshabers geblieben ist. Daß die Los- lösung der Polizei von der Militärverwaltung im besetzten Gebiet vom Standpunkt der Verwaltungseinheit als Nachteil empfunden werden muß, ist unbestreitbar Das Beispiel Belgien spricht dafür, daß die Interessen der Polizei auch im Rahmen der Militärverwal- tung zu wahren gewesen sind.

45 Dadurch war es dem OKH gelungen, wenigstens für die Dauer des Westfeldzuges die Ver- treter des WiRü-Amtes des OKW in die Militärverwaltungsstäbe der beiden Heeresgruppen einzugliedern. Das WiRü-Amt beanspruchte dafür allerdings auch für seine Offiziere die Leitung oder stellvertretende Leitung der Wirtschaftsabteilungen. 94 Vgl. Hans Buchheim, Die Höheren SS- und Polizeiführer, in: Vierteljahrshefte für Zeit- geschichte, 1963, S. 362-391. 47 Mit Wirkung vom 1. 6. 1942. Vorausgegangen war die Demission des Militärbefehlshabers Otto v. Stülpnagel, der in den Augen Hitlers bei der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung 120 versagt hatte. An seine Stelle trat sein Vetter General d. Inf. Carl-Heinrich v. Stülpnagel. 19. Verhältnis zum Arbeitseinsatz Bestrebungen des Beauftragten für den Arbeitseinsatz88 auf Herauslösung der Arbeits- verwaltung aus den Militärverwaltungen setzten im Jahre 1943 ein, konnten aber durdi geeignete innerorganisatorische Maßnahmen und Berücksichtigung aller personellen Wün- sdie zu einer befriedigenden Lösung geführt werden9·.

20. Verhältnis zu den deutschen diplomatischen Vertretungen Von erheblichster Bedeutung ist das Verhältnis der Militärverwaltungen zu den Vertre- tern des Auswärtigen Amtes gewesen70. Nur in Belgien war und blieb der Vertreter in die Militärverwaltung eingegliedert. - In Frankreich wurde nadi dem Waffenstillstand ein selbständiger Botschafter ernannt. Das Verhältnis zwischen diesem und der Militär- verwaltung mußte mangels einer klaren und ausdrücklichen Arbeitsteilung sehr bald Zweifelsfragen und Unstimmigkeiten hervorrufen, da die Botschaft sich vielfach nicht auf ihre unbestreitbare und Hauptaufgabe, in außenpolitischer Beziehung richtungsweisend zu sein, beschränkte. - In Serbien war der Gesandte ebenfalls nicht in die Militärverwal- tung eingegliedert. Hier sind die aus der ursprünglichen Koordination sich ergebenden Schwierigkeiten sehr beträchtlich gewesen, zumal die Interessen des Auswärtigen Amtes bei der engen Verflechtung von Völkern und Staaten auf dem Balkan häufig zu einer Be- einflussung audi reiner Verwaltungsmaßnahmen Anlaß gaben. Sdiließlidi ist durdi Ein- setzung des Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amtes und dessen ausdrüddidie Bevoll- mächtigung durch den Führer im Jahre 1943 eine Klärung herbeigeführt [worden]71, die im weiteren Verlauf der Militärverwaltung zu einer befriedigenden Zusammenarbeit ge- führt hat.

21. Sonstige Sonderbehörden Auch sonst hat die Einriditung kleinerer Sonderbehörden in den Gebieten der Militär- verwaltung nidit überall verhindert werden können. Sie dienten aber, wie ζ. B. der Ein- satzstab Rosenberg72, sadilidi und zeitlich begrenzten Aufgaben.

22. GBW in Serbien und Wi Stab Ost in Rußland Gegenüber den vorgenannten (I Ziffer 19 bis 20) aufgeführten fachliden Einbrüchen in die Einheit der Verwaltung bedürfen zwei grundlegende Maßnahmen der Erwähnung,

88 Gauleiter Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz. 99 Auch das gelang nur mit großer Mühe. In Frankreich waren die Arbeitseinsatzstellen 1943 für einige Zeit aus der Militärverwaltungsorganisation herausgenommen worden und wurden erst nach der Ermordung des Sauckel-Vertreters Ritter durch eine französische Widerstands- gruppe im Herbst 1943 der Militärverwaltung wieder unterstellt. Der Einfluß des Militär- befehlshabers auf die Durchführung des Arbeitseinsatzes war aber auch dann nur gering. 70 Dieses Gewicht kam den Beziehungen zur jeweiligen diplomatischen Vertretung nur bedingt zu. Eine Kritik am Vertreter des Auswärtigen Amtes war zum Zeitpunkt der Berichterstat- tung aber weniger risikoreich. Tatsächlich zeigt die Praxis der Besatzungsverwaltung, daß das Vorgehen einzelner Wehrmacht- oder Parteidienststellen der Position der Militärbefehls- haber sehr viel mehr schadete. Trotz der Reibungen, die sich etwa in Frankreich zwischen dem Militärbefehlshaber und Botschafter Abetz ergaben, stimmte beider Haltung in den meisten wichtigen Fragen sogar überein. Es lag im Auftrag eines Vertreters des Auswärtigen Amtes in einem besetzten Land, daß er weniger für die Außenpolitik - wie es der Bericht der Abt. Kriegsverwaltung wahrhaben will - als für innenpolitische Fragen zuständig war. Daraus resultierten die meisten Meinungsverschiedenheiten, etwa in der Personalpolitik, der Pro- paganda oder der Zulassung politischer Vereine. 71 Ergänzung des Bearbeiters. 72 Von den zahlreichen Sonderstäben, die von den Behörden und Parteistellen in die besetzten Gebiete entsandt wurden, kam dem Einsatzstab Rosenberg zweifellos eine besondere Bedeu- tung zu. Sein Auftrag, die Erfassung und der Abtransport »herrenlosen« jüdischen Kunst- besitzes, wurde zu einer erheblichen Belastung des Ansehens der Militärverwaltungen. Die Tätigkeit des Einsatzstabes wurde im übrigen von der »Dienststelle Westen« des Reichs- ministers für die besetzten Ostgebiete fortgesetzt, die bis zur Räumung Frankreichs große 121 Mengen an jüdischen Wohnungseinrichtungen ins Reich und nach dem Osten abbeförderte. die auf dem Balkan und auf dem sowjetrussischen Kriegsschauplatz diese Einheit zer- schlugen: Bei Errichtung der Militärverwaltung in Serbien wurde die mit der Militärver- waltung nur lose in Zusammenhang stehende Sondereinrichtung des Generalbevollmäch- tigten für die Wirtschaft und in den besetzten sowjetischen Gebieten eine Neuschöpfung in Gestalt des Wi Stabes Ost geschaffen78. Der Generalquartiermeister hat alles getan, um dieser Aufspaltung entgegenzuwirken. In Serbien ist es nach Ablauf von nahezu zwei Jahren gelungen, die Einheit von Verwaltung und Wirtschaft im Rahmen der Militärverwaltung wiederherzustellen. In Sowjetrußland ist die Trennung erhalten geblieben - nach Auffassung des Generalquartiermeisters nicht zum Vorteil der Sadie. Mag auch vielleicht die Distanz für eine kritische Bewertung noch zu kurz sein, so kann doch schon jetzt kaum bezweifelt werden, daß die unnatürliche Trennung von Verwaltung und Wirtschaft im besetzten Gebiet Reibungen, Doppelarbeit und Leerlauf zur Folge gehabt hat, und daß auch die Wirtschaft für sich gesehen durch eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die sachlichen und personellen Hilfsmittel des Heeres beachtliche Vorteile gehabt haben würde. Bezeichnend für die Sachlage ist, daß der Wi Stab Ost im Jahre 1942 mit dem Gedanken umgegangen ist, sich eine eigene Wirtschaftspolizei neben den allgemeinen Polizeiorganen zu schaffen. Ernährung und Landwirtschaft sowie Forstverwaltung hätten von einer Eingliederung in die Heeres- organisation nicht nur keine Nachteile, sondern beträchtliche Erleichterungen gehabt, zu- mal die Erzeugnisse der genannten Wirtschaftszweige im östlichen Operationsgebiet lange Zeit ausschließlich der Wehrmacht überlassen worden sind. Was die gewerbliche Wirtschaft der Ostgebiete anbelangt, so bestand ursprünglich die Auffassung, daß eine Förderung durch deutsche Dienststellen überhaupt unterbleiben solle. Der Generalquartiermeister hatte aus gleichem Grunde schon bei Ausgestaltung des Englandplanes angeregt, etwa aufkommende Restaufgaben der gewerblichen Wirtschaft durch die Rüstungsinspektionen mit erledigen zu lassen. Auf diese Weise wäre wenigstens die Aufspaltung der gewerblichen Wirtschaft in erweitertem Sinne beseitigt worden. Der Vorschlag hatte auch die Zustimmung des WiRü-Amtes und der Wirtschaftsressorts gefun- den. Er ist aber sehr gegen die Absicht des Generalquartiermeisters und ohne dessen Be- teiligung von diesen Dienststellen dahin ausgebaut worden, daß die Wirtschaftsressorts eigene Vertreter zum WiRü-Amt und zu den Rüstungsinspektionen entsenden sollten, eine Konstruktion, die in ihrer weiteren Entwicklung zweifellos mit zu der Einrichtung des Wi Stabes Ost geführt hat.

II. Die einzelnen Militärverwaltungen74

1. Belgien und Nordfrankreich Die erste nach den vorstehend dargelegten Gesichtspunkten eingerichtete, von den Hee- resgruppen losgelöste und mit der Ausübung der Territorialgewalt betraute »Militärver- waltung« war die des »Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich*. Sie war

73 Der spätere Wi Stab Ost war im Frühjahr 1941 unter dem Decknamen »Wirtschaftsstab z. b. V. Oldenburg« zusammengestellt worden. Er unterstand - unter dem Wirtschafts- führungsstab Ost - dem Chef OKW und fachlich dem Beauftragten für den Vierjahresplan. Der Generalquartiermeister war beim Wi Stab Ost durch einen Verbindungsoffizier vertreten. Daliin, S. 50 β.; Robert Herzog, Grundzüge der deutschen Besatzungsverwaltung in den ost- und südosteuropäischen Ländern während des Zweiten Weltkrieges, Tübingen 1955, (=Studien des Instituts für Besatzungsfragen, 4), S. 131 u. 200. 74 Die Ausführungen dieses Berichts zum Aufbau und zur Tätigkeit der einzelnen Militärver- waltungen sind äußerst dürftig, zumal das Aufgabe der verschiedenen Abwicklungsstäbe war. Wert legte die Abt. Kriegsverwaltung aber offensichtlich auf den Umstand, daß die Verwal- tungsstäbe die besetzten Gebiete nicht als erste und nur auf ausdrücklichen Befehl geräumt hatten. - Zur Struktur und Grundlage der Militär- und Zivilverwaltungen s. Herdeg und Her- zog. Die wichtigsten Aspekte der Verwaltungstätigkeit in den besetzten Ländern sind Gegen- 122 stand weiterer Studien des ehemaligen Tübinger Instituts für Besatzungsfragen. hervorgegangen aus dem CdZ bei der Heeresgruppe A75; ihre Tätigkeit in Brüssel be- gann sie am 10./12. 5. 40, nachdem der Militärverwaltungsstab im Haag zusammenge- stellt worden war. Diese Militärverwaltung hatte eine wesentlich andere Stellung als die übrigen Militärver- waltungen. Der Hauptunterschied beruhte darin, daß es in Belgien keine Landesregie- rung gab; die bisherige hatte das Land verlassen. Dem Militärverwaltungschef oblag so- mit nicht nur die Aufsidit und Steuerung der Landesregierung und einheimisdien Verwal- tung, er war vielmehr selbst an die Stelle des Regierungschefs getreten und bediente sich der zurückgebliebenen zentralen Regierungsapparatur, die ihrerseits die Grundlage ab- gab für einen neuen einheimisdien Verwaltungsaufbau. Die Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich bestand von Mai 1940 bis 18. Juli 1944. Anfang 1944 war der Gedanke aufgetaucht, in Belgien die Militärverwal- tung durch eine Zivilverwaltung abzulösen. Aus Gründen, die auch dem OKH unbekannt sind, wurde durch einen vom Chef OKW (gez. Keitel) und Reidisminister und Chef der Reidiskanzlei (gez. Lammers) gegengezeichneten Führerbefehl vom 13. Juli 1944 die Militärverwaltung in eine Zivilverwaltung unter einem Reichskommissar7' umgewan- delt. Diese Zivilverwaltung bestand bis zum Ende der Besetzung77 von Belgien insge- samt noch 47 Tage. [.. .]78 Die Gefahren, die eine solche grundlegende organisatorische Änderung in Anbetracht der taktischen Lage - der feindliche Einmarsch in Belgien stand vor der Tür - ergeben konnte, waren groß. Deshalb wurde der gesamte personelle Apparat der Militärverwal- tung unter dem Militärverwaltungschef auf die Zivilverwaltung übernommen und dem Reichskommissar unterstellt. Die Beamten blieben Militärverwaltungsbeamte. Die Neu- ordnung wirkte sich deshalb im wesentlichen dahin aus, daß nicht mehr die Fachressorts in Berlin ihre Wünsche an den Militärbefehlshaber (Chef der Militärverwaltung) richte- ten, sondern daß Weisungen an den Reichskommissar nur noch vom Führer durch Ver- mittlung des Reichsministers und Chef der Reidiskanzlei ergehen konnten. Die geschlos- sene Überleitung der Apparatur der Mil. Verw., deren Betreuung nach wie vor Sache des OKH war, auf die Zivilverwaltung war nur als vorübergehende Maßnahme gedacht. Die Entwicklung der Dinge gestattete es jedoch nicht mehr, diese Militärverwaltungsorganisa- tion durch einen zivilen Verwaltungskörper zu ersetzen. Die Zivilverwaltung stellte, nachdem der Reichskommissar und der Verwaltungsstab am 2. September 1944 Brüssel verlassen hatten, ihre Arbeit auf dem belgischen Raum ein. Die Angehörigen der Militärverwaltung wurden bis auf eine geringe Anzahl, die im deut- schen Grenzgebiet für die verschiedensten Aufgaben - meist vorübergehend - zum Ein- satz kam, nach Marburg7* zur Entlassung in Marsch gesetzt. Ein Reststab wickelte an verschiedenen Plätzen des Westens, zuletzt in Öhringen90 bis Mitte April 1945 die Ge- schäfte der Militärverwaltung ab, erstellte den umfassenden Rechenschafts- und Schluß- bericht und sicherte das Beweismaterial. Wertvolle Akten der Mil. Verw. sind beim Ab- transport aus Belgien zerstört worden oder später im Reichsgebiet Bombenangriffen zum Opfer gefallen. Einzelheiten im Sonderbericht Belgien - Nordfrankreich81.

75 Tatsächlich ging sie aus dem Militärverwaltungsstab der H.Gr.B hervor. Einen CdZ gab es im Westen im übrigen nur innerhalb der Reichsgrenzen, einschließlich der annektierten Ge- biete Elsaß und Lothringen. 78 Gauleiter von Köln-Aachen Josef Grohi. 77 Im Text »Besatzung«. 78 Es folgen die wichtigsten Bestimmungen aus dem Befehl Hitlers vom 13.7.1944 über die Ein- richtung einer Zivilverwaltung in Belgien/Nordfrankreich sowie die Einsetzung des Reichs- kommissars und eines Wehrmachtbefehlshabers. 79 Beim Wehrbezirkskommando Marburg erfolgte die Aufnahme in die Militärverwaltung, die Einkleidung der Beamten und schließlich ihre Entlassung. 80 Bei Heilbronn. 81 Anmerkung im Text: Die Dienststelle des Reichskommissars (ohne die Apparatur der ein- stigen Mil.Verw.) bestand auf deutschem Boden noch im Frühjahr 1945 fort. 2. Frankreich Als zweite Militärverwaltung entstand die in Frankreich in der zweiten Junihälfte 1940. Der personelle Apparat wurde in den Anfängen in Compiegne82 zurzeit der Waffenstill- standsverhandlungen zusammengestellt und siedelte alsbald nach dem Waffenstillstand nach Paris über. Die Militärverwaltung Frankreich bestand bis August 1944es. Der Chef der Militärver- waltung verließ befehlsgemäß Paris am 18. August, nadidem der Kommandostab und der Höhere SS- und Polizeiführer schon vorher abgerückt waren. Nach kurzem Aufenthalt in verschiedenen Orten Ostfrankreichs (bis 5. September) wurde in Baden ein Abwicklungs- stab gebildet, der am 21. September nach Postdam übersiedelte und dort bis Mitte April 1945 den Rechenschafts- und Sdilußbericht erstellte. Auch hier ist wertvollstes Akten- material durch die Transportschwierigkeiten sowie durch Bombenangriffe verloren ge- gangen. Einzelheiten im Sonderberidit Frankreich.

3. Serbien Die Militärverwaltung in Serbien ist im Herbst 194184, zunächst unter Beschränkung auf die »Verwaltung«, eingerichtet worden. Im Herbst 1943 wurde im Rahmen der Militär- verwaltung die Einheit von Verwaltung und Wirtschaft herbeigeführt85. Nachdem der Chef der Militärverwaltung auf Befehl des Militärbefehlshabers am 5.10. 1944 Belgrad mit seinem Stab verlassen hatte, erfolgte die Abwicklung sowie die Erstellung des Rechen- schafts- und Schlußberichts durch einen Abwicklungsstab in Wien und Eggerding bis Ende März 1945. Alles Nähere im Sonderbericht Serbien.

4. Südost Wegen der übrigen Militärverwaltungen auf dem Balkan, insbesondere der in Griechen- land, vgl. Sonderbericht Südost.

5. Ostgebieteu Im Operationsgebiet des Ostens war keine einheitliche Mil. Verw. analog der in den be- setzten Westgebieten eingerichtet worden. Vielmehr wurde für die Wirtschaftsfragen in Gestalt des Wi Stabes Ost eine besondere, eigens hierfür geschaffene Apparatur aufge- zogen, die in einem nur sehr losen Zusammenhang mit den territorialen Dienststellen des Heeres stand. Für die Bearbeitung der Verwaltungsfragen und ab 1. 3.1943 auch der Finanzfragen begnügte man sich mit einem kleinen Verwaltungsapparat, der in die mili- tärischen Stäbe eingebaut wurde: Die erforderlichen MV-Beamten aus dem Bereich der Verwaltung (auch Finanzen) wurden bei den Befehlshabern des rückwärtigen Heeres- gebietes (später bei den Heeresgruppen und Armeeoberkommandos) unter dem O. Qu.87 in Gestalt von sogenannten Abteilungen VII zusammengefaßt. - Nadidem die Heeres- gruppen bzw. die Armeeoberkommandos die Reichsgrenze wieder in westlicher Richtung überschritten hatten, wurden die Abteilungen aufgelöst. (Näheres Sonderbericht Ostge- biete.)

6. Italien88 Die Militärverwaltung in Italien bestand zurzeit dieses Berichtsabschlusses fort. Sie ist in diesem Abschlußbericht daher nicht berücksichtigt.

82 Unter dem ersten »Militärbefehlshaber in Frankreich«, Generaloberst Johannes Blaskowitz, dessen Dienststelle Ende Juni 1940 wieder aufgelöst wurde. 83 Offiziell bis Anfang September 1944. 81 Bereits im Sommer 1941. 86 Durch Ernennung des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien zum Chef der Militärverwaltung beim Militärbefehlshaber Südost. Dieser war zugleich in Personalunion Militärbefehlshaber in Serbien. 88 Dazu Daliin, S. 34 ff. 87 Oberquartiermeister. 88 Italien ist in den Arbeiten des Instituts für Besatzungsfragen nicht behandelt. Von italienischer III. Das OKH als Spitze der Militärverwaltungsorganisation

1. Militärverwaltung als Heeres- oder als Wehrmachteinrichtung? Die Spitze der Militärverwaltung bildete der Generalquartiermeister. Die Militärverwal- tung war also eine Einrichtung des Heeres. Nach den gemachten Erfahrungen ist vielfach die Frage aufgeworfen worden, ob die Militärverwaltungsorganisation nicht zweckmäßi- ger als Wehrmachteinrichtung mit der Spitze im Chef OKW geschaffen worden wäre. Den Generalquartiermeister zur Spitze der Militärverwaltungsorganisation zu machen, lag an sidi wegen der vielfältigen und engen Zusammenhänge der Aufgaben der Militär- verwaltung mit der althergebrachten Institution des Generalquartiermeisters nahe, zumal sich mit dem Begriff des Generalquartiermeisters aus dem letzten Krieg die Vorstellung eines universellen Zuständigkeitsbereiches verband. Für den Einbau in die Wehrmadot und für die Unterstellung unter den Chef OKW hätte jedoch nidit nur die Tatsache gesprochen, daß auf diese Weise die Militärverwaltung in enge Beziehung audi zu den beiden anderen Wehrmachtteilen - Luftwaffe und Marine - gebracht worden wäre89, sondern die weitere Tatsache, daß das Aufgabengebiet wich- tiger ziviler Einrichtungen, die im besetzten Gebiet wie Pilze aus der Erde schössen, auf das engste die Interessen der Wehrmacht berührte, ohne daß jedoch die Wehrmacht auf sie die notwendige Einwirkung hatte (ζ. B. Organisation Todt, Transportkorps Speer, RAD·0). Waren also sdion der Einwirkungsmöglichkeit des OKW Grenzen gesetzt, so mußte dies in erhöhtem Maße für die Militärverwaltung als Einrichtung des Heeres gelten. Für den Einbau der Militärverwaltungsspitze in das OKW hätte ferner die Tatsache an- geführt werden können, daß die Aufrechterhaltung der Verbindung mit den zivilen Reichszentralstellen, insbesondere der Schriftverkehr der Wehrmacht mit diesen zur Zu- ständigkeit des OKW (nicht aber des GenStdH!) gehörte. Die Militärverwaltung war aber nicht zuletzt zur Geltendmachung der Ressortwünsche in den besetzten Gebieten ge- schaffen worden; sie bildete in den besetzten Gebieten gewissermaßen den verlängerten Arm der Reichsressorts·1, deren militärischer Gegenspieler das OKW war, nicht das OKH. Es mag sein, daß die mehr als unbefriedigende Rechtsstellung der MV-BeamtenM ihre tiefste Ursache in der Art hatte, in der die Apparatur der Mil. Verw. in der Wehrmacht verankert war. Vielleicht wäre die ganze Stellung der Mil. Verw. eine andere gewesen und wäre ihr dadurch auch die Erfüllung ihrer Aufgaben erleichtert worden, wenn die Spitze dieser Organisation in das OKW statt in das OKH eingebaut worden wäre.

2. Zuständigkeitsverteilung zwischen OKW und OKH Die Regelung der zentralen Zuständigkeiten bei der Leitung und laufenden Bearbeitung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet war im Verhältnis zwischen Chef OKW, Chef GenStdH und Gen.Qu. gewissen Schwankungen unterworfen. Chef OKW er- strebte mehrfach stärkere Einflußnahme auf die Militärverwaltung; zu diesem Zweck hat es auch an Versuchen nicht gefehlt, den Generalquartiermeister als Spitze der Militärver- waltung näher an das OKW heranzuziehen. - Übrigens besaß das OKW beim Wehr- machtführungsstab eine eigene, wenn auch zahlenmäßig schwach besetzte Arbeitsgruppe

Seite ist zu diesem Thema zu nennen: Enzo Collotti, L'amministrazione tedesca dell'Italia occupata 1943-1945, Mailand 1963. 89 Das Verhältnis der Militärverwaltungen zu diesen beiden Wehrmachtteilen hatte sich als reichlich schwierig erwiesen, war es doch den Militärbefehlshabern im allgemeinen nicht ein- mal gelungen, sich in ihrem Zuständigkeitsbereich gegenüber den Operationstruppen der Armeen durchzusetzen. 90 Reichsarbeitsdienst. β1 Da Vertreter der für die Verwaltungsaufsicht über das besetzte Gebiet erforderlichen Ressorts in die Militärverwaltung entsandt worden waren. 92 Siehe S. 116. für Verwaltungsfragen in den besetzten Gebieten. Insoweit liefen diese Arbeiten für diese Verwaltungsaufgaben beim »OKW/WFSt/Qu (Verw. 1)« parallel zu denen der Abteilung Kriegsverwaltung des Generalquartiermeisters. Die Bestrebungen des OKW, stärkere Einwirkung auf die Leitung der vollziehenden Gewalt in den besetzten Gebieten zu ge- winnen, fanden Ausdruck in einer Reihe von Befehlen (audi Befehlsentwürfen) sowie in interessantem Schriftwechsel zwischen Chef OKW und Chef GenStdH. Die tiefere Ursadie für das Streben des OKW, sich stärker in die Fragen der Mil. Verw. einzuschalten, dürfte darin gelegen haben, daß vom Jahre 1943 ab dem westlidien Kriegsschauplatz wieder erhöhtes Interesse zukam. Die taktisdie Führung im Westen ob- lag nämlidi dem OKW (WFSt), wie dies auch auf allen übrigen Kriegsschauplätzen der Fall war mit Ausnahme des russischen, der dem GenStdH vorbehalten war. Der WFSt beim OKW kam daher zwangsläufig mit den Fragen der Mil. Verw. weit mehr in Berüh- rung als der GenStdH, der nur im Osten mit Verwaltungsfragen des besetzten Gebietes Verbindung gewann. Im Osten bestand aber keine einheitliche Mil. Verw. (s. unter II Ziff. 5). Da außerdem die politische Führung der Ostfragen in der Hand des Ostministe- riumsM lag, stand der GenStdH den Problemen der Mil. Verw. in jeder Beziehung fer- ner. Der Wi Stab Ost, der für die wirtsdiaftlidien Ostfragen gebildet war und auf diesem Gebiet einen (sachlich beschränkten), dem fachlichen Weisungsrecht des Vierjahresplanes unterstellten Militärverwaltungsapparat des Ostens darstellte, war übrigens ebenso eine militärische Einrichtung wie die Militärverwaltung, nur daß der Wi Stab Ost seine Spitze nicht im GenStdH/Gen.Qu., sondern im Chef OKW hatte. - Diese Zusammenhänge machen die Bestrebungen des OKW nach stärkerer Einflußnahme in die Fragen der Mili- tärverwaltung verständlidi. Dieser nidit eindeutigen Zuständigkeitsabgrenzung wurde im Sommer 1943 ein Ende ge- setzt durdi den [...]" Erlaß des Chefs OKW vom 23. 6. 1943, der festlegte, inwieweit der Generalquartiermeister in Fragen der Mil. Verw. Handlungsfreiheit besaß, und wie- weit Chef OKW sidi Zuständigkeiten vorbehielt. - Bis zu dieser Regelung werden die Schwankungen in der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen OKW und OKH bei Ausübung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet durdi folgende Erlasse beleuchtet: a) Gem. H. Dv. 90 und OKW Nr. 050/39 g. Kdos. WFA/L II c vom 10. 5.1939 ist dem ObdH sowie den Oberbefehlshabern der Armeen die »Ausübung der vollziehenden Gewalt« im Operationsgebiet übertragen. b) ObdH beauftragte seinerseits mit der Leitung und laufenden Bearbeitung der auf der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet beruhenden Aufgaben den Chef GenStdH. c) Als der Führer mit Befehl vom 19.12.1941 den Oberbefehl über das Heer übernahm, wurde der Chef GenStdH dem Führer unmittelbar unterstellt und die Ausübung der Befugnisse des ObdH als oberste Kommando- und Verwaltungsbehörde dem Chef OKW übertragen. Die Aufgaben und Befugnisse des Chef GenStdH [.. .]·* sind durch den Führerbefehl vom 19. 12. 1941 unberührt geblieben, da dieser nidits an der durch den ObdH vorgenommenen Delegation [.. .]·4 änderte. d) Mit Befehl vom 12. 2. 1942 bestimmte Chef OKW, daß »die Leitung und laufende Bearbeitung der auf der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet beruhenden Aufgaben des ObdH« nadi seinen Weisungen dem GenStdH/Gen.Qu. obliegt. Hiernach nimmt Chef OKW die Ausübung vollziehender Gewalt als ObdH- Aufgabe (nicht als Wehrmachtaufgabe) in Anspruch; er überträgt an Gen.Qu. nicht nur die laufende Bearbeitung, sondern auch die Leitung der auf der Ausübung voll- ziehender Gewalt im Operationsgebiet beruhenden Aufgaben des ObdH. Nach den dem Befehl vom 12. 2. 1942 vorausgegangenen Entwürfen war beabsichtigt gewesen, die Aufgaben des ObdH, die sich aus der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet ergeben, auf den Chef OKW als Wehrmaditaufgabe zu überneh

93 Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete unter Alfred Rosenberg. 94 Im folgenden sind einige Uberflüssige Verweise ausgelassen worden. men. Ausgenommen davon sollten diejenigen Gebiete sein, die mit den Operationen im unmittelbaren Zusammenhang stehen. Durch ergänzenden Befehl des Chefs OKW hatte Bestimmung dahin getroffen werden sollen, daß Gen.Qu. unter Leitung des WFSt die Aufgaben, die sich aus der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Opera- tionsgebiet ergeben, weiterführt. e) Mit Befehl vom 1.10.1942 ermächtigte der Führer in Ergänzung seines Befehls vom 19.12.1941 [.. .]·4 den Generalfeldmarsdiall Keitel zur Entscheidung aller Angele- genheiten, die nicht die operative Führung betreffen, entsprechend den früher erteil- ten Befugnissen. - Chef GenStdH ist also eindeutig in Angelegenheiten, die die Aus- übung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet betreffen, dem Chef OKW unterstellt. f) Überschneidungen in der Zuständigkeit des OKW/WFSt und des GenStdH/Gen.Qu. machten im Ansdiluß an den [.. .]·« OKW-Befehl vom 12. 2.1942 eine schärfere Ab- grenzung derjenigen Sachbereiche erforderlich, die das OKW sich vorbehielt. Diese erfolgte durch den Erlaß des Chefs OKW vom 23. 6. 1943 (OKW/WFSt/Qu (Verw.) Nr. 519/43)·5. - Interessant ist, daß vorher der Chef WFSt (gez. Gen. d. Art. Jodl) mit einem an den Chef GenStdH (Gen. d. Inf. Zeitzier) gerichteten Schreiben vom 5. 4. 1943 Nr. 01488/43 geh. WFSt/Qu (Verw.) die Forderung erhoben hatte, daß die Leitung der Militärverwaltung im Westen auf den WFSt übergehen solle. Dabei wolle sich der WFSt zur Durchführung dieser Aufgabe der Abt. Kriegsverwaltung des Gen. Qu. bedienen, die insoweit an die Weisungen des WFSt gebunden werden sollte. Chef GenStdH hat mit Schreiben vom 11. 5. 1943 Gen.Qu. 11/2953/43 geh. der unmittel- baren Unterstellung einer ihm zugehörigen Abteilung unter den WFSt scharf wider- sprochen. [...]··

3. Abteilung Kriegsverwaltung beim Gen. Qu. Zur Aufsicht über die Militärverwaltung in den besetzten Feindgebieten war beim Gene- ralquartiermeister eine besondere Abteilung Kriegsverwaltung97 (Abt. II) gebildet, die einem höheren Generalstabsoffizier unterstand. Neben Arbeitsgruppen für die rein mili- tärischen Belange (Organisationsfragen, Kriegsstärkenachweisungen, Kriegsgefangenen- wesen, Räumung usw.) bestand eine Gruppe für Verwaltungstiagen und eine für Wtrt- schaftsfragen. Bei der Gruppe Verwaltung lag das Schwergewicht in der Behandlung der Organisa- tionsfragen der Mil. Verw. und in der Personalbewirtsdiaftung. Die Einrichtung der Mil. Verw. in den besetzten Gebieten mußte jeweils den besonderen Verhältnissen des Landes angepaßt werden'8 und zeigte je nach Art der politischen Verhältnisse in den verschiede- nen Ländern Besonderheiten. Nicht zuletzt bedurfte es einer ständigen Abschirmung der Militärverwaltungen gegenüber störenden Eingriffen von dritter Seite in ihre Arbeits-

96 Keitel bestimmte in Ergänzung seines Befehls vom 12. 2.1942, daß er grundlegende Weisun- gen für Aufgaben, die sich mit der Ausübung der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet stellten, dem GenStdH über den WFSt erteilen werde. Seine Entscheidung war in folgenden Angelegenheiten vorher über den WFSt herbeizuführen: Bei allgemeinen Anordnungen von besonderer, vor allem politischer Tragweite sowie in Fragen, die das Verhältnis zu den ande- ren Wehrmachtteilen, die Zuständigkeiten der Reichsbehörden oder die Beziehungen zur französischen Regierung und zu Behörden anderer besetzter Gebiete betrafen. Vorbehalten hatte sich Keitel auch die Entscheidung bei Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in den besetzten Ländern. 98 Wortlaut des Erlasses v. 23. 6.1943; siehe Anmerkung 95. 97 Vgl. S. 106. 98 Die organisatorische Anpassung der Besatzungsverwaltung an die Verhältnisse im eroberten Land wurde auch in den »Arbeitsrichtlinien für die Militärverwaltung« vom Frühjahr 1940 empfohlen. In der Praxis war das aus politischen und militärischen Gründen nur bedingt möglich, so ζ. B. im Falle der französischen Departements Nord und Pas-de-Calais (siehe S. 118). gebiete. So galt es, Sonderwünsche einzelner Ressorts abzuwehren, die bald eine stärkere Heraushebung ihrer Interessen innerhalb der Mil. Verw. durch entsprechende Organisa- tionsmaßnahmen forderten, bald anstrebten, durdi die Einsetzung eigener Exponenten außerhalb der Mil. Verw. ihren Einfluß im besetzten Gebiet zu verstärken. Aber audi gegen die Eingriffe der Truppe oder sonstiger militärischer Dienststellen mußte die Mili- tärverwaltung immer wieder geschützt werden®·, damit sie die ihr von der zentralen Planung des Reichs übertragenen Aufgaben erfüllen konnte. Schließlich war es Aufgabe der Gruppe Verwaltung beim Generalquartiermeister, in dem auf mehrere Heeresgrup- pen aufgeteilten Operationsgebiet des Ostens eine einheitlidie Linie in der Behandlung der Verwaltungs- und Finanzprobleme seitens der Heeresgruppen sicherzustellen. Bei der Personalbewirtschaftung durdi die Verwaltungsgruppe handelte es sidi im wesentlichen um die Bedarfsanforderungen und Personalvorschläge gegenüber den Reidisressorts, um die Auswahl von Personal aus den freien Berufen, um die Zuweisung der einberufenen MV-Beamten an die einzelnen Militärverwaltungen, um den Personal- ausgleidi und um die Entlassung der MV-Beamten. Besondere Sorge wurde dem das ge- samte Verwaltungsorgan naturgemäß stark bewegenden Fragenkomplex der Rechtsstel- lung der Militärverwaltungsbeamten zugewandt [.. .],oe; den Bemühungen des Gen. Qu. waren in dieser Beziehung niemals Erfolge besdiieden. Die Zahl der auf den einstigen Kriegssdiauplätzen eingesetzten MV-Beamten belief sidi in den Zeiten des stärksten Kräfteeinsatzes auf bis zu 1000101 in Frankreich, bis zu 400 in Belgien, bis zu 300 im Südosten, bis zu 175 im Osten und 950 in Italien, so daß jeweils 2000 bis 3000 MV-Beamte durch die Verwaltungsgruppe des Generalquartiermeisters zu betreuen waren. Auf dem Gebiet der Wirtschaft mußte der Generalquartiermeister sidi im wesentlichen darauf beschränken, die Belange der reichszentralen Wirtschaftsstellen mit den Notwen- digkeiten der militärverwalteten Gebiete abzustimmen und zwischen den beteiligten Stel- len zu vermitteln10'. So hat er insbesondere vermittelnd eingegriffen, wenn Forderungen der deutschen Kriegswirtschaft mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten der besetzten Ge- biete nicht in Einklang zu bringen waren. Audi bei widersprechenden Wünschen der Reidisressorts an die Militärverwaltungen schaltete sich der Generalquartiermeister aus- gleichend ein. Die grundsätzliche von den Militärverwaltungen gehaltene wirtschaftliche Linie ging also nicht auf Entscheidungen des Generalquartiermeisters und nidit auf eigene Maßnahmen der Militärbefehlshaber (Militärverwaltungen) zurück, sondern beruhte auf den durch die zentralen Wirtschaftsstellen des Reichs ausgegebenen Richtlinien und erteil- ten Aufträgen. Wo nicht die fachliche Zuständigkeit eines Reidisressorts gegeben war, d. h. also außer- halb des Bereichs der eigentlichen Verwaltung und Wirtschaft, ergingen die fachlichen Weisungen durch den Chef OKW/WFSt oder durch den Gen.Qu. Dies trifft zu vor allem für die mit der Sicherung der Besatzungsmadit103 zusammenhängenden oder sich aus sonstigen militärischen Erfordernissen ergebenden Fragen. Hier lag jedoch bei der füh-

M Eigenmächtigkeiten der Truppe beeinträchtigten die Arbeit der Besatzungsverwaltung auf sehr vielen Gebieten: Von der Mißachtung eines Belegungsverbots für kunstgeschichtlich wertvolle Gebäude über die uneinheitliche Rechtsprechung bis zu unkontrollierbaren Requisitionen und Einmischungen in die landeseigene Verwaltung. 100 Verweis auf Abschnitt IV Ziff. 5 des Berichts, »Rechtsstellung des Beamtenkorps«. Dieser Teil ist beim Druck fortgelassen worden, da zu dieser Frage alles Wesentliche bereits auf S. 116 ausgeführt ist. 101 Tatsächlich bis zu 1200. 102 Die Weisungen an die Militärverwaltungen auf dem wirtschaftlichen Sektor ergingen ohne Einschaltung der Abt. Kriegsverwaltung. Diese trat erst in Aktion, wenn sich irgendwelche Schwierigkeiten eingestellt hatten. 103 Nach den ersten Meinungsverschiedenheiten mit den Militärbefehlshabern über angemessene Sühnemaßnahmen in den besetzten Westgebieten traf Hitler selbst die Entscheidungen. Der Ermessensspielraum der Befehlshaber wurde immer weiter eingeengt, die unmittelbaren Eingriffe Hitlers bzw. Keitels nahmen ständig zu. renden Stellung des OKW gegenüber dem OKH/Gen.Qu. in allen grundsätzlichen Be- satzungsfragen (vorstehend Ziff. 2) das Schwergewicht beim OKW. Der Generalquartier- meister mußte sich zumeist auf die Vermittlerrolle beschränken, sofern nicht überhaupt der unmittelbare Befehlsweg vom OKW zu den Militärbefehlshabern unter nachträg- licher Benachrichtung des Gen.Qu. beschritten wurde. Es ist selbstverständlich, daß in vielen, gerade in grundsätzlichen Fragen zwischen OKW und GenStdH/Gen.Qu. sachliche Meinungsverschiedenheiten bestanden, und ebenso selbstverständlich ist, daß GenStdH/Gen.Qu. bzw. die Militärbefehlshaber, wenn OKW sich etwaigen Gegenvorstellungen verschloß, die Befehle des OKW auszuführen hatte. Meist lagen die Dinge so, daß GenStdH/Gen.Qu. sich infolge seiner engen Beziehungen zu den Militärverwaltungen und seines hierauf beruhenden besonderen Verständnisses für deren Wünsche sich diese zu eigen machte und sie dem OKW gegenüber vertrat. Selbstver- ständlich ist schließlich, daß das OKW allein in der Lage war, die Dinge von höchster Warte zu übersehen und daß nur das OKW die politischen, bei der Entscheidung ins Ge- wicht fallenden Umstände kannte und zu werten wußte104. Die Akten ergeben eine Viel- zahl von Fällen, in denen OKH/Gen.Qu. sich immer wieder zum Anwalt von Anregun- gen oder Vorschlägen der Militärbefehlshaber gegenüber dem OKW machte, sich aber nicht durchsetzen konnte: mochte es sich um die vom Militärbefehlshaber Serbien drin- gend erbetene Zustimmung zur Schaffung eines serbischen Zentralorgans (Landtag) han- deln, oder um den Vorschlag des Mil. Befh. Belgien, die belgische Strafjustiz in bestimm- ten Fällen in Strafverfahren gegen belgische Staatsangehörige einzuschalten, oder um den vom OKW gewünschten Umtausch der Radioapparate in Belgien, den der Mil. Befh. für praktisch undurchführbar erklärte, oder um den vom Mil. Befh. in Frankreich immer wieder beantragten Erlaß einer Verordnung zur Bekämpfung des Schiebertums oder um dessen Bitte, in Anbetracht der bevorstehenden Invasion (Mai 1944) vom Austausch der »zwei Jahre in Frankreich tätigen MV-Beamten« abzusehen, oder um den Antrag des Mil. Befh. Südost, vom Abtransport einer in Saloniki gefundenen, der griechischen Regie- rung feierlich überreichten Statue nach Deutschland abzusehen. Bei all diesen Anregungen und Vorstellungen der Mil. Befh. und der Militärverwaltungen machte sidi der Gen.Qu. zu ihrem Sprecher und befand sich somit im Gegensatz zur Auffassung des OKW, das aus politischen Gründen oder aus der Kenntnis größerer Zusammenhänge diese Vorschläge ablehnend besdiied. Eine Frage von besonderer Bedeutung, bei der sich der Gen.Qu. immer wieder zum Anwalt der übereinstimmenden Wünsche aller Mil. Befh. machte, war die Deportation von Arbeitern aus den besetzten Gebieten in das Reichsgebiet, gegen die sich Gen.Qu. mit den Mil. Befh. stets erfolglos zur Wehr setzte105. [.;·]10β Die Auflösung der Abt. II erfolgte am 20. April 1945; ihre Aufgaben wurden in einem umfangreichen Referat Verwaltung in der Gruppe Feldwirtschaft und Verwaltung zu- sammengefaßt.

104 Eine schwache Reverenz gegenüber dem bei Abfassung der Berichts - verglichen mit dem OKH - bereits allmächtigen OKW, das die Tätigkeit der Militärverwaltungsreststäbe mit Mißtrauen beobachtete und in Abständen überprüfte. Die Schlußberichte sollten dem OKW noch vorgelegt werden. - In der Praxis fielen die Entscheidungen des OKW meist ohne nähere Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und waren häufig in allgemeiner Form für alle besetzten Gebiete gedacht. Das OKH machte sich dann zum Fürsprecher der Militärbefehls- haber und suchte eine Modifizierung der pauschalen Bestimmungen zu erreichen, so etwa bei der Zahl der nach einem Attentat auf einen deutschen Soldaten zu erschießenden Geiseln, wo nach Meinung des OKH und der Militärbefehlshaber zumindest eine Unterscheidung zwischen Ost- und Westeuropa angebracht war. 106 Die Mil.Befh. verwiesen auf die Rückwirkungen, die der Arbeitseinsatz auf die Ausbreitung der Widerstandsbewegungen und auf die Erledigung der an die Industrien der besetzten Gebiete vergebenen Aufträge hatte. 109 Es folgen Ausführungen über die zahlenmäßige Stärke der Abt. Kriegsverwaltung und über die Befugnisse ihrer Beamten. Anschließend sind die Ortsveränderungen des Stabes des Gen.Qu. während des ganzen Krieges zusammengestellt. IV. Schwierigkeiten in der Arbeit der Militärverwaltungen

1. Allgemein Die Leistungen der Militärverwaltungen in den besetzten Gebieten erscheinen erst dann im richtigen Licht, wenn man sich die Schwierigkeiten vergegenwärtigt, unter denen sie erbracht wurden. Es handelt sidi hier nicht um die Schwierigkeiten einer Verwaltung in Feindesland mit einer mehr oder weniger ablehnenden Regierung, Verwaltung und Bevölkerung; audi ist hier nicht gedacht an die Schwierigkeiten, die sich aus der knappen Personalbesetzung ergaben, die in keinem Verhältnis stand zur Größe und Mannigfaltigkeit der Aufgaben. Diese Schwierigkeiten gehören zum Wesen einer Kriegsverwaltung in Feindesland. Viel schwerer wiegen die nicht in der Sache begründeten, sondern aus Maßnahmen oder dem Verhalten der Besatzungsmacht selbst erwachsenen Schwierigkeiten. Durch die Berichte sämtlicher Militärverwaltungen schälen sich übereinstimmend diese Schwierigkeiten und Mängel - für die einzelnen Länder in verschiedenen Abstufungen - heraus. Die Klagen gipfeln, wenn von der vorstehend unter III Ziff. 1 behandelten Frage des Einbaus der obersten Spitze der Mil. Verw. und dem darauf beruhenden Fehlen einer starken Vertre- tung ihrer Belange in der Zentrale abgesehen wird, in der mangelnden Einheit der deut- schen Besatzungsverwaltung, da zahllose Dienststellen der Einwirkungsmöglichkeit der Mil. Verw. entzogen waren und sich auf eigene Faust sogar in Arbeitsbereichen der Mil. Verw. betätigten, sodann in den Eingriffen der Truppenführung, die den Aufgaben der Mil. Verw. vielfach fremd gegenüberstand und die eigenen Bedürfnisse über die gesamt- deutschen Notwendigkeiten zu stellen geneigt war. Ferner in den Eingriffen und Zustän- digkeitsbeschränkungen seitens des Kommandosektors, sodann in der Erschwerung der Fühlungnahme mit der einheimischen Bevölkerung und damit der erschwerten Gewin- nung unmittelbarer Information und schließlich in den ewigen Abbauverlangen, die in Widerspruch standen zur ständigen Erweiterung des Aufgabenkreises. Ganz allgemein litten die Militärverwaltungen unter dem Gefühl des fehlenden Rückhalts bei den militä- rischen Zentralstellen107, von denen sie wenig oder keine Beweise der Anerkennung und Aufmunterung erhielten. Verstärkt wurde dieses Gefühl durch die stete Verschlechterung der Rechtsstellung des MV-Beamtenkörpers in Verbindung mit seiner Behandlung in der Auszeichnungsfrage108.

2. Mangelnde Einheit der Verwaltung [.. .]»«· Zur Beseitigung der Aufsplitterung der Verwaltung hat OKH/GenStdH/Gen.Qu. in einem Bericht an einen mit Spar- und Abbaumaßnahmen betrauten »Sonderstab General Jost bei Chef OKW« unter dem 28. 3.1944 Nr. II 2720/44 folgenden Vorschlag gemacht: »Immer wieder muß in Obereinstimmung mit den Ergebnissen aller bisherigen Spar- aktionen eindeutig festgestellt werden, daß in den besetzten Gebieten Sparmaßnahmen innerhalb der einzelnen Verwaltungen heute keine personellen Einsparungen mehr er- bringen. Die Mängel, deren Beseitigung zu erheblichen Einsparungen führen würde, lie- gen neute nicht mehr in der Überbesetzung einzelner Dienststellen, sondern darin, daß zahlreiche Verwaltungen und Dienststellen bestehen, die in dem betreffenden Gebiet nicht einheitlicher Führung unterworfen sind, sondern sich unabhängig voneinander betätigen mit dem Ergebnis einer Schwächung der Stoßkraft der Verwaltung einerseits, eines unend- lichen Personalverbrauchs andererseits.

Die Tätigkeit der immer wieder zur Personaleinsparung eingesetzten Stäbe und Sonder-

107 Gemeint ist das OKW. loe Vgl. S. 128, Anmerkung 100. - Die Angehörigen der Militärverwaltungen hatten im Verhält- nis zu ihren Kollegen im Wi Stab Ost oder in der Verwaltung des Reiches, erst recht aber verglichen mit den Offizieren und Wehrmachtbeamten auffallend wenig Auszeichnungen erhalten. Trotzdem wurde ein Antrag des Gen.Qu. vom November 1944, die führenden Beamten der ehemaligen Militärverwaltungen auszuzeichnen, vom Heerespersonalamt nicht an Hitler weitergegeben. 109 Verweis auf Abschnitt I Zifl. 16 und 19 bis 21. beauftragten muß deshalb im wesentlichen unproduktiv sein, solange ihre Aufgabe dahin beschränkt ist, die einzelnen Verwaltungszweige und Dienststellen auf die Entbehrlichkeit der einen oder anderen Arbeitskraft zu durchleuchten. Gewaltige Personaleinsparungen würden hingegen erzielt werden, wenn endlich eine radikale Zusammenfassung aller im besetzten Gebiet vorhandenen, nicht zum Kampf eingesetzten Dienststellen unter dem Mil. Befh. sidi erreichen ließe. Die Überwachung des hierdurch ermöglichten gewaltigen Personalabbaus und des hiermit verbundenen rationellen Arbeitseinsatzes würde allein den Einsatz dieser Stäbe und Sonderbeauftragten rechtfertigen und erforderlich madien.« Erst wenige Tage vor dem Fall von Paris hat man die Folgerungen aus dem Fehlen ein- heitlicher Befehlsgewalt gezogen, als durch Führerbefehl vom 7. 8.1944 - WFSt/Qu 2/Verw. 1 Nr. 06062/44 g - ein »Kommandierender General und Wehrmaditbefehls- haber von Paris«110 eingesetzt wurde, der nadi dem Wortlaut des Befehls »zur Erfül- lung dieser Aufgaben weisungsberechtigt ist an alle Dienststellen der Wehrmacht und Waffen-SS, der Gliederungen und Verbände außerhalb der Wehrmadbt sowie an Partei- dienststellen und zivile Dienststellen«111.

3. Störungen von dritter Seite a) Ein besonderes Kapitel bildeten die Eingriffe der Truppenführung in den Aufgaben- bereich der Mil. Verw. Es war verständlidi, wenn die Truppe zunächst an sich selbst dachte und ihre eigenen Interessen über alles andere stellte. Vor allem war dies der Fall bei Truppenteilen, die vom Osten kommend erstmalig im Westen eingesetzt wur- den. Die Truppe war vielfach geneigt, der Mil. Verw., die Maßnahmen und Wünschen der Truppe oftmals Einhalt gebieten mußte11*, schlappe Haltung gegenüber der ein- heimischen Verwaltung und Bevölkerung sowie mangelndes Verständnis für soge- nannte Truppenbelange vorzuwerfen. Erst allmählidi erkannte dann die Truppe, daß dieses Bremsen der Mil. Verw. einzig und allein im Interesse der Gesamtplanung des europäischen Raumes erfolgte. Hatte die Truppe Verständnis dafür gewonnen, so ver- sdiwand sie und wurde durch neue Einheiten abgelöst, mit denen sich die gleichen Schwierigkeiten ergaben. b) Bedeutsamer und zunächst unverständlicher waren die Eingriffe, Übergriffe und Zu- ständigkeitsbesdiränkungen, denen die Militärverwaltungen durch den Kommando- sektor des Mil. Befh., also durch den militärischen Gegenspieler in der eigenen Orga- nisation unterworfen waren118. Diese Schwierigkeiten hingen zum Teil von den im Verwaltungssektor wie im Kommandosektor führenden Persönlichkeiten ab114, wirk- ten sich deshalb in den einzelnen Feindgebieten in versdiiedenem Maße aus. Diese Schwierigkeiten hatten ihre Wurzeln in einer Mehrzahl von Tatbeständen: Die durch Gen.Qu. auf Vorschlag der obersten Reidisbehörden in der Mil. Verw. eingesetzten Persönlichkeiten im Bereich der Verwaltung und Wirtschaft waren regel- mäßig Kenner ihres Fachs und verrichteten in Feindesland eine ihrer Vorbildung und heimischen Tätigkeit entsprechende Arbeit. Demgegenüber setzte sidi der Kommando- sektor115 aus - meist älteren - Reserveoffizieren der verschiedensten Berufe zu- sammen, die deshalb dorthin einberufen waren, weil sie aus Gesundheits- oder Alters- gründen oder wegen sonstiger Ursachen für den Truppendienst nicht mehr oder zur- zeit nicht in Frage kamen. Der Offizier im Kommandostab fühlte sidi in dieser Tätig-

110 General d.Inf. Dietrich v. Choltitz. 111 Die Ausstattung des militärischen Befehlshabers von Groß-Paris mit den Befugnissen eines Wehrmachtbefehlshabers erfolgte lediglich im Hinblick auf die bevorstehende Verteidigung der Stadt, wie auch gleichzeitig den Festungskommandanten timfassende Befehlsgewalt eingeräumt wurde. Paris war kein Beispiel für den vom OKH und den Militärbefehlshabern angestrebten Ausbau der Stellung des Territorialbefehlshabers. 112 Bezüglich der zu beanspruchenden Quartierleistungen, bei der Beschaffung von Lebens- und Futtermitteln, bei der Erfassung von Kraftfahrzeugen usw. 118 Zu den Ressentiments der Verwaltung gegenüber dem Kommandostab siehe S. 109 f. 114 Für die Verhältnisse in Frankreich, auf die sich die eigenen Erfahrungen des Berichterstatters stützen, galt das vor allem für die Anfangszeit unter dem Chef der Militärverwaltung General Streccius und dem Militärbefehlshaber General Otto v. Stülpnagel. 115 Das folgende Urteil über die Kommandostäbe der Mil.Befh. wird den tatsächlichen Verhält- keit um so weniger befriedigt, als es sich hier um eine dem Offizier immerhin ferner- liegende Verwaltungstätigkeit handelte, zu der er meist weder Lust noch Eignung mit- brachte. Zudem spielte sich diese »Verwaltungstätigkeit« im Kommandosektor im Gegensatz zum allumfassenden Tätigkeitsgebiet der Mil. Verw. auf eng begrenzten Sachgebieten (ζ. B. Kriegsgefangene, Passierscheine) ab, so daß es sich hier weniger um »Verwaltung« als vielmehr um »technischen Vollzug« handelte118. Mit fortschreitender Besatzungsdauer und mit zunehmender Verlagerung der »militä- rischen« Aufgaben vom Kommandosektor des Mil. Befh. auf die Truppenbefehls- haber (Heeresgruppen, AOK, AK) geriet die Arbeit des Kommandosektors immer stärker in die Abhängigkeit der Truppenführung und konnte sich zu eigener Gestal- tung nicht mehr entfalten. Es mag sein, daß die Gründe für die weitgehende Über- nahme der Kommandofunktionen117 auf die Truppe und die Unterstellung des Kommandosektors unter die Truppenführung118 auch in dem passiven Verhalten des Kommandosektors gegenüber den militärischen Aufgaben der vorangegangenen Jahre lagen. - Umgekehrt gewannen die Aufgaben der Mil. Verw. im Laufe der Besetzung an Umfang, Bedeutung und - an Schwierigkeiten. Es war daher durchaus verständ- lich, daß vom Kommandosektor als Ersatz für verlorene Arbeitsbereiche die Über- nahme von Teilen des allumfassenden, nahezu unbegrenzten Tätigkeitsbereichs der Mil. Verw. erstrebt wurde. Einer solchen Verlagerung der Arbeitsgebiete von der Mil. Verw. auf den Kommandosektor gab audi die Tatsache Auftrieb, daß der Kommando- sektor mit überreichem Personalaufwand zu arbeiten vermochte, während der Ver- waltungssektor sich schon wegen der Schwierigkeit des Personalersatzes äußerster Sparsamkeit befleißigen mußte. Jede Anforderung des Kommandosektors konnte aus dem nahezu unerschöpflichen Reservoir der Offiziere erfüllt werden, soweit nicht überhaupt der einfachere Weg der »Kommandierung« aus den unterstellten Einheiten beschritten wurde. Waren bis dahin die Aufgaben der Mil. Verw. auf den betreffenden Sachgebieten von wenigen, aber erstklassigen Fachkräften unter weitgehender Heran- ziehung der einheimischen Verwaltung gemeistert worden, so war die zwangsläufige Folge der Überleitung von Aufgabenbereichen aus der Mil. Verw. auf den Kommando- sektor der Einsatz eines Vielfachen an Personal bei günstigsten Falles gleichem Nutz- effekt. Beispiele für solche unökonomischen Verlagerungen bildete das Kraftfahr- wesen, die Treibstoffbewirtsdiaftung, das Transportwesen, der Straßen- und Brücken- bau. Überall da, wo verwaltungsmäßige Vorbildung und Erfahrung erforderlich ist, arbeiten einige wenige routinierte Fachkenner nicht nur schneller, sondern audi besser als ein Mehrfaches an fachlich nicht vorgebildetem Personal, wie es in den älteren Reserveoffizieren aus den verschiedensten Berufsschichten geboten wurde. - Die Akten aller Militärverwaltungen geben ein anschauliches Bild von solchen Bestrebun-

nissen nicht gerecht. Neben dem sicherlich vorhandenen Unverständnis der Offiziere - der Berufs- wie der Reserveoffiziere - für die Erfordernisse einer geordneten Verwaltung ist nicht zu übersehen, daß auch manche Eingriffe militärisch nun einmal notwendig waren. Der mili- tärische Führer trug außerdem die Verantwortung für die gesamte Besatzungsverwaltung, was ζ. B. im Falle Frankreichs bei den Sühnemaßnahmen - eine der großen Kontroversen zwischen Verwaltungs- und Kommandostab - zu einem nervenaufreibenden Alptraum wurde. Völlig übersehen wird die Tätigkeit der bei der Verwaltung unbeliebten Abteilung Ic und, seit 1943, die Bekämpfung des Widerstandes mit militärischen Mitteln - eine der Hauptauf- gaben der Militärbefehlshaber. Es handelt sich in erster Linie um die Ausdehnung der Kampfzonen der Armeen schon vor der Invasion - die Kritik bezieht sich auf den Westen in denen die Befugnisse des Militär- befehlshabers auf den Armeeoberbefehlshaber übergingen. Die Verwaltung setzte ihre Tätigkeit in diesen Landesteilen mit einigen Auflagen bis zum Kampffalle fort. Die Unterstellung nicht nur des Kommandosektors, sondern der gesamten Dienststelle der Miütärbefehlshaber unter die Truppenführung begann mit der Einsetzung eines Ober- befehlshabers West im Oktober 1940. Daß diese Unterstellung gegen Ende der Besatzungs- zeit besonders augenfällig wurde, lag nicht an dem »passiven Verhalten« des Kommando- sektors, sondern an den militärischen Vorbereitungen zur Abwehr der erwarteten Invasion. gen des Kommandosektors nach Übernahme von Verwaltungszuständigkeiten. Viel Kraft ist hier unnötig aufgewandt worden. c) Schwierigkeiten entstanden in der Arbeit der Mil. Verw. auch durdi die Tätigkeit des SD119. Hier handelt es sidi nicht um die Tatsache der Abtrennung der polizeilichen Funktionen von denen der Verwaltung, über die unter I Ziff. 18 gesprochen wurde, sondern von den Maßnahmen des SD und seiner Arbeitsweise. Die Tätigkeit des SD bei der Bekämpfung umstürzlerischer Bewegungen, von Verbrechern und von asozia- len Elementen aller Art kann hier nicht Gegenstand kritisdier Würdigung sein; sicher- lich hat der SD auf diesen Gebieten große Verdienste. Auf das unmittelbarste wurde die Arbeit der Mil. Verw. berührt durch die Maßnahmen des SD gegen prominente Persönlichkeiten der einheimischen Verwaltung und Wirtschaft. So gut die Unterrich- tung des SD auf anderen Gebieten gewesen sein mag: hinsichtlidi der Exponenten von Verwaltung und Wirtschaft war der SD deshalb vielfach falsch unterrichtet, weil die vermeintlidien Belastungen gegen diese Persönlichkeiten aus Kreisen kamen, die gute Verbindungen zu umstürzlerischen Bewegungen und in die Verbrecherwelt gehabt haben mögen; zu den führenden Persönlichkeiten in Verwaltung und Wirtschaft hat- ten diese V-Leute120 im allgemeinen keine oder jedenfalls nur lose und schlechte Be- ziehungen, so daß sich aus dieser fehlerhaften Orientierung Fehlmaßnahmen am lau- fenden Band, insbesondere in Gestalt der vielfachen Verhaftungen, ergaben. Dies störte um so mehr, wenn die Mil. Verw. mit verhafteten Persönlichkeiten oder mit Personen, die diesen enger verbunden waren, in dienstlichem oder geschäftlichem Ver- kehr stand, d. h., wenn solche Persönlichkeiten für die Besatzungsmacht tätig und daher für sie wichtig waren. Es ließ sich meist nicht erreichen, daß der SD vor derartigen Verhaftungsaktionen mit den leitenden Männern der Mil. Verw., sei es in der Zentrale oder in den Bezirken, in Verbindung trat121; dann wäre die Zahl der Fehlmaßnahmen erheblich eingeschränkt worden; Geheimhaltungsgründe rechtfertigten diese Unterlassung nicht; die Männer der Mil. Verw. waren nicht minder zuverlässig wie die des SD122, vermochten aber die Gesamtzusammenhänge besser zu übersehen. Daß die weit überwiegende Mehrzahl aller Verhaftungen der in Rede stehenden Art unnötig war, ergibt sich daraus, daß fast regelmäßig nach einiger Zeit die Freilassung der Inhaftierten erfolgen mußte, weil entweder eine Schuld nicht nachgewiesen oder die Unschuld erwiesen wurde. Dies zeigt auch, daß der SD allzu großzügig und vor- sorglich an Verhaftungen herangegangen ist. Auch das ganze Drum und Dran der Inhaftierungen Prominenter diente nicht gerade der Förderung der Zusammenarbeit zwischen der deutschen und einheimischen Ver-

119 Die Schilderung der Schwierigkeiten, denen die Militärverwaltungen auf Grund des Vor- gehens der Sicherheitspolizei und des SD zu begegnen hatten, bezieht sich wiederum nur auf die Verhältnisse in Frankreich, wie aus einem Textvergleich mit dem Verwaltungsbericht für Frankreich schnell zu ersehen ist. Zwar geht der Abschlußbericht der Abt. Justiz mit Sicherheitspolizei und SD noch strenger ins Gericht, im allgemeinen empfahl sich aber - die Pariser Ereignisse vom 20. Juli 1944 lagen noch nicht allzu lange zurück-eine vorsichtige Kritik, immer vom Standpunkt einer größtmöglichen Effektivität der Besatzungsverwaltung aus. 120 Vertrauensleute. 181 Diese Klage erhebt auch der Abschlußbericht der Abt. Verwaltung und Wirtschaft des Kom- mandanten des Heeresgebietes Südfrankreich (MA, ohne Signatur, Bestand Mil.Befh.Frank- reich), S. 26: »Auf Grund von Sonderlisten, die der Militärverwaltung nicht bekannt waren, führte der SD laufend Verhaftungen von zum Teil leitenden Beamten durch, ohne die Ver- waltung hiervon in Kenntnis zu setzen. Durch diese Maßnahmen sind in wiederholten Fällen wichtige Verhandlungen gestört worden. Zum Teil mußte sogar auf die Mitarbeit französi- scher Behörden auf gewissen Gebieten ganz verzichtet werden, da die maßgeblichen Beamten in der Zwischenzeit vom SD verhaftet worden waren. Auch über die Gründe solcher Ver- haftungen wurde die Militärverwaltung niemals ausreichend unterrichtet. Antworten auf derartige Anfragen wurden entweder überhaupt nicht oder erst auf wiederholte Rückfrage erteilt.« 122 Was der SD nicht ohne Grund bezweifelte, gerade im Falle der Pariser Militärverwaltung. waltung und Wirtschaft oder der gegenseitigen Annäherung. Gerade der Ausländer, vor allem der Westländer, hat kein Verständnis dafür, wenn der Verhaftete über den Grund seiner Verhaftung nicht unterrichtet wird, wenn ein Verhör entweder über- haupt nicht oder erst nach geraumer Haftzeit stattfindet und wenn die Familien- oder Betriebsangehörigen nicht die geringste Mitteilung über den Verbleib des Familien- oberhauptes oder Betriebsführers erhalten. Unendlich viel Mitarbeitswille und viel Ver- ständigungsbereitschaft, auf die man bei der Mil. Verw. für die Erreichung der gestellten Aufgaben angewiesen war, ist durch solche Maßnahmen zerschlagen [worden]128. d) Audi die Propagandaabteilungen haben die Einheimischen vielfach an der Sauberkeit deutscher Absichten und Maßnahmen irre werden lassen und dadurch mehr von der Mitarbeit abgeschreckt als für sie gewonnen114. Diese Schwierigkeiten haben eben- falls ihre Wurzeln letztlich in der Herauslösung dieser Arbeitsbereiche aus der einheit- lichen Verwaltung. Wenn auch nach der äußeren Konstruktion gewisse Verbindungen der Propaganda zu den Mil. Befh. bestanden, so waren sie praktisch wegen der Dop- pelstellung der Propagandaorganisation unbedeutend; eine wirkliche Einflußmöglich- keit der Mil. Verw. auf den Propagandaapparat war jedenfalls nicht gegeben.

4. Sonstige Störungen a) [...]"• b) Erschwert wurde die Arbeit der Mil. Verw. schließlich durch die ständigen »Abbauver- langen«, gegen die sich die Militärverwaltungen zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit immer wieder zur Wehr setzen mußten. Der Abbau von Aufgaben wurde niemals ge- stattet, vielmehr hatte der Abbau immer nur Zahlen zum Gegenstand und wurde stets als eine mathematische Frage (»prozentuale Abstriche«) behandelt. Man konnte sich übrigens dem Eindruck nicht verschließen, daß an diesen immer wiederholten Ab- bauaktionen oft diejenigen12® nicht unbeteiligt waren, die durch Schwächung des Apparates der Mil. Verw. die Voraussetzungen für die erstrebte Übernahme von Ver- waltungsaufgaben (vorstehend Ziff. 3) zu schaffen hofften. Bei den immer wieder be- fohlenen schematischen Kürzungen wurde auch der Tatsache nicht Rechnung getragen, daß die Mil. Verw. eine Vielzahl gänzlich verschiedenartiger Sachgebiete umfaßte, zu deren Betreuung besonders vorgebildete Sachkenner (Spezialisten) erforderlich waren. Die Verwaltungsarbeit wurde schließlich gestört durch sich in kurzen Zeiträumen ab- lösende »Sparkommissionen«. Der Verwaltungsbericht der Mil. Verw. in Frankreich ist in dieser Beziehung sehr aufsdblußreich. Hier soll nur festgehalten werden, daß diese Kommissionen, die mit ernstem Abbauwillen an die Prüfungen herangingen und zweifellos einen tieferen Einbilde in Aufgaben und Arbeitsweise der geprüften Dienst- stellen gewannen, sich zu den wertvollsten Helfern der Mil. Verw. im Kampfe um ihre Arbeitsfähigkeit entwickelten. Sie stellten zu den verschiedenen Zeitabschnitten immer wieder fest, daß die Militärverwaltungen keineswegs überbesetzt waren; sie haben vielmehr durch ihre Feststellungen, daß hier und dort Arbeitskräfte fehlten, die bis dahin abgelehnte Auffüllung von Personallücken ermöglicht.

183 Ergänzung des Bearbeiters. 124 Vgl. Ernst Jünger, Strahlungen, Tübingen 1949, S. 535 f. Eintragung zum 2. 7.1944. - Die Propagandaabteilungen waren Teil der Kommandostäbe, erhielten aber ihre Weisungen vom OKW und aus dem Reichspropagandatninisterium unmittelbar. 126 Als störend empfanden die Militärverwaltungen das zeitweilige Verbot gesellschaftlicher Kontakte zu Bürgern des besetzten Landes. Im Bericht werden die Nachteile angeführt, und zugleich wird - die Ausarbeitung entstand im April 1945 - eine nicht näher belegte englische Vorschrift für Militärverwaltungsbeamte zitiert, die gerade das Gegenteil empfahl. 128 Gemeint ist der Kommandosektor der Mil.Befh. 127 Unter c) lehnt die Abt. Kriegsverwaltung die Erstellung von Kriegsstärkenachweisungen (KStN) für die Militärverwaltungen ab. Der Bericht schließt mit einer sehr ausführlichen Erörterung der »Rechtsstellung des Beamtenkorps« (vgl. S. 116 u. 128).