Die Reformation in Lauf Von Patrick Tattermusch Verbreiten Und Mus, Schlussendlich Auf Anordnung Der Den Anfang Reichsstadt Nürnberg Durchsetzte
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50. Jahrgang Heft 2 Dezember 2017 Die Reformation in Lauf von Patrick Tattermusch verbreiten und mus, schlussendlich auf Anordnung der den Anfang Reichsstadt Nürnberg durchsetzte. Die vom Ende der Frage lautet aber nun, wie es dazu kam. Einheit der Um dies zu beantworten, muss aller- römisch-ka- dings zuerst betrachtet werden, welche tholischen Kir- Missstände in der römisch-katholischen che bedeuten. Kirche herrschten und welche Reformen So ist es nicht Luther genau forderte. verwunderlich, dass heu- Die kirchlichen Krisen des Mittelalters te jeder den Schon vor Luther hatte die katholische Mönch Martin Kirche immer wieder mit schweren Kri- Luther kennt, sen zu kämpfen. Die gesamte mittel- der als Predi- alterliche Geschichte war einerseits ger und Pro- geprägt von der Konsolidierung der fessor schon römischen Kirche und der Erstarkung vor dem 31. des Papsttums, aber andererseits auch Oktober 1517 von tiefgreifenden Konflikten. Päps- immer wie- te wurden von Kaisern ein- und abge- der gegen den setzt und Abweichler von der Lehre der Ablasshandel Kirche, sogenannte Ketzer, wurden er- predigte und barmungslos verfolgt. Für die Gläubigen Ablasshänd- wurden die Auseinandersetzungen vor ler wie Johann allem immer dann gegenwärtig, wenn Tetzel zu sei- plötzlich mehr als ein Papst existierte. nen schärfs- Solche Schismen waren keine Selten- ten Gegnern heit und für die Gläubigen stellte sich zählte. die Frage, welchem Vertreter Christi auf (Abb. 1) Erden sie nun folgen sollten. Das wohl Wenngleich gravierendste Schisma traf die Men- der zum My- schen im Spätmittelalter. Während des thos gewor- „Großen abendländischen Schismas“ dene The- beanspruchten sogar drei Päpste den senanschlag apostolischen Stuhl für sich. Insgesamt am Portal der verdeutlichte vor allem das Spätmittel- Abb. 1: Martin Luther. Der Heiligen Schrift Doktor (1483–1546), Wittenberger alter den evidenten Reformbedarf der Kupferstich, 19. Jhd. Schlosskirche katholischen Kirche. Derjenige, den man versuchte, in die Pflicht zu nehmen und 95 Thesen verändern die Welt zunehmend in Frage gestellt wird1 , so kann nicht in der sich auch selbst in der Pflicht sah zu handeln, wenn die Ordnung der Chris- Das Jahr 2017 steht ganz im Zeichen Zweifel gezogen werden, wie sehr Lu- der Reformation, denn vor 500 Jahren, ther seine Welt veränderte, obwohl er genauer gesagt am 31. Oktober 1517, nie geplant hatte, die römische Kirche schickte der Prediger der Wittenberger zu spalten und eine neue Konfession zu 2 Aus dem Inhalt Stadtkirche und Professor der dortigen schaffen. Universität einen Brief an seinen kirch- Folglich ist es auch nicht verwunderlich, Die Reformation lichen Vorgesetzten. Diesem Brief legte dass sich auch in Lauf an der Pegnitz, in Lauf Seite 1-8 er 95 Thesen bei, die als Grundlage für so wie im ganzen Reich, die Menschen ein theologisches Streitgespräch über die Frage stellten, ob nun die alte oder Heimat Schnaittach? das Thema des Ablasshandels dienen die neue Lehre der richtige Weg sei. Die Geschichte der sollten. Diese 95 Thesen sollten sich Heute wissen wir, dass sich in Lauf die Familie Freimann Seite 9-16 in Windeseile über das gesamte Reich neue Konfession, der Protestantis- 2 Dezember 2017 tenheit gestört war, war auch in dieser Reformation nicht aus Zeit noch der Kaiser.3 Mit König Sigis- heiterem Himmel über mund hatte das Reich zwar noch keinen Deutschland herein, Kaiser, aber dafür einen König, der in sondern baute auf reli- seinem Wahlvertrag 1411 und in einer giösen Strömungen auf, Rede über die Lage des Reiches diver- die sich in den Jahrhun- se Problempunkte thematisierte und derten zuvor in Europa dabei auch das Schisma ansprach.4 Zur entwickelt hatten.7 Lösung des Schismas wurde ein großes Konzil in Konstanz einberufen. Es tag- Luther und seine Zeit te von 1414 bis 1418 und kam seiner Will man das Zeital- Aufgabe, nämlich der Beendigung des ter der Reformation großen Schismas, nach, indem es die auf einen bestimmten drei Päpste absetzte und mit Martin Zeitraum begrenzen, V. einen neuen Papst wählte. Dennoch wie es die Geschichts- konnte auch der Konziliarismus des 15. wissenschaft für ge- Jahrhunderts die weiteren Probleme der wöhnlich versucht, so Kirche nicht lösen. So ist es nicht ver- werden die Eckdaten wunderlich, dass Nikolaus Cusanus in dieser Epoche zum seiner „Concordantia Catholica“ beklag- einen durch Luthers te, dass es keine allgemeine Sorge um „Thesenanschlag“ 1517 das Gemeinwohl mehr gebe und dass und zum anderen durch die geistlichen Fürsten im Reich zu sehr den Augsburger Reli- an weltlichem Besitz interessiert seien.5 gionsfrieden 1555, der Um diese Aussage zu verstehen, muss erstmals die Existenz man sich vor Augen halten, dass ein einer zweiten christli- mittelalterlicher Bischof oder Erzbischof chen Kirche im Heili- dem Adel entstammte. Neben seinem gen Römischen Reich geistlichen Amt übte er auch immer anerkannte, determi- das eines weltlichen Fürsten aus. Das niert.8 Die Menschen bedeutet, dass ein Bischof Landesherr der damaligen Zeit Abb. 2: Der Gasthof zum Wilden Mann bot 1414 Jan Hus Unterkunft sein konnte. Er vergab Lehen, zog in den waren sehr fromm und auf seiner Reise nach Konstanz, 1936. Krieg und führte Fehden. So ist es nicht stellten sich die Frage, verwunderlich, wenn Cusanus davon wie sie Gott nahe kom- len christlichen Ländern hatte, schloss spricht, dass die Bischöfe oftmals eher men, ihr Seelenheil erlangen und der Verträge, führte Kriege, hatte mit dem an ihrem weltlichen Besitz interessiert ewigen Verdammnis entgehen könnten. kanonischen Recht eine eigene „Verfas- waren, anstatt sich um ihre Aufgaben Die mittelalterliche Kirche hatte darauf sung“, in der Kurie einen „Gerichtshof“ als Seelsorger zu kümmern. Cusanus eine sehr einfache Antwort: Durch gute sowie eine „Finanzbehörde“ in Perso- war jedoch nicht der einzige, der eine Werke konnte man Gott gnädig stim- nalunion.10 kirchliche Reform anmahnte. men. So stifteten die Bürger, insofern Weiterer Ausdruck der zunehmen- sie die finanziellen Mittel besaßen, Auch die „Reformatio Sigismundi“, eine den Verweltlichung war die Prunk- und Messen oder gar Bauwerke, die einer Reformschrift aus dem Umfeld des Prestigeideologie der italienischen Re- gottesfürchtigen Einstellung entspra- Basler Konzils, die aus Legitimations- naissance, die auch am päpstlichen Hof chen. In Lauf zum Beispiel wurde das gründen Sigismund zugeschrieben wur- Einzug gehalten hatte11, was folglich zu Glockengießerspital durch den Nürnber- de, kam zu dem Schluss, dass eigent- neuen Reformforderungen, respektive ger Bürger Hermann Keßler, genannt lich nichts in rechter Ordnung war. Der zur Bekräftigung der, bereits seit dem Glockengießer, und seine Frau Elsbeth Reformbedarf entsprang aber nicht nur Mittelalter bestehenden, Forderungen gegründet. Darüber hinaus suchten die dem Vorgehen der spätmittelalterlichen führte. Im Wesentlichen lassen sich die Menschen die Nähe zu den Heiligen ih- Kirche, sondern auch allgemeinen Ver- Reformer in drei Kategorien unterteilen. rer Kirche, die sie in Reliquien repräsen- änderungen, die das festgefügte Welt- Die erste Gruppe bestand aus einzel- tiert sahen.9 Dieser Volksfrömmigkeit bild in Frage stellten. Darunter zum Bei- nen Geistlichen, unter ihnen Jan Hus gegenüber stand die römisch-katholi- spiel die Eroberung von Byzanz durch oder der Wanderprediger Petrus Valdes, sche Kirche, die eigentlich die Gläubigen die Osmanen 1453, die Entwicklung des die das weltliche Trachten der Kirche auf ihrem Weg zum Seelenheil unter- Buchdrucks mit beweglichen Lettern in beklagten und Frömmigkeit sowie Ent- stützen und leiten sollte, sich aber nur den 1450er Jahren oder die Entdeckung haltsamkeit predigten. Sie wandten sich allzu oft in weltlichen Problemen verlor Amerikas durch Kolumbus 1492. All direkt an das Volk und gewannen so und immer wieder versuchte, aus dem das schuf Unordnung, denn die bisheri- rasch eine große Anhängerschaft. Lu- Glauben der einfachen Menschen Ka- ge Ordnung wurde hinterfragt oder gar ther war hierbei rückblickend der wich- pital zu schlagen. Wie verweltlicht die ganz aufgelöst. Dies betraf ganz Europa tigste, aber keinesfalls der einzige. und die gesamte katholische Kirche.6 Kirche zu Luthers Zeit wirklich war, lässt sich daran erkennen, dass die Kirche in Die zweite Gruppe bestand aus den Die Kirche sah sich also auch am ihrer Gesamtheit praktisch einen „Staat“ Personen, die wieder zum Konziliaris- Übergang vom Mittelalter zur Frühen darstellte. Der Papst war das Ober- mus des 15. Jahrhunderts zurückkeh- Neuzeit weiteren großen Problemen haupt dieser Wahlmonarchie. Als „Fürs- ren und wichtige Fragen durch große gegenüber, die sich teils noch ver- ten“ dienten ihm die Prälaten und seine ökumenische Konzilien klären lassen schärften und somit erst die Grundlage „Untertanen“ waren die Gläubigen. wollten. Die dritte Gruppe bilden die für Luthers Reformation legten, denn Dieser „Staat“, der rein geografisch auf Humanisten, unter anderem Erasmus wie auch der Historiker und Publizist den Kirchenstaat in Italien beschränkt von Rotterdam, die durch Kenntnis der Daniel Carlo Pangerl schreibt, brach die war, aber in Wirklichkeit Einfluss in al- Bibel zur Reinheit der frühen Kirche zu- Dezember 2017 3 rückkehren wollten. Schon vor Luther dem Ordensoberen aus und schlug vor, gement sorgten er und jene, die seine kritisierten sie die weltlichen Prakti- dass das Fasten zukünftig freiwillig sein Ansichten teilten, dafür, dass allmählich ken der Päpste, die Reliquienvereh- solle. Weitere radikale Ideen waren die alle Schlüsselpositionen Nürnberger