Jenny DUNST

Der Friedhof im Mittelalter – mit Beispielen aus dem Alpen-Adria-Raum

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Philosophie

Studium: Geschichte

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer Institut: Institut für Geschichte März 2012

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Klagenfurt, am 20. März 2012

Jenny Dunst

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 5

1.1. QUELLEN UND LITERATURLAGE… ...... 7

2. Die Lebenden und die Toten ...... 9

2.1. „LEBENSWELTEN“ IM JENSEITS ...... 10 2.2. DER TOTE IN DER WELT DER LEBENDEN ...... 14

3. Entstehung und Entwicklung des Kirchhofs ...... 17

3.1. BEGRIFFSERKLÄRUNG ...... 17 3.2. ANTIKE BESTATTUNGSRITEN ...... 18 3.3. DIE ZWEITE CHRISTIANISIERUNGSWELLE ALS AUSGANGSPUNKT FÜR DIE VERÄNDERUNG IM BESTATTUNGSRITUS ...... 20 3.4 AUSGEWÄHLTE GRÄBERFELDER IN KARANTANIEN ZUR SKIZZIERUNG DER BESTATTUNG...... 23 3.5 DIE ENTWICKLUNG DES FRÜHMITTELALTERLICHEN FRIEDHOFS ...... 25 3.6 DER KLOSTERFRIEDHOF ...... 26 3.7 DIE AUSLAGERUNG DES FRIEDHOFS ...... 27

4. Der Kirchhof als sakraler und profaner Ort ...... 29

4.1. EIN ORT DES LEBENDIGEN TREIBENS – DAS ATRIUM ...... 31 4.2. DER WEHRFRIEDHOF ...... 42 4.3. DIE BESTATTUNG ...... 49 4.3.1. Bestattung außerhalb des coemeterium ...... 53

5. Ausstattung des Friedhofs ...... 60

5.1. DER BEINBRECHER ...... 60 5.2. DAS EWIGE LICHT – EIN SCHUTZ VOR TOTEN UND BÖSEN GEISTERN ...... 62 5.2.1. Lichtquellen des Friedhofs ...... 64 5.2.2. Das ewige Licht – eine Gegenüberstellung anhand ausgewählter Beispiele . 68 5.3. DAS KREUZ ...... 71 5.4. DIE UMFRIEDUNG DES KIRCHHOFS ...... 73 5.5. DAS BEINHAUS ALS LETZTE RUHESTÄTTE ...... 74 5.5.1. Der Karner in der Romanik und Gotik ...... 77 5.5.2. Illustrationen ...... 81 5.5.3. Patrozinium ...... 83 3

5.5.4. Der Karner in Kärnten und der Steiermark – eine architektonische Betrachtung ...... 85

6. Der Totentanz ...... 89

6.1. DIE ENTSTEHUNG DES TOTENTANZES ...... 89 6.2. CHARAKTERISTIKA ...... 91 6.3. DER TOTENTANZ VON HRASTOVLJE, BERAM UND METNITZ – EINE GEGENÜBERSTELLUNG ...... 94 6.3.1. Beram ...... 95 6.3.2. Hrastovlje ...... 97 6.3.3. Metnitz ...... 99

Schlussbetrachtung ...... 102

Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 105

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1. Einleitung

Wenn man einen Friedhof ganz bewusst besucht, wird man merken, welche Ruhe dieser Ort ausstrahlt. Sobald man den Eingang passiert, bildet die Umfriedung nicht nur eine sichtbare, sondern auch eine spürbare Grenze zur restlichen Welt. Meistens sind Friedhöfe unter der Zeit auch verlassen und man kann ihre besondere Atmosphäre ungestört genießen. Umso schwerer fällt es heutzutage, sich das Treiben auf einem mittelalterlichen Friedhof vorzustellen.

Um die mittelalterliche Friedhofskultur zu verstehen, muss man sich zuerst mit dem Umgang des Todes und dem Stellenwert des Lebens im Mittelalter auseinandersetzen.

Mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 35 Jahren, einer fünfzigprozentigen Kindersterblichkeitsrate, der schweren Arbeit der Männer sowie der vielen Schwangerschaften und Geburten der Frauen war der Tod im Mittelalter allgegenwärtig. Der Tod kam an den Ort, an dem sich das Leben abspielte - zwischen Vieh, Freunden und Verwandten.1 Das Sterben als ein alltäglicher Bestandteil des Lebens vollzog sich im Kreis von Verwandten und Bekannten, der Zunft, von Mitbürgern, Nachbarn und Bruderschaften.2 Zu diesem „normalen“ Tod kamen Seuchen wie etwa die Pest hinzu. Die Pest stellte dabei den grausamen Tod in einer Art und Weise dar, die man zuvor noch nicht gekannt hatte. Doch anstatt vor ihm zu fliehen, wollten die Menschen ihn genau betrachten, sich ihn täglich vorstellen und das Sterben lernen.

Die heutige Tabuisierung des Tods verhindert eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Umso schwieriger ist es, dem Tod Einlass in unser Leben zu gewähren und sich der Vergänglichkeit des Lebens bewusst zu werden.

In den ersten Jahrhunderten des Christentums wurde der Tod als Schlaf verstanden, als Übergangszustand, der bis zur Auferstehung und dem Ende der Zeit anhält. Mit

1 Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 661ff. 2 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter (Düsseldorf 2003), S. 56. 5 der Fegefeuertheorie im Mittelalter bestand aus theologischer Sicht nun die Möglichkeit, eine Beziehung zwischen den Lebenden und den Toten herzustellen.3

Dieser Mentalitätswandel im Sinne einer mittelalterlichen Koexistenz der Lebenden und der Toten wird im zweiten Kapitel dieser Arbeit näher betrachtet, um das Treiben auf dem mittelalterlichen Friedhof besser zu verstehen. Das darauffolgende dritte Kapitel widmet sich dem Wandel in der Bestattungskultur und beschreibt die daraus resultierende Entstehung der christlichen Friedhöfe. Nach dieser Einführung ins Thema wird im vierten Kapitel die sakrale und profane Funktion des Kirchhofs behandelt und es werden kurz, die Funktion und die Architektur des Wehrfriedhofs herausgearbeitet. Schließlich wird auf die Bestattungspraxis und den Wandel zur Sekundärbestattung eingegangen, um im fünften Kapitel Karner, Lichtquellen und Umfriedung zu erläutern. Der Tod als eine standesunabhängige Folge des Lebens in Form des Totentanzes wird im sechsten Kapitel dargelegt, bevor die Erkenntnisse dieser Arbeit abschließend zusammengefasst werden.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht in der näheren Betrachtung der mittelalterlichen Todesvorstellung in Form des mittelalterlichen christlichen Friedhofs mit einer Vertiefung auf den Alpen-Adria-Raum. Auf die Bestattungspraxis in Form von Teil- und Kirchenbestattungen der oberen sozialen Schicht wird in dieser Arbeit nicht eingegangen, da dies den Rahmen sprengen würde.

3 Vgl. Anne-Katrin Hillebrand, Erinnerung und Raum, Friedhöfe und Museen in der Literatur (Würzburg 2001), S. 21. 6

1.1. Quellen und Literaturlage

Zur mittelalterlichen Religiosität und Mentalität lässt sich ein umfangreicher Literaturbestand finden. So widmet sich Dinzelbacher ausführlich der Mentalitätsgeschichte vom Früh- bis zum Hochmittelalter4 und Jetzler beschäftigt sich eingehend mit den Jenseitsbetrachtungen.5 Zugleich setzen sich auch Historiker mit der Christianisierung vom 6. bis zum 8. Jahrhundert – diese Zeit ist ausschlaggebend für den Wandel im Bestattungsritus – im Alpen-Adria-Raum auseinander. Andreas Moritsch liefert hierzu in einem Sammelband6 einen detaillierten Ablauf der Ereignisse.

Über den Friedhof im Mittelalter ist dagegen nicht allzu viel Literatur vorhanden. Philippe Ariès schildert in seinem Werk „Geschichte des Todes“ chronologisch das sich ständig wandelnde Verhältnis der Menschen zum Tod und liefert einen ersten, ausführlichen Überblick über die Thematik des Todes im Mittelalter. Während sich Ariès jedoch territorial fast ausschließlich auf Frankreich bezieht, gehen Norbert Ohler7, Reiner Sörries8 und Martin Illi9 schwerpunktmäßig auf die Situation im deutschsprachigen Raum ein.

Noch dünner gesät sowie älteren Datums ist die Literatur im Hinblick auf die Beinbrecher, die Lichtquellen und die Karner auf den Friedhöfen des Mittelalters. Neben Skudnigg10 und Hula11 beschäftigt sich ausschließlich Sörries in jüngerer Zeit

4 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (6 Bde.) (Paderborn 2000). 5 Vgl. Peter Jetzler, Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge – Eine Einführung, in: Tod und Jenseits: Bilder des Übergangs (Begleitheft zur Ausstellung „Himmel, Hölle, Fegefeuer - das Jenseits im Mittelalter“ im Schweizerischen Landesmuseum Zürich [3. März bis 29. Mai 1994], München 1994), S. 13 – 26. 6 Vgl. Andreas Moritsch (Hg.), Alpen-Adria, Zur Geschichte einer Region (Klagenfurt – Laibach - Wien 2001). 7 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittealter (Düsseldorf 2003). 8 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, Das Monopol der Kirche im Bestattungswesen und der so genannte Kirchhof in: Raum für Tote, hg. von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur Kassel (Braunschweig 2003), S. 27 – 53 sowie vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium? Anmerkungen zum mittelalterlichen Friedhof, zu den Sonderfriedhöfen und zur Auslagerung vor die Stadt, in: Norbert Fischer, Markwart Herzog (Hrsg.), Nekropolis: Der Friedhof als Ort der Toten und der Lebenden (= Irseer Dialoge, Kultur und Wissenschaft interdisziplinär, Bd. 10, Stuttgart 2010), S. 27 – 34. 9 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, Begräbnis und Kirchhof in der vorindustriellen Stadt (Zürich 1992). 10 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten (Klagenfurt 1972). 7 mit dem Thema Licht auf dem Friedhof, wobei sich Hula auf eine kurze Definition sowie eine Aufzählung der noch erhaltenen und überlieferten Totenleuchten, Lichthäuschen und -nischen sowie Schalensteine beschränkt. Ebenso verhält es sich in Bezug auf den Karner, auf dessen Architektur und Funktion sich allein, mit Ausnahme des Wehrkarners, Sörries12 spezialisiert hat. Westerhoff13 und Kafka14 können indessen als Literatur zur Architektur der einzelnen Wehrkarner angegeben werden.

Wunderlich15, Höfler16, Sörries17 und Hammerstein18 behandeln den Totentanz, und gehen dabei auf dessen Ursprung sowie Charakteristika ein, wenngleich sie diesbezüglich nicht immer einer Meinung sind.

11 Vgl. Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs. Ein Einblick in ihren Ursprung, ihr Wesen und ihre stilistische Entwicklung (Wien 1948) sowie vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, Die Totenleuchten Europas, Karner Schalenstein und Friedhofsoculus (Wien 1970). 12 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, Ein Beitrag zur Architektur und Bedeutung des mittelalterlichen Kirchhofes (= Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V., Kassel 1996). 13 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol (St. Pölten – Wien 1989). 14 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1 (Wien 1971). 15 Vgl. Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod (Freiburg 2001). 16 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, in: Du guoter tôt, Sterben im Mittelalter – Ideal und Realität (Schriftenreihe der Akademie Friesach, Bd. 3, Akten der Akademie Friesach „Stadt und Kultur im Mittelalter“ Friesach [Kärnten], 19. – 23. September 1994), hg. von Markus Wenninger (Klagenfurt 1998), S. 131 – 144. 17 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, in: Tanz der Toten Toten – Todestanz: der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum (Ausstellung des Museums für Sepulkralkultur Kassel, [19. September bis 29. November 1998]), hg. vom Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur (Dettelbach 1998), S. 9 – 51. 18 Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben (München 1980). 8

2. Die Lebenden und die Toten

Wie bereits im vorigen Kapitel ausgeführt, war der Tod ein Teil des mittelalterlichen Lebens. Dies basiert auf dem Hintergrund, wonach sich im Spätmittelalter die Auseinandersetzung mit dem Tod durch die Pestwelle im 14. Jahrhundert, die „ars moriendi“19 sowie die „Sterbebüchlein“ verstärkte. Der Tod galt nicht als das Ende des Lebens, sondern als eine Station, ein Tor vom Jenseits zum Diesseits. Es scheint, als habe nicht die Todesstunde das Interesse des mittelalterlichen Menschen geweckt, sondern vielmehr die Zeit danach im Jenseits. Die Angst vor der Verdammnis war größer als die Hoffnung, ins Paradies zu gelangen. Genährt wurde diese Angst durch die zahlreichen Illustrationen verschiedenster Folterarten.20 Im Zentrum der Betrachtung lag erst ab dem Spätmittelalter - als Novum - die Sterbestunde anstelle der Jenseitsbetrachtung. Mit dem 12. Jahrhundert verschob sich anscheinend ein immenser Teil dieser Angst vor dem Jenseits in Richtung Sterbestunde. Im späten Mittelalter lag das zentrale Interesse der Menschen darin, einen „guten Tod“ zu sterben. Dies bedeutete, dass erst der letzte Moment im Leben entschied, ob die Seele Heil oder Unheil erwartete. Nun war die Todesstunde von Reue durchdrungen.21 Das Jenseits wie auch das Diesseits stellten einen wichtigen Bestandteil des mittelalterlichen Lebens dar. Der Tod des Menschen bedeutete zwar das Ende des irdischen Lebens, gleichzeitig jedoch auch die Eröffnung verschiedener Lebenswelten im Jenseits.

19 Ars moriendi ist die Anleitung, um die Sterbenden auf einen guten Tod vorzubereiten. Im Zuge der Pest wurden die vormals nur für Priester gedachten Unterweisungen, was sie zu sagen und wie sie zu agieren hatten, am Bett eines Sterbenden, auch in die Volkssprache, übersetzt. Somit konnten auch Unkundige ihren Angehörigen beim Sterben beistehen. Vgl. Rainer Rudolf, Ars moriendi, in: Lexikon des Mittelalters 1 (München-Zürich 1980), Sp. 1039f. 20 Vgl. Peter Dinzelbacher, Die Präsenz des Todes in der spätmittelalterlichen Mentalität, in: Der Tod des Mächtigen, Kult und Kultur des Todes spätmittelalterlicher Herrscher, hg. von Lothar Kolmer (Paderborn 1997) S. 27 – 58, hier S. 31. 21 Vgl. ebd., S. 33ff. 9

1.1. „Lebenswelten“ im Jenseits

Nach dem Tod gab es in der Vorstellungswelt des mittelalterlichen Menschen neben dem Himmel und dem Paradies auch die besonders gefürchtete Hölle sowie das Fegefeuer. Folgen der jenseitsbezogenen Ängste vor beiden letzteren wirkten sich im Diesseits in Form von Spenden für Messen sowie Stiftungen für das eigene wie auch für das Seelenheil der Verstorbenen aus.22

Mit Unsterblichkeit, befreit von Leid und Begierde, wurde das Paradies definiert und als im „Osten“, „am Äquator“, „in der Höhe“ aber auch mit „an die Mondsphäre“ lokalisiert.23 Beschreibungen zufolge ist der Himmel mit Licht erfüllt, wohlriechend und ferner beheimatet er weiß gekleidete Seelen. Die Bewohner des Himmels besaßen bestimmte Kennzeichen wie Kronen, Zepter oder Blütenkränze. Als wichtigste Funktion der Himmelsbewohner wurde die Liturgie angesehen. Vorgestellt als himmlisches Jerusalem und himmlisches Paradies wurde er mithilfe der Himmelsleiter wie auch der Himmelfahrt Christi versinnbildlicht.24 Das Purgatorium hingegen wurde erst im 12. Jahrhundert von den Theologen aufgegriffen, jedoch schon vorher im Volksglauben integriert.25 1274 wurde es als dritter Ort der Jenseitsvorstellung, mit dem vierzehnten ökumenischen Konzil in Lyon, dogmatisiert. Der Verweilort der Seele nach dem Tod wurde anhand der Sünden zu Lebzeiten festgelegt. Die Seelen der Menschen, welche getauft waren und in ihrem Leben nicht gesündigt hatten sowie jene, welche noch zu Lebzeiten oder nach ihrem Tod von den Sünden freigesprochen wurden, sollten zünftig in den Himmel aufgenommen werden. Die mit der Erbsünde oder mit der Todsünde starben, fuhren in die qualvolle Hölle hinab.26 Das Fegefeuer ermöglichte eine neue Auslegung der Sündenlehre. Daher war nun die Rettung eines Sünders mit Reue möglich.27

22 Vgl. Peter Dinzelbacher, Ängste und Hoffnungen Mittelalter, in: Europäische Mentalitätsgeschichte, Hauptthemen in Einzeldarstellungen, von Peter Dinzelbacher (Stuttgart 2008), S. 326 - 337, hier S. 328. 23 Vgl. Leo Scheffczyk, Paradies, in: Lexikon des Mittelalters 6 (München–Zürich 1993), Sp. 1697ff. 24 Vgl. Nikolaus Wicki, Himmel, in: Lexikon des Mittelalters 5 (München–Zürich 1991), Sp. 22 ff. 25 Vgl. Peter Dinzelbacher, Sterben/Tod Mittelalter, in: Europäische Mentalitätsgeschichte, Hauptthemen in Einzeldarstellungen, hg. von Peter Dinzelbacher (Stuttgart 2008) S. 279 – 297, hier S. 287. 26 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 160. 27 Vgl. Bernward Deneke, Fegefeuer, in: Lexikon des Mittelalters 4 (München-Zürich 1989), Sp. 330f. 10

Das Purgatorium rettete nunmehr vor der Verdammnis. Beschrieben wurde es als ein Ort der Läuterung und unbeschreibbaren Qualen, an welchem die Toten für ihre Strafen sühnten. Die Strafen der „Armen Seelen“ im Fegefeuer stellten einen Bezug zu ihren Lastern zu Lebzeiten dar.28 Thomas von Aquin29 befasste sich mit der Lokalisierung des Fegefeuers und ortete es bei der Hölle, womit eine Konformität hinsichtlich der Strafen in der Hölle und jener im Purgatorium auftraten. Neben der Standortbestimmung des Fegefeuers unter der Erde war Gregor der Große der Meinung, dass die Verstorbenen ihre Buße am Ort ihres irdischen Lebens leisteten. Die Strafen im Purgatorium hatten eine reinigende Wirkung und konnten z.B. im Sturm und Regen, im Wasser und Eis etc. vollzogen werden, wobei die Seelen auch am Sonntag keine Straffreiheit erhielten. Was die Härte der Strafe betraf, so wurde sie gleichgesetzt mit jenen in der Hölle, wobei die gelebte Zeit dort als unendlich angesehen wurde. Tausend Jahre im Jenseits galten als ein Augenblick im Diesseits. 30 Das Erscheinungsbild des Fegefeuers glich dem der Hölle. Allerdings gab es im Gegensatz zur Hölle im Purgatorium – laut Kleriker der Zeit – keine Dämonen. Visionären und Exempelautoren zufolge führten auch Teufel im Fegefeuer die Strafen durch.31 Bei schweren oder Todsünden galt die Hölle als letzte Wohnstätte der Seele. Zu jenen zählen Neid, Jähzorn, Unkeuschheit, Geiz, Hofart, Trägheit und Unmäßigkeit.32 Die von Gott geschaffene Hölle für den gefallen Luzifer und seine Engel ist laut dem Alten Testament flächenmäßig größer geschaffen als das Paradies. Begründet wurde dies durch die erhebliche Anzahl von dummen Menschen (Eccl 1,15 und Mt 33 34 22,14). Laut dem Kirchenvater Aurelius Augustinus wurde nur ein geringer Teil der in die Hölle verbannten Seelen, welche durch die Erbsünde zu einer massa damnationis oder massa damnata wurden, durch die Absolution Gottes begnadigt. In

28 Vgl. Katja Kirch, Das Fegefeuer und die Armen Seelen, in: Tod und Gesellschaft – Tod im Wandel. Begleitband zur Ausstellung im Diözesanmuseum Obermünster Regensburg, hg. von Christoph Daxelmüller (Regensburg 1996), S. 43 – 48, hier S. 44. 29 Der 1274 verstorbene Theologe Thomas von Aquin verfasste unter anderem die bedeutende Summa theologiae, welche einen wichtigen Bestandteil der katholischen Werke darstellt. Vgl. Thomas von Aquin, in: Leo Elders, Lexikon des Mittelalters 8 (München-Zürich 1997), Sp. 706 – 711. 30 Vgl. Bernward Deneke, Fegefeuer, in: Lexikon des Mittelalters 4 (München-Zürich 1989), Sp. 330f. 31 Vgl. Peter Dinzelbacher, Hoch- und Spätmittelalter (Bd. 2), in: Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum, hg. Peter Dinzelbacher (Paderborn 2000), S. 182. 32 Vgl. Katja Kirch, Das Fegefeuer, S. 43. 33 Vgl. Peter Dinzelbacher, Hoch- und Spätmittelalter, S. 176f. 34 Aurelius Augustinus wirkte im 4. Jahrhundert, sein ausführlichstes Werk war De civitate Dei. Vgl. Hans- Joachim Oesterle, Aurelius Augustinus, Lexikon des Mittelalters 1 (München-Zürich 1999), Sp. 1223. 11 seiner Summa Theologiae schreibt Thomas von Aquin etwa 700 Jahre später ebenfalls von nur wenigen, welche die Erlösung finden werden. In Bezug auf die Gruppierungen der Verdammten in der Hölle gab es zwei Auffassungen. Zufolge einer Theorie wurden die Sünder gemeinsam nach dem jeweiligen Stand in der Hölle bestraft. Der weitaus öfter vertretenen These nach durchlitten die Seelen je nach Art der Sünden ihre Qualen.35

Im Unterschied zur Hölle konnte man aus dem Fegefeuer wieder entkommen, was durch Buße, Beichte und dem Seelgerät möglich war, aus dem Diesseits durch Stiftungen, Spenden und Wohltätigkeit seitens der Lebenden für die Toten.36 Die Buße für jene im Jenseits durch Almosen, Fasten und die Abhaltung von Messen wurde als Möglichkeit der Hilfe von Papst Gregor III. bestätigt und ging im hohen Mittelalter in Gratians Decretum37 ein. Diese Hilfe wandte sich an diejenigen im Jenseits, welche noch Strafe zu erleiden hatten und diese nicht mehr selbst einbüßen konnten. Daher wurden sie als „Arme Seelen“38 bezeichnet. Jedoch konnte diese Fürsorge nur die Getauften wie jene, die immer den „rechten Glauben“ behalten hatten und sich keine schweren Sünden zuzuschreiben hatten, erreichen. Die Toten-Absolution bildete den letzten Teil der irdischen Buße. Durch die Fürbitten wurde die Toten-Absolution, welche in der Messe oder auch noch am Grab gesprochen wurde, ersetzt.39 Aufgrund der Ausgestaltung des Purgatoriums gab es für die in der Hölle gefangenen Seelen nur mehr eine Bestrafung für die Ewigkeit. Die Liebe Gottes zur Gerechtigkeit begründete diese Verdammung. Beschrieben wurde die Hölle, das infernum, aufgrund der Erwähnung in der Bibel. Hinsichtlich der in der Bibel genannten Senke, lacus, wird daraus schließlich ein Ort mit Tälern und Gräbern aus Schlamm, dreckigen Gewässern wie Feuer und Schwefel erstellt. Die nach Ständen gegliederten Verdammten erhielten ihre Strafen in Bezug auf ihre Missetat. Ausgeführt wurden die Strafen von Höllengeistern, welche mit Merkmalen des

35 Vgl. Peter Dinzelbacher, Hoch- und Spätmittelalter, S. 178. 36 Vgl. Katja Kirch, Das Fegefeuer, S. 45. 37 Das von Magister Gratian verfasste Decretum Gratiani, 1140/45 vollendet, gilt als die Basis der europäischen Kanonistik und wurde an den Universitäten und in der Praxis des kirchlichen Rechts verwendet. Vgl. Patrick Hersperger, Kirche, Magie und „Aberglaube“: „Superstitio“ in der Kanonistik des 12. Jahrhunderts (Köln- Weimar-Wien 2010). 38 Weiterführend vgl. Ludwig Hödl, Arme Seelen, in: Lexikon des Mittelalters 1 (München-Zürich 1980), Sp. 971 – 973. 39Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 709f. 12

Teufels, wie etwa Schnäbeln und Krallen, ausgestattet waren und jene zur Qual der Toten einsetzten.40 Nach mittelalterlicher Vorstellung wurde die Seele nach dem Tod des Menschen direkt vom Wesen der Über- und Unterwelt in Empfang entnommen und zum Jüngsten Gericht sowie an dessen letzten Verweilort gebracht.41 Am Tag des Jüngsten Gerichtes wurden jene gerichtet, welche nicht bereits mit ihrem Tod an ihren letzten Aufenthaltsort gesendet wurden. Zu diesen Gruppierungen zählten Heilige oder Märtyrer, welche ins Paradies kamen sowie alle schlechten Seelen in die Hölle.42 Dem Weltgericht des Matthäus steht das Weltgericht des Johannes gegenüber. Die meisten Weltgerichtsbilder entsprechen dem des Matthäus, bei welchem es nur Gute und Böse gibt. Die Guten kommen nach dem Gericht in den Himmel, die Bösen in die Hölle. Meist wägt der Erzengel Michael ihre Seelen ab. Nach dem Weltgericht von Johannes gibt es auch noch Halbgute neben den Guten und den Bösen. Die Wägung der Seele findet auf der Seite der Verdammten statt. Die Halbguten besitzen noch eine Möglichkeit, in den Himmel zu gelangen. Das Weltgericht findet erst am Ende der Zeit statt. Da zwischen dem Tod und dem Weltgericht eine große Zeitspanne klafft, fragte man sich, wie die Verstorbenen in der Zwischenzeit - bis zur Auferstehung - verbleiben werden. Mit der Fegefeuerlehre im Hochmittelalter festigte sich der Gedanke an ein Vorgericht. Im Unterschied zur Hölle konnte man aus dem Fegefeuer, nachdem man die Schuld einbüßte, erlöst werden und ins Paradies kommen. Das Partikulargericht oder Individualgericht entschied sofort nach dem Tod, ob man in den Himmel oder in die Hölle kam, wobei das Fegefeuer als der Vorhof des Himmels galt. Die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Himmel wurden von Papst Benedikt XII. im Jahr 1336 festgelegt. Da mit dem Partikulargericht die Trennung der Seelen bereits stattgefunden hatte, kam es am Tag des Jüngsten Gerichts beim allgemeinen Weltgericht nur mehr zur Auferstehung des Fleisches.43

40 Vgl. Leo Scheffczyk, Hölle, in: Lexikon des Mittelalters 5 (München-Zürich 1991), Sp. 95f. 41 Vgl. Peter Dinzelbacher, Hoch- und Spätmittelalter, S. 171. 42 Vgl. Katja Kirch. Das Fegefeuer, S. 43. 43 Vgl. Peter Jetzler, Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge, S. 15 - 18. 13

Entscheidend für den Weg im Diesseits im Mittelalter, welcher entweder im Paradies oder in der Hölle als letzte Stätte endete, war der Lebenswandel der jeweiligen Person. Jene im Paradies erwartete das Seelenheil.44 Alle Menschen werden demzufolge am Tag des Jüngsten Gerichtes Rechenschaft 45 für ihre Taten ablegen müssen.

2.2. Der Tote in der Welt der Lebenden

Da nach mittelalterlichem Glauben der Tote im Bund der Lebenden ist und der Tod nur einen Übergang bedeutet, ist die Vorstellungswelt des mittelalterlichen Menschen bezüglich des Einflusses der Verstorbenen enorm. Die Rechtstellung des Verstorbenen ergab sich aus dem Glauben der Zusammengehörigkeit der Verstorbenen und der Lebenden. Der Tod war immer gegenwärtig, sei es in Form von Krankheiten, Sterbenden, Bestattungen oder dem Blick auf das Grab am Friedhof. Letzteres diente nicht lediglich der Jenseitsvorsorge, es verdeutlichte auch die Vergänglichkeit des irdischen Daseins.46 Der Verstorbene „lebte“ also nach mittelalterlicher Sicht nach seinem Tode als Toter weiter. Er war Bewohner seines Grabes, wobei es ihm möglich war, als Skelett aus dem Grab zu steigen und lebendig zu erscheinen. Umso bemerkenswerter ist deshalb, dass die Christenheit anfangs ein Weiterleben im Grab absprach47, da laut 2 Korinther 5,1 der Mensch nach seinem Tode bei Gott in eine Wohnung eintrat, beschrieben wie folgt: „Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel.“ Die Folge war, dass den christlichen Gräbern keine Bedeutung zukam und eine Wende erst mit dem Ende des 2. Jahrhunderts ersichtlich war. Auf den Gräber wird durch eine Inschrift das Grab als ewiges Haus tituliert.48 Der Verstorbene war im Mittelalter als Toter weiterhin existent in einer anderen Welt. Er galt als Handlungs-

44 Vgl. Katja Kirch, Das Fegefeuer, S. 43. 45 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 160. 46 Vgl. Christoph Daxelmüller, Tote, in: Lexikon des Mittelalters 8 (München-Zürich 1997), Sp. 892f. 47 Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität, S. 690. 48 Vgl. ebd., S. 706. 14 und Rechtsobjekt. Laut O.-G. Oexle sind die Verstorbenen „Personen im rechtlichen Sinn, sie sind Rechtssubjekte und also auch Subjekte von Beziehungen der menschlichen Gesellschaft. Mit anderen Worten: sie sind unter den Lebenden gegenwärtig.“49

Durch die Nennung des Namens konnte der Verstorbene, da er als Subjekt existierte, laut mittelalterlichem Recht herbeigerufen werden. Jacques LeGoff sprach von der Solidargemeinschaft der Toten und Lebenden. Diese beinhaltet eine Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten, welche von Rechten und Pflichten beider Gruppierungen in einem Wechsel geprägt ist.50 Wie bereits erwähnt, nahm der Verstorbene weiterhin eine Rechtsstellung ein. Als „Totenteil“ wurde dem Toten ein Drittel seines Geldes, welches laut Recht für sein Heil verwendet werden musste, zugesprochen. Die soziale Unterteilung blieb auch nach dem Tode aufrechterhalten. Laut Strafrecht konnte der Verstorbene als Richter agieren und zu diesem Zweck fand das Gericht am Friedhof oder in Kirchen aber auch vor den Grabsteinen der Vorfahren statt. Neben der richterlichen Funktion kam dem Toten ebenso eine Opferrolle zu. Diese konnte in Form von Grabraub, Schändung der sterblichen Überreste, aber auch durch die Beleidigung des rechtlich geschützten Namens erfolgen. Strafen erfuhr der Leichnam bei Delikten und bei Nichterfüllung eines erbetenen Wunders. Ebenso wenn die Darstellungen eines Heiligen oder einer Reliquie bestraft oder entehrt wurden. Abgesehen von Verbrennen, Hängen und Rädern konnte der Tote auch am Rad verfaulen, oder ihm wurde die Beisetzung in geweihter Erde versagt.51 Neben der Angst vor dem Tod fürchteten sich die Menschen des Mittelalters auch vor den Wiedergängern, die in ihrem Grabe hausten, jenen Toten, welche ein schlechtes Leben geführt hatten, wie auch jene, welche einen vorzeitigen oder unnatürlichen Tod erlitten. Als Schutz vor solchen Wiedergängern kam es zum Einsatz von zahlreichen Ritualen.52 Der Mund und die Nasenlöcher wurden ihnen zugestopft und die Augen zugedrückt. Bestattet unter einer großen Masse von Steinen oder in einem Gewässer versenkt sollte das Erscheinen dieser lebenden Toten verhindert

49 Zitiert: ebd., S. 676. 50 Vgl. ebd., S. 677. 51 Vgl. Wolfgang Schild, Tote in: Lexikon des Mittelalters 8 (München-Zürich 1997), Sp. 891f. 52 Vgl. Peter Dinzelbacher, Sterben/Tod, S. 283. 15 werden. Halfen diese Schutzmaßnahmen nicht, so wurde der Leichnam zur Gänze verbrannt, geköpft, geschändet oder auch ein Kreuz vor dem Grab errichtet usw. Wiedergänger wurden nicht in die Gruppe der Gespenster eingeordnet, sie besaßen einen greifbaren Körper. Wie auch den Lebenden wurden ihnen Gefühle zugesprochen und die Fähigkeit zu sprechen und zu agieren. Jene beschriebene Gattung gehört zu den volkstümlichen Wiedergängern. Die verchristlichten Wiedergänger konnten im Gegensatz zu den volkstümlichen nicht sprechen und hatten auch keinen Hunger. Zu den Wiedergängern zählten dabei jene, welche einen gewaltsamen Tod fanden sowie Selbstmörder, Unbestattete, Hässliche, Bösartige, Hexen und Hexenmeister sowie Menschen, welche Rache und Streit Zeit ihres Lebens ausübten. Zusammenfassend umfasst dies also alle Gruppen, welche schon zu Lebzeiten von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, da sie dieser Angst einflößten. Die hauptsächliche Aufgabe der Wiedergänger bestand in der Wahrung der Sitten, Bräuche und Gesetze. Diese nacht- wie auch tagaktiven Wesen bewachten ihre Güter, die Aufrechterhaltung von Moral und Ehre der Familie sowie deren Beratung. Anhand des Wiedergängerglaubens sind zwei Vorstellungen des Jenseits ersichtlich. Zum einen der Glaube an das Grab als Wohnstätte, zum anderen das Weiterleben im Diesseits, in der Hölle oder im Fegefeuer. Der Kirche zufolge kamen die Wiedergänger auch aus dem Fegefeuer und der Hölle.53

53Vgl. Claude Lecouteux, Wiedergänger, in: Lexikon des Mittelalters 9 (München-Zürich 1998), Sp. 79f. 16

3. Entstehung und Entwicklung des Kirchhofs

3.1. Begriffserklärung

Der Begriff „Friedhof ist in christlicher Zeit entstanden und ist herzuleiten vom umfriedigten, mit Asylrecht ausgestatteten Raum um die Kirche.“54 Wie bei den Griechen und Römern verband das Christentum mit dem Friedhof die Vorstellung der schlafenden Toten. Die Stätte des Schlafs war demnach der Friedhof.55

Das griechische Wort koimao bedeutet übersetzt „jemanden schlafen legen“. Aus der Ableitung koimeterion entstand coemeterium für „Ruhe- oder Schlafplatz“. In der Antike war dieser Platz ein Ort mit mehreren Gräbern und in den mittelalterlichen Quellen wird coemeterium oder cimiterium neben Kirchhof oft als Synonym für den Friedhof verwendet. Die Bezeichnung Kirchhof erhielt der Friedhof in Bezug auf seine Lage zur Kirche, denn der mittelalterliche Friedhof befand sich zumeist bei der Pfarrkirche zentral innerhalb des Ortes.56 Bevor näher auf die Entstehung des mittelalterlichen christlichen Friedhofs eingegangen wird, soll die Entwicklung vom heidnischen zum christlichen Bestattungsritual im Alpen-Adria-Raum skizziert werden, zumal sich bereits im frühen 3. Jahrhundert die Schlafstätten der Toten unter der heidnischen und der christlichen Bevölkerung unterschieden.57

54 Vgl. Geiger, Friedhof, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 3 (Berlin - New York 1987), Sp. 87. 55 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier: zur Geschichte ihres Brauchtums im Trierer Lande und in Luxemburg unter besonderer Berücksichtigung des Visitationsbuches des Regino von Prüm (†915) (= Rheinisches Archiv 81, Bonn 1972), S. 80. 56 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 27. Norbert Ohler geht davon aus das die griechische und römische Vorstelllung vom Friedhof als Stätte des Schlafes für die Toten mit der christlichen konform geht, Vgl. Nobert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 132. 57 Vgl. Josef Engemann, Friedhof, Lexikon des Mittelalters 4 (München - Zürich 1989), Sp. 923. 17

3.2. Antike Bestattungsriten

Im Altertum verehrten die Lebenden die Toten58, jedoch mit jenem Aspekt, sich vor der Wiederkehr der Verstorbenen zu schützen. Die Areale der Lebenden und der Toten waren getrennt und die Beisetzung oder Einäscherung in der Stadt war durch Reglementierungen des Zwölftafelgesetzes59 untersagt. Dem Rechtsgelehrten Paulus zufolge sollte kein Verstorbener innerhalb der Stadt bleiben, da dieser die Stadt entweihte. Aus diesem Grund befanden sich im Altertum die Friedhöfe außerhalb der Stadt oder waren an den Straßenrändern, wie der Via Appia, angesiedelt.60 Trotz der außerstädtischen Bestattung war der Ort der Beisetzung meist nicht allzu weit entfernt, um den Toten Grabspenden zu bringen und das Totenmahl dort vollziehen zu können. Ferner konnten die Gräber an den Seitenrändern der Straße von jedem gesehen werden, wobei dieser Beisetzungsort den Honoratioren61 der Stadt vorbehalten war. Ariès nimmt an, dass die Sklaven und die ärmere Bevölkerungsschicht die Bestattung nur in der Art eines Schindangers vollzogen.62 Diese Schindanger traten in Form von Familien- und Gemeinschaftsgräbern auf Privatgrundstücken der Funeralkollegien auf und wurden von Funeralkollegien verwaltet. Jene könnten dem Christentum auch die Leitfigur für die Gemeinden gegeben haben.

Anfänglich übernahmen die Christen die Riten der Heiden und bestatteten die Toten in den Nekropolen der Heiden. Durch den Glauben an die Auferstehung des Fleisches im Zusammenhang mit der Verehrung der Märtyrer und den

58 So wurden unter anderem zwei Totenfeste, die Lemuria und Feralie, gefeiert und im Zuge einer Zeremonie Opfer und Geschenke für die Toten dargebracht. Vgl. Annie Doubordieu, Totenkult, in: Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike (Band 12/1), hg. von Hubert Cancik/Helmuth Schneider (Stuttgart – Weimar 2002), Sp. 711f. 59 Bereits 451/449 v. Chr. finden sich Reglementierungen hinsichtlich der Bestattung sowie der Einäscherung Verstorbener in der Stadt im Zwölftafelgesetz, das das gesamte Gewohnheitsrecht aus frührömischer Zeit in einem Werk beinhaltet. Vgl. Zwölftafelgesetz, in: Lexikon alte Kulturen 3, hg. von Hellmut Brunner/Klaus Flessel/Friedrich Hiller und Meyers Lexikonredaktion (Mannheim – Leizig – Wien – Zürich 1993), S. 693. 60 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes (München11 2005) S. 43f. 61 Die Mitglieder der Oberschicht, wie etwa Veteranen oder Senatoren, zählten zu den Honestiores, die ab dem 2. Jahrhundert in juristischen Überlieferungen erwähnt wurden. Im Gegensatz zu den Humiliores, der restlichen Bevölkerung, erhielten sie milde Strafen vor Gericht. Vgl. Jens-Uwe Krause, Honestiores/Humiliores, in: Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike 5, hg. Hubert Cancik/Helmuth Schneider (Stuttgart – Weimar 1998), Sp. 707f. 62 Vgl. Phillipe Ariès, Bilder zur Geschichte des Todes (München - Wien 1984), S. 8f. 18

Märtyrergräbern veränderte sich die Einstellung zu den Toten jedoch mit der Zeit und es kam zu einer eine räumliche Trennung der Bestattungsplätze.63 Die Bestattung bei den Märtyrern sollte vor Grabschändung schützen, wenngleich es vor allem darum ging, die Verstorbenen bei der Auferstehung und beim Letzten Gericht zu schützen, denn dem Volksglauben zufolge war es den Bewohnern geschändeter oder beraubter Gräber nicht möglich, am Jüngsten Tag zu erwachen und das ewige Leben zu erhalten.64 Zur Zeit der Römer wandten sich immer mehr Menschen dem christlichem Glauben zu, wovon auch die damals errichteten Sakralbauten im Alpen-Adria-Raum am Ende des 4. Jahrhunderts und am Anfang des 5. Jahrhunderts ein Zeugnis ablegen. Wahrscheinlich waren auch die von Kaiser Theodosius I. erlassenen Gesetze gegen die Heiden mitunter dafür verantwortlich.65

In engem Zusammenhang mit der Veränderung der Bestattungsrituale stehen die ersten Kirchen im Alpen-Adria-Raum, insbesondere der Bau der ersten Kirchen in Aquileia in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Eine Doppelkirche in Porec wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts errichtet. Auf dem Hemmaberg wurde zu Beginn des 5. Jahrhunderts eine Kirche gebaut, deren Stifter und Kleriker zwar außerhalb, jedoch in der Nähe der Kirche bestattet wurden. Dem restlichen Volk war es aufgrund der römischen Gesetzeslage jedoch nicht gestattet, innerhalb der Stadt bestattet zu werden.66 Erst 563 erlaubte es die Synode von Braga, die Verstorbenen außerhalb der Kirchen, somit innerhalb der Stadt, zu bestatten.67

63 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 44f. 64 Vgl. ebd., S. 46f. 65 Vgl. Franz Glaser, Die Römerzeit im Alpen-Adria-Gebiet, in: Alpen-Adria, Zur Geschichte einer Region, hg. Andreas Moritsch (Klagenfurt – Laibach - Wien 2001), S. 51 – 88, hier S. 80. 66 Vgl. ebd., S. 79ff. 67 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 135. 19

3.3. Die zweite Christianisierungswelle als Ausgangspunkt für die Veränderung im Bestattungsritus

Die zweite Christianisierungswelle brachte einen Wandel der Bestattung mit sich, der sich im Südostalpenraum durch die Ereignisse zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert vollzog. Mit Ende des 6. Jahrhunderts und Anfang des 7. Jahrhunderts beherrschten die Slaven und Avaren die Täler des Isonzo an der Oberen Save, der Oberen Drau und der Mur. Durch die Eroberung der Bistumsbereiche Emona, Virunum, Teurnia, Celeia und Auguntum flüchteten die Bischöfe nach Istrien und Friaul. Die Verwaltungseinheiten der Kirche wurden zerstört und der christliche Kult hielt sich nur mehr in einigen Siedlungen – in der Region Kärnten etwa in Molzbichl bei Spittal an der Drau. Die Orte, die die christliche Tradition weiterhin pflegten, waren von enormer Bedeutung für die Missionierung des 8. Jahrhunderts.68 Aufgrund der Bedrohung durch die Avaren wandten sich die Karantanen 741 oder 742 hilfesuchend an den Bayernherzog Odilo. Der Preis für dessen Unterstützung gegen die Avaren war die Übergabe von Cacatius und Cheitmar, des Sohns und des Neffen des Karantanenfürsten Boruth.69 „Darauf führten sie Geiseln mit sich nach Bayern. Darunter befand sich der Sohn des Boruth namens Cacatius, den sein Vater nach Christenart zu machen bat. Und so geschah es. Das gleiche forderte er auch für Cheitmar, den Sohn seines Bruders. Nach dem Tode Boruths schickten die Bayern auf Befehl der Franken und Bitten eben dieser Slawen den schon zum Christen gemachten Cacatius zurück, und jene machten ihn zum Fürsten. Er starb jedoch im dritten Jahr darauf.“70 Cheitmar war, wie auch Cacatius, christlich worden. Mit dem Tod des Cacatius trat an seine Stelle Cheitmar, der einen Priester und gleichzeitig Hofkaplan aus Salzburg zur Seite gestellt bekam.71

68 Vgl. Harald Krahwinkler/Herwig Wolfram, Der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, in: Alpen-Adria, Zur Geschichte einer Region, hg. Andreas Moritsch(Klagenfurt – Laibach - Wien 2001), S. 89 – 122, hier S. 92. 69 Vgl. Harald Krahwinkler/Herwig Wolfram, Der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, S. 100 sowie Franz Ortner, Salzburger Kirchengeschichte, Von den Anfängen bis zur Gegenwart (Salzburg 1988), S. 19. 70 Zitiert nach: Herwig Wolfram, Conversio Bagoariorum et Carantanorum, Das Weissbuch der Salzburger Kirche über die erfolgreiche Mission in Karantanien und Pannonien (Wien – Köln - Graz 1979), S. 43. 71 Vgl. Harald Krahwinkler/Herwig Wolfram, Der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, S. 100 sowie Franz Ortner, Salzburger Kirchengeschichte, S. 19. 20

Der Karantanenfürst Cheitmar wandte sich an Virgil, von 749 – 784 Bischof von Salzburg, mit der Bitte um die Sendung eines Bischofs nach Karantanien. Der durch Virgil gesandte Chorbischof Modestus besaß das Recht zur Kirchweihe und Einsetzung von Klerikern und im Zuge der Missionierung wurden drei Kirchen errichtet: die Marienkirche in , eine Kirche bei Teurnia im Drautal sowie eine Kirche im Oberen Murtal. Neben dem Bau von Kirchen wurden zudem bereits bestehende Kirchen geweiht. Ein Aufstand der Karantanen richtete sich neben der Abhängigkeit von Bayern auch gegen die Christianisierung. Schlussendlich wurde 772 der letzte Aufstand der Karantanen von Herzog Tassilo III. niedergeschlagen. Bis zum Tod Virgils im Jahr 784 fanden sechs weitere Missionierungen, ausgehend von Salzburg, statt.72 Durch den Anschluss Karantaniens an das Herzogtum Bayern, die Missionierung durch Bayern und schließlich durch den Sieg Tassilos III. festigten sich die Bestattungsrituale der Christen auch außerhalb der Oberschicht. Ein Wandel von der Brandbestattung zur Körperbestattung vollzog sich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts in der oberen slawisch-karantanischen Gesellschaftsschicht.73

Indessen wurde die Missionierung der Karantanen durch Bischof Arn, dem Nachfolger Virgils, fortgeführt. Missionierungstätigkeiten in Karantanien gingen ebenso von Aquileia, Regensburg und Freising aus. Als Primärquelle gibt dabei die „Conversio Bagoariorum et Carantanorum“ Auskunft über die Missionierung in Karantanien. Allerdings erwähnt sie fast ausschließlich Salzburg in seiner Missionierungstätigkeit, da es eine gegen Aquileia gerichtete Streitschrift war.

Während Maria Wörth das älteste geistliche Stift aus Freisinger Besitz in Karantanien ist, war das Kloster in Molzbichl im Oberen Drautal wahrscheinlich das erste Kloster Kärntens und wurde in die Zeit nach dem Sieg Tassilos über die Karantanen errichtet.

In Aquileia fand die zweite Christianisierung schließlich unter dem Kirchenoberhaupt Paulinus II. am Ende des 8. Jahrhunderts statt. In diesen Zeitraum fallen die Kirchen von St. Peter in Holz, Berg, Patriasdorf und Irschen. Der Streit um die Provinz

72 Vgl. Harald Krahwinkler/Herwig Wolfram, Der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, S. 101 sowie vgl. Franz Ortner, Salzburger Kirchengeschichte, S. 19. 73 Vgl. Kurt Karpf, Frühmittelalterliche Gräber im Villacher Raum, in: Neues aus Alt- (35. Jahrbuch, Villach 1998), S. 69 – 89, hier S. 82 – 85. 21

Karantanien zwischen dem Patriarchen von Aquileia und dem Erzbischof wurde von Karl dem Großen 811 mit der Drau als Grenze der beiden Diözesen festgelegt und beendet. Das Patriachat Aquileia bestand schließlich bis 1751. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Aquileia auch aus klerikaler Sicht dem ihm im Jahr 811 zugesprochenen Territorium angehört, zu dem auch die Gebiete in der heutigen Steiermark und in Kärnten südlich der Drau zählten. In den Jahren um 890 wurde im Rahmen einer Bischofssynode, der auch der Salzburger Bischof Arn beiwohnte, ein Schriftstück zur Mission der Slaven und Avaren verfasst. Dieses widmete sich fast zur Gänze dem Ritual der Taufe, war jedoch entscheidend für die Christianisierung der Masse.74

Als eine der bedeutsamsten Quellen zur Christianisierung und zu der damit verbundenen Bestattungspraxis aus dieser Zeit, gilt die von Karl dem Großen verfügte Capitulatio de partibus Saxoniae75, die den unterworfenen Sachsen den christlichen Glauben aufzwängen sollte. Darin wurde mithin auch verfügt, dass die Leichen der christlichen Sachsen nicht zu den heidnischen Friedhöfen, sondern auf die cimiteria ecclesiae gebracht werden sollten. Ebenso wurde die Verbrennung der Verstorbenen unter Strafe gestellt. Datiert wurde die Capitulatio de partibus Saxoniae zwischen 782 und 790, wobei davon auszugehen ist, dass die Verfügung nur eine in Frankreich bereits gängige Praxis sanktionierte. Da sich nicht überall gleichzeitig ein Wandel vollzog, wurden die alten Bestattungsplätze noch weiter genutzt. Bereits seit dem 8. Jahrhundert war die Beisetzung bei der Kirche durch Gesetze vorgeschrieben. Aufschluss über die Bestattungspraxis um 900 gibt unter anderem das Visitationshandbuch des Regino von Prüm.76

74 Vgl. Harald Krahwinkler/Herwig Wolfram, Der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, S. 102 - 104. 75 Die aus dem 8. Jahrhundert stammente Capitulatio de partibus Saxoniae wurde von Karl dem Großen erlassen und behandelt die Hügel- und Brandbestattung. Vgl. Michael Müller-Wille, Grab, -formen, -mal, in: Lexikon des Mittealters 4 (München – Zürich 1989), Sp. 1622. 76 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 34f. 22

3.4. Ausgewählte Gräberfelder in Karantanien zur Skizzierung der Bestattung

Mittels einiger Grabstätten soll kurz der Wandel im Bestattungswesen aufgezeigt werden. An bestimmten Merkmalen der Tracht und des Schmucks lässt sich das bairische Wirken bei den Gräbern des 8. Jahrhunderts festmachen. Ausgrabungen in Rosenheim (Gem. Baldramsdorf) legten 1991 ein Gräberfeld frei, das in die Zeit des Wandels vom Heidentum zum Christentum fällt. Die Verstorbenen wurden jedoch nicht bei den Kirchen, sondern am Rand der Siedlungen in der Nähe des Drauufers beigesetzt. Das Gräberfeld von Rosenheim weist heidnische wie auch christliche Elemente auf, wobei als christliche Komponente in diesem Gräberfeld die Bestattung von Ost nach West festzustellen ist. Heidnisch sind die dem Grab beigelegten Keramiken (Gefäße). 77 Befand sich keine Kirche im Siedlungsgebiet, so wurden die Verstorbenen beim Hof- oder Familienverband in der Umgebung des zentralen Hofs beigesetzt. Von diesem ausgehend entsprang dann auch der umliegende Ort. Der Fund des Gräberfelds in Puch bei Villach liefert ein solches Beispiel: Die auf das 9. Jahrhundert datierten Skelettfunde befanden sich am Straßenrand in Puch. Erst durch den Einsatz von Grundherrschaften und den Bau von Kirchen kam es im Lauf des 9. Jahrhunderts zur Beisetzung bei den Kirchen.

In der Nachbargemeinde von Puch, in Töplitsch, wurden zudem zwei ins Frühmittelalter datierte Gräberfelder freigelegt. Während sich ein Bestattungsplatz an einer Straße78 befand, wurde der zweite in der Nähe der sich heute dort befindlichen Kirche gefunden.79 Die Gräberfelder in Töplitsch wurden anhand der Grabbeigaben in das späte 8. Jahrhundert datiert. Zu dieser Zeit existierte dort allerdings noch keine Kirche und bestattet wurde in erster Linie im Hofverband. Im 9. und 10. Jahrhundert

77 Vgl. Therese Meyer/Kurt Karpf, Zur Geschichte von St. Peter und seiner Umgebung von der Einwanderung der Slawen bis ins Hochmittelalter (ca. 600 – 1200), in: Sterben in St. Peter, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von St. Peter bei Spittal/Drau in Kärnten (Beiträge zur Kulturgeschichte Oberkärntens Bd. 6), hg. Therese Meyer/Kurt Karpf (Spittal an der Drau 2010), S. 26 – 75, hier S. 39f. 78 Drautalstraße von Villach nach Spittal. 79 Vgl. Kurt Karpf, Frühmittelalterliche Gräber im Villacher Raum, S. 73 – 79. 23 kam es dann zur Entstehung von grundherrschaftlichen Eigenkirchen80 mit einem Tauf- und Begräbnisrecht. Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch die Machtenteignung des angesiedelten slawischen Adels und den Landerwerb des bairisch-fränkischen Adels durch Königsschenkungen. Aufgrund der Zentralisierung des Landes durch den bairisch-fränkischen Adel in Grundherrschaften und die Seelsorgefunktion für ihre Untergebenen kam es zur Entstehung der Eigenkirchen. Anfangs gab es allerdings nur im Zentrum der Grundherrschaft eine Kirche. Ein Beispiel dafür wäre Töplitsch, wo es wahrscheinlich eine solche Eigenkirche gab. Bestattet wurde der bairische Adel nicht im Land, sondern in den in ihrem Herkunftsland befindlichen Eigenkirchen und Klöstern. Die Bevölkerung der Gemeinde Puch gehörte ab 878 zur Grundherrschaft des Klosters Ötting, weshalb die Einwohner in der Eigenkirche in Treffen bestattet wurden. Davor waren sie unmittelbar in der Nähe ihrer Höfe beigesetzt worden. Anhand des Schmucks der Bestatteten wurden die Gräber vor 878 datiert.81

Weitere frühmittelalterliche Reihengräberfelder in Villach befanden sich in Perau, Judendorf und auf der Höhe der heutigen Klagenfurter Straße. Für Alt-Lind und neben dem Kirchhügel in St. Martin wurde ebenfalls ein Reihengräberfeld angenommen, datiert zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert. Während das Gräberfeld in Perau bei Villach den größten Wert für die Forschung hat, ist jenes in Judendorf das größte.82

Der Friedhof von St. Peter (Gemeinde Spittal) ist einer der größten ausgegrabenen Friedhöfe in Kärnten, jedoch mit 73 Bestattungen nur teilweise freigelegt.83 Anhand der Auswertung des Fundmaterials wurde er auf das 9. Jahrhundert datiert. Trotz des Verlustes der Eigenkirche an die Pfarre in Spittal 1242 blieb St. Peter das Begräbnis-

80 Als Eigenkirchen wurden jene Kirchen bezeichnet, die sich im Besitz des Adels befanden. Doch auch Klöster und Bischöfe konnten Eigenkirchen gründen. Vgl. Therese Meyer/Kurt Karpf, Zur Geschichte von St. Peter und seiner Umgebung, S. 36. Sowie weiterführend vgl. Kurt Karpf/Therese Meyer, Frühes Eigenkirchenwesen in Oberkärnten, in: Österreich vor eintausend Jahren, Der Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter (= Archäologie Österreichs [Sonderausgabe]), hg. Alexandra Krenn-Leeb (Wien 1996), S. 77 – 84. 81 Vgl. Kurt Karpf, Frühmittelalterliche Gräber, S. 82 – 85. 82 Vgl. Hans Dolenz, Die Begräbnisstätten in und um Villach, in: 900 Jahre Villach, Neue Beiträge zur Stadtgeschichte, hg. Wilhelm Neumann (Villach 1960), S. 349 – 355, hier S. 352. 83 Vgl. Christina Rogl, Die archäologische Untersuchung des Kirchenfriedhofs von St. Peter, in: Sterben in St. Peter, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von St. Peter bei Spittal/Drau in Kärnten (= Beiträge zur Kulturgeschichte Oberkärntens Bd. 6), hg. Kurt Karpf/Therese Mayer (Spittal an der Drau 2010), S. 100 - 148, hier S. 137. 24 und Kirchenrecht erhalten. Bei der Kirchweihe 1513 wurde der Friedhof nicht mehr erwähnt, jedoch wurden Forschungen zufolge bis ins 13. Jahrhundert Bestattungen auf dem Friedhof vollzogen.84 Eine Untersuchung der Knochenfragmente mittels Radiokarbonmethode ergab, dass die meisten Gräber aus dem 10. bzw. dem frühen 11. Jahrhundert stammen. Die Bestattungen auf dem Friedhof hatten somit im 9. Jahrhundert begonnen und endeten mit dem 15. Jahrhundert. Die Gräber aus dem 9., 10. und dem frühen 11. Jahrhundert waren in Reihen angelegt. Die größte Ausdehnung sowie die meisten Bestattungen sind zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert zu verzeichnen, wobei sich die Gräber vom 11. bis zum 13. Jahrhundert über jenen des Frühmittelalters befanden.85

3.5. Die Entwicklung des frühmittelalterlichen Friedhofs

Wie bereits im vorigen Abschnitt dargestellt wurde, vollzog sich durch die Christianisierung ein Wandel im Bestattungsritus: Zugunsten des Friedhofs wurde die Beisetzung in den Gräberfeldern aufgegeben. Durch die Anbahnung von Siedlungen um einen Friedhof kam nicht der Friedhof zur Stadt, sondern die Stadt zum Friedhof. Die Märtyrergräber der Friedhöfe außerhalb des Orts bildeten dabei einen Anziehungspunkt für Bestattungen und die Beisetzung auf dem Friedhof in der Nähe der Kirche sollte zusammen mit dem Kirchenpatron und seinen in der Kirche befindlichen Reliquien bei der Auferstehung und dem Endgericht helfen. War die Bestattung der Verstorbenen vorher von der Familie oder der Sippe geregelt worden, so oblag dies nun den Klerikern, wobei ausschließlich die durch den Bischof geweihte Erde Schutz vor bösen Geistern bot.86 Mit der ausschließlichen Bestattung der Verstorbenen bei den Kirchen festigte sich das Siedlungsbild des mittelalterlichen Dorfs von Anwohnern, Kirche und dem umgebenden Friedhof. Der Kirchhof diente als Ort für Versammlungen und hatte eine

84 Vgl. Therese Meyer/Kurt Karpf, Zur Geschichte von St. Peter, S. 63. 85 Vgl. Franz Glaser, Baugeschichte der Kirche St. Peter, S. 136f. 86 Vgl. Peter Dinzelbacher, Das frühe Mittelalter, Karolingische bis frühsächsische Epoche, in: Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 1), hg. Peter Dinzelbacher (Paderborn 2011), S. 81 – 268, hier S. 206. 25

Asylfunktion inne und stellte ferner einen Ort des täglichen Lebens dar, an dem sich ausgehend von Kirche und Friedhof die Bestattungsliturgie entwickelte.87

3.6. Der Klosterfriedhof

Der Klosterfriedhof zog im Früh- und Hochmittelalter viele Laien an, die sich durch eine Bestattung auf dem Klosterfriedhof erhofften, von der heilbringenden Wirkung der Reliquien in der Klosterkirche zu profitieren. Zudem versprachen sie sich durch die Gebete der Mönche, ihren karitativen Einsatz sowie durch den religiösen Ritus im Kloster einen Vorteil. Den Chroniken der Abtei Casauria und Subiaco in Süditalien zufolge war die größte Nachfrage nach Klosterbegräbnissen durch Laien um 1100 zu verzeichnen. In Subiaco wurde dabei ausschließlich von der Beisetzung von Adeligen berichtet, während in der Abtei von Casauria auch die untere soziale Schicht – mit der Weihe der neuen Basilika 1105 – auf dem Klosterfriedhof beigesetzt wurde.88 Der Wunsch nach einer Beisetzung im Kloster ist an den zahlreichen Stiftungen erkennbar. Für die Kärntner Region liegt eine Überlieferung des Edlen Georg vom Anfang des 10. Jahrhunderts vor, laut welcher der Adelige Güter aus dem südlichen Bereich des Wörthersees der Freisinger Kirche vermachte, um sicherzustellen, dass seine Gemahlin Tunza sowie er selbst in Maria Wörth bestattet würden.89

1252 wurden erstmals das Franziskanerkloster in der Altstadt von Villach, die Minoritenkirche und der um diese Bauten gelegene Friedhof erwähnt. Das 1785 aufgelassene Franziskanerkloster wurde 1895 abgetragen. Der Friedhof bei den Minoriten diente nicht nur dem Hochadel als letzte Ruhestätte, sondern auch den armen Einwohnern der Stadt. Weitere Untersuchungen sind aufgrund der wenigen Urkunden, des Abbaus des Klosters und der Kirche sowie der Freilegung und Auflösung der Grüfte und Gräber nicht möglich. Wahrscheinlich starben die

87 Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 679. 88 Vgl. Hubert Houben, Laienbegräbnisse auf dem Klosterfriedhof. Unedierte Mirakelberichte aus der Chronik von Casauria, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Bd. 76., hrsg. Deutschen historischen Institut in Rom (Tübingen 1996), S. 64 – 76, hier S. 64f. 89 Vgl. Theodor Bitterauf, Die Traditionen des Hochstifts Freising, 2 Bde. (Quellen und Erörterungen zur Bayerischen und Deutschen Geschichte, Neue Folge Band 4), Bd 1. (Aalen 1967), Nr. 1036. 26

Menschen im Kathreinspital und wurden auf einem Friedhof bei der Oberen Vorstadt beerdigt. Im 18. Jahrhundert findet sich dieser Friedhof allerdings nicht mehr in den Quellen.90 Ebenfalls ist für die Klosterkirche, später als Pfarrkirche erwähnt, des Benediktinerstifts Ossiach für jene, die im See ertranken, ab Mitte des 15. Jahrhunderts das Begräbnisrecht überliefert.91

3.7. Die Auslagerung des Friedhofs

Mit Ende des 15. Jahrhunderts erfolgte die Verlagerung der Friedhöfe an die Ränder der Städte und die innerörtlichen Friedhöfe wurden aufgelassen. Angeordnet von der Obrigkeit waren hierbei die hygienischen Aspekte maßgebend, nicht die Pest selbst. Für 1480 ist eine Bitte von Albrecht IV. und dem Rat der Stadt München an Rom verzeichnet, mit der um eine Verlagerung der Friedhofsanlage in den Bereich außerhalb der Stadt angesucht wurde. Begründet wurde dies mit dem Platzmangel auf den alten Friedhöfen.92 In einigen Städten wurde der Friedhof in Areale außerhalb der Stadtmauern verlegt, was trotz der Geruchs- und Gesundheitsbelastung durch die vielen vormals in der Stadt beigesetzten Toten Missmut in der Bevölkerung hervorrief.93 Getadelt wurde der fortwährende Brauch, die Verstorbenen im nahen Umfeld der Lebenden beizusetzen, sowie die übermäßige Hingabe zu den Gräbern.94 In Kärnten ist unter anderem die 1793 durchgeführte Abtragung des auf dem Friedhof befindlichen St.Michaels- bzw. St.Johanns-Karner zu erwähnen, die wahrscheinlich auf die Auflassung des Friedhofs zurückzuführen ist. Der Friedhof befand sich auf dem Areal der 1136 erstmals urkundlich erwähnten Hauptstadtpfarrkirche St. Jakob, die vermutlich vor 1106 gebaut worden war.95

90 Vgl. Hans Dolenz, Die Begräbnisstätten in und um Villach, S. 353. 91 Vgl. Peter Tropper, Ossiach, in: Germania Benedictina (Band 3/3 Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol), hg. von der Bayrischen Benediktinerabtei München (München 2000), S. 38 – 73, hier S. 58. 92 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium?, S. 33. 93 Vgl. Florian Dalham, Concilia Salisburgensia (Salzburg 1788), S. 206f. 94 Vgl. ebd., S. 208. 95 Vgl. Hans Dolenz, Die Begräbnisstätten in und um Villach, S. 352. 27

Maximilian I. erließ aus hygienisch bedingten Aspekten Bestattungsverbote. Bei dem Besuch der Freien Reichsstadt Nürnberg erließ er 1518 ein Verbot, wonach die Bestattung auf dem Sebalder und dem Lorenzer Kirchhof verboten wurde. Stattdessen wurde dann auf dem neuen St.Rochus-Friedhof sowie auf dem bereits seit dem 13. Jahrhundert existierenden Friedhof beim Siechenhobel von St. Johannis bestattet. Neben Nürnberg erließ Maximilian I. solche Verbote auch für Konstanz, Graz und Wien.96

Der 1338 erstmals urkundlich erwähnte Pfarrfriedhof bei der Andreaskirche im steiermärkischen Göss wurde 1535 auf den Friedhof bei der Erhardskirche verlegt. Bestätigt wird die Verlegung durch die Angabe einer einmalig zu zahlenden Gebühr im „Liber beneficiorum“ von 1540. Bevor der Friedhof bei der Andreaskirche wahrscheinlich aus Platzmangel verlegt wurde, hatte jener bei der Erhardskirche den Toten aus den Spitälern und verstorbenen Reisenden gedient.97 Anfang des 16. Jahrhunderts vollzog sich schließlich eine erste große Umlagerung von Friedhöfen.98

96 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 57. 97 Vgl. Rudolf K. Höfer, Göss, in: Germania Benedictina (Band 3/1 Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol), hg. von der Bairischen Benediktinerabtei München (München 2000)S. 715 – 767, hier S. 752. 98 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium?, S. 33. 28

4. Der Kirchhof als sakraler und profaner Ort

Der mittelalterliche Friedhof diente als sakraler und profaner Ort in Form des cimiterium und des atrium. Auskunft über diese beiden, von ihrer Funktion wie auch räumlich getrennten Areale, gibt der 915 verstorbene Regino von Prüm99 in seinem Visitationshandbuch. An dieser Stelle nur kurz zu erwähnen ist, dass das atrium den Ort des Handels, von Versammlungen und anderen öffentlichen Ereignissen bildete, während die Funktion des cimiterium ausschließlich auf die Bestattung beschränkt war.100 Coemeterium mit seiner Bedeutung als Ruhe- oder Schlafplatz wurde bereits in der Antike als Bezeichnung für mehrere Gräber an einem Ort verwendet. Aufgrund der zentralen örtlichen Lage und in diesem Zusammenhang der Überbauungen und Veränderungen des cimiterium, fällt es der Archäologie schwer, Auskunft über die frühmittelalterlichen, aber auch antiken und spätantiken Friedhöfe zu geben. Der Visitationsbericht des Regino von Prüm liefert hierzu ein wichtiges Beispiel für die mittelalterlichen coemeteria, da sich kein anderer in seiner ursprünglichen Art erhalten hat.101 Regino von Prüm teilte das Areal um die Kirche in atrium und coemeterium, wobei beide Teile verschiedene Zwecke innehatten. Bis zum Hochmittelalter hatte jeder Tote noch das Recht auf ein eigenes Grab, wobei die Größe des coemeterium durch das Bevölkerungswachstum meist auf Kosten des atrium stetig stieg. Aufgrund der vorgegebenen Größe des Kirchhofs, die durch die Umfriedung eingegrenzt wurde, musste das atrium an Platz einbüßen.102 Bestimmt wurde die Größe durch die Strahlkraft der Reliquien, die vor allem durch die ihnen zugeschriebene Wirkung enorm wichtig für die Kirche und das coemeterium als Ort der Bestattung waren. Die von den Reliquien ausgehende Strahlkraft wurde auf Fuß und Elle genau bemessen und bei Synoden festgelegt. Der Raum (confinia coemeteriorum) richtete sich nach

99 Regino von Prüm wird in den Quellen erstmals 892 erwähnt als er zum Abt des Klosters Prüm ernannt wird. 899 übernahm er die Führung des Klosters St. Martin in Trier, wo er ein Tonar, eine Weltchronik und eine Sammlung des Kirchenrechts vor seinem Tod 915 verfasste. Vgl. Wilfried Hartmann, Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein- Gedächtnisausgabe, 1. Buch (Bd. 42, Darmstadt 2004), S. 3f sowie vgl. weiterführend: Wilfried Hartmann, Regino von Prüm, in: Neuere deutsche Bibliographie 21 (München - Berlin 2003), S. 269f. 100 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof´ oder Coemeterium?, S. 27. 101 Vgl. ders., Der mittelalterliche Friedhof, S. 27. 102 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, S. 84. 29 diesen Bestimmungen des Friedhofs103. „Verschiedentlich wurden auf Synoden die confinia coemeteriorum, die Räume der Friedhöfe nach messbaren Einheiten festgelegt, so auf einem römischen Konzil des Jahres 1058 auf 60 Schritte per circuitum für die Hauptkirchen, auf 30 Schritte für Kapellen.“104

Schlussendlich wurde dieses genau festgelegte Areal zur Seelsorge der Verstorbenen geweiht. Trotz der spärlichen Überlieferung von Friedhofsweihen in den Quellen wird angenommen, dass sie dennoch weiter verbreitet waren. Der „Liber pontificalis“ des Erzbischofs Egbert aus dem Jahr 745 gilt als die älteste Quelle, durch die sich erstmals die Weihe eines Friedhofs und einer Begräbnisstätte nachweisen lässt.105 Ebenso wurde im Pontificale des 766 verstorbenen Egbert von York die Weihe des Friedhofs aufgeführt, wobei die Weihe eines Grabmals bereits bei Gregor von Tours erwähnt wird. Mithilfe von Weihwasser und Weihrauch sollen die bösen Dämonen bei der Friedhofsweihe vertrieben werden, damit laut Durandus von Mende – in seinem Rationale divinorum officiorum – die sterblichen Überreste der Verstorbenen bis zum Jüngsten Gericht in Ruhe verweilen.106 Einer überlieferten Friedhofsweihe dem Pontificale aus dem 10. Jahrhundert zufolge wurden vier brennende Kerzen auf Leuchter gesteckt, wobei diese mit den Enden ein Kreuz bildeten, das den Friedhof überspannte, bevor sieben Bußpsalmen gesungen wurden. Folgend wurde der Friedhof mit Weihwasser besprengt und ein Glaubensbekenntnis, bei dem der Priester Gott bat, den Friedhof für die Verstorbenen zu segnen, zu heiligen und zu reinigen, gesprochen. Weiters ersuchte er Gott, den Toten Trost und ihnen Glückseligkeit nach der Wiedervereinigung von Leib und Seele zu schenken.107 Laut Kirchenrecht erhielt der Friedhof ebenso wie die Kirche seine Heiligkeit durch die Weihe mit Licht, heiligen Buchstaben, Salböl und Weihwasser.108

Rechtlich wurde die Friedhofsweihe, die durch den Ortsbischof vollzogen werden sollte, erst im 13. Jahrhundert geregelt. Es ist möglich, dass die Konsekration von

103 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 32. 104 Zitiert: ebd., S. 32. 105 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Das Recht des ersten christlichen Jahrtausends, Von der Urkirche bis zum großen Schisma (Bd. 1, Wien - München 1953), S. 373. 106 Vgl. Irmgard Wilhelm-Schaffer, Gottes Beamter und Spielmann des Teufels, Der Tod im Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Köln – Weimar – Wien 1999), S. 300f. 107 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 145. 108 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 248. 30

Friedhöfen seit Gregor IX. (1227 - 1241) rechtskräftig war. Die Weihe durch einen fremden Bischof, wenn der zuständige Ortsbischof nach zwei- bis dreimaliger Aufforderung verweigerte, wurde den Regularen109 1516 durch die Konstitution „Dum intra“ durch Leo X. gestattet.110

4.1. Ein Ort des lebendigen Treibens – das atrium

Der Friedhof diente als Platz der Begegnung, da es neben den Straßen ansonsten keine öffentlichen Orte gab.

Zu den Prozessionen, die auf dem Friedhof zelebriert wurden, gehörten auch jene am Palmsonntag. Durch den Friedhof als Vollzugsort der Prozession, den Weg vorbei an den Gräbern und die daraus folgende verbundene Andacht, kam es zu einem Einbezug der Verstorbenen in diese Osterliturgie.111

Aufgrund seiner Lage zwischen Straßen und Gassen diente der Kirchhof jedoch nicht nur dem sakralen Zweck. Das atrium als jener Teil, der nicht für Bestattungen genutzt wurde, bot einen Raum für weltliche Handlungen. Während das atrium als freier Ort um die ländliche Kirche bezeichnet wird, gilt es in der Architektur als ein nicht überdachter, vorgelagerter, ummauerter Raum zur Sammlung vor der Kirche. Die Zweiteilung des Friedhofs mit dem atrium als Ort des Handels, Spiels und der Rechtsprechung, lässt sich auf die Furcht vor den Toten zurückführen.112 Neben Wahlen erfüllte der Kirchhof noch weitere profane Zwecke: als Werkplatz, Versammlungsort, Marktplatz, Spiel- und Festplatz sowie als Ort des Asyls für verfolgte Personen, zur Eheschließlung und für einzelne Fruchtbarkeitsbräuche. In Zeiten des Kriegs diente das atrium als Sammelplatz für die ausgehenden Züge und zur Abwehr.

109 Die Regularkanoniker, Canonici Regulares, werden meist mit Chorherren übersetzt. Vgl. Dominicus M. Meier, Regularkanoniker, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht 3 (Paderborn – München – Wien – Zürich 2004), S. 396f. 110 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Das Kirchenrecht der abendländischen Christenheit 1055 bis 1517 (Bd. 2, Wien - München 1955), S. 396f. 111 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 86f. 112 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 31. 31

Ein spezieller Rechtsfrieden sollte körperliche Auseinandersetzungen bei den verschiedenen Spielen, Festen, Versammlungen und Rechtsversammlungen verhindern.113 Verbote und Erlasse richteten sich zahlreich gegen Märkte, Ausstellungen sowie Tanzveranstaltungen, die jedoch hinsichtlich ihrer unzähligen Verbotserwähnungen stattfanden.114 Ferner sprach sich die Synode von Nantes 1405 und jene von Angers 1423 gegen den Markt und den Verkauf von Luxusgütern auf dem Friedhof aus.115 Marktplätze konnten durch verschiedene Faktoren, wie etwa durch städtische Veränderungen, an einen anderen Ort verlegt oder auch neu angelegt oder einfach nur umgestaltet werden. Der Marktplatz konnte Kapellen, Buden, Stände, Kaufhallen, Kirchen und Rathäuser umfassen, die für diesen Zweck gebaut, umgebaut oder abgerissen wurden.116 Die Formen des Markts waren ebenso unterschiedlich wie etwa Messen, Sondermarkt, Jahrmarkt oder Wochenmarkt, wie dessen Lokalität. Sie fanden auch in Gasthäusern, am Hafen, auf der Straße, in Kaufhäusern, in Stadthöfen bei Klöstern und bei Kirchen statt. Wichtig bei der Ortswahl war die zentrale Lage in der Stadt, umgeben von offiziellen Gebäuden.117 Untersuchungen im Bereich der Magdalenenkapelle in Baldramsdorf wiesen neben einer älteren romanischen Kirche, die sich unter der heutigen ca. um 1500 erbauten Kirche befindet, auch die profane Nutzung des Friedhofsareals zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert nach. Belegt wird diese These durch den Nachweis eines Holzgebäudes auf einem Steinfundament sowie Palisaden.118

In regionalen kirchlichen Gesetzgebungen finden sich Verbote bezüglich Tanzen auf dem Kirchhof.119 Die ludi saeculare120 wurden auf den Kirchhöfen wie auch auf den Kirchen aufgrund ihres Charakters nicht als sakral angesehen und beim Trierer

113 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 37. 114 Vgl. Norbert Ohler, Sterben im Mittelalter, S. 155. 115 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 90f. 116 Vgl. Ralph Röber, Markt und Handwerk. Quellenkritische und forschungsgeschichtliche Betrachtungen, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 34, hg. S. Brather/U. Müller/H. Steuer (Bonn 2006), S. 147 – 151, hier S. 147. 117 Vgl. Birgitta Nagel-Schlicksbier, Städtisches Handwerk. Markt, Märkte und Markplätze auf mittelalterlichen Bildquellen, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 34, hg. S. Brather/U. Müller/H. Steuer(Bonn 2006), S. 285 - 312, hier S.285. 118 Vgl. Desiree Ebner, Die archäologische Forschung in Kärnten zwischen 1945 und 2005, in I 201 (Klagenfurt 2011), S. 49 – 73, hier S. 66. 119 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 98. 120 Bei den ludi saeculare zur Zeit Augustus wurden den Göttern Opfer dargebracht, begleitet wurde dieses Ritual durch Zirkusspiele und weiteren Vorstellungen. Vgl. Säkularspiele, in: Lexikon alte Kulturen 3, hg. Hellmut Brunner/Klaus Flessel/Friedrich Hiller und Meyers Lexikonredaktion (Mannheim – Leipzig – Wien – Zürich 1993), S. 313f. 32

Provinzialkonzil von 1227 gerügt. Festgehalten ist auch die teilweise Teilnahme eines Pfarrers an diesem Tanz, wobei diesem als Folge die Ausführung seines Amts verboten wurde. Diese ludi saeculares haben jedoch nichts mit den Aufführungen in Szenenform gemein.121

Kritisiert wurde vor allem Lachen und Tanzen seitens der Frauen auf dem atrium, Versammlungen und Tätigkeiten jedoch nicht.122 Regino von Prüm befasste sich in seinem Visitationshandbuch ebenso mit der Thematik Spiel und Tanz auf dem Kirchhof. Die Frage lib. I, 73 ist eine Ermahnung an den Pfarrer bezüglich des Gesangs von Liedern sowie des Reigentanzes der Mädchen. In dieser Frage heißt es: „Ob er teuflische Lieder123, die das einfache Volk zu nächtlicher Stunde über den Toten zu singen pflegt, und lautes Lachen, das sie von sich geben unter der Ermahnung des allmächtigen Gottes verbietet?“124 Diese „teuflischen“ Lieder unterhielten das Volk zum Missmut des Visitators sowie des Pfarrers. Im 6. Jahrhundert waren Tänze um die Kirche scheinbar der Normalfall, da jene in Erzählungen und Glauben des Volks übergingen. Im 6. und 7. Jahrhundert gehörten diese Tänze nicht zum Alltag der Sonntagsmesse, sondern sie standen im Zusammenhang mit ortsgebundenen Festen der Kirche wie dem Patroziniumstag oder der Kirchweihe. Zumal jene Tänze aus vorchristlicher Zeit stammten, wurden sie in die christliche Tradition übernommen und wurden in den Kirchen dargebracht. Zwar wurden die Tänze, die zur Zeit Reginos einen profanen und keinen totenkultischen und liturgischen Charakter innehatten, von der Obrigkeit geduldet, bei weitem jedoch nicht befürwortet, da sie einen Auslöser für Streit wie auch Ausuferungen boten.125

Vor dem Beginn der sonntäglichen Messen versammelten sich die Besucher, um sich auszutauschen. Die Mädchen, die nur reges Interesse hatten, sich an diesem in Grüppchen aufgeteilten Informationsaustausch zu beteiligen, tanzten indessen einen Reigentanz. Dieser Thematik widmet sich die Frage lib. I, 72 „Ob er das Volk ermahnt, dass die Frauen auf dem Vorhof der Kirche keinesfalls singen oder Reigen

121 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 99. 122 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 31. 123 Also heidnische Gesänge zur Totenbeschwörung. Zitiert nach: Wilfried Hartmann, Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, S. 34. 124 Zitiert: ebd. S. 35. 125 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 96f. 33 aufführen sollen, sondern dass sie, wenn sie die Kirche betreten, das Wort Gottes in (aller) Stille anhören sollen?“126.

Neben den Reigentänzen wurde ebenso das Singen von Liedern mit verwerflichem Inhalt angeprangert, was mit der Frage lib. II, c.5,87 ersichtlich ist127: „Ob jemand es wagt, im Umfeld der Kirche schändliche und Gelächter erregende Lieder zu singen?“128 Anhand der zahlreichen Verbote durch Synoden und Konzile ist ersichtlich, dass der Friedhof ein Ort des Spiels, Treffpunkt der Gesellschaft und des Vergnügens war. Das Konzil von Rouen verbot den Tanz in der Kirche und auf dem Kirchhof im Jahr 1231 unter Androhung der Exkommunikation bei Nichteinhaltung. Neben dem Tanz wurden 1405 auch Spiele verboten. Hierbei wurde den Berufsgruppen der Spielleute, Pantomimen, Maskenträgern, Jongleuren und Gauklern die Ausübung ihrer Arbeit untersagt.129

Einen Einblick in die soziale Funktion der Kirche sowie deren Umfeld als Treffpunkt für die Gemeinde gibt das Salzburger Provinzialkonzil von 1456. Besprochen wurde bei diesem Konzil die Festlegung einer Strafe „für diejenigen, die an Sonn- und Feiertagen vor den Kirchentüren und auf dem Friedhof während der Predigt und des Gottesdienstes stehen und sich dort unterhalten.“130 Das erste Kapitel der Passauer Synode von 1470 „schreibt allen erbietiges Betragen in der Kirche vor, verbietet Aufruhr und müßiges Geschwätz in den Kirchen und jeden Handel im Gotteshaus und auf dem Friedhof.“131

In den durch Bischof Matthias von Seckau überarbeiteten Kapitelstatuten vom 27. Februar 1483 wurden Verhaltensregeln festgelegt.132 „In diesen wurde unter anderem bemerkt, dass die Gaukeleien am Nikolausfeste, da Jünglinge, wie Bischöfe

126 Zitiert nach: Wilfried Hartmann, Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, S. 35. 127 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 96. 128 Zitiert nach: Wilfried Hartmann, Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, S. 251. 129 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 92. 130 Zitiert nach: Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, Humanismus, Reformation und Gegenreformation (Bd. 2, Innsbruck - Wien 1949), S. 91. 131 Zitiert: ebd., S. 95. 132 Vgl. H. L`Estocqu, Eiserne Kühe und Schafe, in: Carinthia I 122 (1932), 149. 34 gekleidet, Segen erteilten, wie auch die Maskenspiele im Fasching in der Kirche und auf dem Gottesacker auf keine Art mehr geduldet werden sollten.“133

Dass der Friedhof ebenso eine Funktion als Handelsplatz hatte, ist durch das 32. Kapitel der Passauer Synode von 1470 ersichtlich. „Die Pfarrer dürfen nicht Kaufleute, Auskocher oder andere Handeltreibende auf den Friedhöfen oder in den Kreuzgängen dulden, auch Ausrufern oder Beamten nicht erlauben, daß sie ihre weltlichen Geschäfte in der Kirche erledigen, Edikte verkünden, Vorladungen ausrufen. Solche Beamte dürfen die Kirche fernerhin nicht mehr betreten: wenn sie es dennoch tun, sollen sie exkommuniziert werden. Auch ist das letzte Kapitel des Titels: de immunitate ecclesiarum, das beginnt: ,eos qui‘, kundzumachen und zu beachten.“134

Neben der gesellschaftlichen Funktion, die der Kirchhof innehatte, diente er ebenso als Asyl- und Rechtstätte. Das weltliche Recht endete an der Stelle, an der das Asylrecht im Bereich der sakralen Orte einsetzte. Der mittelalterlichen Vorstellung zufolge reichte nur bis zu diesem Punkt die weltliche Gerichtsbarkeit und das Rechtsgebiet des jeweiligen Patronen und Heiligen setzte ein.135

Der rechtliche Schutz eines Verfolgten vor der Kirchenpforte wurde bereits im Jahr 813 durch das „Capitularium Missorum“ gewährt. Durch das Asylrecht wurde dem Flüchtigen Schutz vor der profanen Herrschaft geboten. Der Schutzheilige gewährte nicht nur den Toten, sondern auch den Lebenden Schutz vor dem Profanen. Durch die Inanspruchnahme des Asyls fungierte der Friedhof als Wohnort der Flüchtigen. Die Dauer des Asyls war von klerikaler Seite nur auf einen begrenzten Zeitraum - vor dem Hintergrund, die Aktivitäten auf dem Friedhof weiterhin kontrollieren zu können - festgelegt. Durch den Bau von fest angelegten Wohnorten oder der Behausung von Kammern wurde die Gewährung des Asyls hinausgezögert.136

133 Zitiert nach: H. L`Estocqu, Eiserne Kühe und Schafe, S. 149. 134 Zitiert nach: Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, S. 101. 135 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 248. 136 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 83ff. 35

Durch das Asylrecht, das bis in die Neuzeit auf dem Friedhof galt, konnte sich dort auch ein Gelynchter fürs Erste in Sicherheit wägen.137 Ebenso diente diese heilige Stätte als Fluchtort und zum Schutz in Zeiten des Kriegs wie auch bei Verfolgung oder Fehde.138 Bereits heidnische Tempel hatten Flüchtigen Schutz vor Blutrache, Verfolgung und dem Gericht des Staats gewährt. Das Asylrecht, das es auch im Römischen Recht gab, bildete sich aus dem Schutzrecht der Kirche. Das Interzessionsrecht139 der Kirche gewährte dem Asylsuchenden beim Kirchenareal zwar keine Befreiung vom profanen Gericht, sicherte ihm jedoch eine mildere Strafe oder sogar eine Strafbefreiung bei der Rechtsprechung zu. Das kirchliche Asylrecht wurde von den Volksstaaten übernommen, unterlag jedoch Schwankungen. Im Fall einer Nichtzahlung der geforderten Ersatzleistungen durch den Schuldner wurde es durch Theodosius den Großen im Osten eingeschränkt. Ebenfalls von Justinian I., der Ehebrecher, Mörder, Entführer von Jungfrauen und Religionsverbrecher von der Nutzung des Asylrechts ausnahm und Beschränkungen im Zivilrecht einführte. Erweitert wurde es von Theodosius II. (431), der das Asylrecht auf Bauten und Anlagen, die zur Kirche gehörten, ausdehnte. Der Zerfall der staatlichen Macht im Weströmischen Reich führte zu einer Ausdehnung des kirchlichen Asylrechts, das wiederum Einfluss auf die Volksrechte nahm.140 Beschneidungen erfuhr das Asylrecht durch Beschlüsse bei Konzilen und Kapitularien in der karolingischen Zeit. Mittels dieser Einschränkungen kam es zu einer Unterscheidung zwischen Verurteilten und jenen Angeklagten, die noch keinen Schiedsspruch erhalten hatten. Ausschließlich der noch nicht Verurteilte stand unter dem Schutz des Asyls, allerdings war es nur mehr erlaubt, den Geflüchteten ohne Nahrung und nur für kurze Zeit aufzunehmen. Anstelle einer kompletten Straffreiheit erwartete diesen nunmehr eine lindere Strafe oder auch eine Befreiung von der Todesstrafe. Ein Verstoß gegen das Asylrecht wurde mit schweren Strafen geahndet.141

137 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 154. 138 Vgl. Andreas Jobst, Kirchhöfe im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in:, Tod und Gesellschaft – Tod im Wandel: Begleitband zur Ausstellung im Diözesanmuseum Obermünster Regensburg, hg. Christoph Daxelmüller (Regensburg 1996), S. 33 – 38, hier S. 33. 139 Durch die Verankerung des Asylrechts im Interzessionsrecht ebenso wie im Decretum Gratiani wurde es bestätigt. Vgl. Thomas A. Amann, Interzession, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht 2 (Paderborn – München – Wien – Zürich 2002), S. 315f. 140 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts (Bd. 1), S. 226f. 141 Vgl. Hans-Jürgen Becker, Asyl, in: Lexikon des Mittelalters 1 (München - Zürich 1980), Sp. 1157. 36

An Stellenwert gewann das Asylrecht wieder im 11. Jahrhundert. Neben der Erneuerung vieler alter Vorschriften in Bezug auf das Asylrecht für Orte mit einer Sonderstellung wurde allen Kirchen und ferner den dort befindlichen Personen am Zweiten Laterankonzil eine Verletzung des Asylrechts durch Exkommunikation in Strafe gestellt.142 Bekräftigt wurde das Asylrecht durch die Aufnahme etlicher canones in das Dekret Gratians,143 ebenso vereinheitlicht und abgeändert durch die Dekretalen der Päpste.144 Durch eine Dekretale entstanden Ausnahmen, bei denen das Asylrecht nicht mehr angewendet wurde. Zu diesen gehörten z.B. Straßenräuber und Personen, die am Ort des Asyls gemordet hatten oder sich durch Gewalt in das kirchliche Asyl begeben hatten etc. Eingeschränkt wurde es bereits unter Innozenz III. und später ebenso unter seinem Nachfolger Gregor IX., die gewisse Verbrecher aus dem Schutz des Asyls herausnahmen. Gregor XIV. dehnte 1591 wiederum die Ausnahmefälle weiter aus.145 Zu einer Eindämmung des Asylrechts kam es infolge des Anspruchs der profanen Gerichte hinsichtlich der Verfolgung von Rechtsbrechern innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, was zu einer Übertretung des kirchlichen Asylrechts führte.146 Eingeschränkt wurde das Asylrecht auch im 31. Kapitel der Passauer Synode von 1470: „Ausgenommen sollen nur sein: öffentliche Räuber oder solche, die in der Nacht Äcker verwüsten, Wegelagerer und jene, die in der Kirche oder auf dem Friedhof ein Verbrechen begehen, da sie rechneten, gerade dort der Strafe zu entgehen.“147

Neben der Kirche mit Friedhof und atrium erweiterten sich die Orte mit Asylrecht im Hoch- und Spätmittelalter auf Spitäler, Stifte, Klöster sowie Gebäude der klerikalen Ritterorden. Die Zeit des gewährten Asyls war in den meisten Fällen eingeschränkt. Meist handelte es sich um drei Tage, auch um sechs Wochen und drei Tage oder um Jahr und Tag.148

142 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts (Bd. 2), S. 308. 143 Vgl. Hartmut Zapp, Asyl, in: Lexikon des Mittelalters 1 (München -Zürich 1980), Sp. 1157. 144 Vgl. Rainer Murauer, Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger Eigenbistum Gurk (Wien – München 2009), S. 11. 145 Vgl. Hartmut Zapp, Asyl, Sp. 1157. 146 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts (Bd. 2), S. 308f. 147 Zitiert nach: Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, S. 100. 148 Vgl. Hans-Jürgen Becker, Asyl, Sp. 1157f. 37

Diese Asylfunktion betraf nicht nur den Schutz vor der profanen Rechtsprechung, sondern auch den Schutz bei Gefahr im Sinne von Feuer, Wassernot oder auch Krieg. Zu diesem Zweck versammelte man sich nach dem Läuten der Sturmglocke auf dem Kirchhof, der mit der Kirche Schutz- wie Asylfunktion bot. Geschützt durch die Mauern bot der Kirchhof Platz für Vieh und Nahrungsreserven im Kriegsfall. Das Läuten der Glocke - sie nahm im mittelalterlichen Leben einen wichtigen Stellenwert ein - signalisierte auch eine Versammlung oder ein Gericht auf dem Friedhof.149

Die Menschen verlegten die Rechtstätte auf den Kirchhof, weil schon ihre Vorfahren die Gräber als Ort der Rechtsprechung genutzt hatten. Für das mittelalterliche Volk bestand kein Unterschied zwischen sakraler und profaner Öffentlichkeit. Zwar diente der Kirchhof als Rechtstätte, Hinrichtungen wurden aber auf dem Friedhof am Feld durchgeführt, da die Asylfunktion und der Friedhof als ein Ort des Friedens dem Akt der Hinrichtung widersprachen.150 Nicht nur der Vollzug des mittelalterlichen Rechts, angefangen bei der Anklage, sondern auch die Hinrichtungen waren öffentlich. Durch das Beiwohnen an der gesamten Prozedur wie auch durch die Messpredigten „lernte“ die illiterate Gesellschaft - auch Kinder zählten zu den Zusehern bei den Hinrichtungen - das gelehrte Recht.151 Neben dem Friedhof als Gerichtsort diente auch die Kirche, aber auch der Platz vor der Kirchentüre unter der Illustration des Jüngsten Gerichts, als Ort der Rechtsprechung.152 Die Abhaltung in den Kirchenvorhallen wurde durch Karl den Großen für den Fall von Schlechtwetter gestattet.153

Rechtsgeschäfte wurden in der Öffentlichkeit in der Kirche oder auf dem Kirchhof geschrieben und unterzeichnet. Gesichert wurde dieses Rechtsgeschäft durch den locus consecratus154 und insbesondere durch das Ablegen der Urkunde auf dem Altar.155 Die Synode von Nantes im Jahr 1405 wie auch jene von Angers im Jahr

149 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 93. 150 Vgl. ebd., S. 90. 151 Vgl. Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit, Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung, (München 21985), S. 41. 152 Vgl. ebd., S. 74. 153 Vgl. ebd., S. 130. 154 Locus consecratus ist der geweihte Gottesacker. Vgl. Johann Christian Wilhelm Augusti, Locus consecratus Handbuch der christlichen Archäologie (3. Teil, Leipzig 1837), S. 307. 155 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S. 91. 38

1423 verboten die Haltung des weltlichen Gerichts sowie seine Rechtsprechung auf dem Friedhof.156

In der Diebold-Schilling-Chronik von 1513 wird das mittelalterliche Recht anhand von Darstellungen bearbeitet. Drei Rechtsfälle werden in dieser Illustration des Friedhofs in Baden bei Wien behandelt: Eine Gräfin bittet um Gnade, während ein Gerber, der des Diebstahls bezichtigt wurde, zum Galgen gebracht wird. Indessen sucht seine Geliebte Asyl innerhalb des Friedhofs bzw. der Kirche.157 Eine weitere Darstellung zur Thematik der Rechtsprechung in der Diebold-Schilling- Chronik widmet sich einer Bahrprobe, in der Hans Spieß des Mords an seiner Gattin angeklagt wurde. Als Ort der Rechtsprechung diente der Friedhof im schweizerischen Ettiswil.158 „… Also hatt er sin hend zesamen, fieng an und gieng und den ersten tritt, den er tett, wiewol er noch fer von der frowen was, inmaß dz er sy kum mocht sa(e steht über a)hen, da fieng sy angends an, warff ein schum zum mund uß, und je na(e über a)her er zu(o oder Kugerl drüber)hin kam, je vester sy anfieng schumen, und da er noh hinzu(o oder Kugerl drüber) kam, da entsprang ir ein roter fleck an der styrnen. Da er nu(o oder Kugerl drüber) solt nider knüwen und sweren, da fieng sy an blua(e steht über a)ten sollichermaß, dz das blu(o oder Kugerl drüber)t durch die bar nider ran und sy sich gantz entpfarwt. …“159

In der Literatur findet sich die Bahrprobe bereits im 12. Jahrhundert, so beginnt auch im Nibelungenlied der verstorbene Siegfried zu bluten als Hagen an seine Bahre tritt.160

„swelcher sich unschuldige, der lâze daz gesehen. der sol zuo der bâre vor den liuten gân. dâ bî mac man die wârheit harte schiere verstân.

156 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 90. 157 Vgl. Katharina Simon-Muscheid, Lebende, Tote und Dämonen: der Friedhof als Ort der Begegnung, in: Engel, Teufel und Dämonen. Einblicke in die Geisterwelt des Mittelalters, hg. Hubert Herkommer/Rainer Christoph Schwingens (Basel 2006), S. 103 – 118, hier S. 109. 158 Vgl. Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 18. 159 Zitiert nach: Alfred A. Schmidt, Die Schweizer Bildchronik des Luzerner Diebold Schilling 1513 (= Sonderausgabe des Kommentarbandes zum Faksimile der Handschrift S. 23 fol. in der Zentralbibliothek Luzern, Luzern 1981), S. 331. 160 Vgl. Irmgard Wilhelm-Schaffer, Gottes Beamter und Spielmann des Teufels, S. 312. 39

Daz ist ein michel wunder; vil dicke ez noch geschiht: swâ man den mortmeilen bî dem tôten siht, sô bluotent im die wunden, als ouch dâ geschach. dâ von man die schulde dâ ze Hagenen gesach.“161

Bei der Bahrprobe musste der Angeklagte meist nackt die Wunden auf dem Leichnam der Ermordeten küssen oder anfassen. Nackt musste er sein, um die Mitführung etwaiger Gegenstände, die die Bahrprobe „beeinträchtigen“ konnten, wie etwa ein Zauberamulett, zu verhindern. Gab der Leichnam ein Zeichen von sich, „überführte“ dieses den Angeklagten als Mörder. Die Reaktion des Getöteten wurde als Gottesurteil angesehen.162 „Es liegt nun nahe, dieses Wunder sichtlich herbeizubringen, indem man jeden Verdächtigen vor die Leiche des Ermordeten stellt. Damit entsteht aus einem Stück des Blutaberglaubens und des Glaubens an den lebenden Leichnam überhaupt in christlicher Auffassung ein berufenes Gottesurteil.“163 Einige überlieferte Beispiele schildern die Praxis der Bahrprobe in Österreich. Ein des Mordes Verdächtiger suchte 1455 beim Stadtrat von Wiener Neustadt um eine Bahrprobe an, um seine Schuldlosigkeit zu bekunden. Jeder der Verdächtigen sollte dann „zur Bahre treten und einer nach dem anderen zwei Finger auf die Wunde legen und einen Eid schwören…“164. Bei einer 1658 durchgeführten Bahrprobe in Murau gab der Leichnam nach dreimaliger Befragung und dreimaligem Anlegen des Fingers durch den Beschuldigten auf das Herz, kein Zeichen von sich.165 Schriftlich überliefert sind eine am 18. März 1577 durchgeführte Bahrprobe sowie der Eidschwur in Spittal an der Drau. Zwei Nagelschmiede standen unter Verdacht Jakob Rautter ermordet zu haben.166 Der Eidschwur lautete: „Nachdem ich in Argwohn und Verdacht kommen bin, dass ich an des Jakob Rautter Sterben und Todt schuldig sein soll, des ich nit verschuldt, auch solches nit geständig, verhoffennlich es wirdet sich solche Tadt an mir nit befinden. Damit aber solche Nodt und Sterben am Tag komme, demnach so hat mich ain ersambs Gericht allhie für das Paarrecht verordnet und stellen lassen,

161 Vgl. Hermann Reichert, Das Nibelungenlied, Text und Einführung, (Berlin – New York 2005), S. 162. 162 Vgl. Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 18. 163 Zitiert nach: Walter Fresacher, Eine Bahrprobe in Kärnten, in: Carinthia I 126 (1936), S. 117 – 121, hier S. 118. 164 Zitiert: ebd., S. 119. 165 Vgl. ebd. S. 118f. 166 Vgl. ebd. S. 120f. 40 alldass ich mich, dass ich an solchen des Jakob Rautter Tod und Sterben nit schuldig bin, vor männiglich entschuldige. Darauf so schwör ich hiemit mit aufgehebten Fingern untern hellen Himmel aus aufgerekhten Und zu Gott und in mein Seell, dass ich an des Jakob Rautter Todt weder mit Worten noch Werten mit Rath meines selbst Tadt und mit nichts verschuldt, als dass ich mich in Zaumb gehalten, mich des alles gar unschuldig weiss und nit gethan hab. Als wahr mir Gott helf und ich am jungisten Tag vor Gottes Gericht verantworten will und als wenig ich an solichen Todt schuldig bin, alls wenig wirdt der todte Körper oder Leich kein Zaichen wider mich geben und leg derhalben mein Hand auf sein Prusst und mein zween aufgehebten Finger auf sein Wunden. Im Fall ich aber an seinem Tod schuldig bin, so schicke Gott sein göttliche Genad und Barmherzigkeit her, damit dieser Körper oder Lench ain Wahrzeichen gibt, damit die göttliche Wahrheit am Tag khumb. Amen.“167 Unter dem Eidschwur wurde der Ablauf der Bahrprobe geschildert. „Wann der Verdächtige oder Taidter (Täter) den Schwur thuen muess, soll er vor der Paar nieder knieen und die Hand auf des Todten Prusst halten und die zween Finger auf die Wunden legen und soll dreymall umb die Paar herumb geführt werden und alls oft ain Weil stillhalten.“ Dann schliesst sich von einer anderen Hand die folgende Bemerkung an: „Ist gehalten durch Paar Lucaffer Marktrichter den 18. März des 77. Jahres vor der Jorg (Georg) Rauter Behausung in der Gassen an dem Ort, da der Fall des Rauters beschehen ist. Uber der todt Korper oder Leich hat kein Wahrzeichen geben, des haben all zwen Nagelschmied den Schwur tun müssen und um die Par herumgehen und der Stoffl (Christof), so in (unter) diesen gewest, ist da vor der Par ledig gelassen worden.“168

Im Rechtsbuch von Freising aus dem Jahr 1328 wird die Bahrprobe wie folgt beschrieben: „ihn mit Namen nennen und diese Worte sprechen: >Ich bezeuge bei Gott und bei dir, daß ich an deinem Tode unschuldig bin.< Wenn er das dreimal tut und haben sich die Wunden nicht verändert, so ist er frei von den Verwandten und von dem Gericht. Haben sich aber die Wunden verändert, so daß sie blutig sind, so ist er an dem Tode schuldig geworden… und hat das Urteil über sich selbst abgeben.“169

167 Zitiert: ebd., S. 120f. 168 Zitiert: ebd., S. 121. 169 Zitiert nach: Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 18 sowie vgl. Irmgard Wilhelm-Schaffer, Gottes Beamter und Spielmann des Teufels, S. 312. 41

4.2. Der Wehrfriedhof

Den Auslöser für die Errichtung von Wehranlagen in Form des Wehrfriedhofes lieferte der erste Türkeneinfall von 1473 der unter der schutzlos ausgelieferten bäuerlichen Bevölkerung zahlreiche Opfer forderte. Da die Wohnstätten der Bauern meist aus Holz bestanden, boten sie keinen Schutz vor den Feuerattacken der Angreifer. Die steinernen Kirchengebäude dienten hinzu als Asylstätte womit sie als Folge, obgleich ihr Standort - oft auf freiem Gelände - nicht ideal dem Verteidigungszweck diente, zu Wehrfriedhöfen umgebaut wurden.170 Örtlich verschieden konnte sich nun ein Friedhof durch Türme, Fallgitter oder Wehrgänge auch als Wehrfriedhof gestalten.171

In Kärnten finden sich in den Gebieten des Kärntner Beckens, also dem Raum um Klagenfurt, St. Veit mit dem Zollfeld und im Metnitztal viele Wehrkirchen. Eine große Anzahl von Wehrkirchen befindet sich im Bereich des Völkermarkter Bodens, in der Schotterebene des Jauntals sowie in den Hängen der Saualpe. Dass sich die Vielzahl der Wehrkirchen in Ost- und Zentralkärnten befindet, ist auf die Türkeneinfälle im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zurückzuführen. Die Wehrkirchen wurden topografisch nicht anhand guter Verteidigungspunkte errichtet, sondern dienten allein dem Schutz der Bevölkerung.172 „Neben der günstigen Fluchtlage zur Siedlung, der raschen Sammelmöglichkeit, dem Glockenalarm, der grossen Belagfähigkeit einer Kirchenburg wiesen diese viele Nachteile auf. Bei der Einäscherung des Dorfes war die Gefahr des Niederbrennens der Kirche kaum abwendbar, wie dies die Chronik der Türkenzüge in Kärnten erzählt, wenn nicht wie in St. Jakob im Rosental oder bei den Krappfelder Kirchen ihre vereinsamte Lage es verhinderte.“173

In vielen Fällen befanden sich Karner bei Wehrkirchen, ohne jedoch selbst eine Verteidigungsfunktion einzunehmen, oder ein Wehrturm befindet sich neben dem

170 Vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen (Klagenfurt 1985), S. 6ff. 171 Vgl. Andreas Jobst, Kirchhöfe im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, S. 33. 172 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 5. 173 Zitiert nach: Franz Kafka, Über befestigte Kirchen in Kärnten, in: Carinthia I 131 (1941), S. 164 – 172, hier S. 171f. 42

Karner.174 Die Mauer rund um den Friedhof machte diesen oft zum einzigen befestigten Ort im Mittelalter, wobei diese Wehrhaftigkeit mit verschiedenen Ausnahmen bis hin zum Wehrfriedhof führen konnte. 175 Auf einigen Friedhöfen ist die Wehrfunktion an den Eck- und Tortürmen der Kirchenmauer ersichtlich. Kleine Häuser oder eigene Räume wurden an der inneren Seite der Mauer angebaut, um dort Vorräte für den Fall von Gefahr zu lagern und zu sichern.176 So sind viele Karner in Kärnten mit einem dritten Wehrgeschoß und einer Ringmauer ausgestattet. Durch innen verschließbare Tore, manchmal sogar durch ein Torhaus oder einen Torturm geschützt, gelangte man in den Wehrkirchhof. Je nach Wehrhaftigkeit konnte der Wehrkirchhof auch über Schießscharten und innenlaufende Wehrgänge verfügen.177 Den Überlieferungen des Chronisten Jakob Unrest zufolge wurden beim ersten Türkeneinfall in Kärnten 1473 zahlreiche Kirchen zerstört. Beim zweiten Türkeneinfall 1478 berichtete er über Wehrkirchen, die von Bauern errichtet wurden. Nach den Türkeneinfällen fanden die Wehrkirchen bei den Bauernaufständen von 1515 ihren Einsatz als Treffpunkt der aufständischen Bauern.178

Ein noch erhaltener Wehrkirchhof befindet sich in Glödnitz. Ein Wehrgang aus Holz und Schießscharten befanden sich an der 3.8 m hohen Kirchhofmauer, in die ein gotischer Rundkarner integriert ist.179 Der Karner wird auf etwa 1500 datiert und fungierte ehemals als Eckturm. Er befindet sich im südöstlichen Bereich der Kirche.180 Durch zwei Eingänge, ein Tor in Rundbogenform sowie eine versperrbare Nebenpforte, konnte man ein- und ausgehen. Die Kapelle im Obergeschoß des Karners besitzt zwei Schießscharten, wobei sich über jener noch ein wehrhaftes Geschoss mit sechs Schießscharten befindet. Eine Laterne als Aufsatz des Schindelkegeldaches schmückt den Karner.181 1393 wurde die Kirche in Glödnitz zur Pfarre erhoben, jedoch ist bereits für 1093 eine Michaelskappelle als Eigenkirche der heiligen Hemma überliefert. Die Wehrhaftigkeit erhielt der Kirchhof nach der Türkenbelagerung von 1476.182

174 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 54. 175 Vgl. ders., Der mittelalterliche Friedhof, S. 48. 176 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 155. 177 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 49. 178 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 11f. 179 Vgl. ebd., S. 55. 180 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 139f. 181 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 56f. 182 Vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 34f. 43

Der Karner von Glödnitz zählt zu den erst spät datierten Rundkarnern, wahrscheinlich auch mit einer Funktion als Wehrturm, ebenso wie der Karner von Ossiach. In beiden Fällen ist der Karner dreigeschossig, wobei das oberste Geschoß ausschließlich zur Verteidigung diente.183 Beim Karner von Ossiach bilden drei übereinandergelegte Balken eine achteckige Balkenwand. Schusslöcher wurden in der Hälfte der jeweiligen mittleren Balken ausgeschnitten. Darauf befindet sich ein Kegeldach. Der ehemalige Wehrturm besitzt viereckige Öffnungen und Schlüssellochscharten in seinem Mauerwerk. Der Karner, in dem ein Oswaldaltar im Jahr 1501 geweiht wurde, befindet sich im Nordosteck des Friedhofs. Das Obergeschoß des früheren Wehrturms ist über eine Treppe erreichbar, das Beinhaus befindet sich im Erdgeschoß.184 Beim 1484 erbauten Karner von Ossiach ist jedoch unklar, ob er seine Wehrfunktion erst nachträglich erhielt oder von Anfang an hatte.185

Durch die Lage des Wehrkirchhofs von Deutsch–Griffen, dieser befindet sich auf einem nasenförmigen vorspringenden Teil des Bergs in das Griffner Tal, wirkt der Friedhof wie eine Burg. Die nur mehr teilweise zur Gänze erhaltene Kirchhofmauer hatte ursprünglich eine Höhe von 3,8 m. Zwei Schießscharten sind noch erhalten. Ein gotischer Karner ist in die nordöstliche Ecke der Ummauerung eingearbeitet. Die Kirche selbst stammt aus verschiedenen Bauetappen und fand ihren Ursprung im 12. Jahrhundert.186 Die Wehrhaftigkeit erhielt er wahrscheinlich um 1473 und fand somit seinen Einsatz bereits zur Zeit der Türken 1476 und 1478, um der Bevölkerung Schutz zu bieten.187

Die um 1200 entstandene Pfarrkirche von Diex erhielt ihre Wehrhaftigkeit um 1535 als Schutz vor den Türken. In etwa um 1778 wurde die Kirche vergrößert und die bisherige Kirche in den Neubau integriert.188 Bis ins 18. Jahrhundert war der mit Schießscharten ausgestattete Wehrkirchhof von einem Graben umgeben und durch eine Zugbrücke erreichbar gewesen. Im Obergeschoß des Torbaus befinden sich

183 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 53. 184 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 181. 185 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 53. 186 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 32ff. 187 Vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 25. 188 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, Auf den Spuren der Romanik in Kärnten (Klagenfurt 2008), S. 189. 44 zwei kleine, in rechteckiger Form gehaltene Fenster, die den Wachmännern Licht boten. Darüber befindet sich ein Dachgeschoß mit wehrhafter Funktion. An der 5 m hohen Kirchhofmauer befindet sich eine mit einem Wehrgang verbundene Schildwand zur Verteidigung. Zwei Türme im Osten und im Westen befinden sich in den Ecken der Kirchhofsmauer. Der Turm im Osten weist Schüsselscharten im Erdgeschoß sowie im Obergeschoß auf. Den Abschluss findet der Turm in einem Kegeldach.189 Der Westturm ist im Erdgeschoß nicht mehr zugänglich, da der Eingang vermauert wurde. Über dem Tor des Kirchhofs befindet sich ein Schild aus Stein mit einer „Schwurhand“.190 Diese ist „als segnende Hand Gottes zu erklären oder auch als Burgfriedenshand, den gesetzlichen Frieden des Kirchhofs symbolisierend.“191 Überlieferungen zufolge wurde zu Zeiten des Krieges das Fleisch im Karner als Vorrat aufgehängt. Obwohl die Kirche erstmals 1379 bzw. 1387 erwähnt wurde, bestand sie mit Sicherheit schon vor 1118. Der heutige Pfarrhof befindet sich auf dem zugeschütteten Graben vor der Kirchhofmauer.192

Bei dem an der Südseite befindlichen Dom von Gurk befindet sich ein Kirchhof samt Karner seit 1275. Die Pfarrkirche St. Magdalena befand sich mit einem Friedhof und Karner entgegengesetzt. Bis 1842 gab es den Karner und bis 1892 die Pfarrkirche. Der Wehrkirchhof besaß zwei runde, ursprünglich innen offene Türme mit Schießscharten, die ein Kegeldach mit Schindeln bedeckt aufweisen und in die äußeren Ecken eingebaut sind. Inmitten der beiden Türme befindet sich der einstige Karner in das Mauerwerk integriert, was auf ein ehemaliges wehrhaftes Obergeschoß schließen lässt. Etwa um 1450 wurde über dem Beinhaus die Kapelle der hl. Katharina in eine achteckige Form umgewandelt und durch den Umbau 1720/21 in eine Todesangstkapelle sind alle Hinweise auf das wahrscheinlich ehemalige Wehrobergeschoß verschwunden. Von dem 1275 gebauten Karner ist nur

189 Vgl. Karl Kafka, Kärntner Wehrkirchen, Carinthia I 147 (1957), S. 390 – 408, hier S. 393 – 402 sowie vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 34 - 41 sowie vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 26 – 30. 190 Vgl. Karl Kafka, Kärntner Wehrkirchen, Carinthia I 147 (1957), S. 393 – 402 sowie vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 34 - 41. 191 Zitiert nach: Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 41. 192 Vgl. ebd., S. 41f. 45 mehr das Beinhaus erhalten. Unsicher ist, an welcher Stelle sich das Kirchhoftor befand.193 Es könnte sein, dass die ehemalige Schule als Torhaus des Kirchhofs diente. Erweitert wurde der Kirchhof durch die Stiftsanlage, die in ihrem erweiterten Mauerwerk ebenso zwei Rundtürme, einen Sand- und einen Wasserturm, besaß. Umgeben waren beide Anlagen von einem Graben, der zugeschüttet wurde. Im 17. Jahrhundert verlor der Kirchhof seine wehrhaften Elemente.194

Ausgehend von Maria Saal erfolgte im 8. Jahrhundert die Missionierung Kärntens.195 Über eine Brücke gelangte man zum Torhaus des, durch einen Graben geschützten, Wehrfriedhofs von Maria Saal. Zwei Schießscharten in Richtung Eingang besitzt das Torhaus, das hinzu über ein Obergeschoß verfügt und mit einem Walmdach abgedeckt ist. Ursprünglich besaß das Torhaus, das einen spitzbogenförmigen Eingang aufweist, eine Zugbrücke. Ein Steinmetzzeichen196 befindet sich auf dem Sockel des Tors. Ersichtlich ist, dass das Tor einst durch zwei Torflügel - zwei Riegelbalken versperrten dieses - schließbar war. Die Torhalle umfasst eine Länge von 7 m. Die wahrscheinlich ursprünglichen Schießscharten wurden in zwei Fenster umgewandelt. Zwei weitere Fenster gewähren einen Blick auf den Kirchhof. Durch einen kleinen Gang ist der an der südlichen Seite befindliche halbrunde Turm - sein Bau ragt über den Graben hinaus - mit dem Torhaus verbunden. Auch dieser Turm besaß Schießscharten, die heute jedoch verputzt sind. 1416 und 1432 erstmals urkundlich erwähnt, wurde der ursprüngliche dem hl. Michael geweihte Karner, der 1616 der hl. Katharina geweiht wurde. Durch Umbauarbeiten erhielt er 1500 im Obergeschoß ein Sternrippengewölbe sowie einen aus zwei Geschoßen bestehenden Laubengang rund um den Karner. Das heutige Blechdach erhielt er 1881 anstelle des ursprünglichen Laternentürmchens. Das heilige Grab im Erdgeschoß wurde 1751 hinzugefügt. Mit Ausnahme eines nachträglich eingefügten Fensters, um die Kapelle mit Licht zu versorgen, behielt die Kirchhofmauer ihren ursprünglichen Zustand.197

193 Vgl. ebd., S. 77. 194 Vgl. ebd., S. 78. 195 Vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 67. 196 Weiterführend vgl. Alois Wohlweg, Steinmetzzeichen in Kärnten, in: Carinthia I 173 (1983), S. 203 – 238. 197 Vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 124 - 126. 46

Das so genannte „Kanonikerstöckel“ - der Turm erhielt seinen Namen durch die für die Kanoniker angelegten Wohnungen auf zwei Etagen - ist durch seine Architektur der eindrucksvollste Bau der Anlage. Der aus Bruchsteinen bestehende Turm ragt zur Hälfte über den Graben hinaus, besitzt einen Keller mit vergitterten Fenstern, weist viele Gerüstlöcher auf und besaß wahrscheinlich eine Sonnenuhr. Vermutlich verfügte er ebenso über eine Bildnische, die auf eine kielbogige Nische zwischen der ersten Etage und dem Erdgeschoß, von welchem auch in Richtung des Kirchhofs ein gotischer Vorbau nachträglich zugefügt wurde, zurückzuführen ist. Das Erdgeschoß ist durch eine Laube erreichbar. Der Karner besaß ein mit einer Schießscharte ausgestattetes Wehrobergeschoß. 198 An der Kirchhofmauer sind die Spuren der Zeit ersichtlich: Sie verläuft nicht mehr in ihrer ursprünglichen Höhe rund um den Wehrkirchhof. An dem heutigen Kirchhofeingang befand sich früher die durch eine Zugbrücke erreichbare Nebenpforte. Die Dechantei befindet sich in der südwestlichen Ecke des Kirchhofes und wurde nachträglich umgebaut. Gotische Fenster und ein Erker schmücken die einstige Propstei, die später als Schule diente. Die heutige dort befindliche Kirche wurde wahrscheinlich 1459 fertiggestellt. Die wehrhaften Elemente erhielt der Kirchhof als Folge des ersten Türkeneinfalls 1471.199 Vom 17. bis zum 20. September 1480 belagerten die Ungarn Maria Saal, konnten den Wehrkirchhof jedoch nicht stürmen und zogen, nachdem sie den Ort in Brand gesetzt hatten, Richtung Friesach weiter.200 Die Unverwüstbarkeit der Kirche ist anhand der Überlieferungen des Jakob Unrest, zu den Ereignissen von 1480 im Zuge der ungarischen Belagerung unter dem Befehlshaber Haugwitz, ersichtlich: “ […] Do macht Vnser Liebe Fraw iren scherm fur und tett zaichen, das dye puchsen zerprach, und das pulver verprannt den puchsenmaistern, das er khawmb pey dem leben pelayb. Aber mit hackhendpuchsen lyes er fur und fur gegen der kirchen und freydthoff schyessen und des nagst mit fewrpheylen und lyess fewr und stain in den freythoff werffen und mit pheylen gegen der kirchen schyessen, des zaychen noch in den glessern steckhen, und vermaynt die kirchen ye ze notten. Das unnderstuenndt Vnnser Liebe Fraw mit irren dienern, die pey ir beliben und nicht von ir fluchtig

198 Vgl. ebd., S. 128. 199 Vgl. ebd., S. 129f. 200 Vgl. Michael Freiherr von Jabornegg-Altenfels, Gotteshaus zu Maria Saal, Eine historische Skizze, in: Archiv für Vaterländische Geschichte und Topographie (Bd. 11), hg. Geschichtsverein für Kärnten (Klagenfurt 1867), S. 75 – 100, hier S. 90 sowie vgl. Karl Kafka, Wehrkirchen Kärntens 1, S. 132. 47 wurden, das das nicht geschah. Dem Hawgwitsch geschah von dem freydthoff schaden inn das veldt heraus, inn den freydthoff geschah nyemantem kain laydt […]“201 Als Erinnerung an die Türkeneinfälle befindet sich am Seitenchor der Kirche eine mit einer Inschrift von Haugwitz versehene Geschützkugel.202

Unweit von Maria Saal befand sich der Wehrkirchhof Tigring, der heute allerdings nur mehr teilweise erhalten ist. Die Kirchhofmauer ist nicht mehr in ihrer ursprünglichen Höhe erhalten. Der romanische Rundkarner befindet sich im südlichen Teil des einstigen Wehrhofs. Oberhalb des Kirchenchors befindet sich ein Wehrgeschoß mit Schießscharten. Der an die Kirche angebaute wehrhafte Turm hat über der Sakristei drei Etagen.203 In jedem dieser Wehrgeschoße befinden sich drei Scharten, die jeder Turm als Lichtscharten besaß. Genutzt werden konnten sie jedoch ebenso als Schießscharten. Gleichzeitig mit der Kirche wurde auch der Karner 1136 gebaut. Im 15. Jahrhundert wurde die Kirche umgebaut und erhielt im Zuge dessen ihre wehrhaften Elemente.204

201 Zitiert nach: Jakob Unrest, Österreichische Chronik, hg. Karl Grossmann, in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum XI (München 1978), S. 113. 202 Vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 70. 203 Vgl. Karl Kafka, Kärntner Wehrkirchen, in: Carinthia I 153 (1963), S. 410 – 420, hier 410ff sowie vgl. Hans Luschin/Berta Luschin, Kärntens schönste Wehrkirchen, S. 129. 204 Vgl. Karl Kafka, Kärntner Wehrkirchen, S. 414ff. 48

4.3. Die Bestattung

Mit der Entstehung des Beinhauses und der damit verbundenen Zweitbestattung vollzog sich ein Wandel vom unantastbaren Eigengrab hin zur Wiederbelegung. Der Anfang der Zweitbestattung kann nur grob auf das 11. und 12. Jahrhundert geschätzt werden. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass dieser Wandel nicht durch kirchliche Verordnungen oder die Theologie entstand, sondern durch den Platzmangel.205 Die Zweitbestattung im Beinhaus ist mitunter durch den Platzmangel auf dem Friedhof, der nicht durch die örtlichen Gegebenheiten entstanden war, zurückzuführen, sondern auf die Reichweite der Strahlkraft der Reliquien. Vorgegebene Maßeinheiten gab es jedoch nicht nur für das coemeterium, sondern auch für das atrium.206 Auskunft über die Bestattung geben uns die Stundenbücher.207 Dass das Grab zu dieser Zeit anonym war, spielte keine Rolle. Im Fokus der Menschen standen, in geweihter Erde bestattet zu werden, und die Gebete für das Seelenheil der Verstorbenen.208 „Die ungefähre Nähe genügte ihnen. Für sie war das Grab nicht die Hülle des Leibes. Man ließ gelten, daß diese erste Wohnstatt des Leichnams keine bleibende war, und niemand nahm Anstoß daran, daß seine Gebeine, einmal ausgetrocknet, früher oder später in die Beinhäuser geschafft werden würden, >>auf einen Haufen kunterbunt in wirrem Durcheinander<<, wie Villon sagt.“209

Im 10. und 11. Jahrhundert stand die Bestattung ad sanctos im Vordergrund, nicht der genaue Ort der Grabstätte. Einzig die Gräber der Heiligen waren nunmehr durch Inschriften für jeden ersichtlich.210 „Es gab also zwei Kategorien von Personen: die eine umfaßte nahezu die Gesamtheit der Bevölkerung, für die der absolute Glaube an ein Leben nach dem Tode wichtiger war als das Andenken an den (den Heiligen anvertrauten) Leib und an das irdische Leben, die der Nachwelt jedoch nichts zu überliefern und auch nichts Bemerkenswertes geleistet hatte. Die andere enthielt die sehr seltenen Individuen, die eine Botschaft oder Losung zu übermitteln hatten – eben die, die mit einer runden (oder rechteckigen) Aureole dargestellt wurden. Die

205 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 38. 206 Vgl. ebd., S. 32. 207 Vgl. ebd., S. 38. 208 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 266. 209 Zitiert: ebd., S. 267. 210 Vgl. ebd., S. 276f. 49

Angehörigen der ersten Kategorie bedurften keines Grabes, weil sie ihren Glauben und ihre Heilsgewißheit dadurch unter Beweis gestellt hatten, daß sie eine Grabstelle ad sanctos forderten. Die anderen hatten Anrecht auf ein Grab […].“211

Auf den bildlichen Darstellungen des Totenoffiziums ist die Bestattungspraxis dargestellt, wobei der Leichnam in ein Tuch gewickelt und ohne Sarg bestattet wurde. Im Fall der Verwendung eines Sargs wurde dieser nur zur Aufbahrung für die Totenmesse und zum Transport verwendet. Durch eine Bestattung mit Sarg hätte sich der Verwesungsprozess verlangsamt, was wiederum für eine Zweitbestattung nicht sehr sinnvoll gewesen wäre.

Bis in die Neuzeit wurde ohne Sarg bestattet, wobei Strafen bei der Verwendung eines Sarges angedroht wurden. Die zeitgenössischen Darstellungen stellen keine einheitliche Ausrichtung der Gräber dar. Da sich die Gräber in den coemeteria der Pfarrkirchen nicht so schnell füllten, spielte dies vorerst keine allzu große Rolle. Mit den Jahrhunderten nahm die Anzahl der Gräber jedoch rasant zu. Da die Leichen nicht sehr tief bestattet wurden, war die Folge eine Zweit- oder Sekundärbestattung in Schuppen, Grüften und schließlich in Beinhäusern. Zum einen ist die nur knapp unter der Erde erfolgte Bestattung auf die Arbeitsscheu der Totengräber zurückzuführen, zum anderen auf den felsigen Untergrund, der es nicht möglich machte, mehrere Bestattungen in einem Grab durchzuführen. Die Zweitbestattung stellte für den abendländischen Raum eine Neuheit dar, da bis dahin die Gräber als unverletzlich galten und die Totenruhe unantastbar war. 212

Mit der zunehmenden Entfernung des Grabes zur Kirche sank die soziale Stellung des Verstorbenen, zumal Außenseiter und Ausgegrenzte außerhalb des Friedhofes bestattet wurden.213

Die Gestaltung des Grabes ist unklar, da davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund der Zweitbestattung niemand lange ein Grab hatte.214 Ein Bruch mit der noch zu römischer Zeit vorherrschenden memoria vollzog sich etwa mit dem 5.

211 Zitiert: ebd., S. 277. 212 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 39 - 42. 213 Vgl. ebd., S. 31. 214 Vgl. ebd., S. 32. 50

Jahrhundert. Nunmehr kamen die bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Grabinschriften, die Auskunft über Namen, Beruf, Familie, Alter und Datum des Todes des Verstorbenen gaben, abhanden. Bis zur Jahrtausendwende blieben die Gräber oft anonym.215 Auf gotischen Bildern sind jedoch Holzkreuze auf dem Grab ersichtlich. Erst um 1500 kamen Steinkreuze auf. Dinzelbacher geht davon aus, dass sich im 12. Jahrhundert die Grabsteine in Form einer Figur verbreiteten und somit den Verstorbenen vergegenwärtigten.216 Die Art bzw. die Gestaltung der Grabmäler war abhängig von der sozialen Schicht des Verstorbenen und regional unterschiedlich. Während in Sachsen bereits bäuerliche Grabdenkmäler aus Stein aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachgewiesen sind, steht im Gegensatz hierzu die Steiermark. Erst im Lauf des 18. Jahrhunderts war es den finanziell besser gestellten Bauern möglich, sich Grabkreuze oder Grabmäler aus den Materialien Schmiede-, Gusseisen und Stein anstelle eines Holzkreuzes fertigen zu lassen.217

Bei dem bereits im zweiten Kapitel erwähnten Friedhof von St. Peter (Gemeinde Spittal) wurde archäologisch keine Markierung der Gräber festgestellt. Obwohl weder Grabhügel, Kreisgräben, Steinsetzungen noch Pfosten eines Grabhauses gefunden wurden, ist davon auszugehen, dass es Markierungen gab, denn Markierungen müssen notwendig gewesen sein, um sich zu orientieren, da die Gräber als Reihen angelegt sind. Glaser geht davon aus, dass im Spätmittelalter bereits Kreuze aufgestellt wurden.218

Aus Maria Wörth stammt eine hölzerne Grabinschrift in Form einer hölzernen achteckigen Tafel. Diese ist an den Enden mit den Namen und Todesdaten der Verstorbenen und in der Mitte mit den Wappen der Familie Waldeker und Peuscher von Leonstein versehen. Erkennbar sind noch die Namen Ulrich Peuscher und seine Gattin Elisabeth, geborene Waldeker. Das genaue Todesjahr ist nicht mehr zu entziffern, wird jedoch auf die Zeit kurz nach 1532 geschätzt.219

215 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 260ff. 216 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 259. 217 Vgl. Helfried Valentinitsch, Grabinschriften und Grabmäler als Ausdruck sozialen Aufstiegs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Epigraphik 1988, Referate und Round-Table-Gespräche (Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik Graz, 10. – 14. Mai 1988), hg. Walter Koch (Wien 1990), S. 15 – 27, hier S. 16. 218 Vgl. Franz Glaser, Baugeschichte der Kirche St. Peter, S. 125. 219 Vgl. August Jaksch, Eine Grabinschrift aus Maria Wörth, in: Carinthia I 84 (1894), S. 28f., hier S. 28f. 51

Zwei Grabsteine befinden sich eingearbeitet in die Friedhofsmauer in Steuerberg. Während der sich rechts befindliche Stein in den Ecken geneigt ist, ist der linke rechteckig und im Gegensatz zum rechten mit einer Inschrift versehen. In gotischen Minuskeln ist die Jahreszahl 1447 zu erkennen, der Rest allerdings nur mehr lückenhaft erhalten. Das Wappenschild der Hallegger und jenes der Welzer befinden sich auf den Seiten des in der Mitte gelegenen Kreuzes. Auf dem rechten Grabstein befindet sich ebenso ein eingearbeitetes Kreuz. Bei den zwei mittelalterlichen Grabsteinen in Feldkirchen befand sich einer wahrscheinlich ursprünglich in der Vorhalle der Kirche. Der zweite wurde auf 1490 datiert und besitzt wie der Grabstein von Steuerberg ein Kreuz mit einem Wappen rechts und einem links von diesem. Der eigentlich in der Vorhalle angeordnete Stein ist mit dem Namen Hendl und dem dazugehörigen Wappen versehen.220 Grabmalplastiken und Grabsteine von Stiftern und Kirchenfürsten sind in Kärnten zahlreich vorhanden wie z. B. das Grabdenkmal in der Stadtpfarrkirche, ehemals Domkirche, zu St. Andrä i. L. des Bischofs Laurenz II. Liechtenberger. Das Denkmal des 1446 verstorbenen Bischofs befindet sich an der Nordwand des Chors der Stadtpfarrkirche.221 Auskunft über das Todesjahr und den Namen des Verstorbenen gibt auch folgender Grabstein: „Im Jahre des Herrn 1349 ist Herr Perchtold gestorben, …….. zu Lind; (den Grabstein gestiftet?) die Ehefrau Margaretha (und) Herr Nikolaus in Lind, Sohn.“222

220 Vgl. Günther Neckheim, Grabsteine in Steuerberg und Feldkirchen, in: Carinthia I 139 (1940) S. 470f., hier S. 470f. 221 Vgl. ders., Der Beginn der spätgotischen Grabmalplastik in Kärnten, in: Carinthia I 153 (1993), S. 385 – 409, hier S. 386. 222 Zitiert nach: Friedrich Wilhelm Leitner, Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten (1. Teil, Wien 1982), S. 11f. 52

4.3.1. Bestattung außerhalb des coemeterium

Nicht jeder hatte im Mittelalter das Recht, auf dem Friedhof begraben zu werden. Neben Leprosen wurden auch weiteren Personengruppen wie Fremden, Armen und Personen, die nicht in den Pfarrverband mit eingeschlossen waren sowie jenen, die das Grabgeld nicht entrichten konnten, das Recht, auf dem Gottesacker bestattet zu werden, aberkannt. Für jene Gruppen gab es an einigen Orten eigene Armen- oder Elendsfriedhöfe, wobei jedoch nur selten ein eigener Friedhof gemeint ist, meist ein abgesonderter Teil der Pfarrgemeinde wie jener der Nordseite, an der nach mittelalterlicher Vorstellung die Gegenwart von Dämonen drohte.223

Auch Ungetaufte waren von der Bestattung auf dem Friedhof ausgeschlossen. Da bis zum 10. Jahrhundert nahezu alle Christen in Europa getauft waren und Juden einen eigenen Friedhof hatten, betraf dieser Ausschluss daher die ungetauften Kinder.224 Aufgrund fehlender Richtlinien für die Bestattung Ungläubiger übernahm Gratian eine Anordnung aus dem Bußbuch des Anselm von Canterbury. Erst durch das Gewohnheitsrecht wurde dies durchwegs angewendet. Herausgenommen wurden später davon allerdings die ungetauften und die vor der Taufe verstorbenen Kleinkinder und Katechumenen.225 Der 1296 verstorbene Durandus von Mende226 gibt allerdings in seinem „Rationale divinorum officiorum“227 noch an, dass die ungetauft verstorbenen Kinder außerhalb des Friedhofs bestattet werden sollen.228 Laut Durandus von Mende durften schwangere verstorbene Frauen zwar nicht in der Kirche bestattet werden, jedoch auf dem Kirchhof.

223 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 50. 224 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 18. 225 Vgl. Willibald M. Plöchl Geschichte des Kirchenrechts (Bd. 2), S. 302. 226 Durandus von Mende wurde 1286 zum Bischof von Mende geweiht, fasste unter anderem das Prozessrecht in seinem Werk Speculum iudiciale zusammen und diente Gregor X. als Ratgeber beim zweiten Konzil von Lyon 1274. Vgl. Hartmut Zapp, Duranti(s). I. D., Guillelmus, in: Lexikon des Mittelalters 3 (München – Zürich 1986), Sp. 1469f. 227 Das Werk Rationale divinorum officiorum befasst sich mit dem kirchlichen Gottesdienst, erklärt diesen, geht jedoch verstärkt auf die Zeremonien ein. Vgl. Georg Langgärtner, Duranti(s). I. D., Guillelmus, in: Lexikon des Mittelalters 3 (München – Zürich 1986), Sp. 1470. 228 Vgl. Martini Illi, Begräbnis, Verdammung und Erlösung – Das Fegefeuer im Spiegel von Bestattungsriten, in: Peter Jetzler, Schweizerisches Landesmuseum : Himmel, Hölle, Fegefeuer (München 1994), S. 59 – 68, hier S. 61. 53

Bezüglich einer Beichtfrage des Bischofs Burchard von Worms229, nach der die verstorbenen Neugeborenen im Geheimen vergraben und gepfählt werden sollten, ist allerdings unklar, welche Verbreitung dieser Schutz vor Wiedergängern tatsächlich gefunden hat. Ausgrabungen des Hochmittelalters legten Bestattungen von Neugeborenen über das ganze Areal frei.230

Hierbei ist ersichtlich, wie schwer der Umgang mit dem Tod eines Kindes fiel, denn laut christlicher Vorstellung gab es keine Auferstehung für die Seelen der ungetauften Kinder. Ihnen war der Limbus zugedacht. Der weitverbreitete Glaube, dass diese Kinder als Wiedergänger Schaden mit sich bringen würden, verängstigte die Menschen. Laut Burchard von Worms sollten diese ungetauften Kinder nicht gepfählt werden oder an heimlichen Plätzen begraben werden. Durch die Taufe bekam das Kind einen Namen, das Aufrufen des Namens wiederum bannte die Gefahr eines Wiedergehens und das unchristliche Pfählen war nicht mehr nötig. Als Folge der bereits erwähnten Ängste wurden zwei Bestattungsvarianten angewendet.231 Bis zur Neuzeit wurden die ungetauften Kinder auf dem Gottesacker oder unter der Dachtraufe der Kirche begraben.232 Als „Traufkinder“ wurden die beigesetzten Kinder entlang des Kirchengebäudes bezeichnet, da sie durch das herabtropfende Wasser vom Dach der Kirche gebannt und getauft wurden. Um den Tod ohne vorhergegangene Taufe zu verhindern, gab es im Spätmittelalter neben der Laientaufe im Notfall auch noch Klöster und Kirchen, die sich speziell auf die Taufe von verstorbenen Kindern ausgerichtet hatten. Laut Kirchenrecht waren diese Taufen untersagt.233 Diese Praxis der Taufe von toten Kindern, um eine Sonderbestattung zu vermeiden, war insofern möglich, da man durch die Interpretation der Bibel davon ausging, dass sich die Seele noch drei Tage nach dem Tod in der Nähe des Körpers befand, wenn ein Lebenszeichen durch ein Wunder vermerkt wurde. Als Folge legten Klöster und Wallfahrtskirchen ihren Fokus auf die

229 Burchard von Worms wurde vermutlich 1000 zum Bischof von Worms geweiht. Vgl. Reinhold Kaiser, Burchard Bischof von Worms, in: Lexikon des Mittelalters 2, (München - Zürich 1983), Sp. 946. 230 Vgl. Martin Illi, Begräbnis, Verdammung und Erlösung, S. 61. 231 Vgl. ders., Wohin die Toten gingen, S. 57. 232 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 146. 233 Vgl. Martini Illi, Begräbnis, Verdammung und Erlösung, S. 61. 54

Totenerweckung.234 In einigen Orten wurden die ungetauften Kinder außerhalb der Kirchenmauer, aber in der Nähe ihrer Verwandten bestattet.235

Regional variierte die Bestattungspraxis der ungetauften Kinder. So wurden etwa in Kössen (Tirol) elf neugeborene Kinder im 9. Jahrhundert entlang der Nordwand der Kirche bestattet. Die nördliche Himmelsrichtung galt als schlecht, weshalb die Kinder in der Mitte zwischen dem Heilsraum und der Nordseite bestattet wurden.236 Einige Wöchnerinnen wurden ebenso an der Kirchhofmauer begraben.237 Wie auch bei den ungetauften Kindern, sollte bei den Wöchnerinnen das herabtropfende Wasser die Rückkehr als Wiedergänger bannen. Kehrte die Wöchnerin nach ihrem Tod als Wiedergängerin zurück, wurde dies wie folgt beschrieben238: „Auf den unwandelbarsten Wegen kommt sie, mit aufgelöstem239 Haar sich schwingend oder fliegend, neun Tage beugt sie sich über die Wiege oder sechs Wochen lang täglich, ihr Kind zu stillen; sie wickelt und besorgt es und wirtschaftet im Hause. Man hört ihre Schritte im Haus, das Licht verlöscht, und man hört das Kind behaglich saugen. Deshalb soll man alles am Platz lassen zur Kindespflege, sechs Wochen lang Schwamm und Wasser neben das Kind legen für die wiedergehende Mutter und ein Handtuch ans Fenster hängen. Ihr Bett soll man täglich aufbetten, in der Stube lassen, nicht anderweit benutzen, Mandelholz oder Buch ins Bett legen und ihre Pantoffeln darunter stellen. Am Morgen ist das Bett eingedrückt.“240

Ein Hingerichteter wurde verbrannt und seine Asche verstreut oder der Leichnam der natürlichen Verwesung überlassen.241 Unter den unzähligen Hinrichtungsvarianten galt nur der Tod durch das Schwert als ehrenhaft und ermöglichte eine kirchliche Bestattung. 242 Der durch eine Todesstrafe Verstorbene konnte, wenn dieser Reue

234 Vgl. ders., Wohin die Toten gingen, S. 58. 235 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 146 sowie Vgl. Martini Illi, Begräbnis, Verdammung und Erlösung, S. 61. 236 Peter Dinzelbacher, Das frühe Mittelalter, S. 207. 237 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 59. 238 Vgl. Kummer, Wöchnerin, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 9, (Berlin –New York 1987), Sp. 713. 239Die magische Funktion der aufgelösten Haare findet sich auch im Liebes-, Fruchtbarkeitszauber sowie beim Exorzismus wieder. Vgl. Eckstein, nackt, Nacktheit, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 6 (Berlin –New York 1987), Sp. 883 – 907. 240 Zitiert nach: Kummer, Wöchnerin, Sp. 711. 241 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 161. 242 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 63. 55 gezeigt und gebeichtet hatte, auf einem Friedhof beigesetzt werden. Die Beisetzung im Feld außerhalb geweihter Erde, zeigte die Verdammung offenkundig.243

Neben den Ungetauften und Hingerichteten war es auch den Häretikern und Gebannten untersagt, auf dem Friedhof bestattet zu werden, wie auch jenen, die sich weigerten, auf dem Sterbebett zu beichten. 244 Diese Personengruppen wurden oft außerhalb des Friedhofs verscharrt oder manchmal auf dem Schindanger, oder dem Abdecker zur Beseitigung übergeben.245 Das Bestattungsverbot auf dem Gottesacker hatte auch eine bestrafende Funktion.246 Bezeichnet wurde die Bestattung von Ausgeschlossenen, die nicht in geweihter Erde beigesetzt wurden, als Eselsbegräbnis oder sepultura asini.247

Eine Ausweitung der kirchlichen Verbote hinsichtlich der Bestattung vollzog sich durch die Laterankonzile im 12. und 13. Jahrhundert. Neben den Exkommunizierten sowie jenen Personen, die mit einem Interdikt belegt waren, durften auch keine Ketzer, Albigenser wie auch jene, die der Kirche keinen Zehent leisten konnten oder beim Turnier fielen, nicht in heiligem Boden bestattet werden.248

1213 durften zufolge einer Dekretale von Innozenz III. Exkommunizierte weder in der Kirche noch auf dem Friedhof beigesetzt werden.249 Auf dem freien Feld – dem Schindanger - wurden nun nur mehr Verdammte bestattet.250 Obwohl laut der Kirche verstorbene Straftäter in geweihter Erde bestattet werden konnten, da Gott nicht zweimal ein Urteil der Verdammung sprach, wurde bis zur Zeit der Bettelmönche und Bruderschaften keine Nachsicht gegenüber diesen Verdammten gezeigt. 251

Todsünden schlossen eine Beisetzung auf dem Friedhof aus. Häresie, Suizid und Sodomie zählten zu den wichtigsten Todsünden, allerdings gab es durch das ganze Mittelalter keine geltende Rechtsauffassung, welcher Art diese Todsünden waren.

243 Vgl. ders., Begräbnis, Verdammung und Erlösung, S. 59. 244 Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S.147. 245 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 50. 246 Vgl. Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 70. 247 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd.1), S. 207. 248 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 17. 249 Vgl. Willibald M. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts (Bd. 2), S. 302. 250 Vgl. Philippe Ariès, Geschichte des Todes, S. 59. 251 Vgl. ebd., S. 161. 56

Auch bei der Sonderbestattung, die auf einem Separatfriedhof oder am Rand des Kirchhofs stattfand, konnte der Verstorbene auferstehen. Eine Sonderbestattung erhielten Fremde, Kranke, die in Leprosenhäusern oder Spitälern verstorben waren, sowie Arme.252

Die Bestattung bei Suizid in geweihter Erde ist nach Kirchenrecht wie auch nach Volksglauben nicht erlaubt.253 So wurde auch dem 1412 vermeintlich durch die eigene Hand verstorbenen Bischof Konrad von Gurk keine Bestattung in geweihter Erde gewährt. Erst 1430 wurde er in der Kirche von Bischofslack beigesetzt. Erst durch die Beichte der Kammerdiener - diese hatten ihn im Bett erstochen und das Messer in seine Hand gelegt, was die Tat somit als Suizid wirken ließ - war diese Beisetzung in geweihter Erde möglich.254

Um eine Sonderbestattung zu vermeiden, wurde bei Personen, bei denen nur eine Annahme von einem Suizid bestand, sowie bei jenen, die durch einen Unfall starben, eine kirchliche Beisetzung gewährt, wenn jene Zeit ihres Lebens die klerikalen Bräuche gepflegt hatten. Eine weitere Möglichkeit zur Bestattung in geweihter Erde bestand, wenn der Sterbende in seinen letzten Stunden Reue zeigte.255 Die Thematik des plötzlichen Todes und der Interaktion in Bezug auf die Bestattung durch die Geistlichen als dessen Folge wurde im 41. Kapitel bei der Passauer Synode von 1470 behandelt. „Wir wiederholen die Auffassung der genannten Synode über das Verhalten gegenüber den plötzlich vom Tode Überraschten: Wenn ein Christ seine Osterpflicht erfüllt hat und bei einer erlaubten Arbeit vom Tod überrascht wird, wenn er z. B. an einem Wochentag fischt, Holz im Walde fällt oder wenn er über eine Brücke geht und ins Wasser stürzt, ein solcher soll nicht als ein vom Tod Überraschter gelten, wenn einer aber eine unerlaubte Arbeit verrichtet, z. B. auf Raub ausgeht eine Empörung anstiftet oder an einem Festtag fischt oder Handel treibt oder sonst den Feiertag entheiligt oder in der Krankheit den Empfang der Sakramente verweigert, der soll als ein vom Tod überraschter gelten wenn er auch zu Ostern die Sakramente empfangen hätte; ein so plötzlich Gestorbener darf kein

252 Vgl. Martini Illi, Begräbnis, Verdammung und Erlösung, S. 59. 253 Vgl. ders., Wohin die Toten gingen, S. 63. 254 Vgl. Jakob Obersteiner, Die Bischöfe von Gurk (1072 – 1822) (Klagenfurt 1969), S. 193f. 255 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 64. 57 kirchliches Begräbnis erhalten, denn er stirbt als öffentlicher Sünder und das kirchliche Begräbnis würde noch seine Schuld vor Gott vermehren.“256

Auch bereits in geweihter Erde Bestattete konnten wieder ausgegraben und auf dem Schindanger beigesetzt werden, wie es eine Veranlassung, ausgelöst durch die Bitte des Domkapitels Otto II. von Passau, durch Papst Urban IV. bezeugt. In dieser Urkunde wird für die Getreuen eines Philipp, die im Kirchenbann verstorben sind, eine solche Ausgrabung veranlasst.257

Bei den Skelettfunden am Galgenbichl – dieser befindet sich auf der Straße zwischen Villach und Warmbad – handelt es sich um Bestattungen außerhalb des Kirchhofes. Wahrscheinlich wurden dort Menschen, denen es nicht erlaubt war in geweihter Erde beigesetzt zu werden, bestattet.258

In die Gattung der Sonderfriedhöfe fällt ebenso der Pestfriedhof, der fälschlicherweise oft gleichzeitig mit dem Aufkommen der Pest in Verbindung gebracht wird, jedoch erst im 17. Jahrhundert entstanden ist. Oft wurden Pestfriedhöfe auch mit Leprosenfriedhöfen verwechselt. Siechen- und Leprosenfriedhöfe waren reguläre Bestattungsplätze, wurden jedoch von den Friedhöfen der Pfarrei als getrennt angesehen. Jene lagen außerhalb bei den Siechenhäusern, wobei nicht ein sozialer Aspekt hierfür der Grund war, sondern die Ausgrenzung der Kranken als Außenseiter.259 Den Leprosen wurde das Recht, auf dem Pfarrfriedhof bestattet zu werden, nicht zuteil. Ihnen wurden wahrscheinlich seit dem 12. Jahrhundert eigene Leprosenfriedhöfe, die von den Leprosenhäusern unterhalten wurden, zugeteilt. Die Leprosenfriedhöfe galten als die ersten Sonderfriedhöfe und wurden durch karitative Spenden erhalten. Es wird angenommen, dass auch Spitäler eigene Friedhöfe besaßen.260

Im Gegensatz hierzu sind die Pestfriedhöfe Notfallfriedhöfe, auf die bei Seuchen mit einer großen Anzahl von Todesopfern zurückgegriffen wurde. Zum Beginn der

256 Zitiert nach: Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, S. 103. 257 Vgl. Franz Martin, Salzburger Urkundenbuch, Ausgewählte Urkunden 1247 – 1343 (Bd. 4), hg. Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (Salzburg 1933), Nr. 46. 258 Vgl. Hans Dolenz, Die Begräbnisstätten in und um Villach, S. 355. 259 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 53f. 260 Vgl. ebd., S. 49f. 58

Pestwelle konnte kein Sonderfriedhof nachgewiesen werden.261 Dolenz vermutet, durch die Freilegung einer mit Skeletten gefüllten und beigabenlosen Grube, einen Seuchenfriedhof am Oberen Heidenweg in Lind in Villach.262

Eine Veränderung im Grabritus ist als Folge der ersten Pestwelle ersichtlich. Die Wahl des Grabplatzes wurde eingeschränkt, auf Familienzugehörigkeit wurde keine Rücksicht mehr genommen, bestattet wurde auf dem Friedhof, wo noch Platz war. Zuletzt wurde anstatt der Beisetzung im Einzelgrab im Massengrab bestattet. Wohlhabende Bürger sicherten sich ein Einzelgrab auf dem Klosterfriedhof. Solange ein Pfarrer nicht vor der Pest geflohen oder gestorben war, wurden die Pesttoten nach kirchlichem Ritus bestattet. Bevor die Klöster und Pfarrfriedhöfe nicht gefüllt waren, errichtete man keine eigenen Friedhöfe für die Pestopfer. Daraus ist zu schließen, dass die so genannten Notfriedhöfe nicht aus hygienischen Maßnahmen errichtet worden waren, sondern aus Platzmangel. Archäologischen Befunden zufolge waren die ersten Notfriedhöfe innerhalb der Stadt.263

261 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 54. 262 Vgl. Hans Dolenz, Die Begräbnisstätten in und um Villach, S. 355. 263 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 55. 59

5. Ausstattung des Friedhofs

Beinbrecher, Lichtquellen in Form von Totenleuchten, Oculi, Lichthäuschen und Lichtnischen sowie Schalensteine, Kreuze, die Umfriedung und der Karner waren die wesentlichen Elemente des mittelalterlichen Kirchhofs. Während der Karner nicht ausschließlich als Ort der Zweitbestattung diente, hatte er wie auch die Lichtquellen und die Umfriedung eine Doppelfunktion inne.

5.1. Der Beinbrecher

Beim Betreten des Kirchhofs, passierte man den Beinbrecher. Moro definiert diesen als „rechteckige, starke, eiserne, seltener hölzerne Gitter oder Roste, die im Eingang waagrecht über einer noch bestehenden oder schon mit Erdreich gefüllten Grube aufliegen, um bei fehlendem oder nicht geschlossenem Tor Tiere, vor allem Schweine, aber auch Rinder und Hunde von dem Eindringen und Beschädigen der geweihten Stätten (durch Weiden, Wühlen in den Gräbern, Benagen von Knochen oder Leichen) abzuhalten; die Tiere geraten nämlich mit den Füßen in die weiten Gittermaschen, wobei sie sich sogar die Beine brechen können. Davon führen die Gitter die Bezeichnung ,Beinbrecher‘ […].“264

Weiteren Termini wie „Pfarreisen, Kirchhofeisen, Kirchgatter, seltener Falleisen, Weg-Getter, Gader, Roster“ begegnet man in den Überlieferungen und „als mittelalterliche, lateinische Ausdrücke finden sich crurifraga, crurifragum, crates ferrea, craticula“265, wobei bei einigen Bezeichnungen auf die Funktion geschlossen werden kann. Die Bezeichnung „Laurentiusrost“ bezieht sich wiederum auf den heiligen Laurentius, der in den Flammen den Märtyrertod fand, und stellt damit den Inbegriff des

264 Zitiert nach: D. Moro, Beinbrecher (Freithof-Gatter, =Gegatter), in: Carinthia I 129 (1939), S. 323ff, hier S. 323. 265 Zitiert nach: Robert Wildhaber, Beinbrecher an Kirche und Friedhof, in: Zeitschrift für Volkskunde 53 (1957), S. 118 – 126, hier S. 118 sowie vgl. Irmgard Wilhelm-Schaffer, Gottes Beamter und Spielmann des Teufels, S. 302. 60 qualvollen Wegs der armen Seelen dar. Dass der Beinbrecher nicht ausschließlich das Eindringen von Tieren verhindern sollte, sondern auch der Bannung von Dämonen und bösen Geistern diente, geht indessen aus dem Namen Hexengitter hervor. Nach Sörries sollen der Beinbrecher ebenso wie bei Moro den Friedhof vor bösen Geistern und Dämonen, aber auch vor dem Eindringen von Tieren schützen. Zu finden sind sie vom südöstlichen Alpenraum bis nach Skandinavien.266

Belegt ist der Beinbrecher in den Quellen ab dem 15. Jahrhundert, erstmals 1437 als Beinbrecher für Bayreuth und 1423 wurde er für Kleinbockenheim in der Diözese Worms mit crurifragium erwähnt. Obwohl die bildlichen Darstellungen wie auch die schriftlichen Überlieferungen nur bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, ist davon auszugehen, dass Beinbrecher bereits früher eingesetzt wurden.267 Die älteste bildliche Überlieferung einer türlosen Kirchhofmauer mit Gittern an den Mauerseiten als Merkmal für einen Rost, entstammt einer Miniatur in den „Miracles de Notre Dame“ von Jean Mićlot aus dem Jahr 1456.268 Ebenso findet sich eine Abbildung eines Kirchenrosts in Sebastian Brants „Narrenschiff“ aus dem Jahr 1494.269

Deutlich werden die Angst vor den Verstorbenen bzw. die Gefahr, die von ihnen ausgeht, und die damit zusammenhängende Bedeutung des Beinbrechers für „den mittelalterlichen Menschen“ anhand der überlieferten volkstümlichen Praxis, den Sarg an allen Ecken vor dem Beinbrecher kräftig abzustellen, um den Verstorbenen zu verwirren und ihm somit den Rückweg unmöglich zu machen. Nach diesem als Buße geltenden Akt wurde der Verstorbene vom Pfarrer gesegnet und in Empfang genommen. Dabei ist jedoch unklar, ob diese Praxis bis ins Mittelalter zurückreicht.270

Der Beinbrecher sollte den schützenden Kreis271, der durch den Eingang unterbrochen wurde, wiederherstellen. Weshalb nicht ein sich öffnendes und

266 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 40f. 267 Vgl. ebd., S. 39f. 268 Vgl. D. Moro, Beinbrecher (Freithof-Gatter, =Gegatter), S. 125. 269 Vgl. Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben, hg. Manfred Lemmer (Tübingen 42004), S. 29. 270 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 40. 271 Schon in Pseudo-Dionysius´ Werk De divinis nominibus wird der Kreis als ein Symbol der göttlichen Einheit und Liebe bezeichnet, beruhend auf der These, dass dieser von Gott stammende Kreis weder einen Anfang 61 schließendes Tor bevorzugt wurde, ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Allem Anschein nach hatten die Menschen schlicht Angst, jemand würde vergessen, das Tor zu schließen. Hinzu kam, dass sich so Asylsuchende schneller Zugang verschaffen konnten.272

5.2. Das ewige Licht – ein Schutz vor Toten und bösen Geistern

Nach mittelalterlichem Volksglauben stiegen die Toten nachts aus ihren Gräbern und stellten den Lebenden nach. Die Nacht und die damit verbundene Finsternis flößten den Menschen Angst ein, da sie diese mit dem dunklen Reich des Todes gleichsetzten. Die Aufgabe des ewigen Lichts273 bestand indes darin, Schutz vor den Toten und bösen Geistern zu bieten.274 Gleichzeitig erhellte das Licht die dunkle Nacht.275 Tagsüber sollte es hingegen brennen, da die armen Seelen auch am Tag Qualen im Fegefeuer erlitten.276

Die brennende Kerze als Symbol des ewigen Lichts sollte nicht nur den Teufel, Dämonen, Zauber fernhalten, sondern auch Helle in die Dunkelheit bringen, die Toten vor einer Wiederkehr bannen, ihnen gleichzeitig die Grabesruhe sichern und ihnen den Weg zum Jenseits zeigen um ihr Seelenheil zu erhalten und sie zum ewigen Licht zu führen.277 Es sollte die Qualen im Fegefeuer lindern und die Auferstehung verheißen.278 So beherrschte ein regelrechter Lichterkult über sämtliche Lebensbereiche, angefangen von der Geburt (Licht oder Feuer sollte

noch ein Ende aufweist. Die Kreissymbolik findet sich in der gesamten christlichen Architektur, z. B. in den Illustrationen des Heiligen Grabs, den Halbkreisapsiden, Marienkirchen etc. Vgl. Oskar Holl, Kreis, in: Lexikon der christlichen Ikonographie (Bd. 2, Rom – Freiburg – Basel – Wien 1970), Sp. 560ff. 272 Vgl. Robert Wildhaber, Beinbrecher an Kirche und Friedhof, S. 122 sowie vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 41. 273 Das ewige Licht ist eine ständig brennende Lampe, die seit dem 10./11. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Kult der Eucharistie im Tabernakel steht. Von St. Johann in Jerusalem verbreitete sich das ewige Licht im Abendland und ist im 15./16. Jahrhundert ein viel behandeltes Thema auf Synoden und Visitationen. Vgl. Johannes Emminghaus, Ewiges Licht, in: Lexikon des Mittelalters 4 (München – Zürich 1989), Sp. 149f. 274 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium?, S. 31. 275 Vgl. ebd. S. 61. 276 Vgl. ebd., S. 66. 277 Vgl. Freudenthal, Licht, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 5 (Berlin – New York 1987, Sp. 1240 – 1246. 278 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 69. 62 hierbei brennen) bis zum Sterben (eine brennende Kerze wurde dem Sterbenden gegeben oder es wurde mit dieser dessen Bett umkreist) beherrschte das Mittelalter.279

Dass das Licht immerwährend brennen sollte, ist aus einer Lichtstiftung vom 21. Oktober 1497 aus Maria Saal überliefert.280 Auf dem Spruchband des Sockels ist zu lesen, dass der Stifter sein gesamtes Vermögen für die Totenleuchte stiftete und damit festlegte281, „…daß nun füran die Zechleut der oftgedachten Kirchen zu ewigen Zeiten unnachlässig ohne Abgang bei Tage und Nacht auf dem frey oder kirchhoff ein ewig brennendes Licht Inn ainem stainern gehäuß oder Thuermelein dazu aufgerichtet haben sollen, davon sollen ße jährlich und ewiglich einen jeden Meßner umb sein Muee das früe und spatt anzuzünden vier Schilling Pfennig geben. Oswald Gropper und Blasius von Winklern als Zechleut unserer Frauenkirch in Sall bestätigen, die Stiftung immer aufrecht zu erhalten.“282 Weitere Stiftungen in Bezug auf die Friedhofsleuchten in Kärnten sind entweder anonym oder heute nicht mehr nachvollziehbar. Das Beispiel der Stiftung von Maria Saal gibt jedoch stellvertretend Auskunft über die teuren Unterhaltskosten für Wachs, Kerzen, den Messner und die Totenleuchte selbst.283 Zudem ist durch die zahlreichen Lichtstiftungen der bereits erwähnte Zweck der Friedhofsleuchten aus Sorge um die Verstorbenen und gleichzeitig aufgrund der Angst der Lebenden vor den Toten überliefert.284

Grabmayer beschreibt die mittelalterlichen Lichtstiftungen als „tiefe Sehnsucht nach Licht, der die Kirche Tribut zollte. Nicht umsonst wurde Christus als Licht aufgefaßt, deshalb wurde er auch nachts geboren, um denjenigen das Licht der Wahrheit zu bringen, die in der Nacht der ,Verwirrung‘ ziellos umherwanderten. Nicht umsonst hießen die Getauften der alten Kirche Erleuchtete, die Taufe Erleuchtung. Licht – Symbol des ewigen Lebens, Symbol des Guten.“285

279 Vgl. Freudenthal, Licht, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (Bd. 5, Berlin – New York 1987), Sp. 1240 – 1246. 280 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 45 sowie vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 277. 281 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 65. 282 Zitiert nach: Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 277. 283 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 66. 284 Vgl. Gottfried Biedermann, Architektur, „Kleinkunstwerke“, in: Gotik in Kärnten, hg. Gottfried Biedermann/Karin Leitner (Klagenfurt 2001), S. 89 – 94, hier S. 91. 285 Zitiert nach: Johannes Grabmayer, Volksglauben und Volksfrömmigkeit im spätmittelalterlichen Kärnten (= Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte 24, Wien – Köln – Weimar 1994), S. 57. 63

Dinzelbacher charakterisiert die Lichtsymbolik wie folgt: „Daß die Gottheit sich in Sonne und Licht manifestiere, ist Glaube vieler Religionen. Die Bibel enthält genügend einschlägige Stellen, z.B. im Propheten Malachias (Malechi) den Gottesnamen ,sol iustitiae‘ (4,2 = 3,20f.). Damit war auch im Christentum alles Lichtbringende Zeichen der Gottheit, wie es das schon in den antiken keltischen und germanischen Religionen gewesen war. In manchen Bauwerken ist Gott selbst durch das an besonderer Stelle und durch besonders gestaltete Fenster einfallende Licht anwesend, so in Gurk, wo ihn ein Rundfenster über der Darstellung der Transfiguration seines Sohnes repräsentiert. Von der kirchlichen Lichtsymbolik zeugen die siebenarmigen Leuchter, wie sie manche Dome beherbergten (z.B. Braunschweig, 12. Jahrhundert.), die Fülle der Kerzen auf Altären, an Gräbern, auf den Balken der Bruderschaften usf., das ewige Licht beim Altar (erscheint im 12. Jahrhundert und wird ab dem 13. üblich). Letzteres leuchtete auch den Toten am Friedhof durch ein kleines Fenster in der Kirchenwand, den Friedhofsoculus.“286

5.2.1. Lichtquellen des Friedhofs

Bei den Lichtquellen des Kirchhofs gibt es einige: Totenleuchten, Oculi287, Lichthäuschen und -nischen sowie Laternen und Schalensteine288 auf den Karnern.289

Als Oculus wurde das ewige Licht im Karner bezeichnet. Dort hatte es seinen festen Platz vor dem Altar, so dass das Licht immer von außen - durch ein in der Mitte des Kegeldachs befindliches Oculus – zu sehen war.290 Ursprünglich befanden sich die Oculi, oder auch Friedhofsoculi genannt, in der Kirche - zur Beleuchtung des

286 Zitiert nach: Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 222. 287 Ein Rundfenster wird als Oculus bezeichnet. Vgl. Heinrich Laag, Oculus, in: Kleines Wörterbuch der frühchristlichen Kunst und Archäologie (Stuttgart 1990), S. 163. 288 Schalensteine, auch Näpfchensteine genannt, sind Mulden in Steinen oder auch Felsen, die in ganz Europa, Asien und Nordamerika verbreitet sind. Schon in der Urzeit finden sich diese in Grabhügeln oder in Form von Grabdecksteinen. Den Schalensteinen wird eine religiöse Bedeutung zugeschrieben, wobei ihre genaue Funktion - mit Ausnahme des Karners - bis heute unklar ist. Vgl. Olbrich, Schalensteine, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 7 (Berlin – New York 1987), Sp. 990f. 289 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 62. 290 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 253. 64

Innenraums, aber auch als ewiges Licht, um die leibhaftige Gegenwart Christi zu symbolisieren.291 Das gestiftete Licht aus dem Karner sollte jedoch nicht nur die Lebenden vor den Toten schützen, sondern auch die Qualen welche die Verstorbenen im Fegefeuer erleiden mussten lindern.292 Viele dieser Oculi wurden später zugemauert.293 Während sich der Friedhofsoculus an romanischen und gotischen Pfarrkirchen und Beinhäusern finden lässt, gab es die Totenleuchten auf fast jedem Friedhof.294 Die Totenleuchten ersetzten im 13. Jahrhundert die Lichtfunktion des Karners, der zu dieser Zeit weniger häufig wurde.295

Die Totenleuchte wird als die wohl markanteste Lichtquelle auch als Armenseelenleuchte, Lichtsäule, Friedhofsleuchte oder Seelenlicht bezeichnet.296 Die älteste Gattung ist der französische Typ, der einen achtseitigen Schaft und einen Pyramidenhelm aufweist. Das geöffnete Lichtgehäuse kann gegen-, mehrseitig oder polygonal geöffnet sein. Ein anderer Typus ist der Tabernakelpfeiler, bei dem der meist immer viereckige Schaft, der oft abgefasst ist, auf dem Sockel sitzt. Auf dem Schaft befindet sich der oft geschmückte Tabernakel, in dem sich in seiner entweder hohlen oder offenen Seite Kerzen oder Heiligenfiguren befinden.297 Dieser Pfeiler erleuchtete zwar nicht den gesamten Kirchhof, jedoch stand er für das heilbringende Licht.298 Ein Helm in Form eines Sattelhelms, Zwiebelhelms oder einer Pyramide mit einem darauf befindlichen Kreuz deckte den Tabernakel ab. In Kärnten und Tirol gibt es eine abgewandelte Form dieses Tabernakelpfeilers, den alpenländischen Typ. Dieser ist sehr massiv und endet in einem großen Spitzdach, bedeckt mit Schindeln, Stroh oder Ziegeln. Anstelle von Figuren sind malerische Darstellungen zu finden, was wahrscheinlich auf italienische Einwirkung zurückzuführen ist.299 Die vierte

291 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 45. 292 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 62f. 293 Vgl. ebd., S. 69. 294 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 45. 295 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 253. 296 Vgl. Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 15. 297 Vgl. Friedrich Weber, Zeugen der Jahrhunderte, Schlösser, Burgen, Ruinen, Bildstöcke, Kreuze, Bildbäume, Skulpturen, Gedenksteine u.a.m. (Gföhl 2010), S. 10 sowie vgl. Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 56 - 60 . 298 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 63. 299 Vgl. Friedrich Weber, Zeugen der Jahrhunderte, S. 10. 65

Variante der Totenleuchten ist viereckig und glatt, mit einem Pfeiler in Form eines Stocks.300

Sehr hohe Totenleuchten besaßen eine Beschickungsöffnung am unteren Ende des Schafts, durch die Leuchten mit einem ausgehöhlten Seilzug in die Laterne befördert wurden.301 Die späteren Totenleuchten erinnern an gotische Fialen302. Oft wurden die Totenleuchten auch mit Muscheln für die Findelkinder oder Tröge für Toten- und Armenspenden bestückt.303

Hula führt den Ursprung der Totenleuchte auf Frankreich zurück und schreibt ihre Verbreitung den Benediktinern und Zisterziensern zu.304 So wurden auch die Totenleuchte in Keutschach und jene in Köttmannsdorf von ursprünglich aus Frankreich gekommenen Zisterziensern erbaut.305 Petrus Venerabilis, der von 1122 – 1156 Abt von Cluny war, berichtete in seinem Werk De miraculis erstmals von einer Totenleuchte306 und beschreibt sie wie folgt: „In der Mitte des Friedhofes erhebt sich ein steinerner Aufbau mit einer Lampe an seinem oberen Ende, die zum frommen Gedenken der dort ruhenden Gläubigen den heiligen Ort jede Nacht erleuchtet“.307

Über eine Totenleuchte vor dem 12. Jahrhundert gibt es keine erhaltenen Überlieferungen. Wahrscheinlich entstand sie erst mit dem Aufkommen des Glaubens an das Fegefeuer und die damit gefährdeten Seelen, denn diesbezüglich hatte sie eine Schutzfunktion.308

Eine weitere Variante der Lichtquellen auf Friedhöfen bildeten die bereits erwähnten Lichtnischen, die oft als Laternen gestaltet waren.309 Entweder befanden sich die

300 Vgl. Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 29. 301 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 63. 302 Eine Fiale ist ein mit einem Helm in Pyramidenform bedeckter Turm. Oft ist dieser mit Krabben oder einer Kreuzblume geschmückt. Vgl. Günther Binding, Fiale, Lexikon des Mittelalters 4 (München – Zürich 1989), Sp. 425. 303 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S.42. 304 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 63. 305 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 253. 306 Vgl. Adolf Reinle, Totenleuchte, in: Lexikon des Mittealters 8 (München 1997), Sp. 896. 307 Zitiert nach: Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 26. 308 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, 33. 309 Vgl. ebd., S. 45. 66

Lichtnischen direkt in der Kirchenmauer oder seltener in der Friedhofsmauer310, denn im Unterschied zu den Totenleuchten stehen sie nicht auf Pfeilern frei im Friedhof.311 Lichthäuschen oder -nischen sind heute noch in der ehemaligen Pfarrkirche in Leoben (15. Jahrhundert.), neben dem Eingang der Pfarrkirche hl. Veit in Liezen (15. Jahrhundert.), neben dem Eingang der Pfarrkirche hl. Katharina in Neumarkt, in der Pfarrkirche hl. Dreifaltigkeit in St. Veit (1500), in der Stadtpfarrkirche hl. Magdalena in Völkermarkt (15. Jahrhundert) sowie in Weitensfeld zu finden.312

Die Schalensteine an den Karnern waren Steinplatten, die eine Einbuchtung aufwiesen und mithilfe von Öl entzündet wurden, weshalb sie auch als Ölsteine bezeichnet wurden.313 In der Pfarrkirche St. Ämilian in Altenmarkt befindet sich ein Schalenstein aus Marmor in Form eines Kreises mit sieben Vertiefungen.314 Im 12. und 13. Jahrhundert war die Totenleuchte am weitesten verbreitet.315

310 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 66. 311 Vgl. Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 16. 312 Vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 78f. 313 Vgl. ders., Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 31. 314 Vgl. ders., Mittelalterliche Kultmale, S. 104. 315 Vgl. ebd., S. 57ff. 67

5.2.2. Das ewige Licht – eine Gegenüberstellung anhand ausgewählter Beispiele

Die ältesten Totenleuchten in Kärnten befinden sich in Köttmannsdorf und Keutschach. Da eine genaue Datierung kaum möglich ist, werden sie zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert angesetzt.316 Skudnigg gibt an, dass die Totenleuchte von Köttmannsdorf wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand. Sie weist einen französisch orientierten Stil auf, besitzt keinen Lichtaufzug, hat vier rundbogenförmige Lichtfenster, einen schlanken Schaft317, ist achtseitig und mit einem stumpfen Schindeldach bedeckt.318 Zur Unterhaltung des ewigen Lichts in Köttmannsdorf ist der Verkauf des Beerdigungsrechts und somit die Schaffung eines Friedhofs in der Filiale Ludmannsdorf überliefert. Von den 14 Pfund sollten sieben Pfund für das ewige Licht in der Totenleuchte aufgewendet werden.319

Auch die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete Totenleuchte in Keutschach mutet französisch an. Sie befindet sich bei der Pfarrkirche in Keutschach, deren Friedhof aufgelassen wurde. Wie die Totenleuchte in Köttmannsdorf weist sie einen achteckigen Schaft auf, besitzt jedoch im Inneren einen Lichtaufzug. Durch vier rundbogenförmige Fenster wurde der Friedhof erhellt. Wahrscheinlich konnte man die Fenster einst schließen. Das Pyramidendach findet sein Ende in einer Kugel, auf der bis 1965 ein Kreuz saß. Um die Unterhaltung des „ewigen Lichts“ zu sichern, stiftete der Giltenbesitzer und Herrenbauer Lambert Schludermann 1512 in Teschelweg320 „Tropper 1 ½ Hube und einen Acker mit 5 Vierling Aussaat an der Straße unter Zauchen.“321

Weder die Totenleuchte in Köttmannsdorf noch jene in Keutschach ist mit speziellen Schmuck- oder Zierformen verfeinert.322

316 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 63. 317 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 262. 318 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 63f. 319 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 264. 320 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 264 sowie vgl. Sörries Reiner, Die Karner in Kärnten, S. 64 ebenso vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Totenleuchten S. 66. 321 Zitiert nach: Franz Hula, Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs, S. 26. 322 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 66. 68

Wie die Totenleuchte von Keutschach besitzt auch jene von Globasnitz einen ausgehöhlten Schaft und eine Beschickungsöffnung. Zudem ist die Laterne nach allen vier Seiten offen, weist hingegen einen viereckigen Schaft auf. Ursprünglich soll sie ihren Platz auf einem Hügel gehabt und erst später ihren Platz auf dem Kirchhof gefunden haben.323

Für den 7. März 1366 ist der Verkauf einer Hube durch Abt Michael von Ossiach überliefert. Der Vermerk „zur immerwährenden Unterhaltung eines ewigen Lichtes“ weist auf eine Totenleuchte hin. Für Keutschach und Köttmannsdorf sind ebenfalls Verkäufe mit einem vergleichbaren Vermerk überliefert.324

Die Totenleuchte von Lieding sticht durch ihren auf der Südseite eingemauerten Grabstein hervor. Gestiftet wurde sie 1326 durch die Familie Schattenseitner, nachdem deren einzige Tochter bei einem Unfall verstorben war. Die über dem Grab erbaute Totenleuchte hat vier rechteckige Fenster, die sich auf dem vierseitigen Schaft befinden. Das mit Schindeln bedeckte Pyramidendach endet mit einer Kugel, auf der ein Kreuz sitzt. Drei Fenster sind durch ein färbiges Kathedralglas verschlossen, das vierte im Westen verfügt über eine Blechtür um das Licht hereinzulassen.325

Ein weiterer besonderer Fall ist in Steuerberg zu finden. An der dort aufgestellten Totenleuchte sind zwei Wappen auf der Nordseite zu sehen, ein Steinmetz- Meisterzeichen und das Wappen der Herrschaft Steuerberg. Da dasselbe Steinmetz- Meisterzeichen auch am Portal der Pfarrkirche, im Zusammenhang mit der Errichtung dieser, eingemeißelt ist, wird davon ausgegangen, dass die Totenleuchte ebenfalls um 1490 gebaut wurde. Das Lichthäuschen der gotischen, mit einem achtseitigen Schaft gestalteten Totenleuchte besitzt vier Fenster, wobei drei durch Kathedralglas geschlossen sind. Das Fenster an der Südseite weist indessen ein Gittertürchen auf.326

323 Vgl. ebd., S. 66. 324 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 261. 325 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 266. 326 Vgl. Wilhelm Deuer, Kunstgeschichtliche Streifzüge durch die Gemeinde Steuerberg, in: Steuerberg, Verstecktes Paradies im Herzen Kärnten, hg. Wilhelm Wadl (Klagenfurt 2001), S. 65 – 78, hier S. 68 sowie vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 273f. 69

Auf dem aufgelassenen Friedhof von Völkermarkt, dem heutigen Kirchplatz, befindet sich ebenfalls eine Totenleuchte.327 Der achteckige Schaft läuft bei der Laterne in ein Quadrat aus. Die Fenster im Laternenhäuschen sind gotisch und werden von einer Dachpyramide bedeckt, auf der wiederum eine Kreuzrose sitzt. Der achtseitige Schaft ist auf jeder Seite mit einer Rosette geschmückt. Die Fenster der Laterne sind durch Butzenscheiben verschlossen. Gestiftet wurde die Totenleuchte 1477 durch die Bruderschaft der Schuster und Lederer, wie es ein Schriftband angibt.328

Die sieben Meter hohe Totenleuchte in Maria Saal beeindruckt durch einen gewundenen Schaft der auf einem Sockel sitzt. Das darauf befindliche Lichthäuschen ist mit Krabben, dem Symbol der Auferstehung, geschmückt. 329

Auf dem Friedhof der Stadtpfarrkirche in Klagenfurt befand sich einmal eine Totenleuchte. Diese fiel 1690 wahrscheinlich einem Erdbeben zum Opfer. Mit dem ausgehenden 15. Jahrhundert wurden in Kärnten keine Totenleuchten mehr gebaut.330 Im südromanischen Raum, wie etwa in Italien, finden wir weder Totenleuchten noch Lichtnischen.331

327Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 270. 328 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S.186 sowie vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 273. 329 Vgl. Wilhelm Deuer, Die kirchlichen Baudenkmäler der Marktgemeinde Maria Saal – ein kunsthistorischer Streifzug, in: Marktgemeinde Maria Saal, Geschichte – Kultur – Natur, Ein Gemeindebuch für alle (Klagenfurt 2007), S. 391 – 418, hier S. 395 sowie vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 67. 330 Vgl. Eduard Skudnigg, Bildstöcke und Totenleuchten in Kärnten, S. 261. 331 Vgl. Rainer Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 68. 70

5.3. Das Kreuz

Das Kreuz332 als zentrales Zeichen des Christentums war im mittelalterlichen Leben allgegenwärtig - in Form von Wegheiligtümern, z. B. auf Bergspitzen, wo es die dort ansässigen bösen Geister heiligen und Schlechtwetter fernhalten sollte, als Anhalts- und Sammelpunkt bei Wallfahrten, als Sühnekreuz (Sühne an der entweihten Erde), als Wetterkreuz zum Schutz der Ernte vor Unwettern etc.333 Als Hochkreuz kennzeichnete es den Kirchhof als einen geweihten Ort und konnte Reliquien im Sockel beinhalten, wodurch es eine religiöse Komponente aufwies.334 Für das Frühmittelalter sind keine Grabkreuze überliefert, danach traten sie in Holz, Eisen oder Steinform auf.335 Aus der Abtei Salzburg stammt das Benedicto crucis in via ponendae aus dem 12. Jahrhundert, das das Aufstellen von Feldkreuzen als Ritual im Zuge eines Volksbrauches bestätigt.336

Das Aufstellen eines Holzkreuzes am Grab, was durch eine Weihung des Orts nicht unbedingt nötig war, sollte laut Durandus von Mende zum einen auf das Grab eines Christen hinweisen und zum anderen den Teufel vom Grab fernhalten.337 Die Grabkreuze besaßen keine Dachbalken und wahrscheinlich auch keine Inschrift, da die untere soziale Schicht illiterat war. Im Fall eines Schriftzugs auf einer Tafel am Kreuz wurde vermutlich der Name, der Hausname oder ein Gebet darauf vermerkt. Aufgrund der folgenden Sekundärbestattung bestanden die meisten Kreuze aus keinem hochwertigen Holz und sind daher heute auch nicht mehr erhalten.338 Nur in seltenen Fällen haben sie die Jahrhunderte überdauert, wenn sie eine Funktion in der Kirche erfüllten, wie etwa ein gotisches Kreuz aus dem 14. oder vom Anfang des 15. Jahrhunderts aus der Sakristei der Kirche in Kraig, das einst vermutlich Reliquien beinhaltete.339

332 Schon durch die Kreuzigung Christi bekommt das Kreuz seinen Stellenwert als Symbol des christlichen Glaubens. Vgl. Gisbert Greshake, Kreuz, in: Lexikon für Theologie und Kirche 6 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1997), Sp. 441. 333 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 244f. 334 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 42. 335 Vgl. Margarete Baur-Heinhold, Schmiedeeisen – Grabkreuze (München 1982), S. 7f. 336 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, S. 112f. 337 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 42. 338 Vgl. Margarete Baur-Heinhold, Schmiedeeisen – Grabkreuze, S. 8. 339 Vgl. Franz Gustav Hann, Gotisches Kreuz, Taufschüssel und Lababo zu Kraig, in: Carinthia I 86 (1896), S. 23. 71

Eine Ausnahme stellt das 1931 gefundene Holzkreuz von Malta dar, daß sich im Untergeschoß des Karners zwischen einer Ansammlung von Gebeinen befand. Das auf das 13. Jahrhundert datierte Kruzifix ist 119 cm hoch, 77 cm breit und weist Spuren einer farbigen Gestaltung auf. Der auf dem Kreuz befindliche Christus trägt eine Dornenkrone.340

Aus Eisen gefertigte Kreuze sollten aufgrund ihres Materials Dämonen abwehren.341 Als Mittel zur Erlangung des Gottesurteils wurde heißes Eisen eingesetzt. Wobei die Unschuld des Angeklagten durch den Eingriff Gottes, indem er ihn vor Verbrennungen schützte, angezeigt wurde.342 Ergänzt wurden die Varianten der griechischen und lateinischen Kreuze durch die Doppelbalkenkreuze. Eine spezielle Gattung der Doppelbalkenkreuze, die Caravaca- Kreuze, die an den Balken mit Krugenden abschließen, wurde auch als Grabkreuz verwendet. Dass diese Grabkreuze ebenso Schilder und Inschriftenkästchen besitzen konnten, ist am Beispiel eines aufwendig gestalteten eisernen Grabkreuzes aus Mühltal bei Leoben ersichtlich. Das auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datierte Grabkreuz besitzt ein Inschriftenkästchen und endet in Flammenspitzen.343 Eine mit einem Kreuzrelief ausgestattete Steinplatte befindet sich in der Ecke der Friedhofsmauer der Kirche in Irschen. Die 1,45 m hohe Steinplatte ist eine frühromanische Grabplatte ohne Inschrift.344 Außerhalb des Friedhofs befindet sich in der Gemeinde Hartberg ein Pestkreuz über den Gräbern der Pestopfer aus dem Jahr 1514. Der dreiseitige Steinpfeiler besitzt einen ebenso dreiseitigen Tabernakel. Das fälschlicherweise oft als Totenleuchte titulierte Pestkreuz hat einen mit Krabben verzierten Spitzhelm und endet in einer Kreuzblume.345

Neben Kreuzen waren oft auch Kreuzgruppen auf Friedhöfen zu finden. Ein 2,3 m großer Gekreuzigter als ein Teil einer solchen Kreuzgruppe, datiert auf das 16. Jahrhundert, befindet sich heute in der Kirche in St. Veit a.d. Glan. Weitere

340 Vgl. Otto Rainer, Das Kreuz aus dem Karner von Malta, in: Carinthia I 144. (1954), S. 641f, hier S. 641f. 341 Vgl. Ada Paul, Steinkreuze und Kreuzsteine in Österreich (Regensburg 1988), S. 8. 342 Vgl. Peter Dinzelbacher, Das fremde Mittelalter – Gottesurteil und Tierprozess (Essen 2006), S. 91. 343 Vgl. Inge Woisetschläger, Steirische Grabzeichen und Kreuze aus Eisen (Graz 1985), S. 5 - 9. 344 Vgl. Ada Paul, Steinkreuze und Kreuzsteine in Österreich (Regensburg 1988), S. 8. 345 Vgl. Hans Wilfinger, Religiöse Flurdenkmäler und Gottesdienststätten im Pfarrbereich Hartberg (Hartberg 1993), S. 52f. 72

Kreuzgruppen sind für 1506 auf dem Johannisfriedhof zu Nürnberg belegt und einen Gekreuzigten gab es auf dem Friedhof in Baden-Baden von 1467.346

Mitglieder der Oberschicht ließen sich vor ihrem Dahinscheiden einen Grabstein anfertigen, während die weniger Vermögenden einer erschwinglichen Bruderschaft beitraten, um zumindest eine nicht zu arme Beerdigung und Gebete für ihr Seelenheil zu erhalten.347

5.4. Die Umfriedung des Kirchhofs

Umfriedet wurde der Kirchhof von einer Mauer oder einem Zaun348, wenngleich dieser aus einer Hecke oder Holz bestand und im Gegensatz zur Mauer heute archäologisch nicht mehr feststellbar ist. Die in einem Kreis angelegte Umfriedung stellte in jedem Fall aber eine Rechtsgrenze dar.349 Unterbrochen wurde diese Umfriedung lediglich von den Beinbrechern.

Der Stellenwert der Umfriedung geht aus der Visitationsfrage lib. I, 16 im Visitationsbuch des Regino von Prüm hervor, der verlangte die Umfriedung des Kirchhofs zu kontrollieren. Neben der Bewahrung vor einer Entweihung des Kirchhofs sollte die Umfriedung laut Regino von Prüm auch vor der Verschmutzung durch herumstreunendes Vieh schützen. Zudem bestand die Gefahr, dass das Vieh die herausstehenden Gebeine Verstorbener annagen oder zertreten würde.350 Abt Regino von Prüm veranlasste zunächst die Landpriester dazu, den Friedhof der Kirche mit einem Zaun einzufrieden. Ferner sollte der Friedhof vor Schmutz und Unordnung bewahrt werden. Somit bildete die Umfriedung zum einen eine Rechtsgrenze, zum anderen diente sie als eine Kontrolle des Grabkults in Richtung

346 Vgl. Karl Ginhart, Eine spätgotische Kreuzgruppe in St. Veit an der Glan, in: Carinthia I 148. (1958), S. 473 - 517, hier S. 473 – 478. 347 Vgl. Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum (Bd. 2), S. 269f. 348 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 41. 349 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 41. 350 Vgl. Nikolaus Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier, S 81ff. 73 einer christlichen Schiene,351 denn durch die Einfriedung wurde der Kirchhof von der profanen Welt getrennt.352

5.5. Das Beinhaus als letzte Ruhestätte

In der Nähe von Kirchen sind noch heute in einigen Gegenden jahrhundertalte Beinhäuser zu finden, über deren eigentliche Funktion die Bevölkerung kaum Bescheid weiß. Diese runden oder vieleckigen Zentralbauten beherbergten einst Gebeine und dienten nach der Neubelegung der Gräber als letzte Ruhestätte der Verstorbenen,353 denn die Erstbestattung beschränkte sich im Mittelalter auf einige Jahre. Heutzutage dienen sie meistens als Abstellplatz, Soldatengedenkstätte oder Leichenhalle.354 Im Mittelalter hatte der Karner jedoch eine ganz andere Doppelfunktion inne: Er gewährleistete die Totenruhe und schützte zugleich die Lebenden vor den Toten.355

Neben der Totenleuchte bildete das Beinhaus einen wesentlichen Bestandteil des mittelalterlichen Friedhofs. Der genaue Zeitpunkt des Aufkommens der Beinhäuser als Ort der Sekundärbestattung ist nicht bekannt, zumal die ersten wahrscheinlich aus Holz oder in Form von Grüften bestanden.356 Sörries geht davon aus, dass sich das Beinhaus etwa um die Wende zum ersten Jahrtausend in das Bild des mittelalterlichen Friedhofs einfügte.357 „Karner sind Ausdruck eines kollektives Totengedenkens“358 und erlebten als ein Element des mittelalterlichen Friedhofs ihre Blütezeit zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert.359 Auch ist der regionale

351 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 16. 352 Vgl. Andreas Jobst, Kirchhöfe im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, S. 33. 353 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium?, S. 28. 354 Vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, in: Friedhof und Denkmal 38 (Kassel 1993), S. 25 – 37, hier S. 25 – 28. 355 Vgl. ebd., S. 36. 356 Vgl. ders., Der mittelalterliche Friedhof, S. 43. 357 Vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 25. 358 Zitiert nach: Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 48. 359 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 42. 74

Ursprungsort der Karner bis heute ungeklärt.360 Vertreten waren sie fast in ganz Europa, vor allem in Kärnten, Süddeutschland und Niederösterreich.361

Das Wort Karner leitet sich vom lateinischen Begriff carnarium ab, was so viel wie Fleisch bedeutet. In mittelalterlichen Urkunden wurde auch der Begriff ossuarium oder ossarium verwendet.362 Der Bezeichnung Karner stehen noch veraltete „Benennungen und Provinzialismen wie Kärner (Kerner, Körner, Korner), Gärner (Gerner), Karcher, Todtenkerker, Seelenkerker, Todtenköterl, Todtenkherl, Totenkeusche, Totensagrer, Seelenstöckl, Schenkelhaus, Gebänerhiesel und […] noch Sonderausdrücke wie Beinhaus, Beinkammer, Beingruft und ähnliche Zusammensetzungen“363 zur Seite.

Die zweigeschossigen Karnerkapellen besaßen im Obergeschoß einen Kultraum und in der Regel kein Parochialrecht.364 Ursprünglich wurde ausschließlich das Untergeschoß als Karner bezeichnet, wie es urkundliche Erwähnungen von „Karner als Kapelle“ oder „Kapelle mit Karner“ nahelegen.365

Einen wichtigen Aspekt für das Beinhaus stellte die Mahnung zur Fürbitte dar, was durch das Aufstellen der Schädel unweit des Altars – zusammen mit der Vorstellung vom Fegefeuer - ihren Ausdruck fand.366 Der Karner machte es nunmehr möglich, die Gebeine zu verehren und sie sichtbar zu machen. Von Bedeutung war hierbei die Nähe des Karners zur Kirche, um durch die Messe eine Segnung der Seelen zu sichern, jedoch spielten auch die Auferstehung und der Reliquienkult eine tragende Rolle.367

Im Karner als zweite Ruhestätte wurden die sterblichen Überreste bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, an welchem der Körper dann mit der Seele auferstehen soll,

360 Vgl. Gottfried Biedermann, Architektur, Karner, in: Gotik in Kärnten, hg. Gottfried Biedermann/Karin Leitner (Klagenfurt 2001),, S. 81 – 88, hier S. 84. 361 Vgl. Günther Binding, Karner, in: Lexikon des Mittelalters 5 (München – Zürich 1991), Sp. 1001. 362 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 11 sowie vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 39. 363 Zitiert nach: Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 39. 364 Vgl. Günther Binding, Karner, in: Lexikon des Mittelalters 5 (München – Zürich 1991), Sp. 1001. 365 Vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 39. 366 Vgl. Martin Illi, Wohin die Toten gingen, S. 18. 367 Vgl. Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 42. 75 verwahrt.368 Allerdings diente der Karner nur als letzte Ruhestätte für das „einfache Volk“, während die soziale Oberschicht die finanziellen Mittel für eine Bestattung näher bei den Heiligen – direkt in der Kirche oder bei der Kirchenmauer – hatte.369

Durch die Synoden in Münster (1279) und Köln (1280) wurde der Bau von Karnern vorgeschrieben. In Österreich wurden die meisten auf Anweisung von Salzburg und St. Lambrecht gebaut. Der älteste Karner in Österreich stammt aus dem Jahr 1090, wurde in einer Rundform errichtet und stand auf dem Salzburger Nonnberg, ist heute jedoch nicht mehr erhalten.370 Sörries geht davon aus, dass der Urtyp in Kärnten bei einem größeren Kloster lag. Seiner These zufolge befand er sich neben dem Dom von Gurk an der Stelle, wo heute die barocke Todesangst-Christi-Kapelle steht. 1275 wurde er in einer Urkunde erwähnt und ist wahrscheinlich älter als diese schriftliche Überlieferung.371

Eine Vielzahl der älteren, noch heute erhaltenen Karner stammt aus dem 12. Jahrhundert, wie etwa die Karner von Tigring (1136), St. Lambrecht (1148), Friesach um (1150), Hardegg um (1160), Hartberg (1167), Mödling (1182) oder auch Mistelbach (um 1200). Der Kernbau aus Maria Saal dürfte ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert stammen.372

Diente der Karner im späten Mittelalter als Seelgerätstiftung, verlor er in der Neuzeit zur Gänze seine vormalige Bedeutung.373

368 Vgl. Arnd Reitemeier, Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters: Politik, Wirtschaft und Verwaltung, (= Vierteljahreszeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 177, Stuttgart 2005), S. 198. 369 Vgl. Gottfried Biedermann, Architektur, Karner, S. 87. 370 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 17. 371 Vgl. Reiner Sörries, Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 34 – 37. 372 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 18. 373 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 49. 76

5.5.1. Der Karner in der Romanik und Gotik

Sörries weist die architektonische Herleitung des Karners von den antiken Baptisterien oder Mausoleen ebenso wie die These, sie seien eine Nachbildung der Heilig-Grab-Rotunde, zurück. Wie Biedermann374 spricht sich auch Sörries gegen bautechnische Wurzeln oder die ursprüngliche Nutzung des Taufhauses aus. Für ihn ist der Karner vielmehr ein eigenständiger Bau ohne architektonische Vorlage.375

Karner gibt es in Rundform und als polygonale376 Karner. Die Kreisform soll in jedem Fall eine unheilabwehrende Funktion erfüllen. Während die Variante der Rundform meist aus romanischer Zeit stammt, ist die Form des gleichmäßigen Vielecks gotisch.377 Festzuhalten ist an dieser Stelle auch die etappenweise Entwicklung des Karnerbaus, der in den reinen Rundbauten seinen Anfang fand. Dieser erste Karnertypus behält seine Kreisform bis auf das Bodenniveau sowie an allen anderen Schnittpunkten. Der Karner mit angebauter Erkerapsis durchbricht die Rundform zwar, findet jedoch auf Bodenniveau in seine einheitliche Kreisform zurück. Die letzte Stufe bilden die Karner mit echter Apsis, die ihre Kreisform dadurch durchbrechen. Der genaue Zeitraum dieses Wandels lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.

Hinweise auf den Bau von Karnern fehlen in Kärnten für das 11. Jahrhundert, jedoch könnten die apsidenlosen Karner von Malta und Gmünd in diese Zeit passen. Für die Zeit kurz nach 1300 sind nur mehr Polygonalkarner baulich nachgewiesen, womit für die romanischen Karner eine Bauphase zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert angenommen werden kann.378

374 Biedermann spricht sich gegen die oft vertretene These aus, nach der der Karner vor seiner Funktion als Sekundärbestattung als Örtlichkeit der Taufe gedient haben soll. Vgl. Gottfried Biedermann, Architektur, Karner, S. 84. 375 Vgl. Reiner Sörries, Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 35f. 376 Die Acht spielt bereits in der Auferstehungsgeschichte Christi eine signifikante Rolle, da Christus am achten Tag auferstanden ist und seinen Jüngern am achten Tag nach Ostern erschien. Ebenso findet am achten Tag der Tag des Gerichtes statt. Ebenso spiegelt sich die Acht in der Architektur der christlichen Zentralbauten wider, z. B. in den Baptisterien. Vgl. Günter Bandmann, Acht, Achteck, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 1 (Rom – Freiburg – Basel – Wien 1968), Sp. 40f. 377 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 5 sowie vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 31. 378 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 47f. 77

Mit dem veränderten Grundriss geht der Wandel in der Form des Dachs einher, von den romanischen Kegeldächern hin zu den steilen gotischen Pyramidendächern.379 Das beste Beispiel für den Wandel in der Karnerarchitektur liefert der achteckige Karner von Metnitz380, der zu den gotischen Polygonalkarnern zählt, wie auch der neuneckige Karner in Maria Saal. Der erste gotische polygonale Karner auf heutigem österreichischem Boden entstand nach 1270 in Niederösterreich.381

Im Fall der Wehrhaftigkeit eines Karners geht diese nicht auf den Sinn eines Wehrturms zurück, sondern auf den Schutz vor bösen Geistern zur Sicherheit der Verstorbenen sowie um die Nachstellung der Lebenden durch die Toten zu verhindern. 382

Mit einigen Ausnahmen besitzen Karner zwei Geschoße, wobei sich im Erdreich vertieft die Gebeine befanden und das obere Geschoß als Kapelle diente. Der Raum im Obergeschoß verfügte über einen Altar, oft auch über einen Erker und eine Apsis oder eine der Apsis ähnelnde Nische. Häufig war das Obergeschoß auch mit Wandmalereien zu biblischen Themen geschmückt.383

Der Zugang zum Obergeschoß lag aufgrund der starken Eintiefung des Untergeschoßes meist durch einige Stufen erhöht, womit das Obergeschoß fast ebenerdig war. Sörries ist der Auffassung, dass die Besucher dadurch die eigene irdische Welt verließen, da sie somit räumlich über den Gebeinen und zeitlich in einer kurzen Vereinigung - dies jedoch ausschließlich während der Seelenmesse oder Andacht - mit ihren Verwandten befanden.384 Strauss beschreibt diese beiden Ebenen wie folgt: „Das Tor zum Obergeschoß führt zum auferstandenen Christus, ja er selbst ist das Tor zum Leben. Darum wird dieses Tor, zu dem man meist hinaufsteigen muss, möglichst prachtvoll geschmückt. Das Tor zum Untergeschoß ist

379 Vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 31. 380 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 50. 381 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 26. 382 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 15. 383 Vgl. ebd., S. 11. 384 Vgl. ebd., S. 34. 78 immer schmucklos.“385 Zum Untergeschoß hatte ausschließlich der Totengräber Zutritt, wodurch die Gebeine für die Besucher der Kapelle nicht zu sehen waren.386

Die unheilabwehrende Funktion des Karners wurde durch seine anfängliche Lage ausschließlich an der Südseite unterstrichen, da der Norden und Westen als dämonengefährdete Ausrichtungen betrachtet wurden. Im Westen wurde der Karner auch später fast nie gebaut. Wenn er zu späterer Zeit im Osten oder Nordosten platziert wurde, besaß er keine Fenster.387 Die südliche oder südöstliche Lage des Karners bei der Kirche begründet Hula damit, „so nahe als möglich an den Ort der heiligen Handlung, also an den Chor heranzurücken.“388

Der Eingang des Karners bestand meist aus einer hölzernen Tür mit einer schmalen und niederen Pforte. Aufwändig gestaltete Pforten wie jene in Friesach bildeten dagegen eher die Ausnahme.389 Dieser Karner besaß ein dreifach abgetrepptes Portal und zeigt das Brustbild eines segnenden Christus mit Kreuzstab im Tympanonrelief. Palmetten und Kopfmotive zieren die Kapitelle der Säulen. Allerdings fiel der Eingang 1845 dem Straßenbau zum Opfer.390

Am Beispiel des ehemaligen Rundkarners von Köttmannsdorf und ferner des Karners von Wieting ist die kurze Entfernung der Karner zur Kirche ersichtlich, da sie im Zuge einer Umbauphase in die Kirchenanlage eingebaut wurden. Die Nähe zwischen Karner und Kirche spielte eine große Rolle, da man davon ausging, dass sich die Heilkräfte der Gebete und Messen in der Kirche auf die Überreste im Beinhaus auswirkten. Diese Heilkräfte sollten die Qualen des Fegefeuers für die Verstorbenen lindern. Der Abstand zwischen Karner und Kirche war meist so gering, dass sie sich beinahe berührten. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der Karner von Glödnitz, der

385 Vgl. Walter Strauss, Über die Karner in Österreich, in: Wiener Katholische Akademie Miscellanea (Neue Reihe Nr. 14, Wien 1980), S. 1 - 15, hier S. 10. 386 Vgl. Reiner Sörries, Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 31 sowie vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 11. 387 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 15. 388 Zitiert nach: Franz Hula, Mittelalterliche Kultmale, S. 49. 389 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 33. 390 Vgl. Österreichische Kunsttopographie, Die profanen Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Friesach (Band LI), hg. vom Bundesdenkmalamt (Abteilung für Denkmalforschung), bearb. von Barbara Kienzl (Wien 1991), S. 258. 79 im Sinne der verstärkten Wehrhaftigkeit - als Folge der drohenden Türkeninvasion im 15. Jahrhundert - in die Kirchenmauer integriert wurde.391

Ursprünglich wiesen die Karner nur schießschartengroße Fenster auf, die bösen Dämonen und Geistern den Zutritt verwehren sollten,392 weshalb sie sich auch nur südlich oder östlich393 befanden394, während sie an der Nord- und Westseite fehlten395 Aufgrund ihrer Größe gelangte nur sehr wenig Licht in den Karner. Hinzu kam, dass er oft mit Wehrtürmen verwechselt wurde.396 Die Fenster an der Apsis ließen das Morgenlicht in den Karner, hatten jedoch auch eine heilbringende Wirkung, da Christus am Jüngsten Tag dort erwartet wurde.397

Im Gegensatz zu den romanischen Karnern sind die gotischen aufgrund der zahlreicheren Fenster eher mit Licht durchflutet. Einige romanische Karner wurden dem gotischen Stil durch architektonische Veränderungen angepasst, wie der Karner von Völkermarkt, der nachträglich einen gotischen Chor erhielt.398

Neben Lichtstiftungen in der Kapelle des Karners wurde ein Karner auch mit Oculi ausgestattet. Neben dem archetypischen Oculus am Karner von Rechberg besitzt in Kärnten nur noch der Karner von Metnitz einen solchen. Jener befindet sich über dem Eingang des Karners in einer kreisrunden Form mit einem Profilrand in Gestalt eines Trichters.399

391 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 33. 392 Vgl. ders., Der mittelalterliche Friedhof, S. 43. 393 Nicht nur die Morgensonne geht im Osten auf, auch Christus soll am Jüngsten Tag von dort erscheinen. Vgl. Matthäus 24, 29 – 31. 394 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 44. 395 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 34. 396 Vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 29. 397 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 35f. 398 Vgl. ders., Architektur, Karner, S. 88f. 399 Vgl. ders., Die Karner in Kärnten, S. 69. 80

5.5.2. Illustrationen

Ursprünglich besaßen die Karner keine Fresken, sondern waren außen wie innen weiß verputzt. Die Illustrationen im Karner stehen im Zusammenhang mit der Erweiterung des Beinhauses als Andachtsraum und besitzen keine eigene Kultur, sondern ahmen die Bildmotive der Kirchen nach und sollen belehrend wirken. Erst seit dem 13. Jahrhundert, im Zuge der Gestaltung der Karnerkapelle mit Bildmotiven, wurde der Karner als autonomer Kirchenraum angesehen. Darstellungen von armen Seelen im Fegefeuer und vom Tod fehlen in den Karnern Kärntens bis ins 13. Jahrhundert. Die Thematik des Fegefeuers als Motiv trat mit Sicherheit erst im 14. Jahrhundert auf, wobei sie auch dann nur sehr selten eingesetzt wurde.400

In Kärnten befinden sich in einigen Karnern Fresken im Innenraum der Karnerkapellen, die aus deren Entstehungszeit stammen, wie etwa in Feistritz ob Grades (Mitte 14. Jahrhundert), im Karner von Pisweg (um 1280) oder in Gmünd (um 1370).401 Die Fresken des Karners von Feistritz ob Grades aus dem 14. Jahrhundert stellen eine verkürzte Fassung der Heilsgeschichte dar. Der wahrscheinlich anfänglich zur Gänze bemalte Karner in Pisweg (1280) ähnelt stark den Illustrationen im Inneren des Karners von Gurk in Form der Heilsgeschichte.402

Das mit Illustrationen ausgestattete Obergeschoß des in der Steiermark beheimateten Karners von Hartberg stellt Walter zufolge die sieben Hauptsünden in Form von Tieren mit Reitern dar sowie Fresken der Wurzel Jesse mit den sieben Gaben des Heiligen Geists und ein Bild eines im Rachen eines Wolfes befindlichen Lamms.403 Die Wurzel Jesse gilt als der Stammbaum Jesu404, während sich der Wolf und das Lamm in ihrer Bedeutung gegensätzlich gegenüberstehen. Der Wolf steht

400 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 79 - 85. 401 Vgl. ebd., S. 75. 402 Vgl. Karin Leitner, Malerei und Kunstgewerbe, Wandmalerei, in: Gotik in Kärnten, hg. Gottfried Biedermann/Karin Leitner (Klagenfurt 2001), S. 152 – 193, hier S. 160 – 164. 403 Vgl. Sepp Walter, Die Fresken im Hartberger Karner, in: Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark 69 (Graz 1978), S. 185 – 238, hier S. 225 – 229. 404 Vgl. Ursula Nilgen, Wurzel Jesse, Lexikon des Mittelalters 9 (München - Zürich 1998), Sp. 382. 81 für den Teufel, das Böse und den Ketzer.405 Das Lamm indessen verkörpert Reinheit und steht als Lamm Gottes für den Leidensweg und Sieg Christi.406

Mit Illustrationen im Untergeschoß ausgestattet und somit einzigartig in Österreich, ist der Karner von Gmünd (Gem. Spittal a. d. Drau). Die nur mehr teilweise erhaltenen Fresken stellen die Schutzmantelmadonna und das Weltgericht dar.407 Die heilsgeschichtlichen Darstellungen sind aufgrund einer Inschrift auf das Jahr 1370 datiert, wobei die Entstehungsphase des Karners weit früher angesetzt wird.408

Ähnlich wie beim Karner von Gmünd verhält es sich beim Karner von Berg im Drautal. Das von Johannes Kupiteller und seiner Frau gestiftete Motiv zeigte die Heilsgeschichte dar. Während durch eine Inschrift die Stiftung der Fresken auf das Jahr 1428 datiert werden kann, wird angenommen, dass der Bau bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand. Der Karner in Rundform hat zwei Geschoße und eine im Osten angelegte halbrunde Apsis.409

Im Südwesten der Kirche zum heiligen Lambert in Pisweg befindet sich ein Rundkarner, dessen Entstehungszeit auf die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert wird. Der zweigeschoßige Karner ist im Inneren mit Fresken ausgestattet410:“… die thronende Gottesmutter zwischen zwei gekrönten Gestalten, Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies. Beidseitig der Apsis sind Stifter und Heilige mit Spruchbändern erkennbar; daran anschließend in zwei Reihen Szenen aus dem Leben Christi; an den Gurtbögen die Engelsleiter sowie am Schlussstein das Lamm Gottes.“411

405 Vgl. Susann El Kholi, Skizzen zur Naturbildlichkeit in den Briefen Hildegards von Bingen, in: Natur im Mittelalter: Konzeptionen, Erfahrungen, Wirkungen (Akten des 9. Symposiums des Mediävistenverbandes, Marburg, 14. – 17. März 2001), hg. Peter Dilg (München 2003), S. 294 – 310, hier S. 307. 406 Vgl. Redaktion, Lamm, Lamm Gottes, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 3 (Rom – Freiburg – Basel – Wien 1971), Sp. 7 – 10. 407 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 141. 408 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 78. 409 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 79. 410 Vgl. ebd., S. 158. 411 Zitiert: ebd., S. 158f. 82

5.5.3. Patrozinium

Viele Karner erhielten erst eine zeitlang nach ihrer Errichtung ein Patrozinium, wobei unklar ist, ob dies auch schon für die ältesten romanischen Karner gilt. Oft wurde der Erzengel Michael412 als typischer Heiliger für das Karnerpatrozinium angegeben, aber auch andere Heilige konnten diese Funktion übernehmen. So lässt sich für die rund 50 Karner in Kärnten nur für sieben das Michaelspatrozinium nachweisen, jedoch in keinem Fall bereits zur Bauzeit. Die Frage, ob Karner ursprünglich überhaupt ein Patrozinium besaßen, stellt sich aufgrund des Sachverhalts, dass in Kärnten nur 16 Karner einem Patron geweiht waren.413

Neben dem Erzengel Michael als Patron für Karner gab es in Kärnten noch andere Patrone wie etwa Martin oder Oswald.414 Neben dem hl. Michael wurden in Österreich auch dem hl. Laurentius, der jeden Freitag eine Seele aus dem Fegefeuer holen konnte, der hl. Anna als Beschützerin vor einem jähen Tod, der hl. Magdalena als Fürbitterin für die armen Seelen, den Heiligen Drei Königen, der hl. Barbara und der hl. Katharina, die beide eine gute Sterbestunde sichern, Karner geweiht.415 Oft

412 Der hl. Michael soll am Tag des Jüngsten Gerichtes die Seelen abwiegen. Überliefert ist der hl. Michael als Patron ebenso für Tor- und Turmkapellen, Friedhofskirchen und Burgkirchen. Vgl. Hans-Walter Stork, Michael, in: Lexikon für Theologie und Kirche 7 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1998), Sp. 230. 413 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 71. 414 Vgl. ebd., S. 72. Martin missionierte heidnisch dominierende Gebiete, galt als Wundertäter und war als Exorzist tätig. 316 gründete der spätere Bischof von Tours das erste Kloster in Gallien. Er hatte das Patriziat für Karner, Klöster und Kirchen inne. Vgl. Jacques Fontaine, Martin v. Tours, in: Lexikon für Theologie und Kirche 6 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1997), Sp. 1427. Oswald missionierte als König von Northumbria (636 – 642) das Land. Nach seinem Tod sind Wunder überliefert. Vgl. Georg Gresser, Oswald v. Northumbrien, in: Lexikon für Theologie und Kirche 7 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1998), Sp. 1213f. 415 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 22. Anna gilt als die Mutter von Maria und wird in Illustrationen oft als Gottesmutter dargestellt. Sie ist als Patronin für Bergleute, Schwangere, Gewerbe- und Handeltreibende sowie Schiffer überliefert. Vgl. Genoveva Nitz, Anna, Mutter Mariens, in: Lexikon für Theologie und Kirche 1 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1993), Sp. 689f. Maria Magdalena folgte Jesus nach Galiläa und erhielt als erste die Nachricht von der Auferstehung Jesu. Vgl. Regina Radlbeck- Ossmann, Maria Magdalena, in: Lexikon für Theologie und Kirche 1 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1993), Sp. 1340. Die hl. Barbara wurde der Legende zufolge zur Zeit Kaiser Maximilians (306) von ihrem Vater in einen Turm gesperrt. Sie wurde aufgrund ihres christlichen Glaubens verfolgt und von ihrem Vater hingerichtet. Neben dem Karnerpatronat hat sie weiters jenes der Artilleristen, Bergleute und Sterbenden inne. Vgl. Erich Wimmerer, Barbara, in: Lexikon für Theologie und Kirche 1 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1993), Sp. 1401f. Die gelehrte Katharina von Alexandrien wurde, nachdem sie die heidnischen Handlungen des Kaisers infrage gestellt hatte und nach der Missionierung von 50 Rhetoren, hingerichtet. Sie wurde von Engeln vor der Folter gerettet und es soll nach ihrer Köpfung Milch anstelle von Blut geflossen sein. Sie gilt als Patronin der (Dienst-)Mädchen, Schneiderinnen und Arbeiterinnen. Vgl. Hans Reinhard Seeliger, Katharina von Alexandrien, in: Lexikon für Theologie und Kirche 5 (Freiburg – Basel – Rom – Wien 1996), Sp. 1330f. 83 scheinen die Patrone der Pfarrkirche den Beinhäusern ihren Namen gegeben zu haben. Vermutlich hatten die Karner in ihrer Anfangsphase überhaupt kein Patronat, da sie keine sakralen Stätten, sondern Zweckbauten waren, die nicht geweiht wurden. Ihr Einsatz dürfte sich erst beim Übergang der Romanik zur Gotik vollzogen haben. Durchaus belegt ist die Verbindung von Karnern mit konkreten Heiligen, jedoch wahrscheinlich durch Altarstiftungen einzelner Karnerkapellen. Da auch Altäre Patrozinien erhielten, kann es durchaus sein, dass sich deren Namen manchmal auf den Karner übertrug. Trotz all dieser Aspekte ist es nicht ausgeschlossen, dass die Karner ab einem gewissen Zeitpunkt auch schon mit ihrer Entstehung ein Patrozinium erhielten.416

Der 1279 spätromanische Karner von Maria Wörth, östlich an der Kirche Maria Wörth im Friedhof, wurde drei Patroninnen, den hll. Magdalena, Elisabeth und Katharina, geweiht.417

In zwei schriftlichen Überlieferungen – in einer Messstiftung von 1575 sowie in einer schriftlich festgehaltenen Visitation durch den Seckauer Bischof Jakob Eberlein418 1617 – wurde das Doppelpatrozinium des Hartberger Karners festgehalten, wobei der hl. Michael das Patrozinium für das Untergeschoß und Bischof Ulirch von Augsburg (923 – 973) jenes für das Obergeschoß inne hatte.419

416 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 72f. 417 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 67. 418 Vgl. Alois Ruhri, Die pfarrlichen Altmatriken in der Steiermark, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 47 (Graz 1997), S. 107 – 138, hier S. 113f. 419 Vgl. Sepp Walter, Die Fresken im Hartberger Karner, S. 217f. 84

5.5.4. Der Karner in Kärnten und der Steiermark – eine architektonische Betrachtung

Während der Karner in Kärnten für das Gebiet zwischen Gurk und Drau charakteristisch ist, nimmt sein Aufkommen in Oberkärnten indessen ab. In Italien ist er nahezu gar nicht zu finden, in Tirol hingegen ausschließlich in rechteckiger Form. Damit ergibt sich eine Trennlinie von Westen nach Süden. 420 Neun Karner sind für das Burgenland nachgewiesen, während es in Kärnten fast 60 gibt. Dominierend sind vor allem die gotischen Polygonal- und Rundkarner.421 Währenddessen herrschen in Tirol und im süddeutschen Oberland Rechteckkarner vor422 und in Salzburg die Achteckbauten.423 Besonders ins Auge stechen die Römersteine, die in das Mauerwerk und in die vielen Steinplattl- und Schindeldächer eingearbeitet wurden.424

Der Karner im steirischen Hartberg wurde im Zuge einer Seelenheilstiftung, nach der jeden Montag eine Messe dort abgehalten werden musste, durch den Hartberger Bürger Jacob Schuster 1358 erstmals urkundlich erwähnt.425

Die Apsis wie auch der Rundbau des im Süden der Stadtpfarrkirche gelegenen Karners finden ihren Abschluss in einem Kegeldach. Das aus einem Muschelwerk bestehende Quadermauerwerk öffnet sich zur Westseite hin zum zweifach abgestuften Hauptportal, das jedoch nicht in der Achse des Baus liegt. Blattkapitelle zieren die Säulen. Im Norden befindet sich der Eingang zu der Gebeinkammer, wobei das Portal in neun Pfeilerbündeln, die aus je drei Halbsäulen, geschmückt mit Kopf- und Blattkapitellen, bestehen, aufgeteilt ist. In diesem speziellen Fall befindet sich das Rundbogenfries neben den Bündelpfeilern und reicht bis zum Bodenniveau des Karners. Der Zahnschnitt wie auch das Dachgesims enden in der Mauerflucht und nicht wie sonst üblich auf den Bündelpfeilerkapitellen, die somit reine Zierde

420 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 14. 421 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 31. 422 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 16. 423 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 35. 424 Vgl. Sepp Walter, Die Fresken im Hartberger Karner, S. 201 sowie vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 31 425 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 46. 85 sind. Diese Bündelpfeilerkapitelle enden außer an der Südostseite, wo sich eine Konsole aufgrund einer steilen Senkung befindet, da dieser Karner keinen Sockel besitzt, auf dem Boden. Ein weiteres dreipassartiges Bogenfries macht von außen die Teilung des Unter- und Obergeschoßes ersichtlich. Ohne Bündelpfeiler, jedoch mit Zahnschnitt und Bogenfries, ist die Apsis gestaltet. Sieben Halbsäulen mit Kapitellen tragen ein achtteiliges Gurtbogengewölbe im Inneren des romanischen Karners. An der Stelle der achten Halbsäule befindet sich das Portal. Öffnungen sind in Form romanischer Rundbogenfenster vorhanden. Ein Treppentürmchen befindet sich neben dem Haupteingang. Im Untergeschoß, welches nicht über den Apsisraum verfügt, ist ein vierteiliges Gurtbogengewölbe. Die Darstellung der sieben Hauptsünden, die auf ca. 1200 datiert wird, ist das älteste der noch erhaltenen Fresken. Neben der Darstellung von Teufeln und Ungeheuern, Höllenrachen, Christus und den Aposteln im Hauptraum befindet sich in der Apsis auch eine Illustration der Wurzel Jesse in Form eines Baums mit zahlreichen Geschöpfen. Weiters finden sich Illustrationen des hl. Ulrich und Martin, des Hl. Geists und des Bischof Ulrich und von Laien, da der Karner vormals dem hl. Michael wie dem hl. Ulrich geweiht war.426

Der Karner von Metnitz (Gem. St. Veit a. d. Glan) wurde wahrscheinlich im 14. Jahrhundert errichtet. Der achteckige Bau ohne Strebepfeiler verfügt über einen 5/8- Chor. Unter dem Oculus befindet sich der Eingang des im Südwesten der Kirche befindlichen Karners. Über Stufen gelangt man zum Eingang des Beinhauses, vor dem sich eine steinerne Auftrittsplatte, die dem Volksglauben zufolge Unheil abwenden sollte, mit fünf eingeritzten Kreuzen befindet. Über den Fresken der Außenmauer befanden sich kleine Dächer, die jedoch als Folge der Entfernung der Fresken zur Restaurierung abgenommen wurden.427 Der Karner besitzt in alle vier Himmelsrichtungen gerichtete Fenster, wobei der gotische Chor in seinem 5/8- Schluss drei spitzbogige Langfenster aufweist. Das Dach des Karners in Metnitz ist steil aufgerichtet.428 Durch ein Fresko des Seelenwägers Michael ist ersichtlich, dass dieser bis 1616 das Patronat über den Karner innehatte. Dieses Fresko aus dem 15.

426 Vgl. ebd., S. 46. 427 Vgl. ebd., S. 160. 428 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 36f. 86

Jahrhundert ziert seit 1938 den Nordchor der Propsteikirche. Ihm folgte die heilige Katharina als Patronin des Karners.429

Eines der ältesten erhaltenen Beinhäuser in Kärnten, das jedoch nicht dem Urtyp entspricht, ist der Karner in Tigring.430 In einer Urkunde wird der Karner bei der Pfarrkirche St. Egydius erstmals 1136431 erwähnt. Seit dem 12. Jahrhundert wurden keine baulichen Veränderungen am Äußeren des Karners mehr vorgenommen.432 Am verputzten Beinhaus ist an der südöstlichen Stelle der heute vermauerte Eingang des Knochenraums mit einem kleinen Fenster, das wahrscheinlich als Lüftung diente, zu erkennen. Der Kellerraum war soweit in das Erdreich vertieft, dass der westliche Eingang zur Kapelle im Obergeschoß als ebenerdig erscheint. Die kleinen fensterähnlichen Öffnungen mit Ausnahme des Rundbogenfensters an der Apsis wurden erst später eingebaut. Die nach Osten ausgerichtete Apsis springt in einer Halbkreisform aus der Mauer des Karners hervor. Zudem wird angenommen, dass der mit einem spitzen Kegeldach ausgestattete Karner mit einer hohen Rundform nie mit malerischen Fresken geschmückt war, was eine genaue Datierung erschwert.433

Der romanische Rundkarner von Maria Saal (Klagenfurt-Land) wurde am 15. Juli 1416 im Zuge einer Jahrtagsstiftung durch das Brüderpaar Niklas und Hans Möderndorfer erstmals erwähnt.434 Gebaut wurde der zweigeschoßige Karner in Form eines Zylinders allerdings bereits im 12. Jahrhundert.435 Durch den Anbau eines zweigeschoßigen, offenen und neuneckigen Laubengangs rund um den Karner um 1500 ist der Karner in seiner Architektur einzigartig in Österreich. Anfänglich besaß das Beinhaus ein Kegeldach das später durch ein gedrücktes Glockendach ersetzt wurde. Eine Stiftung von Fresken von Kanonikus Oswald Schnelkho im Jahr 1521 befindet sich am äußeren Untergeschoß und stellt die Kreuzigung, Kreuzabnahme, Beweinung und Grablegung dar.436

429 Vgl. Wilhelm Deuer, Die kirchlichen Baudenkmäler der Marktgemeinde Maria Saal, S. 396. 430 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 26. 431 Die urkundliche Erwähnung der Weihe einer Taufkirche, infolge des erhaltenen Taufrechts lässt ebenso auf den Erhalt eines Begräbnisrechts schließen. Vgl. ders., Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten, S. 34. 432 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 104. 433 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 24. 434 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 156f. 435 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 109. 436 Vgl. Wilhelm Deuer, Die kirchlichen Baudenkmäler der Marktgemeinde Maria Saal, S. 396f. 87

Zur Gattung der gotischen Rundbauten, für die die eigentliche romanische Rundform des gotischen Karners charakteristisch ist, zählt der Karner in Globasnitz. Oft kennzeichnen auch Lanzettefenster in kleiner Form anstelle der Maßwerkfenster diese gotischen Rundbauten.437 Auf der östlichen Seite tritt die Apsis als Vorsprung in Form eines Hufeisens heraus und entspricht auch heute noch fast zur Gänze ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild.438

Der erstmals 1497 in einer Stiftung erwähnte Karner in Klagenfurt befand sich südlich der Stadthauptpfarre St. Egyid. Beim romanischen Rundkarner trat die Apsis aus dem Kernbau heraus. Durch einen Brand im Jahr 1636 wurde der Karner so stark beschädigt, dass er eingeebnet werden mussste.439

437 Vgl. Wolfgang Westerhoff, Karner in Österreich und Südtirol, S. 25f. 438 Vgl. Wilhelm Deuer/Johannes Grabmayer, Transromanica, S. 202. 439 Vgl. Wilhelm Deuer, Beiträge zur Baugeschichte der Klagenfurter Stadthauptpfarre St. Egid, in: Die Strahlen von St. Egid, hg. Franz Glaser/Markus Mairitsch (Spittal an der Drau 2008), S. 30 – 69, hier S. 40f. 88

6. Der Totentanz

6.1. Die Entstehung des Totentanzes

Zum einen soll der Totentanz auf den Reigen der Verstorbenen, die die Lebenden als Wiedergänger in ihren Bann ziehen, zurückgehen. Zum anderen geht er auf die Legende der drei Lebenden und der drei Toten zurück. In Versform findet in dieser ein Dialog zwischen den Toten und Lebenden statt, wobei die Toten die Lebenden mahnen, dass auch sie sterben müssen, während die Gemahnten über ihr Leben klagen. Auch ist das Vado-mori-Gedicht, ein Streitgespräch zwischen dem Tod und den Lebenden, ein Teil dieser Legende.440 Auf den standesunabhängigen Tod verweist indessen der dazugehörige Spruch „quod fuimus estis – quod sumus eritis“, „was wir waren, seid ihr – was wir sind, werdet ihr sein“.441 Wunderlich zufolge sind die drei Toten und die drei Edelleute insofern bedeutsam für den Totentanz, als hier zum ersten Mal ein sprechender Tod auftritt. Diese eigentlich aus dem Orient stammente Legende ist im Abendland des 14. Jahrhunderts erstmals zu finden.442

Hammerstein spricht sich jedoch trotz der Affinität gegen die Herleitung des Totentanzes von der Legende „Der drei Lebenden und drei Toten“ aus, da sich in dieser weder der Tod als Spielmann oder eine Ständereihe, noch das Sujet des Tanzes findet. Im Vado-mori-Gedicht kommen indessen eine über den Verlust des Lebens jammernde Ständereihe und der Tod in Form des Spielmanns vor. Doch auch hier fehlt die Thematik des Tanzes und das Gedicht ist nicht mit Illustrationen versehen, weshalb Hammerstein auch im Vado-mori-Gedicht nicht den Ursprung des Totentanzes sieht.443

Wunderlich zufolge ist die Vado-mori-Gattung hingegen zumindest verwandt mit dem Totentanz. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang das Werk „Der Ackermann

440 Vgl. Geiger, Totentanz, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 8 (Berlin – New York 1987), Sp. 1098. 441 Zitiert nach: Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 39. 442 Vgl. ebd., S. 38f. 443 Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 16f. 89 aus Böhmen“444, das um 1400 von Johannes von Tepl verfasst wurde. In dem bestehenden Prosatext beklagt sich der Bauer in 32 Kapiteln bei dem zuvor herbeigerufenen Tod über den Verlust seiner Frau. Das Werk endet mit dem Urteil Gottes, dem Schlussgebet des Bauern und der Einsicht über das Schicksal seiner Frau.

Höfler geht indessen nicht nur wie Wunderlich von einer Verwandtschaft der beiden Gattungen aus, sondern vertritt die These, dass das Vado-mori-Gedicht, dessen älteste schriftliche Überlieferung aus einer Sammelhandschrift in Heidelberg aus den 1440er Jahren stammt, vom Totentanz herreicht. Gemäß Höfler beginnen die bildlichen Darstellungen wie auch die schriftlichen Quellen, die die Thematik des Totentanzes behandeln, beruhend auf Forschungen als eine Folge der Pest 1348 in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Den spärlichen Überlieferungen zufolge wurde der Totentanz im 14. und 15. Jahrhundert in Frankreich und Spanien als Theaterstück aufgeführt sowie in den Kirchen getanzt.445 Zugleich wurde die Darstellung in der Abteikirche La Chaise-Dieu bereits auf 1390 und 1410 datiert, während die ältesten erhaltenen monumentalen Totentänze im deutschsprachigen Raum erst aus den 30er- und 40er Jahren des 15. Jahrhunderts stammen.446

Der Totentanz widmet sich dem Tod, der Auferstehung und ferner dem Ende der Welt. Zu einer Instrumentalisierung des Totentanzes konnte es jedoch erst durch den Armen-Seelen-Kult kommen, der wiederrum aus der Dogmatisierung des individuellen Einzelgerichts sowie des Fegefeuers 1336 durch Papst Benedikt XIII. entstand. Die Voraussetzung für den Totentanz bildete der Glaube des Volks an lebende Tote.447

444 Weiterführende Literatur: Johannes von Tepl, Der Ackermann von Böhmen, hg. von Heinz H. Menge (Göppingen 1975). 445 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 131f. 446 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 20. 447 Vgl. ebd., S. 18. 90

6.2. Charakteristika

Der Totentanz soll auf die Sterblichkeit jedes Einzelnen zu jeder Zeit hinweisen und zu einem christlichen Leben mit einer stetigen Bereitschaft für den Tod ermahnen, um somit im Tod die Gnade Gottes zu erfahren.448 Die Totentanzdarstellungen bilden dem mittelalterlichen Volksglauben nach die Geschehnisse auf dem Friedhof ab. So können die Toten den Lebenden Gefahr bringen, aber bisweilen sie auch beschützen. Um die Toten vor Dämonen und Teufeln zu bewahren, aber auch um die Lebenden vor den Toten zu schützen, war das Mobiliar des Friedhofs vonnöten.449 „Der gezeigte Vorgang ist gewissermaßen ; er findet nicht zu einem tatsächlichen, bestimmten Zeitpunkt statt, sondern immer, andauernd, weil er zeitlos ist – das Sterbenmüssen ist die immerwährende und zu jeder Zeit gültige conditio humana, die hier mit Hilfe des Tanzmotivs in Szene gesetzt und dadurch anschaulich gemacht wird. Es geht also weniger um ein konkretes, wirklich stattfindendes Geschehen als vielmehr um eine Verbildlichung des universalen Sterbevorgangs, was dem Betrachter zeigen soll, daß der Tod zu jeder Zeit gegenwärtig ist und unversehens auch für ihn selbst aktuell werden kann.“450 Die Endlichkeit des Lebens wird anhand des personifizierten Tods und der Vertreter aller Stände, von denen niemand verschont wurde, versinnbildlicht.451

Während der Tanz zwischen Kettenreigen und Paartanz variieren konnte, blieben die Vertreter der Stände stets die gleichen. Begleitet wurde der Papst, Bischof, Kardinal, Kaiser, die Kaiserin etc. vom Tod in Gestalt eines Skeletts oder als bereits verfaulter Toter.452 Die Lebenden sind mit den Attributen ihres Stands vom Bettler bis zum Papst gekennzeichnet, was die Sterblichkeit der Mitglieder aller Schichten verdeutlicht. Manchmal äffen die Toten die Lebenden nach, indem sie bereits die Insignien der Macht tragen. Die Lebenden bitten den Tod um Nachsicht, um noch eine gewisse Zeit leben zu dürfen.

448 Vgl. Susanne Warda, Memento Mori, Bild und Text in Totentänzen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (= Pitucura et Poesis, Interdisziplinäre Studien zum Verhältnis von Literatur und Kunst, Bd. 29, Köln – Weimar – Wien 2011), S. 37. 449 Vgl. Reiner Sörries, ,Kirchhof‘ oder Coemeterium?, S. 31. 450 Zitiert nach: Susanne Warda, Memento Mori, S. 36. 451 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 132 sowie Vgl. Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 37. 452 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 134. 91

Da man auf dem Friedhof den Toten am nächsten war, sah man diese Begegnung als mögliche Gefahr an, weshalb man die Toten ehrte, um ihre Macht einzuschränken.453

Der Kettenreigen als der ältere Typus war wahrscheinlich um 1400 in Frankreich verbreitet und kam im 15. Jahrhundert auch in einige Teile Deutschlands. Der Entstehungsort des jüngeren, typischerweise eher geruhsamen und in langsamen Schritten dargestellten Totentanzes in Paarform ist indessen unklar.454

Oft musiziert der Tod in den Darstellungen.455 Dies ist vor dem Hintergrund der himmlischen Liturgie zu sehen. „Diesen in der geistlichen Literatur und der Kunst des Mittelalters weit verbreiteten Vorstellungen von himmlischer Liturgie, himmlischer Musik, himmlischem Tanz und Engelspsychopompen stehen solche von einer höllischen Liturgie, höllischer Musik, teuflischem Tanz und Teufelspsychopompen gegenüber. Sie sind in allem deren Gegenteil und zugleich in kontrastierender Entsprechung doch wieder auf sie bezogen. Ihre Ausführenden sind nicht nur Teufel, sondern auch Dämonen und Monstren aller Art. Aber auch die irdischen Spielleute und ihr Tun gehören nach verbreiteter Auffassung zu dieser musikalischen Gegenwelt und werden geradezu als ministri Satanae bezeichnet und verteufelt. Charakteristische Merkmale dieser Antimusik sind Unvollkommenheit, Unordnung und Chaos, Disharmonie, aber auch verlockende Sinnlichkeit und verführerischer Reiz. Zu ihr gehören ebenso der unartikulierte Lärm, das Klagen und Heulen der Verdammten, die Geräusche der entfesselten Natur, die Unreguliertheit, aber auch, und vor allem, die extasierende Tanzmusik.“456

„Wie ihre Musik ist auch der Tanz der Teufelin mit beziehungsreichem Kontrast auf den der Engel bezogen. Er wird als ungeordnet, häßlich, wild, verrenkt, grotesk und obszön beschrieben und dargestellt. Wie der Tanz der Engel nach rechts, so führt der ihre nach links, zur Höllenseite. Und wie die Seligen von den Engeln zum Himmel, so werden die Verdammten von den Teufeln zur Hölle geleitet: die Engel mit

453 Vgl. Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, S. 46f. 454 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 134. 455 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 15. 456 Zitiert nach: Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 25. 92 den Seligen in geordnetem Zug, in tanzartiger Prozession oder im Reigen, während die Teufel ihre Opfer mit roher Gewalt mit Hilfe von Ketten, Stricken und Seilen zum Höllentor ziehen und treiben, sie umtanzen oder selbst zum <> zwingen.“457

Obwohl sich die Stellung der – als ehemals rein dem Teufel zugeordneten – Musikinstrumente im Lauf des Mittelalters änderte, wurde eine Vielzahl an Instrumenten nach wie vor als satanisch angesehen.458 „Dies gilt ausnahmslos für alle Tanzinstrumente, die zu Sünde, Wollust und Ekstase führen. Sie wurden vornehmlich unter den Namen fistula und tympanum subsumiert, Namen, die ein breites Spektrum von Instrumenten und Instrumententypen umfaßten: Flöten und Pfeifen aller Art, Schalmeien, Zink, Dudelsack und Platerspiel auf der einen, Trommeln und Pauken aller Art auf der anderen Seiten. Beide zusammen bilden ja auch das klassische Tanzensemble (Einhand-)Flöte mit Trommel. Auch Horninstrumente aller Art begegnen auf Darstellungen der bildenden Kunst in der Hand des Teufels oder seiner Trabanten, wie des höllischen Jägers Nimrod oder der Höllenwächter, letztere als gegenbildliche Entsprechung zu den himmlischen Wächterengeln oder den Weltgerichtsengeln mit ihren entsprechenden Instrumenten. Gelegentlich bedient sich der Teufel auch kanonisierter, sakraler Instrumente, wie der Cithara und der Harfe, mit denen er als simia Dei et angelorum, als <> deren Musik nachahmt, sich mit ihr maskiert, sie parodiert und pervertiert.“459

„Der Text muß aus Gründen der inhärenten Logik mit derjenigen Person beginnen, die den Reigen anführt, und da die Leserichtung von links nach rechts vorgegeben ist, muß die erste Figur dementsprechend nach links tanzen, damit sie sowohl als erstes auf dem Bild dargestellt und zugleich auch der erste Sprecher sein kann.“460 Weshalb auch von rechts nach links verlaufende Totentänze textlos sind, wie jene in Hrastovlje, Clusone und Beram. Ebenso weisen diese auch keinen Prediger auf, da dieser laut Hammerstein ohne Text überflüssig ist.461

457 Zitiert: ebd., S. 26. 458 Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 25. 459 Zitiert: ebd., S. 25. 460 Zitiert nach: Susanne Warda, Memento Mori, S. 58f. 461 Vgl. ebd., S. 58. 93

Zusammenfassend gehören zu einem Totentanz: „Ständereihe, Tanzmotiv, Auftreten des personifizierten Todes bzw. Auftauchen von wie auch immer gearteten Todesgestalten, regelmäßige Abfolge von Menschen und Todesfiguren, Didaxe und Paränese im Sinne einer Mahnung vor dem unvorbereiteten Tod und eines Aufrufs zu einem gottgefälligen Leben, Dialog, Verbindung von Bild und Text.“462

Der Einzug des Totentanzes ins Schauspiel ist unter anderem auch anhand eines in Westfalen im Zuge der Leichenwache und Beisetzungsfeierlichkeiten gespielten Totentanzes ersichtlich. Dabei tanzte eine Gruppe in Paarform um eine auserwählte Person. Durch ein Signal „starb“ diese und konnte erst durch Küsse und Auferstehungslieder wieder „auferweckt“ werden.

Die Verbindung zwischen Tod und Tanz hielt sich in weiten Teilen Europas bis ins 19. Jahrhundert.463

6.3. Der Totentanz von Hrastovlje, Beram und Metnitz – eine Gegenüberstellung

Mit der Darstellung des monumentalen Totentanzes auf den Friedhofsmauern, Beinhäusern, den Wänden der Kirchen wie auch den Friedhofskapellen der Friedhöfe, war er allen Besuchern des Friedhofs immer allgegenwärtig.464

Im Alpen-Adria-Raum kommt den wenigen noch erhaltenen Totentanzfreskos aufgrund ihrer autonomen Tradition ein besonderer Stellenwert zu.

Der älteste aus dem italienischen Bereich erhaltene Totentanz befindet sich an der Südseite der Kirchenvorhalle in Clusone und stammt aus dem 15. Jahrhundert.465

462 Zitiert: ebd., S. 38. 463 Vgl. Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 11. 464 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 10. 465 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 135. 94

Der Totentanz auf dem Karner von Metnitz ist der einzige an einem Kärntner Karner. Schon zu seiner Entstehungszeit war der Totentanz auf dem Metnitzer Karner eine Attraktion und lockte zahlreiche Besucher an.466

Alle drei Totentänze fallen in den Zeitraum des dritten Viertels des 15. Jahrhunderts.467 Die Totentänze von Hrastovlje, Beram und Metnitz weisen jeder für sich ein Spezifikum auf, weshalb sie im Folgenden näher betrachtet werden.

6.3.1. Beram

Die im 15. Jahrhundert erbaute Kirche in Škrilie bei Beram wurde 1474 im gesamten Innenraum mit Illustrationen versehen. An der Südseite des Seitenportals befindet sich eine in Latein verfasste Inschrift, auf der zu lesen steht: „Zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus, Amen, und der gesegneten Jungfrau Maria und im Namen aller Heiligen hat dies Werk die Gemeinde Beram bestellt und die Bruderschaft der Heiligen Jungfrau Maria bezahlt. Gemalt hat es Meister Vinzenz von Kastav [magister vincencius de castua] und vollendet im Monat November, am achten Tage nach St. Martin, im Jahre des Herrn 1474.“468

Ein aus zehn Paaren sowie dem Papst bestehender Totentanz verläuft über eine Wand der Marienkirche. Der Zug besteht aus dem Papst, gefolgt von den folgenden Personen: „Kardinal, ein Bischof, der König mit dem Zepter, die Königin mit einem offenen Beutel mit Goldschmuck, ein Wirt, ein nacktes Kind, ein als Krüppel dargestellter Jakobspilger, ein geharnischter Ritter und zuletzt ein Kaufmann, der direkt aus seiner Stube geholt wird. Jede der dargestellten Personen wird von einem Skelett geführt; die meisten Skelette spielen ein Musikinstrument, zwei halten die bekannten Symbole des Todes, Bogen mit Pfeil und geknickte Sense, und zwei

466 Vgl. Reiner Sörries Die Karner in Kärnten, S. 93f. 467 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 144. 468 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Meisters Vinzenz von Kastav in Beram, in: L´ art macabre 10 (= Jahrbuch der Europäischen Totentanz-Vereinigung), hg. Uli Wunderlich (Bamberg 2009), S. 189 – 197, hier S. 189. Zitiert: ebd., S. 189. 95 weitere erheben nur mit drohender Geste ihre Hände. An den komisch lebhaften Stellungen ihrer Beine sieht man deutlich, daß sie tanzen, während die Lebenden im Kontrast dazu zurückhaltend und ängstlich ihrem Ziel entgegenschreiten. Rechts, am Ziel des Zugs, erkennt man den Tod als Spielmann: Er sitzt in befremdlicher Pose, mit überkreuzten Beinen, auf dem Deckel eines Sargs (wegen der Beschädigung an dieser Stelle ist nicht genau zu erkennen, ob es sich um einen Steinsarg handelt), mit einem Kopfputz und einer langen flatternden Totenbinde, und spielt den Dudelsack.“469

Beim Totentanz von Beram fällt neben dem Sujet des Tanzes ebenso die standesunabhängige Sterblichkeit auf.470 Nur mehr teilweise erhalten sind die sich unter dem Totentanz befindlichen Illustrationen des Rads der Fortuna und des Sündenfalls. Französische Einwirkungen wie das Lilienzepter des Königs, verbinden sich in Beram mit italienischen Einflüssen, wie sie die Beschaffenheit der Skelette der Todesfiguren aufweist. Niederländischen Totentänzen ähnelt er, was die Anordnung von Kind, Wirt und Krüppel am Ende des Zugs betrifft. Der Boden des Bildreliefs ist versehen mit Pflanzen und als Hintergrundmotiv dient der Himmel.471

Bei dem von links nach rechts verlaufenden Totentanz befindet sich auf der rechten Seite die bereits erwähnte Fortuna. Mit verbundenen Augen dreht sie das Glücksrad, auf dem sich stellvertretend für jeden Stand eine Person befindet. Christus lenkt die Hand Fortunas. Die Darstellung unterstreicht unter anderem den Kerngedanken des Totentanzes: die Flüchtigkeit profaner Macht. Die Illustration des Sündenfalls auf der linken Seite stellt indessen die Ursache für das Leid und Sterben der Menschheit dar - als Hinweis auf die Folge der Sünde, den Tod.472 „Demnach zeigt der Totentanz die Allmacht und Unausweichlichkeit des Todes, während das Rad der Fortuna rechts neben der Tür veranschaulicht, wie alles Weltliche den Launen des Glücks unterworfen ist, das Glück aber dennoch vom Willen Christi geführt wird. Das Rad kann den Herrscher von ganz oben augenblicklich an das Ende der gesellschaftlichen Hierarchie oder ins Grab befördern, das sehr oft in Beram, wie

469 Zitiert: ebd., S. 135. 470 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 138. 471 Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 193. 472 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Meisters Vinzenz von Kastav in Beram, S. 191 – 196. 96 beim Meister mit den Bandrollen, darunter dargestellt wird. Die drei Szenen an der Westwand der Kirche sind inhaltlich aufeinander abgestimmt und ergänzen sich gegenseitig zu dem Leitthema der Vergänglichkeit des weltlichen Wohlstands und der Allmacht des Todes.“473

6.3.2. Hrastovlje

In etwa zur selben Zeit wie der Totentanz von Beram entstand auch jener von Hrastovlje. Errichtet wurde die Filialkirche der Heiligen Dreifaltigkeit in Hrastovlje wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und diente im 16. Jahrhundert als Wehrkirche.474 Wiederentdeckt wurden die Illustrationen allerdings erst zwischen 1949 und 1955 und danach restauriert. Anhand einer in Altkroatisch und Latein verfassten Inschrift sind der Auftraggeber Tomic Vrhovic und der Künstler Johannes von Kastav sowie die Fertigstellung der Fresken am 13. Juli 1490 überliefert.475

Der gesamte Innenraum der Kirche in Hrastovjle ist mit Darstellungen gestaltet. Der Totentanz befindet sich als ein Teil der Heilsgeschichte an der Westseite und beendet anstelle des Weltgerichts die Heilsgeschichte. Obwohl die Reihenfolge der Stände beim Totentanz von Beram und bei jenem von Hrastovlje nicht zur Gänze ident sind, ähneln sie sich durch ihren Stil und ihre Form am meisten.476 Wie auch schon beim Totentanz von Beram ist der Totentanz textlos, was vielleicht auch die Ursache für das Fehlen des Papsts – ebenso wie in Beram – sein könnte.477

Angeführt wird der Zug durch den Papst, gefolgt von König und Königin, Kardinal, Bischof, einem Mönch, einem Juristen, wie aus der Kleidung sowie der Aktentasche

473 Zitiert nach: Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Meisters Vinzenz von Kastav in Beram, S. 196. 474 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 138 sowie vgl. Leopold Kretzenbacher, Totentänze im Südosten, in: Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates (Bd. 6), hg. Max Hildeber-Boehm/Fritz Valjavec/Wilhelm Weizsäcker (München 1959), S. 125 – 152, hier S. 129. 475 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Johannes von Kastav in Hrastovlje (1490), in: L´art macabre 12 (= Jahrbuch der Europäischen Totentanz-Vereinigung), hg. Uli Wunderlich (Bamberg 2011), S. 155 – 167, hier S. 155f. 476 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 139. 477 Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 194. 97 geschlossen werden kann, einem Kaufmann, einem Edelmann, einem „Krüppel“ sowie einem Kind. Am Ende erwartet sie ein Grab mit einem in diesem befindlichen Holzkreuz, der Tod sowie eine Schaufel und ein Krampen, der in Form eines Kreuzes auf dem Boden liegt. Alles ist vorbereitet für die Bestattung. Beim Totentanz von Hrastovlje sind der Tanz und die Musik nicht vorhanden.478

Das Fehlen des Tanzes ist wahrscheinlich auf die Restauration zurückzuführen, bei der die Instrumente des Todes ausgelöscht wurden. Nun ragen die Arme des Todes in die Luft, ohne erkennbaren Sinn. Hammerstein geht davon aus, dass der Tod, wie auch in Beram und Metnitz, mit einer Trompete oder einem Horninstrument ausgestattet war.479 Vignjević hingegen deutet die Handhaltung der jeweiligen Todesfiguren in Richtung des Zugs oder zum Himmel als eine Andeutung auf Gottes Willen.480

In merklichen Augenschein tritt jedoch die Zugrichtung der Toten. Anstelle des üblichen Verlaufs von rechts nach links, sind diese von links nach rechts zu „lesen“. Ebenso ist zu bemerken, dass sie sich an der Stelle der ansonsten vorhandenen Darstellung des Weltgerichts befinden.481 Zudem sind deutsche, italienische und französische Einflüsse in Hrastovlje zu erkennen. Der Krüppel in Hrastovlje kommt dem Bettler im Heidelberger Blockbuch nahe.482

Der Totentanz erstreckt sich über 6,5 Meter, ist 70 cm breit und bildet hier neben der Schöpfungsgeschichte und der Passion Christi einen Teil der Heilsgeschichte.483 Der Jüngling mit dem Schwert in Hrastovlje entspricht, ebenso wie der Herr als „cavalier“ im Holzschnitt tituliert, dem Amoureux der Danse Macabre. Das Kind in der Wiege in Hrastovlje kommt auch in der Danse Macabre vor, wobei hier die Nacktheit den deutschen Einfluss darstellt. Einzigartig ist in Hrastovlje, dass der Tod das Kind aus der Wiege zum offenen Grab führt, wobei Kastav den französischen Gedanken aufgreift. Eine Affirmität ist mit den textlosen Schreitaufzügen auf dem Friedhof auf

478 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 139. 479Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 194. 480 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Johannes von Kastav in Hrastovlje (1490), S. 158. 481 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 140. 482 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Johannes von Kastav in Hrastovlje (1490), S. 160 – 163. 483 Vgl. Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 36. 98 zwei Holzschnitt-Bilderbögen aus Venedig, die etwa auf 1500 datiert sind, ersichtlich.484

6.3.3. Metnitz

Der Totentanz von Metnitz wurde zwischen 1968 und 1970 restauriert und musste deshalb vom gotischen Karner entfernt werden.485 Um den Sinngehalt des stark verwitterten Totentanzes zu erhalten, wurde dieser bereits im Jahr 1875 zum ersten Mal von Friedrich Lippmann kopiert.486 Heute ist etwa ein Fünftel des Totentanzes in Kopie und der damit besser erhaltene Teil an der Nordwand der Pfarrkirche zu bewundern. Als spätestes Datum für die Datierung des Metnitzer Totentanzes wird 1480 festgelegt. Der Auftraggeber ist unbekannt.487

Dieser Totentanz mit 25 Figurenpaaren ist der älteste in Österreich. Der Totentanzreigen befindet sich an der Außenwand des Karners und erklärt sich durch vierzeilige Verse unter den jeweiligen Motiven in Neuhochdeutsch, das jedoch durch das Mittelhochdeutsch beeinflusst wurde. Umrahmt wird das Bildband durch ein Ornament. Im Inneren des Karners befanden sich ursprünglich Illustrationen des Seelenwägers Michael sowie des Weltgerichts.488

Der in Reigenform gestaltete Totentanz befindet sich südöstlich der Pfarrkirche. Am Eingang sind der Anfang wie das Ende des Totentanzes zu sehen. Beide Teile beginnen bzw. enden mit einem Mönch. Mit einer Länge von ca. 50 Metern umfasst er das gesamte spätgotische, aus zwei Geschoßen bestehende Oktogon. Das 1,20 Meter breite Bildvlies beginnt mit der Prozession des Papsts und mit dem Tod auf dem Weg zum Höllenschlund.489 „Es folgen Papst, Kaiser, Kaiserin, König, Königin, Kardinal, Bischof, Herzog, Herzogin, Graf, Abt, Ritter, Jurist, Ratsherr, Chorherr, Arzt,

484 Vgl. Tomislav Vignjević, Der Totentanz des Johannes von Kastav in Hrastovlje (1490), S. 160 – 163. 485 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 144. 486 Vgl. Leopold Kretzenbacher, Totentänze im Südosten, S.131. 487 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 141 – 144. 488 Vgl. Reiner Sörries, Die Karner in Kärnten, S. 92 sowie vgl. Leopold Kretzenbacher, Totentänze im Südosten, S.131. 489 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 106 99

Edelmann, Edelfrau, Kaufmann, Äbtissin, Krüppel, Waldbruder, Jüngling, Wucherer, Jungfrau, Kirchweihmusikant, Herold, Schultheiss, Henker, Narr, Krämer, Blinder, Jude, Heide, Heidin, Koch und Bauer. Den Abschluss bilden der Sündenfall, der Maler und seine Frau sowie eine Ansicht der Dominikanerkirche.“490 Während allein beim Kind der Tod in Schwarz gehalten ist, sind die übrigen Illustrationen des Todes als halbverwest oder als Skelette mit Schädel und lediglich mit Haut überzogen dargestellt. Es scheint, als würden sämtliche Todesgestalten grinsen. Unter jedem Tanzpaar des hintergrundlosen Bildvlieses befinden sich Dialoge zwischen diesen Personen. 491

In dem Versteil zwischen dem Tod und der Nonne sagt der Tod: „sie ,dünkt sich subtil‘, das heißt, sie hält sich für etwas Besonderes. Die zitierte Passage ist ein erstes Indiz für direkt ausgesprochene Stände- bzw. Sittenkritik. Das Fehlverhalten des Kirchenfürsten kann der Betrachter ebenso wie das der Klosterfrau nicht sehen. Nur dem, der lesen kann, erschließt sich die volle Bedeutung.“492 Nur der „Krüppel“, somit die untere soziale Schicht, bekommt Hoffnung durch das Versprechen eines besseren „Lebens“ im Jenseits. Eingang in das Paradies findet er jedoch nicht.493

Fragmente einer Weltgerichtsillustration waren bis 1875 innerhalb des Karners zu sehen. Sollte es diese Darstellung bereits ursprünglich gegeben haben, stand sie in einem Zusammenhang mit dem Schweißtuch über dem Eingang und der Illustration des gefesselten Todes im Höllenrachen. Wunderlich interpretiert dies als „Trostverheißungen, die man als Hinweise auf die Überwindung der Erbsünde durch den Kreuzestod Christi interpretieren kann.“494

Der Totentanz wird auf die Zeit um 1500 datiert. Die vermerkte Jahreszahl 1546 dürfte sich nicht auf das Fresko beziehen.495 Der Kunsthistoriker Frodl datiert den Totentanz zwischen 1500 und 1510, da der Totentanz jenem 1465 in Basel gedruckten Heidelberger Totentanzblockbuch sehr stark ähnelt, vor allem die

490 Zitiert nach: Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 27. 491 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 107. 492 Zitiert nach: Uli Wunderlich, Der Tanz in den Tod, S. 29. 493 Vgl. ebd., S. 29. 494 Zitiert: ebd., S. 29. 495 Vgl. Reiner Sörries, Der monumentale Totentanz, S. 107. 100 vergleichbaren Tanzpaare.496 Daher geht man davon aus, dass der Heidelberger als Vorbild diente. Anhand der erhaltenen Teile des Totentanzes sowie des Heidelberger Totentanzblockbuchs war es möglich, 1990 eine Nachbildung des Totentanzes auf dem Karner anzufertigen. Jedoch ist beim Metnitzer Totentanz ein Tanzpaar am als auf dem Heidelberger abgebildet.

Die bereits erwähnte Eröffnung des Totentanzes durch die Darstellung eines offenen Höllenrachens ist ausschließlich bei jenem in Metnitz bekannt.497 Die Paare tanzen anstelle zum Friedhof zu diesem Höllenrachen. „Das Motiv entstammt der Gerichtsikonopgraphie. Es verbindet diesen Totentanz mit seinem ideellen Ursprung. Doch erscheint es abgemildert dadurch, daß sich im Rachen Leviathans ein Kruzifix befindet. Dies soll wohl andeuten, daß es aus der allgemeinen Verdammnis doch ein Entrinnen, eine Erlösung gibt.“498 Bei dieser Illustration tanzen der Papst, der König und die Königin mit dem Tod, wenngleich der Tanz vor dem Höllenrachen an sich schon als teuflisch angesehen wurde. Aus einem Visitationsprotokoll von 1604 geht hervor, dass diese sarkastische Darstellung auf Missmut stieß, weshalb der Höllenrachen durch eine Illustration des Jüngsten Gerichts ersetzt werden sollte. Diese bischöfliche Anordnung wurde jedoch nicht befolgt.499

496 Das dem Stand entsprechende Charakteristikum, wie z. B. Musikinstrumente und Kleidung, stimmt überein. Vgl. Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 192. 497 Vgl. Janez Höfler, Mittelalterliche Totentanzdarstellungen im Alpen-Adria-Raum, S. 1421f. 498 Zitiert nach: Reinhard Hammerstein, Tanz und Musik des Todes, S. 192. 499 Vgl. Erwin Koller, Zum Metnitzer Totentanz, in: Carinthia I 170 (1980), S. 139 – 168, hier S. 161. 101

Schlussbetrachtung

Was das Bild des „mittelalterlichen“ Friedhofs betrifft, kann abschließend festgehalten werden, dass sich der mittelalterliche Friedhof vom Früh- bis zum Spätmittelalter stetig verändert hat, so dass sich das Wissen über ihn erst im 15. Jahrhundert konkretisieren lässt. Als Folge der zweiten Christianisierungswelle wurde im 8. Jahrhundert die Bestattung bei den Kirchen vorgeschrieben und die heidnischen Gräberfelder wurden Zug um Zug zugunsten der Bestattung ad sanctos, aufgegeben.

Das Idealbild des Kirchhofes, welches jedoch nicht immer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen musste, bestand aus der Umfriedung, dem Beinbrecher, einem Karner und den Lichtquellen, wobei diese typischen Friedhofsmobiliare auch viel über die Vorstellungswelt des mittelalterlichen Menschen aussagen.

Der Tod wurde im Mittelalter „nur“ als das Ende des irdischen Daseins betrachtet, jedoch nicht als das Ende des Lebens, zumal das Leben nach dem Tod der mittelalterlichen Anschauung zufolge in verschiedenen Lebenswelten – Himmel, Hölle, Fegefeuer oder Paradies – fortgesetzt wurde. Durch die Dogmatisierung des Purgatoriums im 13. Jahrhundert war es den Verstorbenen nun möglich, durch Mess- und Seelgerätstiftungen den Qualen und Leiden des Fegefeuers – im Gegensatz zu den nie endenden Qualen in der Hölle – wieder zu entrinnen. Überlieferte Seelgerätstiftungen wie jene in Maria Saal in Form einer Lichtstiftung belegen die Sorge und Schutzfunktion sowie die gleichzeitig herrschende Angst vor den Toten.

Ebenso wie die Lichtstiftung hatte auch die Umfriedung eine Schutzfunktion vor Dämonen und Wiedergängern inne und stellte zugleich eine Rechtsgrenze des Friedhofs dar, wie sie sich im Asylrecht, das durch die Jahrhunderte Schwankungen durch Einschränkungen und Erweiterungen unterlag, widerspiegelt. Doch der Friedhof war nicht nur ein Asylort, sondern diente auch als Platz der Rechtsprechung. So sollte bei der Bahrprobe der exhumierte Leichnam eines Ermordeten durch den vermeintlichen Mörder befragt werden und zur Wahrheitsfindung beitragen. Löste eine Frage eine körperliche Reaktion aus, wurde 102 dies als Schuldzuweisung angesehen. Indessen geht auch aus den überlieferten Berichten der Bahrprobe und aus den Wiedergängerberichten hervor, wie stark der Glaube an die „lebenden“ Toten war.

Dienten die Verstorbenen zum einen als Mittel zur Rechtsfindung, wurden zum anderen aber auch Strafen an ihrem Leichnam vollzogen oder sie wurden nicht in geweihter Erde bestattet, damit sie nicht als Wiedergänger die Lebenden heimsuchten. Betroffen von dieser Sanktion waren jene Personengruppen die ein „schlechtes“ Leben geführt hatten, wie Häretiker, Selbstmörder, Ungetaufte, Leprose, Verbrecher, Fremde und Arme. Durch ihre Bestattung außerhalb des Kirchhofs war ihnen die Hoffnung auf Seelenheil verwehrt. Lediglich ungetaufte Kinder erhielten durch ihre Bestattung an der Dachtraufe, deren herabtropfendes Wasser eine nachträgliche Taufe bewirkte, Gnade. Deshalb wurden sie auch als „Traufkinder“ bezeichnet.

Ein Wandel im Bestattungsritus vollzog sich durch die Entstehung des Karners vom 8. bis zum 12. Jahrhundert und die damit verbundene Sekundärbestattung. Im Karner wurden zum einen die Gebeine verwahrt, zum anderen war er durch seinen Kultraum im Obergeschoß ein Ort des Gedenkens und der Fürbitte. Somit war er ein Gebäude für die Lebenden und die Toten, die nach der mittelalterlichen Vorstellung räumlich und zeitlich „zusammen lebten“.

Der Totentanz, wie er in Metnitz, Hrastovlje und Beram zu finden ist, versinnbildlichte auch für die illiterate Gesellschaft den Tod als eine standesunabhängige, unausweichliche Folge des Lebens und erinnerte die Lebenden daran, sich jederzeit für den Tod bereitzuhalten.

In diesem Sinne spiegelt der mittelalterliche Kirchhof die ständische Gesellschaft wider, indem er Randgruppen und Außenseiter ausgrenzte, die Oberschicht hervorhob und nur Mitglieder der Gemeinde integrierte. Der Tod bzw. das weitere Leben im Jenseits prägte das mittelalterliche Leben. Der heutige Respekt vor dem Friedhof als Ort der Ruhe war den Menschen des Mittelalters völlig fremd. Er war ein Ort des gesellschaftlichen Lebens inmitten der Toten und mit ihnen.

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Visitationsberichte, Überlieferungen von Bahrproben und Märkten etc. machen es möglich, sich ein Bild vom „mittelalterlichen Friedhof“ zu machen. Um sich heutzutage jedoch das tatsächliche Treiben, die kuriosen Rechtsprechungen und vieles mehr vorzustellen, bedarf es einer blühenden Fantasie.

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