Kärntner Landesgeschichte Von den Anfängen bis 1918

Dr. Evelyne Webernig Dr. Wilhelm Wadl Dr. Wilhelm Deuer

Bahnhofplatz 5/3, 9020 Klagenfurt, Tel.: 050 536-22872-22876 e-mail: [email protected] http://www.verwaltungsakademie.ktn.gv.at

INHALTSVERZEICHNIS

I. Grundzüge der Kärntner Landesgeschichte (Anfänge bis 1918) ...... 3 1. Vorgeschichte und Antike ...... 3 2. Karantanien. Das frühe Mittelalter bis 976...... 4 3. Das Herzogtum Kärnten im hohen Mittelalter ...... 6 4. Das Herzogtum Kärnten im späten Mittelalter ...... 8 Die ständische Epoche ...... 10 5. Landesfürstlicher Absolutismus und Zentralismus ...... 11 6. Franzosenzeit und Vormärz ...... 12 7. Vom Jahr 1848 bis zum Ende der Monarchie ...... 13

II. Grundzüge der Kärntner Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte ...... 14 Landesfürst und Stände (15.–18. Jahrhundert) ...... 16 Staatliche Landesverwaltung zur Zeit Maria Theresias ...... 17 Staatliche Landesverwaltung 1782–1849 Grundherschaft ...... 18 Die Bedeutung der Revolution des Jahres 1848 ...... 20 1848 – Beginn moderner Verwaltung ...... 21 Stadtverwaltung vor 1848 ...... 23 „Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde“ ...... 24 Staatliche Landesverwaltung 1849–1918 ...... 26 Autonome Landesverwaltung 1861–1918 ...... 27 Verfassungsformen 1918-1925 ...... 29

III. Kulturgeschichtliche Aspekte der Kärntner Landesgeschichte ...... 31 1. Spätantike und Frühmittelalter: bis zum 8. Jh. n. Chr...... 32 2. Hochmittelalter (Karolinger bis zum Ende der Spanheimer): spätes 8. Jh. – 1269 ...... 33 3. Spätmittelalter (Gotik): 1269 – ca. 1500 ...... 34 4. Frühe Neuzeit (Humanismus, Renaissance, Reformation): 16. Jh. – ca. 1629) ...... 35 5. Gegenreformation und Absolutismus (Barock und Rokoko): 17. – 3. V. 18. Jh...... 37 6. Aufklärung, Romantik und Biedermeier: 4. V. 18. Jh. – 1848 ...... 39 7. Neoabsolutismus, Liberalismus und Gründerzeit (von 1848 – 1918) ...... 41 8. Erste Republik (1918 - 1938) ...... 42 9. Nationalsozialismus (1938-1945) ...... 44 10. Zweite Republik (seit 1945) ...... 45

Grundzüge der Kärntner Landesgeschichte

I. Grundzüge der Kärntner Landesgeschichte (Anfänge bis 1918)

1. Vorgeschichte und Antike

Ca. 30.000 – Altsteinzeit bis Jungsteinzeit: älteste Spuren menschli- Ende 3. Jtsd. chen Lebens in den Tropfsteinhöhlen des Burgberges in v. Chr. Griffen

Um 2000 v. Ende der Jungsteinzeit: erste größere und feste Siedlun- Chr. gen finden sich am Maria Saaler Berg, am Kanzianiberg, am Strappelkogel/Lavanttal.

750 – 250 v. Hallstattkultur: Das große Gräberfeld mit ca. 300 Brand- Chr. gräbern von Frög bei Rosegg mit Grabbeigaben (Bleifi- guren) ist von europäischer Bedeutung.

Um 250 v. Keltische Stämme besiedeln den Ostalpenraum (Latène- Chr. – Christi kultur), überschichten die illyrische Vorbevölkerung und Geburt gründen das Königreich Noricum mit der Hauptstadt auf dem Magdalensberg.

113 v. Chr. Die nach Süden ziehenden germanischen Kimbern schlagen bei Noreia erstmals die einheimischen Noriker und ein römisches Heer.

15 v. Chr. Die Römer +besetzen das norische Königreich. Sie er- richten ihr Verwaltungszentrum unterhalb des Magda- lensberggipfels. Norisches Eisen hat Weltruf und wird nachweisbar exportiert.

Um 45 n. Noricum wird römische Provinz, Virunum auf dem Zoll- Chr. feld wird Hauptstadt und Sitz des Statthalters. Eine durchgreifende Romanisierung des Landes ist die Folge, die Höhensiedlungen werden allmählich verlassen, es folgt ein planmäßiger Ausbau des Städtewesens in Vi- runum und Teurnia.

Um 300 n. Die erste Christianisierung in Kärnten erfolgt vom Patriar- Chr. chat Aquileja aus. Virunum und Teurnia werden Bi- schofssitze; die Provinz Noricum wird unter Kaiser Di-

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okletian geteilt, Virunum wird Hauptstadt von Binnennori- cum. Es folgt der allmähliche Niedergang der provinzial- römischen Kultur und des Städtewesens.

5. Jh. Völkerwanderung; Germanenstämme fallen in Binnenno- ricum ein (West-, Ostgoten); Bischofs- und Friedhofskir- che in Teurnia (berühmter Mosaikboden). Auf dem Hem- maberg entsteht ein frühchristliches Pilgerheiligtum (rei- che Mosaike). Ende des Weströmischen Reiches (476), germanische Nachfolgereiche in Italien. Kärnten wird Grenzprovinz des Ostgotenreiches in Italien.

2. Karantanien. Das frühe Mittelalter bis 976

Ab 591 Teurnia wird 591 zum letzten Mal in einer antiken Quelle genannt. Um 600 wandern slawische Stämme in den Kärnt- ner Raum ein und gelangen im Westen bis ins Pustertal. Das Zentrum des slawischen Fürstentums entsteht auf dem Zollfeld in Karnburg.

Um 700 Der Name „Carontani“ (=die Karantanen) taucht beim „Geo- graphen von Ravenna“ auf; um 800 beim langobardischen Geschichtsschreiber Paulus Diaconus die Form „Caran- tanum“ für Kärnten.

Um 740 Der karantanische Slawenfürst Boruth ruft die Bayern unter Herzog Odilo gegen die Awaren zu Hilfe. Dies ist der Be- ginn der bayrischen, seit 788 der fränkischen Oberherr- schaft über die Karantanerslawen.

Um 757 Unter Bischof Virgil von Salzburg erfolgt die zweite und endgültige Christianisierung Karantaniens. Er schickt Missi- onare ins Land, darunter den Chorbischof Modestus. Dieser weiht u. a. die Kirchen (beim ehemaligen Vi- runum) und St. Peter im Holz (beim ehemaligen Teurnia). Das Chorbistum Maria Saal existiert bis ca. 945.

772 Herzog Tassilo III. von Bayern wirft einen Aufstand der Ka- rantanerslawen nieder.

788 Karl der Große setzt Herzog Tassilo III. ab; Bayern wird fränkische Provinz; Karantanien wird unter die Oberhoheit des Frankenreiches gestellt.

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811 Karl der Große bestimmt die Drau als Diözesangrenze zwi- schen dem Erzbistum Salzburg und dem Patriarchat Aquileja.

817 – 823 In Karantanien wird die fränkische Grafschaftsverwaltung eingeführt; die einheimischen Fürsten werden durch Reichsbeamte (Markgrafen) ersetzt.

9. Jh. Beginn der bayrischen Kolonisation und Christianisierung in Karantanien. Unter den mit Königsgut Beschenkten befindet sich auch das Bistum Freising, das schon im 9. Jh. Maria Wörth und das Gebiet zwischen Trixen und Griffen besitzt. Um 870 wird in Salzburg eine Bekehrungsgeschichte der Bayern und Karantanen abgefaßt.

876 König Karlmann überträgt seinem illegitimen Sohn Arnulf von Kärnten die Verwaltung Karantaniens. Arnulf wird 887 König des ostfränkischen Reiches, 896 Kaiser.

888 König Arnulf (von Kärnten) feiert das Weihnachtsfest in der karolingischen Pfalz zu Karnburg.

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3. Das Herzogtum Kärnten im hohen Mittelalter

976 Kärnten wird aus der Personalunion mit Bayern herausge- löst und selbständiges Herzogtum. Kärnten ist somit die äl- teste historisch-politische Individualität unter den heutigen österreichischen Bundesländern. In der zweiten Hälfte des 10. Jhs. bilden sich drei Grafschaften: Lurn in Oberkärnten, Friesach in Mittelkärnten und Jaun in Unterkärnten.

996 Bruno, der Sohn Herzog Ottos von Kärnten, wird der erste deutsche Papst Gregor V.

1007 Das Bistum Bamberg erhält reichen Besitz in Kärnten (Hof , Gebiet um Arnoldstein und Tarvis; im Lauf der Zeit wird Wolfsberg zum Sitz des bambergischen Vizedoms in Kärnten.

11. Jh. Beginn der Kärntner Klostergründungen: Nonnenstifte St. Georgen am Längsee (um 1010) und Gurk (1043), Benedikti- nerklöster Ossiach (vor 1028), Millstatt (um 1070), St. Paul (1091).

1011 – Adalbero von Eppenstein wird Kärntner Herzog und begrün- 1035 det damit erstmals eine einheimische Herzogsdynastie. Die Eppensteiner lösen die Herzöge von Kärnten aus verschie- denen bayrischen, schwäbischen und fränkischen Ge- schlechtern ab.

1072 Das Bistum Gurk wird vom Salzburger Erzbischof Gebhard errichtet, erst 1131 erhält es einen bescheidenen Diözesan- sprengel. Unter Bischof Roman I. wird ca. 1140 mit dem Bau des Gurker Domes begonnen.

1122 Die Herzogsdynastie der Eppensteiner stirbt aus. Die Steier- mark (Kärntner Mark) scheidet endgültig aus dem Verband des Herzogtums aus.

12. Jh. Romanische Kunst in Kärnten. Es folgen weitere Kloster- gründungen: Arnoldstein (Benediktiner, 1106), Eberndorf (Augustiner-Chorherren, zw. 1132 und 1149), Viktring (Zister- zienser, 1142).

1122 – Die rheinfränkischen Spanheimer betreiben als Kärntner Her- 1269 zöge erstmals eine gezielte Landespolitik. Besonders unter Herzog Bernhard II. von Spanheim (1202–1256) tritt ein Auf-

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schwung ein, das Städtewesen beginnt auf Grundlage der al- ten Märkte zu blühen, St. Veit wird Landeshauptstadt. Zu den ältesten Städten des Landes gehören noch das salzburgi- sche Friesach, das bambergische Villach, dann die landes- fürstlichen Städte Völkermarkt und Klagenfurt. Die spanhei- mische Politik richtet sich hauptsächlich gegen die territoriale Zersplitterung des Landes.

1228 Erzbischof Eberhard II. von Salzburg errichtet das Bistum La- vant mit dem Sitz in St. Andrä im Lavanttal.

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4. Das Herzogtum Kärnten im späten Mittelalter

1269 – Mit dem Spanheimer Herzog Ulrich III. von Kärnten erlischt 1276 die letzte einheimische Herzogsdynastie. Unter König Otto- kar II. von Böhmen wird Kärnten vorübergehend mit Öster- reich, der Steiermark und Krain vereinigt.

1270 Der Kärntner Ulrich von Heunburg wird von König Ottokar II. zum ersten Landeshauptmann von Kärnten ernannt.

1276 – Kärnten, zuerst dem Grafen Meinhard von Görz-Tirol unter- 1335 stellt, wird seit 1286 von den Herzögen aus dem Hause Görz-Tirol, den „Meinhardinern“, regiert.

1286 Am 1. Sept. 1286 unterzieht sich Meinhard von Görz-Tirol den Einsetzungsbräuchen auf dem Zollfeld. Der erste Bericht darüber stammt vom steirischen Reimchronisten Ottokar aus der Geul aus dem Beginn des 14. Jhs. Abt Johann von Viktring (1312–1345) wird zum bedeutendsten Geschichts- schreiber des Mittelalters in Kärnten bzw. Österreich.

1335 Kärnten fällt an das Haus Habsburg und wird mit Österreich, der Steiermark und Krain vereinigt.

1338 Herzog Albrecht II. von Österreich bestätigt und erweitert die Kärntner Landesfreiheiten. Auch die Stadtrechte von Kla- genfurt und St. Veit werden urkundlich bestätigt.

1348 Katastrophenjahr in Kärnten: Erdbeben, Bergsturz der Villa- cher Alpe, Pest

1379 Bei der habsburgischen Länderteilung kommt Kärnten an die leopoldinische Linie (Herzog Leopold III.), 1411 fällt Kärnten der steirischen Linie der Habsburger (Innerösterreich mit dem Zentrum Graz) zu.

1414 Auf dem Fürstenstein zu Karnburg findet das letzte Mal eine Herzogseinsetzung statt. Die Bräuche am Herzogstuhl auf dem Zollfeld werden noch bis 1597 (durch den Landesfürst persönlich) bzw. bis 1651 (durch einen Vertreter des Landes- fürsten) geübt. Die kirchlichen Zeremonien finden von alters her im Dom zu Maria Saal statt.

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1460 Im Frieden von Pusarnitz erwirbt Kaiser Friedrich III. den Kärntner Besitz der Grafen von Görz und der 1456 ausge- storbenen Grafen von Cilli.

1473 – Fünfmal fallen die Türken in Kärnten ein (1473, 1476, 1478, 1483 1480, 1483) und gelangen auf ihren Raubzügen weit in das Innere des Landes. Jakob Unrest (1465–1500), Pfarrer in St. Martin am Techelsberg, berichtet in seinen Chroniken (Kärnt- ner, Österreichische, Ungarische Chronik) über diese Zeit.

1478 Im Bereich der Grafschaft Ortenburg in Oberkärnten bricht unter Führung des Peter Wunderlich ein großer Bauernauf- stand aus, der sich über das ganze Land ausbreitet.

1480 – Notzeit des Landes: Die Besetzung der salzburgischen Besit- 1490 zungen in Kärnten durch ungarische Truppen führt zu schwe- ren Plünderungen. In Folge der Türken- und Ungarngefahr erfolgt der Ausbau sogenannter Wehrkirchen in Kärnten.

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Die ständische Epoche

1518 Klagenfurt wird von Kaiser Maximilian I. den Kärntner Ständen geschenkt. Diese lassen die Stadt im 16. Jh. nach Plänen des Domenico de Lalio im Stil der Renais- sance erweitern und zur Festung ausbauen. Klagenfurt wird landständische Residenz und in weiterer Folge Lan- deshauptstadt. 1574–1594 wird von den Baumeistern An- tonio Verda und Hans Freymann das Landhaus als Sym- bol ständischer Macht erbaut. Der Lindwurm, das Wap- pentier und Wahrzeichen der Stadt, wird 1590 vom Bild- hauer Ulrich Vogelsang geschaffen.

Seit 1525 Das Gedankengut der Reformation dringt in Kärnten, v. a. in die Städte, ein.

1535 Entscheidende Schwächung der salzburgischen und bam- bergischen Positionen in Kärnten.

1564 Bei der habsburgischen Länderteilung bleibt Kärnten bei In- nerösterreich. Erzherzog Karl II. empfängt am Herzogstuhl auf dem Zollfeld die Huldigung der Stände und nimmt an ei- nem großen Landtag in Klagenfurt teil.

1578 Erzherzog Karl II. gewährt dem Kärntner Adel Religionsfrei- heit und erhält dafür Hilfe gegen die Türken.

1579 – Michael Gothard Christalnick verfaßt die „Historia Carinthi- 1592 aca“ (=Geschichte Kärntens), die 1612 von Hieronymus Megiser unter dem Titel „Annales Carinthiae“ in Leipzig ge- druckt wird.

1600 In Kärnten beginnt in verstärktem Maße die landesfürstliche Gegenreformation, und zwar vorerst im Bürger- und Bau- ernstand. Die Exulantenbewegung aus Glaubensgründen setzt ein, vor allem in den süddeutschen Raum. Der Jesui- tenorden läßt sich in Klagenfurt nieder (1604–1773; Kolle- gium, Gymnasium mit Hochschulstatus, Schul- und Or- denstheater).

1628 Es erfolgt nun auch die Aufhebung der Religionsfreiheit für den Adel. Die Auswanderungswelle der Protestanten er- reicht einen Höhepunkt. Die Kärntner Stände werden dadurch entscheidend geschwächt.

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5. Landesfürstlicher Absolutismus und Zentralismus

1660 Die Erbhuldigung der Kärntner Stände für Kaiser Leopold I. wird im Landhaus zu Klagenfurt vorgenommen.

1728 Kaiser Karl VI. empfängt in Klagenfurt als letzter habsburgi- scher Herrscher die Erbhuldigung der Stände.

1732 Neue Protestantenverfolgungen führen zur Transmigration vieler Kärntner Protestanten nach Siebenbürgen.

1748 – Die zentralistischen Verwaltungsreformen Maria Theresias 1756 bringen auch in Kärnten die Kreiseinteilung (Villacher, Kla- genfurter, Völkermarkter Kreis). Die Macht der Stände ist praktisch gebrochen.

1751 Das Gebiet südlich der Drau gelangt nach Auflösung des Patriarchates Aquileja vorübergehend unter das Erzbistum Görz und dann im Zuge der josephinischen Diözesanregu- lierung 1786 an das Bistum Gurk.

1759 Der Staat erwirbt die bambergischen Besitzungen in Kärn- ten.

1781 Auf Grund des Toleranzpatentes Josephs II. bekennen sich über 14.000 Protestanten zu ihrem Glauben, es entstehen 13 sogenannte Toleranz- und acht Filialgemeinden. Die Zeit des Geheimprotestantismus ist damit zu Ende. Im gleichen Jahr wird auch die Leibeigenschaft aufgehoben. Erzherzo- gin Maria Anna, Schwester Kaiser Josephs II., übersiedelt nach Klagenfurt und lebt dort bis zu ihrem Tode 1789 in en- ger Nachbarschaft zum Elisabethinenkloster.

1782 Kärnten wird der Verwaltung in Graz unterstellt (Gubernium Graz). Die bisherige ständische Selbstverwaltung wird dadurch aufgehoben, die administrative Selbständigkeit des Landes (mit Unterbrechungen von 1790–1804) beseitigt. In Klagenfurt wird ein Appellationsgericht für Inner- und Oberösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Küstenland, Triest, Tirol und Vorarlberg) errichtet.

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1783 – Die Klöster Arnoldstein, St. Georgen am Längsee, Ossiach, 1787 Viktring, Griffen und St. Paul werden im Zuge der josephini- schen Kirchenpolitik aufgehoben. St. Paul wird 1809 von Mönchen aus St. Blasien im Schwarzwald wieder besiedelt.

6. Franzosenzeit und Vormärz

1797 – In Folge der Französischen Revolution bzw. der europäi- 1813 schen Kriege dieser Zeit kommt es zum Durchmarsch der Franzosen unter General Napoleon Bonaparte durch Kärn- ten, das damit Schauplatz der Franzosenkriege wird. Die Stadt Klagenfurt wird mehrmals von französischen Truppen besetzt. Das Land Kärnten leidet neben den kriegerischen Ereignissen auch sehr unter schweren Kriegskontributio- nen. Führer des Widerstandes ist der "Kärntner Andreas Hofer", Johann Baptist Türk, der in Maria Saal begraben liegt.

1805 Die salzburgischen Besitzungen in Kärnten werden säkula- risiert. Friesach, Althofen, Maria Saal, die Herrschaft Krapp- feld, Guttaring, Sachsenburg und Gmünd kommen an den österreichischen Staat.

1809 Im Frieden von Schönbrunn wird der Villacher Kreis an Frankreich abgetreten und somit zu einer der dem Gu- bernium in Laibach unterstellten „illyrischen Provinzen“. Der Klagenfurter Kreis wird dem Gubernium in Graz unterstellt. Die Schleifung der Befestigungsanlagen durch die 1810 ab- ziehenden Franzosen führen in Klagenfurt zum Verlust der Bauarchitektur des 16. Jhs.

1813 – Nach der Rückeroberung des Villacher Kreises 1813 ver- 1825 bleibt dieser bei den österreichischen illyrischen Provinzen (seit 1816 Königreich Illyrien). 1825 wird auch der Kla- genfurter Kreis dem Gubernium in Laibach unterstellt.

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7. Vom Jahr 1848 bis zum Ende der Monarchie

1848 – Die Revolution von 1848 findet auch in Kärnten statt. Eine 1849 eigene Nationalgarde wird aufgestellt. Der erste frei ge- wählte provisorische Kärntner Landtag spricht sich mit den Stimmen der Slowenen für ein ungeteiltes Kärnten aus. Kärnten wird wieder selbständiges Kronland mit dem Sitz der Landesregierung in Klagenfurt. Die Grundentlastung der Bauern löst die Abhängigkeit von den alten Grundherrschaf- ten. An deren Stelle treten die politischen Ortsgemeinden, die 1849/50 eingerichtet werden.

1859 Der Sitz des Bistums Lavant wird nach Marburg (heute Ma- ribor, Slowenien) verlegt. Die Kärntner Gebiete des Bistums werden dem Bistum Gurk unterstellt, dessen Diözesangren- zen sich seit damals mit den Landesgrenzen decken.

1861 Ende März 1861 wird in Kärnten der Landtag gewählt; mit der ersten Sitzung am 6. April 1861 beginnt die bis heute maßgebende Zählung der Gesetzgebungsperioden.

1918 Am 11. November 1918 erklärt die Vorläufige Landesver- sammlung in der provisorischen Landesverfassung den Bei- tritt Kärntens zum neuen Staat Deutsch-Österreich. Dr. Arthur Lemisch wird Landesverweser von Kärnten.

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II. Grundzüge der Kärntner Verfassungs- und Ver- waltungsgeschichte

Kärnten ist das am frühesten ausgebildete Land auf dem Boden des heutigen Österreich (8. Jh.: slawisches Stammesfürstentum, 9. Jh.: zeit- weiliger Mittelpunkt eines karolingischen Teilreichs („Arnulf von Kärn- ten“), 976: Trennung von Bayern und erstes Herzogtum Österreichs).

Die Macht der Kärntner Herzoge war jedoch sehr begrenzt und be- schränkte sich im Wesentlichen auf den Zentralraum (Städtedreieck St. Veit, Klagenfurt, Völkermarkt) und umliegende Burgen. Weite Teile des Landes standen unter der Herrschaft auswärtiger geistlicher Fürsten.

Erzbistum Salzburg: Stall, Sachsenburg, Gmünd, Friesach, Althofen, Hüttenberg, St. Andrä, Maria Saal Bistum Bamberg: Kanaltal, Unteres Gailtal, Villach, Feldkirchen, Grif- fen, Wolfsberg, Oberes Lavanttal In Oberkärnten herrschten die Grafen von Görz und die Grafen von Ortenburg (ab 1418: Grafen von Cilli). Erst nach dem Erbfolgekrieg, der auf das Aussterben der Grafen von Cilli folgte, gelang es Kaiser Friedrich III., ganz Oberkärnten für die Habsburger zu gewinnen (Friede von Pusarnitz 1460). In Staatsverträgen („Rezessen“) mit den Habsburgern mußten 1535 auch Salzburg und Bamberg für ihre Besit- zungen in Kärnten auf die Landeshoheit verzichten, bleiben aber Grundherren. Eine Besonderheit Kärntens ist, dass das Land schon früh ohne eige- nes, im Land selbst residierendes Herrschergeschlecht ist (Tod des letzten Herzogs aus dem Geschlecht der Spanheimer 1269). Den abwesenden Landesfürsten vertritt ab ca. 1270 der Landeshaupt- mann. Zusammen mit dem Landesverweser und dem Vizedom ver- waltet er im Auftrag des in Wien oder Graz residierenden Herzogs das Land.

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In Kärnten selbst gewinnen ab dem Spätmittelalter die Landstände zu- nehmend an Einfluss. Der Landtag gliederte sich in drei Kurien (Geistli- che, Adel, Städte und Märkte). An der Spitze der ständischen Landes- verwaltung standen das Verordnetenkollegium, der Burggraf und der Generaleinnehmer. Die Stände hoben Steuern und Zölle ein und hat- ten auch das Münzwesen in ihrer Hand.

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Landesfürst und Stände (15.–18. Jahrhundert)

Landesfürst ab 1335 Habsburger Residenz in Wien bzw. Graz

Landesvizedom Landeshauptmann Landesverweser Finanzchef vertritt den Landesfürsten Stellvertreter des LHM gegenüber den Ständen

LANDSTÄNDE Geistliche - Adel - Städte und Märkte

Ständischer Ausschuß

Generaleinnehmer Verordnetenkollegium Burggraf (ständischer Finanzchef) (ständische Regierung) (Stadthauptmann)

Im Jahre 1518 schenkte Kaiser Maximilian Klagenfurt den Landständen. Diese bau- ten die Stadt im Verlauf des 16. Jahrhunderts zu ihrer Residenz und Hauptfestung aus. Alle ständischen Behörden und Einrichtungen wurden hier angesiedelt. Dadurch erlangte Klagenfurt allmählich den Status einer Landeshauptstadt und überflügelte St. Veit, wo seit dem 14. Jahrhundert die landesfürstlichen Behörden ihren Sitz ge- habt hatten.

Im Zeitalter des Absolutismus versuchte der Landesfürst im 18. Jahrhundert, die Macht der Stände zurückzudrängen. Er entzog ihnen ihre weitreichenden Kompeten- zen im Bereich des Münzwesens und der Steuereinhebung. Es kam zur Errichtung eines staatlichen Behördenapparates auf Landes- und Bezirksebene.

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Staatliche Landesverwaltung zur Zeit Maria Theresias

Kaiser

Landeshauptmannschaft Klagenfurt

Kreisamt Kreisamt Kreisamt Villach Klagenfurt Völkermarkt

Unter Kaiser Joseph II. (1780–1790) wurden die landesfürstlichen Behörden in Kärn- ten beseitigt und das Land einer größeren Verwaltungseinheit (Gubernium) unter- stellt, deren Behörden in Graz angesiedelt waren.

Nach der Niederlage im Befreiungskrieg von 1809 wurde Oberkärnten (Villacher Kreis) ein Teil der französischen Illyrischen Provinzen und blieb auch nach dem Ende der französischen Herrschaft ein Teil des Laibacher Guberniums. Ab 1825 war ganz Kärnten diesem unterstellt. In Kärnten selbst gab es nur noch die beiden Kreisämter (= Bezirksverwaltungsbehörden) in Villach und Klagenfurt.

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Staatliche Landesverwaltung 1782–1849 Grundherrschaft

Kaiser

Gubernium 1782-1809 Graz 1809-1824: Oberkärnten bei Laibach 1825-1849: ganz Kärnten zu Laibach

Kreisamt Villach Kreisamt Klagenfurt

Von ganz wenigen Ausnahmen („Freisassen“) abgesehen waren alle Bauern Kärntens bis zum Jahr 1848 Untertanen einer Grundherrschaft. Sie waren zwar persönlich frei und besaßen seit der Zeit Maria The- resias auch schon ein Erbrecht („Kaufrecht“) an ihren Höfen, doch mußten sie dem Grundherrn als Eigentümer jährliche Abgaben in Geld und Naturalien leisten. Dazu kamen kostenlose Arbeitsleistungen („Robot“), die in Kärnten allerdings nur vereinzelt eine schwere Belas- tung darstellten. Auch bei jedem Besitzwechsel und von jeder Erb- schaft mußte der Untertan dem Grundherrn Abgaben entrichten („Eh- rung“ und „Abfahrt“). In allen Angelegenheiten des Zivilrechts (Grundbuch, Verlassenschaften, Nachbarschaftsstreitigkeiten usw.) war der Grundherr die zuständige Instanz für seine Untertanen. Auch die Strafjustizpflege befand sich - zumindest in Unterkärnten - großteils

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noch in der Hand der Grundherren, die auch zahlreiche andere öffentli- che Verwaltungsaufgaben (Steuereinhebung, Rekrutierung, Ortspoli- zei, Straßenwesen usw.) in staatlichem Auftrag wahrnahmen. Nur ganz vereinzelt erstreckten sich Grundherrschaften in Kärnten über geschlossene Gebiete. Meist waren die Bauern eines Dorfes Unterta- nen verschiedener Grundherren. Daneben hatten sie alle auch einen Zehentherren (meist, aber nicht immer eine kirchliche Institution). Oft waren Grundherrschaft und Gerichtsherrschaft getrennt, so daß die bäuerlichen Untertanen unterschiedlichsten Autoritäten ausgeliefert wa- ren.

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Die Bedeutung der Revolution des Jahres 1848

Alle demokratischen Grundrechte und Freiheiten, die in unserem Alltag heute selbstverständlich scheinen, sind im Jahr 1848 erkämpft worden. Alle maßgeblichen demokratischen Bewegungen und alle Grundzüge der Ver- fassung wurzeln in den Ideen von 1848. Auf allen politischen Ebenen kam es damals erstmals zu Wahlen. Der „Kindergarten“ der österreichischen De- mokratie war zwar mit typischen Kinderkrankheiten behaftet, aber er war trotzdem ein unverzichtbares Entwicklungsstadium. Durch die Grundentlastung und Bauernbefreiung wurden aus Untertanen gleichberechtigte Staatsbürger. Damit endete für mehr als 80% der Kärntner das Mittelalter mit seinen feudalen Abhängigkeiten und Bindun- gen eigentlich erst im Jahr 1848. Die Bauern waren fortan nicht nur un- beschränkte Eigentümer, sondern übernahmen im Rahmen der neu ge- schaffenen Gemeindeverwaltung auch die politische Herrschaft auf loka- ler Ebene. Der staatliche Absolutismus des 18. Jahrhunderts hatte für kleine Län- der verheerende Auswirkungen. Jahrzehntelang war Kärnten auf der Ebene der staatlichen Verwaltung nicht existent und wurde von Graz bzw. Laibach aus verwaltet. Nach Jahrzehnten zentralistischer Bevor- mundung erhielt Kärnten im Revolutionsjahr wieder den Status eines selbständigen Kronlandes im Verband der Habsburgermonarchie. Da- mit ist das Jahr 1848 auch ein wichtiger Einschnitt in der Geschichte des österreichischen Bundesstaates. Die Tendenz zur Zentralisierung wurde gestoppt und die Identität der historisch gewachsenen Länder blieb bis in die Gegenwart gewahrt.

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1848 – Beginn moderner Verwaltung

Grundherrschaft

Bezirkshauptmannschaft Bezirksgericht Finanzamt Gemeinden Gendarmerie

Am 24. Juli 1848 stellte der junge schlesische Abgeordnete Hans Kudlich im Reichstag den Antrag, „das Untertänigkeits-Verhältnis samt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten“ aufzuheben. Wochenlang wurde über diesen Antrag debattiert und hunderte Zusatzanträge gestellt. Die ent- scheidende Frage war, ob die Aufhebung mit einer Entschädigung für die Grundherren verbunden sein solle oder nicht. Die demokratische Linke, der wie Kudlich auch der Metnitztaler Bauer Kajetan Nagele angehörte, befür- wortete eine entschädigungslose Aufhebung. Für die Mehrheit des Reichs- tages (und der Kärntner Abgeordneten) war dies jedoch nicht vorstellbar. Der im Patent vom 7. September 1848 festgeschriebene Kompromiss be- lastete die Bauern nicht allzu sehr. Ein Drittel der Grundlastenablöse über- nahm der Staat. Auf ein weiteres Drittel mussten die Grundherren verzich- ten, weil sie in Hinkunft auch keine öffentlichen Verwaltungsaufgaben mehr übernehmen mussten. Das verbliebene bäuerliche Drittel an Grundlasten- ablöse entsprach nur noch dem Gegenwert von ungefähr 7 früheren Jah- resabgaben und konnte als Hypothek in kleinen Raten beglichen werden. Wichtig für die Zukunft vieler bäuerlicher Betriebe war, dass Servituts- rechte entschädigt werden mussten (siehe Nr. 22.17). Das Durchführungsgesetz zur Grundentlastung wurde zusammen mit der oktroyierten Reichsverfassung im März 1849 ohne Mitwirkung des Reichstages proklamiert. Im September desselben Jahres erschien die umfangreiche Kärnten betreffende Durchführungsverordnung. Die

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Durchführung selbst nahm mehrere Jahre in Anspruch, denn es muss- ten zehntausende Rechtsbeziehungen zwischen jedem einzelnen Un- tertan und seinem Grund- bzw. Zehentherrn bis ins letzte Detail ermit- telt werden. Am Ende des umständlichen Verfahrens erhielt jeder Lie- genschaftseigentümer eine Entlastungsurkunde. Das Ende der Grundherrschaft führte zwangsläufig zu einer völligen Neugestaltung der Verwaltung. Im örtlichen Bereich verwalteten sich die früheren Untertanen im Rahmen der neugeschaffenen Gemeinden nunmehr selbst. Staatliche Behörden (Bezirkshauptmannschaften, Be- zirksgerichte, Steuerämter, Gendarmerie usw.) übernahmen bisher von der Grundherrschaft wahrgenommene Aufgaben.

Die Durchführung der Grundentlastung

Ermittlungsverfahren Geldzinse Naturalabgaben Zehente usw.

Umrechnung in Geld ( Durchschnittspreise) = Grundlast

Kapitalisierung Grundlast X 20 (= 5%) = Entlastungskapital

GRUNDHERR STAAT BAUER 1/3 1/3 1/3 Verzicht Übernahme Zahlung (ganz oder in Raten)

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Stadtverwaltung vor 1848

Während die Bauern fast ausnahmslos Untertanen einer Grundherrschaft waren, haben sich die Bürger der Städte und Märkte im Verlauf des Spätmit- telalters Selbstverwaltungsrechte erkämpft. Die Bürgergemeinde verwaltete sich selbst und wählte im Idealfall ihre Funktionäre (Stadtrichter, ab dem 16. Jh. in größeren Orten auch Bürgermeister; Rat) ohne Einflussnahme durch den Stadtherrn. Neben landesfürstlichen Städten und Märkten gab es noch

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am Ende des Mittelalters auch zahlreiche Orte im Besitz geistlicher Fürsten (siehe die Karte).

„Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde“

Vor 1848 gab es in Kärnten nur in den Städten und Märkten eine kommu- nale Selbstverwaltung. An die Stelle der Grundherrschaft traten nun auch am Land Gemeinden, die 1849/50 eingerichtet wurden. Zahlreiche Kärntner Gemeinden können somit auf ein Bestandsalter von 150 Jahren zurückbli- cken. Die um 1787 geschaffenen Steuergemeinden („Katastralgemeinden“) bildeten die Grundlage für die Bildung der politischen Ortsgemeinden. Diese waren jedoch meist zu klein, um über ein genügend hohes Steuerauf- kommen zur Finanzierung der Gemeindeverwaltung zu verfügen. Daher wurden in der Regel mehrere Katastralgemeinden zu einer Ortsgemeinde zusammengefasst. Dabei ging man höchst unterschiedlich vor, so dass Großgemeinden mit mehreren tausend Einwohnern ebenso entstanden wie

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Zwerggemeinden. Erstere blieben meist nur kurzzeitig bestehen. Insbeson- dere die Vereinigung von Städten bzw. Märkten mit ländlichen Bereichen hatte im 19. Jahrhundert meist keinen langen Bestand. Das Gemeindewahlrecht wurde an die Erbringung einer Steuerleistung gebunden, wobei Personen mit hohem Steueraufkommen deutlich be- vorzugt wurden (Kurien- und Zensuswahlrecht). Daher lag die Führung der Gemeinden durchwegs in der Hand vermögenderer Gemeindebür- ger. Teilweise übernahmen ehemalige Grundherren 1850 das Amt des Bürgermeisters, zu ungefähr einem Drittel lag dieses in der Hand von größeren Bauern. Besonders bemerkenswert ist die führende Rolle von Gastwirten unter den ersten Bürgermeistern. Da es nirgends Gemein- deämter gab, bot sich eben das Dorfwirtshaus als Gemeindezentrum förmlich an. Die Demokratisierung des Wahlrechts auf Gemeindeebene erfolgte in Kärnten erst im Jahre 1920.

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Staatliche Landesverwaltung 1849–1918

Durch die Revolution des Jahres 1848 erhielt Kärnten wieder den Sta- tus eines vollwertigen Kronlandes im Verband der Habsburgermonar- chie. An der Spitze der staatlichen Landesverwaltung stand als oberster Vertreter des Kaisers der Statthalter (ab 1854: Landespräsident), der die Amtsgeschäfte der Statthalterei (ab 1854: Landesregierung) leitete. Auf der Bezirksverwaltungsebene ersetzten 7 Bezirkshauptmannschaf- ten und der autonome Magistrat Klagenfurt die bisherigen Kreisämter Villach und Klagenfurt. Die Bezirkshauptmannschaften wurden aller- dings schon 1851 wieder

Kaiser

Landespräsident

Landesregierung

Bezirkshauptmannschaften: Autonomer Magistrat Klagenfurt Spittal, Hermagor, Villach, Klagenfurt, St. Veit, Völkermarkt, Wolfsberg

aufgelöst und die politische Bezirksverwaltung mit dem Gerichtswesen vereinigt („Gemischte Bezirksämter“). Erst am Beginn der liberalen Ära (1868) setzte sich das Prinzip der Trennung von politischer Verwaltung und Justiz wieder durch, und die Bezirkshauptmannschaften wurden neu konstituiert.

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Autonome Landesverwaltung 1861–1918

Mit dem sogenannten Februarpatent des Jahres 1861 wurden die Kom- petenzen zwischen staatlicher Verwaltung und Landesverwaltung neu geregelt. Mit dem danach konstituierten Landtag beginnt noch heute die Zählung der Legislaturperioden. Bis 1918 gab es allerdings auf Lan- desebene noch ein sehr restriktives Kurien- und Zensuswahlrecht (Verteilung der Wähler auf verschiedene Gruppen; Mindeststeuerleis- tung als Voraussetzung für die Erlangung des Wahlrechts). der vom Kaiser aus dem Kreis der Landtagsabgeordneten (in der Regel aus der Kurie der Großgrundbesitzer) bestellte Landeshauptmann war zu- gleich Vorsitzender im Landtag und im Landesausschuss, dem Regie- rungsorgan der autonomen Landesverwaltung. Der Begriff „Landesaus- schuss“ bezeichnet aber zugleich den Behördenapparat, der von der staatlichen Landesverwaltung („Landesregierung“) bis 1918 streng ge- trennt war.

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LANDESAUSSCHUSS Regierungsorgan der autonomen Landesverwaltung zugleich Bezeichnung für dessen Behörde

Landeshauptmann Vorsitz im Landesausschuß Vorsitz im Landtag vom Kaiser bestellt

LANDTAG Wahlrecht nur für Besitz und Bildung Steuerzensus Gliederung nach Kurien

Großgrundbesitz Städte und Märkte Handelskammer Landgemeinden

Bischof von Gurk (Virilstimme)

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Verfassungsformen 1918-1925

Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie vollzog Kärnten am 11. November 1918 den Beitritt zum österreichischen Bundesstaat. Es kam zur fakti- schen Zusammenführung der beiden Landesverwaltungen. Dr. Arthur Lemisch, der die Funktionen des Landeshauptmannes und des Landespräsidenten in einer Person vereinigte, führte den Titel „Landesverweser“, um den provisorischen Cha- rakter seiner Amtsstellung zu charakterisieren. Die beiden Behördenkörper („Landesregierung im selbständigen Wirkungskreis“ im Landhaus und „Landesregierung mittelbare Bundesverwaltung“ im Amtsge- bäude Arnulfplatz) wurden noch bis 1925 getrennt und wurden erst danach im „Amt der Kärntner Landesregierung“ zusammengeführt und neu gegliedert.

LANDESAUSSCHUSS LANDESREGIERUNG (autonome Landesverwaltung) (staatliche Landesverwaltung)

LANDESHAUPTMANN LANDESPRÄSIDENT ab November 1918:

LANDESVERWESER (ab 1921: LANDESHAUPTMANN) LANDESRÄTE

LANDESREGIERUNG IM LANDESREGIERUNG SELBSTÄNDIGEN MITTELBARE WIRKUNGSKREIS BUNDESVERWALTUNG ab 1925:

AMT DER KÄRNTNER LANDESREGIERUNG

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III. Kulturgeschichtliche Aspekte der Kärntner Landesgeschichte

Vorbemerkung

Wenn wir als Kultur die Ausdrucksformen der menschlichen Lebensgestal- tung über die unmittelbar lebensnotwendigen Vorgänge hinaus definieren, so hatte dabei die Kunst bis in unser Jahrhundert die Aufgabe einer Sichtbarma- chung des Gotteslobes (Sakralkunst) oder bestimmter Formen herrschaftli- cher Repräsentation (profane Kunst). Heute können wir uns in einer „multi- kulturellen“ Gesellschaft selbst je nach materiellem Rückhalt und geistigem Horizont unseren eigenen Kulturraum formen; und sowohl die aktive Aus- übung der Kunst wie ihre Rezeption (wie wir sie aufnehmen) sind Mittel zur Selbstverwirklichung innerhalb eines großen individuellen Freiraumes gewor- den.

Folgende Faktoren bestimmen Charakter, Bandbreite und Qualität des Kul- tur- und Kunstschaffens in Kärnten: die Lage des Landes im Schnittpunkt der germanischen, romanischen und slawischen Kulturen, das bereits weit mehr ein Jahrtausend anhaltende Neben- und Miteinander der slowenisch- und deutschsprachigen Volksgruppe und die Vermischung ihrer Mentalitäten; Kärntens Lage als Transitland zwischen Nord und Süd; die wirtschaftlichen Ressourcen (z. B. früher Bergbau, heute Fremdenverkehr), vor allem aber die politische Struktur in ihrem steten Wechsel zwischen Individualität und Unterordnung, gemessen am Stellenwert der Nachbarregionen. Zeiten gro- ßer Aufbruchstimmung (12. Jh: Hochromanik, 16. Jh.: Renaissance) stehen längerdauernde Epochen der Provinzialisierung gegenüber (Spätgotik 15. Jh.; Spätbarock, Vormärz und Gründerzeit: 18.-19. Jh.). Wo die Hochkunst provinziell ist, hat die Volkskultur breitere Entfaltungsmög- lichkeiten: Kärnten war und ist ein Land der Volksdichtung, des Volksschau- spiels und der Volksmusik.

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Im Folgenden können – gegliedert nach den gängigen Epochen der Geistes- und Kulturgeschichte – allerdings nur die Grundlinien des Kultur- und Kunst- schaffens Kärntens angedeutet und anhand ausgewählter Beispiele illustriert werden.

1. Spätantike und Frühmittelalter: bis zum 8. Jh. n. Chr.

Schon zur Bronzezeit (1.500-900 v. Chr.) örtlicher Handel mit kunstvoll bear- beitetem Gerät (Waffen, Keramik); in der Hallstattzeit (750-250 v. Chr.) Her- stellung figürlicher Kultgegenstände (Bleifiguren von Frög). Ca. 200 v. Chr. Entstehung eines keltischen Königreiches Norikum, damals älteste Schriftdenkmäler (Würmlach/Plöckenpaß); ab der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. eine erste Stadt der Noriker am Magdalensberg mit intensiven Handelsbeziehungen zu Rom (Eisen), Tempel mit lokalen Gottheiten, erste Wandmalereien. 15 v. Chr. Okkupation und 45 n. Chr. Eingliederung Norikums als römische Provinz unter einem Statthalter; Virunum als neue Stadt und Verwaltungssitz im Zollfeld nach römischen Baugepflogenheiten (Forum, Theater); Gutshöfe, Straßennetz, Poststationen, Gräberstraßen und – bezirke (zahlreiche Grab- reliefs zeigen Romanisierung der keltisch-norischen Bevölkerung, Regiona- lismen der Tracht bleiben ), röm. Tempel und Heiligtümer, Mithräen. Mit der römischen „Globalisierung“ auch Christianisierung: 343 bestanden Bi- schofssitze in Virunum und Teurnia (St. Peter in Holz, Kirchen ergraben). Seit dem 2 Jh. zunehmende Bedrohung durch germanische Stämme, Flucht- orte auf Bergen: Hemmaberg als überregional bedeutendes Kirchen- und Pil- gerzentrum des 4.-5. Jh.; Arianer und orthodoxe Christen errichten teilweise nebeneinander Gotteshäuser, sonst zunehmende Provinzialisierung. Niederlassung von Alpenslawen seit dem späten 6. Jh. und Zerstörung der provinzialrömischen Kultur (keine politisch-kirchliche Kontinuität ins Mittelal- ter im Gegensatz zu Tirol), Hauptquellen Grabfunde und Ortsnamen, seit der Mitte des 8. Jhs. Missionierung von Salzburg aus (zweite Christianisierung); Maria Saal als kirchliches Zentrum.

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2. Hochmittelalter (von den Karolingern bis zum Ende der Spanheimer): spätes 8. Jh. – 1269

Schrittweise Eingliederung ins bayrische Stammesherzogtum, später ins Karolingerreich, erstes Missionskloster Molzbichl (sp. 8. Jh., ergraben). Chor- schranken mit Flechtwerk als typische Kirchenausstattung (viele Fragmente erhalten). Karl der Große bestimmt 811 die Drau als Grenze zwischen den Kirchenpro- vinzen Salzburg und Aquileja (bis ins 18. Jh.), Missionstätigkeit auch durch die Bistümer Freising (Maria Wörth) und Brixen; Chorbistum in Maria Saal; königliche Pfalzkirche in Karnburg. Ungarnsturm beendet im frühen 10. Jh. spätkarolingische Kultur; Neuord- nung unter den Ottonen (Herzogtum des Heiligen Römischen Reiches ab 976). Klöster tragen Schriftlichkeit (Millstatt ab ca. 1070, St. Paul ab 1091, Viktring ab 1142), Gurk und Lavant als streng abhängige Eigenbistümer des Salzbur- ger Erzbischofs; Bistum Bamberg erhält große Besitzungen in Kärnten (Lava- nttal, Kanaltal, Villach, Griffen, Feldkirchen bis 1759), geistliche Besitzungen schwächen Macht der Herzöge bis zum Beginn der Neuzeit. Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser (1075-1122) unterbricht kulturellen Aufschwung. Friesach als Nebenresidenz des Salzburger Erzbischofs mit repräsentativen Kirchen, Petersberg als Burg und Palast; St. Veit an der Glan als Hauptsitz der Spanheimer mit umgebenden Burgenkranz; erste Markt- und Städtegrün- dungen noch unter strenger Aufsicht des Stadtherrn (Spanheimer: St. Veit, Klagenfurt, Völkermarkt; Salzburg: Friesach; Bamberg: Villach) Romanische Kunst (11.-13. Jh.): Stiftskirchen von St. Paul i. L., Viktring, Kreuzgang von Millstatt, Dom zu Gurk (alles 12. Jh.); dichtes Pfarrnetz (Chorturmkirchen, Karner); Millstatt besitzt eigene Schreibschule (Skripto- rium): Millstätter Genesis um 1200 mit frühmittelhochdeutschen Texten (Bi- bel, aber auch Gebete, Segensformeln und moralisierende Abhandlungen). Kruzifixe und Marienstatuen als Ausstattungsstücke der Kirchen, erste Blüte der Wandmalereien mit byzantinischem Einfluss (Maria Wörth, St. Helena a. Wieserberg).

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Der Minnesänger Walther von der Vogelweide zeitweilig am Spanheimer Hof; die Carmina Burana, eine Sammlung weltlicher Lieder, könnte in der 1. H. 13. Jh. in Maria Saal (Kollegiatstift) entstanden sein. Latein als Gelehrten- und Urkundensprache, die urkundliche Überlieferung völlig in den Händen der Geistlichkeit, besonders der Klöster und Domstifte.

Das Interregnum (1246/50-1278) mit dem nahezu parallelen Erlöschen meh- rerer Herrscher- bzw. Fürstendynastien unterbricht die kulturelle Aufbruchs- stimmung für Jahrzehnte.

3. Spätmittelalter (Gotik): 1269 – ca. 1500

Die Grafen von Görz-Tirol (1286-1335) und die Habsburger (seit 1335) als Landesfürsten stabilisieren zunächst politische Verhältnisse; Kärnten wird Randgebiet der Politik (Provinzialisierung); Klöster dominieren weiterhin in Kunst, Kultur und als Träger der Überlieferung, die aktiveren Bettelorden in den Städten übertrumpfen die alten kontemplativen Landorden an Attraktivi- tät; Schriftlichkeit nun auch in den Städten besser entwickelt (Urkundenspra- che deutsch, zunehmend Berufsschreiber), Städte erlangen von den Stadt- herren stärkere Selbstverwaltung; Stiftungstätigkeit (Kirchen, Klöster, Spitä- ler). Pest und Kampf gegen Irrlehren bremsen kulturellen Aufschwung im 14. Jh.; ritterliches Fehdewesen, Türkeneinfälle und Naturkatastrophen treffen das 15. Jh.; Aufblühen des Wallfahrtswesens. Zwei bedeutende Geschichtsschreiber: Abt Johannes von Viktring (1312- 1345, gebildeter Universalhistoriker: Buch verbürgter Geschichten, Vertrauter der habsburgischen Landesfürsten), der Maria Saaler Chorherr Jakob Unrest (+ 1500) berichtet volksnäher und als Mitleidender über Fehden und Türken- einfälle. 1469 kaiserliche Gründung des St. Georgs Ritterordens mit Sitz in Millstatt (Anachronismus und politisch wirkungslos, aber als Kunstmäzen bedeutend). Die Gotik als neuer Kunststil aus Frankreich dominiert in Kärnten vom späten 13. bis frühen 16. Jh.; verbreitet u. a. durch die Bettelorden (Franziskaner,

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Dominikaner: z.B. Friesach, Klarissen: St. Veit), Friesach als Kunst- und Kul- turzentrum unter Propst, später Bischof Gerold 1. Dr. 14. Jh.; Wallfahrtskir- chen (Maria Saal, Maria Waitschach, Kötschach), zünftische Bauhütten (Ma- ria Saaler Steinmetzbruderschaft 1464). Neuer Reichtum der Kirchenausstattung: größte Blüte der Wandmalereien, zuerst wandernde (italienische) Werkstätten, seit dem 15. Jh. lokale Persön- lichkeiten fassbar: die Meister Friedrich und vor allem Thomas Artula von Vil- lach (Gerlamoos, Thörl). Der gotische Flügelaltar als Altarrückwand setzt sich durch (größter Bestand in Kärnten erhalten): Heiligenblut, Maria Elend, Maria Saal; blühendes Kunst- handwerk. Höhepunkt der spätgotischen Kultur (sowohl an Bauten als auch an Ausstat- tung) durch Wiederherstellungen nach den Türkeneinfällen 1473-83 ; Bartlmä Virtaler mit originellen Steinmetzformen in Kötschach und Laas; Burg Frau- enstein bei St. Veit als Musterbeispiel einer spätmittelalterlichen Burganlage. Paolo Santonino berichtet als Begleiter des Aquilejer Weihbischofs 1485-87 über Kärntner Lebensverhältnisse, die Gastlichkeit und besonders über festli- che Eßgewohnheiten. Spätgotische Kirchenkultur kommt durch Reformation bis ca. 1530 weitge- hend zum Erliegen; Wehrkirchen (besonders auf der Saualpe, z. B. Diex) als Symbole bäuerlicher Selbsthilfe gegen die Türkenbedrohung (sp. 15. – frü- hes 16. Jh.).

4. Frühe Neuzeit (Humanismus, Renaissance, Reforma- tion): 16. Jh. – ca. 1629)

Die Landesfürsten residieren weitab in Wien bzw. Graz, die Landstände (grundbesitzender Adel und hohe Geistlichkeit) neue politische Kraft im Lande und Träger der Kultur. Gabbrief Kaiser Maximilians 1518 als Ausgangspunkt des baupolitischen Konzepts einer „ständischen Residenz und Hauptstadt“ Klagenfurt, verwirk- licht ca. 1534-1591 nicht zuletzt als Ersatz für die fehlende fürstliche Resi- denz: Stadterweiterung um das ca. Siebenfache, moderne Stadtbefestigung

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nach oberitalienischer Mode, geradlinige Straßen und regelmäßige Plätze, Repräsentativbauten Landhaus (ab 1574), Bürgerspital mit Ständekirche (heute Dom, ab 1578/80) und „Collegium sapientiae et pietatis“ (evangeli- sche Hochschule, heute Burg, ab 1586). Letzte Blüte des Edelmetallbergbaues, dadurch wirtschaftlich bedeutende so- ziale Schicht der Gewerken (z.B. Putz von Kirchheimeck, Paul). Der Adel fast zur Gänze protestantisch, erreicht in den 70er Jahren landes- fürstliche Duldung; Prälaten stark verweltlicht, Tiefpunkt der klösterlichen Dis- ziplin besonders bei den Bettelorden; Gurker Bischöfe als hochgebildete Hu- manisten, doch großteils Hilflosigkeit gegenüber der Reformation; in Kla- genfurt schon vor 1552 adelige Landschaftssschule, bald auf universitärem Niveau. Neues Landesbewusstsein: Paracelsus widmet 1538 seine historischen Schriften den Landständen, darunter eine allerdings sehr fabulöse Chronik von Kärnten. Michael Gothard Christalnick verfaßt 1579-92 eine Geschichte Kärntens im Auftrag der Stände, sie wird nach dessen Tod von Hieronymus Megiser in seinem Namen gedruckt herausgegeben (Annales Carinthiae 1611/12); gleichzeitig „Landshandfeste“ als erste gedruckte Privilegiensammlung des Landes. Urban Paumgartner, Lehrer am „Collegium“, verfasst ein lateinisches Lobge- dicht auf die Landeshauptstadt (Aristeion), das erst nach seinem Exil 1605 erscheint Die Khevenhüller sind politisch und wirtschaftlich erfolgreich sowie als Bau- herren aktiv (Hochosterwitz, Wernberg, Landskron, Annabichl), geben eine Familienchronik in Auftrag (die Anfänge der Familie „veredelt“, um höheres Ansehen zu genießen), ein Exemplar um 1620 prachtvoll mit ihren Porträts und Besitzungen im Hintergrund (heute im MAK Wien). Klagenfurt erhält eine gereimte Stadtgeschichte des 16. Jh. („Reimchronik“).

Ab ca. 1530 Siegeszug der Renaissancekunst durch italienische Bauleute; die Sonderformen des oberitalienischen Festungsbaus führen in Kärnten zu

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einer bis weit ins 17. Jh. verwurzelten Vorliebe für den sog. Manierismus (Spielart der Renaissance). Adelige verlassen ihre Burgen und errichten neue Schlösser und Edelsitze oder bauen die alten um: Spittal an der Drau (Gabriel von Salamanca ab 1533); Hochosterwitz (ab 1570; programmatischer Bau, soll Opferbereit- schaft der Bauherren für die Türkenabwehr dokumentieren, obwohl wehr- technisch veraltet), Landskron, Wernberg (Khevenhüller); Hallegg, Wel- zenegg (Welzer); zahlreiche Stadtpalais in Klagenfurt und Villach (Arkaden- höfe nach italienischem Vorbild). Altartafeln, Votivbilder und Fresken zeigen protestantisches Bildgut, figürliche Grabdenkmäler (Epitaphien) als dominante künstlerische Aufgabe des selbstbewussten protestantischen Adels; reiches Kunsthandwerk im Lande hergestellt oder importiert (Friesacher Brunnen, Prunkgarnitur der Kärntner Stände im Landesmuseum) Anton Blumenthal als vorzüglicher Maler für repräsentative Aufgaben (Landhaus, Gurker Dom, Klagenfurter Ständekirche): allegorische o- der historische Programmen; auch kostbare importierte Gobelins (Khevenhüller).

5. Gegenreformation und Absolutismus (Barock und Rokoko): 17. – 3. V. 18. Jh.

Ab 1600 Ausweisung der Prädikanten (evangelische Priester) und nicht zur Rekatholisierung bereiter Bürger, Schließung der protestantischen Bethäuser durch Reformationskommissionen. 1604 übernehmen Jesuiten das Klagenfurter Bürgerspital und die Ständekir- che (heute Dom) als Kollegium, sie werden Träger der Bildung und höheren Ausbildung in Kärnten bis zu ihrer Aufhebung 1773 (Jesuitentheater, Semi- narium = Internat). Das protestantische „Collegium“ wird geschlossen, die Lehrer ausgewiesen, in das Gebäude zieht der ständische Burggraf ein (daher Burg genannt).

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Aus den selbstbewussten Landständen des 16. Jhs. werden hofabhängige Beamte und Funktionäre, die zunehmend zu Vollzugsorganen des landes- fürstlichen Absolutismus in Wien werden. Ihre Schlösser und Edelsitze (Gra- fenstein, Maria Loretto) noch lange in Formen der Renaissance und des Ma- nierismus (gleichsam ein Festhalten an der großen Zeit). Die landesfürstlichen Erbhuldigungen für Leopold I. (1660) und Karl VI. (1728) werden zu glänzenden Höhepunkten der barocken Festkultur. Mit den Reformen Maria Theresias ab 1748 wird die Macht auf die Hofstellen kon- zentriert, Kärnten wird zur nachgeordneten Provinz. Barockdichtung auf lokalem Niveau in den Klöstern (besonders Ossiach), die Stände betreiben in Klagenfurt ein eigenes Theater. Geheimprotestantismus in Teilen Kärntens seit dem 18. Jhs. wieder stärker verfolgt, ab der Jahrhun- dertmitte unter Maria Theresia Errichtung von Missionsstationen (Zedlitzdorf). Die Baukultur des 17. Jhs. wird zunächst von den Orden getragen: großar- tige Neubauprojekte im Stift St. Paul im Lavanttal, Jesuitenresidenz Ebern- dorf, Domstift Gurk. Zunächst strenge Formen des oberitalienischen Spätma- nierismus. Mit dem Gurker Hochaltar (1625-32) beginnt sich barockes römi- sches Formengut in den Kirchenausstattungen durchzusetzen. Der Schloss- und Edelsitzbau übernimmt Barockformen erst mit dem glän- zenden Aufstieg Wiens nach der erfolgreichen Türkenabwehr (1683). Um 1730 Höhepunkt der Barockkultur in Kärnten (Klagenfurter Stadtbrand 1723): Innenneugestaltung des Landhauses, Palais Goëss, Viktringer Hof; Schloss Ebenthal als kleine Adelsresidenz, Trabuschgen in Obervellach, Klosterneubauten von Viktring und Ossiach, Peraukirche Villach. Der Maler Josef Ferdinand Fromiller (1693-1760) genießt in Kärnten ein fast uneinge- schränktes Monopol für die Ausstattung von Schlössern wie Kirchen Mitte des 18. Jhs. noch eine letzte barocke Baublüte sowohl im Kirchen- wie im Schlossbau (Schlösser Ehrental und Rosegg, Wallfahrtskirche Heiligen- grab). Fast alle Kirchen erhalten in mehreren Modernisierungsschüben Barockal- täre, die Kanzel wird zu einer neuen wichtigen Bauaufgabe (Verkündigung des wahren Glaubens) der Gegenreformation (Gurk, Maria Saal). Insgesamt bleibt die Barockkultur des 17. und 18. Jh. in Kärnten auffallend provinziell.

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6. Aufklärung, Romantik und Biedermeier: 4. V. 18. Jh. – 1848

Reformen Maria Theresias und ihres Sohnes Josef II. zentralisieren die Büro- kratie (Regierung zeitweilig in Graz, nach den Napoleonischen Kriegen sogar in Laibach, starke Provinzialisierung), unterordnen die Kirche stärker staatli- chen Interessen und schränken die Stiftungstätigkeit ein, entlasten aber bäu- erliche Bevölkerung. Um Erzherzogin Marianna (ab 1769 Palaisbau in Klagenfurt bei den Elisabet- hinen vom Hofarchitekten Pacassi, 1781 bis zu ihrem Tod 1889 ansässig) entsteht gebildeter Zirkel, darunter auch Abt Anselm v. Edling von St. Paul (aufgeklärter Literat). Fürstbischof Josef II. von Gurk, Franz Anton Graf Auersperg lässt 1778-82 zu Zwischenwässern eine neue Residenz errichten, einer der bedeutendsten frühklassizistischen Schlossbauten Österreichs mit fast völlig erhaltener Ein- richtung (z. T. noch spätbarocke Illusionsmalerei). Josephinisches Staatskirchentum und Reformen: 1773 Aufhebung des Jesui- tenordens, 1783-87 Klosteraufhebungen unter Josef II. (z. B. Arnoldstein, Viktring, Griffen): beide Maßnahmen führen zu großen Verlusten an Kulturgü- tern. Pfarr- und Diözesanregulierungen verbessern gleichzeitig die Seelsorge, doch schaffen begleitende staatskirchliche Maßnahmen (z. B. Einschränkung des Wallfahrtswesens) großen Unmut in der Bevölkerung. 1781 führt das Toleranzpatent zur Gründung zahlreicher evangelischer Tole- ranzgemeinden (14.000 Personen); Bau protestantischer Bethäuser (Fresach heute Museum).

Franzosenkriege (1797-1814) bescheren Kärnten zwar hohe materielle Opfer (z.B. Sprengung der Klagenfurter Stadtbefestigung), führen aber auch zu Re- formen im geistig-kulturellen Bereich, stärken gegenüber dem Feudalsystem kritische Gesinnung (Jakobiner) und schaffen einen neuen Staatspatriotis- mus:

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1811 Gründung der literarisch-bildenden Zeitschrift (als wiss. Zeit- schrift noch heute bestehend), darin z. B. 1817 „Des Kärntners Vaterland“ (heutige Landeshymne); erstes Erwachen des slowenischen Volksbewusst- seins (Urban Jarnik 1774-1844).

Vormärz (kulturell: Biedermeier, Zeit vom Wiener Kongress bis zur Revolu- tion 1848) in Kärnten wegen eines gering verankerten Bildungsbürgertums wenig ausgeprägt (Markus Pernhart 1824-71 als bedeutsamer Landschafts- maler, auffallender Spätling); Ausnahmen: Herbertkreis (philosophische Schule um den schöngeistig veranlagten Unternehmerspross Franz de Paula Herbert, Kreis um die Familie Söllner (Besitzer von Schloss Wiesenau im La- vanttal); um die als Mäzene verdienten Viktringer Tuchgewerken Moro ent- steht eine locker zusammenhängende Malerschule. 1809 Wiederbesiedlung des Stiftes St. Paul durch oberrheinische Mönche, die sich zum Betrieb eines Gymnasiums verpflichten und aus ihrer Heimat kostbare Kulturgüter mitnehmen (heute Prunkstücke der Stiftssammlungen, z. B. Adelheidkreuz). Normierung der bäuerlichen Baukultur (Stöckltyp, Pfeilerstadl etc.). Bürgerliche Theaterkultur vor allem in Klagenfurt (Ständetheater). 1828 Gründung des Musikvereins für Kärnten, 1844 des Geschichtsvereines und 1848 des Naturwissenschaftlichen Vereines für Kärnten (Vorläufer des Landesmuseums).

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7. Neoabsolutismus, Liberalismus und Gründerzeit (vom Revolutionsjahr 1848 bis zum Ersten Welt- krieg): 1848 – 1918

Revolution 1848 schafft neue politische Ordnung (Gemeinden, Gerichtswe- sen und Verwaltung) und bewirkt Ende der feudalen Gesellschaft. Kurze re- aktionäre Phase (Neoabsolutismus) mit Rücknahme bzw. Einschränkung von Grundrechten bis 1861, danach Liberalisierung; Ausbildung der politischen Lager (Deutschnationale bzw. –liberale, Christlichsoziale regional schwach ausgeprägt, Sozialdemokratie), ethnische Polarisierung (Slowenen tendenzi- ell klerikal-konservativ); Vereinsgesetz 1867: Vereine widerspiegeln politi- sche Lager und zunehmende Mobilisierung der Volksgruppen (z. B. Deut- scher Schulverein „Südmark“ oder Tamburizzavereine). Reichsvolksschulgesetz 1869 (utraquistische Schulen in Kärnten). Das Bis- tum Gurk deckt sich erst seit 1859 mit den Landesgrenzen (Bischof Slomšek verlegt Bistum Lavant von St. Andrä nach Marburg). Träger der materiellen und geistigen Kultur wird das Bürgertum (in Kärnten ist das Bildungsbürgertum aufgrund der politischen Randlage nur schwach ausgebildet); Rückgang des Montanwesens, Industrie wenig ausgeprägt; Fremdenverkehr wird im Wörtherseegebiet seit den 80er Jahren zu wichti- gem Wirtschafts- und Kulturfaktor.

Diese „Gründerzeit“ (bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges) führt im Bau- wesen zu einer Fülle neuer kommunaler, institutionaler, aber auch individuel- ler Bauaufgaben (Denkmäler für den Bürgerfleiß): Schulen, Spitäler und Wohlfahrtseinrichtungen, Hotels, Sparkassen, Geschäftshäuser, Industrie- und Gewerbebetriebe, Villa löst den Schlossbau ab (Klagenfurt: Tarviser Straße und Kreuzbergl), Miethäuser, erste Arbeiterwohnhäuser. Renommierobjekte des Bildungsbürgertums: Landesmuseum „Rudolfi- num“ 1884, Konzerthaus 1900 (Musikverein für Kärnten 1874 neuge- gründet), Klagenfurter Jubiläums-Stadttheater 1910, Künstlerhaus 1914 (Kunstvereines für Kärnten); Sponsorentätigkeit der Sparkassen.

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Die Baukunst dominiert gegenüber der Ausstattung, Anlehnung an histori- sche Stile je nach Funktion des Gebäudes (Historismus, „Ringstraßenarchi- tektur“ nach dem Wiener Vorbild provinziell vereinfacht): Romanik und Gotik für Kirchenneubauten, Tudorgotik für Schlösser, Renaissance für Museen und Villen. Franz Baumgartner (1876-1946) prägt seit der Jahrhundertwende in Klagenfurt und den Wörtherseegemeinden eine romantisch-heimatbezo- gene Bauweise („Wörtherseearchitektur“); seit ca. 1905 lokale Auseinander- setzung mit dem Jugendstil. Adolf von Tschabuschnigg (1809-1877) als Politiker, Reformer und Literat neuer Typ des Adeligen; Vinzenz Rizzi (1816-1856) als liberaler Denker, Lite- rat und Publizist.

8. Erste Republik (1918 - 1938)

Erster Weltkrieg und Zusammenbruch des Kaiserreichs zerstören alte habsburgische Ordnung (Gott – Kaiser – Vaterland“); Belastung des dynastisch-habsburgischen „Österreich“-Begriffes, Beseitigung letzter Standesprivilegien; moderne Sozialgesetzgebung; schärfere Abgren- zung der politischen Lager. Jugoslawische Gebietsansprüche und Besetzung großer Teile Kärntens (Wurzeln der sog. der „Urangst“) aktivieren 1918-20 besonderen Landespat- riotismus („geistiger Abwehrkampf“), intensive Propagandatätigkeit des Kärntner Heimatdienstes. Bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 stimmt eine große Zahl Slowenischsprachiger für einen Verbleib des Gebie- tes beim politisch instabilen und wirtschaftlich zerrütteten Österreich. In un- mittelbarer Folge starker Rückgang des Bekenntnisses zur slowenischen Umgangssprache. Verhandlungen über eine Kulturautonomie der Kärntner Slowenen (1925-30). Volksabstimmung und Zusammenleben der beiden Volksgruppen prägt und bindet Form und Inhalte eines wesentlichen Teil des lokalen Kunst- schaffens im Lande (Josef Friedrich Perkonig; Switbert Lobisser). Vertreter nicht bodenständig gebundener Literatur: Guido Zernatto, Alexan- der Lernet-Holenia.

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Sozialer Wohnbau aufgrund der wirtschaftlichen Struktur nur in bescheide- nen Maßen (St. Ruprecht als Arbeiterstadt; Knappenberg). Im Wohn- und Repräsentationsbau Dominanz sog. „Heimatschutzarchitektur“ (traditionelle bodenständige, teilweise deutschtümelnde Formen), Franz Baumgartner prägt im Wörtherseegebiet weiterhin den Geschmack (Hotels, Villen); nur vereinzelte „Ableger“ der Wiener Hochkunst durch Villenbesitzer. 1933 Eröffnung der Landesgalerie. Switbert Lobisser als Vertreter einer konservativ-bodenständigen Gesell- schaftskunst (Volksabstimmungsfresko im Klagenfurter Landhaus 1928). Anton Kolig als Vertreter einer klassischen Moderne (gegenständlich, expres- sivere Farbgebung): Fresken mit Szenen aus dem Kärntner Volksleben in ei- nem kleinen Raum des Landhauses (1930) entfachen Skandal, der partei- und gesellschaftspolitisch entzweit. „Nötscher Kreis“ als exponierte Künstlerkolonie (Kolig, Wiegele, Isepp, Mah- ringer). Herbert Böckl als radikalerer Expressionist (Errettung des Petrus mit Zügen Lenins im Maria Saaler Dom 1928). Im Theaterwesen nennenswerte Experimente der Verbindung von Volks- schauspiel und Hochkunst (z. B. „Totentanz“ der Kärntner Landsmann- schaft). Insgesamt kulturelle Aufbruchstimmung mit erheblichen Leistungen aller- dings großteils auf lokalem Niveau im Zeichen zunehmender gesellschaftli- cher Polarisierung.

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9. Nationalsozialismus (1938-1945)

Ideologisierung und Polarisierung der Volkstumsfrage („Blut und Boden“); Gleichschaltung der Medien; Ende jeglicher künstlerischeren Freiheit („entar- tete Kunst“). Freskenzyklus im Sitzungssaal des Landhauses (Auftrag des Reichsinnenmi- nisters an Switbert Lobisser 1938) verherrlicht Anschluss (2000 abgenom- men). Sozialpolitisch großangelegte Bauprojekte als Folge von Umsiedlungsaktio- nen (Optanten): Kanaltaler und Südtiroler Siedlungen. „Arisierungen“ auch von Kulturgut (in Kärnten aufgrund des zahlenmäßig ge- ringen jüdischen Bevölkerungsanteils nicht so spektakulär wie etwa in Wien); Umsiedlung von Slowenen belastet Zusammenleben der Volksgruppen nach- haltig. Kriegsschäden vor allem in Klagenfurt, Villach, aber z.B. auch in Nötsch (Ko- lig stirbt an Spätfolgen). Umsiedleraktionen beeinflussen Kultur- und Vereinsleben bis zur Gegenwart (Gottscheer, Sudetendeutsche: Gedenkstätte für Heimatvertriebene in Gurk).

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10. Zweite Republik (seit 1945)

Wiederherstellung der Demokratie und neues Österreich-Bewusstsein (Er- fahrungen mit dem Nationalsozialismus fördern eigenstaatliches Denken); Besatzungszeit als Basis einer intensiven kulturellen Westorientierung, zu- nehmender Pluralismus und Individualismus im Kulturleben (Auswahl: 1959 Eröffnung von Minimundus, 1969 Eröffnung des Carinthischen Sommers in Ossiach, 1970 Hochschule für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, wird 1975 zur Universität, 1988 „Hemma von Gurk“ als erste – inoffizielle - Lan- desausstellung, 1996 Neubau des Kärntner Landesarchivs), anstelle der tra- ditionellen politischen Lager Polarisierung in „fortschrittlich“ und „konservativ“ z. B. am Heimatbegriff.

Volksgruppenfrage: die politische Vertretung der Slowenen zweigeteilt, 1957 Bundesgymnasium für Slowenen, 1972 Ortstafelsturm, Zusammenbruch des kommunistischen Jugoslawien verlangt Neuorientierung.

Kunstschaffen: Architektur bis in die späten 50er Jahre durch Wiederaufbau geprägt (nüch- terne zweckbedingte Formen eher traditionalistisch in Nachfolge der Heimat- schutzarchitektur), erst seit den 60er Jahren stärkerer Anschluss an internati- onale Entwicklungen; die bekanntesten Kärntner Architekten auswärts erfolg- reich (G. Domenig, V. Giencke).

Bildende Künste: das Gegenständliche bleibt dominant, stärkere Konfrontati- onsbereitschaft (Giselbert Hokes Bahnhoffresken 1949-56 entfachen Skan- dal). Bedeutende bildende Künstler: Werner Berg, Herbert Böckl, Maria Lassnig, Otto Eder (Bildhauer). Literatur vielseitig und dicht, mit außerordentlichen Glanzlichtern: Ingeborg Bachmann (1926-1973), Peter Handke (geb. 1942); starke und demonstra- tive Tendenz zum Exil; lebendige Theaterkultur (Klagenfurter Stadttheater, Studiobühne Villach). In vielen Bereichen Kärntner außerhalb des Landes erfolgreich.

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