L-G-0000666622-0002327234.Pdf
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Alexander Gallus Heimat »Weltbühne« Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte Herausgegeben von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg Band 50 Redaktion: Joachim Szodrzynski Alexander Gallus Heimat »Weltbühne« Eine Intellektuellengeschichte im 20. Jahrhundert WALLSTEIN VERLAG Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen 2012 www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond Umschlaggestaltung: Basta Werbeagentur, Steffi Riemann Titelfoto: Umschlag »Die Weltbühne« vom 1.3.1927 Druck: Hubert & Co, Göttingen ISBN (Print) 978-3-8353-1117-6 ISBN (E-Book, pdf ) 978-3-8353-2287-5 Inhalt Einleitung . 9 Vermessung des Themas . 9 Gedankenwelten und Wirkungskontexte . 23 Welcher Staat, welche Demokratie (ideelle Dimension)? . 23 Welcher Standort, welcher Status (strukturelle Dimension)? . 27 Vorgehen und Aufbau . 31 Forschungsstand und Quellenlage . 34 Weimarer Ausgangslage: Linksintellektuelle und die Geschichte der Weltbühne . 34 Zäsurübergreifende Betrachtungen: die Biografien Hillers, Eggebrechts, Schlamms und Steinigers . 44 Die Weltbühne als Heimat für heimatlose »Republikaner ohne Republik« – eine kurze politische Geschichte der Zeitschrift. 51 Weltbühnen-Sehnsucht, gescheiterte Zeitschriften-Renovatio und öffentliche Würdigung einer Weimarer Ikone nach 1945 . 62 Ein sich stets selbst treuer Ego-Dogmatiker – Kurt Hiller . 80 Frühe Jahre und Herausbildung des politischen Publizisten. 80 Aktivismus, Aristokratismus, Antidemokratismus, Antinationalsozialismus: der Weltbühne-Autor . 86 Ins Abseits der Öffentlichkeit: Marginalisierung im Exil . 108 Politische Publizistik für einen freiheitlichen Sozialismus und Adenauer-Kritik . 134 Neusozialistischer Bund, Ablehnung der Studentenbewegung und Annäherung an die SPD . 143 Fazit . 152 5 Ein für allemal ein streitbarer Linker – Axel Eggebrecht 157 Irrungen und Wirrungen des Kapp-Putschisten und Kommunisten . 157 Politisch-publizistische Sozialisation durch die Weltbühne . 162 Im Wartezustand und Halbschatten: heraufziehender Nationalsozialismus und »Drittes Reich« . 170 Eine »reale Machtposition« beim Nordwestdeutschen Rundfunk . 174 Streit beim NWDR und Rückkehr in den »freischwebenden« Zustand. 183 »Axel Eggebrecht spricht«: politische Kommentare . 195 Die zornigen alten Männer und ihr Kampf im Geist der Weltbühne . 203 Fazit . 207 Hauptsache nonkonform, ob als Kommunist, Linksintellektueller oder Konservativer – William S. Schlamm . 210 Vom Parteikommunisten zum linksunabhängigen Totalitarismuskritiker und Anhänger eines ethischen Sozialismus . 210 In der Neuen Welt: »intellektuelle Amerikanisierung« . 231 Rückkehr in die Alte Welt und an die Grenzen des Wunders: Thesen und Reaktionen. 243 Konservative Zeitkritik von der Stern-Kolumne über die Welt am Sonntag bis zur Zeitbühne . 254 Fazit . 274 Wege eines Wandlungsfähigen vom »bürgerlichen Intellektuellen« zum marxistisch-leninistischen Scholastiker – Peter Alfons Steiniger . 279 Entscheidungsjahr 1950 . 279 Zwischen Anbiederung und Verfolgung im »Dritten Reich« . 283 Autor der Weimarer Weltbühne . 290 Vom Intellektuellen zur Intelligenz . 299 Marxistisch-leninistischer Scholastiker und Kalter Krieger . 306 Ein Linientreuer im Blickfeld der Staatssicherheit . 306 Feindbild kapitalistisch-imperialistischer Westen und Bundesrepublik 312 Der Berater als Expertenintellektueller? . 320 Fazit . 326 Vier Weltbühne-Solitäre – eine Beziehungsgeschichte? . 330 6 Intellektuelle Biografien und politische Positionen zwischen den Zeiten – Bilanz und Vergleich . 339 Politisches Denken: Argumentationen und Transformationen des Staats- und Demokratieverständnisses . 339 Intellektuelles Rollenverständnis und Positionierung in einer gewandelten politischen Öffentlichkeit . 353 Quellen und Literatur . 362 Abkürzungsverzeichnis . 409 Abbildungsverzeichnis . 411 Nachwort und Dank . 413 Personenregister . 417 7 »… mein ganzes Leben wurde durch die damals gemachten Erfahrungen be- stimmt. Die WELTBÜHNE wurde meine geistige Heimat. Jungen Schriftstel- lern von heute wünsche ich eine ähnliche; doch mir schwant, dass es die nicht gibt.« Axel Eggebrecht (1979) Einleitung Medias in res: Diese Arbeit handelt vom Staats- und Demokratiedenken ausge- wählter Autoren oder Redakteure der Weimarer Weltbühne. Sie verharrt nicht in den Jahren zwischen 1918 und 1933, sondern fragt auch nach dem geistigen Erbe dieser Linksintellektuellen, nach ihren Lebenswegen in wendungsreichen Zei- ten, nach ihrer politischen sowie publizistischen Positionierung während des »Dritten Reichs«, im Exil und nicht zuletzt im geteilten Deutschland. Den Wandlungsprozessen oder Beharrungskräften von intellektuellen Vorstellungs- welten und politischer Öffentlichkeit zwischen den Zeiten von den zwanziger bis in die siebziger Jahre hinein gilt die besondere Aufmerksamkeit. Die Prota- gonisten heißen: Axel Eggebrecht, Kurt Hiller, William Siegmund Schlamm und Peter Alfons Steiniger. Die vier verband ein politisch-publizistisches Erwe- ckungserlebnis durch die alte Weltbühne, die sie als eine geistige Heimat begrif- fen, deren Verlust sie melancholisch stimmte und die sie mitunter kämpferisch wiederbeleben wollten. Ihre unterschiedlich sich entwickelnden, eigenwilligen, manchmal exzentrischen Biografien dienen als Sonden, um Facetten einer Intel- lektuellengeschichte im 20. Jahrhundert angesichts ganz verschiedener politi- scher Systeme und lebensweltlicher Hintergründe auszuleuchten. Die Wahl und Vermessung des Themas gilt es nun näher zu erläutern. Vermessung des Themas Das Leiden der Weimarer Republik an institutionellen Strukturdefekten hilft zu erklären, weshalb der ersten deutschen Demokratie kein Erfolg beschieden war. Doch bedarf eine solche Sichtweise der Ergänzung. Schon in seiner »klassisch« zu nennenden Studie von 1955 über die Auflösung der Weimarer Republik wies Karl Dietrich Bracher darauf hin, dass zu den tief verwurzelten Schwächen Wei- mars nicht nur eine labile Machtstruktur, sondern auch eine labile Bewusstseins- struktur gehörte.1 Bereits Zeitgenossen der Jahre 1918 bis 1933 sprachen von einer »Republik ohne Republikaner«. Es gelang den die Republik tragenden oder sie zumindest nicht grundsätzlich ablehnenden Kräften nur in unzureichendem Maße, ein Demokratie und Republik geneigtes Meinungsklima zu schaffen. Umgekehrt genügt es nicht, die »Erfolgsgeschichte« der Bundesrepublik allein mit der Errichtung einer neuen Institutionenordnung zu erklären.2 Auch hier 1 Vgl. Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, 5. Aufl., Düsseldorf 1978. Fragen der Machtstruktur durchziehen die gesamte Studie Brachers, Probleme des politischen Be- wusstseins behandelt er vor allem im sechsten Kapitel. 2 Vgl. die aktuellen Darstellungen von Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Ge- schichte der Bundesrepublik von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006; so- wie Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik 9 einleitung müssen Perspektiven einer »intellectual history« und der politischen Kulturge- schichte ergänzt werden. Dazu gehört es beispielsweise, die Herausbildung eines »Verfassungspatriotismus« zu erklären,3 der zu Weimars Zeiten so gut wie gar nicht existierte.4 Der Mangel an politischer Konsensstiftung und an innerem Zuspruch zum Weimarer Staatsgebilde, das vielfach als »System« geschmäht wurde, war eklatant. Letztlich bestimmten nicht allein strukturelle Zwänge den Ablauf der Weimarer Geschichte, sie lag auch in der Verantwortung des Han- delns und Denkens einzelner Personen. Zugespitzt heißt es bei Hagen Schulze: »Bevölkerung, Gruppen, Parteien und einzelne Verantwortliche haben das Ex- periment Weimar scheitern lassen, weil sie falsch dachten und deshalb falsch handelten.«5 Die Weimarer Republik ist das Resultat eines Systemwechsels von einer au- toritär-monarchischen zu einer demokratisch-republikanischen Staatsform. Eine solche Transition besitzt verschiedene Stufen: erstens die Institutionalisie- rung der neuen Verfassungsordnung, zweitens die konstitutionelle und reprä- sentative Konsolidierung sowie drittens die auf einem tiefgreifenden politisch- ideologischen Wandel beruhende Verhaltenskonsolidierung.6 Die ersten beiden Komponenten wurden von der Weimarer Republik erfüllt, wenn auch teilweise mehr schlecht als recht. Die Verwirklichung des dritten Aspekts, der erst den längerfristigen Erfolg einer gesamtstaatlichen Demokratisierung im Übergang von einem autoritären zu einem demokratischen politischen System ausmacht, scheiterte – anders als im Falle der zweiten deutschen Demokratie – ungeachtet des Engagements mancher »Vernunftrepublikaner«7 und ganz weniger »Her- zensdemokraten« auf der ganzen Linie. Der politisch-ideologische Wandel ver- lief nicht dergestalt, dass damit eine breite Akzeptanz der neuen Ordnung, ihrer Prozeduren, Spielregeln und normativen Grundlagen als »the only game in Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, Berlin 2009; auch Axel Schildt/Detlef Sieg- fried, Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart, München 2009. 3 Vgl. Jan-Werner Müller, Verfassungspatriotismus, Berlin 2010. 4 Vgl. Detlef Lehnert, Desintegration durch Verfassung? – oder wie die Verfassung der Nationalversammlung von 1919 als Desintegrationsfaktor der Weimarer Republik inter-