Hessische Landeszentrale für politische Bildung

Blickpunkt Hessen

Walter Mühlhausen

Georg August Zinn – Baumeister des modernen Hessen

Nr. 21 / 2016 – Baumeister des modernen Hessen Verfasser:

PROF. DR. WALTER MÜHLHAUSEN (geb. 1956 in Eichenberg/Nordhessen), Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenk- stätte in Heidelberg. Er lehrt nebenberufl ich als apl. Professor an der Technischen Uni- versität und ist unter anderem Mitglied der Kommission für Politische und Parlamentarische Geschichte des Landes Hessen beim Hessischen Landtag. Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der HLZ dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autoren die Verantwortung.

Blickpunkt Hessen In dieser Reihe werden gesellschaftspolitische Themen als Kurzinformationen aufgegriffen. Zur Themenpalette gehören Portraits bedeutender hessischer Persönlichkeiten, hessische Geschichte sowie die Entwicklung von Politik und Kultur. Die Schriftenreihe „Blickpunkt Hessen“ erscheint als Eigenpublikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Taunusstraße 4–6, 65183 Wiesbaden

Herausgeberin: Angelika Röming Gestaltung: G·S Grafi k & Satz GbR, Wiesbaden, www.grafi ksatz.de Druck: dinges und frick GmbH, 65199 Wiesbaden Erscheinungsdatum: Juli 2016 Aufl age: 4.000 ISSN: 1612-0825 ISBN: 978-3-943192-32-2

Bildnachweis: Archiv des Hessischen Landtags (Wiesbaden): Seite 24 Hessisches Hauptstaatsarchiv (Wiesbaden): Seite 23 Foto Rudolph (Wiesbaden)/Hessisches Hauptstaatsarchiv (Wiesbaden): Seite 4 Friedrich-Ebert-Stiftung, Archiv der sozialen Demokratie (Bonn): Umschlag und alle anderen Georg August Zinn – Baumeister des modernen Hessen

1. Weichenstellung in die Ära Zinn Am 6. Dezember 1950 versammel- ten sich die Spitzengremien der hessischen SPD, die Mitglieder der neu gewählten Landtags- fraktion und die Vorstände der beiden Parteibezirke Nord und Süd, zur Nominierung des Minister- präsidenten. Es konnte nach dem Sieg der SPD bei den Landtags- wahlen am 19. November eigent- lich kaum Zweifel geben, dass der seit Dezember 1946 amtierende Ministerpräsident (SPD) auch der neue sein würde. Doch der nunmehr 66-jährige Amtsinhaber, ein alter Haudegen der Arbeiterbewegung, der in der Sozialdemokratie des Kaiser- reiches groß geworden war und die alte SPD aus der Zeit vor 1933 ver- körperte, unterlag überraschend auf dem sogenannten „Kleinen Landes- parteitag“ mit 47 gegen 42 Stimmen seinem ehemaligen Justizminister Georg August Zinn.1 Für Zinn hatte sich neben den Parteigrößen aus Zinn 1958. Nordhessen vor allem der bundes- deutsche SPD-Vorstand stark ge- macht, der den agilen Bundestags- zeit prägte dauerhaft politische abgeordneten als dynamischen Kultur und Struktur Hessens, das Modernisierer an der Spitze zeitgenössisch mit seinem Namen einer nunmehr möglichen Allein- und seiner Partei in Verbindung ge- regierung favorisierte. Die Weichen bracht wurde. Kaum ein anderes waren gestellt – für einen langen Bundesland wurde in dieser Zeit so Zeitraum. Denn Zinn regierte für mit einer Person und seiner Partei 19 Jahre bis zu seinem krankheits- identifi ziert wie das Land zwischen bedingten Rücktritt im Oktober Werra und Neckar mit Zinn und der 1969. Seine Ministerpräsidenten- SPD.

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 1 2. Der Weg des Köpfe. Im Stadtparlament erlebte er den Radau der vier NSDAP-Ab- Sozialdemokraten geordneten unter ihrem Wortführer Roland Freisler, der ab 1942 als Georg August Zinn stand für eine Präsident des schändlichen „Volks- neue Generation von sozialdemo- gerichtshofes“ oberster Scherge kratischen Parteiführern, denen der nationalsozialistischen Diktatur nicht der Makel des Scheiterns werden sollte. der Weimarer Republik anhaftete, auch wenn der Jurist sich gegen Nach der Machtergreifung Hitlers Ende der ersten deutschen Demo- verteidigte der Rechtsanwalt Zinn kratie als Stadtverordneter in Gegner und Verfolgte des National- Kassel von 1929 bis 1933 seine sozialismus, geriet als ehemaliger ersten politischen Sporen verdient prominenter Sozialdemokrat ins hatte. Geboren am 27. Mai 1901 in Visier des Unrechts und wurde als Sohn des Ingenieurs 1933 vorübergehend in „Schutz- Conrad Zinn und seiner Ehefrau haft“ genommen. Sein jüngerer Marie, erlebte er, bedingt durch ver- Bruder Karl wurde als aktiver Wider- schiedene Anstellungen des Vaters, standskämpfer 1933 zu einer mehr- die Schulzeit an verschiedenen jährigen Haft verurteilt. Georg Orten quer durch Deutschland, ehe August Zinn, seit 1926 mit Meta seine Familie 1918 in die preußische Sturm verheiratet, hielt Kontakt zu Provinzhauptstadt Kassel kam, oppositionellen Kreisen. Im Zweiten wo der Bürgersohn aus national- Weltkrieg wurde er zum Front- liberalem Hause wohl schon im dienst eingezogen und geriet in August 1919 mit 18 Jahren, noch vor amerikanische Kriegsgefangen- dem Abitur, in die SPD eintrat. Be- schaft, aus der er Mitte Juni 1945 dingt durch den frühen Tod seines entlassen wurde. Vaters im Mai 1920 musste Zinn, der zwei Monate zuvor die Reifeprüfung Zurück in Kassel, wollte er am abgelegt hatte, den Wunsch nach Neuaufbau der Demokratie mit- einem Studium zurückstellen. Er wirken. Als bekannter Gegner der absolvierte eine Ausbildung zum Nationalsozialisten wurde er im Kommunalbeamten bei der Stadt- Oktober dort Landgerichtsdirektor. verwaltung Kassel, wo der Republik- Aber nur für kurze Zeit, denn die gründer Philipp Scheidemann als amerikanische Militärregierung des Oberbürgermeister amtierte, und am 19. September 1945 neu ge- studierte, nachdem er sich vom gründeten Landes „Groß-Hessen“ Dienst bei der Stadt hatte be- (ab Dezember 1946 „Hessen“) er- urlauben lassen, in Göttingen und nannte ihn zum Justizminister in Berlin Jura. Nach dem zweiten der aus Vertretern aller Parteien be- juristischen Staatsexamen ließ stehenden ersten Landesregierung er sich 1931 als Rechtsanwalt in unter dem parteilosen Minister- Kassel nieder, wo er sich führend präsidenten . Auch in der in der SPD und republikanischen Nachfolgeregierung unter Christian Organisationen engagierte. Im Stock und von 1951 bis 1963 – in November 1929 zum Stadtver- Personalunion mit dem Amt des ordneten gewählt, profi lierte sich Ministerpräsidenten – bekleidete Zinn, jüngster der 21-köpfi gen SPD- er diesen Posten. Die ersten Jahre Fraktion, als einer ihrer aktivsten bis zu seiner Wahl in den Bundes-

2 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn tag 1949 waren geprägt von der als einer der führenden Männer im Notwendigkeit des Aufbaus einer Parlamentarischen Rat einen Namen demokratischen Justiz, der Rück- als Schöpfer des bundesrepublika- kehr zur Rechtsstaatlichkeit und den nischen Grundgesetzes. Bereits Erfordernissen einer gerechten Ent- zur Hessischen Verfassung hatte nazifi zierung, also der Frage, wie die Zinn, der einer im März 1946 ge- Nationalsozialisten zur Rechenschaft bildeten regierungsoffi ziellen vor- für ihre Mitschuld an der Diktatur bereitenden Verfassungskom mis- gezogen werden sollten. Trotz der sion angehörte, gemeinsam mit desolaten Ausgangslage erwarb seinem Ministerialdirektor Adolf sich der Justizminister in seinen ins- Arndt einen wegweisenden Ent- gesamt 17 Amtsjahren einen Ruf als wurf präsentiert, der von rechts- Macher und gilt als Gestalter der staatlichem und sozialstaatlichem hessischen Nachkriegsjustiz. Gedankengut durchdrungen und Auch über Hessen hinaus wurde Leitfaden für die sozialdemo- er bekannt. Im Juni 1947 wurde kratische Verfassungspolitik war. er Mitglied des Wirtschaftsrates Zwar war er als Minister nicht des britisch-amerikanischen Be- direkt in die Beratungen um die satzungsgebietes und sogleich zum am 1. Dezember 1946 im Volksent- Vizepräsidenten gewählt. Da die Be- scheid angenommene Landesver- satzungsmächte Ministeramt und fassung involviert, doch zwei Jahre Mandat für unvereinbar erklärten, später nominierte ihn der Land- entschied sich Zinn im August 1947 tag als einen von sechs Vertretern für die Landespolitik. Der Staats- für den Parlamentarischen Rat in rechtler machte sich dann 1948/49 Bonn. Hier trat er besonders bei

Im Parlamentarischen Rat 1949: Georg August Zinn (l.) neben Carlo Schmid (SPD) und (CDU).

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 3 der Formulierung der Grundrechte 3. Konstante hervor und fungierte in den oftmals vor dem Scheitern stehenden Ver- Regierungen handlungen als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Positionen. Am 14. Dezember 1950 bestimmte Als Mitglied des dreiköpfi gen All- der Landtag Georg August Zinn gemeinen Redaktionsausschusses zum Ministerpräsidenten. Seine neben (FDP) und Wahl markierte einen Einschnitt in dem Hessen der hessischen Geschichte. Obwohl (CDU) war er letztlich für den die SPD bei den Landtagswahlen im Gesamtentwurf verantwortlich. November 1950 nur 44,4 Prozent er- zielt hatte, reichte das aufgrund des Auch durch seine herausragende nach einer Verfassungsänderung Mitarbeit am Grundgesetz empfahl eingeführten kombinierten Verhält- er sich für den ersten deutschen nis- und Mehrheitswahlsystems zur . Bei den Bundestags- Parlamentsmehrheit mit 47 von ins- wahlen am 14. August 1949 gewann gesamt 80 Mandaten. er das Direktmandat in seinem Kasseler Wahlkreis. Er schied zum Die hessische SPD, die seit Grün- 1. November als Justizminister aus dung des Landes mit am Kabi- der Landesregierung aus, sollte nettstisch saß, konnte nun allein aber schon ein Jahr später nach regieren. Die seit 1946 bestehende Hessen zurückkehren. SPD/CDU-Koalition, die in den Reihen der beiden Partner zu- sehends an Akzeptanz verloren hatte, wurde für beendet erklärt. Mit der Alleinregierung der SPD

Auftakt zur Ära Zinn: nach seiner Wahl am 14. Dezember 1950 bei der Ansprache im Hessischen Landtag.

4 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn war es nach den nächsten Land- folgenden Kabinetten, die frei tagswahlen im November 1954 von großen Affären blieben, be- vorbei, denn nach einer Revision wegten sich im normalen Rahmen. des Wahlrechts reichten der SPD Zinn holte auch Nicht-Hessen, ihre 42,6 Prozent nicht mehr für darunter die beiden Kultusminister eine Mehrheit. Mit 44 von nunmehr Arno Hennig (1953 – 1959) und 96 Mandaten war sie auf einen Ernst Schütte (1959 – 1969) sowie Koalitionspartner angewiesen. In Heinrich Hemsath als Sozialminister diese Rolle schlüpfte der Gesamt- (1959 – 1969) nach Wiesbaden, die deutsche Block/Bund der Heimat- als „Zinn-Soldaten“2 für Furore vertriebenen (GB/BHE). Dieser sorgten. Kontinuität bestimmte hatte sich im August 1950 als auch die Spitze der Staatskanzlei: politische Partei der Vertriebenen Mit Hermann Bach (bis 1963), Willi (zunächst als BHE) gegründet und Brundert, der allerdings 1964 schon war bei den Wahlen 1950 über eine nach einem Jahr als Oberbürger- gemeinsame Liste mit der FDP meister in den Frankfurter Römer in den Landtag eingezogen, wo wechselte, und man eine eigene Fraktion bildete, standen Zinn in 19 Jahren nur drei die in zahlreichen Fragen mit der Chefs der Staatskanzlei in Wies- Regierung zusammenarbeitete und badens Bierstadter Straße zur Seite, auch mit Posten im Bereich der die zur eigentlichen Politikschmiede staatlichen Flüchtlingsbetreuung wurde und wo Zinn, umgeben von bedacht wurde. Zinns Coup, den einem kleinen effektiv arbeitenden GB/BHE 1955 an den Kabinetts- Beraterstab, den Takt angab. tisch zu holen, gelang nicht zuletzt Über die direkte Einbindung auch, weil er dem Partner über- der Interessen von Flüchtlingen proportional zum Wahlergeb- und Vertriebenen durch einen nis zwei der sechs Ministerien pragmatischen und verlässlichen reservierte: das Landwirtschafts- GB/BHE, der im Gegensatz zu ministerium mit dem Sudeten- anderen Landesverbänden weit- deutschen Gustav Hacker im Chef- gehend auf nationale Töne ver- sessel und das Ministerium für zichtete, wurde die Integration Arbeit, Wirtschaft und Verkehr, das der Neubürger befördert. Aus der BHE-Landesvorsitzende Gott- dem Bündnis der ältesten und der hard Franke übernahm. jüngsten Partei der deutschen Am 17. Dezember 1954 mit 51 Ja- Geschichte entwickelte sich in Stimmen, gegen 21 Nein-Stimmen Hessen eine stabile Regierung, bei 22 Enthaltungen der CDU er- die nach den nächsten Landtags- neut gewählt, stellte sich Zinn eine wahlen 1958 fortgesetzt wurde. junge Regierungsmannschaft zu- Der nahezu konstante GB/BHE (7,4 sammen: Das Durchschnittsalter, %) blieb seinem Koalitionspartner das 1951 noch bei 57 Jahren ge- SPD (46,9 %) treu, was die SPD legen hatte, betrug bei Amts- nach den Wahlen 1962 goutierte, einführung 1955 ca. 51 Jahre. als sie trotz absoluter Mehrheit Nach seiner ersten Wahl 1950 (50,8 %), also ohne Notwendigkeit, hatte er einen radikalen Schnitt in das Bündnis fortsetzte. Zinn hatte der mit sechs Ministerien relativ schon vor den Wahlen signalisiert, kleinen Regierungsmannschaft die Koalition beizubehalten. 1962 vollzogen. Die Wechsel in den erreichte die SPD in Hessen zum

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 5 ersten Mal in einem Flächenland inhaber, wenn sie 1958 eine Serie der Bundesrepublik die absolute von Plakaten aufl egte, in der sie Mehrheit an Wählerstimmen. Zinn unter dem Motto „ich bin für Zinn“ blieb am Ruder, auch nach den u. a. einen Arbeiter oder eine nächsten Landtagswahlen 1966, die Schülerin mit dem Amtsinhaber ab- als „Kulminationspunkt sozialdemo- bildete, und ein weiteres Plakat den kratischer Stärke in Hessen“ in die Ministerpräsidenten staatsmännisch Geschichte eingingen.3 am Schreibtisch präsentierte, unter- Die Wahlen von 1962 und 1966 titelt mit „Zinn für Hessen“. Hiermit waren Triumph des mittlerweile wurde eine Kongruenz der Hessen weit über die eigene Partei hinaus mit Zinn und Zinns mit den Bürgern als Landesvater anerkannten Zinn, des Landes vermittelt. Zum anderen die unanfechtbare Wahlkampf- hoben die Wahlkampfstrategen lokomotive der Hessen-SPD. Die die Modernität des Landes hervor Partei ging mit griffi gen Slogans wie mit der zu einem gefl ügelten in die Wahlkämpfe: zum einen Wort werdenden Losung „Hessen personalisiert auf den Amts- vorn“, dem Fortschrittlichkeit aus- drückenden Wahlmotto von 1962, das gewissermaßen zum Gütesiegel für das Land wurde. Zu Recht sprach man allgemein vom „roten Hessen“. Die SPD war mit Abstand die stärkste Fraktion; ihr Ministerpräsident prägte die Landespolitik. Mehr noch: Die SPD dominierte in den 1950er und 1960er Jahren in der über- wiegenden Mehrzahl der Kommu- nen und auch in den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern, zu denen seit Mitte der 1950er Jahre neben Frankfurt, Wiesbaden, Kassel und Darmstadt auch Offen- bach zählte, in denen sie – mit Ausnahme Wiesbadens bis 1960 – während der gesamten Amts- zeit Zinns die Oberbürgermeister stellte. Die politische Landkarte wies seit den Kreistagswahlen von 1952 ein bis 1972 kontinuier lich wachsendes Band roter Land kreise auf. Den Höhepunkt mar- kierten die Wahlen von 1964, bei denen die SPD in 35 von 39 Kreisen vorn lag, davon in 21 mit absoluter Mehrheit. Auf dieser Basis konnte Zinn zügig seine Reformpolitik ge- „ich bin für Zinn“ – Wahlplakat der SPD stalten und umfassende Vorhaben 1958. realisieren.

6 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn Dabei lässt sich seine Regierungs- als politikunfähig und landesver- zeit grob in zwei Phasen gliedern: räterisch galt. Er überwand diese in die Jahre von 1951 bis 1962, tradierten Hürden und Stereo- überschrieben als „Ende der typen durch eine gewinnende Art Nachkriegszeit. Wiederaufbau und nimmermüde Überzeugungs- und Erneuerung“, und jene von arbeit. Von Weggefährten wurde 1962 bis 1969 unter dem Leit- er als „maßvoller, unpathetischer, motiv „Hessen vorn. Aufstieg und zielstrebiger, politischer Realist“ Modernisierung“.4 Ganz im Sinne charakterisiert, „den politische dieser Periodisierung erklärte der Phantasie befl ügelt und den bei Ministerpräsident zum Auftakt aller Nüchternheit seines Denkens zur vierten Amtsperiode 1963 die politische Leidenschaft erfüllt“ ha Zeit, in der es um Überwindung be.6 Im Kabinett habe er „souverän“ der Nachkriegsnot gegangen sei, regiert – menschlich immer um- ebenso für beendet wie die Phase gänglich, wie sich sein Minister und des eigentlichen Wiederaufbaus. Amtsnachfolger Jetzt gehe es darum, das Gefälle im erinnert: Bescheiden im Auf- Land zu mildern und den negativen treten, sei er ein „unterhaltsamer Folgen des unaufhaltsamen Fort- Plauderer, jedoch kein Volkstribun“ schritts zu begegnen.5 gewesen.7 Am Regierungstisch gab er sich kollegial, wollte alle Bei Zinns Amtsantritt 1950 war die Minister in die Entscheidungen ein- unmittelbare Not überwunden, be- binden. Zinn war der Macher und gann ein bis 1973 anhaltendes, Kommunikator.8 Mitte der 1960er Jahre nur kurz- zeitig unterbrochenes wirtschaft- Er wurde aber auch als Politiker liches Wachstum. In diese Periode der Distanz gesehen, dem der von wirtschaftlichem Aufstieg und intellektuelle Glanz gefehlt habe. gesellschaftlicher Konsolidierung Er galt als Gesprächspartner mit vollzog sich die Fundamentierung der Fähigkeit, komplexe Sachver- des sozialdemokratischen Hessen, halte auf den Kern zu reduzieren, das innerhalb der eigenen Reihen mitunter jedoch ebenso als Mann, zum Gegenentwurf zur Adenauer- dem „Zornesausbrüche und Un- Republik stilisiert wurde. duldsamkeit“ nicht fremd gewe- sen seien.9 Mit Fachkompetenz, einem Gespür für Stimmungen und Notwendigkeiten, dabei immer 4. Zwischen Amt unter dem Ziel, unterschiedliche und Partei Interessen zum Wohle des Landes zu bündeln und die Hessen mit auf Die überragende Gestalt des den Weg zu nehmen, gestaltete Ministerpräsidenten sorgte dafür, er seine Politik. Verlässlichkeit dass die hessische Politik seiner und Integrationsfähigkeit waren Zeit eine solche Wirkungskraft ent- ihm eigen; eine auf momentane wickelte. Zinn vermochte über die Stimmungen im Lande gründende traditionelle sozialdemokratische Sprunghaftigkeit lag ihm fern. Die Klientel hinaus Wähler zu gewinnen, posthumen Lobeshymnen gipfelten auch solche, für die nach fest ein- in Charakterisierungen von einem gebrannten, althergebrachten Staatsmann, der „die Leidenschaft Vorurteilen die Sozialdemokratie eines Arbeiterführers mit der Sach-

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 7 kunde eines Staatsrechtslehrers „Kreisbereisungen“ (mit Bürger- und dem Durchsetzungswillen eines sprechstunden), deren Zahl sich strategischen Kopfes“ verbunden im folgenden Jahrzehnt auf ins- habe.10 gesamt 100 belaufen sollte, Ungeachtet solcher Überhöhung brachten ihn landauf, landab in erreichte Zinn, der sich selbst Kontakt mit der Bevölkerung aller nicht gern in der ihm mit zu- Schichten. Er suchte das Gespräch nehmender Dauer immer mehr zu- mit allen, mit dem Funktionär der geschriebenen Rolle des Landes- Gewerkschaften genauso wie mit dem Wirtschaftsboss. Zinn nahm vaters sah, hohe Popularitäts- und die Bürger ernst; und die Bürger Bekanntheitswerte, die ihn für die nahmen es ihm ab. Die enge Ver- SPD zur unbestrittenen Galions- bindung zwischen der Landes- fi gur machten. Er pfl egte lang- regierung und dem Bürger gewähr- jährige Freundschaften über die leisteten auch die in den 1950er eigene Partei hinaus, die auch durch und 1960er Jahren im Landtag den sachlichen Dissens nicht zer- dominierenden Kommunalpolitiker. brachen. Nach den Wahlen von 1962 waren Bürgernähe wurde zum Signum von 96 Mandatsträgern immerhin seines Politikstils und trug zu 28 gleichzeitig Landräte, Bürger- hohen Sympathiewerten bei. Die meister oder Stadträte ganz über- anlässlich des Wahlkampfes von wiegend aus der SPD, die als Trans- 1954 eingeführten, zunächst ein- missionsriemen die Politik der tägigen, später mehrtägigen Regierung in die Fläche hinaus-

Der Ministerpräsident unterwegs bei den Hessen: Kreisbereisung (um 1959).

8 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn trugen, aber auch die draußen im in die Regierungspolitik ein- und an- Lande vorhandenen Stimmungen in zubinden. So hielten sich die Quer- Wiesbaden zu Gehör brachten. schüsse aus den eigenen Reihen in Zinn erwarb sich über die Partei Grenzen, auch wenn Zinn nicht bis zur Selbstverleugnung mit der Ver- hinaus breite Anerkennung; „wer teilung von Posten an die Bezirke ihn nicht verehrt, respektiert ihn deren Wohlwollen zu versichern zumindest“, schrieb „Die Zeit“ auf 11 suchte. Eben weil der Minister- dem Zenit seiner Popularität. Eine präsident für die SPD zum scheinbar moderne, progressive Presse- und unanfechtbaren Zugpferd wurde, Öffentlichkeitsarbeit seines engsten hatten es innerparteiliche Rebellen Mitarbeiterstabes förderte seine schwer. Bekanntheit und letztlich auch seine Popularität. Hausgemachte Krisen Doch wie bei zahlreichen immer und Skandale trübten nicht das An- mehr voll und ganz im Staatsamt sehen, denn, so schrieb „Die Zeit“ aufgehenden Politikern, so zeigte zu seinem Tod 1976: „Unter Zinn war sich auch bei Zinn mit zunehmen- Hessen ein Land ohne Affären“.12 der Dauer eine Verselbständigung Und dies obwohl die Bezirksgrößen von Person und Politik, die sich in der SPD nicht immer mit ihm konform gingen und basisdemo- kratisches Rumoren auch bis nach Wiesbaden zu vernehmen war. Zinn konnte sich weitgehend auf eine einheitliche Landes-SPD stützen, die sich in die Bezirke Hessen-Süd und -Nord gliederte. Die hessische SPD mit der bundes- weit höchsten Organisationsdichte verfügte als hegemoniale Partei über stabile lokale Stützpunkte sowohl im städtisch geprägten Süd- hessen wie auch im kleinstädtisch- ländlichen Raum des Nordens. Zwar besaß Zinn als Landesvor- sitzender nur begrenzte Durch- setzungsmöglichkeiten, doch als Vorsitzender des nördlichen Bezirks während seiner gesamten Amts- zeit hatte er eine traditionell boden- ständige Hausmacht hinter sich, die dem sich in theoretischen Grund- satzdiskussionen verlierenden, mit- unter nach Links tendierenden Süd- Bezirk Paroli bot. Zinn gelang es, den weitaus größeren südlichen Be- zirk, der stets etwa 2,5 Mal so viele Mitglieder wie der nördliche besaß, über kluge Personalentscheidungen Wahlplakat der SPD 1954.

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 9 einer auch öffentlich bekundeten logiebefrachtete Floskeln ver- stärkeren Verpfl ichtung gegen- zichtete. So musste „Die Zeit“ über Amt und Allgemeinheit, noch Jahre später daran erinnern, zu Lasten von Partei und Partei- dass Zinn „wohl Sozialist“ ge- räson manifestierte. Dies kenn- wesen sei – aber eben keiner der zeichnete die Spätphase seiner alten Garde, denn „sein Sozialis- Ministerpräsidentenzeit, in der mus war programmatisch so un- politische Schwäche, Ermüdungs- doktrinär wie integrativ, dabei erscheinungen und Unsicherheiten praktisch, nüchtern und ziel- ausgemacht wurden und sich auch strebig.“14 Sicherlich beherrschte Risse im Verhältnis zur eigenen Zinn das überlieferte sozialistische Partei offenbarten. Es musste für Vokabular, mit dem er das tradi- manch einen in der Partei doch tionelle sozialdemokratische befremdlich wirken, wenn der Milieu mit auf den Weg nehmen Ministerpräsident 1965 in einem konnte, doch mit „antiquierten Zeitungsinterview meinte: „Die marxistischen Phrasen“ beglückte Partei hat keinen Einfl uss auf die er die Öffentlichkeit nicht.15 Wenn Regierungsarbeit in Hessen. Es ist er im Jahr seines Rücktritts noch umgekehrt, die Regierungsarbeit davon schrieb, dass Hessen „neue bei uns hat großen Einfl uss auf die Wege des Sozialismus“ beschritten Partei.“13 Basisdemokratische Politik- habe, so lieferte er sogleich die gestaltung sieht anders aus. Begründung für einen vom über- kommenen Traditionalismus der Das sorgte für Reibungsfl ächen wie SPD abgelösten pragmatischen bei der Regierungsbildung Ende Kurs. Er bekannte sich zwar auch 1966, als der von Zinn für das Amt dazu, „in und mit der deutschen des Justizministers auserkorene Arbeiterbewegung groß ge- „Nichthesse“ Klaus von Dohnanyi, der worden“ zu sein, aber nach dem es in den 1980er Jahren immerhin Scheitern der ersten Republik zum Ersten Bürgermeister Hamburgs und den furchtbaren Zeiten des bringen sollte, in der eigenen Partei Nationalsozialismus habe die nicht durchzusetzen war. Die Fraktion Sozialdemokratie nicht wieder da entschied sich für ihren Vorsitzenden anknüpfen können, wo sie 1933 Johannes Strelitz – ein erstes Zeichen stehen geblieben war.16 einer Schwäche Zinns, der im Gegen- zug nahezu im Alleingang die In seiner ersten Regierungserklä- bayerische FDP-Politikerin Hildegard rung vom Januar 1951 erläuterte Hamm-Brücher zur Staatssekretärin er sein Verständnis vom neuen „freien Sozialismus“. Dieser wolle im Kultusministerium berief, was die „die schöpferische Initiative des Fraktion wiederum – nachträglich – einzelnen nicht hindern“, sondern nur mit knapper Mehrheit absegnete. habe diese „geradezu zur Voraus- setzung“.17 Vier Jahre später dämpf- te er bei gleicher Gelegenheit die 5. Pragmatische Erwartungen: Er verspreche „nie- Reformpolitik mandem ein hessisches Sozialpa- radies“, aber: „Die soziale Demo- Der Erfolg von hessischer SPD kratie des 20. Jahrhunderts beruht und Zinn basierte auf einem auf der Verpfl ichtung zu gegen- pragmatischen Kurs, der auf ideo- seitiger Solidarität.“18 Pragmatismus

10 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn über eine konsequente Reform- politik. Seine Politik des pragmatischen, demokratisch-humanitären Sozia- lismus war Erprobungsfeld für das, was später 1959 im Godesberger Programm der SPD seinen Nieder- schlag fi nden sollte. Mit der konse- quenten Öffnung der SPD zur Mitte und zu Wählerschichten, die lange der Sozialdemokratie mit deut- licher Reserve begegnet waren, planierte Zinn den Weg seiner Partei zu einem neuen Grundsatz- programm, mit dem die SPD den Wandel von der alten Klassenpar- tei zur modernen Volkspartei voll- zog.

6. Schwerpunkte der Landespolitik

Der Redner (1951). Die mit der Person Zinn symbiotisch verbundene hessische Politik der und Realismus zeichneten ihn aus: Zeit, rückblickend treffend als „Mischung von Vision und Techno- „Wir beabsichtigen keine Experi- 21 mente. Wir sind weder Dogmatiker kratie“ charakterisiert , zeichnete noch Utopisten. Die Politik der sich bundesweit durch einige Be- Regierung wird maßvoll sein. Sie sonderheiten aus. Dabei nutzte wird sich Ziele setzen, die bei Zinn die im föderalen System den ernstem Willen und einigermaßen Ländern gewährten Freiräume zu günstigen Umständen erreichbar einer systematisierten Planung von sind.“19 Dieses „keine Experimente“ Politik, die eine Nivellierung des als Kennzeichen der Verlässlichkeit sozialpolitischen Ungleichgewichts von Politik durchzog als fester Be- und des Gefälles zwischen den standteil die Reden Zinns. Seine Regionen zum Ziel hatte. Dabei Landtagsreden, vor allem seine dürfe, so Zinn im Wahlkampf 1962, Regierungserklärungen, waren eine moderne Sozialreform nicht ausgefeilte Dokumente ehrlicher vor den „ländlichen Siedlungen“ Rechtschaffenheit, nachgerade halt machen.22 Eben weil die „alte „passagenweise republikanische Dorfromantik“ zu Ende gehe, so in Lehrstücke“20. Er hatte dabei immer seiner Regierungserklärung 1963, sowohl die unmittelbaren Auf- müsse sich die Politik verstärkt dem gaben als auch die längerfristigen ländlichen Raum zuwenden. Dieser Perspektiven im Blick. Langfristig sei von einer sozialen und öko- ging es für Zinn um Ausbau und nomischen Umwälzung von weit- Festigung der sozialen Demokratie reichender Bedeutung betroffen:

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 11 „Das idyllische Spitzwegzeitalter begegnen, gab es schon vor dem mit seiner nicht immer lebens- Ersten Weltkrieg, die ersten dieser wahren Dorfromantik geht zu Ende Art wurden während der Weimarer oder liegt schon hinter uns.“23 Die Zeit in Württemberg errichtet. Ob- Lebensqualität auf dem Land war zu wohl Landesregierung und Zinn erhöhen, um so Abwanderung und nicht „Schöpfer“ der Idee waren, Ausblutung der ländlichen Gebiete so war doch der Ministerpräsident zu stoppen. Motor dieser Entwicklungspolitik, um „das Leben auf dem Dorfe“ Zentraler Baustein der „sozialen 24 Aufrüstung des Dorfes“ waren die lebenswerter zu machen. Am Ende Dorfgemeinschaftshäuser, aus- von Zinns Amtszeit zählte man um gerüstet mit Gemeinschaftsein- die 500 Gemeinschaftshäuser im richtungen wie Kühlräumen, Wasch- Land – dazu kamen die seit 1959 ge- küchen, Büchereien etc. Neu war förderten Bürgerhäuser in großen die Idee nicht: Überlegungen, mit Landgemeinden und Städten, die solchen Häusern der Landfl ucht zu allesamt ihre Existenz der Eigen- leistung der Bevölkerung und einer diese zur Voraussetzung machende staatliche Förderung verdankten. Beim Abschluss des Programms 1988 waren es inklusive Bürger- häuser und Mehrzweckhallen rund 1.500 solcher Gemeinschaftsein- richtungen. Die Politik für das platte Land, später um den Bau von Kinder- gärten erweitert, wurde durch eine technische Aufrüstung der Land- wirtschaft ergänzt, als in dem von bäuerlichen Klein- und Mittel- betrieben geprägten Hessen u. a. Landmaschinengemeinschaften und Aussiedlerhöfe gefördert wurden. Mitte der 1960er Jahre bestanden 6.500 solcher Maschinengemein- schaften. Hinzu kam der Ausbau des Fremdenverkehrs auf dem Lande. Und die Gemeinden putzten sich für die Urlauber raus: Unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ eröffnete Hessen 1958, drei Jahre vor der bundesweiten Einführung, als erstes Land einen Wettbewerb, der den Ehrgeiz der Bewohner an- stachelte, ihre Gemeinde ansehn- licher zu gestalten und touristisch attraktiver zu machen. Auch im „Hessen vorn“ – auch auf dem Dorf Profanen lag „Hessen vorn“: Mitte (Wahlplakat 1962). der 1960er Jahre besaßen 96 Pro-

12 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn zent aller Landgemeinden eine voll ausgebauten Mittelpunkt- zentrale Wasserversorgung (im schulen, die an die Stelle der Bund nur 70 Prozent). kleinen leistungsschwachen Volks- Zur Hebung der ländlichen Lebens- und Zwergschulen auf dem Land lagen gehörte auch eine Verbesse- traten und über die das Bildungs- gefälle zwischen Stadt und Land rung der Schulversorgung, denn, überwunden werden sollte. Zwar so Zinn 1959, das Landkind dürfe gab es bereits Schulverbände, zu im Wettbewerb um Bildung und denen sich kleine Ortschaften unter Ausbildung nicht benachteiligt Aufgabe ihrer Zwergschulen zu- werden.25 Während die dörfl iche sammengetan hatten. Dennoch Politik traditionell nicht zu den be- waren 1959/60 nur 18 Prozent vorzugten sozialdemokratischen aller Volksschulen achtklassig aus- Handlungsfeldern gehörte und gebaut, demgegenüber immer daher der hessische Weg der noch ein Drittel einklassig. Die Planung umso bemerkenswerter oppositionelle CDU prangerte das war, so stellte die Bildungspolitik neue Mittelpunktschulkonzept als von jeher ein angestammtes Schlag gegen die Dorfkultur an Terrain der SPD dar. Als eine der und sah die Regierung mit dieser wichtigsten Voraussetzungen Zentralisierung eine sozialistische für das Gelingen der Landes- Einheitsschule nach östlichem entwicklung erblickte Zinn die Muster einrichten. Jenseits aller „Modernisierung des gesamten Polemik: Es ging um Chancen- 26 Bildungswesens“ , immer unter gleichheit und Bildungsgerechtig- der Prämisse der schichtenüber- keit – für alle Kinder in Hessen. Das greifenden und regionalen Chan- Mittelpunktschulprojekt erwies cengleichheit gesehen. Beides sich als Erfolgsmodell zum Abbau stand in einem engen Zusammen- der Bildungsdivergenzen zwischen hang. Stadt und Land. Existierten 1963 Nachdem der Landtag 1958 das etwa 50 Mittelpunktschulen, so von Zinn zu Beginn seiner Amtszeit waren es Ende des Jahres 1967 1951 angestrebte Lehrerbildungs- bereits 194. Hessen besaß Mitte gesetz, das – als bundesweiter Vor- der 1960er Jahre prozentual die reiter – eine Akademisierung der geringste Zahl an Zwerggrund- Lehrerbildung für alle Schulstufen schulen (33 Prozent), während die verfügte, verabschiedet sowie Nachbarländer Rheinland-Pfalz und die in der Landesverfassung ver- Bayern doppelt so hohe Quoten ankerte Elternmitbestimmung ge- aufwiesen. regelt hatte, erfolgte als nächster Das Reformpaket wurde abgerun- Modernisierungsschub die det durch die sukzessive Einfüh- Konzentration der Schulen auf dem rung des 9. Pfl ichtschuljahres bis Land. Das war Teil des Reform- 1966 und den Ausbau des Zweiten programms in der Zeit von Kultus- Bildungsweges, allen voran durch minister Ernst Schütte (1959 – 1969), die fünf zwischen 1959 und 1964 dem es um Ausbau der Bildungs- gegründeten Hessenkollegs, an chancen ging. Die Reformen stie- denen Schüler mit abgeschlossener ßen auf relativ geringen Wider- Berufsausbildung tagsüber in stand. Zu heftigen Plenardebatten einem normalen Schulbetrieb sorgte jedoch der Aufbau von Abitur oder Fachhochschulreife er-

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 13 Besuch einer Grundschule in Kassel (ca. 1957). werben konnten. 1966 machte fast richts ging. Das Schulverwaltungs- jeder zehnte hessische Schüler gesetz vom Mai 1969 erhob die zu- Abitur, die höchste Quote unter den nächst in Schulversuchen erprobte Flächenländern der Republik. Die Förderstufe zum festen Bestand- Zahl der Studierenden an den vier teil des Schulsystems. Zu diesem hessischen Universitäten stieg von Zeitpunkt machte der Anteil der 1950 bis 1970 um mehr als das Drei- Schüler in Förderstufen an sämt- fache, von 11.000 auf 36.000. Eine lichen Schülern der Jahrgänge 5 Hochschulreform wurde Mitte der und 6 etwa ein Fünftel aus. Gegen 1960er auf den Weg gebracht. Zu- die obligatorische Einführung dem intensivierte die Regierung die zog die CDU zu Felde. Wie später politische Bildung als integralen Be- so oft in schulpolitischen Fragen standteil der Demokratisierung und riefen die politischen Widersacher gründete mit Kabinettsbeschluss die höchsten Gerichte an, die vom 4. Mai 1954 die „Landes- jedoch die Verfassungskonformi- zentrale für Heimatdienst“, die tät attestierten. Gegen Ende der spätere „Hessische Landeszentrale 1960er Jahre wurde die Gesamt- für politische Bildung“ (HLZ). schule, von der SPD als „Schule der Demokratisierung und Moderni- Zukunft“ propagiert, verankert. Ent- sierung lauteten die Zielperspek- sprechende Modellprojekte wie tiven, mit denen die Regierung das 1954 begründete Schuldorf die Einführung der Förderstufe Bergstraße, eine additive Gesamt- und die Errichtung von additiven schule, hatten sich als erfolgreich und integrierten Gesamtschulen bewiesen, so dass die Regierung an begründete und an eine inhalt- den Aufbau von integrierten, schul- liche Neukonzeption des Unter- formunabhängigen Gesamtschulen

14 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn ging, in der Schüler mit Haupt-, 7. Politik der Integration – Real- und Gymnasialempfehlung gemeinsam unterrichtet wurden. der Hessenplan Die Scharmützel um diese Vorhaben in der Zeit Zinns gaben jedoch nur Einer der wesentlichen Schwer- einen kleinen Vorgeschmack auf punkte der Landespolitik war die die späteren Konfl ikte ab Ende der Integration der fast eine Million 1960er Jahre, in der Hochzeit der Flüchtlinge und Vertriebenen, die hessischen Bildungsreform. seit 1945 in das Land geströmt waren. Sie machten 27 Prozent Aufsehen erregte Hessen Mitte der der Gesamtbevölkerung aus. Über 1950er Jahre auch in einem ganz die Hälfte der seit Kriegsende an- anderen Bereich: im kulturell-künst- gekommenen Neubürger ge- lerischen mit der ersten documenta langte in die wirtschaftlich unter- 1955 in Kassel („d I“), die den Auf- entwickelten, überwiegend land- takt einer künstlerischen und kultur- wirtschaftlich geprägten Kreise im politischen Erfolgsgeschichte bilde- Regierungsbezirk Kassel. Für die te. Die zunächst alle vier, dann alle ohnehin wirtschaftlich dem Süden fünf Jahre stattfi ndende documenta erwarb sich internationaler Aner- kennung und gilt heute als eine der führenden, wenn nicht gar als die weltweit wichtigste Ausstellung zeit- genössischer Kunst. Unbeirrt und selbstbewusst pfl eg- ten die Hessen ihren Sonderweg, zu dem auch die bundesweit ein- zigartige juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch den Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963 – 1965) gehörte, Verdienst des vielfach – innerhalb Hessens und auch von außerhalb – angefeinde- ten Generalsstaatsanwalts Fritz Bauer, der sich immer des Rückhalts von Zinn sicher sein konnte. Der Ministerpräsident hatte den 1933 emigrierten Juden und Sozialdemo- kraten 1956 von Niedersachsen nach Hessen geholt. Der Auschwitz- Prozess zwang die Öffentlichkeit, sich mit der Grausamkeit der Todes- mühlen und der lange verdrängten NS-Vergangenheit auseinanderzu- setzen. Hessen besaß auch hier Vor- bild- und Vorreiterfunktion.

„Hessen … hier lohnt das Leben“ – Wahl- plakat der SPD 1958.

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 15 unterlegene Region bedeutete Insgesamt wurde die Flüchtlings- dies arbeitsmarktpolitisch eine be- politik nicht isoliert gestaltet, son- sondere Herausforderung, zumal dern war Teil einer umfassen den sich nicht nur die Beschäftigungs- landesweiten Raumordnungspla- lage nach Kriegsende durch die ab- nung und Steuerung der Wirt- rupte Stilllegung großer Rüstungs- schaftsentwicklung. So waren die betriebe und die Abschnürung vom über den Plan vergebenen Kredite Osten durch den Eisernen Vorhang zur Schaffung von Arbeitsplätzen verschärft hatte. nicht speziell für die Firmen der Bevölkerungszuwachs und das Neubürger, kamen aber diesen im Angebot an Arbeitsplätzen und besonderen Maße zugute, denn Wohnungen ins Lot zu bringen, war mit den Krediten war die Aufl age Motiv des vom Vorgängerkabinett verbunden, vornehmlich Flücht- linge und Neubürger einzustellen. Stock im Juli 1950 beschlossenen Heimatvertriebenen Landwirten Hessenplans zur Integration der und Landarbeitern ermöglichten Flüchtlinge. Zinn nahm diesen günstige Darlehen den Erwerb von Faden auf und erhob in seiner Bauernhöfen oder den Bau von so- ersten Regierungserklärung am genannten Nebenerwerbssiedler- 10. Januar 1951 den Hessen- stellen. Neben dem „Sektor der plan zum Eckpfeiler der Landes- freien Wirtschaft“ trat ein „Sektor politik. Der Plan, dessen Kosten der geförderten Wirtschaft“, der auf 500 Mio. DM beziffert wurden, zielgerichtet die regionalen Not- sollte in vier Jahren die innere Um- stände beseitigen helfen sollte. Der siedlung von 100.000 Heimatver- Staat nahm sich der Entwicklung triebenen zur wirtschaftlichen Ein- an, wollte nicht tatenlos zusehen. gliederung, den Bau von 25.000 Wohnungseinheiten zur Förderung Hessen stand unter den Bundes- der Umsiedlung, die Schaffung ländern ganz vorn in Bezug auf die von 25.000 Arbeitsplätzen zur Be- zur Verfügung gestellten Finanz- kämpfung der überhohen Arbeits- mittel. So konnte sich die Bilanz losigkeit der Neubürger und die Er- sehen lassen. Bis Ende 1957 er- richtung von 3.000 landwirtschaft- hielten 114.000 Personen im Zuge lichen Siedlerstellen ermöglichen.27 einer Umsiedlung Arbeitsplätze Integration wurde also verknüpft und Wohnungen. 9.700 Familien mit der Förderung des wirtschaft- hatten Vollbauern- bzw. Neben- lich strukturschwachen ländlichen erwerbsstellen oder ein Haus in Raumes über die Schaffung von einer Landarbeitersiedlung über- Arbeitsplätzen. Von den Neubau- nommen. Zum Ende der 1950er programmen profi tierten auch Jahre hatte der Hessenplan seine die „Althessen“, denn bei der Ver- wesentlichen Ziele erreicht. 14.000 gabe von aus Mitteln des Hessen- Flüchtlingsbetriebe mit 90.000 plans gebauten Wohnungen kamen Dauerarbeitsplätzen waren ent- auch einheimische Wohnungs- standen; der Anteil der Neubürger suchende zum Zuge. So lebten an den Arbeitslosen lag mit 17 Pro- dann Altbürger und Neubürger „Tür zent sogar knapp unter ihrem An- an Tür“, womit eine Abkapselung teil an der hessischen Gesamt- der Zugewanderten in Flüchtlings- bevölkerung (19 Prozent). siedlungen weithin vermieden wurde.

16 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 8. Planung als Prinzip Das Element der Planung bestimmte Ende der fünfziger Jahre immer mehr die Landespolitik und schlug sich nieder in dem Jugendplan vom März 1958, mit dem die Einrichtung von Kindertagesstätten bis Jugend- heimen gefördert wurde, dem Sozialplan für alte Menschen zur Ver- besserung der Altenheimsituation, dem Landesgesundheitsplan und dem für den Sport verabschiedeten „Rot-Weißen Programm“, das sich zur Verbesserung des Breitensports auf den Bau von Sportanla gen konzentrierte. Auf diesen sozialen Feldern wurde Versäumtes nach- Der Ministerpräsident mit Weitblick: an geholt und Zukunftsträchtiges auf- der Grenze zur DDR (ca. 1957). gebaut, alles in allem fi nanzielle Kraftakte mit hoher Akzeptanz in der Plan, immer gedacht als Element Bevölkerung, da sie systematisch die innerhalb der „freien Marktwirt- Lebensqualität verbesserten und die schaft“, war in seiner bundes- Regierung dabei benachteiligte Ge- republikanischen Einmaligkeit der biete gezielt förderte. So rangierte Versuch, die Investitionen zur Ver- Hessen 1965 bei den Pro-Kopf- besserung der Infrastruktur für Ausgaben für den Sportstätten- die Dauer von einer Dekade zu bau an der Spitze aller Länder. Bis steuern: „Der ‚Große Hessenplan‘ 1970 wurden 1.500 Sportplätze, ist eine Übersicht der mutmaß- 900 Turnhallen und 186 Frei- und lichen Entwicklung und eine Zu- Hallenschwimmbäder errichtet. sammenstellung von Maßnahmen Die bei Kriegsende dramatische zur bestmöglichsten Förderung des Wohnungsnot wurde schwerpunkt- Wirtschaftswachstums im Rahmen mäßig bekämpft. „Jedem Bürger des Voraussehbaren.“30 seine Wohnung“ hieß Zinns Ziel- 28 Bis 1974 sollten das Land 13,5 Mrd. vorgabe. Bis 1970 wurden im DM, die Kommunen 7,5 Mrd. DM sozialen Wohnungsbau um 450.000 sowie Wohnungs- und übrige ge- Einheiten gefördert, so dass am werbliche Wirtschaft 12 Mrd. DM Ende der Amtszeit Zinns jeder investieren. Dabei gingen die zweite in einer bis dahin neu- Planer von einem jährlichen Be- errichteten Wohnung lebte. völkerungswachstum von 0,9 Pro- Die sozialpolitische Modernität zent und einem jährlichen Zuwachs wurde zum Kennzeichen Hessens, des Bruttosozialprodukts von das mit dem Großen Hessen- 4,5 Prozent (pro Einwohner) aus. plan von 1965, von Zinn bereits Insgesamt lieferte das Struktur- im Wahlkampf 1962 angekündigt, konzept jenseits dirigistischer den nächsten Schritt zur lang- Zwangswirtschaft den Entschei- fristigen Koordination von Landes- dungsrahmen für die sozial-, wirt- investitionen unternahm.29 Der neue schafts-, verkehrs- und kulturpoli-

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 17 tischen Projekte und sorgte für und Stabilisierung eines Landes- einen kräftigen Modernisierungs- bewusstseins bei, damit auch zur schub. Diese erfolgreiche Struktur- regionalen Identität des Bundes- politik war auch Element der Identi- landes. Zinn setzte nicht nur hier tätsstiftung. gezielt auf Symbolpolitik, mit der er allen in Hessen Lebenden eine ge- meinsame Identität, geprägt von 9. Hessische Identität Toleranz und Offenheit, verleihen als innerer Leim wollte. In der Tat bildete sich schon in den Die Unterschiede zwischen Neu- 1950er/1960er Jahren so etwas wie bürgern und Altbürgern zu ver- eine (gesamt-)hessische Identität wischen und die Herausbildung heraus, die sich auch auf Traditions- einer gemeinsamen hessischen linien und historische Kontinuitäten Identität zu fördern, war Ziel- stützen konnte. Denn das Land war setzung des „Hessentags“. Eine 1945 nicht wie später etwa Rhein- kleine Gruppe in der Staatskanzlei land-Pfalz oder Nordrhein-West- entwickelte das Konzept eines falen vom (besatzungspolitischen) Landesfestes, das der Initiator „Himmel“ gefallen, sondern konnte Zinn zur Chefsache erklärte, als auf lang zurückliegende Bindungen er im Januar 1961 anordnete, das und Verbindungen, auf Planungen erste im Sommer stattfi nden zu und Raumordnungsvorstellungen lassen. Der Hessentag als Teil einer aus der Zeit weit vor 1945 aufbauen. sozialen Volkskultur sollte, so hieß Aber dieses „Hessen-Bewusstsein“ es in der Chronik zum ersten 1961 war mehr noch geprägt durch die in Alsfeld, jenseits von Volkstüme- gemeinschaftlichen Erfahrungen lei „alle Hessen zwischen Weser nach dem Krieg, also ein Produkt und Neckar, Rhein und Werra zu- der Zeit nach 1945, der integrativen sammenführen“ und den Neu- Politik Zinns. bürgen offenbaren, dass die Ge- meinschaft „Platz für jeden hat“.31 Und es sollte in dem noch jungen 10. Wirtschaftswachstum Land die „hessische Identität“ fördern und verankern, wie es in als Stabilisator der Politik Zinns Worten in Alsfeld zum Aus- druck kam: „Hesse ist, wer Hesse Die allmähliche Entstehung sein will.“32 Damit forderte Zinn, einer auch die Neubürger ein- unter Anerkennung der Vielfalt schließenden Identität basierte von Traditionen in Hessen und der auch auf dem wirtschaftlichen Auf- unterschiedlichen Herkunft der schwung, den Zinns Regierung Vertriebenen und Flüchtlinge, das sich ans Revers heften konnte. Bekenntnis zum gemeinsamen In der Tat war der Erfolg durch- „Hessensein“ ein, quasi über einen aus „hausgemacht“: Hessen ver- bewussten Willensakt. Mit Erfolg. zeichnete in den 1950er und Der Hessentag als identitätsstiften- 1960er Jahren über dem Bundes- des Landesfest – das größte und durchschnitt liegende wirtschaft- älteste in der Bundesrepublik – trug liche Wachstumsraten. Hatte das und trägt als wichtiges Element Nettoinlandsprodukt pro Ein- der Landeskultur zur Formierung wohner im Land 1950 noch vier

18 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn Prozent unter dem Bundesdurch- Ländervertretung. In dem Streben, schnitt gelegen, so rangierte es sich als Gegenpol zu der von der 1966 mit fünf Prozent über diesem. CDU geführten Politik im Bund zu 1963 verzeichnete Hessen, das seit positionieren, wurde mit Adenauer 1957 regelmäßig zu den „Geber- und der Bundesregierung mancher ländern“ im Länderfi nanzausgleich Strauß ausgefochten. gehört, das höchste Steuerauf- Als Ministerpräsident wandelte kommen pro Kopf aller Flächen- sich der einstmals einer zentral- staaten in der Bundesrepublik. staatlichen Organisation das Der Zuwachs des Sozialprodukts Wort redende Vater des Grund- je Einwohner zwischen 1958 und gesetzes zum pointierten Ver- 1965 lag in Hessen bei 100 Prozent, fechter der Länderrechte, zu einem im Bund bei 85 Prozent. Die im „bewussten, aber immer gesamt- Februar 1950 auf dem Höchststand staatlich verantwortungsbewussten von 15 Prozent befi ndliche Arbeits- Föderalisten von hessischem losigkeit wurde in der allgemeinen Schrot und Korn“.35 Dabei spielte Wachstumsphase der 1950er Jahre die Wahrung der Län derinteressen abgebaut und rangierte 1960 ebenso wie die Verfolgung von unter einem Prozent. Die Wirt- Parteipolitik eine Rolle. Denn in schaft im Lande verkündete Voll- dem Streben, Hessen zum sozial- beschäftigung und meldete den demokratischen Vorzeigeland zu Bedarf an ausländischen Arbeits- formen, musste Zinn zwangsläufi g kräften an. Die ersten Arbeits- der Adenauer-Regierung die Stirn migranten kamen 1956 nach bieten, wenn die Bonner Politik den Hessen. Diese wirtschaftliche Interessen des Landes zuwider- Prosperität ermöglichte Zinns lief; er konnte das föderalistische Politik der sozialen Reform und Gefüge aber auch für die Partei- stärkte zugleich seine Position vor politik instrumentalisieren. Die allem auch gegenüber der Bundes- Grenze zwischen landes- und regierung. parteipolitischer Motivation war dabei fl ießend. Kritik aus Bonn an einer mangelnden Loyalität zum 11. Hessen und der Bund Bund konterte der Regierungs- „Zinn war als Landesfürst ge- chef in einer Rundfunkansprache fürchtet in Bonn. Er selbst sieht 1958 selbstbewusst: „Man spricht von Bundestreue und meint Gleich- sich als Hüter des Föderalis- 36 mus“, schrieb die „Frankfurter All- schaltung Hessens!“ Hieraus er- gemeine Zeitung“33 wenige Wochen gab sich in zahlreichen Sachfragen vor dem Ende der Regierungs- eine Frontstellung zur Bonner zeit von Zinn, der das sozialdemo- Regierung. kratische Hessen immer als ein Und nicht nur in Sachfragen: Als sozialistisches Bollwerk gegen alle Zinn im Herbst 1952 die Existenz restaurativen Bestrebungen Bonns einer nationalistischen, von füh- verstand.34 Ebenso selbst- wie renden Mitgliedern des antikommu- machtbewusst nutzte der Hesse nistischen, mit fi nanziellen Mitteln den Bundesrat, dessen turnus- des Bundes geförderten „Bundes mäßiger Präsident er 1953/54 und Deutscher Jugend“ (BDJ) unter 1964/65 war, als wirkungsmächtige dem Tarnnamen „Technischer

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 19 Dienst des BDJ“ begründeten Hier vertrat Zinn die offi zielle Linie Organisation publik machte, spielte der Partei, obwohl andere SPD- die Bundesregierung das Ganze Länderchefs dieser nicht folgten. zunächst runter. Doch ließen Es gab insgesamt genügend die Wiesbadener Ermittlungen Gründe für die Bonner Regierung, keine Zweifel an der Gefährlich- die hessischen Widerstände zu keit der rechtsextremen Gruppe, geißeln, denn Hessen und Zinn ge- die dann von Hessen und anderen hörten bald zu den „Stammkunden“ Ländern zu Beginn des Jahres 1953 des Bundesverfassungsgerichts37, verboten wurde. um das Verhältnis von Bund und Handfeste Kontroversen ergaben Ländern zu konkretisieren. sich in der Deutschlandpolitik, Gestärkt wurden die Länderrechte als sich Hessen 1952 gegen den Vertrag zur Europäischen Vertei- durch das sogenannte Konkordats- digungsgemeinschaft stellte. Das urteil von 1957, als sich Hessen war nicht nur der Parteiloyalität ge- und Bremen an die Seite des von schuldet, sondern war originäre der Bonner Regierung beklagten Politik der Landes-SPD und von Niedersachsen stellten, das, so Zinn. Auch die Pariser Verträge von die Bundesregierung, mit der Ein- 1955, mit denen die Bundesrepublik führung der christlichen Gemein- die Souveränität erhielt, lehnte das schaftsschule gegen das von den sozialdemokratische Hessen ab. Nationalsozialisten abgeschlossene Reichskonkordat von 1933 verstoße. Bonn sah das Recht des Bundes auf Respektierung der für ihn verbind- lichen internationalen Verträge be- rührt und zugleich die Pfl icht zur Bundestreue missachtet. Karlsruhe gab in diesem Verfahren von hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung den Ländern und explizit Hessen Recht: Die Länder seien gegen- über dem Bund nicht verpfl ichtet, das Konkordat bei der Gestaltung des Landesschulrechts zu berück- sichtigen. Mit der Bestätigung der Kulturhoheit der Länder wurde ein Markstein der föderativen Ordnung gelegt. Den „Sturmbock“38 spielte Zinn auch 1958, als er erfolgreich Klage gegen die Steuerbegünstigung von Parteispenden erhob. Diese Neu- regelung begünstigte Parteien, die Großspenden erhielten, also auch die CDU. Dagegen zog der Sozial- demokrat zu Felde, sah er doch Mit Bundespräsident seine auf Mitgliedsbeiträge und 1956. Kleinspenden angewiesene SPD

20 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn weit im Nachteil. Das Verfassungs- den Ländern und der wohl größte gericht gab Zinns Antrag zur Fest- Triumph Zinns über Bonn, eine ins- stellung der Verfassungswidrig- gesamt den Kulturföderalismus keit dieser indirekten staatlichen nachhaltig prägende Entscheidung. Parteienfi nanzierung Recht. 1966 Bonn zahlte mit gleicher Münze siegte das Land mit einer Normen- heim: Als im April 1958 im Zuge kontrollklage gegen die im Bundes- der Bewegung „Kampf dem Atom- haushalt 1965 ausgewiesenen tod“ gegen die atomare Auf- 38 Millionen Mark zur Parteien- rüstung der Bundeswehr nach- fi nanzierung. Wegen der Höhe und einander die Stadtverordnetenver- der Verteilungsmodalitäten war sammlungen von Frankfurt, Darm- Hessen beim Bundesgericht vor- stellig geworden. stadt und Offenbach die Magistrate aufforderten, eine Volksbefragung Das sicher größte Aufsehen erregte über die Atombewaffnung durchzu- der Streit um das „Adenauer-Fern- führen, stellte die Bundesregierung sehen“ 1960/61, in dem die sozial- die Unvereinbarkeit mit dem Grund- demokratische Länderopposition gesetz fest. Adenauer ersuchte die gegen einen Regierungskanal als Landesregierung, die nach Ansicht zweites Fernsehprogramm von des Bundes rechtswidrigen Be- den Hessen angeführt wurde. Zinn schlüsse aufzuheben. Zinn lehnte gehörte als einer von zwei Sozial- ab, doch das Bundesverfassungs- demokraten der von den Ländern gericht erklärte Ende Juli 1958 die im Vorfeld eingesetzten Ver- in anderen Ländern beschlossenen handlungskommission an. Das Gesetze für eine Volksbefragung Übergehen dieser Kommission über die atomare Ausrüstung durch die Bun desregierung der Bundeswehr für verfassungs- motivierte ihn zum entschlossenen widrig. Es stellte weiterhin fest, dass Widerstand in diesem Kompetenz- Hessen seine Bundestreue verletzt streit zwischen Ländern und habe, indem die Landesregierung Bund. In seinem umfassenden An- die in einigen Städten gefassten Be- trag vor dem Verfassungsgericht schlüsse zu einer Volksbefragung wollte das Land die verfassungs- nicht aufgehoben hatte. Diese rechtliche Unvereinbarkeit des von Sache war damit erledigt. Adenauer intendierten Deutsch- land-Fernsehen festgestellt wissen. Abgeschmettert wurde letztlich als Rechtsver treter auch die sogenannte „Hessen- der Klagenden, Intimus von Zinn klage“ in Sachen Neugliederung aus den Anfangsjahren als Justiz- der Länder, eine Zinn persön- minister, konnte sich bei den Ver- lich am Herzen liegende Frage. handlungen auf sachverständige Hessen zählte in den 1950er Jahren Ausarbeitungen der Wiesbadener zu den wenigen Ländern, die Staatskanzlei stützen. Die Rechts- weiterhin für eine territoriale Flur- bedenken der Landesregierung bereinigung eintraten, um die im wurden vom Bundesverfassungs- September 1945 bei der Landes- gericht vollauf bestätigt. Die gründung ausgegliederten ur- Länderrechte wurden im Fernseh- sprünglichen hessischen Gebiete, urteil vom 28. Februar 1961 ge- das linksrheinische Rheinhessen stärkt – die wohl bitterste Nieder- und vier rechtsrheinische Kreise lage Adenauers im Kampf mit Nassaus, zurückzugewinnen. Nach-

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 21 dem 1956 in den zu Rheinland-Pfalz In der Debatte um die Reform der gehörenden Regierungsbezirken Finanzverfassung positionierte Montabaur und Rheinhessen erfolg- sich vor allem Zinn als Verteidiger reiche Volksbegehren für eine föderalistischer Interessen auch Rückgliederung nach Hessen statt- gegen die eigene Bundespartei. gefunden hatten, die Bundes- Obwohl die persönlichen Bezieh- regierung aber kein Gesetz vor- un gen Zinns zu den Führungszir- legte, erhob die Landesregierung keln der SPD in Bonn merklich ab- 1958 Unterlassungsklage beim kühlten, schaffte es der Hesse auf Bundesverfassungsgericht, die die (insgesamt doch recht lange) jedoch 1961 als unzulässig ver- interne Liste der SPD-Kandidaten worfen wurde. für das Amt des Bundespräsidenten Zinn sah all diese Aktionen im in der Nachfolge von Heinrich Rahmen eines modernen Föderalis- Lübke, der im März 1969 zu wählen mus, machte sich angesichts war. einer drohenden dauerhaften Verfestigung der christdemo- kratischen Vorherrschaft im Bund 12. Ein abruptes Ende Mitte der 1960er Jahre zum Vor- Wenige Wochen zuvor hatte reiter einer Fortentwicklung der Zinn auch in Hessen partei- Mitbestimmungsrechte der Länder internen Gegenwind gespürt, und einer Stärkung der Länder- als einige in den Führungs- kooperation über einen Ausbau der zirkeln der Landes-SPD auf Ver- Ministerpräsidentenkonferenz.39 jüngung des Kabinetts drängten Mit der Verteidigung der und wohl auch ihn mit fast 68 föderativen Ordnung eckte Zinn Jahren nunmehr für „pensions- aber auch in der eigenen Bundes- fähig“ hielten. Dieser Konfl ikt partei des Öfteren an. Als der wohl war Ausfl uss eines beginnenden sachkundigste „Gegenspieler der rasanten Generationenwechsels sozialdemokratischen Bundes- innerhalb der SPD und Zeichen politik“ auf der Länderseite40 einer Verstimmung in der Landes- erntete er mitunter scharfe Vor- partei über den landesweit nach würfe aus der Bonner SPD-Partei- wie vor populären Zinn, dessen zentrale, indem er sich, obwohl Regierungsstil zum Ende hin Mitglied des Bundesparteivor- patriarchalische Züge41 annahm, standes (1952 – 1970), gegen Be- was viele in der eigenen Partei schlüsse der Parteispitze stellte. So nicht goutierten. Zwar konnte er reihte sich der Hesse mit seinem sich noch einmal behaupten, doch doch eher konservativen Nord-Be- wurde seine erneute Kandidatur zirk im Sommer 1967 in die Phalanx bei den kommenden Landtags- der Parteigliederungen ein, die die wahlen 1970 an Bedingungen ge- Politik der 1966 im Bund gebildeten knüpft, darunter eine Kabinetts- Großen Koalition und die der verjüngung nach den Bundes- Bundespartei auf einem Sonder- tagswahlen von 1969. Die Presse parteitag zur Rechenschaft gezogen hatte zu Beginn des Jahres bereits wissen wollte. Das erzürnte gar ausgiebig über den Rücktritt des den Vorsitzenden der Bundestags- Ministerpräsidenten spekuliert. fraktion . Die Parteigremien gaben mitunter

22 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn sonderbar klingende Treueschwüre ab. Der Vorstand von Hessen-Süd forderte, dass Zinn nur noch bis 1972 sein Amt führen sollte. Zinn überstand, wenn auch mit Blessuren, diese „Palastintrige“.42 Wenige Wochen später, am 10. April 1969, brach er nach einem Hirn- schlag zusammen. Seine Hoffnung, nach der Genesungsphase voll- kommen wieder hergestellt an den Regierungstisch zurückzukehren, erwies sich als illusorisch. Die Ärzte rieten zum Rücktritt, zu dem er sich dann Ende August entschloss. Am 2. Oktober 1969 legte er sein Amt nieder, zu einer Zeit tiefer Ver- änderungen. Es zeichnete sich eine deutliche Abschwächung des wirtschaftlichen Aufwärtstrends Am Beginn der letzten Amtszeit: und vor allem ein gesellschaft- Regierungserklärung am 18. Januar licher Umbruch von größter Trag- 1967 im Landtag. weite ab, auch durch die Studenten- bewegung 1967/68 ausgelöst, die in Frankfurt eines ihrer Zentren besaß. großen öffentlichen Auftritt bei der Staatsfeier zu seinem 70. Geburts- So bleibt die Frage, ob Zinn nach tag 1971 hatte, in seiner Geburts- 25 Jahren im Zentrum der Landes- stadt Frankfurt. Der große Sozial- politik, im 19. Jahr als Minister- demokrat und Staatsmann, Ehren- präsident noch in der Lage ge- bürger von Frankfurt, Kassel und wesen wäre, sich den neuen Heraus- Wiesbaden, wurde am 2. April forderungen zu stellen und diese zu meistern. Möglicherweise war der nach einem feierlichen Staatsakt im Herbst des Jahres 1969 für seinen Hessischen Landtag in Wiesbaden Nachruhm der richtige Zeitpunkt, beigesetzt. um aus der Politik auszuscheiden. An der Seite seiner zweiten Frau Christa, die er 1963 geheiratet 13. Die Ära Zinn – hatte, verbrachte er seinen Lebens- eine Bilanz abend. Er zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und Mit dem Rücktritt Georg August schlüpfte nicht wie andere Politiker Zinns endete eine Ära der hessi- im Ruhestand in die Rolle des „elder schen Politik. Mehr noch: Seine statesman“, der seinen Nachfolger Regierungszeit markierte eine und die Öffentlichkeit mit Ratschlä- Epoche der Nachkriegszeit in den gen und Weisheiten zu beeinfl ussen deutschen Ländern. Bei seinem versuchte. Amtsantritt im Dezember 1950 war Am 27. März 1976 verstarb Georg er mit 49 Jahren der Jüngste in der August Zinn, der seinen letzten Riege der Ministerpräsidenten ge-

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 23 wesen, bei seiner Amtsaufgabe messen lassen und sie wurden und im Oktober 1969 der dienstälteste werden an ihm gemessen. Zinn Länderchef. Bis dahin konnten nur blieb bis heute in Erinnerung, ge- der rheinland-pfälzische Minister- würdigt nicht nur mit zahlreichen präsident (CDU; Schulen, Mehrzweckhallen und 1947 – 1969) und Bremens Bürger- Straßen in Hessen, die seinen meister (SPD; Namen tragen.43 1945 – 1965) längere Amtszeiten vor- weisen. Die Politik des sozial- und struktur- politischen Ausgleichs hatte dem Die hessische Politik in der Zeit Land in der CDU-regierten Bundes- Zinns wurde als herausragendes republik einen einzigartigen Modell sozialdemokratischer Charakter verliehen. Seine projekt- Landespolitik der Adenauer-Zeit bezogene Politik stieß bis weit in gesehen. Dabei wird Zinn – als bürgerliche Mittelschichten und Synonym für diesen Gegenentwurf – bäuerliche Milieus auf Akzeptanz. in der hessischen Erinnerungskultur mitunter in einer an die Bismarck- Die Erfolge dieser Politik, mit der Verklärung reichenden Art und für bundesdeutsche Verhältnisse Weise überhöht. Was Adenauer einmaligen Planungsstrategie als als Symbolfi gur des Bundes war, Markenkern, waren weithin sicht- stellte Zinn auf Landesebene dar. bar: „Quer durch die Statistik“ lag Alle nachfolgenden Wiesbadener Hessen vorn, schrieb „Der Spiegel“ Ministerpräsidenten jedenfalls 1966 auf dem Höhepunkt von mussten und müssen sich an ihm Zinns Wirkungsmacht und zitierte

Der Baumeister Hessens.

24 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn als Kronzeugen Eugen Kogon, der als Neuhesse nach 1945, Berater der Landesregierung und Politik- professor an der Technischen Hoch- schule Darmstadt die Landespoli- tik aus engster Nähe verfolgt hatte. Zinn habe, so Kogon, Hessen zu einem sozialdemokratischen Muster- staat, zu einem „durch und durch erfolgreichen Modell deutscher Demokratie“ geformt, das sich vom Bonner System „in einigem sehr, in vielem beachtlich“ unter- scheide.44 Er hatte Recht. Ins- gesamt profi tierte Zinns sozial aus- gerichtete Politik der Modernität von positiven Wirtschaftsdaten, die Georg August Zinn und der spätere Vorausberechnung und Planung Ministerpräsident Holger Börner. erleichterten. Seine sozialdemo- kratischen Nachfolger sahen sich Modell sozialdemokratischer Politik anderen Rahmenbedingungen aus- 47 gesetzt: Der durch die Öl-Krise 1973 geworden.“ Auf dem Parteitag verursachte wirtschaftliche Einbruch der südhessischen-SPD 1952 hatte er erklärt, dass die „sozialistische zwang Albert Osswald (1969 – 1976) Landespolitik“ ein „Vorgriff auf eine zu einem Wandel in der Politik der entsprechende Bundespolitik“ sein Planung. Er konzentrierte sich nun- könne.48 Er trat ab, als in Bonn die mehr auf die Sicherung des bislang SPD mit als Bundes- Erreichten. Die Planungseuphorie kanzler das Ruder übernahm und war dahin, der Glaube an die mit der FDP als Junior-Partner die Möglichkeit langfristiger Disposition, Chance besaß, die Republik nach gestützt auf ein stetes wirtschaft- hessischem Vorbild zu formen. liches Wachstum, zerstört. Und Aber die gesamtgesellschaftlichen Ministerpräsident Holger Börner Koordinaten hatten sich inzwischen (1976 – 1987) erklärte 1977 mit Blick grundlegend geändert, so dass auf übereilige Reformeiferer das 45 ein ganzheitliches Anknüpfen an „Ende der Fahnenstange“. das Modell Hessen als Blaupause Zinn hatte den Grundstein für ein nicht mehr möglich war. Selbst prosperierendes und innovatives im Land konnte es nicht mehr in Hessen des sozialen und der Zinn’schen Weise fortgeführt regionalen Ausgleichs, der Offen- werden. Aus der sozialdemo- heit, Liberalität und Toleranz ge- kratischen Speerspitze Hessen legt, gekennzeichnet – so „Die wurde ein ganz normales Bundes- Zeit“ im Rückblick – durch eine land, sukzessive seine einstige Vor- „Mischung aus Wohlstandsgesell- reiterrolle verlierend. Das ändert schaft und Wohlfahrtsstaat“.46 nichts an den dauerhaften Ver- So durfte der Ministerpräsident diensten Georg August Zinns für zum Wahlkampf 1966 im Brustton die Entwicklung des Landes: Er ist der Überzeugung konstatieren: (und bleibt) der „Baumeister“49 des „Hessen ist zur Vorhut, ja, zum modernen Hessen.

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 25 Anmerkungen 17 BERDING/ZILIEN, Integration, S. 57. 18 Regierungserklärung vom 19. Januar 1 In Ermangelung einer großen Bio- 1955; Drucksachen Hess. Landtag, grafi e empfi ehlt sich als Einstieg der III. Wahlperiode 1955, Abt. III. Steno- Ausstellungsbegleitband: „Unsere graphische Berichte, S. 22 und S. 23. Aufgabe heißt Hessen.“ Weiter- 19 Regierungserklärung vom 10. Januar führende Literatur zu den einzelnen 1951 in: BERDING/ZILIEN, Integration, Komplexen bei MÜHLHAUSEN, Das rote S. 59. Hessen. Der Vorname Georg August 20 STERNBURG, Zinn, S. 267. wird ohne Bindestrich (Ausnahme zitierte Literatur) geschrieben, ob- 21 „Die Zeit“ Nr. 4 vom 17. September wohl er selbst, entgegen der binde- 1982. strichlosen Schreibung seines 22 GEORG AUGUST ZINN: Hessen vorn. Namens im gedruckten Briefkopf Rede auf der Landesdelegierten- offi zieller Schreiben als Minister- konferenz der SPD am 16. September präsident, zuweilen mit Bindestrich 1962 in Rüsselsheim [Frankfurt a. M.] unterzeichnete. 1962, S. 19. 2 „Der Spiegel“ Nr. 45 vom 31. Oktober 23 Rede Michelstadt 1961 bei WITTKOP, 1966, S. 62. Zinn, S. 19; Regierungserklärung 3 BEHR u. a., Wahlatlas, S. 75. 30. Januar 1963 in: BERDING/ZILIEN, Integration, S. 343. 4 Treffende Unterteilung bei BERDING/ ZILIEN, Integration. 24 Regierungserklärung Zinns vom 5 Regierungserklärung Zinns vom 10. Januar 1951 in: ebd., S. 65. 30. Januar 1963; ebd., S. 384. 25 Regierungserklärung 28. Januar 6 So sein ehemaliger Ministerkollege 1959; Drucksachen Hess. Landtag, IV. Wahlperiode 1959, Abt. III. Steno- Erwin Stein (CDU); STEIN, Grundsätze, S. 82. graphische Berichte, S. 22. 26 GEORG AUGUST ZINN: Für Hessens 7 OSSWALD, Eine Zeit vergeht, S. 69 und S. 67. Zukunft. Rede auf der Landes- delegiertenkonferenz der SPD am 8 STEPHAN KLECHA/BETTINA MUNIMUS/ 10. September 1966 in Gießen. Hrsg. NICO WEINMANN: Hessens Minister- vom SPD Landesverband Hessen präsidenten im Profi l, in: SCHROEDER, [Frankfurt a. M.] 1966, S. 15. Parteien, S. 284 – 312, hier S. 290. 27 Der Hessenplan 1950 – 1954. Aus- 9 STERNBURG, Zinn, S. 269. gangspunkt, Entwicklungsstufen. 10 BEIER, Zinn, S. 334. Teilergebnisse, Beurteilung. Bericht 11 „Die Zeit“ Nr. 45 vom 4. November des Landesamtes für Vertriebene, 1966. Flüchtlinge und Evakuierte […], o. O. 12 „Die Zeit“ Nr. 15 vom 2. April 1976. 1954. S. 13. 28 ZINN, Hessen vorn, S. 16. 13 Zitiert bei STERNBURG, Zinn, S. 270. 14 „Die Zeit“ Nr. 38 vom 17. September 29 Der Große Hessenplan. Ein neuer 1982. Weg in die Zukunft. Hrsg. vom Hessischen Ministerpräsidenten, 15 „Die Zeit“ Nr. 4 vom 27. Januar 1955. Wiesbaden 1965. 16 GEORG-AUGUST ZINN: Der große Plan. 30 ZINN, Der große Plan, S. 44. Hessen – 22 Jahre unter sozialdemo- kratischer Führung, in: „Die Neue Ge- 31 KOCH, Fest, S. 130. sellschaft“, Sonderheft vom 1. Mai 32 Vielfach zitiert; Manuskript der 1969, S. 41 – 46, hier S. 42. Rede vom 2. Juli 1961 Alsfeld in:

26 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn Hessisches Hauptstaatsarchiv Wies- 42 So der vormalige hessische Finanz- baden, Abt. 502, Nr. 11157; s. a. minister Heinrich Troeger (SPD) in ANDREAS HEDWIG: Hesse ist, wer Hesse seinem Tagebuch, zitiert bei BEIER sein will – Suche nach hessischen Chronik, S. 312. Identitäten, in: Hessische Heimat 43 Aufgelistet in: „Unsere Aufgabe heißt 2009, Heft 2, S. 51 – 58. Hessen“, S. 100. 33 „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ 44 „Der Spiegel“ Nr. 45 vom 31. Oktober vom 29. August 1969, nach: Zeit- 1966, S. 62. geschichte in Hessen (Stand: 14.1.2016). 1977, S. 65. 34 Rede Bezirksparteitag Hessen-Süd 46 „Die Zeit“ Nr. 16 vom 10. April 1987. 1959, zitiert bei BEIER, Chronik, S. 221. 47 ZINN, Hessens Zukunft, S. 19. 35 HILDEGARD HAMM-BRÜCHER: Nach- und 48 BEIER, Chronik, S. 149. Weiterdenken über unsere Ver- 49 Vielfach verwandte Charakterisie- fassung, in: NORBERT KARTMANN (Hrsg.): rung, u. a. bei STERNBURG, Zinn, S. 266. I. Festakt „50 Jahre Hessische Ver- fassung“ am 1. Dezember 1996 im Staatstheater Wiesbaden/II. Gedenk- veranstaltung […], Wiesbaden 2003, S. 21 – 35, S. 24. 36 WUNDER, Bundesrat, S. 65; zu diesem Abschnitt auch DIETER GOSEWINKEL: Adolf Arndt. Die Wiederbegründung des Rechtsstaats aus dem Geist der Sozialdemokratie (1945 – 1961), Bonn 1991, passim. 37 „Die Zeit“ Nr. 17 vom 24. April 1964. 38 „Der Spiegel“ Nr. 31 vom 25. Juli 1966, S. 17. 39 GEORG AUGUST ZINN: Die Minister- präsidenten-Konferenz – ein Element bundesstaatlicher Kooperation, in: HORST EHMKE, CARLO SCHMID und HANS SCHAROUN (Hrsg.): Festschrift für Adolf Arndt zum 65. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1969, S. 479 – 497. 40 So KLAUS SCHÖNHOVEN: Wendejahre. Die Sozialdemokratie in der Zeit der Großen Koalition 1966 – 1969, Bonn 2004, S. 336; zum Folgenden, u. a. zum Zwist mit Schmidt: ebd., S. 204. 41 SCHÖNHOVEN (ebd.), S. 494, nennt den späten Zinn einen „Patriarchen“; die seit April 1967 in hessischen Diensten stehende Staatssekretärin HAMM-BRÜCHER (wie Anm. 35), S. 24, spricht von einer „patriarchalisch- sozialdemokratischen Regentschaft“ Zinns.

Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn 27 28 Blickpunkt Hessen – Georg August Zinn Weiterführende Literatur

„Unsere Aufgabe heißt Hessen“. Georg August Zinn. Ministerpräsident 1950 – 1969. Katalog zur Ausstellung des Hessischen Hauptstaatsarchivs im Auftrag der Hessischen Landesregierung, Wiesbaden 2001 ARNDT, ROSELINDE u.a.: Rudi Arndt. Politik mit Dynamit. Eine politische Biografi e, Hanau 2011 BEHR, A.[LFRED]/BREIT, G.[OTTHARD]/LILGE, H.[ERBERT]/SCHISSLER, J.[AKOB]: Wahlatlas Hessen 1946 – 1989, Braunschweig 31989 BEIER, GERHARD: Georg-August Zinn, in: HANS SARKOWICZ/ULRICH SONNENSCHEIN (Hrsg.): Die großen Hessen, Frankfurt a. M./Leipzig 21997, S. 334 – 339 BEIER, GERHARD: SPD Hessen. Chronik 1945 bis 1988, Bonn 1989 BERDING, HELMUT/ZILIEN, JOHANN (Bearb.): Integration. Planung. Bildung. Hessische Land- tagsdebatten 1951 – 1970. Eine Dokumentation, Wiesbaden 2014 BIRKELBACH, WILLI: Fazit. Gelebt – bewegt. Von Luise Marie Dreßler, Marburg 2000 FUCHS, THOMAS: „Soziale Aufrüstung des Dorfes“. Über das Dorfgemeinschaftshaus- programm der Regierung Zinn, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 52 (2002), S. 181 – 199 HARDACH, GERD: Kontinuität und Wandel. Hessens Wirtschaft seit 1945, Darmstadt 2007 KOCH, ROLAND (Hrsg.): Das große Fest der Hessen. Die Geschichte der 50 Hessentage seit 1961, Frankfurt a. M. 2010 MÜHLHAUSEN, WALTER: Das rote Hessen unter Zinn – Gegenmodell zur Adenauer-Republik, in: WOLFGANG SCHROEDER/ARIJANA NEUMANN (Hrsg.): Politik und Regieren in Hessen, Wies- baden 2015, S. 251 – 269 MÜLLER, MICHAEL: Die hessische SPD als Regierungspartei in der Ära Zinn, in: HELMUT BERDING/KLAUS EILER (Hrsg.): Hessen. 60 Jahre Demokratie. Beiträge zum Landes- jubiläum, Wiesbaden 2006, S. 91 – 123 OSSWALD, ALBERT: Eine Zeit vergeht. Lebenserinnerungen des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, Gießen 21994 SCHNEIDER, BERND: Die Integrationspolitik der Hessischen Landesregierungen unter Ministerpräsident Georg-August Zinn, Diss. Gießen 1995 SCHROEDER, WOLFGANG (Hrsg.): Parteien und Parteiensystem in Hessen. Vom Vier- zum Fünfparteiensystem?, Wiesbaden 2008, S. 77 – 106 STEIN, ERWIN: Politische und verfassungsrechtliche Grundsätze in den Regierungs- erklärungen von Georg August Zinn, in: DERS. (Hrsg.): 30 Jahre Hessische Verfassung 1946 – 1976, Wiesbaden, S. 80 – 100 STERNBURG, WILHELM VON: Georg August Zinn, in: CLAUS HINRICH CASDORFF (Hrsg.): Demo- kraten. Profi le unserer Republik, Königstein/Ts. 1983, S. 257 – 271 WEDEL, MARKUS: Die hessische SPD 1950 – 1959. Eine Volkspartei im Werden, Wiesbaden 2012 WITTKOP, JUSTUS FRANZ: Georg-August Zinn. Ein Staatsmann unserer Zeit, München/ Wien/Basel 1962 WUNDER, EILIKA: Georg August Zinn (1901 – 1976), in: BERND HEIDENREICH/WALTER MÜHLHAUSEN (Hrsg.): Einheit und Freiheit. Hessische Persönlichkeiten und der Weg zur Bundes- republik Deutschland, Wiesbaden 2000, S. 95 – 108 WUNDER, EILIKA: Hessen im Bundesrat. Zum föderalistischen Selbstverständnis der hessischen Landesregierung 1949 – 1955, Wiesbaden 2000 Blickpunkt Hessen In dieser Reihe werden gesellschaftspolitische Themen als Kurzinformationen aufgegriffen. Zur Themen palette gehören Portraits bedeutender hessischer Persönlichkeiten, hessische Geschichte sowie die Entwicklung von Politik und Kultur. Hrsg.: Angelika Röming. Bisher sind erschienen: Blickpunkt Hessen 1: Erwin Stein – Mitgestalter des neuen Bundeslandes Hessen Blickpunkt Hessen 2: Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen nach 1945 Blickpunkt Hessen 3: Carl Ulrich – Vom sozialdemokratischen Parteiführer zum hessischen Staatspräsidenten Blickpunkt Hessen 4: Die Gründung des Landes Hessen 1945 Blickpunkt Hessen 5: Eugen Kogon – Ein Leben für Humanismus, Freiheit und Demokratie Blickpunkt Hessen 6: Hessische Grenzmuseen: Point Alpha und Schiffl ersgrund Blickpunkt Hessen 7: Hessische Partnerregionen: Emilia-Romagna, Aquitaine, Wielkopolska, Wisconsin, Jaroslawl Blickpunkt Hessen 8: Oskar Schindler – Vater Courage Blickpunkt Hessen 9: Lokaljournalismus zwischen Weimarer Republik und NS-Zeit am Beispiel der Bensheimer Presse Blickpunkt Hessen 10: 1908: Studentinnen in hessischen Hörsälen Blickpunkt Hessen 11: Die Spielregeln der Demokratie in den hessischen Gemeinden – 200 Jahre Magistratsverfassung Blickpunkt Hessen 12: Leben und Wirken Georg Büchners und seiner Familie in Hessen Blickpunkt Hessen 13: Kleindenkmale schreiben Geschichte: Historische Grenzsteine in Hessen Blickpunkt Hessen 14: Nachhaltigkeit in Hessen – Ansätze für kommunales Handeln Blickpunkt Hessen 15: Als die Synagogen brannten – Die November-Pogrome 1938 in Hessen Blickpunkt Hessen 16: „... weit mehr als ein Gerichtsverfahren ...“ Der Auschwitz-Prozess 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main Blickpunkt Hessen 17: Christian Stock (1884–1967) – Arbeiterführer, Sozialpolitiker, Ministerpräsident Blickpunkt Hessen 18: Der „20. Juli 1944“ und Hessen – Ein Rückblick nach 70 Jahren Blickpunkt Hessen 19: Die Karriere einer Ausstellung – 60 Jahre documenta Blickpunkt Hessen 20: Die Entstehung der Hessischen Verfassung 1946