Sport Beichten aus demD O P I N G Schattenreich

Der Radsport erlebte in den vergangenen Tagen ein beispielloses Massen-Outing: Gleich fünf ehemalige Profis aus dem Team Telekom und zwei Freiburger Ärzte beichteten ihre Epo-Sünden. Aber reicht das, um eine verseuchte Branche zu retten?

ie ersten Warnungen kommen mit- Dietz. Auch er habe mit Epo gedopt, auch Es ist, als ob in nur wenigen Tagen die- tags. Es sind Anrufe, die Angst ma- er verzichtet darauf, Namen zu nennen. ser Woche ein System zusammenbricht, Dchen sollen, SMS-Botschaften, die Die Freiburger Klinik gibt zu gleicher Zeit das mehr als 40 Jahre lang funktioniert hat. drohen. Am Abend will Bert Dietz in ei- bekannt, dass die zwei belasteten Ärzte Wie kriminell und mafios dieses System nem Hamburger Fernsehstudio in der freigestellt werden. Am Mittwochabend las- ist, hat der belgische Radsport-Pfleger Jef Talkshow „Beckmann“ über seine Doping- sen die Freiburger Ärzte Schmid und Hein- D’hont vor drei Wochen in einer SPIE- Erfahrungen im Team Telekom der neun- rich über ihre Anwälte erklären, dass sie GEL-Titelgeschichte (18/2007) ausführlich ziger Jahre berichten. Es sind Anrufe, die seit den neunziger Jahren das Doping im geschildert. D’hont war von 1992 bis 1996 man nicht so einfach vergessen und ab- Team Telekom unterstützt haben und wohl Pfleger beim Team Telekom, er hat seit schütteln kann. Sie kommen aus dem auch, wie es in einer ersten Version hieß, Mitte der sechziger Jahre in einer Vielzahl Schattenreich des Radsports, und sie wol- im Nachfolge-Team T-Mobile, das 2004 ge- von Teams als Soigneur gearbeitet – was len verhindern, dass Bert Dietz auspackt. gründet wurde. Gleichzeitig bekennt der nichts anderes heißt, als dass er die Fahrer Man braucht Mut, um sich davon nicht ehemalige Telekom-Profi Udo Bölts im massierte und ihnen half zu dopen. Am- beeindrucken zu lassen. Manchmal sieht Fernsehen seine Sünden. So absurd ist die- phetamine, Kortikoide, Anabolika, Epo, es an diesem Nachmittag so aus, als ob ser Abend, dass Harald Schmidt als Run- Wachstumshormon, er kennt sich aus. Dietz der Mut verlasse. Er ist nervös, sei- ning Gag seine Show nach den „Tagesthe- Interessant ist, dass D’honts Ausführun- ne Berater sind es auch. Sie wollen, dass er men“ mit immer neuen Doping-Enthül- gen wesentlich detaillierter und genauer nur über die Doping-Ärzte der Freiburger lungen unterbrechen lässt. Und am Don- sind als das, was vor allem Dietz, Henn Klinik sprechen wird und über seine eige- nerstagmorgen überschlagen sich die Er- oder Bölts über ihre Erfahrungen bei Te- nen persönlichen Erfahrungen, aber an- eignisse. Erst gibt die Freiburger Klinik die lekom berichten. Aldag und Zabel sagen, sonsten keine Namen nennt. Entlassung der beiden Ärzte bekannt, dann dass die Aussagen D’honts im SPIEGEL Ein paar Stunden später sitzt Dietz dann verkündet der Sponsor des Rad-Teams sie zur Beichte bewogen haben. endlich im Studio, schwarzer Nadelstrei- Wiesenhof-Felt das Ende seines Engage- D’honts „Erinnerungen eines Radfah- fenanzug, weißes Hemd, und erzählt. Er ist ments, und schließlich kommt es zu einer rer-Pflegers“ lesen sich wie eine Erzählung der erste deutsche Radprofi, der gesteht, Doppelbeichte in der T-Mobile-Zentrale in aus dem Herzen der Mafia, und sie be- was alle immer schon vermuteten: dass im Bonn. Auf dem Podium sitzen die ehe- schreiben, wie alltäglich das Doping war Team Telekom systematisch gedopt wurde maligen Telekom-Fahrer und und wie gut das System mehr als 40 Jahre und die Freiburger Ärzte Andreas Schmid , ARD und ZDF übertragen live. lang funktionierte, von dem alle, die drin- und Lothar Heinrich es organisierten. Plötzlich hat das Land ein weiteres steckten, wussten und profitierten, und Am Tag danach, so scheint es, gibt es großes Thema, neben den toten Soldaten über das, bis auf wenige Ausnahmen, alle keine Omertà mehr im Radsport. in Afghanistan, dem G-8-Gipfel in Heili- schwiegen. Nachmittags meldet sich der ehemalige gendamm: Doping im Radsport und wei- Ein kriminelles System, das sogar in den Telekom-Profi Christian Henn, der heute nende Fahrer. vergangenen Wochen in der Lage schien, Sportlicher Leiter des Teams Gerolsteiner Fehlt nur noch, dass sich nun auch noch so ein Enthüllungsbuch zu überleben. ist, und bestätigt die Ausführungen von bekennt. Zwar hatte das Bonner T-Mobile-Team die CHRISTOF KÖPSEL / GETTY IMAGES Doping-Bekenner Zabel, Aldag, SPIEGEL-Berichterstattung (1999, 2007): Zusammenbruch eines kriminellen Systems

50 der spiegel 22/2007 ROTH / AUGENKLICK Präsentation des Teams Telekom (1996)*: 17 kleine Negerlein betroffenen Freiburger Ärzte rasch sus- Bedingung ausgesagt, für immer anonym Telekom kamen, in Zeiten, als die Omertà pendiert, doch mehr war nicht passiert. bleiben zu wollen, die andere Quelle be- noch funktionierte. Ansonsten hat das System Doping reagiert, hauptete nach der Veröffentlichung, dass So falsch wie die Dementis in den ver- wie es immer reagiert hat. Es schwieg, es das alles ein großes Missverständnis gewesen gangenen Wochen, die es aus der Freibur- leugnete, es stritt alle Vorwürfe ab, auch sei. Der Druck danach war wohl zu groß. ger Uni-Klinik gab. jetzt noch gibt es Fahrer, die alles bestrei- Das Engagement der Deutschen Tele- Die „gegen die hier angestellten Ärzte ten. Sie geben immer nur zu, was bis ins kom im Radsport war damals ein großes erhobenen Vorwürfe“, sagte Professor kleinste Detail belegbar ist. Thema für die Konzernspitze. Vorstands- Aloys Berg, der stellvertretende Leiter der So war es auch schon 1999, als der SPIE- chef Ron Sommer zeigte sich gern mit Jan Abteilung Sportmedizin, „entbehren GEL erstmals über die systematischen Do- Ullrich, dem neuen Sporthelden der Na- jeglicher Grundlage“. Bei einer Veröffent- ping-Praktiken im Team Telekom berichte- tion, und der Kommunikationschef Jürgen lichung „dieser haltlosen Behauptungen“ te. Damals hatte der SPIEGEL von zwei In- Kindervater war so etwas wie der größte behalte er sich rechtliche Schritte vor. formanten aus dem Team Telekom über den Fan seiner Profi-Truppe. Drei Wochen später erwägt die Uni-Kli- Umgang mit Epo erfahren. Beide Infor- Jan Ullrich, genauso wie der damalige nik nun sogar, die Abteilung ganz auf- manten hatten den Artikel vor Veröffentli- Teamchef Walter Godefroot, gab danach zulösen. chung gelesen und keine Einwände gehabt. eine eidesstattliche Versicherung ab. Der Wahrscheinlich gibt es guten Grund Eine der beiden Quellen hatte nur unter der SPIEGEL musste einen Vergleich akzep- dafür. Jörg Müller, ein ehemaliger Fah- tieren, der es der Redaktion rer der Amateur-Nationalmannschaft, war bis zum heutigen Tag ver- schon Ende der achtziger Jahre in der Ob- bietet, jemals wieder zu be- hut Freiburger Ärzte. Damals hat ihn der haupten, dass Jan Ullrich Verbandsarzt Georg Huber betreut. Eines seit 1996 mit Epo dopte und Tages sei Huber an ihn herangetreten und dass im Team Telekom um- habe ihm Andriol gegeben. Das verkürze fassend und systematisch die Regenerationszeit. Das testosteron- gedopt wurde. haltige Präparat stand zwar auf der Do- Nun, fast acht Jahre da- ping-Liste, er könne es aber unbedenklich nach, muss man davon aus- nehmen, habe der Mediziner erklärt, weil gehen, dass beide eidesstatt- der Schwellenwert nicht überschritten lichen Versicherungen falsch werde. Müller sagt, dass der Bundestrainer sind. die pharmakologische Unterstützung ver- So falsch wie andere De- langt habe, und der Teamarzt habe sie um- mentis, die in den vergange- gesetzt. Huber weiß seit fast zwei Wochen nen Jahren aus dem Team von Vorwürfen Müllers, er hat bis heute nicht reagiert. Huber ist neben Joseph Keul, dem * Jan Ullrich, Christian Henn, Bert

GERO BRELOER / PICTURE-ALLIANCEDietz, / DPA Rolf Aldag (5. v. r.), Erik Zabel im Jahr 2000 verstorbenen ehemaligen Epo-Mittel Recormon: Alltag im Team (2. v. r.), Udo Bölts. Chef der Freiburger Sportmedizin, ei-

der spiegel 22/2007 51 DPA DPA (L.); ROTH / AUGENKLICK (R.) Team-Telekom-Arzt Heinrich mit Leitern Rudy Pevenage, Godefroot, Freiburger Sportarzt Huber: Medizin zweiter Klasse ner der profiliertesten Praktiker der Ab- se Doktoren in den Doping-Sumpf ver- Manchmal hören sich deutsche Sport- teilung. Der Mediziner gilt als Freund wickelt seien. funktionäre an, als wären sie keine Gegner der Sportler, der sich bis tief in die Nacht BDR-Präsident Rudolf Scharping ver- der Sport-Mafia, sondern ein Teil davon. um die Muskeln und Knochen seiner langt eine „rückhaltlose Aufklärung“ und Mit drastischen Maßnahmen will dage- Schützlinge kümmert. Im vergangenen versucht gleichzeitig, die Grenzen der Auf- gen der Politiker Danckert die gegenwärti- Jahr war er der leitende Arzt der deut- räumarbeiten zu setzen. „Da mag Mist pas- ge Enthüllungswelle nutzen. Der Bundes- schen Olympiamannschaft für die Winter- siert sein“, sagte der frühere SPD-Vorsit- tagsabgeordnete fordert nicht nur die öf- spiele 2006 in Turin. zende, aber das müsse nicht dazu führen, fentlich-rechtlichen Fernsehanstalten auf, Kollegen aus dem Klinikum Freiburg ist „eine ganze Sportart zu verteufeln“. endlich dopingverseuchte Sportarten zu seit Jahren suspekt, was dort in der Abtei- Auch Thomas Bach, der Präsident des meiden. Er droht auch Verbänden mit lung Präventive und Rehabilitative Sport- Deutschen Olympischen Sportbundes, fin- Etatkürzungen, wenn sie sich nicht rigoros medizin passiert. Aber wirklich interessiert det es schön, dass Sportler nun „reinen von ihrem belasteten Personal trennen. hat es die traditionellen Mediziner auch Tisch“ machen. Aber er warnt sogleich vor Und er will keine Zuschüsse des Bundes nicht. Sportmedizin gilt bis heute als Me- zu großen Zugeständnissen an Doping- mehr für die Entsendung von Medizinern dizin zweiter Klasse. Auch deshalb suchen Enthüller. Eine Amnestie, wie sie auch zu Weltmeisterschaften oder Olympischen die Sportärzte die Nähe zu den Stars der Radfahrer Dietz und Peter Danckert, Vor- Spielen gewähren, die auch nur im Ver- Sportbranche, sie wollen profitieren von sitzender des Bundestags-Sportausschus- dacht der Doping-Manipulation stehen. deren Ruhm. ses, für geläuterte Sportler fordern, könne Vor allem fordert Danckert die interna- Nach dem Geständnis von Schmid und es nicht geben, weil „wir keine Art Frei- tionalen Sportfunktionäre auf, echte Kron- Heinrich gibt es keinen Zweifel mehr. Aber brief ausstellen können“. zeugenregelungen für Sportler zu schaf- was ist mit den Ski-Langläufern, den Leichtathleten, den Fußballern, die in Deutschlands Sportklinik Nummer eins ein „Rufmordkampagne!“ Eine Chronik der Dementis im Radsport und aus gingen? Der SC Freiburg beispielsweise, der ge- rade knapp den Aufstieg in die Bundesliga „Neee, um Gottes Willen! Ich hätte ja „Ich kann nur sagen: Ich kenne Dr. Schmid verpasste, lehnte es bis Donnerstagmittag keine Nacht mehr ruhig schlafen können. seit 1995. Er ist ein sehr seriöser, sehr ab, sich von dem Freiburger Arzt Andreas Mich hat niemand kontaktiert, um mir integrer Kollege.“ Schmid zu trennen. „Für mich“, sagte Frei- etwas anzubieten.“ LOTHAR HEINRICH am 26. April 2007 burgs Präsident Achim Stocker noch am ROLF ALDAG , T-Mobile-Sportdirektor, im Januar 2007 Mittwoch, „ist Andreas Schmid ein Top- in der Zeitschrift „Tour“ auf die Frage, ob er jemals „Ich habe zu keinem Zeitpunkt verbotene Arzt, der bei uns Top-Arbeit geleistet hat.“ Epo genommen habe Dopingmittel konsumiert, gespritzt Und der Bund Deutscher Radfahrer oder auf andere Art und Weise zu mir (BDR) arbeitet derzeit gleich mit vier Frei- „Die Vorwürfe sind für mich nicht nach- genommen.“ burger Ärzten zusammen, der von dem vollziehbar und entbehren jeglicher JAN ULLRICH, ehemaliger Telekom-Profi, 1999 in einer ehemaligen Amateurfahrer Müller bezich- Grundlage. Dopingberatungen wurden eidesstattlichen Versicherung tigte Huber und York Olaf Schumacher und werden durch uns nicht durchgeführt, sind dort sogar als offizielle Verbands- im Gegenteil.“ „Ich kann versichern, dass es weder ein mediziner tätig. LOTHAR HEINRICH , Freiburger Sportmediziner, im April ge- systematisches noch ein umfassendes Do- Freiburg war keine Doping-Brutstätte genüber dem SPIEGEL zu den Vorwürfen des Pflegers Jef D'hont ping beim Team Deutsche Telekom gibt.“ nach dem Muster der berüchtigten Geheim- WALTER GODEFROOT, ehemaliger Sportlicher Leiter des institute der DDR. Und doch muss sich die „Ich habe niemals Sportlern Epo oder Teams Telekom, 1999 in einer eidesstattlichen Versicherung Klinik einen grundsätzlichen Verdacht ge- Wachstumshormone verabreicht fallen lassen und alle Verbände, die mit ih- oder solche Medikamente Sportlern „Ich bin seit 14 Jahren im Profi-Radsport nen zusammenarbeiten. oder sogenannten Pflegern erfolgreich aktiv und kann auf eine Martin Wolf, Generalsekretär des BDR, ausgehändigt oder zugeschickt.“ dopingfreie Karriere zurückblicken.“ sagte Mitte der Woche noch, dass es „kei- ANDREAS SCHMID, Freiburger Mediziner, im April ERIK ZABEL, ehemaliger Telekom-Fahrer, am 27. April 2007 ne Verdachtsmomente“ gegen andere Ärz- gegenüber dem SPIEGEL gegenüber dem SPIEGEL te gebe, es sei „nicht vorstellbar“, dass die-

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fen, die bereit sind, über Doping auszu- ten ARD-Reporter ein, sie wüssten sehr zulassen. Beides wäre der Tod. Was bleibt, packen. Bis heute müssen Athleten, die wohl über die Doping-Praxis Bescheid. ist der harte und lange Weg: die Amnestie über den wahren Zustand ihrer Sportart Das Wissen sei allerdings nicht für den Zu- und die Selbstreinigung. berichten, nicht nur lange Sperren in Kauf schauer bestimmt. Insofern war der Auf- Doch solange nicht alle korrupten Ge- nehmen. Sie müssen auch fürchten, dass tritt von Bert Dietz in der ARD auch eine schäftemacher an den Schaltstellen der Funktionäre ihnen ihre gewonnenen Titel Art Selbstreinigung. Radbranche aussortiert und die Wege der nachträglich aberkennen und Sponsoren Und auch das ZDF, dessen Starmodera- Pharma-Manipulation unterbrochen sind, Siegprämien zurückfordern. torin Kristin Otto als gedopte DDR- wird sich wenig ändern. Die Fahrer werden Fahrer, Teamleiter, Ärzte, Verbände, die Schwimmerin Medaillen holte und bis heu- mitmachen müssen oder bald vielleicht so sich nicht um Aufklärung mühen, sie alle te jedes wissentliche Doping bestreitet, gab weit hinterherfahren, dass der Sponsor sein sind Teil eines Systems, das bislang nie sich in der vergangenen Woche als Auf- Interesse an ihnen verlieren wird. ernsthaft versucht hat, Doping zu bekämp- klärer, der den Radsport-Sponsor T-Mobi- Chemisch werden die Manipulateure fen. Und dann gibt es natürlich auch die öf- le wegen seiner Doping-Politik angriff. Das den Fahndern immer voraus sein. Es gibt fentlich-rechtlichen Fernsehsender, die in längst neue Methoden des Doping-Betrugs, den vergangenen Jahren Millionen in den Chemisch werden neue Wege, die Doping-Kontrolleure aus- Radsport gepumpt haben. die Manipulateure den Fahndern zutricksen. Die Doping-Mentalität, wie sie Es hat eine gewisse Ironie, dass ausge- immer voraus sein. Aldag formulierte: „Es kann einem ja rechnet die ARD dem Geständnis von Dietz nichts bewiesen werden“, sie gibt es immer eine Bühne gab. Noch im vergangenen Jahr noch. Ganz zu verhindern wird das Do- ließen die Intendanten aller ARD-Sender ZDF ist übrigens auch der Sender, der Rolf ping nie sein, aber es ist möglich, die Tests dem Doping-Aufklärer Werner Franke die Aldag 2005 und 2006 als Experte fleißig zu verbessern, die Forschung zu intensi- Behauptung gerichtlich verbieten, das Erste Honorare zahlte. vieren, die Kontrollen zu verbessern. Das würde „systematisch lügen“, weil es bei der ZDF und ARD erklärten diese Woche, wird Millionen kosten. Die Nationale Anti Berichterstattung über das Radfahren die weiterhin über Großveranstaltungen wie Doping Agentur gibt jährlich rund 1,5 Mil- Kriminalität des Dopens ausblende. Vor die Tour de France berichten zu wollen. lionen Euro aus, es ist ein Bruchteil dessen, dem Münchner Landgericht einigte man Nun wird es wirklich spannend werden, was wirklich nötig wäre. sich – Franke darf weiterhin behaupten, die im Fernsehen zu beobachten, wie den Sen- Wie schwer es sein wird, auch nach der ARD habe das Thema Doping ausgeklam- dern bei der Tour de France der Spagat Amnestie, einen sauberen Radsport zu be- mert. Zu offensichtlich war es gewesen, dass zwischen ihrer alten Rolle als Radfahr-En- kommen, davon erzählen auch die Erfah- die ARD stundenlang über die Tour de thusiasten und ihrer neuen Rolle als Auf- rungen des Teams T-Mobile, das nach der France berichtet hatte, ohne auf den Do- klärer gelingen wird. Suspendierung von Jan Ullrich kurz vor ping-Betrug einzugehen. Und ob überhaupt noch jemand zuschaut. der Tour de France im vergangenen Jahr Die ARD war nicht nur Sponsor des Können die Geständnisse den Radsport den Neuanfang versuchte, ein fast kom- Teams Telekom. Sie erkaufte sich zudem retten? Können Berichte aus der Vergan- plett neues Team aufbaute und dabei aus- für eine sechsstellige Summe das exklusive genheit das Geflecht aus Ärzten, Betreu- gerechnet auf die Freiburger Doping-Ärz- Recht, den Profi Jan Ullrich interviewen zu ern, Teamleitern und Sponsoren zerschla- te zurückgriff und den angeblich sauberen dürfen. Hagen Boßdorf, der langjährige gen? Und wie erfolgreich kann der neue, ehemaligen Telekom-Fahrer Rolf Aldag Sportkoordinator der ARD, moderierte zu- angeblich saubere Weg des Teams T-Mo- zum Sportdirektor machte. Sie hätten ah- dem öffentliche Auftritte des Bonner Rad- bile wirklich sein? Man könnte den Rads- nen können, wo die Schwachstellen sind. sportteams. In internen Gesprächen räum- port zusperren. Man könnte das Doping Seit den Enthüllungen D’honts laufen sie den Ereignissen hinterher. Eigentlich soll- te Aldag erst am kommenden Wochen- ende, so hatte die Teamleitung es geplant, in einem Zeitungsinterview sein Doping- Geständnis machen, doch dann kam Bert Dietz. So musste Aldag am Donnerstag auf der Aldag Schmid Kindervater Pressekonferenz hässliche öffentliche Lü- gen gestehen, damit aus einem Saulus ein Paulus werden kann. Aldag, so entschieden „Unser Team ist sauber. Wir ziehen uns „Diese Leistungen sind mit Medizin nicht Konzern und Teamleitung, wird Teamleiter sofort zurück, wenn in unserem Team machbar, sondern eine Sache der Lebens- bleiben, der Sponsorenvertrag erfüllt. systematisch gedopt werden sollte.“ einstellung, des Trainings, des Talents.“ Bis zum nächsten großen Skandal, der JÜRGEN KINDERVATER, früherer Kommunikationschef der ROLF ALDAG 1999 in der „Welt“ wieder alles in Frage stellen wird. Deutschen Telekom, 2001 Das Schattenreich existiert immer noch. „Als Arzt ist man natürlich für die Gesund- Bert Dietz hat seine Sache trotzdem gut

„Das ist eine Rufmordkampagne!“ heit der Sportler verantwortlich.“ AMMY MINKOFF (R.) gemacht am Montag. Nur einmal hat er KINDERVATER 1999 zu einem SPIEGEL-Bericht über Doping- LOTHAR HEINRICH am 26. April 2007 sich versprochen, als er den Namen seines Verdacht im Team Telekom ehemaligen Teamleiters Walter Godefroot „Ich kann versichern, dass die bei uns vorlie- nannte und erklärte, wie der das Geld für „Man will meine Existenz vernichten.“ genden Dokumentationen bei Fahrern des die Epo-Kuren eintreiben ließ. Eine Stim- JAN ULLRICH 1999 in „Bild“ zum selben Bericht ,Team Telekom‘ in keinem einzigen Fall ein me, wahrscheinlich einer seiner Berater Ergebnis zeigen, welches Anlass zur Feststel- im Studio, warnte ihn: „Das wird jetzt zu „Ich habe in meiner ganzen Karriere lung geben könnte, der Fahrer habe verbote- heiß.“ als Profi seit 1989 nie zu verbotenen ne Mittel im Sinne der im Radsport gelten- Nach der Aufzeichnung einigten sich Mitteln gegriffen.“ den Definition des ,Doping‘ eingenommen.“ Dietz und die „Beckmann“-Redaktion dar- CHRISTIAN HENN, ehemaliger Telekom-Profi, 1999 JOSEPH KEUL, inzwischen verstorbener Freiburger Sport- auf, die entscheidende Passage über Go- gegenüber dem Sportinformationsdienst mediziner, 1999 in einer eidesstattlichen Versicherung defroot mit einem Piepton zu überblen-

RENE SCHULZ / IMAGO (L.); ROTHden. / AUGENKLICK (M.); S Lothar Gorris, Udo Ludwig

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