Plenarprotokoll 10/57

Deutscher

Stenographischer Bericht

57. Sitzung

Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Inhalt:

Aktuelle Stunde betr. Einführung der Strafrechtsänderungsgesetzes — § 125 neuen Filmförderungsrichtlinien durch StGB den Bundesminister des Innern zum — Drucksache 10/901 — 1. März 1984 Schäfer (Offenburg) SPD 4039 B in Verbindung mit Weirich CDU/CSU 4040 B Erste Beratung des von der Bundesregie- Hoss GRÜNE 4041C, 4050 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Baum FDP 4042 C zes zur Änderung des Einführungsgesetzes Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 4043 C zum Gerichtsverfassungsgesetz — Drucksache 10/902 Duve SPD 4045 B — Daweke CDU/CSU 4046 A Engelhard, Bundesminister BMJ 4052 C Dr. Hirsch FDP 4047 A Dr. Vogel SPD 4054 A Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 4047 D Dr. Wittmann CDU/CSU 4060 D Weiß CDU/CSU 4048 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 4063 B Dr. Nöbel SPD 4049 D Kleinert (Hannover) FDP 4067 B Broll CDU/CSU 4050 D Dr. Schnoor, Minister des Landes Nord- rhein-Westfalen 4069 D Wahl der Mitglieder des Gremiums zur Dr. Olderog CDU/CSU 4073 D Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste Dr. de With SPD 4078 D — Drucksache 10/996 — Dr. Hirsch FDP 4081 B Collet SPD (Erklärung nach § 32 GO) 4052A Zur Geschäftsordnung Ergebnis der Wahl 4060 C Porzner SPD 4082 D Dr. Bötsch CDU/CSU Erste Beratung des vom Bundesrat einge- 4083 A brachten Entwurfs eines ... Strafrechtsän- derungsgesetzes — § 303 StGB Nächste Sitzung -4083 D — Drucksache 10/308 —

in Verbindung mit Anlage 1 Erste Beratung des von der Bundesregie rung eingebrachten Entwurfs eines Liste der entschuldigten Abgeordneten 4085* A

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Anlage 2 ruf; Gewährleistung der sozialen Sicher- heit Amtliche Mitteilungen 4085* B MdlAnfr 30, 31 17.02.84 Drs 10/1017 Weinhofer SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* A Anlage 3 Durchführung des Bundesbahnkonzepts Anlage 9 MdlAnfr 3 17.02.84 Drs 10/1017 Immer (Altenkirchen) SPD Modellarten, Teilnehmerzahl und Risiken SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau 4085* C beim derzeitigen Job-Sharing; Neugestal- tungsvorschläge des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung MdlAnfr 32, 33 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 4 Glombig SPD Befristung von Arbeitsverträgen nach der SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* B Rechtsprechung des Bundesarbeitsge- richts sowie Zulassung einer Befristung abweichend von dieser Rechtsprechung Anlage 10 MdlAnfr 16, 17 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Steinhauer SPD Umfang der Teilzeitbeschäftigung und An- SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4085* D teil der Frauen; Umwandlung von Teilzeit- arbeitsplätzen in sogenannte Kapovaz-Ar- beitsplätze MdlAnfr 38, 39 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 5 Frau Odendahl SPD Umgehung des Kündigungsschutzes durch SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4088* C Ausweitung befristeter Arbeitsverträge, insbesondere in Kleinbetrieben MdlAnfr 18, 19 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 11 Dreßler SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4086* C Entwicklung der Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der 390-DM-Grenze; Zusammen- setzung und soziale Sicherung des Perso- nenkreises mit solchen Verträgen Anlage 6 MdlAnfr 40, 41 17.02.84 Drs 10/1017 Abbau der arbeits- und sozialrechtlichen Frau Dr. Martiny-Glotz SPD Benachteiligungen bei Teilzeitbeschäfti- SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4089* A gung; Umfang und Praktizierung der Ar- beit auf Abruf MdlAnfr 26, 27 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 12 Frau Fuchs (Köln) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4087*A Aufstockung der Mittel für nach § 44 Abs. 2 a AFG geförderte Maßnahmen, ins- besondere für Meisterkurse MdlAnfr 42, 43 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 7 Keller CDU/CSU Gestaltung der Arbeit auf Abruf; Verlage- SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4089* B rung des Beschäftigungsrisikos auf den Ar- beitnehmer MdlAnfr 28, 29 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 13 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4087* C Unterbrechung der Arbeit für ein Jahr -auf Kosten der Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte zwischen dem 50. und 58. Le- bensjahr Anlage 8 MdlAnfr 44, 45 17.02.84 Drs 10/1017 Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze Pohlmann CDU/CSU bei der Gestaltung der Arbeit auf Ab SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* A

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Anlage 14 Mannheim mit der Sozialversicherungs- Nichtweiterbeschäftigung nach Ablauf der freiheit solcher Tätigkeiten Berufsausbildung MdlAnfr 82, 83 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 46 17.02.84 Drs 10/1017 Lutz SPD Grünbeck FDP SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4092* A SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* B Anlage 20 Schaltung von Fernsprechanschlüssen auf Anlage 15 einen automatischen Drucker und Auswer- tung der Daten durch das Rechenzentrum Konsequenzen aus dem Gutachten über des Fernmeldetechnischen Zentralamts; die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsverwal- Rechtsgrundlage für diese Datenerhebun- tung gen MdlAnfr 47 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 84 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Steger SPD Frau Reetz GRÜNE SchrAntw PStSekr Vogt BMA 4090* C SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4092* C

Anlage 21 Anlage 16 Umfang der nicht durch Bundesmittel ab- gedeckten Kosten für Ausbildungsmaß- Erhaltung von Ausbildungsplätzen beim nahmen nach dem Sonderprogramm der Ausbesserungswerk und Bahnbetriebs- Bundesregierung zur Gewinnung über- werk in Weiden oder außerbetrieblich organisierter Ausbil- MdlAnfr 77 17.02.84 Drs 10/1017 dungsplätze Stiegler SPD MdlAnfr 87, 88 17.02.84 Drs 10/1017 SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 4091* A Kastning SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4092* D

Anlage 17 Anlage 22

Kostenlose Zusatzleistungen der Bundes- Inanspruchnahme des Sonderprogramms der Bundesregierung zur Gewinnung von -bahn beim Reiseangebot „Die Klasse(n) Tour per Bahn" über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen; finanzielle und tarif- MdlAnfr 78, 79 17.02.84 Drs 10/1017 rechtliche Hemmnisse bei der Übernahme Hinsken CDU/CSU einer Trägerschaft SchrAntw PStSekr Dr. Schulte BMV 4091* B MdlAnfr 89, 90 17.02,84 Drs 10/1017 Weisskirchen (Wiesloch) SPD SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4093* B

Anlage 18 Anlage 23 Stationierung deutscher Direkt-Satelliten und Verteil-Satelliten im Weltraum; Mög- Fortbestand des ITZ über den 31.3. 1984 lichkeiten für den Empfang der damit aus- hinaus gestrahlten Programme MdlAnfr 91 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 80, 81 17.02.84 Drs 10/1017 Marschewski CDU/CSU Dr. Hirsch FDP SchrAntw StSekr Piazolo BMBW 4093* D SchrAntw PStSekr Rawe BMP 4091* C - Anlage 24 Austritt der USA aus der UNESCO Anlage 19 MdlAnfr 92 17.02.84 Drs 10/1017 Umfang der Arbeit auf Abruf bei der Bun Würtz SPD despost; Werbung der Bundespost in SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* A

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Anlage 25 Anlage 31 Militärische Aktionen der SWAPO, angola- Erörterung der Problematik einer Rü- nischer und kubanischer Militärkräfte ge- stungskooperation mit Ägypten beim gen Namibia Staatsbesuch von Bundeskanzler Kohl in MdlAnfr 93, 94 17.02.84 Drs 10/1017 Israel Graf Stauffenberg CDU/CSU MdlAnfr 104 17.02.84 Drs 10/1017 SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* C Hiller (Lübeck) SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* C Anlage 26 Verstoß gegen die KSZE-Vereinbarungen von Helsinki und Madrid durch die Nicht- Anlage 32 zulassung von Radio Free Europe zu den Olympischen Winterspielen in Sarajewo; Reaktion Saudi-Arabiens auf die Regie- Intervention der Bundesregierung zugun- rungserklärung des Bundeskanzlers vom sten inhaftierter Franziskanerpatres und 9. Februar 1984 und die Bedingungen für anderer politischer Häftlinge in Jugosla- Waffenkäufe wien MdlAnfr 105, 106 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 97, 98 17.02.84 Drs 10/1017 Frau Simonis SPD Jäger (Wangen) CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* C SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4094* D

Anlage 27 Anlage 33 Erschießung des Asylbewerbers David Umweltschäden durch das Verbrennen Aboagye in Ghana im Dezember 1983 nach kunststoffausgekleideter Särge in Krema- dessen Abschiebung torien MdlAnfr 99 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 107 17.02.84 Drs 10/1017 Curdt SPD Frau Weyel SPD SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4095* B SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* A

Anlage 28 Schicksal der ungandischen Oppositions- Anlage 34 politiker Luke Kazinja und Onemos Katali- kawe Stellungnahme der Bundesregierung im MdlAnfr 100, 101 17.02.84 Drs 10/1017 Asylverfahren des ghanaesischen Staats- Dr. Hüsch CDU/CSU bürgers David Aboagye SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4095* C MdlAnfr 108 17.02.84 Drs 10/1017 Curdt SPD Anlage 29 SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* A Behandlung der Ausreisefrage und der Ge- währleistung kultureller und nationaler Ei- genart für Deutsche in der von Polen gefor- Anlage 35 derten „gemischten Kommission" MdlAnfr 102 17.02.84 Drs 10/1017 Einnahmen durch die Kostenerstattung Dr. Czaja CDU/CSU für den Hochwassereinsatz des Techni- schen Hilfswerkes im April/Mai 1983 SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* A MdlAnfr 109 17.02.84 Drs 10/1017 Pauli SPD Anlage 30 SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* B Technische oder logistische Unterstützung - westlicher Militäreinheiten im Nahen Osten durch die Bundesrepublik Deutsch- land Anlage 36 MdlAnfr 103 17.02.84 Drs 10/1017 Äußerungen des Kommandeurs des Bun Frau Zutt SPD desgrenzschutzkommandos West, Ulrich SchrAntw StMin Dr. Mertes AA 4096* B Wegener, über den Afrikanischen National-

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kongreß und die EKD; Vereinbarkeit die- Anlage 41 ser Äußerungen mit der Antwort auf die Große Anfrage zur „Politik der Bundesre- Organisatorische Änderungen im Bereich gierung im Südlichen Afrika" des Bundesverbandes für den Selbstschutz und des THW; Konsequenzen für die Mit- MdlAnfr 110, 111 17.02.84 Drs 10/1017 arbeiter Dr. Hauchler SPD MdlAnfr 120 17.02.84 Drs 10/1017 SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4097* C Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* D

Anlage 37

Zahl der länger als eine Amtsdauer der Re- Anlage 42 aktorsicherheits- und Strahlenschutzkom- mission angehörenden Mitglieder; Auffas- Stand der Vorbereitungen für die interna- sung des Bundesinnenministers über den tionale Umweltkonferenz im Sommer 1984 Adressaten der Stellungnahmen dieser in München Gremien MdlAnfr 121 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 112, 113 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Steger SPD Schäfer (Offenburg) SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4100* B SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4098* A

Anlage 43 Anlage 38 Benachteiligung der Sparkassen durch Beteiligung der Bundesregierung am Kauf steuerliche und vermögenspolitische Maß- des Evangeliars Heinrich des Löwen; wi- nahmen sowie durch die Nichteinführung dersprüchliche Aussagen der Bundesregie- eines Haftungszuschlags auf das Eigenka- rung über die Intentionen der TA Luft in pital in der vorgelegten Novelle zum Kre- bezug auf den Sauren Regen und das Wald- ditwesengesetz sterben MdlAnfr 122, 123 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 114, 115 17.02.84 Drs 10/1017 Stockleben SPD Krizsan GRÜNE SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4100* D SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4098* C

Anlage 44 Anlage 39 Benachteiligung der von staatlichen Spar- Menge der an die DDR gelieferten Abfälle, maßnahmen betroffenen Einkommen insbesondere Sonderabfälle, aus der Bun- schwachen angesichts der Steuervergün- desrepublik Deutschland und anderen eu- stigungen für Großverdiener ropäischen Ländern; Beseitigungskosten MdlAnfr 124 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 116, 117 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Schöfberger SPD von Schmude CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4101* B SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* A

Anlage 45 Anlage 40 Sonderverkauf von bundeseigenen VEBA- Aufforderung des polnischen Generalkon- Aktien sulats an polnische. Ehefrauen deutscher Aussiedler zur Rückgabe des Bundesperso- MdlAnfr 125, 126 17.02.84 Drs 10/1017 nal- und Vertriebenenausweises; Zahl der Müller (Wesseling) CDU/CSU Asylgewährungen an Mitglieder der Ge- SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF - 4101* D werkschaft „Solidarität" sowie Anteil der Asylanten mit deutscher Staatsangehörig- keit MdlAnfr 118, 119 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 46 Dr. Hupka CDU/CSU Unterschiedliche Definition des haftenden SchrAntw PStSekr Spranger BMI 4099* C Eigenkapitals bei Sparkassen und Genos-

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senschaftsbanken; Einräumung gleicher Anlage 52 Wettbewerbschancen Fortsetzung der 1979 unterbrochenen Bau- MdlAnfr 127, 128 17.02.84 Drs 10/1017 arbeiten am iranischen Atomkraftwerk Eylmann CDU/CSU Bushir angesichts der Möglichkeit zur Her- SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4102* B stellung von Atomwaffen über das anfal- lende Plutonium MdlAnfr 138, 139 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 47 Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE Information des Aufsichtsrats der VEBA- SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* D Glas über Produktions- und Preisabspra- chen MdlAnfr 129 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Jens SPD Anlage 53 SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF 4102* D Produktions- und Preisabsprachen 1979 zwischen den Hohlglasherstellern MdlAnfr 140 17.02.84 Drs 10/1017 Anlage 48 Dr. Jens SPD Schädigung des Gaststättengewerbes SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* A durch nicht gewerbsmäßig betriebene Ver- anstaltungen MdlAnfr 130, 131 17.02.84 Drs 10/1017 Rapp (Göppingen) SPD Anlage 54 SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4103* A Amerikanisches Ausfuhrverbot für Roh- stoffe zur Herstellung kugelsicherer We- sten in der Bundesrepublik Deutschland Anlage 49 für den Export nach Syrien Staatliche Garantien für Arbed Saarstahl MdlAnfr 141 17.02.84 Drs 10/1017 als Voraussetzung für eine zügige Abwick- Schlaga SPD lung des Restrukturierungsprogramms der SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* B saarländischen Stahlindustrie MdlAnfr 132, 133 17.02.84 Drs 10/1017 Schreiner SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4103* C Anlage 55 Anstieg der Bruttoeinkommen aus Unter- nehmertätigkeit und Vermögen einerseits Anlage 50 und aus Arbeitnehmertätigkeit anderer- Erlaubnis für den Export kugelsicherer seits Schutzwesten nach Syrien; Reaktion der MdlAnfr 142 17.02.84 Drs 10/1017 Bundesregierung auf den Druck der USA Dr. Schöfberger SPD gegen den Export von Dieselmotoren nach SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4105* C Rumänien MdlAnfr 134, 135 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* A Anlage 56 Studie über den Schuldenabbau der DDR Anlage 51 MdlAnfr 143 17.02.84 Drs 10/1017 Dr. Czaja CDU/CSU Auswahl der Gebiete gem. EG-Verordnung SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4106* A zur Beseitigung von Entwicklungshemm- nissen in von der Umstrukturierung der Ei- - sen- und Stahlindustrie betroffenen Gebie- ten; Einbeziehung der Standorte Maxhütte Sulzbach-Rosenberg und Haidhof Anlage 57 MdlAnfr 136, 137 17.02.84 Drs 10/1017 Stand der Vorbereitungen für die Indu Sieler SPD strieausstellung der deutschen Wirtschaft SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4104* B 1984 in Japan; Kritik am offiziellen Stand

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der Bundesrepublik Deutschland auf der Anlage 60 internationalen Touristikfachmesse 1984 in Madrid Regelung des Endverbleibs der unter deut- scher Beteiligung in Ägypten produzierten MdlAnfr 144, 145 17.02.84 Drs 10/1017 Panzerfahrzeuge Dr. Kübler SPD MdlAnfr 150 17.02.84 Drs 10/1017 SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4106* B Hiller (Lübeck) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* D Anlage 58 Beteiligung von Daimler-Benz und Thys- Anlage 61 sen-Henschel an der Produktion von Pan- Widerruf von Genehmigungen zur Produk- zerfahrzeugen in Ägypten; Anforderung ei- tion von Kriegswaffen bei Verstößen gegen ner Stellungnahme von Krauss-Maffei zur das Kriegswaffenkontrollgesetz, insbeson- Beantwortung parlamentarischer Anfra- dere durch Rheinmetall gen über die Zusammenarbeit mit Ägypten beim Bau eines Kampfpanzers MdlAnfr 151, 152 17.02.84 Drs 10/1017 Klose SPD MdlAnfr 146, 147 17.02.84 Drs 10/1017 Gansel SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4108* A SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* B Anlage 62

Anlage 59 Widersprüchliche Aussagen über die Ent- wicklung eines Kampfpanzers für Ägypten Export von 33 000 kugelsicheren Körper- durch die Firma Krauss-Maffei vor dem westen nach Syrien und deren dortige Ver- Hintergrund der Waffenexport- und Nah- wendung ostpolitik der Bundesregierung MdlAnfr 148, 149 17.02.84 Drs 10/1017 MdlAnfr 153, 154 17.02.84 Drs 10/1017 Antretter SPD Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4107* C SchrAntw PStSekr Dr. Sprung BMWi 4108* C

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Beginn: 8.00 Uhr

Präsident Dr. Barzel: Die Sitzung ist eröffnet. der Meinungsfreiheit und der künstlerischen Frei- Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatz- heit deutlich macht. punkt auf: Herr Bundesinnenminister, Sie haben sich sonst Aktuelle Stunde im Bereich der Umweltpolitik nur durch Ankündi- gungen ausgezeichnet. Sie haben noch kein einzi- Einführung der neuen Filmförderungsricht- ges Gesetz durch das Plenum des Deutschen Bun- linien durch den Bundesminister des Innern destages gebracht. zum 1. März 1984 (Zurufe von der CDU/CSU) Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. lc der An- lage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Hier, wo es um eine Richtlinie geht, wollen Sie Stunde zu dem Thema Einführung der neuen Film- handstreichartig ohne ausreichende Debatte die be- förderungsrichtlinien durch den Bundesminister währten Filmförderungsrichtlinien ändern. des Innern zum 1. März 1984 verlangt. (Lachen bei der CDU/CSU) Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich noch Die Aktuelle Stunde heute morgen soll deutlich einmal darauf hin, daß die Geschäftsordnung hier machen, daß Sie in dieser wichtigen Frage in die- strenge Einhaltung der Redezeit vorsieht. sem Hause keine Mehrheit haben, Herr Bundesin- Als erster hat der Herr Abgeordnete Schäfer (Of- nenminister. Weder die Fraktion der FDP noch die fenburg) das Wort. Fraktion der GRÜNEN, noch die Fraktion der Sozi- aldemokratischen Partei unterstützen diese Wende in der Filmförderungspolitik. Schäfer (Offenburg) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher, for- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) mal betrachtet, nicht üblich, daß sich der Bundestag Dieses Hohe Haus wird heute morgen deutlich ma- mit einer Richtlinie im Plenum befaßt, zu der weder chen, daß Sie mit Ihrer Änderung alleinstehen. Dies die Zustimmung des Bundesrates noch die des Bun- ist übrigens auch für das Ansehen der Bundesrepu- destages erforderlich ist. blik Deutschland im Ausland wichtig. (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) (Zurufe von der CDU/CSU) In diesem Fall ist es indessen dringend geboten. Die Wir haben, meine Damen und Herren, diese Ak- Entscheidung, über die wir heute diskutieren, hat tuelle Stunde auch beantragt, um Ihnen, Herr Bun- nämlich, wie Sie wissen, weitgehende Auswirkun- desinnenminister, noch einmal die Chance zu ge- gen auf das politische, auf das geistige und damit ben, angesichts der Mehrheitsverhältnisse in die- auf das kulturelle Leben in der Bundesrepublik sem Haus Ihre vorgesehene Entscheidung zu über- Deutschland und darüber hinaus. Die Entschei- denken. Daß Sie, meine Damen und Herren von der dung, Herr Bundesinnenminister, ist zum Testfall CDU/CSU, die Kultur gering achten, wird schon dafür geworden, darin deutlich, daß Sie sich hartnäckig weigern, ei- (Schwenninger [GRÜNE]: Er hört gar nicht ner entsprechenden Arbeitsgruppe Kunst und Kul- zu!) tur im Innenausschuß zuzustimmen, wie Sie es mit der grundgesetzlich garantierten kul- (Beifall bei der SPD) turellen und künstlerischen Freiheit in diesem die in der letzten Legislaturperiode gut gearbeitet Lande halten. hat. (Beifall bei der SPD) Es sollte Ihnen zu denken geben, meine Damen Deswegen ist es notwendig, daß der Deutsche Bun- und Herren von der CDU/CSU, wie sich beispiels- destag hier in aller Öffentlichkeit seine Auffassung weise das 13. Internationale Filmfestival in Rotter- zu den von Ihnen vorgesehenen schwerwiegenden dam zu der von Ihnen praktizierten Filmförderpoli- Eingriffen in das grundgesetzlich garantierte Recht tik und den vorgesehenen Änderungen stellt. Auf 4040 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Schäfer (Offenburg) diesem Internationalen Filmfestival war alles von Sie Zeit für Zärtlichkeit für den Bundesinnenmini- Rang und Namen vertreten, von den Festivals von ster aufbringen. Er würde an Ihrer Geschmacksver- Cannes bis New York, von Venedig bis Sidney. irrung auch verzweifeln. (Weiß [CDU/CSU]: Sie haben dort gefehlt!) (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Ich lese Ihnen einmal vor, was dort an Herrn Bun- Aber mit einer vernünftigen und sachgerechten Be- desinnenminister Zimmermann geschrieben wor- wertung wären Sie eigentlich nicht überfordert. Es den ist: ist geradezu grotesk, daß Sie von der SPD nun (Zuruf von der CDU/CSU: Von wem plötzlich die Anwälte der Filmschaffenden spielen denn?) wollen. Herr Duve, lassen Sie mich in allem Frei- mut sagen: Mit Sorge betrachten die Unterzeichner dieses Briefes die Entwicklung des neuen deutschen (Heiterkeit) Filmes, der in den vergangenen Jahren ent- Die Vorreiter bei der Filmförderung in der Bundes- scheidende Impulse auch für den internationa- republik Deutschland sind die unionsregierten Län- len Film gegeben hat. In der Tat, die bisherige der, nämlich Bayern, ganz vorne, und Berlin. Praxis hat sich bewährt. Dann wird auf Ihre neue Praxis hingewiesen, und Sie mögen Frühaufsteher bei der Dauereinrich- dann heißt es: tung von Aktuellen Stunden sein, in praktischer Förderungspolitik sind Sie Spätstarter. Dies ist eine gefährliche Entwicklung. Die Tra- dition des neuen deutschen Filmes, Herr Bun- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) desinnenminister, sollte auch von Ihnen pfleg- Wie ist die Lage, meine Damen und Herren? Der lich behandelt werden, so wie von den Vorgän- Marktanteil des deutschen Films ist dramatisch ge- gern in Ihrem Amt. sunken. In den Nachbarländern Europas trägt der Dem stimmen wir zu. — Schließlich, Herr Bundes- deutsche Film die rote Laterne. Ein völlig unver- innenminister, meine Damen und Herren von der dächtiges Magazin, der „stern", schrieb kürzlich: CDU/CSU: Selten schlief man beim deutschen Film so Die Mißachtung der künstlerischen Freiheit leicht ein wie in diesem Jahr. kann leicht der erste Schritt zur Beschneidung (Schwenninger [GRÜNE]: Und jetzt wird von jeglicher Freiheit und Liberalität werden. es besser?) So weit über hundert Teilnehmer am Internationa- len Filmfestival in Rotterdam. Die simpelsten Regeln des Handwerkes würden mißachtet. Das Organ des Deutschen Gewerk- Meine Damen und Herren, wir teilen die Sorgen. schaftsbundes, die „Welt der Arbeit", schrieb: Deswegen fordern wir Sie auf, Herr Bundesinnen- minister, die Mehrheitsmeinung in diesem Hause Die deutschen Filmemacher verzetteln sich in in dieser Frage zu beachten und zumindest die Neu- zahllose Einzelprojekte, die finanziell schwach einführung der Richtlinien bis zum 31. Dezember auf der Brust sind und oft nur die Regisseure 1984 zurückzustellen, damit eine intensive öffentli- interessieren. che Debatte über das geführt werden kann, was Sie Zwar sind wir auf der Berlinale sehr stark vertre- jetzt mit der Neufassung der Filmförderungsrichtli- ten, meine Damen und Herren, aber Masse heißt nien vorhaben. noch nicht Klasse. Deshalb hat gestern auch die (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) „FAZ" Zweifel an der künstlerischen Potenz geäu- ßert und gesagt: „Der deutsche Film steht alles an- dere als glänzend da." Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- (Zuruf des Abg. Duve [SPD]) nete Weirich. Wundert es Sie, wenn der Innenminister bei dieser Lage bei seinen Förderungsrichtlinien den Aspekt Weirich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr der Wiedergewinnung des Publikums im Auge hat, verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schä- (Kühbacher [SPD]: „Heidi"!) fer, der Kurzfilm, mit dem Sie bei dem Filmfestival des Hohen Hauses heute morgen den Bundesinnen- wenn er die Filmemacher zu mehr Risikobereit- minister zu filmen versuchen, könnte den Titel: schaft ermuntert, was zu erhöhter Kreativität füh- „Horror im Morgengrauen" tragen. ren dürfte, wenn er auch, aber nicht alleine Experi- (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zurufe mentalfilme fördert und wenn er im Rahmen der von der SPD) Möglichkeiten das Geld der Steuerzahler für einen Beitrag zur Attraktivierung des deutschen Films Er gehört absolut in die Kategorie der Abenteuer- verwenden will. filme und ist auf keinen Fall förderungswürdig. Wir wollen den künstlerisch hochstehenden Film (Fortgesetzte Heiterkeit bei der CDU/ fördern, CSU) (Duve [SPD]: Und ihn zensieren!) Meine Damen und Herren, ein Erfolgsfilm auf der Berlinale heißt „Zeit für Zärtlichkeit". Niemand suchen aber dafür das Bündnis mit dem Zuschauer. kann von Ihnen, von der Opposition, erwarten, daß — Sie, Herr Duve, scheinen sich in Ihrem konserva- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4041

Weirich tiven Zelluloidschneckenhaus längst vom Zu- Einer der deutschen Erfolgsfilme heißt „Super- schauer abgewandt zu haben. nase". (Beifall bei der CDU/CSU) (Duve [SPD]: Sie sind ein Supernaseweis!) Wer Förderungsnaturschutzparks für eine kleine Zahl von Etablierten zu errichten versucht, der öff- Präsident Dr. Barzel: Herr Abgeordneter, Ihre Re- dezeit ist abgelaufen. Ich bin gehalten, die Rede- net sich zuwenig gegenüber einem breiten Spek- trum von Künstlern, er blockiert geradezu kreatives zeit — — Potential. Weirich (CDU/CSU): Ich komme zum Schluß. (Duve [SPD]: Sagen Sie das mal den jun gen Künstlern! Was ist das für ein Kultur Präsident Dr. Barzel: Nein. Es ist Schluß, Herr Kol- verständnis, was Sie hier bringen?) lege. Sie betreiben doch nur Besitzstandsdenken. Kraft-Wetzel hat kürzlich in der „TAZ" geschrie- Weirich (CDU/CSU): Danke sehr, Herr Präsident. ben — und ich finde, das ist bezeichnend —: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Den finanziellen Spielraum, den sich der neue deutsche Film während der sozialliberalen Ära Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- durch geduldige Lobbyarbeit erobert hat, müs- nete Hoss. sen wir als einen unserer sozialen Besitzstände mit Zähnen und Klauen verteidigen. Hoss (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit 5 Millionen DM hat das Bundesin- So etwas, meine Damen und Herren, findet nicht nenministerium bisher jährlich kulturelle Filmför- die Zustimmung der Union. derung betrieben. 5 Millionen DM kosten ein Und nun ein Wort zu dem, was Sie am Innenmini- Kampfpanzer Leopard II oder drei Feldhaubitzen. ster als „Oberzensor" usw. kritisieren: (Zuruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU]) (Schwenninger [GRÜNE]: Stimmt doch!) In der Rüstung sind Sie fix, für Kultur tun Sie nix! Alexander Kluge hat jüngst sinngemäß gesagt: Jede Trotzdem: Dieses Geld des Innenministeriums war Förderung ist im Grunde Zensur. Er wollte damit wichtig, damit der neue deutsche Film zwar mit ausdrücken: Es wird immer Auswahlausschüsse, es kleinem Budget, aber mit richtungsweisenden Fil- wird immer Menschen geben, die Entscheidungen men und einer zunehmenden Vielfalt an Dokumen- über Kunst treffen, wenn das Geld der Steuerzahler tarfilmen entstehen konnte. Kurz: Eine Filmkultur ausgegeben wird. entstand, die dem neuen deutschen Film ein hohes Ansehen hierzulande und vor allem im Ausland ver- (Duve [SPD]: Auswahlausschüsse von schaffte. Fachleuten sind keine Beamten des Mini (Zuruf von der CDU/CSU: Aber keine Zu steriums!) schauer!) Manche sagen — hören Sie mit Blick auf Hamburg Mit den neuen Richtlinien soll dem neuen deut- gut zu, Herr Duve —, Selbstverwaltungsmodelle för- schen Film der Garaus gemacht werden. Filmarbei- derten in besonderer Weise den sogenannten Filz ten wie die von Kluge, Schlöndorff und von Trotta, unter den Etablierten und seien deswegen beson- ders parteiisch. Ich sage für die Zukunft der Film- (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Alles Bewunderer förderung: Die Auswahlausschüsse behalten auch von Zimmermann!) zukünftig ihr Gewicht. Kann sich aber der politisch Dokumentarfilme über die Zustände nicht nur in und rechtlich verantwortliche Minister aus seiner diesem Lande, sollen verschwinden, Drehbücher Verantwortung davonstehlen? Freiheit ist nur denk- nicht mehr geschrieben werden, Filmkultur soll bar, wenn sie gleichzeitig auch mit der Verantwor- nicht mehr gefördert werden. tung für die Werteordnung unserer Verfassung ver- Seit Übernahme des Ministeriums durch die CSU bunden ist. hat eine kulturfeindliche Kurswende eingesetzt, die (Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger beispiellos ist. [GRÜNE]: Ach dafür! — Zurufe von der (Beifall des Abg. Schwenninger [GRÜNE] SPD) — Zuruf von der CDU/CSU: Glauben Sie Natürlich gibt es zwischen diesen beiden Zielen ei- das wirklich, was Sie da sagen?) nen deutlich wahrnehmbaren Konflikt. Aber diese Die Filmemacher sprechen von Reichsfilmkammer. werden — dafür steht dieser Bundesinnenminister Noch während die alten Richtlinien gelten, häufen — im Gedankenaustausch, offen und frei ausgetra- sich Zensurmaßnahmen und Repressalien gegen gen. geförderte oder zu fördernde Filme. Aus den- neuen Es gibt in diesen Richtlinien weitere positive Richtlinien spricht der Ungeist einer Antikulturpo- Punkte wie Straffung und Entbürokratisierung. litik, die sich dem sogenannten gesunden Volks- empfinden verpflichtet fühlt und dem abgewirt- Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Satz an schafteten Kommerzkino wieder auf die Sprünge die SPD sagen. helfen soll. (Schwenninger [GRÜNE]: Da muß mehr (Hört! Hört! bei der SPD — Duve [SPD]: Demokratie in den Film hinein!) Sie bringen nicht mal das fertig!) 4042 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Hoss Zimmermann beteuert zwar, ihm liege der gute sondern diese wirtschaftlich orientierte Förderung deutsche Film am Herzen, und er wolle ihm zu ist ganz klar auf Filme angelegt, die den deutschen mehr Qualität und größerer Publikumsresonanz und amerikanischen Filmkommerz mit Produk- verhelfen. Gleichzeitig aber sagt er: „Ich bin einfach tionsgeldern versorgen sollen, nicht bereit, pseudokünstlerische Experimente, die (Daweke [CDU/CSU]: Unmöglich, was Sie nur der Selbstbefriedigung und Selbstverwirkli- da sagen!) chung einzelner dienen, zu unterstützen." auch um billige Unterhaltungsware für die Kabel- (Sehr gut! bei der CDU/CSU) kanäle des zukünftigen Privatfernsehens zu haben, Er schwingt sich zum bundesweiten Geschmacks- Seichtes für die Medienflut. diktator auf und entmündigt die Bürger, selbst zu (Schwenninger [GRÜNE]: So ist es!) entscheiden. Die GRÜNEN fordern deshalb: Zurücknahme des (Lachen bei der CDU/CSU— Duve [SPD]: Richtlinienentwurfs und Beteiligung der Verbände Auf eine geschmacklose Art!) des neuen deutschen Films an qualifizierten Richt- linien; Erhöhung der Haushaltsmittel; ein unabhän- Er will bestimmen, welche Filme mit Förderungs- giges Auswahlgremium, das nur nach künstleri- mitteln entstehen dürfen. schen Kriterien entscheidet. Mit seinen Richtlinien ist die Bundesrepublik das (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD) einzige europäische Land, das auf dem Gebiet des Films Qualität nicht fördert, sondern durch Förde- rung wegzuräumen versucht. Gefällt der fertige Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- Film dem Ministerium nicht, können die Förde- nete Baum. rungsgelder zurückverlangt werden, womit man je- (Schwenninger [GRÜNE]: Der ist in der den Filmemacher ruinieren kann. Ein bezeichnen- Zwickmühle!) der Hinweis dazu ist die skandalöse Verweigerung der letzten Finanzierungsrate für den Film „Meridi- an" von Rüdiger Neumann, aus dem dieser einen Baum (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Satz herausstreichen soll, in dem es um ein Zitat Herren! In Sachen Filmförderung bestehen Mei- von Reagan zum vorstellbaren begrenzten Atom- nungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesin- krieg geht. nenminister und den Liberalen. Das ist übrigens, (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aha!) wie Sie aus früherer Zeit bestätigen können, in einer Koalition unabhängiger und selbständiger Filme zwischen 20 und 78 Minuten fallen total Parteien nichts Ungewöhnliches. Allerdings setze aus der Förderung heraus, was insbesondere doku- ich mich in Form und Inhalt der Kritik von dem ab, mentarische innovatorische Filme betrifft. Der do- Herr Kollege Hoss, was Sie hier gesagt haben. kumentarische Film dürfte mit diesen Richtlinien ohnehin der wirtschaftlichen und politischen Gesin- Wir wenden uns gegen einige Bestimmungen in nung des Innenministeriums zum Opfer fallen. den neuen Richtlinien und stellen gleichzeitig fest, daß der Bundesinnenminister in seiner bisherigen Mit diesen Richtlinien hat sich Zimmermann ein Amtszeit die bisherigen Richtlinien anders inter- Ermächtigungsgesetz geschaffen, das die Filmkul- pretiert und anders handhabt, als alle seine Vorgän- tur nicht fördert, sondern verhindert und eine politi- ger dies getan haben. sche Kontrolle einführt. (Zuruf von der SPD: Leider wahr!) (Dr. Laufs [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Dies betrifft vor allen Dingen die stärkere Einschal- Mit diesen Richtlinien wird die Kontinuität von 20 tung des Staates, d. h. des Ministeriums und des Jahren kultureller Filmförderung des Bundes abge- Ministers, in den Entscheidungsprozeß. würgt. Die Verbände des neuen deutschen Films Wir sind der Meinung, daß sich die Vergabe von wurden zwar um Stellungnahme gebeten, sie be- Filmpreisen an der bewährten Praxis der Staats- nannten auch ihre Bedenken und machten Gegen- ferne zu orientieren hat. In der Abwägung, ob der vorschläge. Dies blieb aber nahezu folgenlos und Staat selbst enscheidet oder ob er diese Aufgabe hatte lediglich Alibifunktion. Die Mehrheit der Ver- einem unabhängigen Auswahlgremium überträgt, bände des neuen deutschen Films, die in der Bun- sind wir unbedingt der Meinung, daß dem Auswahl desvereinigung des Deutschen Films organisiert ausschuß der Vorrang gebührt. Diese Auswahlaus- sind, der Autoren-Film, die Dokumentarfilmer, die schüsse haben sich bewährt. Es war, Herr Kollege Filmarbeiterinnen, die Verleiher und Kinomacher, Zimmermann, in der Vergangenheit immer mög- die regionalen Filmbüros und Videogruppen, ver- lich, die parlamentarische Verantwortung, die Sie weigert angesichts dieser Richtlinien jede Koopera- ungeschmälert haben, für diese Entscheidungen zu tion mit dem Innenministerium, benennt keine Mit- tragen. - glieder für die Gremien, macht keine Vorschläge für Bundesfilmpreise; sie verweigert sich. Vom zuständigen Minister erwartet niemand, daß er sich mit den Entscheidungen inhaltlich identifi- Diese Art von Kulturpolitik hat allerdings nicht ziert. Der Staat fördert, er ist nicht Sinngeber und nur mit der sichtbaren Inkompetenz und dem spie- nicht Kontrolleur. ßigen Geschmack im Innenministerium zu tun, (Beifall bei der FDP — Zustimmung bei (Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!) der SPD) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4043

Baum Er muß die kulturelle Vielfalt respektieren, wie sie — so wird hier von neutraler Seite gesagt — sich frei entwickelt. Zur Toleranz des demokrati- hätte man sich kaum wünschen können. schen und liberalen Rechtsstaats gehört, daß er auch Fundamentalkritik zuläßt. Diese Freiheit darf Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von Staats wegen nur dann und insoweit begrenzt werden sich also — auch darüber darf die heutige werden, als ihr Mißbrauch den unsere Verfassung Debatte nicht hinwegtäuschen — auf wichtige Ge- tragenden ethischen Grundkonsens ernsthaft ge- meinsamkeiten in der Kulturpolitik zwischen den fährden würde. Das ist in all den Jahren nie der Fall Koalitionsparteien einrichten müssen. gewesen; Danke. (Duve [SPD]: Sehr richtig, sehr wahr!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mir ist keine Entscheidung des Auswahlgremiums dieser Art bekannt. Das Wort hat der Bundesmi- Unser zweiter Einwand richtet sich gegen die Präsident Dr. Barzel: nister des Innern. Einführung von Elementen der Wirtschaftsförde- rung anstatt der bisher ausschließlich an der kul- (Roth [SPD]: Zimmermann aus dem Silber turellen Qualität orientierten Förderung. Es ist ja wald!) nur ein sehr kleiner Betrag, 5 Millionen DM. Wir schätzen, daß für Filmförderung in der Bundesrepu- blik etwa 80 Millionen, 90 Millionen DM und eine Dr. Zimmermann, Bundesminister des Innern: Milliarde DM für die Theaterförderung zur Verfü- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gung gestellt werden. Es bleiben also 5 Millionen schön, daß morgens um acht schon eine so gute DM für die Förderung kultureller Spitzenleistung. Stimmung im Plenum herrscht. So wünschenswert es ist, dem Film ein größeres (Schwenninger [GRÜNE]: Dafür haben Sie Publikum zu erschließen, müßte man aber unserer gesorgt!) Meinung nach an der Verleihstruktur ansetzen, man müßte fragen: Was machen die Amerikaner — Na eben, das ist doch auch was, wenn ich dafür mit ihrer großen Finanzmacht hier in unseren Ki- gesorgt habe. Seien Sie doch dankbar dafür. nos? Wir sind der Meinung, daß es wichtig ist, nach Meine Damen und Herren, der Referentenent- wie vor den Mut zu haben, mit diesem bescheide- wurf über Filmförderungsrichtlinien ist als Diskus- nen Betrag von 5 Millionen DM die kulturelle Krea- sionsgrundlage schon im letzten Jahr einem unge- tivität und das Experiment zu fördern, auch dann, wöhnlich breiten Kreis zugeleitet und schriftlich wenn nicht sicher ist, ob der Film beim Publikum und mündlich diskutiert worden, ankommt. Dieser Grundhaltung verdanken wir den (Duve [SPD]: In den letzten Dezemberta Aufstieg des neuen deutschen Films und seine in- gen!) ternationale Anerkennung. zuletzt direkt mit den Filmschaffenden anläßlich Die Berliner Filmfestspiele haben sich bewährt. Dort hat sich auch der deutsche Film bewährt, in des Filmgesprächs in München, diesem Jahr in einer bemerkenswerten Vielfalt (Dr. Nöbel [SPD]: Die sind alle sauer!) künstlerischer Ausdrucksformen. Im übrigen ist wo etwa 700 Leute zugegen waren; 300 konnten den der Anteil des deutschen Films am Verleihumsatz Saal nicht mehr betreten. So groß war das Interes- keineswegs so zurückgegangen, wie hier gesagt se. Dieser Kreis war größer, als ihn die SPD bei wird. einem Filmgespräch jemals zusammen hatte. (Duve [SPD]: Hören Sie gut zu!) (Duve [SPD]: Das war Ihr Unterhaltungs Wir wollen die Rahmenbedingungen für Kunst wert, Herr Minister!) und Kultur in der Bundesrepublik Deutschland ver- — Ja, ich habe den deutschen Film eben wieder bessern. Aus diesem Grunde haben wir gemeinsam interessant gemacht. Deswegen waren so viele da. mit der CDU/CSU eine umfangreiche Anfrage an Das habe ich dort schon gesagt. die Bundesregierung gerichtet, die zu einer umfas- senden kulturpolitischen Debatte und zu wichtigen (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Entscheidungen auf diesem Gebiet führen wird. Wir haben im Innenausschuß zweimal diskutiert. Von dritter, neutraler Seite, nämlich von der „Pri- (Duve [SPD]: Einmal ohne Sie!) vatinitiative Kunst", ist diese Anfrage so beurteilt Diese ausführliche Diskussion hat keiner meiner worden: Vorgänger, gleich welcher Partei, auf sich genom- Der Fragenkatalog selbst ist ungewöhnlich um- men. fassend, professionell, präzise formuliert und umgeht keines der schwierigen Themen. Als (Duve [SPD]: Sie boten nicht den Anlaß!- unbestreitbares Verdienst dieser Großen An- Die wollen doch nicht l'art pour l'art ma frage kann schon jetzt festgehalten werden, chen!) daß sie die Bundesregierung zu einer exakten Ich kann Ihnen nicht verschweigen, daß ich ent- Stellungnahme in den relevanten Entschei- täuscht darüber bin, daß wenig konstruktive Bei- dungsbereichen herausfordert. Einen besseren träge gekommen sind. Wo sind denn eigentlich die Einstieg in die erste kulturpolitische Debatte Vorschläge geblieben, wie man in der Bundesrepu- des Deutschen Bundestages blik Deutschland mehr Filme von Qualität be- 4044 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Bundesminister Dr. Zimmermann kommt, Filme, die die Leute auch sehen wollen, die — Sie können j a einmal privat Einblick in ein sol- sie wieder ins Kino bringen? ches Drehbuch im Bundesinnenministerium be- (Schwenninger [GRÜNE]: Ins Kino? Wenn kommen. Sie das Kabelfernsehen einführen!) Die wichtigsten neuen Akzente sind: Betonung Ich sehe immer nur, daß über den Spielraum von der Förderung von wirklichen Spitzenleistungen, Ausschüssen und über die Verantwortung von Mini- Straffung beim Deutschen Filmpreis, neue Kurz- stern gestritten wird, während es doch allein darum filmlänge bis zu 15 Minuten als Animations- und geht, dem deutschen Film vielleicht auf einem Beiprogrammfilm, bei Filmpreis- und Produktions- neuen Weg wieder bessere Chancen zu verschaf- prämien eine 30 %-Klausel, also ein Eigenrisiko des fen. Herstellers, Bemühen um Publikumsresonanz, möglichst keine Vollfinanzierung aus öffentlichen (Beifall bei der CDU/CSU — Fischer Mitteln. [Frankfurt] [GRÜNE]: Auf einem Holzweg! — Duve [SPD]: Sie können ja Selbstdar (Sehr gut! bei der CDU/CSU) steller werden!) Ich habe gesagt, warum. Ein bißchen Risiko soll Diesem Anspruch, der allein die Bereitstellung von schon noch dabei sein, damit die Leute die Filme Haushaltsmitteln rechtfertigt, sollte doch die Dis- nicht nur für sich selber drehen. kussion über die neuen Richtlinien dienen. Und da (Zustimmung bei der CDU/CSU) muß man zuerst einmal unvoreingenommen eine Analyse der Situation vornehmen. Weitere wichtige Akzente sind bei der Produkti- onsförderung die Koordinierung, z. B. mit der Film- (Duve [SPD]: Vor allem mit richtigen Zah förderungsanstalt, aber keine Vorschaltung, wie ich len!) ausdrücklich zugesagt habe, bei Konfliktfällen eine Ich lasse mich hier doch weder von der Magie der Rückverweisungskonstruktion und die Nachwuchs- Zahlen noch von der Magie der Namen blenden. Die förderung, produktbezogen, verstärkt im Drehbuch- Zahlen, die ich genannt habe, nennt die Spitzenor- und Kurzfilmbereich. ganisation der Filmwirtschaft, nicht irgendein Pro- (Duve [SPD]: Praxis der letzten Monate!) duzent. Nach diesen Zahlen haben wir uns zu rich- ten. Sie richten sich j a bei statistischen Angaben Mit einigen Wünschen aus der Diskussion war auch nach den Zahlen des Statistischen Bundesam- ich einverstanden, und zwar mit der Verschiebung tes und nicht nach Zahlen irgendeines Statistikers. des Termins vom 1. Februar auf den 1. März, mit Das wäre ja noch schöner! Mit 3% jedenfalls steht der Verdeutlichung der kulturellen Akzente und der deutsche Film an der allerletzten Stelle der dem Verzicht auf eine Vorschaltung der FFA. Skala; weit vorne liegen die Italiener, die Franzosen (Duve [SPD]: Aber natürlich! Das mit dem und alle anderen. Das kann doch niemand bestrei- Vorschalten ist doch ein verschleierndes ten. Argument, Herr Minister!) In dieser Lage Wenn ich mich verpflichte, Qualität, ja Spitzen- (Schwenninger [GRÜNE]: Muß man han leistungen im Rahmen der Gesetze zu fördern, deln!) dann trage ich dafür letztendlich die rechtliche und unternimmt der Innenminister den Versuch, mit auch die politisch-parlamentarische Verantwor- ganz geringen Mitteln mehr Resonanz zu schaffen. tung. Dem kann man sich auch nicht durch Tricks Diese Richtlinien entwickeln sich im übrigen aus entziehen, auch nicht vollständig durch Ausschuß- der Förderungssystematik der letzten Jahre. Sie verantwortung und Selbstverwaltungssysteme. streben in keiner Weise eine reine Wirtschaftsför- (Duve [SPD]: Übertragen Sie das einmal derung an, erkennen aber eine Wechselwirkung von aufs Theater, und überlegen Sie, was das Kultur und wirtschaftlichen Entstehungsbedingun- bedeutet!) gen. Denn der Film ist ja wohl ein Medium, und Medien pflegen ja zwischen denen, die sie machen, Denn letzten Endes müssen die Systeme immer so und denen, die sie sehen wollen, vermitteln zu wol- sein, daß sie unparteiisch und sachgerecht sind; len. Aber ich bin doch nicht dazu da, zu ermögli- eine formale Distanzierung, daß man zwar Geld chen, daß Streifen gedreht werden, die außer dem gibt, aber mit dem Produkt nun gar nichts zu tun Produzenten überhaupt niemand sehen will. Das haben will, halte ich nicht für real. kann doch nicht der Sinn sein. (Reents [GRÜNE]: Diese Kriterien müssen (Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger Sie einmal auf die Bundesregierung an [GRÜNE]: Ein konkretes Beispiel! Haben wenden!) Sie eines?) Wenn es so ist, dann muß ich mich auch über die — Ich habe Beispiele. Würde ich sie nennen, würde eingereichten Filme informieren dürfen. Hier- einen mir der Präsident das Wort entziehen, weil das ge- Eingriff in die Kunstfreiheit zu sehen, ist absurd, gen die Strafgesetze verstoßen würde. denn in diesem Land kann man drehen, was man will, nur nicht alles mit staatlicher Förderung. Das (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Beispiel! Bei- muß auch nicht sein. spiel! — Zurufe der Abg. Duve [SPD], Fi- scher [Frankfurt] [GRÜNE] und weiterer (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von Abgeordneter der SPD und der GRÜNEN) der SPD) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4045

Bundesminister Dr. Zimmermann Jemand hat den Film „Meridian" genannt. Das nister gegenüber der Bevölkerung die Verantwor- Drehbuch ist wortwörtlich einem Auswahlausschuß tung trägt. Wenn man das auf Theaterförderung, vorgelegt worden, aber es ist nicht so realisiert wor- auf Malereiförderung oder was auch immer über- den, wie es dem Ausschuß vorgelegen hat, sondern trägt, dann sind wir mitten im Bereich der Zensur. der Film erhielt einen Vorspann und einen Nach- Herr Minister, die sechs Fälle, die wir und alle deut- spann. Meine Damen und Herren, wir können nicht schen Filmer Ihnen vorhalten, haben dazu geführt, zulassen, daß in Zukunft abgenommene Filme daß Ihnen alle wichtigen Gremien ihre Mitarbeit in nachher durch Vor- und Nachspanne ergänzt wer- den künftigen Entscheidungsgremien versagen. Die den. Das können wir nicht tun, das ist eine Grund- Fälle zeigen, daß Sie bereits in der bisherigen Pra- satzentscheidung. xis Zensur geübt haben. Beim Spielfilm von Her- (Zustimmung bei der CDU/CSU — bert Achternbusch haben Sie im nachhinein ent- Schwenninger [GRÜNE]: Ein Nachspann schieden. Bei dem Dokumentarfilmprojekt von Ka- gehört auch zum Kunstwerk!) rin Braun haben Sie, hat Ihr Mitarbeiter einge- wirkt. Bei dem Spielfilm „Die Verführung" von Elfie Es ist keine Zensur, denn abgenommen wird durch Mikesch haben Sie in unzulässiger Weise versucht, den Ausschuß, und dem Ausschuß hat ein anderer auf die Form dieses Films Einfluß zu nehmen. Bei Streifen vorgelegen, als dann gesendet worden ist. dem Spielfilm von Herbert Achternbusch „Der (Zurufe von der SPD) Wanderkrebs" haben Sie ebenfalls eingewirkt. Im Interesse der Filmschaffenden meine ich da- (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Da wollte er mit her, daß die Richtlinien nun ihrer ersten prakti- spielen!) schen Erprobung zugeführt werden müssen. Auch der Termindruck bezüglich der Verleihung des Das heißt, schon bei den bisherigen Richtlinien — Deutschen Filmpreises erfordert das. Herr Baum hat es Ihnen ja vorgeworfen — haben Sie gezeigt, daß Sie nicht gewillt sind, das sensible Im übrigen bin ich auch nach Erlaß der Richtli- Verhältnis von staatlichen Geldern auf der einen nien jederzeit bereit, über ihren Sinn und über ih- Seite und der Freiheit der Kunst, die in unserer ren Wert weiter zu diskutieren. Diese Richtlinien Verfassung festgelegt ist, auf der anderen Seite zu sind kein Jahrhundertwerk. Wenn sie sich nach ei- beachten. Sie sind mit diesem wirklich schwierigen nem Jahr nicht bewährt haben sollten, dann sind Gebiet sehr grob umgegangen. Sie haben die Gre- sie auch jederzeit wieder änderungsfähig. mien der Fachleute, die ja genannt werden, brüs- Der erste Redner in dieser Debatte hat mit Recht kiert. Sie haben vielen von ihnen — und so empfin- gesagt, daß der Bundesinnenminister diese Richtli- den sie das auch — einen Fußtritt gegeben. Sie ste- nien allein erlassen kann und daß weder Bundestag hen heute vor dem Bankrott noch Bundesrat beteiligt werden müssen. Nun, Sie (Lachen bei der CDU/CSU) haben sich in einer außerordentlich intensiven Weise beteiligt. Meine Damen und Herren, ich weiß eines halben Jahres Filmförderungspolitik. nicht, wie groß die Zustimmung in diesem Hause ist (Feilcke [CDU/CSU]: Machen Sie es mal und wie allein ich hier stehe; ich weiß nur eines: In ein bißchen kleiner!) der deutschen Bevölkerung habe ich eine beträcht- liche Mehrheit für meine Auffassungen hinter mir. Der Minister steht vor dem Bankrott (Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger (Feilcke [CDU/CSU]: Und Sie stehen da [GRÜNE]: Woher wissen Sie das?) hinter!) — Das spüre ich. einer Filmförderungspolitik, die sich in 20 Jahren bewährt hat, Herr Kollege. Er bekommt Kritik Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Herr Abge- (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Von internationa ordnete Duve. ler Seite?) (Zuruf von der SPD: Geh mal mit der von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er be- Schere ran!) kommt Kritik aus der internationalen Filmwelt. Es gibt praktisch niemanden mehr in der Branche, der Duve (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und dieser Änderung zustimmt. Was ich für dramatisch Herren! Ein Zitat, Herr Minister: und auch traurig halte, ist, daß nun die Gremien Irrtum kommt von selbst, und der Mensch ist nicht besetzt werden. Ich möchte sehen, wie in der zum irren gemacht. Einige Wahrheiten ent- nächsten Woche, Herr Minister, die Besetzung der deckt er nur durch unendliche Mühe. Gremien erfolgen soll. Ich wünsche Ihnen, daß Sie in Ihrer Amtszeit diese (Feilcke [CDU/CSU]: Mit denen, die Publi Wahrheiten entdecken. Dieses Zitat ist vom großen kumsfilme machen!) Friedrich, Herr Minister Zimmermann. Was Sie Denn all die Gruppen, die Sie aufgefordert- haben, hier soeben ausgebreitet haben, nämlich daß der haben erklärt, sie werden nicht mitarbeiten. Minister die letzte Verantwortung für kulturelle Entscheidungen hat, ist doch genau das zentrale (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das juckt ihn Kernstück, auf das sich die gesamte Kritik der Fil- nicht!) mer, der Presse konzentriert. Hier wird nach mei- Die eine Änderung — darauf will ich noch kurz zu ner Kenntnis zum erstenmal die Zensur der Film- sprechen kommen — ist keine. Sie überlassen der kultur, Kulturpolitik damit begründet, daß der Mi Filmförderungsanstalt, einer Wirtschaftsförde- 4046 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Duve rungs-Institution, die Vorauswahl. Sie haben doch der einheimischen Filme so gut wie überhaupt kein nur zum Schein wieder übernommen, daß die Fil- Publikum mehr findet: „Comeback" von Christel mer ihre Filmprojekte wieder in Koblenz einsen- Buschmann 15 419 zahlende Besucher bis Ende den. 1982, „Dabbel Trabbel" von Dorothea Neukirchen Ich wiederhole: Bankrott einer früheren guten mit 6 131, „Logik des Gefühls" von Ingo Kratisch Praxis. Wir sehen schlechte, sehr schlechte Zeiten mit 423 zahlenden Besuchern bis Ende 1982. für die Filmkultur in diesem Land auf uns zukom- Es muß einen doch irgendwie aufregen, daß eine men. solche Situation eingetreten ist und daß wir dieses Danke schön. nun als Weisheit letzter Schluß verkaufen. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Übrigens: Sie erreichen damit zum Schluß, daß man sich über den Film noch lächerlich macht. Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Herr Abge- Letzte Woche hieß es in einer großen deutschen ordnete Daweke. Sonntagszeitung: Daweke (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da- Dienstag abend ein echter Achternbusch im men und Herren! Herr Kollege Duve hat eben ge- ZDF: „Herz aus Glas", bei dem die Schauspieler sagt, hier solle eine Filmförderungspolitik geändert angeblich nur unter Hypnose ihren Pflichten werden, die sich in 20 Jahren bewährt hat. Ich will nachzukommen imstande waren: 22.05 bis 23.35 nicht bestreiten, daß wir in den 60er Jahren mit ver- Uhr. Wer sich das antut, wird fortan nur noch schiedenen Instrumenten, auch mit den Richtlinien die Partei von Bundesinnenminister Zimmer- zur kulturellen Filmförderungspolitik, aber dann mann wählen. auch später, allerdings erst in den 70er Jahren, mit (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das war den Filmförderungsgesetzen Erfolg gehabt haben. doch kein Achternbusch, das war ein Aber die Zahlen, die jetzt vorliegen, Herr Duve, Herzog-Film!) sprechen doch eigentlich dagegen, Meine Damen und Herren, ich finde es nicht rich- (Schwenninger [GRÜNE]: Das ist eine tig, daß Sie hier so tun, als wolle man in die Gestal- ganz andere Dimension!) tungsmöglichkeit der Filmemacher eingreifen. daß wir heute noch so erfolgreich sind, wie wir es (Schwenninger [GRÜNE]: Ja, sicher!) uns wünschen. Der Bundesinnenminister hat auf die Quote des deutschen Films im Kino hingewie- Das ist doch eine völlig schiefe Betrachtungsweise. sen. Wenn Sie die Koproduktionen mitrechnen — Hier kann jeder jeden Film machen. das ist ja immer ein Streitpunkt zwischen den Fil- (Feilcke [CDU/CSU]: Richtig!) memachern und den Statisten — Die Frage ist doch nur: Wie verteilen wir die weni- (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — gen und knappen Mittel? Als einer, der seit vielen Zuruf des Abg. Schäfer [Offenburg] Jahren in der Filmförderungsanstalt bei der wirt- [SPD]) schaftlichen Förderung des Films tätig ist, stehe ich — Entschuldigung: den Statistikern; ich kam aus vor dem Problem: Welcher Film wird gefördert, und der Branche —, dann wird man feststellen, daß es welcher Film wird nicht gefördert? Es ist doch ei- allenfalls noch 11 % sein können. Ernst zu neh- gentlich schon die subtilste Form des Eingreifens in mende Kritiker sagen, das Handwerkliche beim die freie Gestaltung des Künstlers, wenn er genau deutschen Film stimmt nicht mehr. Das war übri- weiß: In einer bestimmten Bewertungs- und Aus- gens ein wesentlicher Impuls in den 60er Jahren, wahlkommission sitzen immer die gleichen Leute, (Zuruf des Abg. Duve [SPD]) die sich teilweise nach dem Prinzip „Wie du mir, so als eine große Zahl von Filmschaffenden nach ich dir" gegenseitig helfen. Frankreich gegangen war und sich dort orientiert (Duve [SPD]: Die wahren Cliquen im Film hatte. Viele sagen, daß die Qualität dessen, was bestimmt das bayerische Wirtschaftsmini dann herauskommt, sich auf internationalen Festi- sterium!) vals nicht mehr durchsetzt. Das ist einer der Indi- Zum Schluß ist dann beispielsweise festzustellen, katoren: die Preise, die man auf A-Festspielen er- daß das so verfestigt ist, daß Neue praktisch keine ringt; daß man dort also nicht nur beguckt wird, Chance haben. Ein Filmemacher aus dem Ruhrge- sondern daß man dort mit Qualität bemerkt wird. biet hat dies kürzlich so formuliert — ich rede von Ich meine, es muß doch auch Sie aufregen, wenn es Adolf Winkelmann —: Filme gibt, die niemals einen Zuschauer erreichen oder Zuschauerzahlen haben, die geradezu lächer- Die Förderung hat eigentlich schon immer die lich sind. Gefahr gehabt, daß sie tendenziell den Filme- (Duve [SPD]: Das sind doch gerade die Fil macher von seinem Publikum entfernt. Weil me, die als Publikumsfilme gewollt sind!) eben nicht das Publikum, also die Kinokasse,- für den Produktionsetat eines Films zuständig — Nein, die sind nicht als Publikumsfilme ge- ist, sondern eine staatliche Stelle. meint. Ich will Ihnen aus dem „Spiegel", der nicht gerade Das hat er doch richtig erkannt. von Herrn Zimmermann herausgegeben wird, vor- Nun bewegen wir uns in diesem Spannungsfeld. lesen: Die aussichtslose Lage des deutschen Films Ich kann nur sagen: Eine der Änderungen, Herr wird auch dadurch gekennzeichnet, daß ein Drittel Bundesinnenminister, von denen ich glaube, daß sie Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4047

Daweke in der nächsten Zeit ganz wichtig wären, wäre, daß len Theaters davon abhängig machen will, daß ihm wir das Rotationsprinzip bei den Auswahlgremien der Spielplan gefällt. Wir würden ihn zumindest für einführen, so daß man nie weiß, wer denn in der ungeschickt und seine Vorstellungen für überholt Kommission sitzt, wenn man ein Projekt einreicht. halten. Denn dann orientiert man sich möglicherweise Wenn Kunstförderung die staatliche Erziehung nicht mehr so stark an bestimmten Personen, son- des Künstlers sein sollte, dann müßte man sie in dern macht Filme unter dem Aspekt: Kann ich sie einem freien Staat besser unterlassen. denn auch jemanden zum Zuschauen zumuten? (Duve [SPD]: Wahrscheinlich verbieten!) Schönen Dank. Viele Menschen in unserem Land beklagen das (Beifall bei der CDU/CSU) Gefühl der Einengung, der Gängelung, der schwin- denden Toleranz. Das ist es ja, was uns so sensibel Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Herr Abge- macht: wenn man die Befürchtung haben muß, daß ordnete Dr. Hirsch. der Bereich der kulturellen Freiheit in der Filmför- derung, die Toleranz in diesem Bereich eingeengt Dr. Hirsch (FDP): Herr Präsident! Meine Damen werden könnten. und Herren! Der Bundestag als Filmkritiker! Es ist Unsere vier Grundpositionen hat ja ganz interessant, welche Wertmaßstäbe da ange- genannt: Die Vergabe von Filmpreisen sollte staats- legt werden. Ich will das nicht weiter ausführen. fern entschieden werden. Es sollte bei den Entschei- Aber nach dem Geld alleine kann man wohl nicht dungen eines Auswahlgremiums bleiben, dabei, daß alles ausrichten. es frei und autonom entscheiden kann. Die kulturel- Übrigens, Herr Kollege Daweke: Der Grundsatz le Filmförderung des Bundes sollte frei bleiben von der Rotation ist natürlich ein alter Hut. Das wird Elementen der Wirtschaftsförderung. Große Filme schon dauernd gemacht und ist auch sehr vernünf- sollten nicht besser behandelt werden als Filme, die tig. nur auf einem kleinen Etat beruhen und deren Re- (Daweke [CDU/CSU]: Aber es soll nicht gisseure häufig bereit sind, neue Wege zu gehen mehr gemacht werden!) und kulturelle Anreize zu schaffen. Ich habe bei der ganzen Diskussion bisher nicht Eigentlich sollte es nicht schwer sein, sich auf verstanden, warum die politische Ordnung der Bun- diese vier Selbstverständlichkeiten zu einigen. desrepublik auf eine harte Probe gestellt wird, (Beifall bei der FDP und der SPD) wenn das Inkrafttreten dieser Richtlinien nicht am 1. März erfolgt, sondern in einem Zusammenhang Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat Frau Abgeord- mit der Diskussion über die Große Anfrage der Ko- nete Dr. Martiny-Glotz. alitionsfraktionen zur Kulturförderung. (Beifall bei der FDP und der SPD) Frau Dr. Martiny - Glotz (SPD): Herr Präsident! Das könnte man ja machen. Meine Damen und Herren! Herr Zimmermann ist Es ist richtig: Über die Richtlinien entscheidet ein taktisch kluger Politiker, kein Zweifel. Warum der Bundesminister des Innern. Er braucht dazu macht er sich diesen Ärger beim Film? nicht die Zustimmung des Bundestages. Aber sie (Feilcke [CDU/CSU]: Und bei Ihnen!) wäre ja nicht unerfreulich, muß man sagen. Er ent- scheidet über Auszeichnung, Produktionsförderung, Was hat er gegen den deutschen Film, daß er so Verleihprämien. Es geht nicht um große Beträge. flott eine Entwicklung in Gang setzt, bei der am Das ist gesagt worden. Kulturelle Filmförderung ist Ende nur noch der amerikanische Einheitsfilm fürs ja in der Tat der Gegenwert von ein paar hundert Einheitspublikum übrigbleibt, den sich nur die Metern Autobahn oder zweieinhalb Polizeihub- schwächer werdenden Jahrgänge von 14 bis 29 im schraubern; mehr ist es nicht. Auch das könnte Ge- Kino, alle anderen aber im Fernsehen oder über genstand einer Erörterung sein. Video angucken? Worum geht hier der Streit? Er geht einmal um (Feilcke [CDU/CSU]: Was haben Sie ei die Sorge, daß auch bei der Novellierung des Film- gentlich gegen das Publikum?) förderungsgesetzes die Möglichkeiten des staatli- Daß der deutsche Film sein Publikum nicht er- chen Einflusses vergrößert werden könnten. Wir be- reicht, liegt nicht nur an der Produktion, Herr Zim- absichtigen eine solche Novellierung nicht. mermann, sondern das liegt auch an der Infrastruk- Zweitens. Vor allem geht es um die Grundfrage, tur des Verleihs und der Kinos. Von denen sollte wo die Grenze verläuft zwischen einer Kunstförde- man bei der Filmförderung vor allen Dingen einmal rung des Staates und seiner Versuchung, bei dieser genauer sprechen. Gelegenheit zwischen genehmer und unangeneh- (Beifall bei der SPD) - mer Kunst zu unterscheiden, sich eine Definitions- Dazu ist heute aber nicht die Zeit. macht anzueignen, Wenn Sie, Herr Zimmermann, die Filmförde- (Beifall bei der SPD) rungsanstalt nicht vorschalten wollen, dann strei- die Kunst in die Richtung zu lenken, die ihm gut chen Sie doch bitte diese Kann-Bestimmung; denn und angemessen und für den Bürger förderlich zu vielleicht will sich die FFA möglicherweise gar sein scheint. Ich stelle mir den Kämmerer einer nicht vorschalten lassen — jedenfalls war das am Stadt vor, der die Subventionierung des kommuna vergangenen Dienstag sogar die Meinung Ihres Be- 4048 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Frau Dr. Martiny-Glotz raters, Herrn Casparys. Zweitens hat auch die wirt- um einen Dokumentarfilm; was in dem Drehbuch schaftliche Filmförderung bei der Filmförderungs- gestanden hat, weiß ich nicht, aber ich habe den anstalt nicht verhindert, daß viele Flops gefördert Film gesehen, und da wurde kein Wort gesprochen worden sind, — nicht sagen, obgleich es stimmt — denn das (Duve [SPD]: Hört, hört, Herr Dawecke!) könnte als Antiamerikanismus verstanden werden. Filme über vietnamesische Kinder oder über die und zwar aus den eben bereits angedeuteten Grün- Friedensbewegung sind gleichfalls unerwünscht. den. Die Amerikaner sind halt sehr empfindlich. Was will der Innenminister also wirklich? Strebt Vielleicht möchte also der Innenminister bayeri- er eine Bavarisierung der Filmpolitik an, schen Freunden behilflich sein, die am amerikani- (Lachen bei der CDU/CSU) schen Film verdienen. so eine Art „Bayern gegen den Rest der Welt", da- (Duve [SPD]: Hört! Hört! — Dr. Waigel mit's ein Prachtfilm wird, der dem „Bayernkurier" [CDU/CSU]: Duve, Duve!) und der „Passauer Neuen Presse" gefällt? Auf diese Weise sind allerdings der englische Film und das englische Kino schon kaputtgemacht wor- (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU]) den, da dort auch noch dieselbe Sprache mit den Na, dann „Gott mit dir, du Land der Bayern". Über Amerikanern hinzukommt. Wollen wir das in die diesjährigen bayerischen Filmpreise — eine ge- Deutschland genauso? Deutsch nur noch als Syn- ballte Ladung von Belanglosigkeiten — schwieg des chronsprache? Deutsche Filmhelden bloß noch als Sängers Höflichkeit bereits weitgehend. böse Soldaten bei amerikanischen Kriegsfilmen? Will der Innenminister „Schweinkram" verhin- (Zurufe von der CDU/CSU) dern? Dafür gibt es bereits im Filmförderungsge- Das brauchen wir auf keinen Fall, denn Europa setz einen einschlägigen Paragraphen. Dazu be- braucht nationale Kulturen: deutsche, französische, stünde kein Anlaß. italienische, schweizerische und andere. Die müs- Will er die unabhängigen Gremien zähmen? Da- sen wir stärken, und zwar sowohl finanziell als für muß man Verständnis haben; denn diese Femi- auch ideell. Weder „Kramer against Kramer" noch nistinnen von Katrin Seybold über Dagmar Hirtz, „the day after", weder Woody Allen noch E.T. spie- von Elke Kummer bis zu Gabriele Wohmann — von geln deutsche Wirklichkeit wider oder sind auch mir einmal ganz zu schweigen — sind wirklich nur europäisch. Müssen wir nicht achtgeben, daß schwer erträglich für ein gestandenes konservati- wir den europäischen und den deutschen Film ge- ves Mannsbild. gen die Marktmacht der Amerikaner verteidigen? (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und bei Abgeordnen ten der GRÜNEN) Und die Gremien-Herren von Herrn Schobert bis zu Herrn Patalas könnten womöglich bei den GRÜ- Wir verteidigen schließlich auch italienischen Ta- NEN sein. In jedem Fall müßten sie sich erst einmal felwein, deutsches Bauernbrot und französischen die Haare schneiden lassen, bevor sie zu einer Sit- Käse und wollen dagegen nicht die Fast-food-Ham- zung des Innenminister kommen. Oder sehen Sie burger eintauschen. Die CSU war mit dem Wort das anders? vom Ausverkauf deutscher Interessen immer schnell bei der Hand. Bei den Filmrichtlinien Nur, Herr Zimmermann, es ist doch ein Irrtum zu könnte das ein Bumerang werden. glauben., daß sich diese Damen und Herren in den Gremien zähmen lassen. Das bißchen Positiv-Ima- (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten ge, das Sie sich beim Umweltschutz durch Flexibili- der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/ tät zu erkaufen suchen, wird von denen schnell ka- CSU) puttgemacht; denn die können nicht nur denken, sie schreiben auch noch darüber, und es gibt Medien, Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- die das drucken, so daß es andere lesen können. nete Weiß. (Zurufe von der CDU/CSU) Da liest man dann: Zimmermann, der Mann für das Weiß (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr ver- verschärfte Demonstrationsstrafrecht; . Zimmer- ehrten Damen! Meine Herren! Nach dieser etwas mann, der Mann gegen die liberale Handhabung hektischen Aufgeregtheit sollten wir, glaube ich, beim § 218; Zimmermann, der Mann gegen die Aus- wieder in etwas ruhigere Bahnen kommen und et- länderkinder; Zimmermann, der Mann, der den was gründlicher über das Problem nachdenken. Sie deutschen Film zensiert. wissen, Herr Schäfer und Herr Duve, ich schätze Sie sehr. Wir kennen uns aus der gemeinsamen Und dieser Innenminister wollte seinen schillern- Ausschußarbeit. Aber ich muß Ihnen folgendes sa- den Ruf doch gerade loswerden. gen. Bei allem Eifer ist es mehr blinder -Eifer, der (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine bei Ihnen mitspricht, und Sie wissen: Blinder Eifer schlechte Vorführung!) schadet oft der Sache. Das nicht zu beseitigende Letztes Argument: Dieser Innenminister ist gera- Mißtrauen bei Herrn Duve ist auch keine günstige dezu inbrünstig proamerikanisch. Daß Reagan für Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arbeit und Raketen in Deutschland ist, soll man im Vorspann für eine Abwägung dieser Problematik. eines im übrigen textlosen Films — es handelt sich (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Sehr gut!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4049 Weiß Ich möchte einige Aussagen machen zu Ihrer Be- Ich sage dies, weil dies Folgen für die konkreten merkung, Herr Duve, bezüglich der Beurteilung der Förderungsrichtlinien und -praxis hat. Weil aber die Filme durch den Auswahlausschuß und durch den Mittel für die Förderung nur begrenzt zur Verfü- Innenminister. Im zweiten Halbjahr 1983 sind 252 gung stehen, kann staatliche Förderung nur aus- Vorschläge eingereicht worden. 30 hat der Auswahl wählende Förderung sein, wobei für uns das wich- ausschuß ausgewählt. Davon sind 27 positiv ent- tigste Kriterium der Gesichtspunkt der Qualität ist. schieden. Ein Fall ist noch in der Diskussion, ein Herr Duve, da stimmen wir mit Sicherheit überein. Projekt wurde zurückgezogen, und ein Projekt ist (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: So sehen jetzt entschieden worden, und zwar positiv. Sie gerade aus!) Da können Sie doch nicht unterstellen, daß hier Nach dem uns vorliegenden Richtlinienentwurf üble Oberzensoren an der Macht seien und ihr ist dafür ein Auswahlausschuß, der aus Experten Handwerk ausübten. besteht, eingerichtet. Zwar üben der Auswahlaus- (Dr. Laufs [CDU/CSU]: So ist es! — Zuruf schuß und die verschiedenen Kommissionen recht- des Abg. Schwenninger [GRÜNE]) lich nur eine beratende Funktion aus, sie bestim- men jedoch, da der Staat äußerst selten von ihrem Herr Kollege Hirsch, Sie haben hier einige grund- Urteil abweicht, weitgehend die staatliche Entschei- sätzliche Ausführungen gemacht. Ich möchte, wenn dung. Es muß aber auch klar herausgestellt werden, Sie mir erlauben, dazu auch noch einige Anmerkun- daß dieses Expertengremium dem Innenminister gen machen. Ich glaube, daß jeder Fachmann und das Wagnis der Entscheidung und auch das Risiko jeder, der sich um Kunst bemüht, weiß, daß die einer Fehlentscheidung nicht abnehmen kann. staatliche Kunstförderung nicht unproblematisch ist. Da stimmen Sie mit mir hoffentlich überein. Für Meine sehr verehrten Damen und Herren, die den Staat, für die Exekutive, geht es aber zualler- uns vorliegenden Richtlinien stimmen mit unseren erst um zwei Grundsatzfragen, die geklärt werden Vorstellungen von Filmförderung überein. müssen: Erstens. Was ist unter „Kunst" zu verste- hen? Präsident Dr. Barzel: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das sagen Sie mal!) Weiß (CDU/CSU): Sie sichern den Künstlern die Zweitens. Was kann aus dem als Kunst erkann- notwendige Freiheit vom Staat und die erwünschte ten oder anerkannten Bereich gefördert werden? Hilfe durch den Staat. Dies ist der richtige Weg. (Zuruf des Abg. Duve [SPD]) (Beifall bei der CDU/CSU) Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich behaupte, daß die Entscheidung darüber, was Kunst ist, be- Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Herr Abge- sonders problematisch ist. Alle Versuche ordnete Dr. Nöbel. (Zurufe von der SPD) Dr. Nöbel (SPD): Herr Präsident! Meine Damen — jetzt müssen Sie einmal zuhören —, Kunst zu und Herren! Die wirtschaftliche Situation bei den definieren, müssen scheitern, weil es in unserer plu- Filmherstellern ist durch eine starke Unrentabilität ralistischen Gesellschaft einen objektiven, allge- und durch hohe Subventionierung gekennzeichnet. meinen Begriff der Kunst nicht gibt und auch nicht Filmhersteller, filmtechnische Betriebe, Filmver- geben kann. leiher, Filmhändler und Filmtheater sind die eigent- (Schwenninger [GRÜNE]: Wer die Macht lich filmwirtschaftlichen Bereiche, zu denen wei- hat entscheidet also, was Kunst ist!) tere Personengruppen kommen, die einen Teil ihrer Einkünfte aus der Filmproduktion beziehen. Hier Eine inhaltlich fixierte Definition gibt das Bundes- geht es also nicht um einen ganz kleinen Bereich, verfassungsgericht. Es umschreibt Kunst als — ich sondern es geht schon um etwas: Unterhaltungsmu- zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —: siker, Foto- und Bildjournalisten, Designer, Regis- das Ergebnis freier, schöpferischer Gestaltung, seure, künstlerisch-technische Mitarbeiter, Kompo- in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse nisten, Schauspieler, um nur einige zu nennen. des Künstlers durch das Medium einer be- Hinzu kommt die gefährliche Konkurrenz für die stimmten Formensprache zu unmittelbarer An- Filmverleiher und Filmtheater durch die neuen Me- schauung gebracht werden. dien. Es ist keineswegs auszuschließen, daß sich die Trotz einer solchen Definition der Kunst stellt Wettbewerbsposition der deutschen Produzenten sich im Einzelfall immer wieder die Frage, ob man gegenüber den ausländischen Herstellern von Un- es mit einem Kunstwerk zu tun hat oder nicht. Die terhaltungsfilmen und Unterhaltungsserien — ins- Definition des Bundesverfassungsgerichtes und besondere aus USA und Fernost — trotz absoluter auch die sonstigen Umschreibungen von Kunst, bei- Steigerungen verschlechtert. Die zunehmende- spielsweise in der höchstrichterlichen Rechtspre- Nachfrage nach Video und Bildplatte kommt hinzu. chung, sind einerseits von dem Bemühen getragen, Die Besucherzahlen werden bestenfalls gehalten. Kunst von Nichtkunst inhaltlich zu scheiden, ande- Der Trend zu kleineren Kinos verstärkt sich. Das rerseits wird der Begriff der Kunst so weit gefaßt — ist, meine Damen und Herren, unbestritten die da bitte ich, gut zuzuhören —, daß alle denkbaren künftige Situation, um die es hier geht. künstlerischen Äußerungen Anteil an der Kunst- In diesem breiten Risikorahmen soll nun der Pro- freiheitsgarantie haben. duzent, der finanziell ohnehin nicht zurecht kommt, 4050 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Nöbel 70% von diesem Risiko selber tragen. Meine Damen von, daß es darum geht, daß er politisch-kulturelle und Herren, das heißt: Der künstlerische Film ist Zensur ausüben will. tot. (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord (Zustimmung bei der SPD) neten der SPD — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Nun genehmigt sich der Innenminister die Aus- Das ist doch nicht zutreffend!) nahme, die Vollförderung. Er bestimmt die Ausnah- Er spricht davon, daß es um Filme geht, die nur me, bestimmt, was ganz gefördert wird. Er gibt sich der Produzent selbst sieht. Wir bringen aber den Richtlinienkompetenz, indem er Richtlinien für an- Fall einer politischen Zensur über einen Film, „Me- dere erläßt, und er bestimmt auf einem Gebiet, ridian" von Neumann, wo ein Zitat von Reagan über nämlich auf dem der Kultur, das für meine Begriffe den vorstellbaren begrenzten Krieg in Europa her- in der freiheitlichen Demokratie den größten Frei- ausgestrichen wird. raum beanspruchen darf und muß, (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Unglaub (Beifall bei der SPD) lich!) falls wir unter Kultur und Filmschaffen noch das Es handelt sich hier um eine Zensur, die sich dage- gleiche verstehen. gen richtet, daß doch immerhin Millionen Men- Eine Regierung, deren Chef ansonsten alles aus- schen, die der Friedensbewegung angehören, solche zusitzen pflegt, eine Tu-nix-Regierung, erweist sich Filme sehen wollen. Damit wird ganz deutlich, daß gerade hier als ungeheuerlich aktiv. Der Bundesmi- Minister Zimmermann mit seiner Art, wie er die nister des Innern nimmt sich den Vorsitz, statt sich Richtlinien gegenüber dem neuen deutschen Film herauszuhalten. Bisher hat die Regierung nicht mit- vorgibt, eine politische Zensur ausübt. gestimmt. Warum wohl nicht? Meine Damen und Es geht im Grunde darum, daß wir Gefahr laufen, Herren, weil Kunst und Kultur so etwas wie ein daß nach 20 Jahren einer liberalen Kulturpolitik unantastbares Gut waren! jetzt die Kulturpolitik unter das Regime eines Man- (Beifall bei der SPD) nes kommt, der sich, ausgestattet mit der Arroganz der Macht, anmaßt, unsere Künstler zu reglemen- Wenn Freiheitssymbole gefragt sind, dann doch zu- tieren. allererst hier! (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord Nun bestimmt ein Minister — das ist noch nicht neten der SPD) gesagt worden —, ausgerechnet der, der auch für Polizei Ich denke, wir alle in diesem Hause sollten erken- nen, daß es darum geht, daß für den neuen deut- (Zuruf von der SPD: Pfui!) schen Film mit diesen 5 Millionen, die sage und und Verfassungsschutz zuständig ist, darüber, was schreibe der Gegenwert von drei Feldhaubitzen förderungswürdige Kunst und Kultur ist. Er macht sind, sich zum Richter, statt sich herauszuhalten. (Zuruf von den GRÜNEN: Ein Panzer!) (Zustimmung bei Abgeordneten der GRÜNEN) die Chance erhalten bleibt, sich in der Konkurrenz, in der Auseinandersetzung mit dem Kommerzfilm Das Parlament ist machtlos, kann das nicht ver- der Amerikaner und der Italiener, zu behaupten hindern. Meine Damen und Herren, es geht sozusa- und durchzusetzen. gen ums Ganze. Dieser Bundesminister des Innern erläßt Richtlinien über das, was das Ganze ist. Er Wir können bei dem, was unsere Künstler mit verfügt auf dem Erlaßwege, was Werte sind, und den neuen deutschen Filmen hervorgebracht ha- das ist das Schlimme und Furchtbare. ben, davon ausgehen, daß trotz dieser Ränke, die im Innenministerium geschmiedet werden, der neue (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber Herr Nöbel!) deutsche Film immer noch besser ist als der derzeit Dabei redet hier einer meiner Vorredner von der amtierende Innenminister. CDU von blindem Eifer. Wir sind — das habe ich (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord heute morgen hier feststellen müssen — weit aus- neten der SPD) einander. Der große Unterschied ist der, daß wir auf seiten der freiheitlichen Kultur stehen. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- Zurufe von der CDU/CSU) nete Broll.

Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- Broil (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr ver- nete Hoss. ehrten Damen und Herren! Vor mir steht ein faszi- nierendes heroisches Bild: Im tiefen Forst reitet ein schon angegrauter Recke, das Visier heruntergezo-- Hoss (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einige Worte zu gen, die Augenschlitze verstopft, mit gesenkter Lan- Minister Zimmermann sagen, der zu Eingang sei- ze, hinter jedem Baum ein Filmemacher, der den ner Rede mit der spaßigen Bemerkung, daß er nicht mutigen Angriff mit Pfiffen begleitet. daran interessiert ist, Filme zu unterstützen und zu (Schwenninger [GRÜNE]: Den brauchen fördern, die außer dem Produzenten niemand sieht, Sie nicht zu karikieren, der ist eine Karika von dem wesentlichen Punkt ablenkt, nämlich da tur!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4051

Broll Was sucht der Uwe Beyer, der Jung-Siegfried des eigenen Problemen nicht fertig wird, interessieren. deutschen Films, was sucht Herr auf Das wäre die Zukunft des Films. dem Schlachtfeld? Nicht einen feuerspeienden (Beifall bei der CDU/CSU) Lindwurm namens Zimmermann, nein, eine Milch- kuh, die mit jährlich 5 Millionen DM zu melken Machen Sie ihn endlich frei von dem ewigen Genör- gele, dem Suchen nach Subventionen! Sie schaden ist. dem deutschen Film, Sie schaden dem Ansehen der (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Filmemacher selbst — bedenken Sie das — mit Es geht nicht einmal darum, daß sie nicht mehr Ihren Kampagnen. bereit wäre, Milch zu geben. Wie gemolken wird (Beifall bei der CDU/CSU — Duve [SPD]: und wer melken soll, das ist die Frage. Auch dem Ansehen der Kulturpolitik!) (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Wenn im letzten Jahr 252 Filme eingereicht wor- Präsident Dr. Barzel: Meine Damen und Herren, den sind und 222 davon von der Kommission nicht die Aktuelle Stunde ist beendet. angenommen worden sind, dann ist das Freiheit. (Unruhe) Wird ein weiterer vielleicht nicht zugelassen, weil — Ich bitte um Aufmerksamkeit, weil hier techni- sich der Minister in bestimmten Augenblicken ein sche Dinge zu beachten sind. letztes Votum, da er doch den Preis verleiht, vorbe- halten will, dann ist das Zensur, dann geht die deut- sche Freiheit unter. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Herr Duve und meine Damen und Herren, finden Wahl der Mitglieder des Gremiums zur Ge- Sie nicht auch, daß Sie mit diesem Dampf den deut- nehmigung der Wirtschaftspläne der Nach- schen Film lächerlich machen? richtendienste (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) — Drucksache 10/996 — Meine Damen und Herren, die Fraktionen der Winston Churchill war sein Leben lang glücklich CDU/CSU und der FDP schlagen Ihnen auf Druck- darüber, daß er in der Schule ein Versager gewesen sache 10/996 die Abgeordneten Carstens (Emstek), war. Doch was war aus ihm geworden! Wenn einmal Dr. Riedl (München) und Hoppe vor. Die Fraktion ein junger deutscher Film käme, der den Filmpreis der SPD benennt auf Drucksache 10/1045 die Abge- nicht erhalten hätte und dennoch am Markt reüs- ordneten Walther und Kühbacher. Von der Fraktion sierte, was für ein Stolz für den Regisseur, der be- DIE GRÜNEN wird auf Drucksache 10/1038 der Ab- stätigt wäre in seinen Anschauungen, in seinen Bil- geordnete Kleinert (Marburg) vorgeschlagen. dern, in seiner Deutung der Wirklichkeit! Wie sehr hätte sich das Risiko des Produzenten bestätigt! Ich bitte Sie nun um Aufmerksamkeit für einige Was ist das, was wäre das, frage ich, Herr Duve, Hinweise zum Wahlverfahren. Nach, dem gestrigen denn Sie kennen den deutschen Film nur unzuläng- Beschluß des Deutschen Bundestages ist ein Gre- lich, scheint mir, für ein deutscher Film, der sich in mium einzusetzen, das aus bis zu fünf Mitgliedern spießbürgerlicher Subventionsmentalität um Ver- besteht. Die Mitglieder müssen dem Haushaltsaus- teilungsprozeduren kümmerte und glaubte, allein schuß des Deutschen Bundestages angehören. Ich davon seine Existenz abhängig machen zu können! stelle fest, die vorgeschlagenen Abgeordneten gehö- Machen Sie doch endlich einmal dem deutschen ren dem Haushaltsausschuß an. Film Mut, machen Sie aus dem Pudding einen Nach § 4 Abs. 9 des Haushaltsgesetzes 1984 in Stahl, der Funken schlägt! Wann ist es endlich so Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die weit, daß es der deutsche Film einmal nicht mehr parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstli- nötig hat, vorher Prämien zu bekommen, damit er cher Tätigkeit des Bundes ist gewählt, wer die Stim- überhaupt Kredit bekommt, sondern nach gelunge- men der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages nem Erfolg einen Preis des Ministers erhält? Das auf sich vereint, d. h. mindestens 261 Stimmen er- wäre doch die Zukunft. hält. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Auf Ihren Pulten befinden sich ein Wahlausweis ein Beamter oder der Minister selbst als einer von und ein Stimmzettel mit den Namen der vorge- 25 in Zukunft Stimmrecht in der Kommission hat, schlagenen Abgeordneten. Sie können — und dar- ist denn das ein solcher Zusammenbruch der Frei- auf weise ich besonders hin — auf dem Stimmzettel heit der deutschen Kunst? Ist vielleicht ein solcher höchstens fünf Namensvorschläge ankreuzen. Un- Beamter, wenn er auch wahrscheinlich für die dort gültig sind Stimmzettel, die mehr als fünf Kreuze, Tätigen zu korrekt aussieht, nicht vielleicht ge- andere Namen oder Zusätze enthalten. Wer sich der nauso wie manche andere, die sich Profis nennen, Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf in der Lage, zu beurteilen, wann ein Film gut ist? dem Stimmzettel. Da eine geheime Wahl nicht vor- Wann wird es der deutsche Film endlich schaffen, geschrieben ist, können Sie die Stimmzettel auf den zu der handwerklichen Kunst, die er wohl noch be- Pulten ankreuzen. herrscht, auch jene Themen zu finden, die das deut- Bevor Sie die Stimmzettel in eine der aufgestell- sche Publikum interessieren, die unsere Lage spie- ten Wahlurnen geben, müssen Sie den Wahlausweis geln, nicht in Beschönigung, aber auch nicht, indem dem Schriftführer an der Wahlurne übergeben. — man Themen heraussucht und Deutungen bringt, Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen die nur eine ganz kleine Minderheit, die mit ihren Plätze einzunehmen. 4052 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Präsident Dr. Barzel Bevor wir in die Wahlhandlung eintreten, erteile 13. Erste Beratung des von der Bundesregierung ich das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach eingebrachten Entwurfs eines ... Straf- § 32 der Geschäftsordnung dem Abgeordneten Col- rechtsänderungsgesetzes — § 125 StGB — let. (...StrÄndG) — Drucksache 10/901 — Collet (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehr- Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: ten Damen und Herren! Ich will hier nur zum Aus- Rechtsausschuß (federführend) druck bringen, daß ich mich an dieser sogenannten Innenausschuß Wahl nur unter Vorbehalt der rechtlichen Nachprü- 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung fung und unter Protest beteilige. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur (Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei Änderung des Einführungsgesetzes zum Ge- den GRÜNEN) richtsverfassungsgesetz Wenn ich mich beteilige, so aus Loyalität gegenüber — Drucksache 10/902 — meiner Fraktion und aus Solidarität mit den von Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: meiner Fraktion vorgeschlagenen Kollegen. Rechtsausschuß (federführend) Warum der Protest? Es ist das erstemal, seit ich Innenausschuß nach 1945 in unserem Land das Recht habe, zu wäh- len, daß vor einer Wahl nicht feststeht, wie viele Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind ge- Kandidaten gewählt werden. Durch die Formulie- meinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte rung „bis zu fünf" behält sich die Mehrheit vor, mit und eine Aussprache von drei Stunden vorgeschla- der Wahl zu entscheiden, wie groß das Gremium gen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so sein wird. beschlossen. (Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!) Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Bundesminister der Justiz. Das ist ein Novum. Das gibt es nicht bei Wahlen zu Betriebsräten, zu Kommunalparlamenten, zu Aus- schüssen innerhalb von Parlamenten und Betriebs- Engelhard, Bundesminister der Justiz: Herr Präsi- räten, zu Kommissionen, daß man im voraus nicht dent! Meine Damen und Herren! In der Regierungs- weiß, sondern erst aus dem Ergebnis sieht, wie viele erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 4. Mai gewählt werden. Deshalb mein Protest. 1983 heißt es: Ich habe gesagt, warum ich mich trotzdem beteili- Die Zunahme der Gewalt ist auch in der Bun- gen werde. desrepublik besorgniserregend. Wir werden (Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei Gewalt, unter welchem Namen und mit welcher den GRÜNEN) Begründung sie auch auftreten mag, in unse- rem Rechtsstaat nicht dulden. Präsident Dr. Barzel: Meine Damen und Herren, (Beifall der Abg. Dr. Weng [FDP] und Sie haben die persönliche Erklärung gehört. Dr. Wittmann [CDU/CSU]) Die Schriftführer haben ihre Plätze eingenom- Die Bundesregierung ist entschlossen, ihr Han- men. Ich eröffne die Wahl und bitte, die Stimmzettel deln an dieser Leitlinie zu orientieren. Die Bürger anzukreuzen und sie anschließend, nach Übergabe neigen heute immer stärker dazu, ihre Anliegen des Wahlausweises an die Schriftführer, in eine der und Wünsche auch durch die Wahrnehmung des aufgestellten Wahlurnen zu geben. verfassungsrechtlich verbrieften Demonstrations- Meine Damen und Herren, haben Sie jetzt alle rechts zum Ausdruck zu bringen. So haben 1983 Gelegenheit gehabt, sich an der Wahl zu beteiligen? rund sechsmal so viele Demonstrationen stattge- — Ich sehe keinen Widerspruch. Ich schließe diese funden, wie dies im Jahre 1971 der Fall war. Dabei Wahl und bitte, mit der Auszählung der abgegebe- weisen die Zahlen sehr deutlich aus, daß sich die nen Stimmen zu beginnen. Demonstranten in ihrer überwältigenden Mehrheit Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine an Recht und Gesetz halten. Mitteilung. Die Auszählung wird ungefähr 45 Minu- Die politisch Verantwortlichen können und dür- ten dauern. Wenn Sie wollen, können wir mit der fen aber andererseits nicht die Augen davor ver- Abwicklung der Tagesordnung fortfahren, so daß schließen, daß nahezu alljährlich mehrere hundert wir nicht zu unterbrechen brauchen. — Ich stelle Demonstrationen unfriedlich verlaufen. Hier ist in fest, Sie sind damit einverstanden. den letzten Jahren eine zunehmende Intensität und Brutalität der Gewaltausübung festzustellen. Meist Ich rufe daher die Tagesordnungspunkte 12 bis 14 ist es nur eine relativ kleine, von vornherein zur auf: Gewaltausübung entschlossene Gruppe von teil- weise eigens zu diesem Zweck angereisten -Chaoten, 12. Erste Beratung des vom Bundesrat einge- die dem Demonstationsgeschehen ihren negativen brachten Entwurfs eines ... Strafrechtsände- Stempel aufdrücken. rungsgesetzes — § 303 StGB — (...StrÄndG) (Zuruf des Abg. Horacek [GRÜNE]) — Drucksache 10/308 — Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Durch die Berichterstattung der Medien werden Rechtsausschuß (federführend) dann der Bevölkerung Eindrücke vermittelt, die es Innenausschuß vielen in der Bevölkerung geraten erscheinen las- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4053

Bundesminister Engelhard sen, sich von öffentlichen Kundgebungen über- Die Rechtsstellung des Beschuldigten wird also in haupt fernzuhalten, und die geeignet sind, Demon- Wahrheit nicht eingeschränkt, sondern sie wird ge- strationen und den Teilnehmer an Demonstratio- stärkt. Diese Rechtswohltat soll natürlich nur dem nen schlechthin in Mißkredit zu bringen. zugutekommen, dessen Verbleiben am Platz im ur- sprünglichen Sinne notwendig ist, nämlich um die Bei unfriedlichen Demonstrationen werden im- Not zu wenden. mer wieder friedliche Bürger und eine Vielzahl von Polizisten — teilweise schwer — verletzt und be- Ich habe besonderen Wert darauf gelegt, daß be- trächtliche Sachschäden verursacht. Obwohl oft reits im Tatbestand verdeutlicht wird, daß bei einer mehrere Hundertschaften von Polizeibeamten im unfriedlich gewordenen Demonstration nicht unbe- Einsatz sind, kommt es nur zu wenigen Festnah- dingt die ganze Menschenmenge, sondern — wie men. Es kommt zu ganz wenigen Anklagen, und es dies nach den örtlichen Gegebenenheiten möglich kommt selten zu Verurteilungen. Der Grund dafür ist — auch ein bestimmter, räumlich abgrenzbarer ist, daß die Polizei keine ausreichende rechtliche Teil der Menge zum Auseinandergehen aufgefor- Handhabe hat, rechtzeitig an die Gewalttäter her- dert werden kann. anzukommen, weil diese von einem breiten schüt- (Dr. Emmerlich [SPD]: Der Minister will zenden Gürtel friedlicher Demonstranten und Neu- die Mengenlehre im Strafrecht einführen!) gieriger umgeben sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, daß polizeitaktische Maßnahmen Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßig- nicht ausgereicht haben, die Probleme zu bewälti- keit. Dies ermöglicht den rationellen und konzen- gen. trierten Einsatz der Polizeikräfte und läßt den Be- troffenen diesen Einsatz auch einsichtig werden. Niemand wird bestreiten können, daß unter die- Meine Damen und Herren, wie bereits erwähnt, sen Umständen auch der Gesetzgeber zum Nach- entsteht gerade bei unfriedlichen Demonstrationen, denken aufgerufen ist. Die Bundesregierung aber auch durch Akte des Vandalismus bei Massen- schlägt deshalb heute vor, den Straftatbestand des veranstaltungen vielfältiger Art oft hoher Sach- Landfriedensbruchs den veränderten Erfordernis- schaden. sen anzupassen. (Zuruf von der SPD: Schlimme Argumen Wer ehedem seine Lektion gelernt hat, der wird te!) eine Rückkehr zum alten Landfriedensbruch von vor 1970 von vornherein ablehnen. Der Gesetzent- Vor allem bei solchen Krawallschäden kann ein In- wurf sieht daher vor, den derzeit geltenden Absatz 1 teresse an der Strafverfolgung bestehen, das über des § 125 StGB unverändert zu lassen und ihn ledig- das Interesse des Verletzten an der Unversehrtheit lich durch einen neuen Abs. 2 mit einer niedrigeren seines Eigentums hinausgeht. Deshalb spricht viel Strafdrohung zu ergänzen. Künftig sollen danach für den Vorschlag des Bundesrates, ein Einschrei- auch diejenigen, die beim Ausbruch von Gewalttä- ten bei Sachbeschädigungen von Amts wegen zu tigkeiten oder Bedrohung in einer Menschenmenge ermöglichen, wenn die Staatsanwaltschaft ein be- eine polizeiliche Aufforderung zum Auseinanderge- sonderes öffentliches Interesse an der Strafverfol- hen nicht befolgen und durch ihre bloße Anwesen- gung bejaht. heit den polizeilichen Einsatz behindern, bestraft Der Rechtsstaat kann und muß Gesetze dort kor- werden. Gerechtfertigt und damit nicht strafbar sol- rigieren, wo Erfahrungen oder bessere Erkennt- len Personen sein, die ausschließlich dienstliche nisse zeigen, daß Verbesserungen notwendig sind. oder berufliche Pflichten ausüben. Ein Strafaus- Dies gilt nicht nur auf dem Gebiete der Strafverfol- schließungsgrund soll für Personen gelten, die sich gung, sondern es gilt ebenso, wenn es darum geht, als sogenannte Abwiegler erweislich darum bemü- die Rechtsgarantien für mutmaßliche Straftäter si- hen, Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen zu ver- cherzustellen. hindern. Und schließlich soll das Gericht die Mög- lichkeit haben, bei geringer Schuld des Täters von Schon bei der Beratung des Kontaktsperregeset- Strafe abzusehen. zes wurde seinerzeit intensiv, wenn auch zeitlich gedrängt, darüber nachgedacht, wie dem von allen Bekanntermaßen, meine Damen und Herren, hat Kontakten zur Außenwelt einschließlich seines Ver- die Voraussetzung der Erweislichkeit für die Ab- teidigers abgeschnittenen Gefangenen ein An- wieglereigenschaft in der öffentlichen Diskussion sprechpartner außerhalb der Haftanstalt zur Verfü- zu großen Mißverständnissen geführt. Bei aller Pro- gung gestellt werden könnte. In den folgenden Jah- blematik, die ganz unbestritten sei: Recht betrach- ren ist dieser Plan weiterverfolgt worden, aber er tet hat die Figur des Abwieglers mit dem Grundsatz war nie durchsetzbar. in dubio pro reo nichts zu tun. Wer trotz der Auffor- derung der Polizei am Tatort verbleibt, handelt tat- Es erfüllt mich deshalb mit besonderer Befriedi- bestandsmäßig, er handelt rechtswidrig, und er han- gung, daß diese Bundesregierung auch hier zu einer delt schuldhaft. All dies muß ihm Punkt für Punkt Korrektur bereit ist. Mit dem Entwurf, der- Ihnen nachgewiesen werden. Dem auf diese Weise bereits vorliegt, soll die Möglichkeit eröffnet werden, dem Überführten bietet der Entwurf mit der Abwiegler- Gefangenen auf seinen Wunsch einen Rechtsanwalt regelung eine Rechtswohltat, wie sie unser Strafge- als Kontaktperson beizuordnen, der den Gefange- setzbuch sonst kaum kennt. nen während der Kontaktsperre in allen rechtli- chen Angelegenheiten betreut, soweit hierfür ein (Lachen und Zurufe von der SPD und den Bedürfnis besteht. Sicherheitsbelange werden GRÜNEN) durch die Beiordnung der Kontaktperson nicht be- 4054 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Bundesminister Engelhard einträchtigt. Dafür bürgt, daß die Kontaktperson Fällen bis zu zehn Jahren. Nach seiner Verurteilung von dem zuständigen Landgerichtspräsidenten ist er vorbestraft. Der friedliche Demonstrant, der ohne Rücksicht auf den etwaigen Wunsch des Ge- sich trotz Aufforderung vom Ort der Demonstration fangenen, ihm eine bestimmte Person beizuordnen, nicht entfernt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Er ausgewählt wird und daß diese Kontaktperson ihre kann von der Verwaltungsbehörde mit einem Buß- Aufgabe unter strikter Wahrung der besonderen geld belegt werden. Strafbar macht er sich nicht. Er Zwecke der Kontaktsperre zu erfüllen hat. bleibt unbescholten. Wir alle wünschen ganz dringend und hoffen, uns Diesen Unterschied will die Bundesregierung, nie mehr durch eine schreckliche Situation wie im wollen Sie, Herr Kollege Engelhard, beseitigen. Sie Herbst 1977 nach der Entführung von Hanns Mar- wollen den friedlichen Demonstranten ebenso be- tin Schleyer zur Anwendung des Kontaktsperrege- handeln wie den Gewalttäter. setzes gezwungen zu sehen. Trotzdem ist es richtig (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch und notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß der nicht!) Rechtsstaat auch in Zeiten größter Herausforde rung ohne Beeinträchtigung der Sicherheitsinteres- Sie wollen das Verbleiben am Ort der Demonstra- sen ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit gewähr- tion ebenso kriminalisieren wie die Gewaltanwen- leistet. dung gegen Personen oder Sachen. Sie wollen eine Strafdrohung, die sich heute gegen einige wenige (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — potentielle Gewalttäter richtet und für diese auch Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie können erforderlich ist, auf Zehntausende, nein, auf Hun- doch nicht einfach aufhören, Herr Mini derttausende von friedlichen Demonstranten er- ster!) strecken, die einer behördlichen Aufforderung nicht sogleich Folge leisten. Das ist der Inhalt Ihrer Vor- lage. Präsident Dr. Barzel: Das Wort hat der Abgeord- nete Dr. Vogel. (Zurufe von der SPD: Leider!) Ich sage: der Inhalt. Denn der Zweck, die eigentli- che Absicht, die Sie mit dieser Vorlage verfolgen, (SPD): Herr Präsident! Meine sehr ver- Dr. Vogel reicht viel weiter. Sie zielt auf das politisch-geistige ehrten Damen und Herren! Der heutige Tag wird in Klima unseres Landes. Darauf komme ich noch zu- die rechtspolitische Geschichte der Bundesrepublik rück. eingehen. Ihre Vorlage, Herr Kollege Engelhard, ist un- (Broll [CDU/CSU]: Richtig!) zweckmäßig. Sie isoliert den Gewalttäter nicht, son- nicht als strahlender allerdings, sondern als ein dern führt zur Solidarisierung friedlicher Demon- schwarzer Tag, als ein Tag, an dem ein Justizmini- stranten mit Gewalttätern. ster, der sich liberal nennt, einen zutiefst illiberalen (Beifall bei der SPD) Gesetzentwurf vorlegt, einen Gesetzentwurf, der auch handwerklich einen Verfall unserer Rechts- Ihre Vorlage stellt die Polizei vor unlösbare Auf- kultur markiert, gaben. Sie überlastet die jetzt schon überlastete Ju- (Zuruf von der SPD) stiz mit einer Flut zusätzlicher schwieriger Verfah- ren. einen Entwurf, dessen sich das Bundesjustizmini- sterium, dessen Arbeit Gustav Radbruch einmal mit Ihre Vorlage ist aber nicht nur unzweckmäßig. dem Blick auf seine Tätigkeit als Reichsjustizmini- Sie verstößt darüber hinaus massiv gegen Grund- ster als die einer Bauhütte des Rechts bezeichnet prinzipien unserer demokratischen und rechts- hat, schämen müßte, wenn er ihm nicht von der staatlichen Ordnung. Sie erschwert die Wahrneh- politischen Spitze des Hauses oktroyiert worden mung der Grundrechte der Meinungsfreiheit und wäre. der Versammlungsfreiheit. Sie beeinträchtigt das Legalitätsprinzip. Und sie mißachtet den Grund- (Beifall bei der SPD) satz, daß niemand verurteilt werden kann, dessen Denn, Herr Kollege Engelhard, was immer Sie vor- Schuld nicht zur Überzeugung des Gerichts erwie- bringen mögen: Dieser Entwurf, der Entwurf eines sen ist. Und das ist die Magna Charta unserer Straf- Gesetzes zur Änderung des § 125 StGB, ist Ihr Ent- prozeßordnung. wurf. Sie haben ihn politisch zu vertreten. (Beifall bei der SPD) Sie haben vorhin von einer Rechtswohltat gespro- Ich komme zu den Einzelheiten. chen. Sie, Herr Kollege, sind mit diesem Entwurf kein Rechtswohltäter. Im Gegenteil. Sie beschädi- Zunächst: Der Entwurf ist auch handwerklich gen das Recht. schludrig. In der Neufassung des Abs. 2 heißt es: (Beifall bei der SPD) Werden Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen- Worum geht es? Das geltende Strafrecht unter- im Sinne des Absatzes 1 begangen ... scheidet sorgfältig zwischen friedlichen Demon- Herr Bundesjustizminister, welchen Charakter hat stranten und Personen, die im Zusammenhang mit diese Norm? Ist das ein Tatbestandsmerkmal oder einer Demonstration Gewalt anwenden. Der Ge- eine objektive Bedingung der Strafbarkeit? Soll walttäter macht sich strafbar. Ihm droht Freiheits- auch der bestraft werden, der nicht wußte und auch entzug bis zu drei Jahren, in besonders schweren nicht wissen mußte, daß Gewalttätigkeiten oder Be- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4055

Dr. Vogel drohungen begangen werden? Ist das auch eine verfügbar. Nach der amtlichen Statistik des Bun- Rechtswohltat? desinnenministers ist der Anteil der unfriedlich verlaufenden Demonstrationen nicht gestiegen, In Abs. 3 wollen Sie diejenigen straflos lassen, die sondern gesunken. Er betrug 1981 6,2 %, 1982 hinge- ausschließlich dienstliche oder berufliche Pflichten gen 4,3 %. Und der Anteil der Gewalttäter an der ausüben oder die auf die Menschenmenge oder ein- Gesamtzahl der Demonstranten ist so gering, daß zelne Personen erweislich einwirken, um sie von er sich noch nicht einmal in Promillesätzen, ge- Taten im Sinne des Abs. 1 abzuhalten. schweige in Prozentsätzen ausdrücken läßt. Außer- Die erste Alternative konstruieren Sie als Recht- dem, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der fertigungsgrund, die zweite als Strafausschlie- Herbst 1983, für den die neuen Strafdrohungen ßungsgrund. Welche strafrechtsdogmatische Konfu- doch vor allem gedacht waren, hat sie doch zusätz- sion! Und welche Fülle von Unklarheiten für die lich widerlegt. Es war doch gar kein heißer Herbst, Praxis! Handelt der Abwiegler nun nach Ihrer Vor- obwohl Mitglieder der Bundesregierung ihn in un- stellung rechtmäßig oder rechtswidrig? Sind gegen verantwortlicher Weise ständig an die Wand ge- den Abwiegler polizeirechtliche Maßnahmen, etwa malt ein Platzverweis, zulässig? (Beifall bei der SPD) Das alles hat doch nicht nur theoretische Bedeu- tung. Viele Versicherungen — Sie wissen das — und dabei denen erst Aufmerksamkeit verschafft kennen beispielsweise Leistungseinschränkungen haben, die aus ganz anderen Gründen Gewalttätig- oder Leistungsausschlüsse für Schäden, die im Zu- keiten befürworteten. Nein, die größten Demonstra- sammenhang mit inneren Unruhen eingetreten tionen in der Geschichte unserer Republik waren sind. Versicherungsrechtlich fällt unter den Begriff zugleich die friedlichsten. der inneren Unruhe auch der Landfriedensbruch, und zwar reicht es für den Verlust des Versiche- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) rungsschutzes schon aus, daß der Geschädigte tat- bestandsmäßig und rechtswidrig gehandelt hat. Die jüngste Statistik aus dem Bundesinnenministe- Nach Ihrer Konstruktion ist der Abwiegler objektiv rium belegt dies eindeutig. ein Landfriedensbrecher. Er handelt auch rechts- widrig. Ist er jetzt nach Ihrer Auffassung ohne Ver- Von den 9 237 Demonstrationen des Jahres 1983 sicherungsschutz? Soll selbst der nicht gewalttätige waren ganze 274 unfriedlich. Das sind 2,96%. Polizei Abwiegler nach Ihrer Auffassung wirklich nicht und Demonstranten haben ihre Reife, ihre demo- mehr unfallversichert sein? Soll er seine Arzt- und kratische Verantwortung, ihren Respekt vor unse- Kostenrechnungen aus eigener Tasche bezahlen? rem Grundgesetz in überzeugender Weise unter Be- weis gestellt; überzeugender, als es dieser Entwurf Lauter offene Fragen! Noch einmal: Mein Vor- tut. wurf gilt dabei nicht den Beamten des Bundesju- stizministeriums. Er gilt denen, die durch ihre poli- (Beifall bei der SPD) tischen Vorgaben, durch das, was in wenigen Minu- ten in Koalitionsverhandlungen auf Papier ge- Aber davon ganz abgesehen: Ihre Behauptung, schrieben wird, derart verquälte Formulierungen der Entwurf werde die Strafverfolgung von Gewalt- erzwungen haben, Formulierungen, aus denen auch tätern erleichtern und so die Gewaltanwendung das schlechte Gewissen der Beteiligten spricht. eindämmen, ist doch schlicht abwegig. Das Gegen- (Beifall bei der SPD) teil ist der Fall. Glauben Sie denn wirklich, daß sich alle friedlichen Demonstranten nach einer Auflö- Dann zur Zweckmäßigkeit, Herr Bundesjustizmi- sungsanordnung unverzüglich entfernen? Gibt es nister. Sie behaupten, in der letzten Zeit habe die dafür irgendeinen praktischen Anhalt? Ja, glauben Gewalt bei Demonstrationen zugenommen, es habe Sie, daß sie sich in vielen Fällen überhaupt entfer- eine Eskalation der Gewalt gegeben. Und Sie be- nen können, selbst wenn sie sich entfernen wollten, haupten, Ihr Entwurf werde die Zahl der Gewalt- um der Aufforderung nachzukommen? Das wider- akte vermindern. Wenn das so wäre, könnte man spricht doch jeder Lebenserfahrung. mit uns durchaus reden. Wir bejahen das staatliche Gewaltmonopol schon auf Grund unserer eigenen Die Folge ist, daß die Polizei nicht nur gegen die leidvollen geschichtlichen Erfahrung. Gewaltan- Gewalttäter, sondern nach dem Legalitätsprinzip wendung fördert den Prozeß der Meinungsbildung gegen Tausende, wenn nicht Zehntausende Demon- nicht, sondern stört, ja blockiert ihn. Gewaltanwen- stranten einschreiten muß, d. h. ihre Personalien dung schwächt auch die Botschaften, die von gro- feststellen und sie gegebenenfalls in Gewahrsam ßen Demonstrationen ausgehen. Gewaltanwendung nehmen muß. Wie soll die Polizei das denn eigent- hilft in der Regel denen, die sich gar nicht mit den lich leisten, Herr Kollege? Das zersplittert doch die Botschaften auseinandersetzen wollen, sondern viel Kräfte der Polizei. Das führt doch zwangsläufig zu lieber über die Verwerflichkeit von Gewaltakten re- einer Solidarisierung derer, gegen die die Polizei den als sich inhaltlich mit dem Anliegen der Men- dann in gleicher Weise vorgehen muß, also zur Soli- schen beschäftigen. darisierung friedlicher Demonstranten mit gewalt- (Beifall bei der SPD) tätigen Demonstrationsteilnehmern. Aber, Herr Bundesjustizminister, Ihre Behaup- Wenn Sie mir das nicht glauben, dann hören Sie tungen sind falsch. Sie haben doch selbst die Zahlen doch wenigstens auf den Verstand der Gewerk- 4056 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Vogel Schaft der Polizei und deren Vorsitzenden, Herrn Schwierigkeit bezüglich des Legalitätsprinzips Schröder. bei der Strafverfolgung ... (Zuruf von der CDU/CSU: Ausgerechnet! — (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wann war das?) Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das ist doch eine Für die Polizei Filiale Ihrer Partei!) — so sagte Herr Herzog — — Entschuldigung, aber diesem Vorstand gehört doch — das wissen Sie ganz genau — eine Anzahl würde sich die Schwierigkeit entkrampfen, von CDU-Mitgliedern an. Die denken in dieser nach dem Polizeirecht eingreifen zu können, Frage doch genauso. aus polizeitaktischen Erwägungen oder aus Großzügigkeit nicht eingreifen zu wollen, nach (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein gro dem Strafverfolgungsrecht aber eingreifen zu ßer Irrtum!) müssen. Das ist doch nicht die Privatmeinung von Herrn Dann fuhr Herr Herzog fort: Schröder. Ich würde es aber vom Gesetzgeber für unred- (Beifall bei der SPD — Erneute Zurufe von lich halten, einen mittleren Polizeiführer mit der CDU/CSU) dem Legalitätsprinzip, dem Übermaßverbot Außerdem: Ich empfinde es ja fast als eine — wenn und all diesen Dingen in einer Situation, in der auch verkappte — Anerkennung, wenn Sie sagen, er Demonstranten gegenübersteht, die Molo- die gewerkschaftliche Vertretung von Hunderttau- towcocktails werfen, in Verlegenheit zu brin- senden von Polizeibeamten in dieser Republik gen. Der Gesetzgeber hätte dann seine Aufgabe stehe uns in besonderer Weise nahe. Das ist ja eine nicht erfüllt. Äußerung, die man durchaus akzeptieren kann. Nämlich dann, wenn er den Polizeiführer in diese (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei Situation bringt. Und genau das wollen Sie tun. der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) — Herr Schröder hat gesagt: Herr Herzog hat doch recht. Es hat doch im Jeder Polizeipraktiker sagt uns, daß das Herbst nicht eine einzige Situation gegeben — nicht eine einzige —, die von der Polizei besser — was Sie jetzt vorhaben — bewältigt worden wäre, wenn Ihr Entwurf schon Unsinn ist. Man denke nur an Demonstratio- gegolten hätte. Nicht eine einzige! Treten Sie hier nen in Großstädten. Manche Politiker haben an das Rednerpult und schildern Sie hier die Situa- sich von unseren Argumenten überzeugen las- tion des Herbstes, die mit diesem Entwurf besser sen. Andere hätte bewältigt werden können, friedlicher und ohne Eskalation. Im Gegenteil: Der Herbst, der die — damit hat er Sie gemeint — größte Belastungsprobe für dieses Rechtsgebiet schwadronieren unverdrossen weiter. Wenn es war, lief deshalb friedlich ab, weil die Polizei so nach ihnen geht, dann muß die Polizei unter handeln konnte, wie Herr Herzog — und er ist nicht Umständen 10 000 Leute verhaften, nur weil sie irgendwer — das beschreibt. Genau das, wovor an 100 Randalierer herankommen will. Man Herr Herzog warnt, was er ablehnt, wollen Sie zündelt am politischen Feuer, die Polizei soll heute tun. dann löschen. Warum denn eigentlich? Bringen Sie doch einen Aber vielleicht — das haben Sie schon bewiesen — sachlichen Grund für diese Machtdemonstration, wollen Sie auch auf Herrn Schröder nicht hören, die Sie vorhaben! weil er Sozialdemokrat ist. (Beifall bei der SPD) Deshalb bringe ich Ihnen jetzt eine Stimme, mit Meine Herren, Sie bewirken aber nicht nur das der Sie es vielleicht ein bißchen schwerer haben, Gegenteil von dem, was Sie zu erreichen behaupten, nämlich die Stimme des bisherigen Innenministers Sie zahlen dafür auch noch einen hohen Preis. Sie des Landes Baden-Württemberg, Professor für verstopfen die Staatsanwaltschaften und die Straf- Staatslehre und Politik, angesehener Kommentator gerichte mit einer Unzahl zusätzlicher Verfahren. des Grundgesetzes und über jeden Verdacht, in ei- Natürlich wird die Polizei bei einer aufgelösten nem nahen Verhältnis zu uns zu stehen, völlig erha- Großdemonstration nur einen Bruchteil derer iden- ben, Herrn Roman Herzog, jetzt Vizepräsident des tifizieren können, die sich nicht entfernt haben, Bundesverfassungsgerichts, und das wohl nicht ge- aber einige Hunderte werden es dann jeweils schon gen Ihren Willen. Herr Herzog sagte, als es 1970 um sein. Für die ganze Republik sind es Tausende, die Umwandlung des Straftatbestandes der Nicht- wenn nicht Zehntausende von Verfahren, darunter entfernung trotz Aufforderung in eine Ordnungs- - nicht wenige mit Beweisschwierigkeiten. In Berlin widrigkeit ging — wörtlich —: läuft ein Prozeß — Sie haben das in der Zeitung Sie verfolgt — wegen dieser Beweisschwierigkeiten, ohne daß ich das im übrigen billigen will, jetzt seit die Polizei — — 20 Monaten mit den Gegenüberstellungen, den wäre zwar nach wie vor berechtigt einzugrei Schwierigkeiten der Wiedererkennung, mit Alibi- fen, es bestände für sie aber nicht mehr die überprüfungen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4057

Dr. Vogel Warum muten Sie das einer Justiz zu, die schon schon deshalb verdächtig, weil sie überhaupt an De- jetzt unter ihrer Arbeitslast stöhnt? Wenn Sie wirk- monstrationen teilnehmen. lich meinen, die Justiz habe freie Kapazitäten, (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) warum setzen Sie diese Kapazitäten nicht bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ein, Deshalb greifen Sie — dies ist in der Rechtsge- schichte ein Novum — zum Instrument der Ver- (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten dachtsstrafe. der GRÜNEN) (Lattmann [CDU/CSU]: So eine billige Po bei der Verfolgung von Subventions- und Steuerbe- lemik! — Schwarz [CDU/CSU]: So habt ihr trügern oder bei Preisabsprachen? in Berlin Häuser besetzen lassen! — Wei tere Zurufe von der CDU/CSU) (Lattmann [CDU/CSU]: Warum haben Sie das nicht getan? — Weitere Zurufe von der In Fest- und Gedenkreden wird Anselm von Feuer- CDU/CSU) bach doch auch von Ihnen deshalb gefeiert, weil er die Verdachtsstrafen abgeschafft hat. Sind Sie sich Apropos Preisabsprachen in der Bauwirtschaft: dieses Widerspruchs denn wenigstens bewußt mit Das sind heute nur Ordnungswidrigkeiten. Wir ha- dem, was Sie hier vorlegen und beschlossen haben ben immer wieder vorgeschlagen, sie als Straftaten wollen? zu ahnden, als kriminellen Betrug. Da machen Sie nicht mit. Daran erkennt man Ihre Prioritäten. Für (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) uns sind Bauunternehmer, die ihre Auftraggeber Schließlich erschweren Sie die Ausübung zweier um Millionenbeträge schädigen, strafwürdiger als Grundrechte, die für unsere Staatsordnung konsti- ein friedlicher Demonstrant, der einer Aufforde- tutiv sind, nämlich das Grundrecht der Meinungs- rung nicht Folge leistet. Das ist der Unterschied. freiheit und das der Versammlungsfreiheit, in ei- nem Maße, das ernste verfassungsrechtliche Beden- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — ken rechtfertigt. Wieder kann ich mich auf den Zurufe von der CDU/CSU) Christdemokraten Roman Herzog berufen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wann war das?) nehmen noch mehr in Kauf. Sie nehmen in Kauf, daß das Legalitätsprinzip Schaden leidet; denn Sie — Entschuldigung, Herr Roman Herzog ändert wissen doch ganz genau, daß Ihre Strafdrohung nur seine Meinungen doch nicht nach Ihren politischen gegen einen Bruchteil derer durchgeführt werden Zweckmäßigkeiten. kann, die den neuen Tatbestand erfüllen. Damit (Beifall bei der SPD — Schwarz [CDU/ entscheidet nicht das Gesetz, sondern der Zufall CSU]: Aber lernfähig ist er! — Dr. Olderog darüber, wer mit einer Strafsanktion belegt wird. [CDU/CSU]: Haben Sie schon einmal etwas Das ist gegen die Intention des Grundgesetzes, und von Lernfähigkeit gehört?) das schwächt das Vertrauen in die gesamte Rechts- ordnung. — Er sagt doch seine Meinung als Mann des Rech- tes. Im übrigen: Setzen Sie sich doch mit Roman Sie rühren ferner — ich erwähnte das schon — Herzog auseinander. Er ist doch ein Mann, der Ih- an ein Grundprinzip, das die Magna Charta des nen sicherlich zum Gespräch zur Verfügung steht. Strafprozesses darstellt, nämlich an den Satz „in Wenn er die Auffassung nicht mehr teilt, wird er dubio pro reo", zu deutsch: im Zweifel für den An- das morgen in Ihrem Pressedient bekanntgeben. geklagten. Dieser Satz besagt, daß niemand verur- Meine Herren, ich lade Sie ein, den Test zu ma- teilt werden darf, dem nicht seine Schuld zur Über- chen. zeugung des Gerichts nachgewiesen worden ist. (Beifall bei der SPD) Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz erst Roman Herzog sagt — übrigens in der jüngsten vor wenigen Wochen erneut dick unterstrichen. Er Auflage seines Kommentars, es ist also noch gar hat in seinem Urteil vom 27. Januar 1984 zur zivil- nicht lange her —: rechtlichen Haftung von Demonstrationsteilneh- mern festgestellt: Für Schäden bei einer Demon- Als friedlicher Teilnehmer an einer Versamm- stration haftet nur der, der sie nachweislich ange- lung genieße ich den Schutz des Art. 9 des richtet hat, und nicht jeder beliebig herausgegrif- Grundgesetzes grundsätzlich auch, wenn an- fene friedliche Teilnehmer. Sie werden das absurde dere zu randalieren beginnen ... Man kann Ergebnis herbeiführen, daß ein Teilnehmer bestraft also nicht einfach sagen, daß die friedlichen wird, aber nicht schadensersatzpflichtig gemacht Teilnehmer an einer Versammlung, bei der ei- werden kann, weil diese vernünftige Regelung des nige unfriedlich sind, nicht den Schutz des Grundgesetzes genießen. Bundesgerichtshofs dem entgegensteht. Sie wollen - auch dann strafen, wenn dem Angeklagten nicht Das ist eine klare und präzise Aussage. nachgewiesen werden kann, daß er nicht abgewie- gelt hat, daß er nicht um Mäßigung bemüht war, Das geltende Recht gewährt diesen Schutz. Es wenn dies zweifelhaft bleibt. gibt der Polizei die Befugnis, eine Demonstration aufzulösen, wenn sie einen unfriedlichen Verlauf Herr Bundesjustizminister, Leute, die so etwas nimmt. Aber das geltende Recht erlaubt nicht, behaupten, sie hätten abgewiegelt, sind Ihnen eben friedliche Demonstranten zu bestrafen. Das war verdächtig. Wahrscheinlich sind Ihnen Leute allein der große Fortschritt der Reform des Jahres 1970. 4058 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Vogel Diesen Schutz vor Strafe nehmen Sie dem friedli- Konservative — das ist ja nicht neu — haben zu chen Demonstranten. Sie stellen ihn strafrechtlich allen Zeiten gewußt, wie man mit obrigkeitsstaatli- mit dem Gewalttäter auf eine Stufe. chen Mitteln störender Kritik begegnet. (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das stimmt doch (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie sind unfähig, nicht!) der Gewalt den Riegel vorzuschieben!) Sie wollen das Risiko für Demonstranten erhöhen. In den Tagen der bürgerlichen Revolution von 1848 Sie wollen erreichen, daß mehr Menschen auf die hieß die Parole: „Gegen Demokraten helfen nur Sol- Ausübung ihres Grundrechts verzichten, daten". Heinrich Heine, auf den wir uns alle mitein- ander gerne bei feierlicher Gelegenheit berufen, (Beifall bei der SPD) (Lattmann [CDU/CSU]: Auf solche alten daß der Widerspruch gegen die Politik — ich sage Klamotten müssen Sie zurückgreifen!) nicht nur: gegen Ihre Politik —, gegen Politik schlechthin, gegen politische Entscheidungen über- beschrieb wenig später diese konservativen Maxi- haupt leiser wird, daß mehr Menschen ruhig zu men an Hand des Beispiels von Krähwindel so: Hause bleiben und sich nicht mehr in die Politik Vertrauet Eurem Magistrat, einmischen. Das sind Ihre wirklichen Motive. der fromm und liebend schützt den Staat Darum nehmen Sie alle Mängel, Ungereimtheiten durch huldreich hochwohlweises Walten; und Prinzipienverstöße in Kauf. Das ist Ihnen die Euch ziemt es, stets das Maul zu halten. Sache wert. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und (Beifall bei der SPD) den GRÜNEN) Aus all dem spricht tiefes Mißtrauen, Mißtrauen — Einen Moment Geduld, er hat noch etwas viel gegen Bürgerinnen und Bürger, die eine der Ihren passenderes für diesen Fall. Er fährt nämlich fort: entgegengesetzte Meinung haben, die diese zusam- men mit anderen unüberhörbar und unübersehbar Wo ihrer drei beisammenstehen, äußern und dafür sogar auf die Straße gehen. da soll man auseinandergehen. (Dr. Götz [CDU/CSU] meldet sich zu einer — Soweit gehen Sie noch nicht. Drei reichen noch Zwischenfrage) nicht. Weiter also: Wo ihrer drei beisammenstehen da soll man auseinandergehen. Präsident Dr. Barzel: Herr Abgeordneter, gestatten Wer auf der Straße räsoniert, Sie eine Zwischenfrage? wird unverzüglich füsiliert; das Räsonieren durch Gebärden soll gleichfalls hart gestrafet werden. Dr. Vogel (SPD): Aber gerne. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Gewiß, meine Herren von der Koalition, genauso Dr. Götz (CDU/CSU): Gestatten Sie mir eine Fra- ge: Halten Sie einen Demonstranten der sich be- wird es sich heute nicht mehr machen lassen, ge- müht, einen kriminellen Demonstranten vor dem nauso nicht mehr, aber, Herr Kollege Mertes und Zugriff der Polizei zu schützen, auch für einen fried- meine Damen und Herren, daß kritische Meinun- liebenden Demonstranten? gen „hart gestrafet" werden, das hätten Sie schon ganz gerne, und manchmal sagen Sie das j a auch. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Vogel (SPD): Ich habe die Frage nicht erörtert Dr. Olderog [CDU/CSU]: Eine Unver und beantworte sie, indem ich sage, daß er sich schämtheit! — Bohl [CDU/CSU]: Da müs unter Umständen der Beihilfe oder Begünstigung sen Sie aber selbst lachen, Herr Vogel!) nach dem geltenden Recht strafbar macht und daß Manchmal sagen Sie das ja auch! für diesen Fall eine Gesetzesänderung überhaupt nicht nötig ist. Offenbar haben Sie in Ihrem Eifer ganz verges- sen, daß ein Teil Ihrer eigenen politischen Vorfah- (Beifall bei der SPD) ren, nämlich das Zentrum unter Windthorst, Ihre Frage zeigt erneut, daß Sie keinen vernünfti- (Zuruf von der CDU/CSU: Eine Frechheit!) gen Grund für diese Gesetzesänderung haben. in der Zeit des Kulturkampfes, in der Zeit des (Dr. Kübler [SPD]: Armer Götz!) Kampfes gegen die Bismarckschen Maigesetze des Ich wiederhole: Sie finden es beschwerlich, meine Jahres 1873, zu denen gehörte, die diffamiert und Damen und Herren, sich mit diesen Bürgern aus- mit Strafdrohungen aus der damaligen Gesellschaft- einanderzusetzen, mit ihnen argumentativ zu rin- ausgegrenzt wurden. gen. Sie finden es leichter, sie auszugrenzen aus der Sie haben offenbar auch vergessen, daß die De- Staatsloyalität, aus dem demokratischen Konsens, aus der Loyalität zum eigenen Staat. Und der Ent- mokratie ihre Stärke aus der Freiheit der Meinun- wurf, den Sie zum Gesetz erheben wollen, setzt die gen, aus der Offenheit der Kritik, Ausgrenzung fort, und zwar mit dem Mittel der An- (Zuruf von der CDU/CSU: Aus Gewalt ge drohung von Kriminalstrafen. gen Personen!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4059

Dr. Vogel aus der Möglichkeit friedlicher Veränderungen das würde niemanden überraschen. Nein, die Vor- (Bohl [CDU/CSU]: Friedlicher! Sehr rich lage verantwortet ein Freier Demokrat, verantwor- tig!) tet der Justizminister einer Partei, die sich auf Theodor Heuss — jedenfalls in Feierstunden —, auf politischer Zielsetzungen und politischer Machtver- , auf Karl-Hermann Flach beruft, hältnisse herleitet, nicht aus der Vielzahl und der Höhe der Strafdrohungen, die im Gesetzbuch ste- (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Es war ein hen. mal!) (Beifall bei der SPD) der Justizminister einer Partei, die ihren Wählern vor der letzten Bundestagswahl in ihrem Wahlpro- Meine Damen und Herren, eine Demokratie wird gramm folgendes ausdrücklich versprochen hat: schwächer, wenn die Politik beginnt, Probleme, die sie zu lösen, Lasten, die sie zu tragen hat, der Poli- Die Forderungen des Wahlprogramms von 1980 zei und den Gerichten aufzubürden, statt daß die zur Innen- und Rechtspolitik bleiben für die Politik mit politischen Mitteln nach diesen Lösun- FDP unverzichtbar. gen sucht. (Zurufe von der SPD: Ha! — Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Wir werden die Grundrechte wahren. Eine Ein- Zuruf von der CDU/CSU: Wie in Berlin! — schränkung des Demonstrationsrechts z. B. Bohl [CDU/CSU]: Ein Haus nach dem an über eine Verschärfung des Versammlungs- deren besetzen!) rechts lehnen wir ab. Meine Damen und Herren, bei dem Gesetzent- Der Justizminister dieser Partei, die dieses Verspre- wurf, den wir heute beraten — — chen gegeben hat, legt hier diese Vorlage vor! (Weitere Zurufe von der CDU/CSU) (Schily [GRÜNE]: Das war Wählerbetrug!) — Der Bundeskanzler würde an dieser Stelle sagen: Herr Kollege Engelhard, gestatten Sie mir dazu Wie Sie mit Ihrem Geschrei zeigen, welch schlech- eine persönliche Bemerkung. Einer Ihrer Vorgän- tes Gewissen Sie haben und wie Sie es nicht ertra- ger aus dem Bereich der Freien Demokraten ist als gen können, andere Meinungen zu hören! Justizminister zurückgetreten, weil er in einer (Beifall bei der SPD — Zurufe von der Grundfrage glaubte, nicht mit der Mehrheit seiner CDU/CSU) Partei stimmen und votieren zu können. Das war der Kollege Bucher, als es um die Verlängerung der Ich bin da wesentlich unempfindlicher und möchte Verjährungsfrist ging. Ich teile seine Meinung in- Sie bei der Darbietung Ihrer akustischen Argu- haltlich nicht, aber ich respektiere, wie er sich in mente — sachliche haben Sie nämlich nicht — gar einer solchen Konfliktlage verhalten hat. nicht stören, weil dies auch einen Beitrag zur Mei- nungsbildung in unserem Volk darstellt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD — Dr. Miltner [CDU/ Denken Sie einmal nach, ob das nicht auch für Sie CSU]: Wir sind doch ganz ruhig und gelas Orientierung geben könnte. sen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU) (Zuruf von der SPD: Es kann j a keiner Bei dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, mehr zurücktreten!) handelt es sich nicht um rechtspolitische Routine; Meine sehr verehrten Damen und Herren von der ich hätte dann auch nicht das Wort in einer ersten FDP, lieber Kollege Engelhard, es ist schlimm ge- Lesung genommen. Es handelt sich um einen ge- nug, daß Sie dieses Versprechen brechen. fährlichen Anschlag auf die Rechtskultur, nein, mehr noch, (Vo r s i t z: Vizepräsident Westphal) (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Schlimmer aber ist, daß Sie liberalen Traditionen in einem zentralen Punkt abschwören — um nicht es handelt sich um einen Anschlag auf die politi- eine stärkere Vokabel zu wählen — , daß Sie sich sche Kultur Herrn Zimmermann beugen, daß Sie sich — ich (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das glauben Sie muß das sagen — in dieser Frage geradezu demüti- doch selbst nicht!) gen lassen. Wohin ist die Partei gekommen, die ein- mal stolz darauf war, daß und Willy unserer Republik, Brandt gemeinsam gerade die Paragraphen des (Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Strafgesetzbuchs liberalisiert haben, denen Sie die Sie, meine Damen und Herren, im Zeichen der jetzt mit Herrn Zimmermann zusammen wieder die „geistig-politischen Erneuerung" in den letzten Wo- Fassung des Jahres 1871, chen und Monaten durch eine Vielzahl unverständ- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) - licher Entscheidungen ohnehin auf das schwerste nein, die Fassung des Preußischen Strafgesetz- beschädigt haben. buchs von 1851, drei Jahre nach der liberalen und (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ bürgerlichen Revolution, geben wollen! CSU: Das ist nicht mal eine Sonntags Wenn Sie nicht noch in letzter Minute innehalten, rede!) meine Damen und Herren von den Freien Demo- Dabei ist bemerkenswert, daß dieser Anschlag kraten, wenn Sie diesem Entwurf dann schließlich nicht von Herrn Zimmermann verantwortet wird; auch zustimmen, dann werden Sie endgültig eine 4060 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Vogel andere Partei geworden sein, eine Partei, die im sicher, es wird uns an wohlmeinenden und aktiven Kernbereich liberale Identität verloren hat, Bundesgenossen nicht fehlen. (Beifall bei der SPD) (Anhaltender Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: An Genossen nicht!) eine Partei, die vielleicht deshalb gewählt wird, weil bestimmte Kreise unseres Volkes ihre eigenen wirt- schaftlichen Interessen dort besser aufgehoben füh- Vizepräsident Westphal: Meine Damen und Her- len, oder die gewählt wird, weil Spitzenkandidaten ren, bevor ich das Wort weitergebe, will ich das einer anderen Partei zu ihrer Wahl auffordern — Ergebnis der Wahl der Mitglieder des Gremiums Herr Kollege Dregger weiß, wovon ich rede —, aber zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nach- nicht mehr deshalb gewählt wird, weil sie für Libe- richtendienste bekanntgeben. Von der Mitglieder- ralität und für Meinungsfreiheit unerschütterlich zahl von 520 Abgeordneten sind 452 Stimmen abge- und unbedingt auch da eintritt, wo es seinen Preis geben worden. Davon waren 452 gültig. Es hat eine kostet. Enthaltung gegeben. Also keine ungültigen Stim- men. Von den gültigen Stimmen entfielen auf den (Beifall bei der SPD) Abgeordneten Carstens (Emstek) 365 Stimmen, den Das könnte vom Parteistandpunkt aus betrachtet, Abgeordneten Dr. Riedl (München) 352 Stimmen, für uns sogar ein Vorteil sein. Für unseren Staat, den Abgeordneten Hoppe 356 Stimmen, den Abge- für seine freiheitlich liberale Substanz wäre es ein ordneten Walther 410 Stimmen, den Abgeordneten Verlust. Deshalb apelliere ich an Sie, meine Damen Kühbacher 409 Stimmen, den Abgeordneten Klei- und Herren von der FDP: Widersetzen Sie sich dem, nert (Marburg) 95 Stimmen. Damit sind die Abge- was vielen, wahrscheinlich den meisten von Ihnen ordneten Walther, Kühbacher, Carstens (Emstek), — wenn ich an manches Gespräch in den vergange- Hoppe und Dr. Riedl gewählt. Sie haben die nach § 4 nen Jahren, Kollege Detlef Kleinert, denke, wohl Abs. 9 des Haushaltsgesetzes 1984 in Verbindung auch Ihnen — gegen Ihre Überzeugung zugemutet mit § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentari- wird! Sonst hätten Sie auch nicht dem Wahlpro- sche Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit gramm in dieser Phase und in diesem Punkt zuge- des Bundes erforderliche Mehrheit von 261 Stim- stimmt. Machen Sie aus liberalen Kernpositionen men erreicht. Sie sind damit als Mitglieder des Gre- nicht koalitionspolitische Handelsware! Darunter miums zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der leidet nicht nur Ihre Partei, darunter leidet unser Nachrichtendienste gewählt. Staat. Meine Damen und Herren, wir fahren nunmehr (Beifall bei der SPD) in der Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wittmann. Die Kolleginnen und Kollegen von der Union frage ich: Warum lassen Sie sich eigentlich die Dr. Wittmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Chance entgehen, nach dem friedlichen Verlauf des sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Meinungskampfes im Herbst 1983 durch den Ver- Vogel — er ist jetzt gerade abgehalten zuzuhören; zicht auf diesen Entwurf ein Zeichen der inneren ich werde es dann später einfügen —, wenn wir uns Versöhnung zu geben? nicht so gut aus unserer Münchener Zeit kennen (Beifall bei der SPD) würden, würde ich Ihre Rede wirklich ernst neh- Wäre das nicht ein Gebot der Vernunft, oder ist men. Aber ich kann sie angesichts der Art, wie Sie Ihnen wirklich das justament, die Demonstration das vorgetragen haben, leider nicht ernstnehmen. Ihrer Macht, Ihrer Gesetzgebungsmacht, die De- Sie haben sich hier künstlich aufgeregt und meines monstration Ihres Triumphes über den liberalen Erachtens die Tatbestände in diesem Gesetzent- Partner in der Koalition wichtiger als diese Chance wurf vielleicht nicht oder nur oberflächlich studie- der Versöhnung und der erneuten Festigung des ren und prüfen können. Ich will nur ein Beispiel Konsenses? nennen. Sie sagten, der Demonstrant, der sich trotz Aufforderung der Polizei nicht aus der Menge ent- (Beifall bei der SPD) ferne, würde genauso bestraft wie der Gewalttäter. Wir reden soviel von Lernfähigkeit. Wir bestreiten Sie haben übersehen, daß es einen Abs. 1 der Be- nicht, daß wir zu lernen haben. Können Sie nicht stimmung gibt, der unangetastet bleibt, und einen den jungen Menschen in dieser Situation auch ei- neuen Abs. 2, der sich deutlich von der Strafbestim- nen Beweis Ihrer Lernfähigkeit geben? mung des Abs. 1 absetzt und noch weitere Ein- schränkungen enthält. (Beifall bei der SPD) (Schily [GRÜNE]: Das ist doch kein Wider Wir Sozialdemokraten stehen ein für Liberalität spruch! Strafmaß!) und Meinungsfreiheit, wir stehen ein für die Ge- — Ich komme schon darauf. Herr Schily, mit Ihnen waltfreiheit der Meinungsbildung und für die Festi- über diese Frage zu diskutieren ist sinnlos, weil Sie gung des inneren Friedens über alle Meinungsge- von Axiomen ausgehen, die Sie sich nicht- widerle- gensätze hinweg. Wir halten an der rechtspoliti- gen lassen. Also braucht man mit Ihnen darüber schen Linie fest, die und Gustav Heine- nicht zu diskutieren. mann vorgezeichnet haben. Deshalb werden wir diesen Entwurf, diese Lex Engelhard — diesen Na- (Schily [GRÜNE]: Das habe ich nicht ver men verdient sie —, ablehnen und diesem Entwurf standen! Können Sie mir das noch einmal auch in der Diskussion außerhalb des Parlaments erklären?) mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Ich bin — Das verstehen Sie nicht. Das weiß ich. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4061

Dr. Wittmann Herr Vogel, Sie sprachen heute von einem Eine zunehmende Zahl von Demonstrationen ver- schwarzen Tag der Justiz- und der Rechtspolitik. läuft unfriedlich. (Dr. de With [SPD]: Kohlschwarz ist der!) (Schily [GRÜNE]: Das ist die Unwahrheit!) Ich werde Ihnen eines sagen: Wir hatten oft den Sie, Herr Vogel, haben nur Prozentsätze genannt. Eindruck, daß die Zeit, als Sie Justizminister waren, (Schily [GRÜNE]: Gucken Sie sich die Sta eine dunkle Zeit der Rechtspolitik war, weil Sie aus tistik an! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: ideologischen Vorgaben heraus Rechtspolitik be- Die Abwiegler gab es damals noch nicht! trieben haben. Das erleben wir jetzt doch laufend, Da haben Sie recht!) z. B. im Ehescheidungsfolgenrecht, wo eine Bestim- mung nach der anderen vom Bundesverfassungsge- — Herr Fischer, daß Sie ein Abwiegler sind, hat richt aufgehoben wird. noch niemand behauptet. Ich habe Sie immer nur als Aufwiegler erlebt. (Beifall bei der CDU/CSU — Schily [GRÜ NE]: Passen Sie mal mit Ihrem Parteienfi (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ich auch nanzierungsgesetz auf, was da noch alles nicht!) aufgehoben wird!) — Eben. Sie sprachen von Rechtskultur, Herr Vogel. Ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — hört es nicht auch zur Rechtskultur, daß der friedli- Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie sind che Demonstrant, daß der Polizeibeamte, der seine aber ein Abturner!) Pflicht tut, daß der Passant vor Straftaten und vor — Schreien Sie nicht dauernd! Sie können es woan- Gewalttätigkeiten geschützt werden? Das möchte ders besser. ich Sie einmal fragen. Die Demonstrationen haben im vergangenen (Dr. de With [SPD]: Unstreitig!) Jahr zugenommen. Sie haben sich fast verdoppelt. Der Rechtsstaat bewährt sich eben darin, daß er Die unfriedlichen Demonstrationen haben ebenfalls den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit wahrt. zugenommen. Zum Rechtsstaat — Sie haben es selber gesagt — (Dr. Jannsen [GRÜNE]: Das ist kein Wun gehört auch das Dieses Gewaltmo- Gewaltmonopol. der bei Ihrer Regierung!) nopol muß eben dafür eingesetzt werden, daß die Freiheiten, zu denen auch die Freiheit der Demon- Da haben Sie, Herr Vogel, damit es nicht auffällt, stration gehört, für den Bürger gewahrt und nicht mit Prozentzahlen gearbeitet. Die Zahl der unfried- von einigen wenigen — und nur darum kann es sich lichen Demonstrationen ist von 229 auf 274 gestie- handeln — Gewalttätern mißbraucht werden. gen. (Schily [GRÜNE]: Deshalb müssen die Bür (Dr. de With [SPD]: Stellen Sie doch einmal ger bestraft werden?) einen Vergleich an! — Dr. Hirsch [FDP]: Vor allem in Baden-Württemberg und Hes Meine Damen und Herren, die CDU und die CSU sen!) halten seit langem eine Verbesserung des Tatbe- standes des Landfriedensbruchs für erforderlich. Auch etwas anderes hat zugenommen. Das haben Wir haben in den 70er Jahren entsprechende Geset- Sie ebenfalls verschwiegen, Herr Vogel. Die einge- zesvorschläge eingebracht. Ich gebe zu, daß der jet- setzten Mittel wurden nämlich immer brutaler. zige Vorschlag nicht dem entspricht, was sich CDU Auch die menschliche Brutalität, die bei diesen De- und CSU ursprünglich vorgestellt hatten. Er ist ein monstrationen von den Gewalttätern an den Tag Kompromiß in der Koalition der Mitte, und wir tra- gelegt wurde, wurde immer schlimmer, so daß man gen diesen Kompromiß mit. Polizeibeamte, friedliche Demonstranten und fried- liche Passanten wie Freiwild jagte. Nur ein Beispiel: Natürlich müssen wir auch prüfen, ob es etwa in Im September 1981 wurden in Berlin aus Anlaß des den Bereichen, zu denen wir noch keine Gesetzes- Besuchs des Außenministers Haig 151 Polizeibe- vorlage haben, Regelungen bedarf, etwa eines ge- amte verletzt. Bei der Räumung des Startbahnge- setzlichen Vermummungsverbots. Das werden wir ländes West im Oktober 1981 wurden 350 Polizeibe- noch sorgfältig prüfen; denn wir mußten leider fest- amte zum Teil schwer verletzt. stellen, daß die meisten Gewalttätigkeiten dann verübt wurden, wenn sich die Gewalttäter unkennt- (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Und wie lich gemacht hatten, also nicht identifiziert werden viele Demonstranten?) konnten. Es entstand ein Sachschaden von 2 Millionen DM. Wir diskutieren heute einen Tatbestand, der es (Schily [GRÜNE]: Wie viele Demonstran ermöglichen soll, Gewalttaten bei Demonstrationen ten sind denn verletzt worden? — Weitere zu verhindern bzw. wenigstens zu begrenzen. Das Zurufe von den GRÜNEN) ist keine Rückkehr — Herr Vogel, Sie haben diese - Behauptung wider besseres Wissen aufgestellt — — Sie waren j a nicht dabei, also sind Sie nicht ver- zu dem alten Straftatbestand, der bis 1970, bis zum letzt. sogenannten 3. Strafrechtsreformgesetz, galt. Allein Als US-Präsident Reagan 1982 in Berlin war, wur die Lektüre des Gesetzentwurfes oder ein Ver- den 180 Polizeibeamte schwer verletzt, 100 Polizei- gleich, den Sie wahrscheinlich nicht angestellt ha- fahrzeuge schwer beschädigt oder zerstört. Bei den ben — dieser Satz wurde Ihnen wahrscheinlich auf- Krefelder Krawallen gab es 43 verletzte Polizeibe- geschrieben —, würde Ihnen das zeigen. amte. Eine unbeteiligte Passantin starb infolge ei- 4062 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Wittmann nes Steinwurfs aus der gewalttätigen Menge her- Tuns rechnen, nämlich sich strafbar zu machen, aus. aber nicht strafbar wie der Gewalttäter selbst, wie (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE]) Herr Vogel irrtümlich behauptet, sondern weit dar- unter. Es ist keine Kriminalisierung der Demon- In den meisten Fällen wurden die Gewalttaten, stranten im allgemeinen. Es geht nur darum, denje- deren Aufzählung sich noch fortführen ließe, in ei- nigen ihr Tun vor Augen zu halten, die das Gesche- ner Weise begangen, daß die Taten aus der Menge hen, die die Gewalttat in ihrer Kenntnis decken, sie heraus verübt wurden und nur ein geringer Pro- billigend in Kauf nehmen. zentsatz der Straftäter überhaupt ermittelt und Herr Vogel, Sie sprechen in diesem Zusammen- überführt werden konnte, weil sie durch eine umge- bende Menge geschützt oder getarnt waren. Dabei hang von Zehntausenden von Verhaftungen, die da vorgenommen werden müßten, und davon, daß da hat die um die Gewalttäter herumstehende Menge nur wenige herausgegriffen werden. Wenn ich Ihrer die Gewalttaten nicht nur erkannt, sondern zum Logik weiter folge, dann müßten wir dazu überge- Teil gebilligt oder billigend in Kauf genommen. Ein hen, keinen Dieb mehr dingfest zu machen, weil die solches Verhalten, das zugegebenermaßen vom gel- Aufklärungsquote beim Diebstahl unter 50 % liegt. tenden Strafrecht nicht erfaßt ist Das wäre die Konsequenz Ihrer Auffassung. (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: So ein (Dr. Kübler [SPD]: Ist das schwach, ist das Schmarren!) schwach! — Weitere Zurufe von der SPD — es handelt sich weder um Begünstigung noch um und den GRÜNEN) Strafvereitelung —, kann aber ein Rechtsstaat mei- Meine Damen und Herren, nicht nur bei Gewalt- nes Erachtens nicht billigen. demonstrationen, sondern auch bei anderen Gele- (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Vielleicht genheiten werden in letzter Zeit immer mehr Schä- sind wir ein Unrechtsstaat!) den angerichtet, und zwar nicht nur Schäden an Die Organe des Rechtsstaates dürfen nicht passiv Leben und Gesundheit, sondern auch Schäden an daran gehindert werden, Gewalttaten zu verhin- Eigentum, die in die Millionen gehen. Meine Damen dern oder Gewalttäter zu überführen. und Herren, diese Schäden werden zum Teil bei Menschen verursacht, die sich nicht mehr trauen, (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) z. B. einen Strafantrag zu stellen. Wir begrüßen da- Gewalt wird nicht dadurch weniger, daß man vor her den Vorschlag des Bundesrates, die Strafverfol- ihr die Augen verschließt, sich ihr beugt gung nach § 303 des Strafgesetzbuches nicht in al- len Fällen von einem Strafantrag abhängig zu ma- (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!) chen, sondern auch die Möglichkeit dafür zu schaf- oder sie ungeahndet läßt. fen, daß bestimmte Fälle von Sachbeschädigung, bei denen dies im öffentlichen Interesse liegt, als (Dr. de With [SPD]: Wer tut denn das?) Offizialdelikt, ohne Strafantrag verfolgt werden. — Das tut man dann, wenn man Gewalttäter durch Meine Damen und Herren, allein bei Gewaltdemon- eine diese Gewalt billigend in Kauf nehmende strationen in Berlin ist im Jahre 1982 ein Schaden Menge weiterhin schützen läßt. von 40 Millionen DM entstanden, und zwar nicht nur an öffentlichem Eigentum, sondern auch an Pri- (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Kommt alles vateigentum. Diese Art der die von der Engelhard-Höhe!) Sachbeschädigung, immer wieder erfolgt, und zwar nicht nur bei Ge- Meine Damen und Herren, man kann nicht über- waltdemonstrationen, sondern auch mutwillig sehen, daß die Gewalttäter es bei den unfriedlichen durch Rockerbanden, ist auch eine Art von Wirt- Demonstrationen und Auseinandersetzungen der schaftskriminalität, die wir verfolgen müssen. Denn letzten Jahre immer wieder verstanden haben, hier wird wertvollstes Vermögen unserer Bürger friedliche Demonstrationen für ihre Zwecke zu miß- sinnlos und mutwillig vernichtet. brauchen, daß sie sich — in genauer Kenntnis der (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das macht Tatbestandsvoraussetzungen des Landfriedens- Herr Flick doch mit links!) bruchs — so verhalten haben, daß eine Täterüber- führung, eine Beweissicherung oder gar eine Fest- Meine Damen und Herren, die geplanten Neure- nahme nicht möglich war; eine geänderte Polizei- gelungen werden maßgeblich zur inneren Befrie- taktik nützt hier auch nichts. dung, zu mehr Demokratie und zur Stärkung unse- res Rechtsbewußtseins führen. (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Sie müssen es j a wissen!) (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das ist doch zynisch! — Widerspruch bei den GRÜ Mit der Neuregelung wollen wir erreichen, daß NEN) rechtstreue Bürger erkennen, in welcher Lage sie sich befinden, nämlich in der Lage eines Schutz- Friedliche Demonstranten werden ihre Meinung- schildes für Gewalttäter, wenn sie an solchen De- künftig eher ohne Bedrohung und ohne Erpressung monstrationen teilnehmen. Sie stehen noch dies- durch gewalttätige Störer kundtun können. seits der Gehilfentätigkeit, der Begünstigung oder (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Sie haben der Strafvereitelung. Trotzdem liefern sie einen ein seltsames Demokratieverständnis!) Tatbeitrag. Diese Lücke muß nach unserer Auffas- sung geschlossen werden. Wer bösgläubig am Ort Die Neuregelung ist ein Kompromiß. des Geschehens bleibt, muß mit den Folgen seines (Dr. de With [SPD]: Eine Mißgeburt!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4063

Dr. Wittmann Wichtige Vorschläge der Union konnten nicht ver- Das Verwaltungsgericht weist darauf hin, daß we- wirklicht werden. Die Union bietet allen Gutwilli- gen des Altun gemachten Vorwurfs bereits jemand gen, die diesen Gesetzentwurf beraten, an, daß wir anders in der Türkei verurteilt worden war. Es be- uns im Rechtsausschuß über die eine oder andere stätigt Manipulationen seitens der türkischen Frage, auch über den einen oder anderen Vorschlag, Strafverfolgungsbehörden bei der Datierung des der im Bundesrat zur Präzisierung der Bestimmun- Haftbefehls und mittels Nachbesserungen des Tat- gen gemacht wurde, noch unterhalten und das eine vorwurfs und kommt insgesamt zu der Überzeu- oder andere vielleicht noch verbessern. Noch nie gung, daß der türkische Staat strafrechtliche Mo- wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, der so gut tive vorgeschoben habe, um eines politischen Geg- war, daß man ihn nicht noch besser machen könnte; ners habhaft zu werden. wir bieten unsere Hand dazu an. Aber eines werden wir nicht zulassen: daß weiterhin auf unseren Stra- Diese Tatsachen waren bereits bekannt, als das ßen die Demonstrationen durch Gewalttäter miß- Kammergericht Berlin die Rechtmäßigkeit des tür- braucht werden und der friedliche Demonstrant kischen Auslieferungsbegehrens zustimmend ent- überhaupt nicht mehr zum Zuge kommt, seine Mei- schied. Diese Tatsachen waren ebenso den Herren nung zu äußern. Zimmermann und Engelhard bekannt, als sie ihre verhängnisvollen Briefe abfaßten, um die sofortige (Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Friedhofs Auslieferung Altuns zu betreiben. Weitaus schlim- ruhe!) mer noch: Gerade wegen der vom Berliner Verwal- Allé diejenigen, die jetzt jegliche Neuregelung ab- tungsgericht nunmehr bestätigten Asylgründe woll- lehnen, sollten sich bewußt sein, daß sie für den Fall ten diese beiden Minister, verantwortlich für die des Scheiterns Verantwortung auf sich nehmen. Es Verfassung und das Recht, die sofortige Ausliefe- ist nicht auszuschließen, daß wir dann, wie es Kre- rung Kemal Altuns an das türkische Militärregime feld gezeigt hat, den Zuständen auf unseren Stra- bewerkstelligen. ßen mehr oder weniger wehrlos zusehen müssen. (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU]) Meine Damen und Herren, parteitaktische Spie- lereien zum Nachteil des inneren Friedens und der Kemal Altun ist tot. Herr Engelhard und Herr Rechtsordnung wird die Union nicht mittragen. Wir Zimmermann sind weiter Minister. werden eines tun: Regelungen schaffen, die die De- (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/ monstrationsfreiheit der friedliebenden Bürger, CSU]) derjenigen, die zu einer politischen Entwicklung oder zu was auch immer ihre Meinung sagen wollen Wo das Recht in diesem Falle bleibt, wagt man durch eine Demonstration, schützen, damit diese kaum noch zu fragen. Von Gerechtigkeit, Herr En- Demonstrationen nicht mißbraucht werden können gelhard, redet hier eh niemand mehr. von Krawallmachern, Gewalttätern und Leuten, de- nen es nur um die Anwendung ihrer brutalen Ener- In der Verantwortlichkeit dieser beiden Minister gie geht. — jenes Duo infernale der Regierung Kohl — liegt nun auch ein sorgsam geschnürtes Gesetzespaket Vielen Dank. zur sogenannten inneren Sicherheit, angereichert (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — noch mit einem Gesetzentwurf zur Verfeinerung Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Eine Zombie der Kontaktsperre. Man hat von seiten der SPD Rede!) dazu wenig gehört. Handelte es sich bei dem bishe- rigen Gesetz zur Kontaktsperre von Gefangenen bereits um ein schlimmes Sondergesetz, welches Vizepräsident Westphal: Das Wort hat der Abge- entscheidenden rechtsstaatlichen Grundsätzen ordnete Fischer (Frankfurt). Hohn spricht, um ein rechtsstaatliches Monstrum also, welches man mit Fug und Recht ein Not- standsgesetz nennen darf, so ist der vorliegende Ge- (Frankfurt) (GRÜNE): Herr Präsident! Fischer setzentwurf der Bundesregierung der untaugliche Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor Versuch, dieses Notstandsgesetz rechtsstaatlich ich zu den eigentlichen Tagesordnungspunkten hier aufzumotzen. spreche, auf eine Gerichtsentscheidung zurückkom- men, welche zwar nicht unmittelbar mit der Sache (Beifall bei den GRÜNEN) hier zu tun hat, wohl aber mit den dafür zuständi- gen Ministern, den Herren Engelhard und Zimmer- Da soll also in Zukunft auf Antrag des kontaktge- mann. sperrten, d. h. völlig isolierten und jeder freien Ver- teidigung beraubten Gefangenen der Präsident des Letzte Woche entschied die 19. Kammer des Ber- jeweils zuständigen Landgerichts einen Anwalt sei- liner Verwaltungsgerichtes abschließend mit einer nes und nicht etwa des Gefangenen Vertrauens be- Kostenentscheidung den Fall Kemal Altun. Die nennen. Dieser Vertrauensanwalt des -Landge- Kammer kam dabei zu dem Schluß, daß — ich richtspräsidenten darf sich dann anwaltlich um den zitiere — Gefangenen kümmern, allerdings unter peinlicher unbeschadet des Umstandes, daß noch viele Beachtung der bei Terrorismusverdächtigen übli- Punkte aufklärungsbedürftig waren, die Kam- chen Sicherheitskautelen wie Trennscheibe und mer sich bereits bei der Beweislage zum Zeit- ähnliche Monstrositäten des herrschenden Sicher- punkt des Todes für die Bestätigung der Asyl- heitswahns. Art. 1 (§ 34 a Abs. 5) des Gesetzentwurfs gewährung ausgesprochen hätte. weist ausdrücklich darauf hin. 4064 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Fischer (Frankfurt) Ebenso verbleibt dem Landgerichtspräsidenten Wenn der örtliche Polizeieinsatzleiter sagt: die jederzeitige Abberufung seines Vertrauensan- Bitte entfernen Sie sich, und er entfernt sich waltes wegen — so wörtlich — Schlecht- oder Nicht- nicht, dann ist er schon kein normaler Bürger. erfüllung seines Auftrags. — Im Klartext heißt dies: (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Hört! Hört!) „Funktioniert" die Kontaktperson nicht im Sinne der Justiz und der Verfolgungsbehörden, so ist sie Der Mann ist zugleich unser Verfassungsmini- jederzeit zu entfernen. ster, und was Wunder, wenn der nunmehr regie- rende Stammtisch in Bonn dieses autoritäre Her- Liest man die vorliegende Drucksache, vor allem zensanliegen in die Tat umsetzen will! Die Beihilfe die Stellungnahme des Bundesrates, so scheint man eines bis zur Unkenntlichkeit gebrochenen Libera- dort bei dem Gedanken, daß selbst ein zum bloßen lismus ist ihm dabei gewiß. Nun packt der Minister Werkzeug des Staates degradierter Anwalt sich mit seine Vorurteile und manch hintersinnige Absicht, einem kontaktgesperrten Gefangenen unterhalten von welcher er offen nicht spricht, in scheinbar ra- kann, nachgerade in Panik zu verfallen. Fürwahr, tionale Argumente, auch wenn es sich dabei mei- die bundesdeutsche Anwaltschaft kann einem bei stens um die Rationalität von Polizei und Justiz so viel staatlichem Mißtrauen und bei so vielen handelt. Ängsten leid tun. Mit rechtsstaatlichen Verfahren hat dies allerdings nichts mehr zu tun. Zwar gesteht auch der Gesetzentwurf in seiner Begründung gleich zu Beginn zu, daß Demonstra- (Zuruf von der CDU/CSU: Absoluter tionen weit überwiegend friedlich verlaufen, aber Quatsch!) andererseits würden die friedlichen Demonstranten von den sogenannten Gewalttätern als Schutz für Wir GRÜNEN halten es für dringend notwendig, ihr böses Tun verwendet, dies auch noch ohne grö- die damals mit exekutiv-legislativen Kurzschlüssen ßeres Risiko, so daß es — ich zitiere — „zum Schutz fabrizierten Antiterrorgesetze insgesamt einer der Gemeinschaft und der einzelnen Bürger uner- gründlichen Revision zu unterziehen, d. h. zu strei- läßlich (ist), dem geltenden, weitgehend wirkungslo- chen. Denn sie sind nicht Ausdruck demokratischer sen Tatbestand des Landfriedensbruchs seine den Rechtsstaatlichkeit, sondern Ergebnis staatlicher öffentlichen Frieden sichernde Funktion wiederzu- Panik und Brutalität. geben". So heißt es in der hier zu debattierenden Vorlage. Daß diese neudeutsche Liberalisierung eines Sondergesetzes mit der Wiedereinführung des alt- In unserem Grundgesetz findet sich jener schöne wilhelminischen Landfriedensbruchs sowie mit der Art. 8 Abs. 1, der jedem und jeder Deutschen das Erhebung der Sachbeschädigung in den Stand ei- Recht zur friedlichen Versammlung unter freiem nes Offizialdelikts, sofern nur Demonstranten Himmel garantiert. Aber, so schließen messerscharf daran beteiligt sind, einhergeht, zeigt nicht nur die die Autoren des vorliegenden Entwurfs: „Dagegen politische Absicht, Terrorismus und Demonstratio- können sich diejenigen, die Gewalttätigkeiten för- nen psychologisch zu verknüpfen, sondern dies dern, nicht auf diese Grundrechte berufen"; das war weist auch auf die Qualität des gewendeten Libera- ein wörtliches Zitat. lismus der FDP hin. Man erkennt hier den sinistren (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das ist auch rich Kuhhandel einer Koalitionsabsprache, welcher die tig!) liberalen Grundsätze von gestern in den Orkus wirft, sofern dies der Machterhalt von heute erfor- Daß nach den vorliegenden Gesetzestexten bester derlich macht. Zudem, welch ein Handel! Das ver- preußischer Bütteltradition fortan jeder, der dieses dorrte Feigenblatt namens Kontaktperson gegen Grundrecht friedlich in Anspruch nimmt, im Falle den obrigkeitsstaatlichen Kahlschlag namens von Randale sofort zu verschwinden hat, ansonsten Landfriedensbruch. er dieses Grundrecht — frei nach dem Hause Zim- mermann und Engelhard — verwirkt hat, weil er Der CDU/CSU war die teilweise Abschaffung des durch dessen Wahrnehmung, durch die Wahrneh- Landfriedensbruchstatbestandes von Anfang an ein mung eines Grundrechts, j a möglicherweise Ge- Dorn im Auge. walttätigkeiten fördert und sich daher strafbar macht, ohne allerdings wirklich etwas gemacht zu (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) haben, das lehrt, wie man politische Grundrechte Seit dessen teilweiser Streichung im Jahre 1970 bis zur Unkenntlichkeit aushöhlen kann. versuchten die Unionschristen insgesamt sechsmal, (Beifall bei den GRÜNEN) den § 125 des Strafgesetzbuches wieder in die alte So wird aus einem Grundrecht unversehens die alt- Fassung zu bringen. Für diese obrigkeitsseligen deutsche Grundpflicht, den Anweisungen der Obrig- Stammtischpolitiker — Herr Miltner, Sie sind ein keit wort- und widerstandslos Folge zu leisten. „Ge- herausragendes Beispiel — hatte die Beseitigung setzestreuer Bürger" nennt Friedrich Zimmermann des einfachen Landfriedensbruchs offensichtlich al- solche Art Kadavergehorsam. - lerhöchsten ideologischen Stellenwert. Was immer es da an politischen Auseinandersetzungen und so- Da man nun aber nicht die Absicht hat, gemäß zialer Unruhe geben mochte: Die Christenunion for- dem Legalitätsprinzip ganze Großdemonstrationen derte monoton die Verschärfung des § 125 StGB. in Fußballstadien zu verfrachten, um sie dort poli- Vor nicht allzu langer Zeit hat es Ihr Parteifreund zeilich verarbeiten zu können — was würde das Friedrich Zimmermann, der Polizeiminister, in bru- Ausland schließlich dazu sagen? —, so greift man taler Plattheit wie folgt formuliert — ich zitiere —: mit Hilfe der von leisen Skrupeln geplagten Libera- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4065

Fischer (Frankfurt) len auf die mathematischen Ergebnisse der anson- weder vom gewaltfreien noch vom gewaltsamen De- sten so verpönten „Konfliktpädagogik" zurück. Die monstrieren. Mengenlehre feiert in dem vorliegenden Gesetzent- (Zuruf des Abg. Broll [CDU/CSU] — Dr. wurf fröhliche Urständ. Teilmenge und Gesamt- Olderog [CDU/CSU]: Ein Geständnis!) menge werden hier bemüht, um Grundrechtsbesit- zer und Grundrechtsverlorene Und glauben Sie mir: Wenn man es auf Randale anlegt, dann spielt die zusätzliche Strafandrohung (Heiterkeit bei den GRÜNEN) für friedliche Demonstranten überhaupt keine Rol- voneinander zu scheiden. le. Erwischen werden Sie eh nur die Friedfertigen. (Dr. Jannsen [GRÜNE]: In der Schule wird (Zurufe von der CDU/CSU) die Mengenlehre gestrichen!) Nein, es handelt sich hier um ein vorgeschobenes Zudem gibt es professionell begründete Aufent- Argument. Es geht dem Polizeiminister und Herrn haltsrechte im Wirkungsbereich des Art. 8 Abs. 1 Engelhard, dem Justizminister, allein um die innere des Grundgesetzes, für die Journalisten etwa, und Abschreckung. Denkt man deren Logik einmal zu es taucht das Negativ des Aufwieglers auf: der Ab- Ende, so stößt man — entschuldigen Sie, Herr En- wiegler. gelmann, wenn ich Sie hier nicht wirklich als Geg- ner annehme; (Heiterkeit bei den GRÜNEN) (Heiterkeit bei den GRÜNEN) Allerdings trägt der schwer an der Umkehrung der Beweispflicht. Ein Abwiegler muß über seine staats- — Engelmann? Engelhard! Die Freudsche Fehllei- tragende Tätigkeit Nachweis führen können. stung zeigt schon, daß ich eigentlich mit Herrn Zim- mermann hier zu streiten habe; Sie werden hier (Heiterkeit bei den GRÜNEN) gewissermaßen nur vorgeschickt — auf Friedrich Sonst geht er leicht als Aufwiegler mit allen fatalen Zimmerhards repressiven Dreisatz, der da heißt: Folgen durch. Man stelle sich die Dinge einmal Kriminalisieren, erfassen, verbieten. praktisch vor, (Heiterkeit bei den GRÜNEN) (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Alles Unsinn, was Jede mißliebige Protestbewegung, jede rebellische Sie verlesen!) Minderheit unterliegt fortan einer simplen Krimi- auch wenn dies nicht gerade die Stärke, Herr Olde- nalisierungsdrohung. Will man sie weghaben, so rog, des Hohen Hauses und unseres werten Innen- greift man zum Rezept Krefeld. Mittels einge- ausschusses ist. schleuster V-Leute wie dem Berliner Verfassungs- schutzmann Peter Troeber in Krefeld lassen sich (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Lesen Sie den jederzeit friedliche Demonstrationen umfunktionie- Entwurf doch einmal durch!) ren und damit kriminalisieren. Da muß nur einer — Hören Sie doch einmal zu! an der richtigen Stelle auf höheres Geheiß loslegen, und schon hagelt es Festnahmen und Verurteilun- (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das kann der doch gen wegen Landfriedensbruchs. Oder man verfährt nicht verstehen! — Weiterer Zuruf des Abg. wie bei der Massenverhaftung der Jugendlichen Dr. Olderog [CDU/CSU]) aus dem KOMM in Nürnberg. Dann greift die Er- — Am besten gehen wir zusammen einmal auf eine fassung, die mittels der elektronischen Personen Demo. Sie wiegeln ab, ich wiegle auf. Mal sehen, überwachungs- und Erfassungssysteme durch den wer von uns beiden dabei erwischt wird. Dann wol- neuen, maschinenlesbaren Personalausweis etwa len wir sehen, wer von uns beiden nach Ihrem Ge- und durch die Wiedergeburt eines alten massenhaf- setz wie verurteilt wird. ten Verdachtsmoments wesentlich perfektioniert (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN) und ausgeweitet wird. Die Wiedereinführung des Landfriedensbruchs wird jenes wunderbare elek- Ein Abwiegler nimmt einem Aufwiegler einen Stein tronische Netz erst so richtig rechtfertigen. oder einen Holzprügel ab, da er weiter im Geltungs- bereich von Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes demon- Dies alles bliebe jedoch unvollständig, machte so strieren und nicht nach Hause geschickt werden recht keinen Sinn ohne das abschließende Verbie- will. In diesem Moment greifen die Träger von Ho- ten und Unterdrücken. Man darf heute schon davon heitsbefugnissen zu, d. h. die Polizei. Es ist wohl ausgehen, daß all die vielen Urteile und Verdachts- nicht zuviel gewagt, wenn man animmt, daß dieser daten schließlich in eine neue Welle direkter oder Abwiegler nie wieder abwiegeln wird, nachdem er indirekter Berufsverbote münden werden, seine Strafe als Aufwiegler hinter sich gebracht (Beifall der Abg. Frau Dr. Vollmer hat. [GRÜNE])

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN diesmal jedoch nicht mehr vor allem auf den- öffent- und der SPD) lichen Sektor beschränkt. Überhaupt: Die Praxis ist die Stärke dieses Ge- Ich vermute aber, daß diese Rechnung nicht ganz setzentwurfs. Die kommenden Verhältnisse galten aufgehen wird, und zwar aus dem einfachen ja bereits ein Jahrhundert lang: von 1871 bis 1970. Grunde, weil diese Politik mehr Widerstand hervor- Ich selbst lernte die Wahrnehmung des Art. 8 noch rufen wird, als sie zu unterdrücken vermag. Da hilft unter der wilhelminischen Landfriedensbruchdro- kein noch so autoritäres Drohen. Solange die herr- hung. Abgehalten hat das keinen und niemanden, schende Politik nur allzuoft die Ursache von Gewalt 4066 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Fischer (Frankfurt) ist, weil sie Unrecht schafft oder erhält, so lange wollen Sie vom Risiko der Freiheit nichts mehr wis- wird sie auf Widerstand stoßen. sen und schreien nach dem Büttel. (Beifall bei den GRÜNEN) (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau so! Richtig!) Den halten wir GRÜNE allemal für richtiger und wichtiger als Ihre gesamte staatliche Unterdrük- Die Volkssouveränität wurde gewaltsam auf der kungsklaviatur. Es ist ein alter reaktionärer Köh- Barrikade erkämpft, wenn auch nicht in Deutsch- lerglaube hier in Deutschland, daß Sie Freiheit und land. Dies war keine einmalige Tat, deren man Demokratie durch die Zimmermannsche Gesetzes- fortan bei Verfassungsfeiern in getragenem Moll zu treue und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, und gedenken hat, sondern sie gilt es beständig und vor sei sie auch demokratisch legitimiert, erhalten und allem in jeder Generation durch eigene Erfahrung durchsetzen würden. zu erneuern. (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das hat er selbst (Beifall der Abg. Frau Dr. Vollmer nicht verstanden, was er jetzt vorgetragen [GRÜNE]) hat!) Demokratie und Volkssouveränität gibt es halt Freiheit und Demokratie sind an die Volkssouve- nicht nur am Wahltag, sie leben in der Gewaltentei- ränität gebunden. Diese äußert sich nicht nur in lung, in der Wahl-, der Meinungs- und der Ver- freien Wahlen, der Pressefreiheit und anderen ver- sammlungsfreiheit. fassungsmäßigen Grundrechten, sondern wesent- lich auch in der Demonstrationsfreiheit. Diese Regierung der Rechten sehnt sich nach ei- ner anderen Republik, nach mehr autoritärem (Beifall bei den GRÜNEN) Staat. Diese Sehnsüchte finden bereits ihren depri- Auf Befehl von oben war hier in Deutschland so mierenden Niederschlag in der Wirklichkeit. Aus- ziemlich alles erlaubt. Hauptsache, man tut seine länder werden zu unerwünschten Personen erklärt Pflicht, wie es auch der Bundeskanzler heute so und mit haarsträubenden Erlassen und Gesetzen gerne wieder vollmundig von sich gibt. Aber wehe, vertrieben, Asylbewerber mit unmenschlichen Be- man muckt gegen Befehle auf. „Gewalt!", so dröhnt dingungen und einer radikalen Abschiebepraxis ab- es sofort und unisono, wenn irgendwo eine Scheibe geschreckt. Verzweiflung bis zum Tode nimmt man kracht. Gewalt beklagt man auf den Straßen und in dabei in Kauf. den Fußballstadien. Aber wenn zur selben Zeit die Die Filmförderung wird zum Mittel staatlicher gesamte Creme der westdeutschen Politik und In- Zensur. Die Reform des § 218 versucht man über dustrie in den Geruch von Käuflichkeit und Verfas- den Umweg der Krankenversicherung zu unterlau- sungsbruch gerät und dabei so tut, als wäre nichts fen. Nummehr geht es an die Wiedereinführung des gewesen — wie im Flick-Skandal und bei der Par- alten Landfriedensbruchs. teienfinanzierung —, wenn hemmungslos das so- ziale Netz zurückgeschnitten und eine ganze Gene- Ferner plant man neue Distanzwaffen für die Po- ration arbeitsloser Jugendlicher aufgegeben wird, lizei, von einer weiteren Perfektionierung der elek- wenn Großprojekte gegen den Widerstand ganzer tronischen Überwachung und Kontrolle ganz zu Regionen durchgeknüppelt werden und wenn die schweigen. offizielle Politik die Androhung des gegenseitigen Bei Ihnen folgt eine innerstaatliche Feinderklä- atomaren Massenmords als die schönste Friedens- rung auf die nächste. Sie wollen eine Republik, in tat verkauft, so ist das wohlgetan. der Ruhe wieder die erste Bürgerpflicht zu sein hat; (Bohl [CDU/CSU]: Wieviel Prozent haben ansonsten gibt es etwas auf die Köpfe. Sie bei der Bundestagswahl bekommen?) Wir aber meinen, daß statt dessen Unruhe als Dann wundern Sie sich noch, wenn es kracht, und oberste Tugend angesagt ist. Wir GRÜNE halten schreien nach mehr Polizei. Die freiheitlich-demo- den § 125 des Strafgesetzbuches nicht für erweite- kratische Grundordnung sehen Sie immer dann in rungs-, sondern für streichungsbedürftig; denn er Gefahr, wenn Ihnen die fatalen Folgen Ihrer eige- bestraft kein konkretes Vergehen, sondern eine po- nen Politik entgegenfliegen. litische Handlung, die zudem grundgesetzlich ge- schützt ist. (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN — Broll [CDU/ Anstatt sich hinter den Gesetzen aus den Zeiten CSU]: Steinewerfer!) von Bismarcks Sozialistenhatz zu verschanzen, soll- ten Sie daher lieber einmal in den Spiegel schauen. — Erzählen Sie doch nichts von Steinewerfern. Sie Vielleicht dämmert Ihnen dann einiges über die haben doch noch nie aus der Nähe gesehen, wie so wirklichen Gefahren für Freiheit und Demokratie. etwas vor sich geht; erzählen Sie doch nichts! (Beifall bei den GRÜNEN) (Broll [CDU/CSU]: Sie viel mehr!) Sie schwätzen hier immer viel und gerne vom Der Landfriedensbruchparagraph ist also eine Risiko der Freiheit, soweit es um die Verteilung des demokratische Unmöglichkeit, ein Relikt aus der wirtschaftlichen Risikos von oben nach unten geht. Zeit des wilhelminischen Obrigkeitsstaates — da Äußert sich der Souverän in seinen Teilmengen ein- passen Sie ganz gut hin, verehrter Herr Kollege, mal etwas direkter und nicht nur bei Wahlen, dann genauso wie unser mit seinen Fouché-Komplexen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4067

Fischer (Frankfurt) beladener Innenminister, auf den Sie ja so stehen, der Betrachtung der gesetzlichen Regelung wie dem Sie in jeder Rede dreimal danken. auch ihrer tatsächlichen Voraussetzungen dann (Heiterkeit der Abg. Frau Dr. Vollmer doch nicht so beschämt dagestanden haben, wie es [GRÜNE]) in der Absicht dieses Beitrages gelegen haben mag. Für uns ist nicht mehr Folgsamkeit gegenüber den Anordnungen der Obrigkeit angesagt, sondern (Dr. de With [SPD]: Aber doch beschämt!) mehr aufrechter Gang für die eigenen Überzeugun- Tatsache ist nämlich, daß es uns in dieser Situa- gen und vor allem die unveräußerlichen politischen tion sehr schwerfällt — mit Recht ist darauf hinge- Grundrechte. wiesen worden, daß die Liberalen immer versucht Lassen Sie mich dazu ein kleines Beispiel aus haben, sich in diesen Fragen besonders hervorzu- jener Zeit zitieren, in welche auch der Landfrie- tun —, zu übersehen, wie wir das Richtige tun kön- densbruch des Herrn Zimmermann so recht hinein- nen. Bei dieser Ausgangslage muß man sich aber gepaßt hat. erst einmal bemühen, sich möglichst objektiv und unter Abwägung allen Für und Widers mit dem Als 1850 einer der Schlächter der ungarischen Sachverhalt zu befassen, statt sich auf Grund der Revolution, der General Haynau, sich auf Be- bequemen vorgefaßten Meinung auf die eine oder such ins liberale London wagte und dort auch andere Seite zu schlagen und vereinfachend zu sa- noch eine Brauerei sich zu besichtigen erfrech- gen: So muß es eben sein! oder: So geht es nie, und te, da packten ihn die politisch sehr genau damit ist dann Schluß. Denn die Dinge sind doch orientierten Arbeiter bei seinem mächtigen erheblich komplizierter, als sie hier dargestellt wor- Schnurrbart, hauten ihm den Buckel voll und den sind. warfen ihn in eine Kloake. Einen Protest aus Wien tat der Außenminister Der Bürger, den Heinrich Heine gemeint hat — Lord Palmerston damit ab, indem er antworte- auch Herr Vogel hat das zum Schluß hinzuge- te, ein Herr Haynau solle sich vorher überle- fügt —, ist nun allerdings seit vielen Jahrzehnten gen, ob er bei der weltbekannten Unbotmäßig- nicht mehr vorhanden. Vielmehr haben wir es mit keit der Londoner Massen sich ausgerechnet etwas anderen Bürgern zu tun. Natürlich — da wird diese Metropole als Besuchsort aussuchen die Sache nun wirklich unerfreulich — sind alle im müsse. Hause dafür ich hoffe, alle —, daß das Grund- recht des Art. 8, sich unter freiem Himmel zu ver- So zupackend, so direkt kann die Volkssouveräni- sammeln, von jedermann wahrgenommen werden tät gegenüber der Obrigkeit bisweilen sein. Wer den kann — so frei wie irgend möglich —, daß alle For- inneren Frieden will, der darf nicht Unbotmäßigkeit men der Beteiligung der Bürger an dem demokrati- unter Strafe stellen, sondern muß deren Ursache schen Prozeß — dazu gehört sehr wohl die Demon- beseitigen. Daß es dabei manchmal etwas fetzt, ja stration — ermöglicht werden müssen, das dann fetzen muß, gehört zum Risiko der Freiheit für alle aber möglichst auch ungestört. Beteiligten. Wir haben ja wohl in der Vergangenheit einige Danke schön. Typen von Demonstrationen auseinanderzuhalten (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeord gelernt. neten der SPD) (Zuruf von den GRÜNEN) Es gibt die Darstellung besorgter Bürger, die sich Vizepräsident Westphal: Das Wort hat der Herr wegen ihrer Meinung zu einer Einzelfrage zusam- Abgeordnete Kleinert (Hannover). mentun, um öffentlich ihre Bedenken deutlich zu machen. Wenn das wirksam sein soll, dann muß Kleinert (Hannover) (FDP): Herr Präsident! Meine eine solche Demonstration auch friedlich verlaufen. sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Frak- Sonst wird nämlich bis hin zu den Medien aus- tionsführer der Sozialdemokraten hätte beinahe schließlich der unfriedliche Teil dieser Veranstal- unsere Sorgen, die wir bei der Beratung dieses Ge- tung von der Öffentlichkeit beachtet, und das ei- setzentwurfes tatsächlich schon seit längerem — gentliche Anliegen geht vollkommen unter. Wenn nicht erst seit heute — haben, noch wesentlich ein solcher Demonstrationsverlauf von einzelnen schwerer und drückender gemacht mit einer Reihe gewollt sein sollte, dann sagen sie damit gleichzei- von Vorwürfen und Bedenken, die wir uns auch vor- tig, daß sie tatsächlich das Demonstrationsrecht auf gelegt haben. Diese Wirkung ist nur deshalb nicht das schändlichste mißbrauchen wollen, so voll gediehen und zu einem niederdrückenden (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ergebnis geworden, weil die Art, wie das Vorhaben im übrigen gewürdigt worden ist, von so schlichter um in der entstehenden Verwirrung eine Fülle von Einfachheit in der Auswahl all dessen war, was an Irrlehren, die hier in aller Kürze eben wieder skiz- - diesem Gesetz vielleicht negativ sein könnte, ziert worden sind, in Gehirne hineinzubringen, die durch Aktion verdüstert, statt durch Nachdenken (Zuruf von der SPD: Also doch!) geprägt sind. und die Überlegungen, die für ein solches Gesetzes- vorhaben sprechen — die sehr wohl schon seit lan- (Lachen bei den GRÜNEN) gem angestellt worden sind, auch von Sozialdemo- Sie haben außer der darstellenden Demonstra- kraten —, so vollkommen unterdrückt worden sind, tion politischer Meinungen noch die Profilierungs- daß wir angesichts dieser Einseitigkeit sowohl in demonstration. Dazu gehören möglichst viele pro- 4068 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Kleinert (Hannover) minente Teilnehmer, die sich an fernsehwirksamer Es ist eben nicht so, wie Herr Vogel es vorhin dar- Stelle niedersetzen, um sich dann wegtragen zu las- gestellt hat, daß hier eine Entscheidung von gera- sen. Dazu ist übrigens die Mitwirkung des Fern- dezu epochaler Bedeutung für diesen Rechtsstaat sehens unerläßlich. Anderenfalls würde die Sache fällt, sondern wir reden über unterschiedliche Auf- sofort aufhören, weil dann die Profilierung, die we- fassungen über das geltende Recht, das alles das, sentlicher Zweck dieser Art von Demonstration ist, was nach der Änderung möglich sein soll, heute nicht stattfinden kann. schon ermöglicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Es ist nämlich über das Versammlungsgesetz und Zurufe von den GRÜNEN) die Bedrohung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld all das heute schon durchaus mit einer Sühne be- Dann gibt es auch noch — deshalb benutzte ich wehrt, was in Zukunft auch bewehrt sein soll, dann gern, was Sie hier so an Anschauungsmaterial lie- allerdings als Straftat. Dieser Unterschied ist mir fern — die Solidarisierungsdemonstration, bei der bewußt. Ich erwähnte dies hier, weil es sich immer es darum geht, die Leute, die man aus einem angeb- noch um einen graduellen Unterschied und nicht lich sachlichen Anlaß zusammengebracht hat, um eine Umkehr aller Werte handelt. Das gilt um so durch ein Gemeinschaftserlebnis so miteinander zu mehr, weil es eben nicht richtig ist, daß man auf das verbinden, daß man sie hinterher zu anderen politi- Recht, das bis 1970 gegolten hat, zurückgehen will. schen Zwecken mißbrauchen kann. Man will dieses Recht vielmehr nur zu einem sehr (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) geringen Teil und mit einer Reihe von Abmilderun- gen, die zugegebenermaßen übrigens auch zu Diese Solidarisierungsdemonstration wird in ihrem rechtstechnischen Komplikationen führen, was ich Verlauf und in der Erreichung ihres Zwecks sehr gar nicht verkennen will, einführen, also nur in An- gefördert, wenn sie unfriedlich verläuft, wenn klängen an früheres Recht. Da hilft keine Panikma- schließlich auch ein polizeilicher Einsatz erforder- che. Dies ergibt einfach der Blick auf den Gesetzes- lich ist und man dann das hat, worüber sie bei ande- text und insbesondere der Vergleich mit dem hier ren — übrigens: zu Recht — sehr abfällig urteilen zitierten früheren Gesetzestext. würden, nämlich das, was frühere Generationen als Es ist ja auch gut, zu hören, daß die Sozialdemo- gemeinsame Kriegserinnerungen in verbindender kraten der Hort liberaler Rechtsauffassungen sind Männerfreundschaft mit sich getragen haben. Das und daß das alles bei uns schlecht aufgehoben ist. hat man dann als Demonstrationserinnerung aus Am ehesten gehört in diesen Zusammenhang noch dem Einsatz an der Starbahn West oder bei ähnli- die langjährige Diskussion über die Verteidiger- chen Gelegenheiten. überwachung. Das war eine Sache, bei der wir nun (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und wirklich lange Zeit ganz alleine gekämpft haben der CDU/CSU) gegen sozialdemokratische Justizminister in der damaligen Koalition, gegen breite Strömungen Mit diesem Vehikel werden dann die unsinnigsten auch und gerade in der Sozialdemokratie, die aus Ideen einiger weniger Anführer und Verführer wei- den Ländern kamen, tertransportiert. (Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD]) Wenn man sich einmal klarmacht, was da im ein- bis wir uns schließlich — Herr Emmerlich, und zelnen an sehr unterschiedlichen Demonstrationen zwar die Rechtspolitiker viel eher als die Innenpoli- vonstatten geht, dann weiß man auch, wie schwer tiker — darauf verständigt haben, einen anderen es ist, der großen Masse derjenigen Bürger, denen Weg zu gehen, der uns diesen allerdings sehr dra- wir dieses Demonstrationsrecht frei erhalten wol- matischen Eingriff in unser strafprozessuales Ver- len, zu ihrem Recht gegen diejenigen zu verhelfen, fahren erspart hat. Da waren wir wirklich die er- die bei dieser Gelegenheit andere Ziele verfolgen, sten, und da waren etliche Sozialdemokraten auf und zwar über die vorhin hier so nett angespro- der anderen Seite. chene Randale hinaus. (Beifall bei der SPD — Dr. Emmerlich Darüber kann man nun von Fachleuten sehr Un- [SPD]: Das ist mindestens Geschichtsklit terschiedliches hören. Jeder, der sich eine rechtspo- terung!) litische Meinung als Vorurteil bereits gebildet hat, hat seinen Polizeipräsidenten oder Gewerkschafts- Genauso kann ich an eine Reihe von Eingriffen vorsitzenden zur Hand, der eben diese Meinung aus erinnern, die im bequemen Interesse der Verfah- den Erfahrungen der Praxis im Brustton der Über- rensbeschleunigung sowohl im Strafprozeß wie im zeugung bestätigt. Für eine wirklich sinnvolle Aus- Zivilprozeß geplant waren, die an unserem Wider- einandersetzung über das Thema ist dieses Verfah- stand gescheitert sind. ren nicht geeignet. Wir glauben vielmehr, daß dieje- (Beifall bei der FDP) nigen, die fachlich sowohl von der praktischen als - auch von der rechtswissenschaftlichen Seite her et- Wir haben versucht, dafür zu sorgen, daß die Rechte was dazu zu sagen haben, ihre Unterhaltung in aller der Verfahrensbeteiligten erheblich stärker weiter- Ruhe miteinander in Gegenwart derjenigen führen, hin berücksichtigt bleiben, als das in solchen Ver- die zum Schluß die Last der Entscheidung tragen einfachungsvorhaben vorgesehen war. müssen. Vielleicht kommt man dann dazu zu sagen: Eine Sache, die — zugegeben — nicht unmittel- Mehrheitlich kann man der Meinung sein, daß die- bar in den Zusammenhang gehört, die aber meiner ser oder jener Weg der richtige ist. persönlichen Einschätzung nach demnächst auch Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4069

Kleinert (Hannover) einmal beim Bundesverfassungsgericht kippen denn die Demonstration richte sich in erster Linie wird, ist das Künstlersozialversicherungsgesetz. gegen den Innensenator von Berlin, Herrn Lum- Das war ein Opfer, das wir nach langem hinhalten- mer, der inzwischen in einer Personalkantine im den Widerstand auf den Altar der vergangenen Ko- Keller untergebracht war, damit er etwas sicherer alition gebracht haben. Bei diesem Gesetz ist eine sein konnte. Fülle von Rechtsfehlern eingearbeitet worden, die (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD] und wei vermutlich auch zu seinem Scheitern führen wer- tere Zurufe von der SPD und den GRÜ den. NEN) (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist ein — Herr Fraktionsvorsitzender, der Kollege Wernitz anderes Thema!) hat dann gesagt, daß es für ihn überhaupt nicht in Wir können darauf eingehen oder wir können uns Frage käme, die Diskussion ohne die Beteiligung besinnen auf die Unterhaltung zum G-10-Gesetz aller, die an ihr teilnehmen sollten, zu beginnen; über die Mitteilung über die Telefonüberwachung (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) an die Betroffenen und die daraus etwa zu ziehen- deshalb würden wir uns zunächst einmal in diesen den Folgerungen. Das sind nur einige Beispiele, die Keller begeben, um abzuwarten, zeigen, daß hier mit Schwarzweißmalerei und der Einteilung der vertretenen Fraktionen und Par- (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN) teien in die Guten und die Bösen überhaupt nichts ob es der Leitung dieser Anstalt gelingt, ein Diskus- zu gewinnen ist, sionsklima wiederherzustellen, das die Bespre- (Beifall bei der FDP) chung des Demonstrationsrechts ermöglicht. Beim nächstenmal habe ich unfeinerweise den sondern daß unter Sachzwängen leider alle immer Kollegen Hirsch gebeten, eine Diskussion zu einem einmal einen Fehler gemacht haben und schließlich vergleichbaren Thema in Loccum zu besuchen. Da auch einen Koalitionskompromiß eingegangen sind, ist er von den Demonstranten erst gar nicht herein- bei dem jeder etwas nachgeben mußte, auch wenn gelassen worden. ihm das schwerfiel. Mit einem solchen Fall werden wir es hier schließlich auch wieder zu tun haben. (Heiterkeit bei der FDP) Um so mehr nehmen wir das dankbar auf, was Herr Wittmann vorhin über die Offenheit gesagt hat, mit Vizepräsident Westphal: Herr Abgeordneter Klei- der das, was hier noch an rechtlicher Problematik nert, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß vorhanden ist, in den Ausschußberatungen zu prü- Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich darf Sie bitten, fen ist. Wir werden uns die Meinung derjenigen, die zum Schluß zu kommen. etwas dazu sagen können, in Ruhe und unvoreinge- nommen anhören, um danach schließlich zu einer in jedem Fall schweren Entscheidung zu kommen, Kleinert (Hannover) (FDP): Herr Präsident, ich die aber mit Sicherheit keineswegs — weder so komme unmittelbar zum Ende. noch so — den Untergang des Rechtsstaats bedeu- Wer so seine Diskussionsbereitschaft in der ten wird, sondern eine nach Lage der Dinge dann Sache — speziell bei diesem Thema — zeigt, der eben unumgängliche politische Entscheidung sein sollte nicht hergehen und uns, wenn wir ernsthafte wird, und zwar zur Erhaltung und Verteidigung des Erwägungen anstellen, den Vorwurf machen, wir Demonstrationsrechtes und keineswegs als Angriff hätten vielleicht etwas gegen die Möglichkeit einer darauf. Letzteres wäre eine Behauptung, die nur jederzeit freien und ungehinderten Aussprache, geeignet ist, künftige Beratungen zu belasten, aber während er selbst zu denen gehört, die sie verhin- nicht etwa zu fördern. dern, wo sie es nur können. Um einmal auf den Typ von Demonstranten, mit (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — dem man es u. a. auch zu tun hat, ein Licht zu wer- Zuruf von den GRÜNEN: Prost, Herr Klei fen: Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie nert!) wir, um über Fragen des Demonstrationsstrafrechts und seiner etwaigen Neugestaltung zu sprechen, in Vizepräsident Westphal: Das Wort hat der Herr die Evangelische Akademie Loccum gekommen Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, sind — ausgerechnet —, der Kollege Axel Wernitz Herr Schnoor. und ich. Wir trafen uns da und wurden umringt von vermummten Demonstranten. Es herrschte ein gro- ßer Aufruhr in der gesamten Evangelischen Akade- Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen): Herr mie. Der Leiter erklärte uns betrübt, die vorgese- Präsident! Meine Damen und Herren! Die Folgen hene Podiumsdiskussion, zu der alle Bevölkerungs- der von der Bundesregierung beabsichtigten Ände- gruppen und alle interessierten Kreise eingeladen rung des Demonstrationsstrafrechts werden in er- waren, besonders die, denen das Demonstrieren ih- ster Linie uns in den Ländern treffen, und zwar- vor rer Ansicht nach besonders am Herzen liegt, könne allem Polizei und Justiz. Polizei und Justiz werden leider wegen der Demonstration nicht stattfinden. die Last einer verfehlten Strafgesetzgebung zu tra- gen haben. (Dr. de With [SPD]: Wäre das nach neuem Meine Damen und Herren, die Polizei wird ver- Recht anders?) antwortlich gemacht werden, wenn, was ja zu er- Es wurde uns dann vom Veranstaltungsleiter ange warten ist, die vorgeschlagene Norm nicht zu einer sonnen, wir könnten ja schon einmal anfangen, besseren Befriedung führt und nicht zu einem 4070 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen) besseren Schutz beitragen wird, sondern genau das — Ja, Ihnen fällt nur das Lachen ein, wenn es um Gegenteil bewirken wird. die Wahrung der Bürgerrechte geht. Das ist mir die ganze Zeit schon aufgefallen. (Beifall bei der SPD und Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE]) (Beifall bei der SPD) Dann wird man der Polizei die Schuld in die Schuhe Dieser Schritt mag manchem unbedeutend er- schieben, denn der Gesetzgeber hat ja dann seine scheinen, aber bedenken wir: Die Freiheit stirbt oft Schuldigkeit getan; es kann dann ja wohl nur noch zentimeterweise. an der Polizei liegen. Meine Damen und Herren, Bundesregierung, In den letzten 13 Jahren hat sich die Zahl der CDU/CSU und FDP wollen einen Straftatbestand Demonstrationen in der Bundesrepublik verviel- aus dem Jahre 1871 — freilich mit gewissen Retu- facht, und es ist weder zu erwarten noch zu wün- schierungen, aber eben doch einen Tatbestand von schen, daß sich dieser Anstieg verringert. 1983 ha- 1871 — wieder einführen. Da beißt keine Maus den ben wir Großdemonstrationen mit mächtigen Wil- Faden ab. Daß die Unionsparteien ihre Chance lensbekundungen erlebt, und auch andere Gründe wahrnehmen, wundert uns ja nicht; das haben wir als das Bekenntnis zum Frieden können einmal gar nicht anders erwartet. Aber ich muß sagen, Menschen dazu bringen, auf die Straße zu gehen. trotz des Beitrags von Herrn Kleinert ist der Mei- Die bedrückende Lage auf dem Arbeitsmarkt, die nungsumschwung der FDP immer noch schwer ver zunehmende Arbeitslosigkeit, die belastende Sorge mittelbar. Herr Kleinert hat uns zwar die Skrupel um das Existenzminimum mancher Menschen mitgeteilt, die ihn bewegen. — Ich sehe, er ist nicht kann auch diese dazu bringen, von ihrem Grund- hier, recht Gebrauch zu machen, und dieses Recht möch- ten wir nicht angetastet sehen. Es wird aber angeta- (Dr. de With [SPD]: In der Kantine!) stet. aber der Herr Kollege Hirsch nimmt das entgegen (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) und wird es ihm sagen. Herr Hirsch, die Skrupel der FDP sind uns zwar vermittelt worden, und Sie ha- Für unseren Staat ist aus guten Gründen die re- ben erklärt, Sie sehen in der Bemerkung von Herrn präsentative Demokratie eingeführt worden, und Wittmann, daß man im Ausschuß reden könne, ei- wir wollen auch an ihr festhalten. Der Wähler wird nen Hoffnungsschimmer. Aber sind Sie denn ei- aber nach seiner Stimmabgabe mediatisiert, und gentlich noch frei, das Gesetzgebungsvorhaben wie- manche Staatsbürger sehen sich nun einmal mit der aufzugeben? Das können Sie uns doch hier gar ihren politischen Anliegen nicht mehr von uns und nicht erzählen, und davon sprechen Sie j a auch gar unseren Parteien ausreichend vertreten. Was kann, nicht. was muß der freiheitlich-demokratische Staat tun, (Broll [CDU/CSU]: Die sind doch frei, etwas um einen drohenden Zusammenstoß mit engagier- einzusehen!) ten Kritikern der gegenwärtigen Ordnung mög- lichst zu vermeiden oder jedenfalls gering zu hal- Nein, meine Damen und Herren von der FDP, die ten, und wie ist es überhaupt möglich, einen breiten FDP entläßt sich mit ihrer Zustimmung zu einem Konsens zu erhalten, von dem wir doch ausgehen Gesetz, das die Bestrafung friedlicher Demonstra- müssen, wenn wir unsere Gesellschaftsordnung er- tionsteilnehmer vorsieht, selbst aus ihrer Rolle als halten wollen? Vertreterin einer liberalen Rechts- und Innenpoli- tik, Konflikte sind in unserer Gesellschaft Teil des notwendigen gesellschaftlichen Wandels, und Aus- (Beifall bei der SPD) einandersetzungen über den richtigen Weg sind un- und sie verschreibt sich damit einem restaurativen verzichtbarer Bestandteil unserer staatlichen Ord- Verständnis des Staates, mit dem dieser kritischen nung. Davon müssen Strategien zur Konfliktlösung Bürgern begegnet, ausgehen, für die Polizei, aber auch für den Gesetz- geber. Der Gesetzgeber, Gerichte und Polizei müs- (Beifall bei der SPD — Zurufe von der FDP sen das Demonstrationsrecht, diese Pressefreiheit und der CDU/CSU) des kleinen Mannes, wahren — der Gesetzgeber Ein Journalist hat kürzlich gesagt, der Entwurf vernachlässigt diese Pflicht —; denn für Bürger, der Bundesregierung führe zum kaiserlichen Straf- insbesondere für Minderheiten, die ja nicht wie wir recht des vorigen Jahrhunderts zurück. Heinrich den Zugang zur Presse haben, sind Demonstratio- Böll hat früher sogar einmal vermutet, das alte kai- nen oft das einzige Mittel, der fortgeschrittenen Mo- serliche Demonstrationsstrafrecht stamme aus der nopolisierung der öffentlichen Meinung entgegen- Zeit der Bauernkriege. Nein, das ist nicht richtig, zuwirken. denn man hat zwar in all diesen Zeiten Straftatbe- stände mit schrecklichen Strafen gehabt, nur (Beifall bei der SPD) - glaubte man, nicht mit diesem Straftatbestand ar- Natürlich müssen einzelne Gruppierungen, die beiten zu müssen. Man glaubte immer, ohne diesen den Einsatz von Druck und Zwang benutzen wollen, auskommen zu können. Erst in der Kaiserzeit in ihre Schranken verwiesen werden, unabhängig wurde das anders, und dorthin möchte die Bundes- davon, ob uns ihre Ideen gefallen oder nicht gefal- regierung so schrecklich gern zurück. len. Aber hier und nur hier liegen nach unserer Ver- (Lachen bei der CDU/CSU) fassungsordnung und nach den Maßstäben auch Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4071

Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen) der politischen Vernunft die Grenzen des Demon- 1,37 % der unfriedlichen Demonstrationen zählen strationsrechts. wir auch Krefeld, worauf Sie mehrfach hingewiesen (Beifall bei der SPD) haben. Ich komme gleich noch einmal darauf, meine Damen und Herren; das sieht dann für Sie Unter diesen Aspekten ist die Novelle überflüssig, gar nicht so schön aus. Wir zählen dazu also auch nicht praktikabel, rechtlich bedenklich und keines- Krefeld, obwohl dort mehr als 20 000 Bürger fried- wegs geeignet, die öffentliche Sicherheit und den lich demonstriert haben. Bedenken Sie das bitte. öffentlichen Frieden besser zu schützen als das gel- Und da auch bei Demonstrationen, die als unfried- tende Recht. lich gewertet werden, nur ein kleiner Teil der (Beifall bei der SPD) Menge gewalttätig agiert, ist der Anteil der Störer gar nicht abschätzbar. Es ist deshalb falsch, Herr Ich weiß mich in dieser Bewertung einig mit der Bundesjustizminister, von einer Eskalation der Ge- ganz überwiegenden Mehrzahl der Praktiker. Und walt zu sprechen. Das tatsächliche Demonstrations- wenn auf die Gewerkschaft der Polizei verwiesen geschehen rechtfertigt die beabsichtigte Rechtsver- wird, die diesen Standpunkt vertritt, meine Damen schärfung nicht. und Herren, dann bedenken Sie: Sie vertritt 170 000 Mitglieder unserer Partei Von der CDU/CSU, vorhin auch von Herrn Witt- (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Olderog mann, ist auf Krefeld verwiesen worden. Mir ist [CDU/CSU]: Bravo!) auch schon an anderer Stelle entgegengehalten worden, die Ereignisse beim Besuch des amerikani- — unserer Polizei. schen Vizepräsidenten Bush in Krefeld hätten die (Anhaltendes Lachen bei der CDU/CSU — Notwendigkeit einer Verschärfung des Demonstra- Dr. Olderog [CDU/CSU]: Ein paar müßten tonsrechts erwiesen. Das ist absolut falsch. Die ge- Sie aber abziehen, Herr Minister!) walttätigen Störer in Krefeld waren nicht Teilneh- mer einer Demonstration. Das wäre schön für uns. (Beifall des Abg. Dr. Vogel [SPD] — Zurufe (Dr. de With [SPD]: So ist es!) von der CDU/CSU) Die Demonstration in Krefeld ist vielmehr absolut — Ein Wunsch wäre das, Herr Kollege Vogel. — friedlich verlaufen. Dann hätten wir die Mehrheit und könnten bestim- men, daß solche Gesetze jedenfalls nicht beschlos- (Zuruf von der SPD: Richtig!) sen würden. Die Demonstranten haben sich an jede Auflage der (Beifall bei der SPD — Schulhoff [CDU/ Polizei gehalten, an das Vermummungsverbot, an CSU]: Wer die Mehrheit bei der Polizei hat, alles haben sie sich gehalten. Die Demonstranten hat die Mehrheit im Bundestag?) haben auch die an ganz anderen Stellen der Stadt agierenden Gewalttäter in keiner Weise gedeckt. Die Bundesregierung geht bei ihrer Beschrei- Alles andere, was vorhin über Krefeld gesagt wor- bung der Zielsetzungen des Gesetzenwurfs davon den ist, stimmt doch gar nicht. Es hat bedauerli- aus cherweise verletzte Polizeibeamte gegeben. Ich (Schulhoff [CDU/CSU]: Sie haben gerade habe darüber an anderer Stelle sehr eingehend ge- gesagt, mit der Mehrheit bei der Polizei sprochen. Nur haben die mit der Demonstration hätte man auch die Mehrheit im Bundes- überhaupt nichts zu tun, meine Damen und Herren. tag! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Durch noch so scharfe Gesetze verhindern Sie doch — regen Sie sich doch bitte etwas ab, und hören Sie nicht, daß es immer Gewalttäter und immer Straftä- lieber zu; es geht um ein ernstes Thema, meine ter geben wird, genausowenig, wie Sie durch ein Damen und Herren —, daß es bei zahlreichen De- Vermummungsverbot verhindern werden, daß sich monstrationen in der letzten Zeit zu schweren Aus- Bankräuber vermummen, um später nicht erkannt schreitungen gegen Menschen und Sachen gekom- zu werden. Das werden Sie genausowenig verhin- men sei. Ich weiß nicht, wie man so etwas immer dern, wie Sie es durch ein Vermummungsverbot noch wiederholen kann. Das trifft insgesamt nicht verhindern, daß sich Gewalttäter weiter vermum- zu und für Nordrhein-Westfalen schon gar nicht. men. (Sehr gut! bei der SPD) (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Von wem sind die Polizeibeamten verletzt worden?) Die Zahl der unfriedlichen Demonstrationen ist in Nordrhein-Westfalen von 1981 auf 1982 um 64 % zu- — Von Gewalttätern, die aber nichts mit den De- rückgegangen. monstranten zu tun hatten. (Hört! Hört! bei der SPD) Vorhin hat Herr Wittmann etwas von einer Frau Die absolute Zahl ist um 64 % zurückgegangen, erzählt, die in Krefeld durch einen Steinwurf getö- meine Damen und Herren. Bis zum Jahre 1983 hat tet worden ist. Herr Wittmann, die Fakten sind an- es zwar eine gewisse Steigerung bei der absoluten dere. Es ist in der Tat während der Demonstration Zahl gegeben, aber relativ auch einen deutlichen in Krefeld eine Frau gestürzt und eingeliefert wor- Rückgang. Und die Zahlen für 1983, meine Damen den. Hieran ist sie nicht verstorben. Sie ist Wochen und Herren: Von 2 839 Demonstrationen verliefen später nach der Demonstration zu Hause noch ein- nur 39 unfriedlich. Das sind 1,37 %. Und zu diesen mal gestürzt. Auf Grund eines Schädelbasisbruches 4072 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen) ist die Frau dann verstorben. Das hat nun wirklich absolut verfehlt. Das kann nur jemand sagen, der nichts mit der Demonstration zu tun. sich nie mit diesen Fragen befaßt hat. (Schily [GRÜNE]: Das ist Herr Wittmann! (Beifall bei der SPD — Dr. de With [SPD]: So macht Herr Wittmann Politik! Das zu Sehr wahr!) Protokoll: So machen Sie Politik, so ma- Es ist ja eher zu befürchten, daß die weitreichende chen Sie Demagogie! — Dr. Wittmann Kriminalisierung friedlicher Bürger verstärkte Ag- [CDU/CSU]: Ausgerechnet Herr Schily!) gressionen aufbauen wird. — Aber eins können Sie nicht bestreiten, Herr Witt- (Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt „Kri mann: Der Sachverhalt, den Sie vorgetragen haben, minalisierung"?) stimmt nicht, wie mancher Sachverhalt, der zu Kre- feld von Ihrer Seite vorgetragen worden ist, nicht — Sie machen jemanden zum Straftäter, der nur stimmt. dabeigestanden hat, der selber aber nicht einmal jemandem Beihilfe geleistet hat. Das machen Sie. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Das ist doch Kriminalisierung. Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Das hat offen bar gar nicht stattgefunden!) (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: So definieren Sie Das geltende Strafrecht reicht auch aus, um das Gesetze!) strafwürdige Verhalten von Gewalttätern angemes- sen zu ahnden. Diese sind ja schon nach geltendem Das wird zur Aggression und zur Solidarisierung Recht strafbar. Auch für Anstifter und Gehilfen beitragen. Das wird nicht zu einem Abbau, sondern sieht das geltende Recht ausreichende Strafandro- zu einer Eskalation der Gewalt beitragen. hungen vor. Wer einem Steinwerfer bei der Tat Im übrigen lassen Sie mich eins sagen: Wenn an durch Gewährung von Deckung hilft, macht sich einer Demonstration Personen teilnehmen, die sich wegen Beihilfe strafbar. Aber natürlich muß man zwar im politischen Ziel einig sind, sich aber in den dem Täter oder dem Gehilfen die Tat nachweisen. Methoden unterscheiden — der eine will Gewalt, Daran dürfen wir doch nichts ändern. Das ist natür- der andere will sie partout nicht —, dann können lich für Polizei und Justiz ein großes Problem. Hier sich Gewalttäter und die Friedlichen noch vonein- gilt es, anzusetzen. Es gilt, den Straftätern — auch ander fernhalten. Wenn aber die Polizei dazu- den Gehilfen — ihre Straftat nachzuweisen, nicht kommt und auch gegen Friedliche vorgehen muß, aber friedliche Bürger durch Herumdrehen am Ge- sieht das anders aus. setzestext zu verfolgen und zu kriminalisieren. (Beifall bei der SPD — Dr. Wittmann (Beifall bei Abgeordneten der SPD) [CDU/CSU]: Die Polizei ist an allem Ein überzeugendes Konzept zur Lösung des Be- schuld!) weisproblems haben wir in Nordrhein-Westfalen er- — Nein, ich möchte gerne, Herr Wittmann, daß der arbeitet. In anderen Ländern gibt es ähnliche Be- Polizei das Leben erleichtert wird. Sie erleichtern mühungen. Das Problem ist ja nicht, einen Gewalt- es ihr nicht, sondern Sie machen es ihr schwerer. täter festzunehmen. Das kann die Polizei. Das Pro- blem ist, bei einem Massendelikt individuelle (Beifall bei der SPD) Schuld nachzuweisen. An diesem Grundsatz müs- Die aus dem Legalitätsprinzip folgende Verpflich- sen wir festhalten. Wir dürfen ihn nicht aufgeben. tung, alle von der Strafandrohung erfaßten Perso- Sie sind dabei, diesen Grundsatz aufzugeben. nen zu verfolgen, würde an die Stelle des Beweis- (Beifall bei der SPD) problems ein Täter-Massen-Problem setzen. Die Strafverfolgung aller unter den neuen Tatbestand Es darf auch erwartet werden, daß die Polizei in fallenden Bürger ist natürlich schlechterdings un- Nordrhein-Westfalen in Kürze die von gewalttäti- möglich. Das führt aber dann zu nicht akzeptablen gen Störern begangenen Delikte besser beweisen Ungerechtigkeiten. Denn es wird ja mehr oder we- kann als bisher. Ich sage nicht, daß es vollkommen niger zufällig sein, wer von vielen Demonstranten sein wird. von der Polizei festgenommen wird, wenn die mei- (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt auf ein sten unbehelligt bleiben müssen. — Herr Wittmann mal?) hat hier vorhin auf das Beispiel des Diebstahls ver- wiesen. Herr Wittmann, das liegt doch absolut dane- Es wird im Bundesgebiet herumreisende Gewalttä- ben. Sie müssen das Beispiel so wählen: Weil Sie ter sicher mehr beeindrucken, wenn man die Ge- die Ladendiebe nicht erwischen können, müssen walttäter bestraft, als wenn man friedliche Demon- Sie auch die Kaufhausbesucher mit Strafe belegen; stranten mitbestraft. so wäre das Beispiel richtig. (Beifall bei der SPD — Dr. Wittmann (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN- — [CDU/CSU]: Das verstößt doch gegen den Zuruf des Abg. Dr. Wittmann) Datenschutz!) Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie Die Grundannahme des Entwurfs, die weitge- setzen in Wirklichkeit darauf — das sagen einige ja

faßte Strafandrohung werde bei großen Menschen- auch augenzwinkernd — , daß Strafverfahren nur ansammlungen eine motivierende Kraft zum Aus- gegen diejenigen eingeleitet werden, die die Polizei einandergehen entfalten, ist massenpsychologisch zwar im Verdacht hat, daß sie eine Gewalttat began- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4073

Minister Dr. Schnoor (Nordrhein-Westfalen) gen haben, denen sie das aber nicht nachweisen Was muten Sie der Polizei eigentlich alles zu? kann. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!) Aber den Damen und Herren der CDU/CSU geht Warum schreiben Sie das dann aber nicht in das es ja auch gar nicht darum, der Polizei hier zu hel- Gesetz hinein? Warum schieben Sie denn die Last fen. Sonst würden sie nicht an einem solchen Geset- und die Verantwortung der Polizei zu und drücken zesvorhaben festhalten, sondern sich mit uns um sich hier? Oder haben Sie eventuell verfassungs- die Lösung des Beweisproblems bemühen; daran rechtliche Bedenken gegen ein solch öffentliches muß gearbeitet werden. Geständnis des Gesetzgebers? Was bewegt Sie ei- (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Wie viele Jahre gentlich? Zeit haben Sie dafür gehabt? Wo sind seit Die Novelle ist überflüssig, rechtlich bedenklich. zehn Jahren Ihre Vorschläge?) Kein Polizeibeamter wird durch diese Novelle bes- Ihnen geht es um etwas ganz anderes: Kritische ser geschützt. Wenn dies der Fall wäre, lieber Herr Bürger sind Ihnen zu aufmüpfig. Wittmann, dann könnte man mit mir weiß Gott über (Beifall bei der SPD — Dr. Olderog [CDU/ manches reden; denn mir liegt der Schutz der Poli- CSU]: Och!) zeibeamten sehr am Herzen. Nur, hiermit wird es nicht besser. Die „Erinnerungen aus Krähwinkels Schreckensta- gen" — Herr Vogel hat das zitiert — peinigen Sie. (Beifall bei der SPD) Deshalb möchten Sie die von Ihnen so genannte Das geltende Recht läßt differenziertes Handeln geistig-moralische Erneuerung durchführen. Ihnen der Polizei zu: gegen Gewalttäter konsequent vor- paßt die ganze Richtung nicht, zugehen, die Mitdemonstranten aber ungeschoren (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist zu lassen. Das entspricht polizeitaktischen Erfor- es!) dernissen. Die Grundlage dafür, meine Damen und um ein Wort eines Berliner Polizeipräsidenten aus Herren — jetzt spreche ich die FDP an, Herr Klei- dem vorigen Jahrhundert aufzugreifen. nert —, wollen Sie der Polizei nehmen. Sie hat näm- lich eine ausreichende Rechtsgrundlage. Bloß, Sie (Anhaltender Beifall bei der SPD und den wollen sie ihr, wie gesagt, nehmen. GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Das Wort hat der Abge- Der Schlußbericht 1983 der Enquete-Kommission Vizepräsident Westphal: ordnete Olderog. „Jugendprotest im demokratischen Rechtsstaat", den Sie, meine Damen und Herren von den Regie- rungsparteien, mitgetragen haben — Herr Witt- Dr. Olderog (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine mann war ja der Vorsitzende dieser Kommission sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier (Zurufe von der SPD: Wissmann!) überhaupt nicht um die friedlichen Demonstratio- nen; es geht um die mehreren hundert unfriedli- — Entschuldigung: Wissmann —, fordert, zwischen chen Demonstrationen mit ihren schlimmen Fol- gewalttätigen und friedlichen Demonstranten stär- gen, die wir in den letzten Jahren zu beklagen ha- ker als bisher zu unterscheiden. ben. (Zuruf des Abg. Dr. Wittmann [CDU/CSU]) (Dr. de With [SPD]: Nach Ihrem Entwurf — Sie hätten sich dazu wahrscheinlich nicht herge- aber nicht!) geben, Herr Wittmann. — Genau darum geht es. (Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Das ist eine (Dr. de With [SPD]: Nein!) Unterstellung! — Zuruf von der CDU/CSU: Das, was Sie, verehrter Herr Oppositionsführer, Eine taktlose! — Weitere Zurufe von der heute hier gesagt haben — Sie haben davon gespro- CDU/CSU) chen, es sei ein schwarzer Tag für das Parlament, — Ich weiß es, ja. — Das läßt unser geltendes Recht (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: So ist zu. Bedenken Sie eigentlich, daß Sie sich mit dieser es!) Novelle auch von diesem Bericht distanzieren? das Bundesjustizministerium müsse sich schämen, Sie machen uns, der Polizei das Leben schwer. einen solchen Entwurf vorzulegen, Die Polizei muß ja Gewalttäter nach wie vor verfol- (Sehr gut! bei der SPD) gen und ihnen ihre Straftat nachweisen; das muß das sei ein Anschlag auf die Rechtskultur — — sie, das ist auch richtig so. Jetzt soll sie aber auch noch gegen friedliche Bürger strafrechtlich vorge- (Demonstrativer Beifall bei der SPD) hen, die auf Aufforderung der Polizei nicht wegge- Wer so spricht, scheidet aus der seriösen Diskus- gangen sind. Vielleicht muß die Polizei bei Großde- sion über die Lösung eines schwerwiegenden Pro- monstrationen künftig sogar Fluchtwege für friedli- blems, nämlich des Problems der Bekämpfung der che Bürger freihalten, damit diese dem Platzver- unerträglichen Gewalttätigkeiten, von selbst aus. weis überhaupt folgen können. (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei (Zuruf von der SPD: So ist es!) der SPD) 4074 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Olderog Sie, verehrter Herr Vogel, haben aus demselben Schadensereignisse und allein 1982 einen Gesamt- Geist gesprochen, der dafür verantwortlich war, daß schaden in Berlin von 40 Millionen DM. während Ihrer kurzen Regierungszeit in Berlin die (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ist doch Zahl der Hausbesetzungen von rund 20 innerhalb alles strafbar!) kürzester Zeit auf 165 gestiegen ist. Derselbe Geist war dafür verantwortlich. Und das alles spielt sich weitgehend noch offen vor den Augen einer hilflosen Polizei ab! Dürfen wir (Zuruf von der CDU/CSU: Chaoten-Vogel! uns denn da abwenden? Täuschen wir uns bitte — Zurufe von der SPD) nicht: Jetzt gibt es ein paar Monate der Ruhe. Kei- Unter Herrn Lummer ist das innerhalb einer ner von uns aber kann ausschließen, daß das mor- kurzen Zeit dann wieder auf rund 30 reduziert wor- gen schon wieder anders sein wird. den. Ich wiederhole: Es geht hier überhaupt nicht um die große Zahl "der friedlichen Demonstrationen. (Schily [GRÜNE]: Da sind auch einige Die werden von diesem Gesetzentwurf nicht betrof- zu Tode gekommen, verehrter Kollege fen. Olderog! — Gegenrufe von der CDU/CSU) (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die ande Das, was Sie, Herr Vogel, uns an Absichten mit die- ren auch nicht!) ser Novelle unterstellen, Es geht um die unfriedlichen, gewalttätigen Demon- (Schily [GRÜNE]: Es sind einige zu Tode strationen, deren Zahl von 1982 auf 1983 um 20% gekommen, Herr Olderog! Das ist auch gestiegen ist. eine Bilanz!) (Abg. Schily [GRÜNE] meldet sich zu einer das ist eine Diffamierung, die ich für meine Frak- Zwischenfrage) tion entschieden zurückweise. Was muß denn in diesem Lande eigentlich noch Vizepräsident Westphal: Herr Abgeordneter, ge- passieren? statten Sie eine Zwischenfrage? (Dr. Vogel [SPD]: Bis Herr Wörner zurück tritt?) Dr. Olderog (CDU/CSU): Nein, ich möchte von den Sprechen denn die Ereignisse, die der Kollege Witt- GRÜNEN keine Frage entgegennehmen. mann hier geschildert hat, (Lachen bei den GRÜNEN und der SPD — Schily [GRÜNE]: Das sind feine Demokra (Dr. Vogel [SPD]: Geistig-moralische Er ten! Ein merkwürdiges Demokratiever neuerung!) ständnis!) die Krawalle in Berlin beim Haig-Besuch, an der — Ich will Ihnen den Grund dafür sagen: Den Bei- Startbahn West in Frankfurt, beim Besuch von trag des Kollegen Fischer zu diesem Thema be- Präsident Reagan in Berlin, von Bush in Krefeld trachte ich als unseriös. Das war kein Beitrag zur nicht dafür, daß wir nicht länger tatenlos zusehen Lösung dieses Problems, und deswegen will ich dürfen? Allein bei diesen vier Ereignissen — wer mich mit Ihnen nicht auseinandersetzen. will das bestreiten — haben wir 600 verletzte und schwerverletzte Polizeibeamte zu beklagen, (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind hier im Parlament und nicht in der Partei (Schily [GRÜNE]: Sie haben nicht zuge versammlung!) hört! Lesen Sie nicht Ihre Rede ab, sondern Ich frage Sie gehen Sie doch ein auf das, was Herr Schnoor gesagt hat!) (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Wir las sen uns von Ihnen nicht fragen!) Schäden an privatem Hab und gut in Höhe von vie- len Millionen Mark, Hunderte von demolierten — diese Frage stellt auch die deutsche Öffentlich- Autos, zerschlagene Fensterscheiben in Geschäften, keit —: Dürfen wir wegsehen? Dürfen wir das baga- Plündereien, die sich angeschlossen haben; Gewalt- tellisieren? Dürfen wir resignieren? Dürfen wir vor täter, Randalierer, Chaoten mit Molotow-Cocktails, dieser Situation kapitulieren? — Stahlkugeln, Schlaginstrumenten, Äxten sind blind- (Dr. Kübler [SPD]: Völlig am Thema vor wütig auf die Polizei losgegangen, haben Barrika- bei!) den gegen die Polizei errichtet, Brandsätze gelegt. Das ist unsere Überzeugung: Wer resigniert, wer Und da wundern Sie sich, wenn manche Bürger in zurückweicht, fordert neue Ausschreitungen gera- unserem Lande fragen: Sind das nicht eigentlich dezu heraus. Zustände wie in einem Bürgerkrieg, die sie da per Fernsehen miterleben müssen? (Dr. Kübler [SPD]: Wie wäre es denn mal mit Argumenten?) - (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ist doch Unser Rechtsstaat wird nur dann Erfolg haben, alles schon strafbar!) wenn er die Herausforderung annimmt, wenn er Professor Scholz hat im Bundesrat darauf hinge- Flagge zeigt, wenn er entschieden gegen diese Ge- wiesen: Allein in den letzten vier Jahren seit Juni walttätigkeiten vorgeht. Das allein, meine Damen 1980 hat es 321 unfriedliche Demonstrationen in und Herren, ist das Anliegen, das mit der Novelle zu Berlin gegeben, 1248 verletzte Polizeibeamte, 9000 § 125 StGB verfolgt wird. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4075

Dr. Olderog Ich sehe überhaupt nicht, daß — wie Sie gesagt Klima des Gesprächs und der gemeinsamen Lösung haben — kein Handlungsbedarf besteht. Sie — ver- herbeiführen? ehrter Herr Vogel, Ihre Kollegen im Rechtsaus- (Dr. Vogel [SPD]: Herr Geißler! — Weitere schuß; der Herr Emmerlich weiß das ja — haben Zurufe von der SPD) am 2. Dezember 1981 einen Prüfungsauftrag an den Bundesjustizminister beschlossen, in dem dargelegt — Tun Sie doch bitte nicht so, als ob das, was jetzt werden sollte, wie die Polizei den notwendigen bes- unter Strafe gestellt wird, bisher erlaubt gewesen seren Schutz bei solchen Demonstrationen mit Ge- wäre. Wir haben doch entsprechende Bestimmun- walttaten erhalten könne gen im Versammlungsgesetz und im Ordnungswid- (Dr. Emmerlich [SPD]: Na und? Was hat rigkeitengesetz. das mit diesem Gesetzentwurf zu tun?) (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Dann las und wie es mit gesetzlichen Maßnahmen erreicht sen Sie es doch dabei!) werden könne, die Solidarisierung der unterschied- Auch heute ist es so, daß derjenige, der bei einer lichen Gruppen der Gewalttäter mit den friedlichen Auflösungsentscheidung der Polizei und bei der Demonstranten zu verhindern. Sie haben selbst ein- Aufforderung, auseinanderzugehen, das nicht tut, gesehen, daß es dort einen Handlungsbedarf gibt, eine Rechtspflichtverletzung begeht und dafür auch (Schily [GRÜNE]: Gibt es auch bei der Poli zur Verantwortung gezogen werden kann. Das ist zei Gewalttäter? Was ist den eigentlich mit doch die Situation! denen?) Nur: Wir haben festgestellt — entgegen den Hoff- und Sie haben eingesehen, daß etwas getan werden nungen, die die Sozialdemokraten mit der Novellie- muß. Sie haben das Problem erkannt, aber Sie ha- rung im Jahre 1970 damit verbunden haben —, daß ben nicht die Kraft besessen, dieses Problem zu das eben nicht mit einer Vorschrift aus dem Ord- lösen. Das unterscheidet uns von Ihnen, meine Da- nungswidrigkeitengesetz zu erreichen ist, sondern men und Herren! wir brauchen dafür die prägende und erzieherische (Beifall bei der CDU/CSU) Kraft einer Strafrechtsbestimmung. (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die erzie Vizepräsident Westphal: Herr Abgeordneter Olde- herische Kraft des Strafrechts! — Dr. Küb rog, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn ler [SPD]: Volkserzieher! — Weitere Zurufe Abgeordneten Emmerlich? von der SPD und den GRÜNEN) Wenn Sie von „Kriminalisierung" sprechen, dann Dr. Olderog (CDU/CSU): Ja, bitte. wollen Sie draußen den Eindruck erwecken, als ob legitimes staatsbürgerliches Verhalten willkürlich, Dr. Emmerlich (SPD): Herr Kollege Olderog, darf d. h. ohne vernünftigen Grund, unter Strafe gestellt ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie auf wird. Meine Damen und Herren, was machen denn Überlegungen zum besseren Schutz von Polizeibe- jene Demonstranten, die sich trotz Wissens um die amten verzichten und statt dessen die Bestrafung Gewalttaten und trotz der Aufforderung der Polizei von friedlichen Demonstranten vorschlagen? nicht entfernen? Sie schaffen doch weitgehend die Voraussetzung dafür, daß diese Gewalttätigkeiten überhaupt erst möglich werden. Sie leihen dem har- Dr. Olderog (CDU/CSU): Das ist wieder eine der üblichen Unterstellungen. Sie wissen ganz genau, ten Kern der Störer Schutz und Deckung, und daß das, was Sie in der Frage unterstellt haben, durch die Mißachtung des polizeilichen Gebots tra- nicht stimmt. gen Sie sehenden Auges dazu bei, daß es zu einer unfriedlichen und gewaltsamen Entwicklung des (Broll [CDU/CSU]: Das war jämmerlich!) weiteren Geschehens kommt. Sie verhalten sich da- Meine verehrten Kollegen, es ist wieder davon mit in einem hohen Maß sozialschädlich. Ohne Ihr gesprochen worden — genau wie das soeben in der Verhalten gäbe es nicht die vielen Verletzungen bei Zwischenfrage unterstellt worden ist —, wir wollten Polizeibeamten, gäbe es auch nicht den Schaden, Demonstrationen mit diesem Gesetzentwurf er- den wir erleben. schweren, wir wollten kritisches Denken unterbin- (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist den, und wir wünschten eine Krähwinkelmentalität doch absoluter Quatsch!) in der Bundesrepublik. (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Die Sie — Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch verkörpern!) alle, und in dem Punkt sind wir uns doch einig, Der Herr Innenminister aus Nordrhein-Westfalen (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nein!) hat gesagt, wir wollten friedliche Bürger kriminali- daß diese Gewalttäter wie der Fisch auf das Wasser sieren. angewiesen sind auf die sie umgebenden- friedli- (Zurufe von der SPD: Jawohl!) chen Demonstranten. Das ist eine wirklich schlimme Unterstellung. (Beifall bei der CDU/CSU — Vogt [Kaisers (Zurufe von der SPD: Wahrheit!) lautern] [GRÜNE]: Sie wollen das Wasser ablassen, um den Fisch auszutrocknen!) Sie werfen uns vor, daß wir nicht mit Ihnen darüber reden. Ich frage mich: Wie wollen Sie, wenn Sie sol Und diesen Gewalttätern geht es doch überhaupt che Behauptungen gegen uns richten, eigentlich ein nicht darum, das Anliegen der friedlichen Demon- 4076 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Olderog stranten zu unterstützen, sondern sie wollen genau Das wäre allerdings im Ergebnis ein beschämendes das Gegenteil. Urteil über die Rechtspolitik und die Politik der Verantwortlichen in den vergangenen Jahren. Ich (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Den Ge denke Gott sein Dank nicht so und bin zuversichtli- walttätern das Wasser ablassen!) cher. Ich vertraue zum einen auf das vernünftige Und deswegen ist es doch nicht zu viel verlangt, daß Vorgehen der Polizei, und ich schätze die Einstel- in einer solchen Situation den eine friedliche De- lung unserer Bürger, auch der friedlichen Demon- monstration beabsichtigenden Bürgern zugemutet stranten, zu Recht und Gesetz höher ein als Sie. wird, sich im Falle der Gewalttat zu zerstreuen und Und ich bitte Sie von der Opposition: Leisten Sie in auseinanderzugehen. Zukunft zur Stärkung unserer Rechtskultur Zur SPD sage ich, vor allem in Anbetracht des- (Zuruf von der SPD) sen, was sie draußen so im Land reden: Hören Sie bitte mit dem Vorwurf der willkürlichen Kriminali- einen Beitrag, indem Sie solche Formulierungen sierung friedlicher Demonstranten auf! und solche Vorwürfe nicht wiederholen, sondern öf- ter mal deutlich von der Rechtspflicht und der (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Der trifft Pflicht aller Staatsbürger in solchen Situationen zu!) sprechen. Der Staat, dem allein zur Wahrung des Rechts das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sogenannte Gewaltmonopol zusteht, kriminalisiert keine Bürger. Wer das Recht mißachtet, kriminali- Und was Sie, verehrter Herr Vogel, zur Praktika- siert sich selbst. bilität des Gesetzes gesagt haben (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Zuruf von der CDU/CSU: Das war ganz schwach!) - Für uns sind die Grundrechte der Versammlungs und Demonstrationsfreiheit hohe fundamentale — was Herr Schnoor gesagt hat, war ja ein bißchen Rechtsgüter. differenzierter —, beeindruckt mich nicht sehr. (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Fried (Lachen bei der SPD — Vogt [Kaiserslau hofsruhe!) tern] [GRÜNE]: Schulmeister!) Aber gerade weil wir diese Grundrechte unserer — Ich werde dazu noch im einzelnen Stellung neh- Verfassung so hoch achten, men. (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE]) Natürlich ist auch außerhalb der parlamentari- wollen wir dem unerträglichen Mißbrauch des De- schen Gremien eine solche Novelle umstritten. monstrationsrechts mit immer gefährlicher wer- Auch wir wissen, daß wir kein Patentrezept haben, denden Ausschreitungen nicht tatenlos zusehen. (Zurufe von der SPD: Das ist wahr!) (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Jawohl!) mit dem wir schlagartig alles verändern könnten. Ich will Ihnen nicht verschweigen — ich sage Ihnen das ehrlich; das beschäftigt uns j a genau- (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: „Schlag so —, daß wir nachdenken, prüfen und erwägen: artig"! Das würden Sie gern!) Kann das auch zu einer Eskalation führen? Aber wir wissen, daß wir damit ein verbessertes (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Natür Instrument für die Polizei anbieten. lich!) (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist Kann das zu einer Solidarisierung mit den Gewalt- falsch!) tätern führen? Das ist nicht von der Hand zu wei- Und das ist, im Gegensatz zu dem, was Sie hier sen. Das ist immer die Situation, die Sie haben, behauptet haben, die Auffassung und der Vor- wenn die Polizei in eine Menge eingreift. Niemand schlag will doch einen Verzicht der Polizei auf diese Ein- griffe. (Schily [GRÜNE]: Sie bringen die Polizei (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Aber die erst recht ins Zwielicht!) Menge!) jener Polizeipraktiker, mit denen wir uns immer Aber zu glauben, daß das alles noch schlimmer wieder zusammengesetzt haben. Es sind die Vor- wird, enthüllt schon ein merkwürdiges Denken und schläge der Praktiker aus den Ländern, wo wir die eine merkwürdige Einschätzung der Situation. Verantwortung tragen. Glauben Sie wirklich, daß wir in diesem Rechts- (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN) staat Bundesrepublik Deutschland schon so weit - sind, daß die breite Mehrheit der friedlichen De- Herr Vogel, warum haben Sie, wenn Sie schon fair monstranten sich um das, was an Recht und Gesetz sein wollen, nicht gleichzeitig darauf hingewiesen, im Deutschen Bundestag beschlossen wird, nicht daß z. B. die Polizeigewerkschaft im Deutschen Be- mehr kümmert? amtenbund (Broll [CDU/CSU]: Unerhörte Unterstel (Lachen bei der SPD — Zurufe von der lung!) SPD: 10 %!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4077

Dr. Olderog einmütig zu unseren Vorschlägen steht? Warum ha- und alle Entwürfe der Union im Bundesrat mitge- ben Sie nicht darauf hingewiesen, daß die Gewerk- tragen hat. Das ist die Wahrheit zu diesem Punkt, schaft der Kriminalpolizei, der BDK, zu uns steht? meine Damen und Herren. (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das sind (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von alles Polizeibeamte an den Schreibti der SPD: Belegen!) schen!) Vizepräsident Westphal: Herr Abgeordneter, ge- — Ach, kommen Sie; passen Sie auf! Nun will ich statten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Ihnen auch etwas zu Ihren 10 % sagen. Mich beein- Frau Däubler-Gmelin? druckt überhaupt nicht, was eine sozialdemokra- tisch orientierte Gewerkschaftsspitze sagt. Dr. Olderog (CDU/CSU): Ja, bitte. (Zurufe von der SPD — Fischer [Frank furt] [GRÜNE]: Jetzt reden Sie von der Ba sis, Herr Olderog! Spitze! — Schily [GRÜ Frau Dr. Däubler - Gmelin (SPD): Verehrter Herr Ol - NE]: Das ist Ihr Basisverständnis!) derog, wären Sie so freundlich, uns das ein bißchen näher darzulegen? Der Kommentar von Herzog ist Gucken Sie einmal in die Zeitung. Am 18. Septem- nicht zurückgezogen worden. Sie sollten, wenn Sie ber 1983 sind tausend Polizeibeamte in der Bundes- diese Behauptung aufstellen, das doch vielleicht be- republik Deutschland gefragt worden, ob sie eine legen. Verschärfung des § 125 wollten. Das Ergebnis war, daß 85,2 % eine Verschärfung des § 125 des Strafge- Dr. Olderog (CDU/CSU): Ich habe Ihnen gesagt, er setzbuches gefordert haben. hat die Entwürfe, die vom Bundesrat und von den (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Ba unionsgeführten Ländern eingebracht worden sind, sis!) unterstützt. Baden-Württemberg hat diese Gesetz- entwürfe unterstützt. Da können Sie doch keinen Und da höre ich lieber auf die Stimmen unabhängi- ernsthaften Zweifel daran haben, daß er diese ger Polizeibeamter als auf die Erklärung einer Sache unterstützt. parteipolitisch orientierten Gewerkschaftsspitze, (Beifall bei der CDU/CSU — Vogt [Kaisers meine verehrten Damen und Herren. lautern] [GRÜNE]: Die Reaktion hat ihre Herzöge! — Zurufe von der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kübler [SPD]: Ein richtiger kleiner Scharfma — Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich. cher!) Ich habe die Schärfe nicht in diese Debatte hinein- gebracht. Ich habe mich geärgert über das, was Da ich gerade über die Polizei spreche, möchte Herr Vogel in einer herabsetzenden Weise hier ge- ich gern ein Wort des Dankes an die Polizei sagen. sagt hat. (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Mit Hal (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der tung! — Schily [GRÜNE]: Ein Wort des CDU/CSU: Die fühlen sich doch jetzt er Dankes an die Friedensdemonstranten!) tappt!) Das veranlaßt mich, so zu antworten. Ich hätte auch Die Polizeibeamten sind bei diesen Einsätzen oft anders antworten können. bis an die Grenze ihrer Kräfte gefordert. Sie haben sich insgesamt besonnen und entschieden verhal- (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wir ten. schicken das Protokoll an Herrn Herzog!) Lassen Sie mich etwas sagen, meine Damen und (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Bravo!) Herren, Ich möchte dafür namens meiner Fraktion allen (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie sagen Polizeibeamten herzlich danken. doch schon die ganze Zeit!) zum Legalitätsprinzip. Ich erwarte im Gegensatz zu (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ihnen, daß sich die große Mehrheit der friedlich Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Das wäre demonstrierenden Bürger gesetzestreu verhalten ein gutes Schlußwort gewesen!) wird. Aber selbst wenn das zunächst nicht der Fall Verehrter Herr Vogel, auch wäre es besser gewe- wäre, kann ja noch überhaupt keine Rede davon sen, Sie hätten fairerweise gesagt, daß Roman sein, daß es jetzt zu Massenverhaftungen kommen Herzog im Jahre 1970 einmal diese Auffassung ver- müßte. Das ist doch ein Irrsinn, dieses Schreckens- treten hatte, aber daß er unter dem Eindruck der bild, das da an die Wand gemalt wird. Die Polizei ist Entwicklung nicht verpflichtet, mehr zu tun, als sie kann.- Wir erleben doch heute ähnliches: Wenn Sie etwa eine (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Seiner Anzeige wegen Diebstahls erstatten, werden Sie Karriere! Unter dem Eindruck der Ent feststellen, daß die Polizei oft nicht einmal hin- wicklung seiner Karriere!) guckt, sondern das abheftet. Das ist doch die Situa- tion. seine Auffassung geändert hat (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Eine un (Dr. Vogel [SPD]: Wann denn?) geheuerliche Behauptung!) 4078 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Olderog — Wollen Sie das etwa bestreiten? der hinnimmt. Wir müssen uns darüber klarwerden (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die Poli — auch jetzt in diesem Hause —, wie wir es mit die- zeibeamten tun ihren Dienst wie jeder an ser Form von Gewalt in unserem Lande halten wol- dere!) len. Wollen wir hinnehmen, daß es Zonen der Illega- lität gibt, oder wollen wir die Herausforderung für — Verehrte Frau Kollegin, sie können es gar nicht unseren Rechtsstaat annehmen? anders. Denn das, was heute im Diebstahlsbereich (Schily [GRÜNE]: Denken Sie einmal an an Kleinkriminalität oder auch an größerer Krimi- die Staatsbürgerlichen Vereinigungen, nalität angezeigt wird, können Sie überhaupt nicht Herr Kollege!) mehr sorgfältig prüfen und verfolgen. Mit bloßen politischen Reden und der Ankündi- (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie kön gung, daß in Nordrhein-Westfalen jetzt so eine Ge- nen mit Polizeibeamten nicht so umgehen! heimwaffe entwickelt werde, können wir es nicht Das wäre doch eine Amtspflichtverletzung! schaffen. Solche Ankündigungen haben wir viele — Schily [GRÜNE]: Die Diebstahlsanzei Jahre immer wieder gehört, ohne daß etwas ge- gen werden nicht einfach abgeheftet!) schah. Das ist doch leider die Situation. Wir haben Verantwortung für den Schutz unserer (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie kön Polizeibeamten, für den Schutz von Hab und Gut nen nicht solche Dinge über Polizeibeamte unserer Bürger vor der Zerstörungswut gewalttäti- behaupten!) ger Gruppen. Wir haben Verantwortung dafür, daß es friedliebenden Bürgern ermöglicht wird, fried- — Wir werden das alles vertiefen können. lich und ohne Angst vor Umfunktionierern zu de- (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Ihre monstrieren. Rede werden wir auch abheften!) (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Angst vor Die Polizei wird sich nach meiner festen Überzeu- Umfunktionierern — das sollten Sie ein gung an den Grundsatz halten, daß sie sich nach mal Herrn Lummer sagen, der Agenten dem Maß der Rechtsgutverletzung bei solchen Vor- losschickt!) gängen auf jene Bereiche konzentrieren wird, von Zehn Jahre sind Gesetzentwürfe meiner Fraktion denen die Stoßrichtung eines Angriffs kommt oder zurückgewiesen worden. Zehn Jahre hat dieses Par- wo unmittelbar schwere Gewalttaten stattfinden. lament geredet, diskutiert und nicht entschieden. (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie Stoß Politische Reden und Diskussionen haben keine Lö- richter, Sie! Sind Sie ein Stoßrichter?) sung gebracht. Jetzt endlich muß der Gesetzgeber handeln. Ich vertraue sehr wohl auf das polizeitaktische Ge- schick der Einsatzleitungen. Wir haben davon j a in Ich danke Ihnen. der Vergangenheit gehört, und die Polizei hat dazu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gelernt.

Nun tun Sie bitte nicht so, meine verehrten Da- Vizepräsident Westphal: Das Wort hat der Abge- men und Herren von der Opposition, ordnete Dr. de With. (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Wir tun doch gar nicht so!) Dr. de With (SPD): Herr Präsident! Meine sehr erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als ob das, verehrten Damen und Herren! Nach dem Schauer- was jetzt von der Bundesregierung beabsichtigt ist gemälde, das Herr Olderog gemalt hat, und was wir tragen, etwas beispiellos Problemati- (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sind die Zahlen sches sei. Wer sich entrüstet, sollte zunächst einmal denn falsch? — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/ einen Blick in das Ausland werfen. Da sehen wir, CSU]: Spitze war das!) daß Länder, deren Rechtskultur von niemandem darf ich erst einmal die Gruselkulissen wegräumen hier in Zweifel gezogen werden wird, eine der von und sagen, worum es wirklich geht. uns jetzt vorgelegten Lösung genau entsprechende gesetzliche Regelung haben. Oder wollen Sie be- Die Handlung heißt Landfriedensbruch. Die haupten, daß die Schweiz, daß Frankreich, daß die Frage ist doch: Bricht derjenige den Landfrieden, Niederlande, daß Dänemark und Schweden Länder der sich aus einer Demonstration nicht entfernt, mit minderer Rechtskultur sind als wir? So illiberal, (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Und Ran verehrte Freunde des schwedischen Modells, ist dalierer unterstützt!) diese Lösung also offensichtlich doch nicht. obwohl es die Polizei geboten hat und obwohl er sel- (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist ber an keiner irgendwie gearteten Gewalthandlung doch falsch, Herr Olderog, das ist doch beteiligt, also ein friedlicher Demonstrant war? Es sachlich nicht richtig!) geht Ihnen nach Ihrem Vorschlag j a gar nicht- dar- Die Verletzungen von Recht und Gesetz in der um, Chaoten und Gewalttäter zu bestrafen. Dem Bundesrepublik Deutschland haben bereits ein be- Begriff nach und auch nach dem natürlichen Men- drückendes Ausmaß angenommen. Es bleibt nicht schenverstand kann ein friedlicher Demonstrant auf das Gebiet der Demonstration beschränkt, den Landfrieden also gar nicht gebrochen haben. wenn der Staat bei diesen Demonstrationen vor der (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das ist Gewalt zurückweicht und Rechtsbrüche immer wie doch Spiegelfechterei!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4079

Dr. de With Nach Auffassung der Bundesregierung aber muß auf schlichte Fragen kann man ungemein ein- das strafbar sein, weil diejenigen, die nicht wegge- fach, schlicht und klar antworten. Sämtliche hen — so die offizielle Begründung; ich zitiere —, Vorhaben, sämtliche Anträge sind zu Ende be- „den Gewalttätern zwangsläufig Deckung gewäh- raten worden. Derzeit steht nichts an. ren Er sagte weiter: (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!) Von seiten meiner Fraktion weiß ich jedenfalls, und psychischen Rückhalt vermitteln". Man muß daß sich die Auffassung dazu nicht geändert sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da hat. Ich glaube, das ist eine klare Antwort auf steht ein Polizeibeamter und sagt: auflösen. Dann die gestellte Frage. war das für den Stehenbleiber psychischer Rück- Das war 1982. Wenige Minuten später sagte der- halt, also wird er bestraft. Kommt es dem Polizeibe- selbe Justizminister auf eine gezielte Frage, um es amten in den Sinn zu sagen: das kann ich ertragen, noch einmal zu verdeutlichen: weitergehen, dann war das kein psychischer Rück- Herr Kollege, dort, wo es noch etwas zu spre- halt, also keine Straftat. Damit offenbart sich, chen gibt, wird dies besprochen werden. Es meine sehr geehrten Damen und Herren von der bleibt bei unserer Meinung, daß Änderungen Union, dieser Vorschlag der Bundesregierung als am Demonstrationsrecht derzeit nicht vonnö- ein glattes Gefährungsdelikt oder — um es für je- ten sind. dermann verständlich auszudrücken — als pures (Hört! Hört! bei der SPD — Zurufe von der Verdachtsstrafrecht. Nichts anderes ist es. CDU/CSU: Derzeit!) (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Das erklärte der Bundesminister der Justiz, um ein Von Gustav Radbruch, dem früheren Reichsmini- Jahr später seine liberale Seele bei Herrn Zimmer- ster der Justiz — ich sage das an die Adresse des mann abzuliefern. hier sitzenden Bundesministers der Justiz —, (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) stammt das Wort, der Mord sei nicht deshalb Un- recht, weil er bestraft werde, sondern Mord werde Die Union hebt das Stöckchen, und die FDP springt. bestraft, weil er Unrecht sei. Hier, meine sehr ver- So ist es und nicht anders. ehrten Damen und Herren, wird das Stehenbleiben Unrecht, weil es bestraft wird; es wird nicht be- Vizepräsident Westphal: Herr Abgeordneter de straft, weil es Unrecht wäre. With, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge- ordneten Werner? (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Der vor wenigen Tagen verstorbene Max Güde, Dr. de With (SPD): Aber gerne. Generalbundesanwalt, CDU-Bundestagsabgeordne- ter — er war der erste Vorsitzende des Strafrechts- Werner (CDU/CSU): Herr Kollege de With, um Sie sonderausschusses des Deutschen Bundestages —, noch einmal auf das Zitat des „stummen Ochsen", hat in dieser seiner Eigenschaft 1966 hier im Deut- das Sie hier angeführt haben, anzusprechen: Ist Ih- schen Bundestag, Thomas von Aquin folgend, den nen denn bewußt, daß Thomas von Aquin in Verbin- Sie j a so gern zitieren, dung mit seinem von Ihnen eben zitierten Aus- spruch ausdrücklich darauf hinweist, daß dies nicht (Broll [CDU/CSU]: Bitte lateinisch!) Geltung haben könne bei Rechtsgütern, die eine als Maxime erklärt, ein strafandrohendes Verbot unverzichtbare Voraussetzung im Zusammenleben sollte nur ausgesprochen werden, wenn ohne das der Menschen darstellten? Verbot die Gemeinschaft nicht bestehen könne. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Dr. de With (SPD): Das, was Sie sagen, tötet Sie selber, denn hier geht es nur um friedliche Demon- Von dieser Tradition und von diesem Geist sind Sie stranten. Auch ein Thomas von Aquin hätte sich meilenweit entfernt. gescheut, das vorzuschlagen, was Sie hier unterstüt- (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — zen. Dr. Olderog [CDU/CSU]: Und Sie finden al (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — les in Ordnung! — Zuruf von der CDU/ Lachen bei der CDU/CSU) CSU: Vielen Dank für das gute Zitat! — Lassen Sie mich juristisch kurz zusammenfassen, Weitere Zurufe von der CDU/CSU) worum es geht. Wir haben 1970 das Demonstra- Die FDP, die jetzt den Justizminister stellt, der tionsstrafrecht geändert, und seitdem steht unter das vertritt, hat sich selber aufgegeben. 1970 hatte Strafe, wer selbst Gewalt anwendet, wer Gehilfe ist sie die Reform des Demonstrationsstrafrechts mit oder wer anheizt. Das ist schon sehr weitgehend. der SPD gegen die CDU/CSU — ich darf das so for- Der Stehenbleiber, der sich auf Aufforderung nicht mulieren — noch erkämpft. Der Innenminister hieß entfernt, obwohl er an keiner irgendwie gearteten- Genscher. Am 14. Oktober 1982 — das ist noch nicht Gewalttat beteiligt ist, begeht nur eine Ordnungs- allzu lange her; vielleicht geben Sie einmal acht, widrigkeit. Herr Minister Engelhard — haben Sie hier im Dieses Recht hat sich in 13 Jahren bewährt. Sie Deutschen Bundestag das Folgende verkündet — können an den Zahlen nicht herummäkeln. Tatsa- ich zitiere —: che ist: Die Zahl der Demonstrationen steigt, aber Es ist die Frage gestellt worden, was denn aus nicht gleichermaßen die der heißgelaufenen. Das ist dem Demonstrationsrecht werde. Ich meine, der beste Beweis dafür, daß diese Reform von da- 4080 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. de With mals wirkt, daß Bürger und Polizeibeamte sich die Toleranz und kujonieren obendrein die Gesell- daran gewöhnt haben. schaft. Was Sie hier vorschlagen, kann aus drei Gründen (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) juristisch nicht akzeptiert werden. Einmal soll mir einer klarmachen, wie man hinterher beweisen will, Der Umfang des Rechts der freien Versammlung wenn eine Demonstration nur zu einem Teil aufge- war stets ein Gradmesser der wirklichen, erlebba- löst worden ist, wer zum bösen und wer zum guten ren Freiheit und natürlich — wie konnte es anders Teil gehört hat. Polizei und Staatsanwalt werden sein — nicht selten ein Instrument der Herrschen- überfordert sein. den gegen die mißliebige Opposition. Nicht umsonst steht das Recht der freien Versamlmung im Grund- Zum zweiten: Sie kehren den guten alten Grund- rechtskatalog unserer Verfassung, nicht umsonst satz „in dubio pro reo" — im Zweifel für den Ange- war es eine Hauptforderung der 48er, der Paulskir- klagten — ins genaue Gegenteil um: che, und nicht umsonst haben es Sozialdemokraten (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) unter dem Sozialistengesetz im letzten Jahrhundert hautnah gespürt. Nicht umsonst haben die Herren in dubio contra reum — im Zweifel gegen den Ange- Zimmermann und Spranger — er ist jetzt hier —, klagten —; denn der muß beweisen, daß er ein Ab- wie ich glaube: bedrohlich, in diesem Zusammen- wiegler ist. Gelingt ihm das nicht, dann bestrafen hang auf den heißen Herbst verwiesen. Er ist fried- Sie ihn. Das ist ein Grundsatz, der mit einer Aus- lich verlaufen, obwohl es die größten Massende- nahme unserem Strafrecht fremd ist. monstrationen waren, die je in der Geschichte die- Ich sage ein drittes: Herr Olderog hat erwähnt, in ser Republik vorgekommen sind, und obwohl das Krefeld, in Berlin und sonstwo habe es unendlich Strafrecht galt, das Sie so bekämpfen. Nein, wenn viele verletzte Polizeibeamte gegeben und natürlich es eines Beweises dafür bedurft hätte, daß sich un- auch — das hat er vergessen zu sagen — verletzte ser Strafrecht bewährt hat, dann war es der Demonstranten. Das bedauern wir natürlich. Aber Herbst. dafür gibt es ja schon Gesetzesinstrumente. Das ist (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das hat doch gar strafbar. nichts mit dem Strafrecht zu tun! Darum (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Das funktioniert geht es doch nicht! Das war doch eine fried doch nicht!) liche Demonstration!) Ihnen geht es darum, den Stehenbleiber zu be- Es funktioniert! strafen, der zum Teil überhaupt keine Möglichkeit hat, wegzugehen. Ich frage mich: Was soll es, wenn Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht Sie das, was in Nürnberg passiert ist — wo Gott sei falsch verstehen: Ich werfe Ihnen nicht schlechthin Dank die etwa 150 Festgenommenen sämtlich frei- Verfassungsbruch oder Mißachtung der Verfassung gesprochen wurden oder wo das Verfahren einge- vor, stellt wurde —, potenzieren möchten? (Lachen bei der CDU/CSU) Aber das, was hier juristisch schluderig vorge- wiewohl die Erweislichkeitsregelung, die Umkehr schlagen wurde, hat auch eine tiefere politische der Beweislast, nicht mit dem Rechtsstaat verein- Wirkung. Diese darf nicht unterschlagen werden. bar ist. Als wir Sozialdemokraten — wie ich schon sagte: 1970 mit der damaligen FDP — im Rahmen der (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Strafrechtsreform den Tatbestand des Landfrie- Ich spreche nicht davon, daß in Zukunft das freie densbruchs vom kaiserlichen Verdachtsrecht, vom Versammlungsrecht allein auf dem Papier stehen Muff obrigkeitsstaatlichen Denkens befreit haben, wird. Nur, Sie schränken das Recht auf freie De- war das zugleich ein Signal an die 68er-Generation. monstration ein, und Sie eröffnen der Manipulation Diese hat es wohl verstanden. Die jungen Leute Möglichkeiten. Am schlimmsten ist: Sie schüchtern damals haben Staat und Gesellschaft wieder akzep- ein. tiert. Sie wollen heute das Rad der Geschichte zu- rückdrehen. (Zuruf von der SPD: Das ist es! — Schily [GRÜNE]: Genau!) (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Keiner will zur Lösung 1970 zurückgehen!) Wer in Zukunft demonstriert, wer friedlich demon- striert, läuft ein hohes Risiko. Sie wollen den polizeistaatlichen Satz wieder fröhli- che Urständ feiern lassen: mitgefangen, mitgehan- (Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?) gen. Nichts anderes verbirgt sich hinter Ihrem Ge- Er kann in ein Strafverfahren verwickelt werden. setzesvorschlag, der als pure Restauration bezeich- net werden muß. (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Bisher konnte man Gewalttaten begehen, ohne daß man (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) - ein Risiko einging!) In Ihren Sonntagsreden fehlen selten Hinweise Er kann mit hohen, ja, sogar mit existenzbedrohen- auf die offene Gesellschaft, auf den Pluralismus, auf den Ersatzforderungen das Toleranzgebot und auf die Verantwortung des konfrontiert werden. einzelnen. Was Sie hier tun, ist genau das Gegenteil (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Geschäfte wur dessen, was Sie frommen Gesichts vortragen. Sie den geplündert, Scheiben wurden einge kollektivieren nämlich das Strafrecht, minimieren schlagen! Das war alles ohne Risiko!) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4081

Dr. de With und es muß als Staatsbediensteter — Herr Spran- keiner von vornherein dem anderen bösen Willen ger, Sie wissen es — zumindest in Bayern mit Dis- unterstellen sollte. ziplinarverfahren rechnen. (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Dafür Deswegen widersprechen die Sozialdemokraten sollten Sie sich nicht hergeben!) dem Überweisungsvorschlag ebenso wie dem Ver- schärfungsantrag des Bundesrates zur Sachbeschä- Kein Strafgesetz hängt so eng mit dem Selbstver- digung, der in dieselbe Richtung zielt. ständnis des Staates zusammen wie der Straftatbe- stand des Landfriedensbruchs. Kein Staat kann pri- Was die Änderung des Einführungsgesetzes zum vate Gewalt dulden, ein Rechtsstaat schon gar Gerichtsverfassungsgesetz anlangt, so ist das altes nicht. Aber auch kein Grundrecht hängt so eng mit sozialdemokratisches Gedankengut. Um die Grund- dem Selbstverständnis des Bürgers zusammen wie sache streiten wir nicht. Wir können im Rechtsaus- das Demonstrationsrecht. Es ist das Recht der ge- schuß nur darüber rechten, wie diese Kontaktper- meinsamen öffentlichen Willensäußerung gegen- son ausgewählt werden soll und wer sie auswählt, über denjenigen, die zu politischen Entscheidungen damit nach Möglichkeit auch hier Manipulation berufen sind. ausgeschlossen bleibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich ap- Darum ist auch die Versuchung groß, zuerst zu pelliere an die Nachdenklichen — ich hoffe, es gibt fragen, wer dann da demonstriert hat und wie, statt noch solche bei der CDU/CSU und auch bei der zu fragen, warum. Die Versuchung ist groß, sich nur FDP —, und ich darf das mit einem Wort von Goe- darum zu kümmern, daß die Polizei damit fertig the untermauern, in dem er das schlechte Recht so wird, anstatt zu begreifen, daß die Aufrechterhal- kritisiert hat: tung von Sicherheit und Ordnung nichts an der Ur- sache einer Demonstration ändert. Zahlreiche und Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. vor allem große Demonstrationen sind nicht etwa Weh dir, daß du ein Enkel bist! die Ursache für gesellschaftliche und politische Vom Rechte, das mit dir geboren ist, Spannungen, sondern ihre Folgen. Kein Staat kann von dem ist leider nie die Frage. die Ausübung von Gewalt dulden, aber die Aus- Ich hoffe, es kommt nicht so, wie Goethe es formu- übung von Gewalt ist fast immer ein Zeichen dafür, liert hat. Wir rechnen immer noch mit Ihnen. daß politische Fehler gemacht wurden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wir wollen nicht das Recht auf Demonstration (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) einschränken. Wir wollen die Ausübung des De- monstrationsrechts sichern, und wir müssen uns Vizepräsident Westphal: Das Wort hat der Abge- darum mit dem Landfriedensbruchtatbestand ordnete Dr. Hirsch. selbst befassen. Wir haben 1970 den damals über 100 Jahre alten Landfriedensbruchtatbestand trotz der massiven Studentenunruhen Ende der 60er Dr. Hirsch (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- Jahre reformiert. Er hatte keinesfalls verhindert, ehrten Damen und Herren! Zwei Vorbemerkungen: daß damals fast 40 % aller Demonstrationen gewalt- Herr Kollege Vogel, wenn dieser Gesetzentwurf sam verliefen, gegenüber heute unter 3 % im Bun- wirklich ein zentraler Angriff auf den Rechtsstaat desdurchschnitt. Das haben Sie, Herr Kollege wäre, hätte ich mir allerdings gewünscht, daß Ihre Schnoor, ausgeführt. Das führt natürlich auch im Fraktion während der Debatte etwas stärker vertre- Umkehrschluß zu der Überlegung, daß von dem, ten gewesen wäre. was wir hier gesetzgeberisch überlegen, 97 % aller (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Demonstrationen erfreulicherweise überhaupt Wir schätzen das nicht ganz so dramatisch ein. nicht berührt werden. Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Olderog: (Minister Dr. Schnoor [Nordrhein-Westfa Sie haben in interessanter Weise auf ausländisches len]: Dann lassen wir es doch!) hingewiesen. Wenn ich richtig informiert bin, Recht Wir wollten, daß sich nur derjenige strafbar macht, beziehen sich diese Rechte allerdings auf Zusam- der selbst Gewalt ausübt, dabei unterstützt und menrottungstatbestände, also auf Menschenmen- hilft, und wir sind mit dieser Regelung nicht gen, die in der Absicht, Gewalt auszuüben, zusam- schlecht gefahren. Trotz dieser Reform ist das De- menkommen oder das in ihrer Gesamtheit tun. monstrationsrecht unverändert von einem Zaun (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Nicht nur!) von Strafdrohungen umgeben: dem Landfriedens- Wir werden das sicher im einzelnen nachsehen kön- bruch, der Nötigung, Straf- und Bußgeldandrohun- nen. gen nach Versammlungsrecht und Ordnungswidrig- Ich möchte zunächst dem Justizminister dafür keitengesetz von zum Teil erheblicher Höhe, mit danken, daß er den Gesetzentwurf eingebracht hat, denen man übrigens auch das Vermummungspro- - der ja vollkommen der Koalitionsvereinbarung ent- blem meiner Meinung nach sachgerecht lösen spricht kann. (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie füh (Zustimmung des Abg. Dr. de With [SPD]) len sich doch gar nicht wohl in Ihrer Viele dieser Bestimmungen waren in der Praxis Haut!) in Vergessenheit geraten. Dazu gehört insbeson- und damit ein Ausgangspunkt für die parlamentari dere der in dieser Diskussion mehrfach erwähnte sche Behandlung ist, die notwendig ist und bei der § 113 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der jeden 4082 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Dr. Hirsch mit einer hohen Geldbuße bedroht, der sich trotz Wir müssen in einer sorgfältigen Anhörung der polizeilicher Aufforderung nicht aus einer Men- Praktiker hören, Polizeibeamte, erfahrene Einsatz- schenmenge entfernt, oder mit § 116, der den soge- leiter, Richter, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, aber nannten Anheizer erfaßt. Es ist bemerkenswert, auch die Vertreter größerer Organisationen. Die Lö- daß die Polizei von dieser gesetzlich gegebenen sung, die wir finden, muß praktikabel sein. Darum Möglichkeit, eine Menschenmenge unter Strafdro- muß die notwendige Anhörung von allen Seiten mit hung aufzufordern auseinanderzugehen, praktisch der wirklichen Bereitschaft aufgenommen werden, keinen Gebrauch gemacht hat. Wir müssen im darauf ein unvoreingenommenes Sachgespräch Laufe der Beratung untersuchen, warum das so aufzubauen. war. Wir müssen uns auch sehr sorgfältig über die Fol- Trotzdem hat es polizeiliche Probleme gegeben. gen aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Die politische Tätigkeit blieb nämlich trotz der ver- im Fall Schubart informieren und auch über die der änderten Rechtslage in erster Linie darauf ausge- außerordentlich interessanten Entscheidungen der richtet, eine Demonstration oder einen Landfrie- Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts densbruch als Menschenmenge zu behandeln, und Krefeld, die äußere Umstände wie den Besitz von sie war nicht darauf ausgerichtet, individuelle Täter Steinen, eines Knüppels, die äußerlich erkennbare zum Zweck der Strafverfolgung festzustellen. Diese Zugehörigkeit zu einer Gruppe als ausreichenden polizeiliche Einsatzkonzeption wird erst seit relativ Tatbestand für die Mittäterschaft beim Landfrie- kurzer Zeit geändert, und das war dringend nötig. densbruch gelten läßt und damit einen wesentli- Es hatte auch heftige Emotionen und Auseinander- chen Teil der bisherigen Beweisschwierigkeiten be- setzungen gegeben, wenn die Polizei begann, sich seitigt, ohne eine massenweise Kriminalisierung zu aufheizende Demonstrationen zu Beweiszwecken schaffen. In der Wirkung kommen diese Urteile zu filmen. Das ist auch notwendig. Die Sorge aber, dem Grundgedanken des sogenannten Hübner-Ent- fotographiert und dann irgendwo in Archiven oder wurfes sehr nahe, ohne daß es dazu einer Gesetzes- Computern gespeichert zu werden, ist auf der Seite änderung bedurft hätte. der Demonstranten um so größer, je weniger sol- Lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen: cher Speicher kontrolliert werden dürfen und je be- Unsere Gesellschaft ist unter dem Eindruck politi- rechtigter die Sorge ist, wegen der bloßen Teil- scher Sorgen in der Gefahr, sich zu desintegrieren. nahme an einer solchen Demonstration berufliche Die Menschen, die daran zweifeln, ob wir auf dem oder sonstige Nachteile zu erleiden, auch wenn man richtigen Weg sind, wollen sich über Wahlen hinaus sich selbst nicht strafbar gemacht hat. äußern und ihre Meinung demonstrieren. Was In der Polizei hat es Unverständnis hervorgeru- könnten sie denn sonst auch tun? Wir hatten keinen fen, wenn ein Täter, der tatsächlich Gewalt ausge- „heißen Herbst", weil sich die Überzeugung durch- übt hatte, festgenommen, dem Richter vorgeführt, gesetzt hat, daß die Anerkennung der Ernsthaftig- von ihm wegen fehlender Fluchtgefahr freigelassen keit einer politischen Überzeugung mit der Gewalt- und am nächsten Wochenende erneut bei einer Ge- losigkeit verbunden ist. Dabei sollte es bleiben. Die- walttätigkeit angetroffen wurde. Der Täter legt sei- sen Prozeß darf man nicht ohne zwingende Not stö- nen Personalausweis vor, sagt zur Sache nichts und ren. hat gute Chancen, damit davonzukommen. Durch (Beifall bei der SPD) die lange Dauer der Verfahren entsteht bei Tätern Darum wiederhole ich, was ich von hier aus schon und Polizeibeamten der Eindruck, daß es in Wirk- oft gesagt habe, daß nach unserer Überzeugung die lichkeit eine Strafe wegen der Begehung von Ge- Autorität des Staates nicht in erster Linie auf sei- walt nicht gebe. ner Macht beruht, sondern auf der Anerkennung Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen. des Bürgers, daß es sein Staat ist, seine Verfassung, Aber man muß hinzufügen, daß diese praktischen seine Freiheit und sein Recht. polizeilichen Probleme mit der vorgelegten Novelle (Beifall bei der SPD) jedenfalls nach dem Urteil vieler Praktiker kaum Und darum fordern wir alle Seiten dieses Hauses gelöst werden. Gerade bei großen Menschenmen- auf, in diesem Sinne und mit dieser Zielsetzung gen — nur dann bekommt die Befugnis zur Auflö- gemeinsam zu prüfen, ob wir mit dem vorgelegten sungsandrohung praktische Bedeutung — gerät die Gesetzentwurf oder einer anderen Entscheidung Polizei in die Lage, auch solche Demonstranten dieses gemeinsame Ziel, dem eigentlich alle Frak- festnehmen zu können oder zu müssen, die sich tionen dieses Hauses verpflichtet sind, erreichen nicht entfernen, weil sie für ein politisches Ziel de- können. monstrieren wollen und weil sie sich das auch durch Gewalttäter nicht kaputtmachen lassen wol- (Beifall bei der FDP und der SPD) len. Wer trifft dann die Auswahl, welche und wie viele dieser Personen dann festzunehmen sind? Die Vizepräsident Westphal: Meine Damen und Her- Strafvorschrift könnte in der Tat Gewalttäter gera- ren, es liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsord- dezu anreizen, sich unter die anderen Demonstran- nung vor. Dazu hat der Herr Abgeordnete Porzner ten zu mischen, um damit falsche Solidarisierungen das Wort. zu erreichen. Man kann nicht das Wasser bestrafen, weil es den Fisch beherbergt. Es kann ja nicht ein- (SPD): Herr Präsident! Meine verehrten mal entscheiden, ob es ihn beherbergen will. Porzner Damen und Herren! Das Thema, das der Deutsche (Beifall bei der SPD) Bundestag heute vormittag behandelt, ist von au- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4083

Porzner ßergewöhnlicher Bedeutung, wie wir aus den Rede- gen, die gegen die Überweisung sind, werden gebe- beiträgen hörten. ten, mit Nein zu stimmen. Enthaltungen ergeben (Seiters [CDU/CSU]: Deswegen sind so sich von selbst. viele Sozialdemokraten im Saal!) Ich vertage die Sitzung auf 12.20 Uhr. — Was ich sage, richtet sich nicht gegen die Frak- (Unterbrechung der Sitzung von 12.12 Uhr tion der CDU/CSU oder die der FDP. Ich spreche, bis 12.20 Uhr) weil ich mir Sorgen um die Selbstachtung des Par- laments mache. Ich stelle deswegen den Antrag, bei Vizepräsident Westphal: Meine Damen und Her- der Entscheidung über die Überweisung dieser Ge- ren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. setzentwürfe die Beschlußfähigkeit des Hauses Ich bitte die Abgeordneten, den Saal zunächst zu festzustellen. verlassen. (Seiters [CDU/CSU]: 20 SPD-Leute sind im Ich eröffne die Abstimmung und bitte, mit der Saal! Das ist unwürdig!) Auszählung zu beginnen. Ich frage, ob noch Abgeordnete an der Abstim- Vizepräsident Westphal: Das Wort zur Geschäfts- mung teilnehmen wollen. — ordnung hat der Herr Abgeordnete Bötsch. Ich frage erneut, ob es noch Abgeordnete gibt, die an der Abstimmung teilnehmen wollen. — Wenn ja, Dr. Bötsch (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da- bitte ich sie, in den Saal zu kommen. — men und Herren! Ich rege an, gemäß § 45 Abs. 2, Ich bitte die Schriftführer, die Türen zu schließen letzter Satz der Geschäftsordnung die Sitzung vor und das Ergebnis auszuzählen. — dieser Abstimmung auf kurze Zeit auszusetzen. Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Am be- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) sten ist es, wenn Sie Platz nehmen. Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Auszählung der Vizepräsident Westphal: Meine Damen und Her- Abstimmung über den Überweisungsantrag be- ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur kannt. Dabei war auch über die Frage zu entschei- Debatte vor. Ich möchte deshalb zunächst einmal den, ob wir beschlußfähig sind. die Aussprache schließen. 222 Abgeordnete haben ihre Stimme bei der Aus- Ich will auf das hinweisen, was jetzt mit der Fest- zählung abgegeben. Von ihnen haben mit Ja 220, stellung der Beschlußfähigkeit verbunden wird: Der mit Nein 2 gestimmt. Es gab keine Enthaltung. Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe des 222 Stimmen reichen nicht für die Feststellung Bundesrates und der Bundesregierung auf den der Beschlußfähigkeit. Dazu brauchen wir 261. Drucksachen 10/308, 10/901 und 10/902 zur feder- führenden Beratung an den Rechtsausschuß und Ich stelle fest, daß die Beschlußfähigkeit nicht zur Mitberatung an den Innenausschuß zu überwei- vorhanden ist. sen. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Dank einer Eine Fraktion hat verdeutlicht, daß sie gegen die schmalbrüstigen SPD! — Hauser [Krefeld] Überweisung zu stimmen beabsichtigt. Deshalb [CDU/CSU]: Weil die SPD ihre Leute weg muß eine Abstimmung stattfinden. geholt hat! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP) Wir haben darüber hinaus einen Antrag auf Fest- stellung der Beschlußfähigkeit, der jetzt in Verbin- Es wird Aufgabe des Ältestenrats sein, die ab- dung mit der anderen Abstimmung erfolgen wird. schließende Behandlung der Tagesordnungspunkte 12 bis 14 festzulegen. Ich werde die Sitzung um 12.20 Uhr durch den Aufruf der Abstimmung fortsetzen, bei der so zu Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste stimmen sein wird: Diejenigen, die mit dem Über- Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, weisungsvorschlag einverstanden sind, werden ge- den 14. März 1984, 13 Uhr ein. beten, durch die Ja-Tür hereinzukommen. Diejeni (Schluß der Sitzung: 12.34 Uhr)

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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4085*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 3 Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort

Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Druck- Dr. Abelein 24.2. sache 10/1017 Frage 3): Frau Blunck 24.2. Wie wird der Bundesminister für Raumordnung, Bauwe- Böhm (Melsungen) 24.2. sen und Städtebau sicherstellen, daß das neue Bundesbahn- Brosi 24.2. konzept, in dem nach Äußerungen des Parlamentarischen Dr. Enders 24.2. Staatsseketärs im Bundesministerium für Verkehr, Dr. Ertl 24.2. Schulte, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 8. Februar 1984 (Plenarprotokoll 10/52) die Entscheidungen Dr. Faltlhauser 24.2. über Streckenstillegungen und die Konzentration von Dr. Glotz 24.2. Dienststellen bei der Deutschen Bundesbahn (DB) der Unter- Dr. Götz 24.2. nehmensleitung zugewiesen sind, nicht zu Lasten der Ver- Hartmann 24.2. kehrsbedienung sowie der Bediensteten der DB (und damit gleichzeitig der Berufschancen) in ländlichen und periphä- Heyenn 24.2. ren Räumen und vor allem auch des Zonenrandgebietes Jäger (Wangen) * 24.2. durchgeführt wird, und widerspricht dieses Konzept nicht Dr. Kreile 24.2. den Grundsätzen des Bundesraumordnungsgesetzes und des Kroll-Schlüter 24.2. Bundesraumordnungsprogrammes? Lemmrich 24.2. Dr. Lippold 24.2. Über Anpassungsmaßnahmen im Streckennetz Löher 24.2. beschließen die Organe der Deutschen Bundes- Dr. h. c. Lorenz 24.2. bahn. Louven 24.2. Die Entscheidung unterliegt jedoch nach § 14 des Michels 24.2. Bundesbahngesetzes der Genehmigung durch den Möllemann 24.2. Bundesminister für Verkehr. Offergeld 24.2. Reschke 24.2. Soweit das Zonenrandgebiet betroffen ist, erar- Reuschenbach 24.2. beitet ein Interministerieller Arbeitskreis (IAK), in Frau Roitzsch (Quickborn) 24.2. dem der Bundesminister für Raumordnung, Bauwe- Schanz 24.2. sen und Städtebau vertreten ist, ein Votum, das der Frau Schmedt (Lengerich) 24.2. Bundesregierung zur Beschlußfassung vorgelegt Schmidt (Hamburg) 24.2. wird. Spilker 24.2. Außerhalb des Zonenrandgebietes werden An- Frau Dr. Skarpelis-Sperk 24.2. passungsmaßnahmen im Streckennetz der Deut- Dr. Stark (Nürtingen) 24.2. schen Bundesbahn mit dem Bundesminister für Dr. Todenhöfer 24.2. Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gemäß § 4 Frau Dr. Wex 24.2. Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes abgestimmt. Weiskirch (Olpe) 24.2. Soweit die Konzentrationen von Dienststellen ge- Wischnewski 24.2. mäß Bundesbahngesetz genehmigungsbedürftig Dr. Wörner 24.2. sind, werden sie ebenfalls mit dem Bundesminister Wurbs 24.2. für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau gemäß § 4 Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes abge- * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver- stimmt. sammlung des Europarates Durch diese Verfahren ist sichergestellt, daß die Belange der Raumordnung berücksichtigt werden. Anlage 2 Im übrigen werden von der Deutschen Bundes- Amtliche Mitteilungen bahn die obersten Landesverkehrs- und Landespla- nungsbehörden frühzeitig eingeschaltet. Entspre- chendes gilt für andere genehmigungspflichtige Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Maßnahmen, bei denen die obersten Landesver- nachstehenden Vorlagen überwiesen: kehrsbehörden nach § 44 des Bundesbahngesetzes Bericht über die Frage, welche Verhandlungen mit ausländi- zu beteiligen sind, sowie für alle sonstigen raumbe- schen Staaten geführt worden sind, um die Gegenseitigkeit deutsamen Maßnahmen. bei der Kostenübernahme für Dolmetscher und Übersetzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit sicherzustellen — Drucksache 10/966 — zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Nichtaufhebbare Einundfünfzigste Verordnung zur Ände- Anlage 4 rung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschafts- verordnung — Drucksache 10/976 — Antwort zuständig: Ausschuß für Wirtschaft des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der 6. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Berichtszeitraum 1982/83 — Drucksache 10/987 — Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft 10/1017 Fragen 16 und 17): 4086* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Unter welchen Voraussetzungen und für welche typischen beitsvertrages nicht von der Rechtsprechung des Fälle ist die Befristung von Arbeitsverträgen nach der Recht- Bundesarbeitsgerichts abweichen. sprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig, und für wel- che Fälle sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, ab- weichend von dieser Rechtsprechung eine Befristung zuzu- lassen?

Welche Höchstdauer der Befristung eines Arbeitsvertrages darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht überschritten werden, und hat die Bundesregierung die Absicht, abweichend von dieser Rechtsprechung die Höchst- Anlage 5 dauer der Befristung festzulegen'? Antwort

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsge- des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des (SPD) (Drucksache 10/1017 richts ist die Befristung eines Arbeitsvertrages, die Abgeordneten Dreßler den gesetzlichen Kündigungsschutz berührt, zuläs- Fragen 18 und 19): sig, wenn für die Befristung und ihre Dauer ein Wie bewertet die Bundesregierung die insbesondere von sachlicher Grund vorliegt. Da ein gesetzlicher Kün- Gewerkschaften geäußerte Einschätzung, daß eine Auswei- digungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz tung der Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzu- schließen, zu einer Umgehung des ohnehin sehr schwachen in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses Kündigungsschutzes führen wird? nicht besteht, ist die Befristung eines Arbeitsvertra- ges bis zur Dauer von 6 Monaten ohne weitere Vor- Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen auch dort ausweiten aussetzung zulässig. Im übrigen läßt das Bundesar- will, wo das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fin- beitsgericht die Befristung von Arbeitsverträgen zu, det, wie in Kleinbetrieben mit fünf oder weniger Arbeitneh- wenn dies der Üblichkeit im Arbeitsleben und der mern? Auffassung verantwortungsbewußter Vertragspar- teien entspricht und die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht entgegenstehen. Demgemäß hat Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialord- das Bundesarbeitsgericht in einer Vielzahl von Ein- nung wird überlegt, im Interesse der arbeitslosen zelentscheidungen die Befristung von Arbeitsver- Arbeitnehmer für eine Übergangszeit den Abschluß trägen als zulässig anerkannt, z. B. zur Erledigung befristeter Arbeitsverträge zu erleichtern, um eine des Anfalls einer zeitlich begrenzten Arbeit, bei vor- beschäftigungspolitische Schubwirkung zu errei- übergehendem Mehrbedarf an Arbeitskraft, bei Be- chen. In der Phase der konjunkturellen Wiederbele- schäftigung zur vorübergehenden Aushilfe oder bung könnten damit die Arbeitgeber veranlaßt wer- Vertretung, zur Überwindung sozialer Übergangs- den, eine Verbesserung der Auftragslage durch be- schwierigkeiten. fristete Arbeitsverträge direkt Arbeitslosen zugute kommen zu lassen und nicht im Warten auf eine Die Bundesregierung hat noch keine Entschei- Stabilisierung der Auftragslage zunächst in Über- dung darüber getroffen, ob und ggf. in welchen Fäl- stunden oder sonstige Maßnahmen auszuweichen, len von dieser Rechtsprechung des Bundesarbeits- die keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen. gerichts durch gesetzliche Maßnahmen abgewichen werden soll. Im Interesse der arbeitslosen Arbeit- Für den Arbeitslosen, der vielfach nur die Alter- nehmer wird jedoch im Bundesministerium für Ar- native hat, befristet eingestellt zu werden oder gar beit und Sozialordnung überlegt, ob für eine Über- keine Beschäftigung zu finden, kann in dem erleich- gangszeit der Abschluß befristeter Arbeitsverträge terten Abschluß befristeter Verträge keine Umge- erleichtert werden soll, um eine beschäftigungspoli- hung des Kündigungsschutzes liegen. Zudem wer- tische Schubwirkung zu erreichen und zusätzliche den erfahrungsgemäß zunächst befristete Arbeits- Beschäftigungschancen zu eröffnen. So könnte verträge häufig in unbefristete Arbeitsverhältnisse daran gedacht werden, die erstmalige Befristung münden, für die dann der gesetzliche Kündigungs- von Arbeitsverträgen bis zu einem Jahr zuzulassen, schutz gilt. Ich kann die von Ihnen erwähnte Ein- wenn ein arbeitslos gemeldeter Arbeitnehmer ein- schätzung der Gewerkschaften deshalb nicht teilen. gestellt wird. Auf diese Weise könnten Arbeitgeber Im übrigen weise ich darauf hin, daß bereits nach zum Angebot befristeter Arbeitsverträge an Ar- geltendem Recht Arbeitsverträge bis zu 6 Monaten beitslose auch in solchen Fällen veranlaßt werden, ohne weitere sachliche Voraussetzungen abge- in denen sie heute eine Stabilisierung der Auftrags- schlossen werden können, sofern der Arbeitgeber lage abwarten und in Überstunden ausweichen oder nicht einer bestimmten, besonders geschützten Ar- sonstige Maßnahmen treffen, die keine zusätzli- beitnehmergruppe, wie z. B. schwangeren Arbeit- chen Arbeitsplätze schaffen. Auch würden erfah- nehmerinnen, angehört. rungsgemäß befristete Arbeitsverträge häufig in Die von Ihnen der Bundesregierung unterstellte unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt. Absicht zur Ausweitung der Möglichkeiten zur Be- Der Bundesregierung ist keine Entscheidung des fristung von Arbeitsverträgen kann schon- deshalb Bundesarbeitsgerichts bekannt, die allgemein fest- nicht zutreffen, weil in Kleinbetrieben bis zu 5 Ar- legt, daß eine bestimmte Höchstdauer bei befriste- beitnehmern der Kündigungsschutz nach Maßgabe ten Arbeitsverträgen nicht überschritten werden des Kündigungsschutzgesetzes bereits heute nicht darf. Das Bundesarbeitsgericht stellt in dieser gilt. Schon jetzt können in solchen Betrieben befri- Frage vielmehr ganz auf die Umstände des Einzel- stete Arbeitsverträge ohne weitere sachliche Vor- falles ab. Die Bundesregierung kann somit bei ih- aussetzungen hinsichtlich der Befristung und ihrer ren Überlegungen zur Regelung des befristeten Ar Dauer abgeschlossen werden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4087*

Anlage 6 muß, hat sich im Rahmen der sogenannten kapazi- Antwort tätsorientierten variablen Arbeitszeit auch eine Ar- beit auf Abruf entwickelt, bei der der Arbeitnehmer des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der keine im voraus festgelegte Arbeitszeit hat, sondern Abgeordneten Frau Fuchs (Köln) (SPD) (Druck- sich zu Hause bereithält, um jeweils auf Abruf des sache 10/1017 Fragen 26 und 27): Arbeitgebers seine Arbeit aufzunehmen. Es gibt Welche arbeits- und sozialrechtlichen Benachteiligungen keine gesicherten Erkenntnisse darüber, in wel- bestehen nach den Erkenntnissen der Bundesregierung bei chem Umfang derartige Arbeit auf Abruf prakti- Teilzeitbeschäftigungen gegenüber entsprechenden Vollzeit- ziert wird. Auch frühere Bundesregierungen haben beschäftigungen, und mit welchen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung diese Benachteiligungen abzubauen? darüber keine Erhebungen angestellt, obwohl die Welche praktizierten Formen der Arbeit auf Abruf sind der Diskussion über diese Arbeitsform schon viele Bundesregierung bekannt, und in welchem Umfang werden Jahre dauert. Diese Arbeitsform scheint allerdings diese Arbeitsformen praktiziert? wesentlich weniger häufig zu sein als andere For- men variabler Arbeitszeit, bei denen der Arbeitneh- Zu Frage 26: mer sich nicht auf Abruf bereithalten muß, sondern In der Fragestunde am 18. Januar 1984 habe ich eine erhebliche Zeitspanne vorher erfährt, wann er eine ähnliche Frage des Kollegen Reimann unter arbeiten soll. Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage Frauenarbeitslosigkeit (Bundes- tags-Drucksache 10/871) beantwortet. Das geltende Arbeitsrecht benachteiligt Teilzeit- arbeitnehmer grundsätzlich nicht; es gilt für sie fast ausnahmslos in gleicher Weise wie für Vollzeitar- Anlage 7 beitnehmer. Soweit in der betrieblichen Praxis Be- nachteiligungen von Teilzeitarbeitnehmern gegen- Antwort über Vollzeitarbeitnehmern vorkommen, beruhen diese in der Regel nicht auf arbeitsrechtlichen Vor- des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der schriften. Eine Ausnahme bildet die Vorschrift des Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) Lohnfortzahlungsgesetzes, wonach für Teilzeitar- (Drucksache 10/1017 Fragen 28 und 29): beiter kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, Krankheitsfall besteht, wenn die regelmäßige Ar- um die Arbeit auf Abruf „sozialverträglicher" — wie vom beitszeit wöchentlich 10 Stunden nicht übersteigt. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 30. Januar Diese 1969 eingeführte Vorschrift soll nicht geän- 1984 angekündigt — zu gestalten'? dert werden, weil bei so geringer Arbeitsleistung es Wie bewertet die Bundesregierung die insbesondere von dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, das Lohnfort- Gewerkschaften geäußerte Einschätzung, dad die soge- zahlungsrisiko zu tragen. nannte Arbeit auf Abruf das Beschäftigungsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagere? Zum Schutz vor sonstigen Benachteiligungen von Teilzeitarbeitnehmern strebt die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vor. Die Überlegungen In der Antwort auf eine ähnliche Frage des Kolle- über deren Inhalt sind noch nicht abgeschlossen. gen Reimann habe ich in der Fragestunde am Erwogen wird beispielsweise, durch eine ausdrück- 18. Januar 1984 ausgeführt, daß 'die Überlegungen liche Vorschrift eine Benachteiligung der Teilzeitar- der Bundesregierung über Maßnahmen zum beitnehmer gegenüber den Vollzeitarbeitnehmern Schutze der Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf im Arbeitsverhältnis grundsätzlich auszuschließen. noch nicht abgeschlossen sind. Erwogen wird bei- In der Rentenversicherung steigert grundsätzlich spielsweise, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Ar- jeder Beitrag entsprechend seiner Höhe die spätere beitgeber einen Anspruch auf eine gewisse Vergü- Rente, auch ein Beitrag auf Grund von Teilzeitar- tung der Zeit zu geben, in der sich der Arbeitneh- beit. Dementsprechend gibt es auch grundsätzlich mer bereithalten muß, um auf Abruf des Arbeitge- keine Benachteiligung von Teilzeitarbeitskräften in bers Arbeit zu leisten. Durch eine solche Regelung der Rentenversicherung. würde dem Arbeitnehmer auch für den Fall, daß er Soweit ausnahmsweise bei späterer Anrechnung nicht oder nur in geringfügigem Maße innerhalb einer Zurechnungszeit eine Rentenanwartschaft der zur Arbeitsleistung freigehaltenen Zeit tatsäch- durch niedrige Beiträge noch gesenkt werden kann, lich zur Arbeit herangezogen wird, ein Mindestein- weist die Bundesregierung auf ihre wiederholt be- kommen gesichert. kundete Absicht hin, die Anrechnung und Bewer- Die von der Bundesregierung erwogenen Maß- tung von beitragsgeminderten und beitragslosen nahmen zielen auf eine Gestaltung der Arbeit auf Zeiten neu regeln zu wollen. Abruf, die einen gerechten Ausgleich zwischen den Erfordernissen betrieblicher Flexibilität und dem Zu Frage 27: Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer schafft. Den Ta- Neben der herkömmlichen Form der Rufbereit- rifvertragsparteien müßte jedoch die Möglichkeit schaft, bei der ein Arbeitnehmer — beispielsweise eingeräumt werden, in Tarifverträgen abweichende ein Betriebsschlosser im Mehrschichtenbetrieb — Bestimmungen zu treffen und damit den unter- neben einer Vollzeitbeschäftigung zusätzlich noch schiedlichen wirtschaftlichen Notwendigkeiten der zur Arbeitsleistung in Notfällen erreichbar sein einzelnen Wirtschaftszweige Rechnung zu tragen. 4088* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Anlage 8 Zu Frage 32: Antwort Unter „Job-sharing" wird allgemein eine Ausge- staltung der Teilzeitarbeit verstanden, bei der auf des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Grund des Arbeitsvertrages zwei oder mehrere Ar- Abgeordneten (SPD) (Drucksache 10/ Weinhofer beitnehmer die an einem Arbeitsplatz anfallende 1017 Fragen 30 und 31): Arbeitszeit in eigener Verantwortung untereinan- Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der ange- der aufteilen. Vielfach ist hiermit die vertragliche kündigten „sozialverträglicheren" Gestaltung der Arbeit auf Abruf Änderungen bei der Geringfügigkeitsgrenze, insbeson- Verpflichtung dieser Arbeitnehmer gegenüber dem dere deren Aufhebung? Arbeitgeber zur gegenseitigen Vertretung verbun- Durch welche zusätzlichen Maßnahmen soll die soziale Si- den. Eine solche Verpflichtung wird teils unbe- cherheit der „Arbeitnehmer auf Abruf" sichergestellt wer- schränkt vereinbart, teils beschränkt auf bestimmte den? Arten von Vertretungsfällen. Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die In der Fragestunde am 18. Januar 1984 habe ich Zahl der nach dem System des Jobsharing beschäf- dem Kollegen Reimann auf eine entsprechende tigten Arbeitnehmer vor. Frage geantwortet, daß die Bundesregierung keine Änderungen bei der Geringfügigkeitsgrenze beab- sichtigt. Die Regelung ist in den letzten Jahren Zu Frage 33: mehrfach mit dem Ziel eingeschränkt worden, der Die Überlegungen der Bundesregierung über Zunahme versicherungsfreier Beschäftigungen ent- Maßnahmen zum Schutze der am Jobsharing be- gegenzuwirken. Die seit Beginn 1983 geltende Rege- teiligten Arbeitnehmer sind noch nicht abgeschlos- lung ist im Sommer 1982 im Vermittlungsausschuß sen. Erwogen wird beispielsweise, die Verpflichtung gefunden worden. Sie ist das Ergebnis einer sehr der Arbeitnehmer zur gegenseitigen Vertretung zu eingehenden Erörterung der verschiedenen Pro- beschränken und die Kündigung durch den Arbeit- bleme der Versicherungsgrenze. Nach den zahlrei- geber wegen des Ausscheidens des anderen Arbeit- chen Gesetzesänderungen sollte daher nach Auffas- nehmers auszuschließen. sung der Bundesregierung jetzt die Einhaltung und Kontrolle der bestehenden gesetzlichen Regelun- gen im Vordergrund stehen. Auch die innerhalb der Bundesregierung angestellten Erwägungen über Anlage 10 besondere arbeitsrechtliche Schutzvorschriften für Antwort die Arbeit auf Abruf geben keine Veranlassung, diese Frage nunmehr anders zu beurteilen. des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der Abgeordneten Frau Odendahl (SPD) (Drucksache Zu Ihrer zweiten Frage teile ich Ihnen mit, daß 10/1017 Fragen 38 und 39): die Überlegungen der Bundesregierung über Maß- nahmen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Arbeit Sind der Bundesregierung Schätzungen über das Ausmaß der ungeschützten Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse (unter auf Abruf noch nicht abgeschlossen sind. Erwogen 20 Stunden) bekannt, und wenn ja, wie hoch ist der Anteil der wird beispielsweise, dem Arbeitnehmer gegenüber Frauen? dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine gewisse Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Vergütung der Zeit zu geben, in der sich der Arbeit- und in welchem Umfang Teilzeitarbeitsplätze mit 20 oder nehmer bereithalten muß, um auf Abruf des Arbeit- mehr Stunden in sogenannten Kapovaz (Kapazitätsorien- gebers Arbeit zu leisten. Durch eine solche Rege- tierte variable Arbeitszeit)-Arbeitsplätze umgewandelt wor- den sind? lung würde dem Arbeitnehmer auch für den Fall, daß er nicht oder nur in geringem Maße innerhalb der zur Arbeitsleistung freigehaltenen Zeit tatsäch- Zu Frage 38: lich zur Arbeit herangezogen wird, ein Mindestein- Nach den Ergebnissen der amtlichen Statistik kommen gesichert. (Mikrozensus 1982) gab es 1,62 Millionen abhängig Beschäftigte (davon 1,52 Millionen Arbeitnehmerin- nen = 93,5%, darunter ca. 50 000 Beamtinnen) mit Anlage 9 einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Antwort von unter 20 Stunden je Woche. Von diesen Teilzeit- beschäftigten sind diejenigen sozialversicherungs- des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des pflichtig, die wöchentlich 15 Stunden und mehr ar- Abgeordneten Glombig (SPD) (Drucksache 10/1017 beiten und/oder monatlich mehr als 390 DM (Ge- Fragen 32 und 33): ringfügigkeitsgrenze) verdienen. Dieser Personen- Welche Modelle des sogenannten Jobsharing werden nach kreis ist in der Kranken- und Rentenversicherung den Erkenntnissen der Bundesregierung im Arbeitsleben derzeit praktiziert, und wie viele Arbeitnehmer nehmen an grundsätzlich versichert. solchen Modellen teil? Die Zahl der sozialversicherungsrechtlich nicht Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, geschützten Beschäftigten kann aufgrund dieser um das Jobsharing angeblich „sozialverträglicher" zu gestal- ten — wie vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Daten nur grob geschätzt werden. Sie dürfte bei am 30. Januar 1984 angekündigt —, und hält die Bundesre- etwa 500 000 bis 750 000, der Anteil der Frauen bei gierung die von ihr geplanten Maßnahmen für geeignet, die etwa 95% liegen. Im übrigen möchte ich auf die Ant- Verlagerung des Ausfallrisikos vom Arbeitgeber auf einen wort verweisen, die ich eben der Frau Kollegin Dr. der am Jobsharing beteiligten Arbeitnehmer bei Krankheit, Urlaub und Ausscheiden des anderen am Jobsharing betei- Däubler-Gmelin gegeben habe und noch auf folgen- ligten Arbeitnehmers auszuschließen? des hinweisen: Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4089*

Da der Mikrozensus auf den Selbstangaben der Be- Ist der Bundesregierung bekannt, ob die bereitgestellten fragten an einem bestimmten Stichtag beruht, müs- finanziellen Mittel für die berufliche Fortbildung — insbe- sondere Meisterkurse — soweit aufgebraucht sind, daß keine sen methodische und systematische Schwierigkei- ausreichenden Mittel mehr für Neubewilligungen in 1984 ten der Erhebung bei der Beurteilung berücksich- vorhanden sind, und welche Möglichkeiten sieht die Bundes- tigt werden. regierung, gegebenenfalls die Mittel für nach § 44 Abs. 2 a Arbeitsförderungsgesetz geförderte Maßnahmen aufzustok- ken? Zu Frage 39: Schließt sich die Bundesregierung der Auffassung an, daß Erkenntnisse über die Umwandlung von Teilzeit- die Aufwendungen für darlehensweise gezahltes Unterhalts- geld, insbesondere bei Meisterkursen, teilweise auch zu Ein- arbeitsplätzen in Arbeitsplätze mit Rufbereitschaft sparungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe füh- (Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit — „Ka- ren, wenn die durch die Teilnehmer an den Weiterbildungs- povaz") liegen der Bundesregierung nicht vor. maßnahmen frei gewordenen Stellen wieder besetzt wer- den?

Die Änderung des § 44 Abs. 2 a Arbeitsförderungs- Anlage 11 gesetz war mit einer Einsparungserwartung in Antwort Höhe von 100 Millionen DM verbunden. Nach Ab- zug der Beiträge zur Kranken- und Rentenversiche- des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen der rung, die weiterhin als Zuschuß gewährt werden, Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz (SPD) hat die Bundesanstalt für Arbeit den Haushaltsan- (Drucksache 10/1017 Fragen 40 und 41): satz für Unterhaltsgeld-Darlehen auf 156,9 Millio- Wie hoch ist die Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der nen DM für 1984 verringert. Geringfügigkeitsgrenze von 390 DM, und in welchem Aus- maß hat die Anzahl derartiger Arbeitsverträge in den letzten Im Jahre 1983 erreichten die Ausgaben 228,7 Mil- Jahren zugenommen? lionen DM. Die Entwicklung im vergangenen Jahr Welcher Personenkreis ist überwiegend in solchen „390- weist einen erheblichen Anstieg der Empfängerzah- DM-Arbeitsverträgen" beschäftigt, und welche soziale Siche- len in der zweiten Jahreshälfte auf. Von rund 12 500 rung besteht für diesen Personenkreis? im August stieg die Empfängerzahl auf 21 873 im Dezember 1983. Dieser starke Anstieg, der nicht zu- Die Zahl der Arbeitsverträge unterhalb der Ge- letzt auf das Bekanntwerden der beabsichtigten Ge- ringfügigkeitsgrenze von 390 DM/Monat läßt sich setzesänderungen zurückzuführen sein dürfte, hat mangels statistischer Unterlagen nicht genau fest- dazu beigetragen, daß von den für 1984 zur Verfü- stellen. Im übrigen verweise ich zur Vermeidung gung stehenden Mitteln 138,4 Millionen DM durch von Wiederholungen auf die Antwort, die ich dazu Bewilligungen bereits gebunden sind und für Neu- vorhin der Kollegin Dr. Däubler-Gmelin gegeben bewilligungen im Jahre 1984 nur noch rund 18,5 Mio habe. DM zur Verfügung stehen. Die genannten Beschäftigungen sind überwie- Es ist Aufgabe der Selbstverwaltung der Bundes- gend im Dienstleistungsbereich und im gewerbli- anstalt, geeignete Kriterien für die Ermessensent- chen Bereich angesiedelt. Sie werden in erster Li- scheidung über die Gewährung von Unterhaltsgeld nie von verheirateten Frauen eingenommen. Dieser Darlehen im Rahmen der Anordnung Fortbildung Personenkreis ist wegen des geringen Umfangs der und Umschulung festzulegen. Bis zum Inkrafttreten Beschäftigungen grundsätzlich in der Kranken- dieser Vorschriften hat der Präsident der Bundes- und Rentenversicherung versicherungsfrei. Werden anstalt mit Erlaß vom 25. Januar 1984 angeordnet, mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, daß Neubewilligungen zunächst nur für die Antrag- sind die betreffenden Personen allerdings wegen steller ausgesprochen werden dürfen, die bereits an der Zusammenrechnung solcher Beschäftigungen einer Maßnahme teilnehmen. in der Kranken- und Rentenversicherung grund- sätzlich versicherungspflichtig. Überwiegend dürfte Die Bundesregierung wird die Entwicklung wei- in Fällen der Versicherungsfreiheit die soziale Absi- terhin genau beobachten und, falls es sich als not- cherung für den Fall der Krankheit durch die Fami- wendig erweist, Vorschläge vorlegen, die sowohl lienkrankenhilfe gegeben sein; die Sicherung im den arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten als Alter ist für die hier besonders angesprochene auch den finanzpolitischen Möglichkeiten der Bun- Gruppe der verheirateten Frauen, die keine eigenen desanstalt für Arbeit Rechnung tragen. oder nicht ausreichende Anwartschaften haben, in In Einzelfällen führt das durch die Teilnahme an der Regel durch Unterhaltsansprüche gegen den Fortbildungsmaßnahmen bedingte Ausscheiden Ehegatten und nach dessen Tod durch Hinterblie- von Arbeitnehmern zu Einstellungen von Arbeitslo- benenleistungen aus der Altersversorgung des Ehe- sen. Die dadurch eintretenden Ersparnisse an Ar- mannes gegeben. beitslosengeld und Arbeitslosenhilfe kompensieren aber nicht die Ausgaben für das Unterhaltsgeld. - Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Entschei- Anlage 12 dung, das Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 a Arbeits- förderungsgesetz nur noch in eingeschränktem Antwort Umfang zu zahlen, von der Überlegung leiten las- des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des sen, daß die notwendige Konsolidierung der Finan- Abgeordneten Keller (CDU/CSU) (Drucksache zen der Bundesanstalt für Arbeit nicht nur den Ar- 10/1017 Fragen 42 und 43): beitslosen Leistungseinschränkungen auferlegen 4090* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 kann, sondern daß auch insbesondere von den Teil- Jugendlichen nach Ablegung der Abschlußprüfung nehmern an Aufstiegsfortbildungsmaßnahmen we- arbeitslos werden. gen der damit verbundenen persönlichen Vorteile Aus einer Sondererhebung der Bundesanstalt für eine größere Eigenbeteiligung an den Kosten der Arbeit über jugendliche Arbeitslose zum 30. Sep- Bildungsmaßnahme gefordert werden kann. tember 1983 geht lediglich hervor, daß rund 65 000 Jugendliche nach der abgeschlossenen Ausbildung nicht vom Betrieb übernommen wurden. Anlage 13 Antwort Anlage 15 des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Pohlmann (CDU/CSU) (Drucksache Antwort 10/1017 Fragen 44 und 45): des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach einer Meldung Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache der Zeitschrift "Stern" eine größere Firma mit dem Gesamt- betriebsrat eine Vereinbarung getroffen hat, wonach Arbeit- 10/1017 Frage 47): nehmer im Alter zwischen 50 und 58 Jahren für ein Jahr mit Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem Wiedereinstellungsgarantie ausscheiden können und wäh- Gutachten über die Wirtschaftlichkeit und Effektivität der rend dieser Zeit 85 v.H. ihres Nettoeinkommens beziehen, Arbeitsverwaltung vom 29. April 1983, erstellt von der Ar- wobei sich dieses Einkommen aus dem Arbeitslosengeld und beitsgemeinschaft Horn usw., gezogen, und welche Anregun- einem Zuschuß der Firma zusammensetzt? gen werden gegenwärtig noch geprüft? Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten der Ge- schäftsleitung und der Arbeitnehmervertretung dieser Fir- ma, soweit eine Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld be- Die auf Anregung des Haushaltsausschusses des absichtigt ist? Deutschen Bundestages vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1982 in Auftrag gegebe- nen Gutachten über die Wirtschaftlichkeit und Effi- Das von Ihnen angesprochene Modell, nach dem zienz der Arbeitsverwaltung sind von den Gutach- langjährig beschäftigte ältere Arbeitnehmer für die tern Anfang April 1983 vorgelegt worden. Dauer eines Jahres mit Wiedereinstellungsgarantie aus dem Betrieb ausscheiden können, ist der Bun- Der Bundesminister für Arbeit und Sozialord- desregierung bekannt. nung hat den Haushaltsausschuß und den Aus- Das Modell geht davon aus, daß den vorüberge- schuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen hend ausgeschiedenen Arbeitnehmern während ih- Bundestages mit Bericht vom 27. September 1983 über die Ergebnisse der Gutachten unterrichtet und rer einjährigen Freisetzung Arbeitslosengeld zu- dabei darauf hingewiesen, daß die Gutachten eine steht. Einen solchen Leistungsanspruch hat jedoch nur, wer bereit ist, jede ihm zumutbare Arbeit anzu- ganze Zahl interessanter Verbesserungsvorschläge nehmen. Eine derartige Erklärung zur Arbeitsbe- für die Arbeitsverwaltung enthalten. Er hat deshalb die Gutachten zur Prüfung und Umsetzung der Ver- reitschaft können die nach dem Modell ausgeschie- besserungsvorschläge an die Bundesanstalt für Ar- denen Arbeitnehmer im Grunde nur wahrheitswid- rig abgeben, da sie in der Regel nicht an einer beit weitergeleitet und durch seine Vertreter in den Arbeitsaufnahme interessiert sein dürften. Die Selbstverwaltungsorganen der Bundesanstalt dar- auf geachtet, daß die Gutachten intensiv ausgewer- Bundesregierung kann deshalb die Arbeitnehmer der in Betracht kommenden Firma nur warnen, von tet und inzwischen in einer Reihe von Punkten dem Angebot ihres Arbeitgebers Gebrauch zu ma- auch umgesetzt worden sind. chen. Im übrigen geht die Bundesregierung davon Zum Stand der Umsetzung durch die Bundesan- aus, daß die Firma ihr Modell wegen der geschilder- stalt im einzelnen möchte ich auf folgende Punkte ten Rechtslage nicht weiterverfolgen wird. hinweisen: Zum Gutachten der Arbeitsgemeinschaft HORN & PARTNER und ADV/ORGA, das Vorschläge zur Verbesserung der Büroorganisation und Ablaufor- Anlage 14 ganisation (insbesondere des Einsatzes der EDV Antwort und anderer moderner Bürotechniken) erbracht des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des hat, hat der Vorstand der Bundesanstalt bereits am 29. Juni 1983 einen grundlegenden Umsetzungs- Abgeordneten Grünbeck (FDP) (Drucksache 10/ 1017 Frage 46): beschluß gefaßt und durch seinen Beschluß vom 14. Dezember 1983 über die „Grundsätze für die Sind der Bundesregierung die Zahlen derjenigen Auszubil- Weiterentwicklung der Datenverarbeitung in der denden bekannt, die vor Ablauf der Ausbildungsvertragsfrist durch einen erfolgreichen Abschluß ihre Ausbildung been- Bundesanstalt für Arbeit" ergänzt. In Ausfüllung den, im Ausbildungsbetrieb aber nicht weiterbeschäftigt und der Vorstandsbeschlüsse hat der EDV-Ausschuß dann — mangels anderer Berufsmöglichkeiten — arbeitslos der Selbstverwaltung der Bundesanstalt die Ein- werden? richtung von Organisationsreferaten (einschließlich EDV-Zuständigkeit) in den Fachabteilungen be- Die Zahl der Jugendlichen, die vor Ablauf der schlossen. In der Abteilung Berufsberatung ist mo- Ausbildungszeit ihre Abschlußprüfung ablegen, dellhaft ein Referat für Organisation und EDV ein- wird statistisch nicht erfaßt. Es ist der Bundesregie- gerichtet worden, dessen vorrangige Aufgabe es ist, rung daher auch nicht bekannt, wie viele dieser die Entwicklungsarbeiten für das System COMPAS Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4091*

(Computerunterstützte Ausbildungsstellenvermitt- Dem in der Zeit vom 1. September 1983 bis lung) und das System ZEBID (Zentrales EDV-unter- 15. Juni 1984 zur Belebung der Nachfrage bei Schü- stütztes berufs- und bildungskundliches Informa- lergruppenreisen laufenden Sonderangebot „Die tions- und Dokumentationssystem) in Verbindung Klasse(n)-Tour per Bahn" liegt nach Angaben der mit dem EDV-gestützten Gesamtdokumentations- Deutschen Bundesbahn eine reelle Kalkulation zu- system für alle Aufgaben der Bundesanstalt voran- grunde. Dies gilt auch für den nicht besonders in zutreiben. Rechnung gestellten, unter bestimmten Vorausset- Zu dem Gutachten der TREUARBEIT AG, das zungen von der Bahn übernommenen Bustransfer vor allem Verbesserungsvorschläge im Bereich der zwischen Schulort und Bahnhof und gegebenenfalls Fortbildung und Umschulung enthält, hat der Vor- zwischen Bahnhof und Schulort. stand der Bundesanstalt den grundlegenden Be- Das Sonderangebot hat dem Bundesminister für schluß zur Umsetzung am 21. September 1983 ge- Verkehr nicht zur Genehmigung vorgelegen. Eine faßt. Prüfung, insbesondere der nicht besonders in Rech- Die Umsetzungsarbeiten zu beiden Gutachten nung gestellten Zusatzleistung „Bustransfer zum sind damit noch nicht abgeschlossen, sondern wer- Bahnhof", unter wettbewerbsrechtlichen Gesichts- den von der Bundesanstalt mit Nachdruck weiter- punkten hat deshalb nicht stattgefunden. Der Bus- verfolgt. transfer dient der Verbesserung des Angebotes im Rahmen einer Gesamtleistung und ist nach Auffas- sung der Deutschen Bundesbahn somit unter wett- bewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig. Der Bustransfer ist bei fehlendem Bahnanschluß zur Anlage 16 Erbringung des Schienentransportes als Hauptlei- Antwort stung wesensnotwendig und nach Auffassung der Deutschen Bundesbahn keine Zugabe im Sinne der des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Frage Zugabeverordnung. des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 77): Wird die Bundesregierung die vom Vorstand der Deut- schen Bundesbahn (DB) für den Eigenbedarf nicht bean- spruchten und der Bundesregierung für ein Sonderpro- Anlage 18 gramm angebotenen Ausbildungsplätze bei der DB auch im Ausbildungsjahr 1984/85 übernehmen und finanzieren, und Antwort dabei insbesondere auch alle im Bereich von Weiden in der Oberpfalz angebotenen Ausbildungsplätze der DB beim Aus- des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des besserungswerk und beim Bahnbetriebswerk erhalten? Abgeordneten Dr. Hirsch (FDP) (Drucksache 10/ 1017 Fragen 80 und 81): Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Möglich- In welcher zeitlichen Reihenfolge werden mit Unterstüt- keit, auch 1984 — wie in den vergangenen Jahren — zung der Bundesregierung oder unter Beteiligung von Ein- die bei der Deutschen Bundesbahn für den Eigen- richtungen oder öffentlich-rechtlicher Körperschaften des bedarf nicht benötigten Ausbildungsplätze für Aus- Bundes oder der Länder zu Zwecken der Massenkommuni- kation Direkt-Satelliten, geeignet zum Empfang durch jeden bildungen nach dem Berufsbildungsgesetz zur Ver- Teilnehmer über Einzelantennen und Verteil-Satelliten, ge- fügung zu stellen. Diese Überlegungen sind jedoch eignet zum Empfang nur durch die Kopfstationen von Kabel- noch nicht abgeschlossen. anlagen, im Weltraum stationiert? Die Bundesregierung geht davon aus, daß auch Ist beabsichtigt, die Rundfunk- und Fernsehprogramme der Verteil-Satelliten, die wegen ihrer schwachen Sendelei- im Jahre 1984 eine Regelung getroffen wird, die den stung nur durch besondere Spezialantennen aufgefangen Belangen der Deutschen Bundesbahn und den bil- werden können, auf der Erde so umzusetzen, daß sie auch dungs- und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen außerhalb der Kabelnetze mit normalen Einzelantennen der Bundesregierung gleichermaßen gerecht wird. empfangen werden können'? Hiervon werden auch die Ausbildungsplätze im Bereich Weiden betroffen sein. Zu Frage 80: Die Bundesregierung bzw. die Deutsche Bundes- post beteiligt sich an unterschiedlichen Satelliten- projekten zur Übermittlung von Ton- und Fernseh- Anlage 17 programmen. Antwort Der Direktversorgung dient hiervon nur das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt eines des Parl. Staatssekretärs Dr. Schulte auf die Fragen Rundfunksatelliten TV-SAT. Voraussichtlicher des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) (Druck- Start des präoperationellen Satelliten ist Ende sache 10/1017 Fragen 78 und 79): 1985. Inwieweit liegt den in dem Angebot der Deutschen Bun- desbahn unter dem Motto „Die Klasse(n)-Tour per Bahn" Zur Heranführung von Programmen an Kabelan- enthaltenen kostenlosen Zusatzleistungen eine reelle und lagen werden Teilkapazitäten von folgenden Fern- reale Kalkulation zugrunde? meldesatelliten benutzt: Sind diese Zusatzleistungen, z. B. die kostenlosen Bus- transfers, unter kartellrechtlichem Gesichtspunkt geprüft — ECS (European Communications Satellite) worden, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Der Satellit ist seit Oktober 1983 betriebsbereit. 4092* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

— INTELSAT V lung interessiert sind. Diesem Sachverhalt ent- Der Satellit ist Ende 1984 betriebsbereit. sprach der Text der in Mannheim verteilten Hand- zettel. Gleichwohl habe ich sichergestellt, daß die — DFS Kopernikus Oberpostdirektion Karlsruhe bei künftigen Werbe- Als Starttermin ist Mitte 1987 geplant. maßnahmen für „Abrufkräfte" nicht mit dem Hin- weis auf die Sozialversicherungsfreiheit wirbt. Zu Frage 81: Es ist nicht beabsichtigt, Hör- und Fernsehpro- gramme, die über Fernmelde-Satelliten übertragen werden, nach dem Empfang bei Erdefunkstellen Anlage 20 über terrestrische Sender weiterzuverarbeiten. Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Frage der Abgeordneten Frau Reetz (GRÜNE) (Drucksache 10/1017 Frage 84): Anlage 19 Ist es richtig, daß im Mai und Dezember 1983 in der gesam- Antwort ten Bundesrepublik Deutschland die Fernsprechanschlüsse einer repräsentativen Anzahl von Privat-, Geschäfts-, Behör- des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Fragen des den- und Unternehmensanschlüsse jeweils (für den Fern- Abgeordneten Lutz (SPD) (Drucksache 10/1017 Fra- sprechteilnehmer unbemerkt) an einen automatischen Druk- gen 82 und 83): ker (Zählvergleichseinrichtung) geschaltet und damit Daten erhoben, auf Disketten gespeichert und zur Auswertung an In welchem Umfang wird die Arbeit auf Abruf bei der das Rechenzentrum des Fernmeldetechnischen Zentralam- Deutschen Bundespost praktiziert? tes übermittelt wurden, und wenn ja, was ist die Rechts- grundlage für diese Datenerhebungen, -speicherungen und Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß mit der So- -weitergaben gewesen? zialversicherungsfreiheit solcher Tätigkeiten vom Arbeitge- ber geworben werden sollte, wie von der Deutschen Bundes- post in Mannheim mit einer Briefwurfaktion in der ersten Es trifft nicht zu, daß die Deutsche Bundespost Dezemberwoche geschehen? Fernsprechanschlüsse für den Teilnehmer unbe- merkt an eine Zählvergleichseinrichtung ange- Zu Frage 82: schaltet hat. Für die Anpassung an regelmäßige Schwankun- Richtig ist, daß im Dezember 1983 eine Umfrage gen der Arbeitsmenge im Postbetriebsdienst der in Verbindung mit einer Verkehrsregistrierung bei Deutschen Bundespost — z. B. Verkehrsspitzen zur etwa 500 geschäftlichen und 1 000 privaten Teilneh- Monatswende, regelmäßige Sondereinlieferungen mern durchgeführt wurde. Bei den nach dem Zu- von Großkunden — werden durchweg ständige Ar- fallsprinzip ausgewählten Teilnehmern wurde die beitskräfte eingesetzt. Für die Anpassung an unre- Verkehrsregistrierung mit deren vorherigem Ein- gelmäßige und unvorhersehbare Verkehrsspitzen verständnis durchgeführt. ist das nicht sinnvoll. Hier ist es vielmehr erforder- Nach § 2 Postverwaltungsgesetz ist die Deutsche lich, kurzfristig und kurzzeitig auf zusätzliche Ar- Bundespost verpflichtet, ihre Anlagen in gutem Zu- beitskräfte für eine vorübergehende Beschäftigung stand zu erhalten und technisch und betrieblich den zurückzugreifen. Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter- Arbeitskräfte, die sich für solche Beschäftigungs- zuentwickeln und zu vervollkommnen. Aufgrund verhältnisse auf Abruf kurzfristig zur Verfügung dieser Verpflichtung und der Vorschriften des Bun- stellen, werden im Postbetrieb als „Abrufkräfte" be- desdatenschutzgesetzes (§§ 3, 9, 10) ist die Deutsche zeichnet. Sie werden bei einer Reihe von Ämtern — Bundespost zur Durchführung dieser Maßnahme vorwiegend des Postdienstes — insbesondere im ermächtigt. Brief-, Paket- und Päckchenverteildienst einge- setzt.

Zu Frage 83: Anlage 21 Es trifft zu, daß „Abrufkräfte" wegen ihres gerin- Antwort gen Beschäftigungsumfangs aufgrund der sozial- versicherungsrechtlichen Bestimmungen sozialver- des Staatssekretärs Piazolo auf die Fragen des Ab- sicherungsfrei sind. Viele dieser als „Abrufkraft" geordneten Kastning (SPD) (Drucksache 10/1017 beschäftigten Personen wünschen lediglich nur Fragen 87 und 88): eine jeweils geringe Beschäftigung in diesem Sinne Welche Kostenarten und in welcher Höhe werden- bei Aus- und sind auch an einer weitergehenden Bindung bildungsmaßnahmen nach dem Sonderprogramm der Bun- zur Deutschen Bundespost nicht interessiert. desregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplätzen nicht durch Bundesmittel Denn überwiegend handelt es sich bei „Abruf- nach den Richtlinien vom 27. Oktober 1983 abgedeckt? kräften" um Hausfrauen, die über den Ehemann Sind der Bundesregierung Koordinierungsprobleme, das Sozialversicherungsschutz genießen und die des- heißt, gegenseitige Beeinträchtigungen von Bundespro- halb an einer möglichst abzugsfreien Lohnauszah gramm und Ländersonderprogrammen bekannt? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4093*

Zu Frage 87: Zu Frage 89: Beim Sonderprogramm zur Gewinnung von über- Nach dem aktuellen Stand der Durchführung des oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungs- Einmaligen Sonderprogramms befinden sich rd. plätzen werden mit Ausnahme der Investitionsko- 3 350 Jugendliche in Maßnahmen, die nach dem sten alle Ausbildungskosten abgedeckt. Nach § 5 Sonderprogramm gefördert werden und weitere rd. der Richtlinien der Bundesminister für Bildung und 3 350 Jugendliche in Maßnahmen, deren Bewilli- Wissenschaft sowie für Arbeit und Sozialordnung gungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. vom 27. Oktober 1983 setzt sich die Zuwendung aus Mit den noch verfügbaren Restmitteln können folgenden Teilbeträgen pro Auszubildenden und jetzt auch Maßnahmen in den Arbeitsamtsbezirken Monat zusammen: gefördert werden, die bisher wegen der Bevorzu- 1. einem Betrag für die Ausbildungsvergütung bis gung ausgewählter Vorrang-Regionen nicht zum zur Höhe des Bedarfssatzes im Rahmen der Be- Zuge kommen konnten. rufsausbildungsbeihilfe nach § 40 des Arbeitsför- Zu Frage 90: derungsgesetzes für einen Auszubildenden, der das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und Der Bundesregierung sind vereinzelte Maßnah- im Haushalt der Eltern untergebracht ist, zuzüg- men bekannt geworden, bei denen die potentiellen lich 5% jährlich ab dem 2. Ausbildungsjahr. Träger Bedenken gegen die Höhe des Zuschusses Dazu kommt die Übernahme der vom Arbeitge- zur Ausbildungsvergütung geäußert haben; der Zu- ber zu tragenden Beiträge zur gesetzlichen Ren- schuß beträgt in Anlehnung an § 40 des Arbeitsför- tenversicherung, Krankenversicherung, Unfall- derungsgesetzes bis zu 395 DM zuzüglich der vom versicherung und Bundesanstalt für Arbeit; Arbeitgeber zu tragenden Sozialabgaben. Die Gesamtzahl der bereits bewilligten oder im 2. einem Betrag für sonstige ausbildungsbedingte Bewilligungsverfahren befindlichen Maßnahmen Kosten, also für Kosten für das Ausbildungsper- macht deutlich, daß die auf sparsame Mittelverwen- sonal, Kosten für die Ausbildungsstätte, sonstige laufenden Ausbildungskosten und Prüfungsge- dung ausgerichteten Förderbedingungen des Son- bühren in Höhe von derprogramms kein Hinderungsgrund für den Er- folg des Programms sind. a) 400 DM für die in der Anlage zu den Richtli- nien aufgeführten überwiegend kaufmän- nisch-verwaltenden Ausbildungsberufe, Anlage 23 b) 600 DM für die übrigen Ausbildungsberufe. Antwort Mit diesem pauschalierten Zuwendungsverfahren sind alle ausbildungsbedingten Kosten erfaßt. des Staatssekretärs Piazolo auf die Frage des Abge- ordnerten Marschewski (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Frage 91): Zu Frage 88: Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, das ITZ (Inno- Der Bundesregierung sind keine Koordinations- vationsförderungs- und Technologietransfer-Zentrum der probleme von Bundesprogramm und Länderpro- Hochschulen des Ruhrgebietes) über den 31. März 1984 hin- grammen bekannt. In dem Fall einer ähnlichen Pro- aus bestehen zu lassen, da gerade in der momentanen Struk- turkrise des Reviers die Erfahrungen dieser Modelleinrich- grammgestaltung, wie er in Niedersachsen vorliegt, tung dringend benötigt werden? sind bereits bei der Richtliniengestaltung die Inten- tionen des Landes voll berücksichtigt und bei der Das Innovationsförderungs- und Technologie- örtlichen Durchsetzung keine Schwierigkeiten be- transfer-Zentrum der Hochschulen des Ruhrgebiets kanntgeworden. ist bis zum 31. März 1984 über vier Jahre als Modell- versuch der Bund-Länder-Kommission für Bil- dungsplanung und Forschungsförderung finanziert worden. Damit ist nach Ansicht der Bundesregie- Anlage 22 rung in der Dauer der Förderung und in der Sache ein Stand erreicht, der dem Land Nordrhein-West- Antwort falen die Entscheidung darüber ermöglicht, wie es des Staatssekretärs Piazolo auf die Fragen des Ab- die gewonnenen Erfahrungen nutzen will, sowie ob geordneten Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) (Druck- bzw. in welcher Form die im Förderungszeitraum sache 10/1017 Fragen 89 und 90): geleistete Arbeit gegebenfalls im Zusammenwirken mit den beteiligten Hochschulen weitergeführt wer- In welchem Umfang wurde das Sonderprogramm der Bun- desregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich den soll. organisierten Ausbildungsplätzen am 31. Januar 1984 in An- Der Bundesregierung liegen Informationen vor, spruch genommen? daß beabsichtigt ist, an den beteiligten Hochschulen Gibt es denkbare Träger von Maßnahmen im Rahmen des auf Grund der Erfahrungen des Modellversuchs ei- Sonderprogramms der Bundesregierung zur Gewinnung von über- oder außerbetrieblich organisierten Ausbildungsplät- gene Transferstellen zu errichten. Diese Transfer- zen vom Herbst 1983, die wegen der erforderlichen Höhe der stellen sollen im Rahmen einer noch zu vereinba- finanziellen Eigenbeteiligung und eines befürchteten Versto- renden Kooperation zusammenwirken. ßes gegen tarifrechtliche Bestimmungen bei Übernahme ei- ner Trägerschaft solche Maßnahmen nicht durchführen Die Bundesregierung ist der Meinung, daß mit konnten? einer solchen dezentralen Lösung die Erfahrungen 4094* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 dieses Modellversuchs für die Lösung wichtiger volle Arbeit leistet, die weitgehend auf die Bedürf- Strukturprobleme des Ruhrgebiets genutzt werden nisse der Dritten Welt ausgerichtet ist. können.

Anlage 25 Antwort Anlage 24 des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Antwort Abgeordneten Graf Stauffenberg (CDU/CSU) (Drucksache 10/1017 Fragen 93 und 94): des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Wie beurteilt die Bundesregierung militärische Aktionen Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 10/1017 von SWAPO, angolanischen und kubanischen Militärkräften, Frage 92): die von angolanischem Boden aus auf das Gebiet von Nami- bia gerichtet sind? Hat die Bundesregierung offiziell davon Kenntnis erhal- ten, aus welchen Gründen die amerikanische Regierung aus Hält die Bundesregierung diese militärischen Aktivitäten der UNESCO ausgetreten ist, und welche Auffassung vertritt für vereinbar mit den Regeln des Völkerrechts? die Bundesregierung zu diesen Gründen? Zu Frage 93: Die Bundesregierung war sowohl vor wie nach Über militärische Aktionen angolanischer oder der Ankündigung des Austritts der USA aus der kubanischer Streitkräfte gegen namibisches Gebiet UNESCO durch Briefwechsel zwischen BM Gen- liegen der Bundesregierung keine Informationen scher und AM Shultz über die Begründung des vor. Militärische Aktionen der SWAPO, vor allem amerikanischen Schritts unterrichtet. solche, die sich auf die Zerstörung von Menschenle- In den offiziellen Erklärungen des State Depart- ben oder von Sachen in Namibia richten, werden ment wurden nachstehende Kündigungsgründe ge- von der Bundesregierung verurteilt. In ihrer Ant- nannt: wort vom 20. 12. 1983 auf die Große Anfrage der SPD hat die Bundesregierung ihre ablehnende Hal- — Politisierung jedes besonderen Gegenstandes, tung gegenüber jeder Gewaltanwendung klar dar- gelegt. — Feindseligkeit gegenüber den Einrichtungen ei- ner freiheitlichen Gesellschaftsordnung (freie Marktwirtschaft, freie Presse), Zu Frage 94: — unmäßiges Budgetwachstum. Eine von den meisten afrikanischen Staaten und darüber hinaus von der Mehrheit der VN-General- Die Bundesregierung hat hierzu am 28. Dezember versammlung vertretene Auffassung betrachtet den 1983 erklärt, daß sie die amerikanischen Besorg- Einsatz militärischer Gewalt durch Befreiungsbe- nisse zwar in einem erheblichen Maß teile, jedoch wegungen zur Durchsetzung der Unabhängigkeit gemeinsam mit ihren europäischen Partnern der kolonialer Gebiete als gerechtfertigt. Die Bundesre- Meinung sei, daß durchaus die Chance bestehe, gierung teilt diese Auffassung nicht. Konflikte kön- durch intensive Mitwirkung an der Arbeit der Orga- nen nur mit friedlichen Mitteln gelöst werden. nisation eine Änderung der Politik der UNESCO zu erreichen. — Auch wir treten für den Abbau der ideologisch motivierten Politisierung ein. UNESCO ist im Anlage 26 letzten Jahrzehnt allzu häufig als propagandisti- Antwort sches Forum mißbraucht worden. Es wird also darum gehen zu erreichen, daß weltpolitische des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des Krisen künftig wieder bei den VN selbst behan- Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) (Druck- delt werden. sache 10/1017 Fragen 97 und 98): — In den Medienfragen werden wir erreichen müs- Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Nicht-Zulas- sen, daß die ideologische Debatte endgültig ein- sung des Senders „Freies Europa", München, zu den Olympi- schen Winterspielen in Sarajewo, die auf Druck der jugosla- gestellt wird und praktische Aufgaben verstärkt wischen Regierung erfolgt ist, mit den Vereinbarungen in der wahrgenommen werden. KSZE-Schlußakte von Helsinki und in der KSZE-Schlußer- klärung von Madrid, denen auch Jugoslawien beigetreten ist, — Ferner müssen wir erreichen, daß Kürzungen in Einklang zu bringen, und was hat die Bundesregierung im Verwaltungshaushalt einschließlich des Per- unternommen, um den Prinzipien des freien Informations- sonals vorgenommen werden und solche Pro- austausches auch in Jugoslawien Geltung zu verschaffen? gramme gestrichen werden, die umstritten oder Treffen kna-Meldungen (Schwäbische Zeitung vom 8. Fe- aus unserer Sicht weniger wichtig sind. bruar 1984) zu, wonach in Jugoslawien unweit von Sarajewo in den Haftanstalten Foca und Zenica politische Häftlinge Im übrigen sind wir der Auffassung, daß die eingekerkert gehalten werden, von denen kürzlich ein Hilfe- ruf in den Westen drang, und in denen auch mehrere Fran- UNESCO in ihren Arbeitsbereichen (Erziehung, ziskanerpatres gefangen gehalten werden, von denen ein Wissenschaft, Kultur, Medien) überwiegend wert- erst 23jähriger zu sechs Jahren Haft verurteilt worden ist, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4095*

weil er in einem Gedicht die Ermordung seines Vaters und 1) weder auf der Hauptstraße von Accra nach Ku- seines Großvaters durch die jugoslawische Polizei geschil- masi noch auf einer der in Frage kommenden Ne- dert hat, und was gedenkt die Bundesregierung bejahenden- falls zugunsten dieser Inhaftierten zu unternehmen? benstrecken ein solcher oder ähnlicher Vorfall in- nerhalb der letzten drei Monate vorgekommen ist, Zu Frage 97: 2) ein unnatürlicher Sterbefall des Aboagye alias Aboegye nicht registriert ist. Die Nicht-Akkreditierung der Journalisten des Senders „Radio Free Europe/Radio Liberty" bei den In den Monaten November/Dezember 1983 sind Olympischen Winterspielen in Sarajevo war eine insgesamt drei Fälle vorgefallen, bei denen Militär- Entscheidung des dafür zuständigen Internationa- angehörige auf Zivilisten geschossen hatten. In al- len Olympischen Komitees (IOC). len Fällen gab es ein großes Presseecho. Die Täter wurden in zwei Fällen mit Todesfolge zum Tode Die Antwort ob diese Entscheidung mit den Er- verurteilt, ein Urteil ist bereits vollstreckt. Bei ei- klärungen der KSZE in Helsinki und Madrid in Ein- nem der Täter handelt es sich um Flotillen-Leut- klang zu bringen ist, lautet „Nein". nant Kojo Lee, der als Freund von JJ Rawlings gilt Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die und trotz dieser Tatsache ebenfalls zum Tode verur- Zielsetzungen der KSZE-Schlußakte, zu denen ins- teilt wurde. besondere die Erleichterung einer freieren und um- fassenderen Verbreitung von Informationen in Eu- Sämtliche Vorfälle mit Militärangehörigen sind ropa über die Grenzen hinweg gehört, auch bei Ver- stets auf Kurzschlußreaktionen der Soldaten zu- anstaltungen wie den Olympischen Winterspielen rückzuführen gewesen. Es ist undenkbar, daß ein in Sarajevo berücksichtigt werden sollte. politisches Opfer kurzerhand erschossen wird, ohne daß eine zu Propagandazwecken zu verwertende Gerichtsverhandlung erfolgen würde. Zu Frage 98: Der Bundesregierung gehen gelegentlich Infor- mationen über Fälle zu, in denen jugoslawische Staatsbürger, auch Angehörige kirchlicher Orden, zu Haftstrafen verurteilt werden. Die Möglichkei- Anlage 28 ten der Bundesregierung, zugunsten Inhaftierter, Antwort die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, zu intervenieren, sind bekanntlich begrenzt. Den- des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen des noch bemüht sich die Bundesregierung, sich in ih- Abgeordneten Dr. Hüsch (CDU/CSU) (Drucksache ren Kontakten mit der jugoslawischen Regierung 10/1017 Fragen 100 und 101): aus humanitären Gründen auch für diese Personen Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das zu verwenden, soweit dies je nach Lage des Einzel- Schicksal des ugandischen Oppositionsabgeordneten Luke falles angezeigt erscheint, um den Betroffenen zu Kazinja vor, dessen Haus durchsucht, dessen Ehefrau ver- helfen. Dies ist auch während des Staatsbesuches letzt und gefoltert und seitdem in Haft sei und dessen zwei Verwandte ebenfalls verletzt worden sein sollen durch Maß- von Bundespräsident Carstens im September 1983 nahmen des ugandischen Militärs und der selbst seit Ende geschehen. Aus naheliegenden Gründen muß dabei Januar 1984 verschwunden ist? äußerste Diskretion gewahrt werden. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das Schicksal des ugandischen Oppositionsabgeordneten Ones mos Katalikawe vor, der verhaftet und gefoltert sein und sich jetzt in Gewahrsam der ugandischen Geheimpolizei im soge- nannten „Parkhotel" in Kampala befinden soll? Anlage 27 Antwort Zu Frage 100: des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Der Parlamentsabgeordnete Kazinja, Mitglied Abgeordneten Curdt (SPD) (Drucksache 10/1017 der oppositionellen Democratic Party, ist seit dem Frage 99): Abend des 27. Januar verschwunden. Ist der Bundesregierung der Fall des ghanaesischen Wie der Oppositionsführer, der Vorsitzende der Staatsbürgers David Aboagye bekannt, der deutschen Pres- semeldungen zufolge nach Abschiebung aus der Bundesre- DP, in einer Pressekonferenz am 3. Februar1984 publik Deutschland in sein Heimatland Ghana Anfang De- mitteilte, wurde das Haus des Abgeordneten Kazin- zember 1983 in Accra auf offener Straße erschossen worden ja am 27. Januar 1984 von Angehörigen des Militärs sein soll, und hat sie Erkenntnisse über die näheren Um- durchsucht; einige im Hause des Abgeordneten be- stände seines Todes? findliche Angehörige, u. a. seine Ehefrau und sein Schwiegervater, seien mit Schlägen mißhandelt Unmittelbar nach Presseveröffentlichungen über worden, die eine anschließende Krankenhausbe-- das Schicksal des ghanaischen Staatsangehörigen handlung erforderlich machten. David Akwasi Aboagye hat das Auswärtige Amt die Die Aktion erfolgte im Zusammenhang mit der Botschaft Accra mit Nachforschungen zur Klärung des Sachverhalts beauftragt. Ermordung von vier Europäern am 22. Januar 1984, in die lt. Anschuldigung der ugandischen Regierung Von dort wurde am 8. Februar 1984 fernschriftlich der Abgeordnete Kazinja verwickelt sein soll. Über mitgeteilt, daß über einen Vertrauensanwalt durch- den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Abgeordne- geführte Ermittlungen ergeben haben, daß ten Kazinja ist nichts bekannt. 4096* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Zu Frage 101: Berücksichtigung nationaler, insbesondere auch Der Abgeordnete Katalikawe, ebenfalls Mitglied unserer Bündnisinteressen. der DP, wurde am 7. Februar 1984 durch Angehö- rige des Militärpersonals einer Kaserne nördlich von Kampala festgenommen. Ob er in ein dem Anlage 31 ugandischen Geheimdienst unterstehendes ehema- liges Hotel namens „Parkhotel" überführt wurde, ist Antwort nicht bekannt. des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Die ugandische Regierung hat zum Verbleib des Abgeordneten Hiller (Lübeck) (SPD) (Drucksache Abgeordneten Katalikawe keine Stellungnahme ab- 10/1017 Frage 104): gegeben. Hat der Bundeskanzler bei seinem Besuch in Israel mit der israelischen Regierung über die Problematik einer Rü- stungskooperation mit Ägypten gesprochen, und wenn nein, warum nicht? Anlage 29 Antwort Die Problematik einer Rüstungskooperation mit Ägypten ist bei dem Besuch des Bundeskanzlers in des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage des Israel mit der israelischen Regierung nicht ange- Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache sprochen worden. 10/1017 Frage 102): Wird die Bundesregierung in Verfolgung der von Verfas- Da mit der ägyptischen Regierung keine Verein- sungs wegen bestehenden Schutzpflicht für Deutsche und barungen dieser Art in Vorbereitung sind, bestand der gebotenen Einforderung menschenrechtlicher Verpflich- für die deutsche wie die israelische Seite keine Ver- tung des Politischen Menschenrechtspaktes die Forderung anlassung, das Thema anzusprechen. erheben, daß in der von der Volksrepublik Polen geforderten „gemischten Kommission" (Nachrichtenspiegel 14. Februar 1984, S. 2) die Fragen der Ausreisefreiheit und der Gewähr- leistung kultureller und nationaler Eigenart für Deutsche ebenfalls behandelt werden? Anlage 32 Antwort Bei der im Nachrichtenspiegel vom 14. Februar 1984 erwähnten „Gemischten Kommission" handelt des Staatsministers Dr. Mertes auf die Fragen der es sich um die auf Grund des deutsch-polnischen Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 10/ Vertrages über Wirtschaftskooperation vom 1. No- 1017 Fragen 105 und 106): vember 1974 eingesetzte Gemischte Regierungs- Wie wird die Bundesregierung auf die Stellungnahme des kommission. Der Zeitpunkt ihres Zusammentretens saudi-arabischen Regierungsvertreters vom 9. Februar 1984 ist noch offen. zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom selben Tag reagieren, daß Saudi Arabien befürchte, daß diese Erklä- Die von Ihnen angesprochenen Fragen werden rung spürbare Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwi- von der Bundesregierung selbstverständlich in ih- schen beiden Ländern auf allen Gebieten in einer Form ren Kontakten mit der polnischen Regierung in haben werde, die den gemeinsamen Interessen nicht dienen werde? dem für das Thema jeweilig adäquaten Rahmen an- gemessen behandelt werden. 'Ganz besonders die Wie beabsichtigt die Bundesregierung, zu der Stellung- nahme des saudi-arabischen Regierungsvertreters zu Waf- mit der Ausreise verbundenen Fragen werden in fenkäufen in der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Fe- den laufenden Kontakten mit der polnischen Regie- bruar 1984 zu reagieren, Saudi Arabien werde jede Bedin- rung mit Nachdruck verfolgt. Entsprechendes gilt gung zurückweisen, die ihm bei der Verfolgung seiner legiti- für die anderen von Ihnen berührten Themen. men Rechte zur Verteidigung seiner selbst und seines Gebie- tes diktiert würden?

Der saudische Außenminister, Prinz Saud al-Fai- Anlage 30 sal, hat in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Antwort dem Bundeskanzler am 11. Oktober 1983 in Djidda geäußert: „Die Politik Saudi-Arabiens ist eine Frie- des Staatsministers Dr. Mertes auf die Frage der denspolitik. Saudi-Arabien ist nicht darauf bedacht, Abgeordneten Frau Zutt (SPD) (Drucksache 10/ gegenüber anderen Staaten Aggression zu betrei- 1017 Frage 103): ben". Gibt es von bundesdeutschem Boden technische und/oder logistische Unterstützung für westliche Militäreinheiten Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklä- (UNO-Kontingent und andere) im Nahen-Osten? rung vor diesem Hohen Haus ausgeführt, daß es für uns Deutsche „... wichtig ist, eine realistische und ausgewogene Politik gegenüber allen Staaten der Die technische und/oder logistische Versorgung Region zu verfolgen". Damit ist selbstverständlich westlicher Militäreinheiten im Nahen Osten ist An- auch Saudi-Arabien gemeint. Es heißt dort weiter: gelegenheit der jeweiligen Regierung. Wenn dabei „Ich bin überzeugt, daß keines der Waffensysteme Maßnahmen vom Territorium der Bundesrepublik jemals bei einem Angriff gegen Israel zum Ein- Deutschland ausgehen oder dieses berühren, ist die ausdrückliche Zustimmung der Bundesregierung satz kommt." erforderlich. Die Bundesregierung entscheidet über Offensichtlich hat es hier Mißverständnisse gege- etwaige Anträge ausländischer Regierungen unter ben, die möglicherweise auf Fehlern bei der Über- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4097* mittlung der Rede des Bundeskanzlers beruhen. anstalt Technisches Hilfswerk Kosten in Höhe von Die Bundesregierung hat den genauen Text der über 400 000 DM. saudischen Seite in Übersetzung zugänglich ge- Da nach dem Grundgesetz allein die Länder für macht. den friedensmäßigen Katastrophenschutz zustän- dig und damit kostenpflichtig sind (Art. 104 a Grundgesetz), war die Bundesanstalt verpflichtet, ihre Aufwendungen den anfordernden Stellen der Anlage 33 Länder in Rechnung zu stellen. Aus diesem Grund auch der Bundesminister der Finanzen Antwort sah sich- nicht in der Lage, Kostenverzichtsanträgen der Ge- des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage meinden und Kreise zuzustimmen, zumal diese die der Abgeordneten Frau Weyel (SPD) (Drucksache Möglichkeit haben, finanzielle Unterstützung aus 10/1017 Frage 107): Katastrophenfonds der Länder zu erhalten. Sind der Bundesregierung Untersuchungen bekannt, nach Unbeschadet dessen hat das Bundesamt für Zivil- denen in der näheren Umgebung von Krematorien Umwelt- schutz im Rahmen seiner Zuständigkeit und unter schäden festgestellt wurden, die offenbar durch die Verbren- nung von Kunststoffauskleidung der Särge verursacht wer- Ausschöpfung der für diesen Zweck zur Verfügung den, und sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf zur stehenden planmäßigen Haushaltsmittel auf Ein- Vermeidung solcher Schäden? satzkosten in Höhe von ca. 50 000 DM verzichtet. Von den danach noch zu erstattenden 366 766 DM Der Bundesregierung sind keine Untersuchungen Einsatzkosten sind bis zum 15. Februar 1984 bekannt, die einen Hinweis auf mögliche Umwelt- 6 819,11 DM bei der Bundesanstalt Technisches schäden als Folge des Betriebs von Krematorien Hilfswerk eingegangen. geben. Ein Handlungsbedarf wird daher nicht gese- hen.

Anlage 36 Anlage 34 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hauchler (SPD) (Drucksache des Abgeordneten Curdt (SPD) (Drucksache 10/ 10/1017 Fragen 110 und 111): 1017 Frage 108): Billigt die Bundesregierung Äußerungen des Komman- deurs des Bundesgrenzschutzkommandos West, Ulrich We- Hat in dem Asylverfahren des David Aboagye die Bundes- gener, der Pressemeldungen vom 3. Februar 1984 zufolge den regierung dem Verwaltungsgericht Braunschweig gegenüber Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) als Terroristenorgani- eine Stellungnahme dahin gehend abgegeben, daß die Ableh- sation bezeichnet, ein Treffen von Mitgliedern des Rates der nung des Asylantrages und die daraus folgende Abschiebung EKD mit dem ANC als „instinktlos" qualifiziert und ein ge- für den Antragsteller mit einer Gefahr für Leib und Leben spanntes Verhältnis zwischen den Sicherheitsorganen der nicht verbunden sei? Bundesrepublik Deutschland und der Evangelischen Kirche wegen der Zusammenarbeit der EKD mit dem ANC behaup- Eine derartige Stellungnahme ist weder vom tet hat? Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Hält die Bundesregierung diese Äußerungen des Bundes- Flüchtlinge noch vom Bundesbeauftragten für Asyl- grenzschutzkommandeurs West für vereinbar mit ihrer Ant- wort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD zur „Poli- angelegenheiten abgegeben worden. tik der Bundesregierung im Südlichen Afrika", insbesondere mit dem zur Frage B. I. 8. Ausgeführten, und welche Konse- quenzen wird sie aus möglichen Unvereinbarkeiten ziehen?

Anlage 35 Zu Frage 110: Antwort Ihre Frage bezieht sich auf ein Telefoninterview, das der Kommandeur des Grenzschutzkommandos des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage West dem „Informationsdienst der evangelischen des Abgeordneten Pauli (SPD) (Drucksache 10/1017 Allianz" gegeben hat und das in der Ausgabe des Frage 109): Informationsdienstes 11/84 vom 2. Februar 1984 ab- Wie hoch sind die Einnahmen durch die Erstattung der gedruckt ist. Vereinzelt hat die Presse darüber be- Kosten für den Einsatz des Technischen Hilfswerks anläß- richtet, so auch die Tageszeitung „Die Welt" vom lich der Hochwasser im April und Mai 1983, nachdem der 3. Februar 1984. Bundesfinanzminister seine Zustimmung auf den Erstat- - tungsverzicht versagt hat? Der Kommandeur des Grenzschutzkommandos West hat in einer von mir angeforderten dienstli- Anläßlich der Hochwasser im April und Mai 1983 chen Erklärung angegeben, die Äußerungen gegen- haben hiervon betroffene Gemeinden und Kreise über dem Informationsdienst, die in der Presse zu- die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk im Wege treffend wiedergegeben sind, unabhängig von sei- der Amtshilfe zur Schadensbekämpfung angefor- ner dienstlichen Tätigkeit im BGS gemacht zu ha- dert. Durch diesen Einsatz entstanden der Bundes ben. 4098* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Es ist grundsätzlich nicht Sache der Bundesregie- Reaktor-Sicherheitskommission und der Strahlen- rung, zu privaten Äußerungen von Beamten Stel- schutzkommission durch ihre Veröffentlichung ei- lung zu nehmen. ner wissenschaftlichen Diskussion zugänglich.

Zu Frage 111:

Die Bundesregierung vertritt nach wie vor die in Anlage 38 ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur „Politik der Bundesregierung im Südlichen Afrika" — Bun- Antwort destagsdrucksache 10/833 — niedergelegte Auff as des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen sung. des Abgeordneten Krizsan (GRÜNE) (Drucksache Die Bundesregierung ist ebenso der Auffassung, 10/1017 Fragen 114 und 115): daß private Äußerungen von Beamten für die Auf- Wie begründet die Bundesregierung die Beteiligung mit fassung der Bundesregierung nicht maßgeblich 6 Millionen DM am Kauf des Evangeliars Heinrich des Lö- sind. wen, und wie beurteilt sie die Art der Durchführung des Kaufs? Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwi- schen der Aussage vom 8. Dezember 1982 (Pressemitteilung Anlage 37 Bundesminister des Innern) „Die neue TA Luft ist nicht als Instrument im Kampf gegen das Phänomen des sogenannten Antwort sauren Regens gedacht" und ihren Erklärungen, energisch gegen das Waldsterben vorgehen zu wollen? des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 10/1017 Fragen 112 und 113): Zu Frage 114: Welche Mitglieder in der Reaktorsicherheits- und Strah- Das Evangeliar Heinrichs des Löwen ist am 6. De- lenschutzkommission sind bereits länger als eine Amtsdauer zember 1983 in einer gemeinsamen Aktion der Län- in diesen Gremien, und besteht nicht durch Überschreitung der Niedersachsen und Bayern, des Bundes, der einer Amtsdauer als Regelfall die Gefahr, daß sich ein eta- Stiftung Preußischer Kulturbesitz und mit den Mit- blierter Kreis bildet, der neuen Problemen gegenüber zu we- nig aufgeschlossen ist? teln vieler privater Spender erworben worden. Die Initiative lag bei Niedersachsen; die beiden beteilig- Bleibt der Bundesminister des Innern bei seiner in einem Brief vom 30. September 1983 dargelegten Haltung, wonach ten Länder tragen die Hauptlast der Finanzierung. die Stellungnahmen und Empfehlungen der Reaktorsicher- Der Bund hat sich am Erwerb des Evangeliars mit 6 heitskommission und anderer Beratungsgremien sich aus- Millionen DM wegen dessen herausragender histo- schließlich an den Bundesminister des Innern richten und rischer und kulturhistorischer Bedeutung beteiligt. als Expertenmeinung nicht auf dem Prüfstand der politi- schen Diskussion stehen sollten? Das Evangeliar gehört nach Reichtum der Ausstat- tung und künstlerischer Qualität zu den kostbar- Zu Frage 112: sten Kunstschätzen des deutschen Mittelalters; seine Wiedergewinnung für die deutsche Öffentlich- Alle 19 Mitglieder gehören der Reaktor-Sicher- keit war eine nationale Aufgabe ersten Ranges. heitskommission länger als eine Berufungsdauer an. Zur Durchführung des Erwerbs hat die Bundesre- gierung dem Haushaltsausschuß des Deutschen Von den 16 Angehörigen der Strahlenschutzkom- Bundestages einen ausführlichen Bericht vorgelegt, mission sind 13 länger als eine Berufungsperiode den sie in der Sitzung des Ausschusses am 18. Ja- Mitglieder der Kommission. nuar 1984 mündlich ergänzt hat. Die von Ihnen skizzierte Gefahr mangelnder Auf- Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundesta- geschlossenheit für neue Probleme sehe ich nicht. ges hat auf dieser Sitzung den Bericht der Bundes- Im Gegenteil: Die fachliche Beratung für den Bun- regierung zur Kenntnis genommen und der Bun- desminister des Innern setzt profunde Kenntnisse desbeteiligung zugestimmt. und Sensibilität für die Probleme voraus. Die Mit- glieder von Reaktor-Sicherheitskommission und Strahlenschutzkommission haben in den langen Zu Frage 115: Jahren des Bestehens dieser Beratungsgremien im- Die Bundesregierung sieht zwischen den genann- mer wieder ihren Sachverstand und ihre fachliche ten Erklärungen keinen Widerspruch. Kompetenz unter Beweis gestellt. Dies gilt im be- Die am 1. Februar 1983 bereits in Kraft getretene sonderen Maße bei der Beschäftigung mit neuen Novelle zur TA Luft behandelt primär Fragen des und neuartigen Fragestellungen, zu denen Reaktor Immissionsschutzes, und zwar Fragen, die mit dem Sicherheitskommission und Strahlenschutzkom- Schutz der Nachbarschaft in der Umgebung von In- mission den Bundesminister des Innern satzungs- dustrieanlagen zusammenhängen. Der saure Regen gemäß als unabhängige Expertengremien beraten. mit den damit zusammenhängenden Baumschäden- wirkt sich aber insbesondere in industriefernen Re- Zu Frage 113: gionen aus. Ja, der Bundesminister des Innern trägt für die Maßnahmen gegen das Waldsterben müssen an Umsetzung von Beratungsergebnissen — die er der Quelle der Emissionen ansetzen. Dies erfolgt nach eigener Prüfung vornimmt — die politische durch Emissionsbeschränkungen nach dem Stand Verantwortung. Er macht alle Empfehlungen der der Technik in der Großfeuerungsanlagen-Verord- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4099* nung, die am 1. Juli 1983 in Kraft getreten ist, und Anlage 40 die derzeit in Bearbeitung befindliche Novelle zu Antwort Teil 3 der TA Luft. Die Großfeuerungsanlagen-Ver- ordnung erfüllt alle in sie gesetzten Erwartungen des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen der Bundesregierung. So wird sich nach einer Mit- des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Druck- teilung der Elektrizitätswirtschaft der Jahresaus- sache 10/1017 Fragen 118 und 119): stoß an Schwefeldioxid allein im Bereich der öffent- Ist der Bundesregierung bekannt, daß polnische Ehefrauen lichen Kraftwirtschaft schon bis 1988 um eine Mil- deutscher Aussiedler vom polnischen Generalkonsulat lion Tonnen verringern. Das Umweltbundesamt schriftlich aufgefordert worden sind, die ihnen deutscher- seits ausgehändigten Ausreisepapiere (Vertriebenenausweis, schätzt die Verminderung bis 1983 auf ca. 1,6 Millio- Bundespersonalausweis) zurückzugeben, und muß bejahen- nen Jahrestonnen. denfalls dieses Verhalten nicht als Einmischung in die inne- ren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland zu- Für die übrige Industrie, die mit der Großfeu- rückgewiesen werden? erungsanlagen-Verordnung nicht erfaßt wird, sollen Wie vielen Polen wurde nach der Berufung auf die Mit- strenge Emissionsbeschränkungen in Teil 3 der TA gliedschaft in der Gewerkschaft „Solidarität" und die politi- Luft festgelegt werden. Der Entwurf ist bereits mit sche Verfolgung infolge dieser Mitgliedschaft Asyl in der den Ländern besprochen worden. Er wird zügig Bundesrepublik Deutschland gewährt, und wie viele Mitglie- der konnten sich auf die eigene deutsche Staatsangehörig- weiter beraten. keit oder auf die eines Ehegatten berufen?

Zu Frage 118: Der Bundesregierung sind schriftliche Aufforde- Anlage 39 rungen der polnischen konsularischen Vertretung Antwort in der Bundesrepublik Deutschland an polnische Ehefrauen deutscher Aussiedler, die ihnen deut- des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen scherseits ausgehändigten Ausweispapiere wie Ver- des Abgeordneten von Schmude (CDU/CSU) triebenenausweis oder Bundespersonalausweis zu- (Drucksache 10/1017 Fragen 116 und 117): rückzugeben, nicht bekannt. Wieviel Tonnen Abfälle werden jährlich aus der Bundesre- publik Deutschland bzw. im Transit durch die Bundesrepu- Zu Frage 119: blik Deutschland an die einzelnen Deponien in die DDR geliefert, und wie hoch ist der Anteil der Sonderabfälle? Unter Berufung auf die Mitgliedschaft in der Ge- Welcher Betrag mußte im abgelaufenen Kalenderjahr von werkschaft Solidarität und politische Verfolgung der Bundesrepublik Deutschland an die DDR für die Beseiti- wegen dieser Mitgliedschaft sind seit Verhängung gung der Abfälle gezahlt werden? des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 157 polnische Staatsangehörige mit insgesamt 444 Fa- Zu Frage 116: milienangehörigen nach § 22 des Ausländergesetzes in die Bundesrepublik Deutschland übernommen Im Jahre 1983 wurden in der DDR rd. 1,4 Millio- worden. Wie viele Personen davon Asyl erhalten nen Tonnen Abfälle aus der Bundesrepublik haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Deutschland beseitigt. Davon entfallen rund 950 000 Im gleichen Zeitraum haben 8 579 polnische Tonnen auf die Entsorgung von Berliner Abfällen. Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutsch- Zur Deponie Schönberg in der Nähe von Lübeck land politisches Asyl beantragt. 1 519 Personen sind wurden 1983 rund 450 000 Tonnen Abfälle aus der als Asylberechtigte anerkannt worden. Der Bundes- Bundesrepublik Deutschland verbracht. Davon wa- regierung ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen die ren ca. 100 000 Tonnen Sonderabfälle. Für die Abfäl- Asylanerkennung auf die frühere Mitgliedschaft in le, die aus Berlin in die DDR verbracht werden, liegt der Gewerkschaft Solidarität und damit verbun- keine genaue Aufteilung nach Hausmüll und Son- dene politische Verfolgung zurückzuführen ist. derabfällen vor. Ferner sind in der gleichen Zeit 144 Personen, die Im Transit wurden 1983 rund 50 000 Tonnen Ab- selbst oder deren Ehegatten deutscher Nationalität fälle, meist Sonderabfälle, aus dem benachbarten sind und die sich auf politische Verfolgung wegen Ausland, im wesentlichen aus den Niederlanden, in Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Solidarität be- die DDR verbracht und dort beseitigt. rufen haben, mit insgesamt 489 Familienangehöri- gen in die Bundesrepublik Deutschland übernom- men worden. Zu Frage 117: Die Bundesrepublik Deutschland zahlt als Staat keine Beseitigungsgebühren an die DDR. Entspre- Anlage 41 chende Aufwendungen für die Beseitigung sind von Antwort den Abfallerzeugern oder Beseitigungspflichtigen zu tragen. des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/ Geht man von den spezifischen Beseitigungsko- 1017 Frage 120): sten für die einzelnen Abfallarten aus, so ergibt eine erste Abschätzung, daß 1983 ein Gesamtbetrag Welche organisatorischen Änderungen plant die Bundesre- gierung im Bereich des Bundesverbandes für den Selbst- von zwischen 40-43 Millionen DM an die DDR zu schutz — THW —, und welche Konsequenzen werden sich entrichten war. daraus für die Mitarbeiter beider Einrichtungen ergeben? 4100* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Im Zusammenhang mit dem neuen Zivilschutzge- — Nationale und internationale Konzeptionen und setz wird u. a. auch geprüft, ob der Bundesverband Strategien zur Luftreinhaltung für den Selbstschutz als Körperschaft des öffentli- ist zwischenzeitlich ein nationaler Bericht (Stand: chen Rechts in eine unselbständige Bundesanstalt 20. Februar 1984) erarbeitet worden, der bis zu Kon- umgewandelt werden soll. Bei einer solchen Ände- ferenzbeginn fortgeschrieben und um Anschau- rung der Rechtsform bestünde die Auswirkung auf ungsmaterial angereichert wird. Darüber hinaus er- die Bediensteten lediglich in einer Überführung aus arbeitet die Bundesregierung zu den genannten dem mittelbaren in den unmittelbaren Bundes- Sachkomplexen Resolutionsvorschläge, die den dienst. Ob über eine Änderung der Rechtsform hin- Teilnehmerstaaten — zusammen mit dem nationa- aus auch organisatorische Konsequenzen zu ziehen len Bericht — in der ersten Märzhälfte des Jahres sein werden, ist zu gegebener Zeit zu prüfen. zugeleitet werden. Die Leitung der unselbständigen Bundesanstalt Der Bericht der Bundesregierung ist als Hinter- Technisches Hilfswerk ist im Jahre 1960 als Abtei- grund- und Informationsmaterial gedacht. Zentrale lung in das Bundesamt für Zivilschutz mit dem Ziel Konferenzdokumente werden die Resolutionsvor- eingegliedert worden, die Hilfsorganisationen mit schläge sein. Sie bedürfen sorgfältiger bilateraler ihren zahlreichen freiwilligen und ehrenamtlichen und multilateraler Abstimmungen. Helfern (z. Zt. ca. 55 000) verwaltungsmäßig zu un- terstützen. Das Technische Hilfswerk hat sich ins- Der Vorbereitung der Konferenz dient eine Vor- besondere nach Erlaß des Gesetzes über die Erwei- konferenz auf Abteilungsleiterebene, die vom 2. bis terung des Katastrophenschutzes vom 7. Juli 1968 4. Mai 1984 in München stattfinden wird. zu einem gleichwertigen Partner der anderen gro- Das Echo auf die von der Bundesregierung initi- ßen Katastrophenschutzorganisation entwickelt. ierte Konferenz gestaltet sich positiv. Eine Reihe Die Erfahrungen zeigen, daß eine so große Organi- von Staaten hat die Initiative der Bundesregierung sation eine Führungsspitze erfordert, die die volle ausdrücklich begrüßt und schon jetzt ihre Teil- Verantwortung sowohl gegenüber der Helferschaft nahme in Aussicht gestellt. Nach den im diplomati- als auch nach außen hin trägt. schen Verkehr üblichen Gepflogenheiten und zeitli- chen Erfordernissen kann im übrigen nicht erwar- Eine Klärung der insgesamt noch offenen Fragen tet werden, daß definitive Teilnahmezusagen nur wid im Zusammenhang mit der Erstellung eines Referentenentwurfes zum Zivilschutzgesetz im wenige Wochen nach Übermittlung der förmlichen Einladung bereits vorliegen. Laufe dieses Jahres erfolgen.

Anlage 43 Anlage 42 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Stockleben (SPD) (Drucksache des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage 10/1017 Fragen 122 und 123): des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sparkassen 10/1017 Frage 121): durch steuerliche (Körperschaftsteuerreform) und vermö- Wie ist der Stand der organisatorischen und thematischen genspolitische Maßnahmen (4. Vermögensbeteiligungsge- Vorbereitung zu der internationalen Umweltkonferenz im setz) und durch die Ablehnung der Einführung eines Haf- Sommer 1984 in München, die von der Bundesregierung tungszuschlags in ihrer betriebswirtschaftlichen Leistungs- mehrfach angekündigt wurde, und welche Länder haben bis- fähigkeit gegenüber anderen Mitbewerbern benachteiligt lang definitiv ihre Teilnahme zugesagt? sind und dadurch letztendlich mittel- und langfristig die kre- ditwirtschaftliche Versorgung der mittelständischen Unter- nehmen und Arbeitnehmer zu optimalen Marktbedingungen gefährdet wird? Die organisatorische und inhaltlich-thematische Vorbereitung der Multilateralen Umweltkonferenz Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, in der nun vorgelegten Novelle zum Kreditwesengesetz von der Einfüh- München 1984 verläuft planmäßig. rung eines Haftungszuschlags auf das Eigenkapital abzuse- hen, wie es noch im Referentenentwurf des sozialdemokrati- Die förmliche Einladung des Bundesministers schen Bundesfinanzministers vorgesehen war? des Innern ist den Teilnehmerstaaten einschließ- lich Konferenzprogramm und Entwurf einer Tages- ordnung Ende Januar dieses Jahrs auf diplomati- Durch die Körperschaftsteuerreform 1977 wurde schem Wege übergeben worden. Bereits am 17. No- der Körperschaftsteuersatz für die Sparkassen auf vember 1983 hat die Bundesregierung den Teilneh- 44 Prozent und für die Kreditgenossenschaften auf merstaaten ein Memorandum übermittelt, das über 46 Prozent festgesetzt. Dadurch ist für die Sparkas- Inhalt und Zielsetzung der Konferenz Auskunft sen keine wettbewerbsmäßige Benachteiligung ein- gibt. getreten. Vielmehr wurden Sonderregelungen zu- gunsten der Sparkassen — wie auch der Kreditge- Zu den Themenschwerpunkten nossenschaften — beibehalten. — Wald-, Gewässer- und Bautenschäden durch Durch das Subventionsabbaugesetz vom 26. Juni Luftverunreinigungen und andere Faktoren 1981 wurden diese Sonderregelungen aufgehoben. — Verfahren, Technologien, Maßnahmen und Ko- Der Körperschaftsteuersatz der Sparkassen wurde sten der Schadensbekämpfung von 44 Prozent auf 50 Prozent angehoben, der der Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4101*

Kreditgenossenschaften von 46 Prozent auf 56 Pro- Entspricht es den erklärten gesellschafts-, verteilungs-, zent. Beide Institutsgruppen unterliegen seither steuer- und sozialpolitischen Grundsätzen der Bundesregie- rung, wenn die Bezieher von Jahreseinkommen über einer den für vergleichbare Körperschaften geltenden all- halben Million DM infolge multipler Inanspruchnahme von gemeinen steuerlichen Regelungen. Durch den er- Bauherrenmodellen und Verlustzuweisungen keinen Pfennig mäßigten Satz von 50 Prozent erhalten die Sparkas- Einkommensteuer zu zahlen brauchen, während einkom- sen einen Ausgleich dafür, daß sie am körperschaft- mensschwache Bürger (Arbeitslose, Rentner, Behinderte und Wohngeld- sowie Sozialhilfeempfänger) infolge der Sparmaß- steuerlichen Anrechnungsverfahren nicht teilneh- nahmen erhebliche finanzielle Einbußen erleiden müssen? men können. Sie werden daher nicht benachteiligt. Durch das Vermögensbeteiligungsgesetz vom Sowohl aus der Regierungserklärung des Bun- 22. Dezember 1983 wurden u. a. Aufwendungen des deskanzlers vom 4. Mai 1983 als auch aus den Arbeitgebers zur Begründung eines Geschäftsgut- Grundsatzbeschlüssen der Bundesregierung zum habens bei Genossenschaften und einer Beteiligung Bundeshaushalt 1984 und zu den Begleitgesetzen als stiller Gesellschafter im Sinne des § 335 des vom 18. Mai 1983 ergibt sich, daß es das Ziel der Handelsgesetzbuches in den Katalog der nach dem Bundesregierung ist, zu einer gerechteren Besteue- Vierten Vermögensbildungsgesetz geförderten An- rung zu kommen. lagen aufgenommen. Die Begründung eines Ge- Ein anderes Ziel ist die Festigung der finanziellen schäftsguthabens bei Kreditgenossenschaften führt Fundamente unseres sozialen Netzes, hierzu müs- gleichzeitig zu einer entsprechenden Verstärkung sen wir unseren Mitbürgern Opfer zumuten. des haftenden Eigenkapitals. Die Sparkassen kön- nen dasselbe Ergebnis erzielen, indem sie unmittel- Daß die Bundesregierung die Verfolgung insbe- bar oder mittelbar Einlagen stiller Gesellschafter sondere auch des erstgenannten Zieles ernst entgegennehmen. Es mag sein, daß dieser Weg zur nimmt, ist durch die im Steuerentlastungsgesetz Stärkung des haftenden Eigenkapitals weniger 1984 getroffenen Maßnahmen belegt, die auf Initia- praktikabel ist als die Werbung um neue Genossen tiven der Bundesregierung zurückgehen. oder um die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile. Generell ist zu Verlustzuweisungsgesellschaften Dieser mögliche Nachteil der Sparkassen beruht und Bauherrengemeinschaften zu sagen, daß beide aber auf ihrer Rechtsform, die den Sparkassen Steuersparmodelle grundsätzlich nicht zu einer auch Vorteile bringt. endgültigen Ersparnis der Einkommensteuer füh- ren, sondern lediglich einen Stundungseffekt bewir- Die Bundesregierung sieht im Verzicht auf die ken. Die hohen Anfangsverluste führen nämlich zu Einführung eines Haftungszuschlags für die Spar- einer Verringerung der späteren Kosten. kassen auch keine Benachteiligung dieser Institute. Die Sparkassen haben sich in den letzten Jahren im Die negativen Einkünfte bei diesen Modellen Wettbewerb gut behauptet und ihre Ertragskraft werden zu einem großen Teil über die durch die trotz erhöhter Steuerbelastung gesteigert. Die be- hohe Fremdfinanzierung bedingte Zinsbelastung triebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Spar- erreicht. Die Tilgung der Verbindlichkeiten erfolgt kassen ist nicht beeinträchtigt und daher die kredit- aus versteuertem Einkommen. Dies setzt der mögli- wirtschaftliche Versorgung der mittelständischen chen Verschuldung eine natürliche Grenze. Unternehmen und Arbeitnehmer nicht gefährdet. Die Presse hat bereits mehrfach über Fälle be- Durch die Novellierung des Kreditwesengesetzes richtet, in denen Zeichner von „Steuersparmodel- soll in erster Linie die Bedeutung des haftenden len" wegen der Nichtberücksichtigung dieses Eigenkapitals als Träger des unternehmerischen Grundsatzes in erhebliche Liquditätsschwierigkei- Risikos gestärkt werden. Aus diesem Grund soll die ten geraten sind. Versuche, die Liquidität durch nach geltendem Recht mögliche Mehrfachbelegung eine Veräußerung der Objekte zu verbessern, schei- des haftenden Eigenkapitals im Konzern durch die terten daran, daß sich die oft überteuert erworbe- Einführung des bankaufsichtlichen Konsolidie- nen Objekte nicht oder nur unter Hinnahme erheb- rungsverfahrens in Zukunft ausgeschlossen wer- licher Verluste veräußern ließen. den. Aus demselben Grund werden die Anforderun- Fallgestaltungen, wie Sie sie ansprechen, sind gen an die Anerkennung von Einlagen stiller Ge- deshalb zwar denkbar, dürften jedoch eine Aus- sellschafter als haftendes Eigenkapital verschärft. nahme bleiben. Im übrigen ist noch auf die Ein- Mit diesem Ziel wäre die Einführung eines Haf- schränkung der Berücksichtigung negativer Ein- tungszuschlags bei den Sparkassen nicht zu verein- künfte aus Vermietung und Verpachtung im Vor- baren. Dies ist auch die mehrfach geäußerte Auffas- auszahlungsverfahren durch das Steuerentla- sung der Deutschen Bundesbank. Die Sparkassen stungsgesetz 1984 sowie auf das Auslaufen der Mög- sind von der bankaufsichtlichen Konsolidierung, lichkeit zur Umsatzsteueroption zum 31. Dezember welche die betroffenen Institute vor erhebliche An- 1984 hinzuweisen. Die Auswirkungen lassen sich passungsprobleme stellt, nicht berührt. noch nicht übersehen. Anbieterinformationen zu- folge ist der Markt rückläufig.

Anlage 44 Anlage 45 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) 10/1017 Frage 124): (Drucksache 10/1017 Fragen 125 und 126): 4102* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Trifft es zu, daß beim Sonderverkauf von bundeseigenen Das geltende Recht sieht für die Kreditgenossen- VEBA-Aktien nur ein geringer Teil der angebotenen Aktien schaften die Anerkennung eines Zuschlags zum verkauft wurden, und wenn ja, wie viele? haftenden Eigenkapital wegen der Haftsummen- Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus die verpflichtungen der Genossen vor; es erkennt für sem Ergebnis, und plant sie weitere derartige Aktionen? die Sparkassen einen Haftungszuschlag wegen der Gewährträgerhaftung nicht an. Diese Entscheidung Die Bundesregierung hat ihre Beteiligung an der des Gesetzgebers verstößt nicht gegen den Gleich- VEBA von 43,75 Prozent auf 30 Prozent verringert. heitsgundsatz des Artikels 3 Grundgesetz. Der Haft- Veräußert wurden Aktien im Nennwert von 232 Mil- summenzuschlag beruht auf dem von den Mitglie- lionen DM. Davon hat die VEBA für Belegschafts- dern mit ihrem Eintritt in eine Genossenschaft frei- aktien 200 000 Stück im Nennwert von 10 Millionen willig anerkannten genossenschaftlichen Solidari- DM übernommen. tätsgrundsatz, während sich ein Haftungszuschlag auf die gesetzlich angeordnete Haftung des Ge- Die restlichen Aktien im Nennwert von 222 Mil- währträgers einer Sparkasse stützen würde. Aus lionen DM sind zu einem festen Übernahmepreis Gründen der Gleichbehandlung ist daher eine Än- an ein Bankenkonsortium verkauft worden. Da- derung der geltenden Eigenkapitalvorschriften durch konnte die Transaktion mit Rücksicht auf nicht geboten. den Kapitalmarkt, das Unternehmen VEBA und seine 650 000 Aktionäre kapitalmarkt- und kurs- Die Frage der weiteren Anerkennung des Haft- schonend abgewickelt werden. summenzuschlags als Eigenkapital muß vor allem unter wettbewerbs- und ordnungspolitischen Ge- Es sind somit — wie geplant — alle Aktien veräu- sichtspunkten beurteilt werden. Falls in dieser ßert worden. Die Plazierung der vom Bankenkon- Frage politischer Handlungsbedarf gesehen wird, sortium übernommenen Aktien war nach zwei Ta- ist eher ein langfristig angelegter Abbau — teil- gen weitgehend abgeschlossen. weise oder ganz — des Haftsummenzuschlags zu Das Vermögensbeteiligungsgesetz ist am 1. Ja- erwägen als die Einführung eines Haftungszu- nuar 1984 in Kraft getreten. Dem Bankenkonsor- schlags für die Sparkassen zu befürworten. tium wurde deshalb aufgegeben, Interessenten im Für die Entwicklung der Marktanteile der einzel- Rahmen dieses Gesetzes vorrangig zu bedienen. nen Kreditinstitute ist in erster Linie ihre Leistung Unmittelbar haben 20 000 Anleger Aktien gezeich- im Wettbewerb maßgebend. Die Bestimmung des net. Die von der VEBA übernommenen Aktien rei- haftenden Eigenkapitals hat nur dann eine Bedeu- chen für mindestens 33 000 Belegschaftsangehörige tung im Wettbewerb, wenn ein Kreditinstitut an die aus. Darüber hinaus haben Investmentfonds, deren bankaufsichtlich vorgeschriebenen Grenzen für Zertifikate bei Kleinanlegern breit gestreut sind, sein Kreditgeschäft stößt. Die Sparkassen haben je- VEBA-Aktien erworben. doch noch erhebliche Spielräume zur Kreditgewäh- Die Auswertung der bei der Veräußerung der rung, so daß auch aus diesem Grund die Einführung VEBA-Aktien gemachten Erfahrungen ist noch eines Haftungszuschlags nicht notwendig ist. Die nicht abgeschlossen. maßgebliche Kennzahl für das zulässige Gesamt- kreditvolumen der Sparkassen nach Grundsatz I Die Bundesregierung hält an dem Ziel fest, Bun- hat sich vom 13,9fachen in 1981 auf das 13,0fache in desbeteiligungen in solchen Fällen zu verringern, 1983 verbessert. Zulässig sind Kredite bis zum wo dies ohne Beeinträchtigung staatlicher Belange 18fachen des haftenden Eigenkapitals, wobei Kre- möglich ist. Die Durchführung einer solchen Trans- dite an die öffentliche Hand nicht mitgerechnet aktion wird sich nach den Besonderheiten des je- werden. Die Sparkassen stehen in der Auslastung weiligen Einzelfalles richten. des Grundsatzes I ähnlich da wie die Kreditgenos- senschaften (1981: 13,2fach; 1983: 12,9fach), aber er- heblich besser als die Kreditbanken (1981: 15,1fach; 1983: 14,7fach). Anlage 46 Antwort Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Eylmann (CDU/CSU) (Druck- des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Frage des sache 10/1017 Fragen 127 und 128): Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/1017 Frage 129): Wie beurteilt die Bundesregierung die unterschiedliche Be- stimmung des haftenden Eigenkapitals bei Sparkassen Wann und inwieweit wurde der Aufsichtsrat der VEBA- (ohne Haftungszuschlag für die Gewährträgerhaftung) und Glas über die Produktions- und Preisabsprachen der VEBA- Genossenschaftsbanken (50prozentiger Haftsummenzu- Unternehmensleitung mit den vier anderen Hohlglasherstel-- schlag) unter dem Gesichtspunkt des in Artikel 3 Grundge- lern informiert? setz statuierten Gleichheitsgrundsatzes? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß sich die Der Bund ist im Aufsichtsrat der VEBA-Glas AG unterschiedliche Definition des haftenden Eigenkapitals in nicht vertreten. Nach Auskunft der VEBA AG der Praxis in steigendem Maße als ein reines Marktvertei- wurde der Aufsichtsrat der VEBA-Glas im Novem- lungsinstrument auswirkt, und hält sie es deshalb nicht für geboten, endlich Sparkassen und Genossenschaftsbanken ber 1980 über die Untersuchungen des Kartellamtes gleiche Wettbewerbschancen zu eröffnen? und die gegen eine Reihe von Hohlglasherstellern, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4103* darunter VEBA-Glas, erhobenen Vorwürfe unter- meinsam mit dem DEHOGA geprüft, ob die von den richtet. Im Zusammenhang mit dem im Februar Gastwirten vielfach kritisierte Regelung der vor- 1982 ergangenen Bußgeldbescheid wurde der Auf- übergehenden Gestattung aus besonderem Anlaß in sichtsrat abermals, und zwar umgehend schriftlich § 12 Gaststättengesetz präziser formuliert werden sowie in seiner folgenden Sitzung mündlich infor- kann, um die Durchsetzung dieser Vorschrift zu miert. verbessern. In diesem Zusammenhang wird eben- falls überlegt, ob auf § 23 Abs. 2 Gaststättengesetz, der die nichtgewerbsmäßige Gastronomie in Ver- einsräumen betrifft, verzichtet werden soll. Wegen Anlage 48 des beschränkten Anwendungsbereiches dieser Vorschrift würde aber auch eine Streichung keine Antwort größeren Auswirkungen zugunsten der Gastwirte des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen haben. des Abgeordneten Rapp (Göppingen) (SPD) (Druck- sache 10/1017 Fragen 130 und 131): Hält die Bundesregierung Klagen aus dem Gaststättenge- werbe und seinen Verbänden für berechtigt, daß als „Schwarzgastronomie" bezeichnete Tatbestände und Veran- Anlage 49 staltungen in einem die Existenz vieler gewerbsmäßig ge- Antwort führten Betriebe gefährdenden Ausmaß zunehmen? Hält die Bundesregierung insoweit das Gaststättengesetz des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen und die einschlägigen Rechtsverordnungen für ausreichend, des Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 10/ oder plant sie Änderungen? 1017 Fragen 132 und 133): Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß in Zu Frage 130: einer Region mit über 15 Prozent Arbeitslosigkeit mehrere hundert Arbeitsplätze bei der auch im Hochofenbau erfahre- Das Problem der sogenannten „Schwarzgastrono- nen „DSD Dillinger Stahlbau GmbH" auf Grund mangelhaf- mie" war in der Vergangenheit wiederholt Gegen- ter Auftragsauflage deshalb akut gefährdet sind, weil ange- stand parlamentarischer Anfragen. Insbesondere in sichts des stockenden Restrukturierungsprogrammes der saarländischen Stahlindustrie der in diesem Programm u. a. Ihrer Antwort auf die Große Anfrage zum Fremden- vorgesehene neue Hochofen mit einem Auftragsvolumen von verkehr vom 5. November 1982 (BT-Drucksache ca. 500 Millionen DM bislang nicht in Auftrag gegeben wer- 9/2082 Nr. 5.4) und in Beantwortung einer mündli- den konnte? chen Anfrage des Abgeordneten Würtz vom 24. Ja- Gedenkt die Bundesregierung, auch angesichts der äußerst nuar 1984 hat die Bundesregierung hierzu Stellung prekären regionalen Arbeitsmarktsituation unverzüglich die genommen. Als „Schwarzgastronomie" im eigentli- politischen Voraussetzungen für eine zügige Abwicklung des chen Sinn sind nur gastgewerbliche Tätigkeiten an- Restrukturierungsprogrammes dahin gehend zu schaffen, daß die an der Restrukturierung maßgeblich beteiligte „Dil- zusehen, die ohne die erforderliche Erlaubnis nach linger Hütte" endlich politische Garantien dafür erhält, daß § 2 Gaststättengesetz oder ohne die Gestattung der Restrukturierungs-Partner Arbed Saarstahl seinen fi- nach § 12 Gaststättengesetz erfolgen. Zwischen dem nanziellen Programmanteil auch zuverlässig tragen und da- Bundesministerium für Wirtschaft und Wirtschafts- mit die entscheidende Investitionsbremse auch für den Bau eines neuen Hochofens beseitigt wird? ressorts der Länder ist dieses Problem mehrfach erörtert worden mit dem Ziel, durch intensivere Kontrollen der örtlichen Behörden die „Schwarz- Zu Frage 132: gastronomie" einzudämmen und die vorübergehen- Angesichts der in der Region herrschenden ho- den Gestattungen aus besonderem Anlaß einzu- hen Arbeitslosigkeit und möglicher Gefährdung schränken. Dies hat in der Praxis auch schon Wir- weiterer Arbeitsplätze ist die Bundesregierung an kungen gezeigt. Die vom Gastgewerbe und seinen einer planmäßigen Realisierung des von Ihnen an- Verbänden beklagte unerlaubte Vereins- und Ver- gesprochenen Hochofenprojekts interessiert. Nach anstaltungsgastronomie dürfte deshalb künftig Kenntnis der Bundesregierung halten die beiden eher zurückgehen, als in existenzgefährdendem Unternehmen unverändert an dem Gemeinschafts- Maße zunehmen. Die Bundesregierung vermag vorhaben fest. diese Befürchtungen aus dem Gaststättenbereich insoweit nicht zu teilen. Ihre Auffassung wird durch die Umsatz- und Beschäftigungsstatistik bestätigt. Zu Frage 133: Danach stieg im Zeitraum Januar-November 1983 Die Bundesregierung und die saarländische Re- der Umsatz im Gastgewerbe nominal um 1,7 %, die gierung haben es unter Einsatz erheblicher öffentli- Zahl der Beschäftigten erhöhte sich im gleichen cher Mittel Arbed Saarstahl ermöglicht, sich als Zeitraum um 1,2 %. gleichberechtigter Partner am ROGESA-Projekt zu beteiligen. Zwei Drittel der zugesagten Hilfen sind - Zu Frage 131: bereits ausgezahlt worden. Das restliche Drittel ist verbindlich zugesagt. Die Bundesregierung hält die bestehenden Ein- griffsmöglichkeiten nach dem Gaststättengesetz für Über die Möglichkeit einer Vorsorge für den eine Verhinderung der sogenannten „Schwarzga- Eventualfall, daß Saarstahl an dem ROGESA-Kon- stronomie" grundsätzlich für ausreichend. Wie ich zept nicht mehr mitwirken kann, finden zur Zeit bereits ausgeführt habe, ist hier entscheidend ein Gespräche zwischen Bundes- und Landesregierung wirksamer Vollzug. Darüber hinaus wird z. Zt. ge sowie den beteiligten Unternehmen statt. 4104* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Anlage 50 1. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat Antwort Mitte Januar auf Vorschlag der EG-Kommission ne- ben anderern Fördermaßnahmen aus der quoten- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen freien Abteilung des Europäischen Regionalfonds des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache auch die von Ihnen angesprochene Verordnung für 10/1017 Fragen 134 und 135): Stahlregionen verabschiedet. Gegen den Wider- Welche in- oder ausländischen Stellen haben sich um die stand der Bundesregierung hat die EG-Kommission Erteilung der Exporterlaubnis für kugelsichere Schutzwe- hierbei ihren Vorschlag aufrechterhalten, die Auf- sten nach Syrien (Plenarprotokoll 10/49) bemüht, und welche nahme der verschiedenen Stahlregionen in zwei in- oder ausländischen Stellen haben nach Erteilung der Er- laubnis den Export zu verhindern versucht? zeitlich getrennte Phasen aufzuspalten. Für die Wird die Bundesregierung dem Druck der Vereinigten 1. Phase hatte die Kommission zunächst keine deut- Staaten von Amerika nachgeben oder ihn zurückweisen, der sche Stahlregion mit der Begründung vorgesehen, sich gegen den Export von Dieselmotoren nach Rumänien daß die Umstrukturierungskonzepte der deutschen (Plenarprotokoll 10/49) richtet? Stahlindustrie noch nicht vorlägen. In der letzten Ratssitzung Ende Dezember 1983 hat die Kommis- Zu Frage 134: sion dann jedoch diese Bedingung für das Gebiet Um die Erteilung einer Exportgenehmigung für Saarland-Westpfalz als erfüllt angesehen und die die Lieferung von Schutzwesten nach Syrien hat sofortige Einbeziehung dieser Region in die Verord- sich eine deutsche Herstellerfirma bemüht. Die ent- nung vorgeschlagen. sprechende Ausfuhrgenehmigung wurde dem Un- Die Bundesregierung hat ihrerseits ihre Forde- ternehmen durch das Bundesamt für gewerbliche rung nach möglichst gleichzeitiger Berücksichti- Wirtschaft erteilt. gung aller in Betracht kommender deutscher Stahl- In der Fragestunde des Deutschen Bundestages regionen aufrechterhalten; sie hat dem Vorschlag am 25. Januar 1984 hatte ich bereits ausgeführt, daß der EG-Kommission erst zugestimmt, nachdem die amerikanischen Behörden die Re-Exportlizenz durch die Verordnung selbst die kurzfristige Einbe- für das aus den USA bezogene Vormaterial suspen- ziehung weiterer deutscher Stahlregionen noch im diert haben und die Bundesregierung gebeten wur- Frühjahr 1984 bei Erfüllung bestimmter konkreter de, die Frage der Ausfuhr der Schutzwesten zu Kriterien sichergestellt war. Nur durch diesen überprüfen. Die Bundesregierung überprüft diese Kompromiß war die Verabschiedung der Verord- Angelegenheit. Die Überprüfung ist noch nicht ab- nungen überhaupt möglich. geschlossen. 2. Wie bereits ausgeführt, hat sich die Bundesre- gierung in Übereinstimmung mit den betreffenden Zu Frage 135: Bundesländern für die gleichzeitige Aufnahme der deutschen Stahlregionen auf der Basis diskriminie- Wie ich bereits in der Fragestunde am 25. Januar rungsfreier Kriterien eingesetzt. Nach der Ende Ja- 1984 ausgeführt habe, werden zivile Motoren, die nuar 1984 erfolgten Vorlage sämtlicher Umstruktu- nicht für den Antrieb von Panzern und anderen rierungskonzepte der deutschen Stahlindustrie sind militärischen Fahrzeugen besonders konstruiert nunmehr die sachlichen Voraussetzungen für die oder in wesentlichen Merkmalen für militärische Entscheidung der EG-Kommission über die Einbe- Anwendung abgeändert sind, nicht von Position ziehung weiterer deutscher Stahlregionen aufgrund 0006 (1) der Ausfuhrliste erfaßt. Auch an anderer der vorgesehenen Kriterien der 2. Phase gegeben. Stelle der Ausfuhrliste ist eine Erfassung ziviler Nach Abstimmung mit den Bundesländern wird die Motoren nicht vorgesehen. Der Export ziviler Die- Bundesregierung in diesen Tagen die EG-Kommis- selmotoren nach Rumänien unterliegt daher kei- sion um eine kurzfristige Prüfung und Entschei- nerlei Beschränkungen. dung bitten und hierbei auch entsprechend der Bitte der bayerischen Landesregierung die „Mitt- lere Oberpfalz" berücksichtigen. Anlage 51 Antwort Anlage 52 des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Sieler (SPD) (Drucksache 10/ Antwort 1017 Fragen 136 und 137): des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen Welche Gebiete der Bundesrepublik Deutschland hat die des Abgeordneten Dr. Ehmke (Ettlingen) (DIE Bundesregierung „zur Veränderung der Verordnung (EWG) GRÜNEN) (Drucksache 10/1017 Fragen 138 und Nr. 2616/80 zur Einführung einer spezifischen Gemein- schaftsmaßnahme zur regionalen Entwicklung im Hinblick 139): auf die Beseitigung von Entwicklungshemmnissen für neue Wie beurteilt die Bundesregierung den Vertragsabschluß Wirtschaftszweige in bestimmten von Umstrukturierung der vom 1. September 1983 zwischen der Atomic Energy Organi- Eisen- und Stahlindustrie betroffenen Gebieten" dem Rat der zation of Iran (AEOI) und der Kraftwerk Union AG (KWU), Europäischen Gemeinschaft vorgeschlagen, und welche Be- wonach die im Jahre 1979 unterbrochenen Bauarbeiten am gründung lag dem Vorschlag zugrunde? Atomkraftwerk Bushir (2 x 1 300 Megawatt) fortgesetzt wer- Warum wurde das Gebiet der bayerischen Stahlindustrie den sollen? (Standorte Maxhütte Sulzbach-Rosenberg und Haidhof) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angesichts nicht in die Verordnung (EWG) Nr. 216/84 des Rates vom des Energiereichtums des Iran (Erdöl, Sonnenenergie) die 18. Januar 1984 aufgenommen, und hat die bayerische Staats- geplanten Atomkraftwerke neben der Stromerzeugung wohl regierung einen entsprechenden Antrag an die Bundesregie- in erster Linie der Plutoniumerzeugung zur Herstellung von rung gestellt? Atomwaffen dienen sollen? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4105*

Zu Frage 138: Folgen eines rückwirkenden Eingriffs in einen be- Die Bundesregierung ist von KWU dahingehend stehenden Vertrag deutlich gemacht worden. Eine unterrichtet worden, daß die Fortsetzung der Bau- abschließende Beurteilung durch die amerikani- arbeiten nicht Inhalt des Vertrages ist. Vereinbart sche Seite liegt noch nicht vor. ist vielmehr eine ingenieurtechnische Bestands- aufnahme zur Klärung der technischen Machbar- keit, der Kosten und des Zeitrahmens einer Fertig- stellung. Anlage 55 Durch diese Untersuchung wird nach Mitteilung Antwort der KWU die Frage einer eventuellen Wiederauf- nahme der Bauarbeiten nicht präjudiziert. des Parl. Staatsserkretär Dr. Sprung auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Druck- sache 10/1017 Frage 142): Zu Frage 139: Entspricht es den erklärten verteilungspolitischen und Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. sonstigen Zielen der Bundesregierung, daß im Jahr 1983 ent- Iran ist Partei des Vertrages über die Nichtverbrei- gegen der Jahresprojektion 1983 die Bruttoeinkommen aus tung von Kernwaffen und hat damit in völkerrecht- Unternehmertätigkeit und Vermögen um 11,9 v. H. und die Bruttoeinkommen aus Arbeitnehmertätigkeit bei einem licher Form auf die Herstellung von Kernsprengsät- gleichzeitigen Preisanstieg von 3 v. H. nur um 1,5 v. H. gestie- zen verzichtet. Darüber hinaus hat Iran mit der gen sind (vergleiche Jahreswirtschaftsbericht, Drucksache Internationalen Atomenergie Organisation ein um- 10/952, S. 34)? fassendes Kontrollabkommen abgeschlossen. Hinter der Größe „Bruttoeinkommen aus Unter- nehmertätigkeit und Vermögen", die in der Volks- Anlage 53 einkommensberechnung als Recht ermittelt wird, verbirgt sich eine Fülle recht heterogener Ein- Antwort kunftsarten. Sie umfaßt nicht nur die Einkommen des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage der Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/ — dazu gehört z. B. auch die Deutsche Bundesbank 1017 Frage 140): — sowie Einkünfte aus selbständiger und freiberuf- licher Tätigkeit, sondern z. B. auch die Arbeitneh- Wie beurteilt die Bundesregierung das Kartell der Hohl- glashersteller aus dem Jahre 1979 unter wettbewerbsrechtli- mer- und Rentnerhaushalten zufließenden Vermö- chen und -politischen Gesichtspunkten, nachdem die Buß- genseinkommen. Die Entwicklung der unterschied- geldbescheide jetzt rechtskräftig geworden sind? lichen Bestandteile, aber auch innerhalb der einzel- nen Einkunftsarten, weist i. d. R. eine große Streu- Die Bundesregierung sieht in dem mittlerweile ung auf. Statistische Ergebnisse über die Entwick- bestandskräftig gewordenen Bußgeldbescheid des lung dieser einzelnen Einkunftsarten liegen zum Bundeskartellamtes gegen Vertreter der am Kartell jetzigen Zeitpunkt für 1983 noch nicht vor. beteiligten Hohlglashersteller sowie gegen diese Wie in der Anlage des Jahreswirtschaftsberichts Unternehmen selbst eine konsequente Anwendung 1984 dargelegt, blieb 1983 nach den ersten vorläufi- des geltenden Kartellrechts. gen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes der Anstieg der Bruttoeinkommen aus unselbstän- diger Arbeit mit 1,5 % an der Untergrenze der im Jahreswirtschaftsbericht 1983 genannten Spanne Anlage 54 von 1 1 / 2 bis 2 1 / 2 % das gesamte Bruttoeinkommen Antwort aus Unternehmertätigkeit ging mit einer Zunahme von 11,9 % deutlich über die vor Jahresfrist er- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage wartete Marge von 5 bis 6 % hinaus. Der im Ver- des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache 10/ gleich zur Vorausschätzung eingetretene höhere 1017 Frage 141): nominale Sozialproduktsanstieg ( + 4 1 / 2 % statt Wie beurteilt die Bundesregierung in politischer und recht- + 3 1 /2 %) schlug sich damit ausschließlich bei dieser licher Hinsicht die Suspendierung der Re-Exportlizenz durch Einkommenskategorie nieder. Gleichzeitig war die die amerikanische Regierung für die Rohstoffe von 33 000 kugelsicheren Körperwesten, die in der Bundesrepublik Realeinkommensentwicklung der Arbeitnehmer Deutschland von einem inländischen Privatunternehmen günstiger als erwartet, da die Verbraucherpreise hergestellt und mit Genehmigung der Bundesregierung nach nur um 3 % und nicht, wie unterstellt, um 4 % zunah- Syrien ausgeführt werden sollen? men. Die verteilungspolitischen und sonstigen gesamt- Die amerikanischen Behörden haben im Zusam- wirtschaftlichen Vorstellungen der Bundesregie- menhang mit der Suspendierung ihrer zuvor erteil- rung lassen sich nicht an den Ergebnissen eines ten Re-Exportlizenz die Bundesregierung gebeten, Jahres messen, sie müssen vielmehr in einem die Frage der Ausfuhr von Schutzwesten nach Sy- mehrjährigen Zusammenhang gesehen werden. Die rien zu überprüfen. Die Überprüfung ist noch nicht überproportionale Zunahme der Bruttoeinkommen abgeschlossen. aus Unternehmertätigkeit und Vermögen war not- Bei Nichterfüllung des gültigen Liefervertrages wendig, um den Einbruch in den Jahren 1980 und droht der deutschen Herstellerfirma wirtschaftli- 1981 wieder wettzumachen. Betrachtet man die letz- cher Schaden. Den amerikanischen Stellen sind die ten vier Jahre, so zeigen die Unternehmens- und 4106* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984

Vermögenseinkommen einen Anstieg von 16,3 %, Wie ist der Stand der Vorbereitungen zur ersten großen Industrieausstellung der deutschen Wirtschaft in Japan 1984, die Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit und ist gewährleistet, daß die Ausstellung so vorbereitet von 17,8 %. Die Verbesserung der Ertragsverhält- wird, daß sie eine erstklassige auch auf japanische Verhält- nisse der Unternehmen schafft nach Auffassung nisse angepaßte Visitenkarte der deutschen Wirtschaft ist? der Bundesregierung mit gewisser zeitlicher Verzö- Wie steht die Bundesregierung zu der öffentlichen Kritik gerung die Voraussetzungen für mehr Investitio- am offiziellen Stand der Bundesrepublik Deutschland auf nen, ein höheres Wirtschaftswachstum, günstigere der internationalen Touristenfachmesse 1984 in Madrid, der Beschäftigungsbedingungen und damit für einen in Qualität und Präsentation von allen Entwicklungsländern weit übertroffen worden sein soll, und wie wird sie dafür allmählichen Abbau der Arbeitslosigkeit, wie die Sorge tragen. daß in Zukunft die Bundesrepublik Deutsch- Entwicklung seit dem 2. Halbjahr 1983 bereits zeigt. land bei internationalen und anderen ausländischen Touri- Gleichzeitig erhöhen sich damit die Chancen für stenfachmessen entsprechend ihrer Bedeutung und des Stel- künftig wieder stärker wachsende Verteilungsspiel- lenwertes des Fremdenverkehrs für die Bundesrepublik Deutschland vertreten wird, um Schaden vom deutschen räume auch zugunsten der Arbeitnehmer. Fremdenverkehr abzuwenden?

Zu Frage 144: Die Vorbereitungen für die am 23. April 1984 be- Anlage 56 ginnende Deutsche Leistungsschau in Japan laufen planmäßig und termingerecht. Dies gilt sowohl für Antwort die im Rahmen dieses Ausstellungsprojektes erfor- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage derlichen Baumaßnahmen als auch für die übrigen des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Druck- organisatorisch-technischen und akquisitorischen sache 10/1017 Frage 143): Vorbereitungen. Der größte Teil der von unserer Industrie in Tokio gezeigten Exponate wird in die- Trifft es zu, daß es eine Studie bei der Bundesregierung über den Schuldenabbau der DDR gibt (FAZ 14. Februar sen Tagen auf den Weg gebracht. Eine zuvor durch- 1984), und wenn ja, wie haben sich das Schuldenkonto in Ver- geführte Ausstellerumfrage hat bestätigt, daß die rechnungseinheiten sowie die Bundesbürgschaft für die deutsche Wirtschaft die außergewöhnliche Chance DDR verringert, und ergeben sich aus der Studie die Folgen der Leistungsschau nutzen und mit einer ausge- der vermehrten Lieferungen für unsere und die Volkswirt- schaft der DDR? wählten Produktpalette ihre Fähigkeit zu techni- schen Spitzenleistungen dokumentiert wird. Die Er- gebnisse dieser Umfrage sind auch den offiziellen Es gibt keine Studie der Bundesregierung über Stellen in Japan mitgeteilt worden, um deren Be- den Schuldenabbau der DDR gegenüber den inter- reitschaft zur Akquisition ausgewählter Fachbesu- nationalen Gläubigern. Die Entwicklung der Devi- cher zu unterstützen. senverschuldung der DDR wird allerdings laufend Die anspruchsvolle Präsentation unserer Indu- an Hand der veröffentlichten Daten der Bank für strie im Rahmen der Leistungsschau wird durch ein den Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beob- von der größten japanischen Werbeagentur (Dent achtet. su) entwickeltes Werbekonzept vorbereitet, das eine Die von der Devisenverschuldung unabhängige stetige Intensivierung der werblichen Maßnahmen innerdeutsche Verschuldung der DDR in Verrech- bis zum Ausstellungsbeginn vorsieht. nungseinheiten (VE) — der innerdeutsche Handel Mehrere Gruppen japanischer Journalisten be- wird im Wege des Clearing abgewickelt — betrug reisen parallel dazu die Bundesrepublik und haben Ende 1983 netto etwa 4,0 bis 4,1 Mrd. VE. Ende 1982 Gelegenheit, sich in den beteiligten Bundesressorts, lag die Verschuldung bei ca. 3,8 Mrd. VE. bei den Spitzenverbänden der Wirtschaft und insbe- Zur Förderung von langfristigen Investitionsgü- sondere vor Ort bei den bedeutenden Ausstellerfir- terlieferungen in die DDR steht ein Plafond von men über die Ziele des Ausstellungsvorhabens und 3,75 Mrd. DM zur Verfügung. Die Ausnutzung hat den Stand der Vorbereitungen zu informieren. Das sich im Laufe des Jahres 1983 verringert, so daß bisherige Echo auf diese Besuche in der japani- anstehende Liefergeschäfte ohne Begrenzung ga- schen Presse war außerordentlich stark und positiv. rantiert werden können. Es ist davon auszugehen, daß auch die nächsten Journalistenbesuche im Vorfeld der Deutschen Lei- Die genauen Zahlen sind vertraulich. Die Bundes- stungsschau ähnlich große Beachtung in den japa- regierung ist bereit, sie im zuständigen Bundestags- nischen Medien finden werden. ausschuß darzulegen oder den einzelnen Abgeord- neten persönlich mitzuteilen. Permanente Kontakte zu offiziellen japanischen Stellen, zur Deutschen Botschaft in Tokio und zur Deutschen Industrie- und Handelskammer in Ja- pan ergänzen die hiesigen Vorbereitungsarbeiten. - Auf dem Hintergrund dieser Maßnahmen gehen Anlage 57 Bundesregierung und deutsche Industrie davon Antwort aus, daß mit der deutschen Leistungsschau in Ja- pan 1984 eine herausragende und auf die Verhält- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen nisse des Gastlandes abgestimmte Präsentation ge- des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache lingen wird. Die Bundesregierung ist der Überzeu- 10/1017 Fragen 144 und 145): gung, daß sich dieses Projekt für unsere Wirt- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 4107* schaftsinteressen in der gesamten fernöstlichen Re- Anlage 59 gion als ein besonderer Erfolg erweisen wird. Antwort

Zu Frage 145: des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen des Abgeordneten Antretter (SPD) (Drucksache 10/ Die Bundesregierung teilt die — offenbar nur von 1017 Fragen 148 und 149): einem Journalisten verbreitete — Kritik an der Prä sentation der Bundesrepublik Deutschland durch Wie erklärt die Bundesregierung, daß in der Fragestunde vom 25. Januar 1984 (Plenarprotokoll 10/49) der Parlamenta- die Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. nicht. rische Staatssekretär Dr. Sprung als Grund für die Genehmi- gung des Exports von 33 000 kugelsicheren Körperwesten Die Zielgruppe der angesprochenen Masse waren nach Syrien angegeben hat, ihre Verwendung für Polizei- in erster Linie Fachleute aus der Tourismusbran- streitkräfte sei denkbar, während nach Angaben des Vor- che. Die Öffentlichkeit hatte nur zeitweise Zutritt. standsvorsitzenden des Exportunternehmens der Lieferver- Ausstattung und Repräsentanz waren auf diesen trag mit dem syrischen Verteidigungsministerium geschlos- Zweck ausgerichtet. Wegen des Bekanntheitsgrades sen worden ist? der Bundesrepublik als Reiseland ist ein Vergleich Wie erklärt die Bundesregierung, daß nach Angaben des mit dem Auftreten relativ „neuer" Anbieter nicht Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Sprung in der Frage- stunde vom 25. Januar 1984 (Plenarprotokoll 10/49) die Bun- angebracht. desregierung die bereits erteilte Genehmigung des Exports Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in von 33 000 kugelsicheren Körperwesten für ein deutsches Unternehmen nach Syrien überprüft, während nach Anga- Madrid äußerte sich positiv über die funktionale ben des Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens vom und angemessene Ausstattung des Ausstellungs- 6. Februar 1984 das Unternehmen von der Überprüfung der standes. gültigen Exportgenehmigung durch die Bundesregierung noch nicht informiert worden ist? Die DZT wird auch künftig im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in bewährter Form für die Bundesrepublik Deutschland und Berlin Zu Frage 148: (West) werben, wobei der Aufwand auch am jeweili- gen Interesse deutscher Anbieter gemessen werden Der Umstand, daß nach Angaben der deutschen muß. Herstellerfirma das syrische Verteidigungsministe- rium als Vertragspartner auftritt, schließt nicht aus, daß Schutzwesten auch von „Polizeistreitkräften" verwendet werden. Lt. einer Mitteilung des Unter- nehmens auf dpa-Anfrage sind die Schutzwesten Anlage 58 „für Polizisten und Soldaten" bestimmt. Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen Zu Frage 149: des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache Wie ich schon bei meinen vorhergehenden Ant- 10/1017 Fragen 146 und 147): worten zu diesem Thema gesagt habe, ist die von Welche Genehmigung hat die Bundesregierung für die Be- den amerikanischen Behörden erbetene Überprü- teiligung der Unternehmen Daimler-Benz und Thyssen-Hen- fung noch nicht abgeschlossen. Die deutsche Aus- schel an der Produktion von Panzerfahrzeugen an Ägypten fuhrgenehmigung ist bisher nicht widerrufen wor- erteilt, und wie werden diese Genehmigungen begründet? den. Die weiteren Schritte hängen u. a. von der ab- Warum hat die Bundesregierung vor der Beantwortung der schließenden Meinungsbildung der amerikanischen Parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Dr. Klejd- zinski und Gansel in der Fragestunde vom 9. Februar 1984 Stellen ab, insbesondere hinsichtlich der Folgen ei- (Plenarprotokoll 10/53), die sich auf eine Zusammenarbeit nes etwaigen Eingriffs in einen bestehenden Liefer- zwischen der Firma Krauss-Maffai und der ägyptischen Re- vertrag. gierung zur Produktion eines Kampfpanzers bezogen, bei der Firma Krauss-Maffai keine Stellungnahme erbeten?

Zu Frage 146: Die Bundesregierung hat für die zum Bau eines Anlage 60 Mannschaftstransportfahrzeuges in Ägypten zuge- lieferten Teile keine Ausfuhrgenehmigungen er- Antwort teilt, da es sich ausschließlich um genehmigungs- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Frage freie Waren gehandelt hat. des Abgeordneten Hiller (Lübeck) (SPD) (Druck- sache 10/1017 Frage 150): Zu Frage 147: Welche Endverbleibsregelungen hat die Bundesregierung- Wie die Firma selbst lt. Presseberichten bestätigt im Zusammenhang mit der Beteiligung der Unternehmen Daimler-Benz und Thyssen-Henschel an der Produktion ei- hat, ist es bisher zu keinen konkreten Plänen oder nes Panzerfahrzeuges in Ägypten getroffen? Vereinbarungen mit ägyptischen Stellen gekom- men. Daß das Unternehmen Kontakte hat und Ge- spräche zur Vorbereitung von Geschäftsanbahnun- Da es sich, wie ich bereits auf die Frage des Abge- gen führt, ist üblich und unterliegt nicht einer Vor- ordneten Gansel ausgeführt habe, bei dieser Beteili- abkontrolle durch die Bundesregierung. gung nicht um genehmigungspflichtige Ausfuhren 4108* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1984 gehandelt hat, entfällt auch die Frage einer evtl. Anlage 62 Endverbleibsregelung. Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen (SPD) (Druck- Anlage 61 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski sache 10/1017 Fragen 153 und 154): Antwort Wie erklärt die Bundesregierung die Äußerung des Spre- des Parl. Staatssekretärs Dr. Sprung auf die Fragen chers der Firma Krauss-Maffei vom 13. Februar 1984, des Abgeordneten Klose (SPD) (Drucksache 10/ Krauss-Maffei prüfe zur Zeit die technischen Möglichkeiten, 1017 Fragen 151 und 152): auf Wunsch Kairos einen Kampfpanzer für Ägypten zu ent- wickeln oder an dessen Entwicklung mitzuarbeiten und die Wann wird die Bundesregierung gemäß § 7 Kriegswaffen- Bundesregierung sei über diese Pläne informiert, nachdem kontrollgesetz den Unternehmen gegenüber die Genehmi- Staatssekretär Dr. Sprung in der Fragestunde am 9. Februar gung zur Produktion von Kriegswaffen widerrufen, bei de- 1984 (Plenarprotokoll 10/53) mitgeteilt hat, der Bundesregie- nen auf Grund von Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten rung sei über derartige Pläne nichts bekannt? oder Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz Grund zu der Annahme besteht, daß sie die vom Gesetz verlangte Wie steht die Bundesregierung zu diesem Vorhaben im „erforderliche Zuverlässigkeit" nicht besitzen? Zusammenhang mit ihrer Waffenexport- und Nahostpolitik? Wie beurteilt die Bundesregierung die nach dem Kriegs- waffenkontrollgesetz „erforderliche Zuverlässigkeit" der Ver- antwortlichen der Firma Rheinmetall, wenn gegen die Ver- antwortlichen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkon- Zu Frage 153: trollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz Ermittlungsverfah- ren eingeleitet worden sind? In der Fragestunde am 9. Februar 1984 hatten Sie gefragt, wie die Bundesregierung die Meldungen Zu Frage 151: des „Wehrdienst" vom 9. und 23. Januar 1984, daß Die Bundesregierung wird gemäß § 7 Abs. 2 in das Unternehmen Krauss-Maffei beabsichtigt, zu- Verbindung mit § 6 Abs. 3 Nr. 3 Kriegswaffenkon- sammen mit einem Rüstungsunternehmen aus ei- trollgesetz eine erteilte Genehmigung zur Produk- nem NATO-Land, an die ägyptische Regierung Pro- tion von Kriegswaffen widerrufen, sobald aufgrund totypen, Bausätze, Konstruktionsunterlagen und festgestellter Tatsachen Grund zu der Annahmne Fertigungsunterlagen für die Produktion einer Ver- besteht, daß eine der in § 6 Abs. 2 Nr. 2 Kriegswaf- sion des Kampfpanzers Leo 2 zu liefern, beurteilt. fenkontrollgesetz genannten Personen die für die Darauf habe ich Ihnen geantwortet, daß der Bun- Herstellung der Kriegswaffen erforderliche Zuver- desregierung keine Pläne der Fa. Krauss-Maffei be- lässigkeit nicht besitzt und der Widerrufsgrund kannt seien, zusammen mit einem anderen NATO- nicht in einer zu bestimmenden Frist beseitigt Land Leo-2-Fertigungsunterlagen oder Teile nach wird. Ägypten zu liefern. Die Firma selbst hat laut Presseberichten bestä- Zu Frage 152: tigt, daß es bisher zu keinen konkreten Plänen oder Die Genehmigungsbehörde prüft alle für die Be- Vereinbarungen mit ägyptischen Stellen gekom- urteilung der Zuverlässigkeit maßgeblichen Ge- men ist. Daß das Unternehmen Kontakte hat und sichtspunkte. Dabei bezieht sie auch Erkenntnisse Gespräche zur Vorbereitung von Geschäftsanbah- aus laufenden Ermittlungsverfahren ein. nungen führt, ist üblich und unterliegt nicht einer Vorabkontrolle durch die Bundesregierung. Aus den zur Zeit von der Staatsanwaltschaft Düs- seldorf geführten einschlägigen Ermittlungsverfah- ren liegen der Genehmigungsbehörde bisher keine -Erkenntnisse vor, die im Rahmen der personen Zu Frage 154: und handlungsbezogenen Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz Grund zu der Angesichts dieser Sachlage sieht die Bundesre- Annahme bieten, daß die erforderliche Zuverlässig- gierung gegenwärtig keine Veranlassung zu weite- keit fehlt. ren Stellungnahmen.