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Sendung vom 20.07.1999, 20.15 Uhr

Dr. Friedrich Zimmermann Bundesminister a.D. im Gespräch mit Ruthart Tresselt

Tresselt: Grüß Gott, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, und willkommen bei Alpha-Forum. Unser heutiger Gast ist Jurist, also Rechtsanwalt, und Politiker. Unter Bundeskanzler war er Bundesinnenminister und im Anschluß daran Bundesverkehrsminister. Ich begrüße hier im Studio Herrn Dr. Friedrich Zimmermann. Herr Dr. Zimmermann, vor 51 Jahren sind Sie in die CSU eingetreten: Was hat Sie denn schon in der damaligen Zeit an der CSU so fasziniert? Zimmermann: Es sind noch nicht ganz 51 Jahre – aber fast. Diese Frage ist sehr berechtigt, denn als junger Offizier des Zweiten Weltkriegs war ich nach dem Krieg jeglicher Art von Politik abhold. Ich wollte davon nie mehr in meinem Leben etwas wissen. Ich habe dann aber 1946 mit dem ersten Nachkriegssemester in München das Studium der Rechte begonnen. Das Interessante dabei war, daß da ungefähr zehn verschiedene Jahrgänge in einem Semester zusammen angefangen haben. Da waren solche wie ich dabei, die ziemlich normal mit 17 Jahren eingezogen worden waren, und es waren andere dabei, die schon zehn Jahre vorher ihre normale Dienstzeit in der Wehrmacht hinter sich gebracht hatten. Vom Gefreiten bis zum Oberstleutnant im Generalstab hatten wir sämtliche Dienstränge in diesem Semester vertreten. Nach dem Studium, als die einzelnen ihre berufliche Laufbahn ergriffen hatten – zunächst hatten wir allerdings wegen des Morgenthau-Plans usw. geglaubt, daß wir nie eine Chance bekommen würden, einen vernünftigen Beruf auszuüben –, haben wir uns dann in den fünfziger und sechziger Jahren wieder getroffen: Der eine war Vorstandsvorsitzender bei der „Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank“ geworden und der andere Vorstand bei der „Bayerischen Vereinsbank“. Ein anderer war Finanzchef bei Siemens usw. Es gab nichts, was es nicht gab. Tresselt: Es muß doch irgendwie Personen gegeben haben, die Sie fasziniert haben. Sie sind, wie ich glaube, ja von Josef Müller, dem Ochsen- Sepp, geprägt worden und wohl später auch von Franz Josef Strauß. Wie ging es denn los? Zimmermann: Es ging einfach damit los, daß mich so um das Jahr 1948 herum, als ich mein erstes juristisches Staatsexamen, auch Referendarexamen genannt, gemacht habe und mich ein Kommilitone – ein altmodischer Ausdruck, aber er gilt ja nach wie vor – zu einer Versammlung in den "Schwabinger Bräu" mitnahm. Dort sprachen Josef Müller und Franz Josef Strauß. Das hat mich dann so interessiert, daß ich in den nächsten Monaten, denn das waren damals Monatsversammlungen, immer wieder dorthin gegangen bin. Beim zweiten Mal stellte ich dann in der Diskussion schon eine Frage. Tresselt: Da sind Sie dann aufgefallen? Zimmermann: Ich fiel jedenfalls Franz Josef Strauß auf. Er kam dann nachher zu mir her und sagte "Herr Doktor" zu mir – wir waren damals per Sie, und ich war schon promoviert: Das werde ich nie vergessen. Er selbst war Oberregierungsrat im Bayerischen Kultusministerium und sagte zu mir: "Sie haben gerade eine sehr interessante Frage gestellt...“ Tresselt: Wissen Sie noch wie diese Frage lautete? Zimmermann: Nein, das weiß ich nach über 50 Jahren wirklich nicht mehr, und außerdem war das ganz sicher eine Frage, die zeitbezogen gewesen ist. Ich antwortete: „Es freut mich, daß Sie das so sehen." Er fragte mich dann, ob ich in der CSU eigentlich Mitglied sei. Daraufhin habe ich ihm dann geantwortet: "Noch nicht!" In einer der nächsten Wochen bin ich dann auch tatsächlich in die CSU eingetreten: Damit begann dann meine unaufhaltsame Karriere in der CSU. Tresselt: Wer hat Sie denn mehr gefördert? Der Ochsen-Sepp oder Franz Josef Strauß? Kann man das überhaupt sagen, oder waren in dieser Hinsicht beide gleich wichtig? Zimmermann: Beim Ochsen-Sepp gehörte ich zur Runde der engsten Freunde, die sich einmal in der Woche in der Gedonstraße in seiner Kanzlei trafen. Mit Franz Josef Strauß verband mich bald eine wirklich enge politische Freundschaft. Es bedurfte eigentlich gar keiner Förderung. Man kann das nun für überheblich halten, aber so ist es gar nicht gemeint: Nirgendwo, auch nicht in der Politik, drängen sich die Talente zuhauf. Statt dessen ist es so: Wenn einer etwas bringt, wenn man spürt, daß bei ihm etwas dahinter ist, dann macht der von selbst seine Karriere. So war es eben bei mir auch. Tresselt: Daraus entwickelten sich dann ja viele Funktionen. Vielleicht erzählen Sie einmal ein bißchen etwas darüber. Zimmermann: Ich war Vorsitzender der Jungen Union in München, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands, also der Jugendorganisation der CDU/CSU in Deutschland. Um das auch einmal mit einem Namen zu versehen: Ich war erster Stellvertreter der Jungen Union unter dem ersten Vorsitzenden , dem späteren langjährigen Finanz- und Verteidigungsminister. Ich war dann von 1955 bis 1962 Generalsekretär der CSU, und seit 1957 war ich auch Mitglied des Bundestages. Von 1965 bis 1972 war ich Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Das war damals eine erste Adresse, wie ich sagen möchte, denn der Erste und der Zweite Weltkrieg und die Wiederbewaffnung haben den Verteidigungsausschuß zu einem Ausschuß besonderer Art gemacht. Ich muß dazu nur die Namen nennen, die in diesem Ausschuß Mitglied waren: , , Carlo Schmid, Franz Josef Strauß, Richard Jäger usw. Der Vorsitz lag beinahe immer bei der CSU, und ich habe diesen Vorsitz im Jahre 1965 übernommen. Die Bedeutung dieses Ausschusses geht schon allein daraus hervor, daß er sich als einziger Ausschuß im Parlament jederzeit mit einfacher Mehrheit als Untersuchungsausschuß konstituieren konnte. Das ist ein ungeheures Privileg, von dem auch mehrfach Gebrauch gemacht wurde. Ich erwähne hierbei den Namen von General Trettner. Oder es gab auch – unter meinem Vorsitz – den Untersuchungsausschuß zur F-104, dem Starfighter. Ich habe damit die Tradition von Franz Josef Strauß, der in diesem Ausschuß ebenfalls schon Vorsitzender gewesen ist, und meinem unmittelbaren Vorgänger Richard Jäger fortgesetzt. 1976 wurde ich Vorsitzender der 52 Abgeordneten starken CSU-Landesgruppe im Deutschen und erster Stellvertreter von Helmut Kohl in der Fraktionsführung. 1982 bis 1991 war ich dann Innen- und Verkehrsminister. Tresselt: Die Funktion des Bundesinnenministers war, wenn man so will, sicherlich der Höhepunkt Ihrer politischen Karriere: Da waren Sie ja für alles Mögliche zuständig. Auch, wenn ich mich recht erinnere, z. B. für den Umweltschutz: Das ist ja heute ein eigenes Ressort. Sie hatten als Bundesinnenminister große Erfolge, aber Sie haben auch Prügel bezogen. Vielleicht fangen wir da einmal beim Positiven an: Einen Erfolg hatten Sie wohl mit der Sicherungsgruppe – oder wie das hieß – nach der Schleyer-Entführung. Zimmermann: Ich will einmal so sagen: Ich wurde am 4. Oktober Bundesinnenminister, und bereits Ende Oktober gelang uns – uns heißt: dem Bundeskriminalamt und der GSG 9 – die Festnahme von Christian Klar und von Brigitte Mohnhaupt im Sachsenwald. Wir haben ein Erddepot, das Spaziergänger gefunden hatten, wochenlang Tag und Nacht bewacht. Wobei freilich die Ablösung der Bewachung, die Lautlosigkeit und das Sich-Eingraben dabei ungeheuer schwierige Dinge waren. Trotzdem blieb unser Vorgehen geheim, und es gelang uns dann, zwei der meistgesuchten Terroristen festzunehmen. Das ist das Glück des Zufalls oder auch des Tüchtigen: Nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber meine größten Erfolge waren nicht die Erfolge auf dem Gebiet der inneren Sicherheit und der Innenpolitik wie Ausländer- oder Asylgesetzgebung. Das scheiterte damals ja alles an der FDP, wie man heute sagen muß. Tresselt: Wie viele Asylsuchende hatten wir denn damals im Verhältnis zu heute? Zimmermann: Wir begannen mit 100000, und da dachte ich mir: Jetzt passiert etwas. Als wir dann die 300000 pro Jahr überschritten hatten, dachte ich, jetzt würde etwas passieren. Aber es passierte immer noch nichts. Es mußten doppelt soviele sein, bis die ersten Veränderungen im Ausländer- und Asylgesetz durchsetzbar waren. Meine größten Erfolge sammelte ich demgegenüber eigentlich im Umweltschutz, und zwar mit der Einführung des bleifreien Benzins und des Katalysators – das ist heute alles fast schon wieder vergessen – und mit der Großfeuer-Anlagenverordnung und der TA Luft. Das heißt, die maßgebenden Umweltgesetze stammen aus den Jahren 1983 und folgende. Ich werde folgendes nie vergessen. Ich hatte noch im Jahr 1982 die gesamte deutsche Energiewirtschaft bei mir im Ministerium: lauter großmächtige Leute von der RWE, von der Preußenelektra, dem Bayernwerk usw. Ich sagte den Herren, was Sie ab 1. März 1983 an Verschärfungen im Umweltschutz hinsichtlich der ausströmenden Kohlendioxide erwarten würde und was sie alles investieren müssen. Der damalige Vorsitzende sagte zu mir: "Das ist unerfüllbar, das bedeutet Milliarden-Investitionen. Das können wir nicht leisten." Ich antwortete diesem Herrn, der Vorsitzender des Vorstandes bei der RWE war: "Ich habe gerade Ihre letzte Bilanz vor mir. Daraus sehe ich, daß Sie sechs Milliarden Mark in den offenen Rücklagen haben. Sie können das also sehr wohl bezahlen. Reden Sie daher bitte nicht so einen Unsinn." Tresselt: Da herrschte dann wohl betretenes Schweigen, oder? Zimmermann: Bis dahin gab es in der Tat ein betretenes Schweigen. Die Herren hatten das Kinn auf der Tischplatte und begannen, es nun bei dieser verbalen Auseinandersetzung langsam zu heben. Das Gesetz ist dann gekommen und wurde anstandslos verkraftet. Auch beim Katalysator war es ähnlich gewesen. Herr von Kuenheim, der jetzige Aufsichtsratsvorsitzende von BMW und damalige Vorstandsvorsitzende, sagte zu mir: "Herr Minister, es ist unmöglich, daß wir den Katalysator in so kurzer Frist einführen. Ich bin gegenwärtig Präsident der europäischen Automobilindustrie und kann Ihnen daher sagen, daß Frankreich das nicht machen kann. Denn die französische Automobilindustrie schreibt rote Zahlen, Milliarden von Francs in roten Zahlen." Ich sagte dann: "Herr von Kuenheim, ich werde meine nächste Umweltrede damit beginnen, daß ich sagen werde, daß das, was in Kalifornien seit zehn Jahren und in den gesamten USA seit drei Jahren Vorschrift ist, nämlich die Autoabgase durch den Katalysator drastisch zu vermindert, hier in Europa leider nicht möglich ist, weil die französische Automobilindustrie rote Zahlen schreibt." Tresselt: Heute sind ja Funktionen wie die innere Sicherheit und der Umweltschutz, die bei Ihnen noch in einem Ministerium zusammengefaßt waren, getrennt. Heute gibt es ähnliche Gespräche z. B. mit den Elektrizitätswerken zum Thema Kernkraft. Wenn Sie da einmal auf die heutige Situation sehen: Gibt es da Parallelen? Wie sehen Sie diese ganze Situation in dem Zusammenhang? Zimmermann: Der Umweltschutz und die Reaktorsicherheit waren zwei von zwölf Hauptabteilungen in meinem Ministerium. Nach Tschernobyl wurde unter , dem früheren Ministerpräsidenten von Hessen und ehemaligen Oberbürgermeister von Frankfurt, ein eigenes Ministerium ins Leben gerufen. Als der Umweltschutz jedoch noch in meinem Ministerium zu Hause war, hat er bereits die Hälfte meiner Arbeitszeit beansprucht. Das heißt, der Innenminister hat sich die Hälfte des Tages mit umweltschutzrechtlichen Fragen und mit Fragen der Reaktorsicherheit beschäftigt: So eine große Bedeutung hatte das schon vor Tschernobyl. Und diese Bedeutung ist danach natürlich noch angewachsen. Ich habe immer gesagt, solange das beim Innenministerium verortet ist – also in einem der klassischen großen Ministerien –, ist die Durchsetzungsfähigkeit viel größer, als wenn der Umweltschutz ein eigenes Ressort bildet, weil dieses Ressort dann zwangsläufig klein, einseitig und restriktiv sein muß. Heute sehen wir, daß der gegenwärtige Umweltminister Trittin überhaupt nichts durchsetzen kann, ohne daß Finanzminister und Kanzler dabei mithelfen. Wenn sie jedoch nicht mithelfen, sondern dagegen sind, dann ist er zum Scheitern verurteilt. Das heißt, die Zuordnung von Ressorts spielt eine viel größere Rolle, als sich der Laie das manchmal denkt. Tresselt: Nun hatten Sie ja große Erfolge hinsichtlich des Umweltschutzes. Aber wenn man die Kernenergie betrachtet und den damaligen Reaktorunfall von Tschernobyl, bei dem Sie ja auch das Krisenmanagement leiteten, dann war es doch so, daß man Ihnen in diesem Punkt viele Sachen vorgeworfen hat: daß Sie die Bevölkerung nicht richtig bzw. falsch informiert haben usw. Wie sehen Sie das selbst im Rückblick? Zimmermann: Ganz einfach: Erstens habe ich mich in der Rolle gefühlt, die Bevölkerung zu beruhigen und nicht etwa die Hysterie, die von genügend Seiten bereits geschürt wurde, noch anzufachen. Zweitens: Als Tschernobyl passierte, hatte ich bei mir in der Redoute in Godesberg eine hochrangige Delegation aus Saudi-Arabien zu Gast - mit dem Innenminister Prinz Naif, einem Sohn des Königs. Um elf Uhr kam ein Anruf, daß der russische Botschafter bei mir im Hause sei und auf mich warten würde, weil er mich sofort sprechen muß. Ich entschuldigte mich als Gastgeber und fuhr ins Ministerium. Ich weiß nicht mehr ganz genau, ob es Semjonow oder Valentin Falin war, jedenfalls saß an diesem Tag nach Tschernobyl der sowjetische Botschafter bei mir und hat mir in typisch sowjetischer Art aus seinem kleinen Notizbuch – in dem er den Text in kyrillischer Schrift stehen hatte – Wort für Wort vorgelesen, was er mir zu sagen hatte. Der wesentliche Inhalt war: zwei Tote, ein paar Verletzte und sonst keinerlei Gefahr. Im übrigen hat er mit mir zusammen einen Whisky getrunken, weil ich ihn gefragt hatte, was ich ihm anbieten dürfte. Wie die Wahrheit wirklich ausgesehen hat, müssen wir hier ja nicht mehr erörtern, denn die ist allgemein bekannt. Das heißt, er hatte mich angelogen, daß mir die Augen tropften. Das war die eine Seite der Medaille. Die wirklichen Folgen von Tschernobyl hinsichtlich der Verseuchung der Böden vor allem in Österreich und in Bayern sind ja erst nach und nach bekannt geworden. Das war ja insgesamt kein Fall für Augenblicksaufnahmen: Das mußte man ja statt dessen sowohl aktuell wie auch langfristig betrachten. Natürlich mußte man sagen, ob es nun zweckmäßig sei, jetzt Salat zu verzehren oder nicht. Selbstverständlich war mein Hauptgesprächspartner der heute entlassene, aber noch im Amt befindliche Professor Adolf Birkhofer, der Chef der Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Ich bedurfte ja wie jeder Laie auf diesem Sektor einer sachverständigen Beratung. Das heißt, es war schon dramatisch. Tresselt: Ihr Nachfolger als Bundesinnenminister war dann Wolfgang Schäuble, der heutige CDU-Vorsitzende. Vielleicht sollten wir aber noch einmal auf das Feld des Asyls zu sprechen kommen und darauf, wie es da heute aussieht. Die doppelte Staatsbürgerschaft und der Doppelpaß sind ja bis heute ein Thema geblieben: Wie sieht das heute aus Ihrer Sicht aus? Man ist ja dabei, das alles in Ihrem Sinne zu verbessern, wie ich mir denke. Aber ich könnte mir schon auch vorstellen, daß Ihnen das immer noch nicht reicht. Zimmermann: Ich habe damals nach einem Jahr im Amt ein Ausländer- und Asylgesetz vorgelegt. Ich gab es dem Bundeskanzler, und nach 14 Tagen fragte ich ihn, wie es aussieht damit. Er sagte zu mir nur: "Du sperrst das Gesetz weg, Genscher macht nicht mit." Das war es also damit. Als die Zahlen stiegen und stiegen, hat es sehr lange gedauert, bis dieser - wie ich meine - falsch verstandene Liberalismus aufgegeben wurde. Wir brauchen hier nicht über den Türken zu reden, der in den fünfziger Jahren - in den Zeiten von - zu uns gekommen und mit seiner Familie voll integriert ist. Im übrigen: Sie und ich und jeder meiner Nachbarn hat so einen Türken, kennt so einen Türken. Dieser Türke arbeitet für einen, macht dies oder jenes und ist Gärtner oder meinetwegen Ladenbesitzer. Das ist alles kein Problem, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um die Möglichkeit des permanenten Nachzugs. Jeder weiß ja, daß in diesem riesigen Land Türkei - in Anatolien - Millionen von armen Leuten auf den Koffern sitzen und darauf warten, daß sie nach Europa kommen können. Nicht umsonst gibt es eine riesige Welle nach Italien, die natürlich von Italien dann weitergeht, vor allem nach Deutschland. Denn in Deutschland gilt ja mit einem gewissen Recht die Formel: "Wenn du erst einmal hier bist – ob anerkannt oder nicht –, wirst du nicht mehr abgeschoben und Sozialhilfe bekommst du auch." Das ist nämlich immer noch mehr, als die armen Teufel zu Hause besitzen. Vom humanitären Standpunkt aus müßte man sagen: "Selbstverständlich, kommt alle zu uns!" Aber das geht eben einfach nicht. Ich wohne im Landkreis München, und die letzte Zahl, die ich gelesen habe, lautet wie folgt. Im Landkreis München gibt es rund 250000 Einwohner: Davon sind 13,8 Prozent Ausländer! Friedrich Zimmermann stellt hier die Frage: Reicht das, oder reicht das nicht? Tresselt: Wie sieht es mit dem Doppelpaß aus? Zimmermann: Das gilt selbstverständlich auch für den Doppelpaß. Ich habe doch nichts gegen den Österreicher, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat – oder umgekehrt. Das ist ja nicht unser Problem. Unser Problem ist zuerst einmal: Ein gläubiger Moslem – ob er nun aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien kommt – darf die deutsche Staatsbürgerschaft gar nicht annehmen, er darf in den Kulturkreis Europas gar nicht eintreten, denn seine Religion verbietet ihm, das zu tun. Das muß man schon einmal als erstes wissen. Wenn er es trotzdem tut, dann tut er es nicht nur mit halbem Herzen, sondern dann macht er es mit gar keinem Herzen und aus bloßem Opportunismus. Das heißt, das sind Blinde, die hier glauben, mit einem doppelten Paß würden sich die Probleme auflösen lassen. Wenn man es dann gleich gar so macht wie im FDP-Entwurf, daß man sagt, ein ausländisches Kind bekommt einen deutschen Paß, wenn es hier geboren ist, und soll sich dann 23 Jahre später selbst entscheiden, ob es Deutscher oder Türke sein will: Also ich kann da nur sagen... Tresselt: Man stellt sich eben vor, daß der Jugendliche dann in dem Alter weiß, was er will. Zimmermann: Selbstverständlich weiß er, was er will: Bis dahin hat ihn nämlich sein Vater mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit mit einer Türkin im Alter von 15 oder 16 Jahren verheiratet, die natürlich in Deutschland lebt. Wenn er aber kein Muslim mehr sein will, wenn er in die Kirche, wenn er in die katholische oder in die evangelische Kirche eintritt, dann... Ja, das sind aber so Fälle. Sie lachen, mit Recht. Mir hat einmal ein Erzbischof gesagt, weil ich immer schon ein Hardliner war in der Frage: "Aber Herr Zimmermann, Sie müssen doch für die Familie sein!" Ich habe dann nur gesagt: "Für die muslimische Familie? Oder welche meinen Sie?" - "Ja, für jede Familie natürlich!" - "Das ist leider ein weltfremder Standpunkt", habe ich ihm da antworten müssen. Wir haben ja heute das Ergebnis vorliegen. Wir haben ja – am ausdrucksfähigsten in Berlin und in Frankfurt – heute folgendes Phänomen: Dort, wo sich eine qualifizierte Minderheit zusammenfindet wie z. B. die Türken, sind dann ganze Stadtviertel eben mit türkischen Mehrheiten versehen. Da sind die Schulen und die Schulklassen mit türkischen Mehrheiten versehen usw. Die wollen sich auch gar nicht integrieren: Die leben ja in diesem Ghetto beinahe wie in einer türkischen Kleinstadt. In Berlin leben mindestens 150000 Türken: Das ist ja schon keine Kleinstadt mehr. Das kann aber doch nicht der Sinn des Ganzen sein, denn das ist doch nicht Integration, sondern das ist das Gegenteil von Integration. Tresselt: Sie haben ja mehrere Spitznamen. Einen davon haben Sie selbst gerade erwähnt: "Hardliner". Sie hatten aber auch noch einen anderen. Zimmermann: Ja, "Old Schwurhand". Tresselt: Ja, "Old Schwurhand", der im Zusammenhang mit der Spielwarenaffäre... Zimmermann: Nicht Spielwarenaffäre, sondern Spielbankenaffäre! Tresselt: Selbstverständlich Spielbankenaffäre, Entschuldigung. Dieser Spitzname kam also von dieser Spielbankenaffäre und hatte auch etwas mit der Bayernpartei zu tun, die es seitdem fast nicht mehr gibt. Wie leben Sie denn mit diesem Spitznamen heute? Zimmermann: Wissen Sie, am Anfang stört das. Tresselt: Das ist ja auch ein Schimpfwort. Zimmermann: Natürlich. Am Anfang stört das schon: Da zuckt man zusammen. Aber das ist nun genau 40 Jahre her - 40 Jahre! –, und trotzdem bleibt mir dieser Spitzname. Da lernt man dann schon, damit zu leben und sich darüber nicht mehr aufzuregen. Man sagt sich, es kommt darauf an, was man selbst von sich hält, und es kommt nicht auf den Stempel an, den einem andere Menschen aufdrücken. Das habe ich also zu bewältigen gelernt. Manche unserer Mitbürger müssen mit solchen Stempeln leben – ich versage mir, die Beispiele, die ich auf der Zunge habe, hier zu erwähnen. Nein, ich nehme einmal ein besonders harmloses Beispiel: Als Hermann Höcherl damals als Innenminister sagte, "ich kann doch nicht ständig mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen!", war die Aufregung riesengroß. Man sagte: "Da sieht man es: So ein Verhältnis hat der zum Grundgesetz!" Mein Gott! Aber mit diesen Klischees muß man eben leben. Tresselt: Regierungswechsel gehören zur Demokratie: Es hat nun einen Wechsel gegeben, mit dem Sie sicherlich nicht so sehr einverstanden waren, wie ich mir denke. Man spricht schon davon, daß der nächste Bundeskanzlerkandidat aus Bayern stammen wird: Dr. . Können Sie sich das gut vorstellen, obwohl es ja schon noch ein wenig früh ist, um darüber zu spekulieren? Zimmermann: Beim Regierungswechsel waren meine zahlreichen Freunde und Bekannten und Klienten bis ins Mark getroffen. Der einzige, der völlig ruhig war, war ich. Ich habe gesagt: Freunde, 1969 kam die sozial- liberale Koalition an die Regierung und regierte 13 Jahre unter den Bundeskanzlern und Helmut Schmidt. Dann kamen wir von 1982 bis 1998, das waren 16 Jahre. sagte damals, als wir 1982 an die Regierung kamen: "Das dauert mindestens 15 Jahre." Er sollte doch recht behalten: Es dauerte in der Tat 16 Jahre. Ich sage daher, daß es das Normalste von der Welt ist, wenn es in einer Demokratie eine Ablösung gibt. Daß diese Ablösung nun gerade durch Rot-Grün stattfindet, wollte der Wähler eigentlich nicht unbedingt, denn der Wähler hätte eine große Koalition vorgezogen: Das sagen alle Umfragen. Aber es hat sich nun einmal so ergeben, und jetzt muß man damit selbstverständlich leben. Ich bin ja auch für meine Prophezeiungen bekannt: Ich sagte Ende 1981, daß im Jahr 1982 die Regierung stürzen würde. Ich ging deswegen sogar mit einem bekannten Verleger eine hohe Wette ein, und Zeuge dieser Wette war Oskar Lafontaine. Die Sache spielte sich bei Bundespräsident Carstens nach einem Essen beim Kaffee in der Villa Hammerschmied ab. Der Verleger sagte zu mir: "Herr Zimmermann, der Machterhalt ist etwas so Elementares: Ich gebe Ihnen recht, SPD und FDP sind zerstritten – aber das wird nicht dazu führen, daß sie sich trennen und Sie an die Regierung kommen." Ich antwortete: "Doch, denn die sind so zerstritten, daß sie sich nach zwölf Jahren gegenseitig nicht mehr sehen können. Ich erwähne z. B. nur das Lambsdorff-Papier." Er sagte dann: "Gut, wetten wir." Er wollte mich dann durch eine sehr hohe Wette um Jahrgangschampagner beeindrucken. Er hat sich wahrscheinlich gedacht: "Da kann der Zimmermann doch nicht mitbieten!" Er schlug daher eine Wette um 30 Flaschen vor, also um fünf Kartons Jahrgangschampagner. Als er mir die Hand deswegen entgegenstreckte, habe ich sofort eingeschlagen. Der Champagner kam am 6. Oktober 1982. Tresselt: Das heißt, er hat Wort gehalten. Zimmermann: Ja. Wie gesagt, Oskar Lafontaine, damals Oberbürgermeister von Saarbrücken, war Zeuge der Wette. Wir saßen nämlich beim Kaffee an einem Tisch. Aber, worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Tresselt: Mich würde für die jetzige Zeit eine Prognose interessieren: Wie lange hält die Koalition? Zimmermann: Ach so, ja, entschuldigen Sie. Ich sage jetzt immer beruhigend zu den zahlreichen Leuten, die glauben, daß ich in dieser Frage aufgrund meiner politischen Laufbahn über mehr Sachverstand verfügen müßte als sie selbst: "Schaut her, jetzt haben sie nach 100 Tagen gemerkt, wie schwer das Regieren ist." Fischer trägt keine Turnschuhe mehr, ist immer elegant gekleidet und im Gesicht so gezeichnet, als wenn er schon 1000 Tage regieren würde: jetzt schon, nach drei Monaten! Der Kanzler spielt die Rolle am besten: Er ist immer noch clever und mediengerecht. Und er zeigt auch, daß er gewillt ist, die Richtung in der Politik zu bestimmen. Das ist selbstverständlich richtig, denn das ist seine Sache. Und die anderen haben eben bis jetzt zurückgezuckt. Tresselt: Wenn Sie so gut im Prognostizieren sind: Wagen Sie eine Prognose, wie lange diese Koalition halten wird? Zimmermann: Ja. Tresselt: Ich höre, wir alle hören. Zimmermann: Längstens diese Periode. Tresselt: Denken Sie danach an eine große Koalition, oder wird vielleicht die FDP wieder zur SPD umschwenken? Zimmermann: Auch das ist bei der FDP wie immer möglich, denn bei der ist alles möglich. Aber das kann man erst beurteilen, wenn die Wahlzettel in vier Jahren in den Urnen liegen. Aber ich prognostiziere, daß diese Koalition höchstens diese Periode überstehen wird. Ich will das auch begründen: Die Grünen sind in einem Zustand, den sie nicht gewohnt sind. Sie wissen nicht, was das heißt: "regieren". Sie wissen nicht, daß man hier täglich mit dem Partner Kompromisse schließen muß – und zwar ohne daß es in der Zeitung steht. Ich habe das ja alles selbst miterlebt. Wissen Sie, ich bin 1957 ins Parlament gekommen, als Adenauer regierte. 1966 kam die große Koalition. 1969 kam die SPD/FDP-Regierung. 1982 wurde ich selbst Minister – da wäre ich beinahe schon zu alt gewesen, denn 1982 war ich 57 Jahre alt. Sie wissen ja, in der Politik ist man nämlich ganz schnell zu alt oder noch zu jung. Tresselt: Wenn man aber an Adenauer denkt, dann waren Sie natürlich mit Ihren 57 Jahren noch nicht zu alt, denn dagegen waren Sie ja ein junger Hupfer. Zimmermann: Als ich ihn 1956 kennenlernte, weil mich der bayerische Ministerpräsident Hanns Seidel ihm vorgestellt hat, hat er mich angeschaut - nicht von oben nach unten, sondern weil er ja drei Köpfe größer war als ich, von unten bis nach ganz oben – und hat zu Seidel gesagt: "Na, was haben Sie sich denn da für ein Leichtgewicht geholt?" Das ist eine klassische Adenauer-Story. Aber ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, ich wollte nämlich zu den Grünen noch etwas sagen: Sie müssen erst lernen, wie man sich in der Regierung benimmt. Am wenigsten scheint Herr Trittin zu begreifen, was man machen kann und was man nicht machen kann. Herr Riester von der SPD andererseits legt jeden Tag einen neuen Plan vor, jeden Tag geht es um die 630 Mark – mit und ohne Steuer, mit und ohne Rentenversicherung, mit und ohne Versicherungspflicht. Das ist unerträglich. Das sind Amateure, Dilettanten, kann ich da nur sagen als jemand, der wirklich lange genug in der Regierung, in der Opposition... Tresselt: Ich frage mich gerade, was Sie nicht waren in der Zeit. Zimmermann: Fast nichts. Ich glaube, ich habe also schon eine Ahnung davon. Die Sozialdemokraten sind natürlich erleichtert, endlich nach so langer Zeit in Bonn wieder regieren zu können. Aber schon nach wenigen Wochen kam ja mit der Landtagswahl in Hessen der ganz große Rückschlag: Das war ein Rückschlag, den sie selbst nie für möglich gehalten haben. Gut, die Grünen waren der Grund dafür, aber ihnen ist das nicht zugute gekommen. Jetzt – schon nach dieser kurzen Zeit – ist die Lage im Bundesrat auf einmal schon wieder eine andere geworden. Nun müssen sich die Sozialdemokraten damit auseinandersetzen - und schon kommt die nächste Wahl auf sie zu und die nächste und nächste. In diesem Jahr gibt es sechs Wahlen und dann noch die Bundespräsidentenwahl. Das ist immer wieder eine neue Herausforderung, die verhindert, daß man einmal so ein wenig gemütlich vor sich hin regieren könnte. Tresselt: Man merkt schon, die Politik läßt Sie nach wie vor nicht los. Aber schlaflose Nächte bereitet sie Ihnen, wie Sie selbst einmal gesagt haben, trotz allem nicht mehr. Zimmermann: Nein, ich bin heute nicht mehr als ein Beobachter, allerdings ein professioneller Beobachter. Tresselt: Da Sie ja ein professioneller Beobachter sind: Zu Ihrer Zeit gab es ja den „Geist von Kreuth“, also die Frage, ob sich die beiden Unionsparteien trennen sollen. Können Sie sich vorstellen, daß es eine Entwicklung geben könnte, bei der man sagt, daß es besser ist, wenn man getrennt marschiert, und daß das getrennte Auftreten für beide Parteien eventuell günstiger ist als die Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Fraktion? Zimmermann: Tresselt, wann sind diese Gedanken aufgetaucht? Immer dann, wenn es der CDU besonders schlecht ging. Das war 1969 so, als wir in die Opposition gegangen sind. Das war 1972 so, in der Opposition gegen Willy Brandts Ostpolitik. 1976 waren wir immer noch in der Opposition, und Helmut Kohl kam. Er wurde Fraktionsführer und ich sein Stellvertreter. 1980 gab es die Kandidatur von Franz Josef Strauß gegen Helmut Schmidt: Diese Wahl wurde nur knapp mit 46 zu 44 Prozent verloren. Es denkt heute niemand mehr daran, wie knapp das schon im Jahr 1980 gewesen ist. Dann gab es die Regierungsübernahme durch die Union im Jahr 1982. Immer wenn es also der CDU schlecht gegangen ist, kamen diese Stimmen auf: Im Jahr 1972 war die Union regelrecht verzweifelt, und Helmut Kohl hat, als er 1976 kandidierte, 48 Prozent der Stimmen geholt und konnte doch nicht regieren, weil SPD und FDP zusammengeblieben sind. Immer dann also, wenn die CDU verzweifelt war, kamen diese Rufe auf: Die CSU soll bundesweit kandidieren bis hinauf nach Lübeck oder Fehmarn! hat mich 1976, als wir den Beschluß von Kreuth faßten, zu Hause angerufen und gesagt: "Lieber Herr Zimmermann, von meinem Wahlkreis Fehmarn treten drei Viertel zur CSU über." Das war die Lage, Herr Tresselt. Es war ja nicht Jux und Tollerei, daß die "unerträgliche", die "kühne", die "aberwitzige" CSU nun ausschwärmt und das Reich erobert. Statt dessen war es so, daß uns die Leute gerufen haben. Ich bin ja von Lübeck bis Hamburg in Versammlungen gewesen, auf denen mich Tausende von CDU-Anhängern erwartet und gesagt haben, daß jetzt endlich das Heil aus München ankäme. Tresselt: Daran hat sich ja so viel nicht geändert. Denn auch heute noch kommen die Menschen aus Norddeutschland oder aus den neuen Bundesländern in die Passauer Nibelungenhalle zum politischen Aschermittwoch. Aber die Frage haben Sie noch nicht richtig beantwortet: Können Sie sich das vorstellen? Zimmermann: Ich war immer ein Anhänger von Kreuth. Ich war immer ein Anhänger der Trennung. Ich bin es auch geblieben, als die Wiedervereinigung kam: Die CSU hätte wenigsten in Sachsen, in Thüringen und in Sachsen-Anhalt, also in den drei südlichen neuen Bundesländern, als CSU gegründet werden müssen - und nicht als DVU oder sonst irgendwie. Das hätte nach meiner Meinung sehr viel bewirkt. Diese Rufe werden auch immer wieder kommen. Jetzt sind diese Rufe dadurch ersetzt worden, daß man mit Edmund Stoiber das erste Mal – Franz Josef Strauß wird in seinem Grab davon träumen – wirklich erwägt, einen CSU-Menschen zum Kanzlerkandidaten zu machen. Tresselt: Wenn wir hier schon von den Kanzlerkandidaten und der CSU sprechen, dann müssen wir doch noch einmal auf die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß zu sprechen kommen. Er hat diese Wahl, wie wir alle wissen, zum Schluß verloren, wenn auch knapp mit 44 zu 46 Prozent. Danach soll es angeblich einen gewissen Bruch zwischen Ihnen und Strauß gegeben haben, weil er Ihnen vorgeworfen hat, Sie hätten ihn zur Kanzlerkandidatur getrieben. Ist das richtig so? Zimmermann: Es ist halb richtig. Ich habe ihm zur Kanzlerkandidatur geraten, als wir in Bonn bei einem Empfang des Bundestags waren und dabei erfuhren, daß die CDU in ihrem Präsidium, ohne uns ein Wort zu sagen, Ernst Albrecht aus Niedersachsen zum Kanzlerkandidaten für das Jahr 1980 machen wollte. Richtig ist, daß wir dann - das war nicht nur ich, sondern auch Edmund Stoiber, der damals Generalsekretär der CSU war – gesagt haben, daß die Kandidatur von Franz Josef Strauß nun stattfinden muß: Diese Kandidatur muß ja einmal geschehen. Wir sagten: "Bevor Ernst Albrecht das macht - ein netter Mensch, aber im Vergleich zu diesem alten Löwen nur ein Witz –, muß nun diese Kandidatur geschehen." So haben wir Strauß dazu bestimmt, und er hat das dann auch gemacht. Die Sache endete dann ja auch wirklich ehrenvoll. Tresselt: Kommen wir zum Thema Europa, denn darauf sollten wir vielleicht auch noch ein paar Sätze verwenden. Die gemeinsame Währung hat nun schon begonnen in Europa und wird sicherlich bald ganz vorhanden sein. Zwischen Kommission und Parlament gibt es ein paar Reibereien: Wie sehen Sie die Zukunft für uns in Europa? Zimmermann: Es gibt kein Zurück: Der Euro kommt. Wenn der Euro kein Erfolg wird, dann kann man Europa vergessen, denn dann fällt alles auseinander. Das heißt, die europäischen Regierungen und die EU sind zum Erfolg verdammt. Ich hoffe nur, daß das auch jeder weiß. Auch die Anziehungskraft, die die EU auf die osteuropäischen Staaten entwickelt, wäre verloren und ganz Europa wäre neu gespalten, wenn der Euro keinen Erfolg hat. Die Russen haben in der heutigen Zeit nun wahrlich gar keinen Grund zu jubilieren: Es geht ihnen so miserabel, daß man sich das hier kaum vorstellen kann. Aber sie würden neue Hoffnungen hinsichtlich eigener Großmachtideen schöpfen, wenn Europa scheitern würde. Den Leuten, die sich nun aufregen, weil der Dollar den Kurs des Euro nach unten korrigiert, kann ich nur sagen: Es ist überhaupt kein Anlaß zur Aufregung vorhanden. Denn wir haben diese Währung ja noch nicht in Wirklichkeit, und das, was heute geschieht, sind nur Gradmesser. Es geht eben zur Zeit in den Vereinigten Staaten in der Wirtschaft alles viel besser als bei den europäischen Staaten: Das ist der Grund für diese Einpendelung des Euro gegenüber dem Dollar. Es gibt also keinen Grund zur Besorgnis. Wir müssen das schaffen, und wir werden das schaffen. Tresselt: Die europäische Kommission ist ja quasi die europäische Regierung. Da gibt es nun alle möglichen Vorwürfe: Die einzelnen Länder werden unterdrückt, weil sie Vorgaben erhalten, die wir vielleicht nicht nachvollziehen wollen. Das Parlament sei zu wenig demokratisch legitimiert. Wird sich das in unserem Sinne verbessern? Zimmermann: Das muß sich verbessern, denn das, was nun in der Kommission geschehen ist und auf das ich im einzelnen gar nicht eingehen will, läßt sich ja eigentlich nur noch mit dem „Internationalen Olympischen Komitee“ vergleichen – und einen härteren Vorwurf kann man kaum erheben. Des weiteren müssen die Kommission, die Ministerräte und das Parlament in einer ganz anderen Weise neu organisiert werden. Aber wenn das Parlament schon einmal die Chance hat, mit seinen 623 Mitgliedern der Kommission das Mißtrauen auszusprechen, wozu der Anlaß ja vorhanden gewesen wäre, dann macht es das nicht. Tresselt: Herr Dr. Zimmermann, es ist ein so interessantes Gespräch, daß es mir wirklich schwer fällt, Schluß zu machen. Aber man sollte wohl am Ende noch ein paar private Sätze anfügen: Sie sind zum dritten Mal verheiratet, haben zwei Kinder und sind katholisch. Gibt es denn in einem oder in zwei Sätzen ein Lebensmotto von Ihnen? Zimmermann: Ich nehme das Lebensmotto, das Franz Josef Strauß einmal geprägt hat: "Dankbar rückwärts, zufrieden jetzt und gläubig aufwärts." Tresselt: Ich bedanke mich für das Gespräch. Ihnen, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, noch einen schönen Tag. Das war Alpha-Forum, bis zum nächsten Mal, auf Wiedersehen.

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