Zeitschrift des Schweizerischen Schweizerischen des Zeitschrift Zwischen Kunst und Kommerz und Kunst Zwischen Bühnenkünstlerverbandes Schweizer Theatertreffen Schweizer Schweizer Filmpreis Schweizer Stellenmeldepflicht Hören & Staunen &Staunen Hören Suchen & Finden &Finden Suchen April –Juni 2019April Die Vorlesbar Nummer 104Nummer ENSEMBLE Wallis ins Ab Editorial

Liebe SBKV-Mitglieder, Inhalt liebe Leserschaft Editorial ...... 2 Als ich im vergangenen Jahr im «Ensemble» SBKV-News ...... 3 einen Artikel zum Zerfall der Schauspielergagen Schweizer Filmpreis ...... 4 in der Werbebranche schrieb, löste das einige Schweizer Theatertreffen ...... 8 Reaktionen aus. Oftmals wurde ich direkt Stellenmeldepflicht ...... 12 darauf angesprochen. Unter anderem auch von Seitenbühne, Schweri macht's leicht ...... 15 einem Schauspielkollegen, der bereit gewesen war, unter den Gagen- Vorlesbar Zürich ...... 16 Richtwerten des SBKV eine Fernsehwerbung zu drehen. Er fühlte sich Nachrufe ...... 19 durch den Artikel persönlich angegriffen, was zu einem Nachrichten ...... 20 sehr interessanten Gespräch zwischen uns führte. RhEAL-TALK ...... 21 Nachrichten ...... 22 Wie sehen Sie das, verehrte SBKV-Mitglieder? Welche Bedingungen Neue Mitglieder ...... 23 müssten für Sie erfüllt sein, damit Sie bereit wären, unter Tarif zu arbeiten? Kann eine tief empfundene Wertschätzung eines Auftraggebers Ihre Gage vielleicht senken oder gar ersetzen? Braucht es einen guten Zweck? Eine gute Absicht ? Ich habe versucht, die Debatte diesmal aus einem anderen Blickwinkel als im vergangenen Herausgeber: Jahr zu betrachten. Herausgekommen ist dabei ein Bericht über einen Schweizerischer Ort in Zürich, wo regelmässig Geschichten vorgelesen werden. (Seite 16) Bühnenkünstlerverband SBKV Kasernenstrasse 15 · 8004 Zürich Ebenfalls berichtete das «Ensemble» im vergangenen Jahr über die Telefon 044 380 77 77 Einführung der Stellenmeldepflicht – eine Massnahme, die im Zuge der Telefax 044 380 77 78 Masseneinwanderungsinitiative vom Parlament beschlossen worden www.sbkv.com · [email protected] war und die den Zugang zu offenen Stellen für inländische Arbeitslose erleichtern soll. Neun Monate nach ihrer Einführung hat sich das Geschäftsleiterin: «Ensemble» umgehört, ob bereits erste Auswirkungen der Stellen- Salva Leutenegger meldepflicht für arbeitslose Schauspielerinnen und Schauspieler spürbar sind. Es sind dabei einige spannende Aussagen zusammengekommen. Redaktion: (Seite 12) Rolf Sommer (rs)

Ausserdem berichten wir in dieser Ausgabe über den Schweizer Gestaltung: Filmpreis und das Schweizer Theatertreffen – zwei sehr unterschiedliche Christian Knecht, www.vasistas.ch Veranstaltungen mit unterschiedlichen Ausstrahlungen. Während die Filmpreise vom Bundesamt für Kultur in diesem Jahr bereits vergeben Korrektorat: wurden, steht das Theatertreffen im Mai noch aus. Das «Ensemble» Christina Pusterla hat sich mit der Leiterin des Theatertreffens unterhalten. Lesen Sie das Interview auf Seite 11. Auflage: 1‘350 Exemplare Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und hoffentlich anregende Gedanken mit unserem Frühlingsheft! Titelbild: COCO - EIN TRANSGENDERMUSICAL Ihr Rolf Sommer Text: Alexander Seibt Musik & Lyrics: Markus Schönholzer Konzert Theater Bern Foto: Annette Boutellier

2 SBKV-News

Auch 2019 wieder: Der SBKV unterstützt Sie Mitglieder werben Mitglieder bei Ihrer Weiterbildung! Wussten Sie, dass Sie bei erfolgreicher Vermittlung eines Planen Sie eine Weiterbildung? Stehen Sie gerade neuen Mitgliedes vom SBKV eine Prämie erhalten? Erzählen zwischen zwei Engagements? Wäre es wieder einmal Sie Ihrem Bekannten- und Freundeskreis von uns! Wenn an der Zeit für ein individuelles Coaching? Der SBKV das Neumitglied bei uns aufgenommen ist, bedanken wir unterstützt Sie dabei mit folgenden drei Optionen: uns mit einer Prämie von 50 Franken. Sie sollten das Neu- mitglied unbedingt darauf hinweisen, dass es Sie mit Name 1. Wir beteiligen uns mit 100 Franken an Ihrer und Vorname auf dem Beitrittsformular erwähnt! individuellen Weiterbildung, sofern sie einen beruflichen Hintergrund hat. Informationen zur Mitgliedschaft (Aufnahmekriterien, Mitgliederbeiträge etc.) gibt es auf unserer Webseite. 2. SchauspielerInnen und TänzerInnen profitieren von unserer Kooperation mit dem Kulturmarkt: Auch wer nicht arbeitslos gemeldet ist, kann sich als SBKV- Mitglied beim Kulturmarkt für ein Coaching anmelden. Leitfaden für Der SBKV beteiligt sich hierfür pro Jahr mit Auslandsengagements 200 Franken. in Deutschland

3. SängerInnen unterstützt der SBKV ebenfalls mit Die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger einen Beitrag von 200 Franken an ein Training mit (GDBA) hat in Absprache mit dem SBKV einen Leitfaden Korrepetitoren. Dieses Angebot gilt nur für folgende für Theaterschaffende erarbeitet, die ein befristetes vom SBKV ausgewählte Korrepetitoren: Engagement in Deutschland eingehen. Der umfassende • Zürich: Yulia Levin Leitfaden enthält nützliche Informationen zu den ver- E-Mail: [email protected] schiedenen Vertragsarten an den Bühnen, Sozialversi- Tel: 079 962 52 09 cherungen, Steuern etc. Der Leitfaden kann auf unserer • Zürich: Anna Hauner Webseite eingesehen werden. E-Mail: [email protected] Tel: 078 753 02 51 • Basel: Iryna Krasnovska E-Mail: [email protected] Tel: 076 593 21 33 Newsletter beachten! • Basel: Leonid Maximov E-Mail: [email protected] Ein wichtiger Informationskanal zu unseren Mitgliedern ist Tel: 061 311 55 19 unser SBKV-Newsletter, den wir Ihnen per E-mail zukom- men lassen. Darin finden sich immer wieder Informationen, Bitte beachten Sie, dass die drei Angebote nicht miteinander die weder auf unserer Homepage einsehbar noch im «En- kumulierbar sind. Für die Auszahlung senden Sie uns bitte semble» abgedruckt werden. Beispielsweise Ausschreibun- nach erfolgter Teilnahme eine Bestätigung sowie Ihre Bank- gen für Workshops, Castings oder Auditions. Es lohnt sich verbindung. also, den Newsletter immer genau zu beachten!

3 (rs) An der Verleihung der Schweizer Film preise wurden der Spielfilm «Ceux qui - travaillent» und der Dokumentarfilm «Chris the Swiss» je dreimal ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand im Bâtiment des Forces Motrices in Genf statt, in Anwesen heit von Bundesrat Alain Berset. -

Der Regisseur und Drehbuchautor Antoine Russbach durfte mit seinem ersten langen Spielfilm «Ceux qui travaillent» auf Anhieb zwei Schweizer Filmpreise persönlich entgegenneh men: den Hauptpreis für den besten Spielfilm - und denjenigen für das beste Drehbuch. Hinzu kommt die Auszeichnung für die beste Dar stellung in einer Nebenrolle, welche Pauline- Schneider für ihre Interpretation der «Hilde» erhielt. Das sozialkritische Drama über die moderne Arbeitswelt mit dem belgischen Film star Olivier Gourmet in der Hauptrolle wurde - erstmals 2018 am Locarno Film Festival ge zeigt. Danach war die schweizerisch-belgische- Koproduktion an mehreren internationalen Festivals zu sehen, unter anderem in Kopen hagen (DK), in Namur (B) und in Angers (F), wo- Russbach den Publikumspreis erhielt.

Joel Basman gewinnt Darstellerpreis

Mit vier Nominationen und drei gewonnen Schweizer Filmpreisen war «Ceux qui travail lent» der Abräumer des Abends. Enttäuschend- verlief die Verleihung hingegen für Michael Steiners Film «Wolkenbruch», der mit fünf Nominationen als klarer Favorit gegolten hatte. Die Komödie rund um einen jungen, jüdisch-orthodoxen Mann, der sich in eine Nichtjüdin verliebt, kommt zwar beim Schwei zer Kinopublikum äusserst gut an, konnte aber- nur in einer Kategorie punkten: Joel Basman, der im Film die Hauptrolle des «Motti Wol kenbruch» spielt, gewann den Preis für den- besten Darsteller. Beste Darstellerin wurde die Schweizer Film- und Theaterschauspielerin Judith Hofmann. Sie wurde für ihre Verkörpe rung der Ruth im Film «Der Unschuldige» von - Simon Jaquemet ausgezeichnet. Überraschende Sieger beim Schweizer Filmpreis «Wolkenbruch» und «Zwingli» von Erstlingswerk übertrumpft 4 Dreifache Auszeichung auch für Dok-Erstling

Ein weiterer prominenter Film, der zwar an den - Kinokassen abräumt aber beinahe leer ausge gangen wäre, ist «Zwingli». Er gewann lediglich den Spezialpreis für sein beeindruckendes und bildgewaltiges historisches Design. Zum besten Dokumentarfilm erkoren wurde «Chris the Swiss» von Anja Kofmel. Ihr Erstlingsfilm, der bereits auf renommierten, internationalen Filmfestivals zu sehen war, spürt dem Tod ihres Cousins Chris nach, der im Jugoslawienkrieg ums Leben gekommen ist. Anja Kofmels Werk beeindruckt dabei sowohl inhaltlich als auch in der formalen Umsetzung unter Einbezug von animierten Szenen. «Chris the Swiss» konnte entsprechend noch zwei weitere Schweizer Filmpreise abstauben, nämlich die für die beste Filmmusik und die beste Montage.

International erfolgreicher Schweizer Kurzfilm

Wenig überraschend war die Verkündung des Gewinners in der Kategorie «Bester Kurzfilm»: - Das Werk «All inclusive» von Corina Schwingru - ber Ilić feierte bereits Erfolge an den bedeu tendsten internationalen Festivals wie Venedig, Toronto, Sundance und IDFA und räumte dabei eine Vielzahl von begehrten Preisen ab. Der - Schweizer Filmpreis vervollständigt fast erwar tungsgemäss diese beeindruckende Liste.

Ehrenpreis für Schweizer Kulturvermittlerin

Highlight des Abends war gewiss die Ver- leihung des Ehrenpreises an Beki Probst, - welche von den Anwesenden mit lang anhal tenden stehenden Ovationen bedacht wurde. Die charmante, umtriebige und eloquente Kinofachfrau aus Bern gründete einst in Berlin den «European Film Market», der heute zu den wichtigsten Filmmessen der Welt zählt. Als film- und kulturpolitisches Schwergewicht ist sie stets ein gern gesehener Gast auf allen berühmten internationalen Filmfestivals. Erst letztes Jahr erhielt sie an den Filmfestspielen Was kann man gewinnen? in Berlin die Auszeichnung «Berlinale Kamera» Alle Nominierten bekommen ein Preisgeld (Höhe für ihre jahrzehntelange Arbeit zugunsten der der Preisgelder: siehe Liste der Nominierten und Filmindustrie. Gemäss Medienmitteilung des Gewinner). Für den Gewinn in der jeweiligen - Kategorie werden keine zusätzlichen Gelder Bundesamtes für Kultur erhielt sie den Ehren ausgerichtet. Die Gesamtsumme aller Preisgelder preis für «ihr herausragendes Lebenswerk in beträgt 477'500 Franken. der Filmkulturvermittlung». In den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm, «Wolkenbruch» und «Zwingli» Kurzfilm und Animationsfilm gehen je eine Urkunde und eine Trophäe «Quartz» an die Regisseurin oder den Regisseur sowie an die von Erstlingswerk übertrumpft Produktionsfirma. 5 LISTE DER NOMINIERTEN & GEWINNER Die Gewinner sind jeweils an erster Stelle aufgeführt. : je Nomination CHF. 25'000.– BESTER SPIELFILM von Antoine Russbach • Ceux qui travaillent (Box Productions sàrl, Elodie Brunner, Elena Tatti, Thierry Spicher) • Der Läufer von Hannes Baumgartner (Contrast Film Bern GmbH, Stefan Eichenberger, Ivan Madeo) • Der Unschuldige von Simon Jaquemet (8horses GmbH, Tolga Dilsiz, Aurelius Eisenreich) • Fortuna von Germinal Roaux (VEGA Production, Ruth Waldburger) von Michael Steiner • Wolkenbruch (Turnus Film AG, Anita Wasser, Hans G. Syz, Michael Steiger) : je Nomination CHF. 25'000.– BESTER DOKUMENTARFILM • Chris the Swiss von Anja Kofmel (Dschoint Ventschr Filmproduktion AG, Samir, Sereina Gabathuler) • Eldorado von Markus Imhoof (Thelma Film AG, Pierre-Alain Meier) • #Female Pleasure von Barbara Miller (Mons Veneris Films GmbH, Philip Delaquis) • Genesis 2.0 von Christian Frei, Maxim Arbugaev (Christian Frei Filmproduktion GmbH, Christian Frei) von Stéphanie Chuat, Véronique Reymond • Les dames (Association Climage, Stéphane Goël) : je Nomination CHF. 10'000.– BESTER KURZFILM von Corina Schwingruber Ilić • All inclusive (freihändler Filmproduktion GmbH, Stella Händler) • Bacha posh von Katia Scarton-Kim (INred Production, Janine Piguet, Thierry Pradervand) • Bonobo von Zoel Aeschbacher (Nouvelle Tribu, Yasmine Abd El Aziz) • Schächer von Flurin Giger (Giger Brüder, Flurin Giger, Silvan Giger) • Valet Noir von Lora Mure-Ravaud (Alva Film Production sàrl, Britta Rindelaub) je Nomination CHF. 10'000.– BESTER ANIMATIONSFILM • Selfies von Claudius Gentinetta (Gentinettafilm, Claudius Gentinetta) • Coyote von Lorenz Wunderle (YK Animation Studio GmbH, Lukas Pulver, Ramon Schoch) • The Flood is Coming von Gabriel Böhmer (Gabriel Böhmer) je Nomination CHF. 5'000 .– BESTES DREHBUCH - Ceux qui travaillent • Antoine Russbach- Der Unschuldige • Simon Jaquemet - Wolkenbruch • Thomas Meyer je Nomination CHF. 5'000.– BESTE DARSTELLERIN (Ruth) in Der Unschuldige • Judith Hofmann • Julia Föry (Léa Pearl) in Pearl • Sarah Sophia Meyer (Anna) in Zwingli je Nomination CHF. 5'000.– BESTER DARSTELLER Wer vergibt den Schweizer Filmpreis? • Joel Basman (Motti) in Wolkenbruch • Max Hubacher (Jonas) in Der Läufer Das Eidgenössische Departement des Innern wählt • Max Simonischek (Zwingli) in Zwingli eine fünfköpfige Kommission aus den Mitgliedern der Schweizer Filmakademie. Diese spricht die BESTE DARSTELLUNG IN EINER NEBENROLLE Nominationen basierend auf den Empfehlungen je Nomination CHF. 5'000.– (Hilde) in Ceux qui travaillent • Pauline Schneider der rund 440 Mitglieder der Akademie aus. (Frau Silberzweig) in Wolkenbruch • Sunnyi Melles • Noémie Schmidt (Laura) in Wolkenbruch Die von Ivo Kummer, Leiter Sektion Film BAK, je Nomination CHF. 5'000.– BESTE FILMMUSIK präsidierte Nominationskommission setzte sich Chris the Swiss • Marcel Vaid - dieses Jahr aus folgenden Akademie-Mitgliedern • Peter Scherer - Eldorado zusammen: • Peter Scherer - #Female Pleasure • Pierre Monnard je Nomination CHF. 5'000.– Regisseur, Châtel-St-Denis BESTE KAMERA - Eldorado • Peter Indergand • Lisa Blatter • Denis Jutzeler - Ceux qui travaillent Regisseurin und Produzentin, Zürich • Gabriel Sandru - Der Unschuldige • Marco Ettore Zucchi je Nomination CHF. 5'000.– BESTE MONTAGE Journalist und Filmkritiker, Mendrisio - Chris the Swiss • Stefan Kälin • Ruedi Schick • Isabel Meier - #Female Pleasure Produzent, Zollikon • Jean-Luc Godard - Le livre d'image je Nomination CHF. 2'500.– • Delphine Jeanneret BESTER ABSCHLUSSFILM Festivalkuratorin und Projektverantwortliche • Les heures-encre von Wendy Pillonel an der HEAD, Lausanne. (Zürcher Hochschule der Künste ZHdK) • Fast alles von Lisa Gertsch Die Ehrung des einheimischen Filmschaffens wird (Zürcher Hochschule der Künstevon Andreas ZHdK) Muggli • Hamama & Caluna vom Bundesamt für Kultur BAK mit den Partnern (HSLU Studienbereich Video) : CHF. 5'000.– SRG SSR und der Association «Quartz» Genève Zürich realisiert und in Zusammenarbeit mit Swiss SPEZIALPREIS DER AKADEMIE(Kostümbildnerin) und die • An Monika Schmid für das überzeugende Films, der Schweizer Filmakademie und den Solo- Su Erdt (Szenenbildneri) thurner Filmtagen organisiert. Die Preisverleihung und bildgewaltige historische Design in «Zwingli». findet seit 2013 abwechslungsweise in den Städten : CHF. 30'000.– EHRENPREIS Genf und Zürich statt. • An Beki Probst für ihr herausragendes 6 Lebenswerk in der Filmkulturvermittlung. Kommentar zum Schweizer Filmpreis Die träge Familienfeier

(rs) Die Verleihung der Schweizer Filmpreise durch das Bundesamt für Kultur (BAK) könnte für die Schweizer Filmbranche das glamouröse Highlight des Jahres sein. Das Geld und die Prominenz wären vorhanden. Die inhaltliche Relevanz auch. Doch dem Anlass fehlt der Sexappeal.

Von aussen betrachtet scheint es, als wolle da eigentlich gar niemand so gerne hingehen. Aber wenn das Bundes- amt für Kultur die Schweizer Filmszene zusammenruft und Preisgelder im Wert von fast einer halben Million Franken unter den Anwesenden verteilt, dann wäre es doch unhöf- lich, dieser Einladung nicht zu folgen. Die jährliche wieder- kehrende «Familienfeier» zwingt zu hübschen Kleidern und guter Laune, doch mag irgendwie keine echte Partystim- mung aufkommen. Woran mag das liegen? Am fehlenden internationalen Flair des Filmfestivals in Locarno? An der fehlenden Weinseeligkeit der Solothurner Filmtage? Viel- leicht an der fehlenden unverkrampften Grossspurigkeit des Zurich Film Festivals? Zugegeben: ein Festival ist nicht dasselbe wie eine Preisverleihung. Aber man muss den Schweizer Filmpreis nicht gleich mit den «Oscars» verglei- chen, um zu merken, dass ihm jener Zauber fehlt, der sich andernorts unter den Gästen breitmacht und das Interes- se der breiten Öffentlichkeit auf sich zieht. Filmakademie gegenüber kommerziellen Erfolgen und die fast neurotisch anmutende Scheu vor Mainstream haben Die Betrübnis der Medien wohl tatsächlich schon den einen oder anderen Schweizer «Die Kassenschlager gehen leer aus» - so uncharmant Filmschaffenden um eine wohlverdiente Ehrung gebracht. betitelte die «NZZ» ihren Bericht über die Verleihung des Das mag im Einzelfall zwar bedauerlich sein, führt aber Filmpreises. Die Show habe «über weite Strecken träge» immerhin zu spannenden Überraschungen und beflügelt gewirkt, schnödete der «Tagesanzeiger». Und auf «SRF die Karriere von neuen, noch unbekannten Künstlerinnen online» - einem Portal, das der Schweizer Filmbranche und Künstlern. Wirklich blöd ist hingegen, dass die Nei- durchaus zugetan sein sollte - stellte man sogar ungeniert gung zum Sperrigen, Unbequemen und Intellektuellen die Frage, für wen und warum dieser Anlass organisiert den Schweizer Filmpreis so unsexy macht. Er vermiest sich werde und ob man vielleicht einen Publikumspreis einfüh- selbst dadurch nicht nur eine lustvolle, glamouröse Party ren sollte, «damit erfolgreiche Filme wie ‘Die kleine Hexe’ sondern riskiert auch das öffentliche Interesse und die oder ‘Papa Moll’ gewürdigt werden könnten». wohlverdiente Zuneigung des Schweizer Kinopublikums.

Verlust des öffentlichen Interesses Tatsächlich ist auffallend, wie sehr sich der Geschmack des Kinopublikums von dem der Schweizer Filmakademie unterscheidet. Geradezu treffsicher zeichneten die 440 Mitglieder des ehrenvollen Gremiums sowie die vom Eidgenössischen Departement des Innern ernannte Kommission in diesem Jahr Filme aus, die an den Kino- kassen kaum Beachtung fanden, während die Publikums- lieblinge beinahe leer ausgingen. Die Skepsis der Schweizer

7 Sechstes Schweizer Theatertreffen Zu Gast im Kanton Wallis

Ziel des Schweizer Theatertreffens ist es, die prägnantesten, wegwei- sendsten, bemerkenswertesten Theaterproduktionen der auslaufen- den Saison zu würdigen und im Rahmen eines viertätigen Festivals einem überregionalen Publikum zu präsentieren. Es werden dabei sowohl Inszenierungen von etablierten Häusern als auch aus der freien Szene sowie Produktionen aus allen Landesteilen berücksichtigt. Um sprachliche Barrieren abzubauen, zeigt man die auserwählten Stücke mit einer durchwegs eingeblendeten Übersetzungshilfe. Damit gelingt es den Veranstaltern, erstmals so etwas wie eine gesamtschweizerische Theaterszene zu etablieren und weit über die Sprachregionen hinaus den Austausch unter den Theaterschaffenden dieses Landes zu för- dern. Kein anderes Festival kann Ähnliches von sich behaupten.

Rendezvous der Theaterbranche Es erstaunt deshalb nicht, dass sich das Schweizer Theatertreffen schon nach fünf Ausgaben zu einem besonders bedeutenden Event im nationalen Kulturkalender gemausert hat. Die stilistische Bandbreite der ausgewählten Produktionen ist in der Regel enorm und beweist ein- drücklich die grosse Vielfalt der Schweizer Theaterlandschaft. Man darf davon ausgehen, dass sich die Veranstaltung in den kommenden Jahren zu einem Ereignis entwickelt, das deshalb niemand aus der Theater- branche mehr verpassen möchte.

Theatertreffen auf Tournée Dass sich die Organisatoren nicht für einen fixen Austragungsort entschieden haben, sondern mit dem aufwändigen Anlass jedes Jahr in einer anderen Stadt oder Region zu Gast sind, ist der Etablierung des Theatertreffens als wiederkehrender Event vielleicht nicht unbedingt zuträglich – zumindest nicht im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Der Entscheid zeugt aber vom unbedingten Willen, die unterschiedli-

8 (rs) Vom 22. bis 26. Mai findet die sechste Ausgabe des Schweizer Theatertreffens statt. Das achtköpfige Kuratorium, bestehend aus Kulturjournalistinnen und -journalisten sowie Theaterfachleuten aus den verschiedenen Schweizer Sprachregionen, hat erneut aus über zweihundert Schweizer Theaterproduktionen der vergangenen Saison sieben besonders herausragende ausgewählt und zur gemeinsamen Werkschau eingeladen. Erstmals findet Zu Gast im Kanton Wallis die Veranstaltung im Wallis statt.

chen Sprachregionen gleichwertig zu behandeln und damit von Anfang an ein gesamtschweizerisches Interesse an diesem noch jungen Kultu- revent zu fördern.

Stetig wachsendes Rahmenprogramm Während die unterschiedlichen Austragungsorte in den Genuss kom- men, ihren Einwohnern in vier Tagen die Highlights des nationalen Thea- terschaffens präsentieren zu können, empfiehlt sich das Theatertreffen gerade durch seinen dezentralen Charakter als sprach- und kulturüber- greifendes Branchenmeeting. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das Schweizer Theatertreffen ist auch sein stetig wachsendes Rah- menprogramm. Es beinhaltet Podiumsdiskussionen, Workshops, Vorträ- ge oder Brunches und bietet sowohl den teilnehmenden Theaterleuten als auch dem interessierten Fachpublikum eine Vielzahl von Möglichkei- ten, sich auszutauschen und zu vernetzen. 2017 wurde ausserdem das «Forum junger Theaterschaffender» ins Leben gerufen. Es ermöglicht einer Gruppe von unter 35jährigen Theaterprofis, die Werkschau und das Rahmenprogramm vier Tage lang zu begleiten und unterstreicht damit zusätzlich den diskursiven Anspruch der Organisatoren.

Im Fokus der Medien Eng mit dem Schweizer Theatertreffen verknüpft ist die Verleihung der Schweizer Theaterpreise durch das Bundesamt für Kultur (BAK). Obwohl die beiden Veranstaltungen organisatorisch voneinander unabhängig sind, nutzt das BAK beinahe traditionsgemäss das Thea- tertreffen als ideale und würdige Plattform, um alljährlich die heraus- ragendsten Theaterschaffenden und Institutionen unseres Landes auszuzeichnen. Gleichzeitig erlangt das Theatertreffen dadurch eine zu- sätzliche mediale Aufmerksamkeit, die man keinesfalls missen möchte.

9 Die sieben ausgewählten Theaterproduktionen am Schweizer Theatertreffen 2019

Antigone :: Comeback Eine Probe mit Weigel und Brecht Text/Konzeption: Alexandra Althoff, Lothar Kittstein, Bernhard Mikeska (RAUM+ZEIT) Regie: Bernhard Mikeska Produktion: Theater Chur, RAUM+ZEIT

Café Populaire Text: Nora Abdel-Maksoud Regie: Nora Abdel-Maksoud Produktion: Theater Neumarkt, Zürich

Coco - Ein Transgendermusical Text & Story: Alexander Seibt Songs & Lyrics: Markus Schönholzer Regie: Stefan Huber Produktion: Konzert Theater Bern

Gaia Gaudi Von und mit: Gardi Hutter & Co. Regie: Michael Vogel Koproduktion mit Theater am Hechtplatz, Zürich, LuganoInScena, Lugano, Theaterhaus Stuttgart

Les Misérables Text: Eric Devanthéry nach Victor Hugo Regie Eric Devanthéry Produktion: Cie Utopia, Genf

Phèdre! Text: François Gremaud nach Jean Racine Regie: François Gremaud Produktion: 2b company, Lausanne, Théâtre Vidy-Lausanne

Sara - Mon Histoire Vraie (1) Text: Ludovic Chazaud Regie: Ludovic Chazaud Produktion: Cie Jeanne Föhn in Koproduktion mit Théâtre de la Grange de Dorigny,

Fotos: Annette_Boutellier,Fotos: Holzmann, Barbara H. Braun, Sabine Wunderlin, Nguyen, Cloan Vincensini Cédric UNIL et Petitthéâtre de Sion

10 Im Gespräch mit der Leiterin des Schweizer Theatertreffens «Es gibt keine Identität des Schweizer Theaters.»

(rs) Kathrin Lötscher ist die Geschäftsleiterin des Schweizer Ist es überhaupt möglich, sich in den vier Festivaltagen Theatertreffens. Die studierte Kulturwissenschaftlerin und alle sieben eingeladenen Produktionen anzusehen? Kulturmanagerin gehörte schon bei der ersten Ausgabe Das ist theoretisch möglich, aber natürlich sehr anstrengend. 2014 in Winterthur zum Organisationsteam. Das diesjährige Insbesondere weil dieses Jahr unsere vier Spielstätten im Wallis Theatertreffen im Wallis wird das dritte unter ihrer Leitung sehr weit auseinanderliegen. Es gibt immer einen harten Kern sein. Das «Ensemble» hat sich mit ihr unterhalten. von Festivalliebhabern, die sich das nicht entgehen lassen. In der Regel treffen unsere Besucherinnen und Besucher aber eine Was darf das Publikum vom diesjährigen Schweizer Auswahl. Theatertreffen erwarten? Das Theatertreffen ist immer stark geprägt vom Wie wählt Ihr Eure Stücke aus? jeweiligen Austragungsort und von den eingeladenen Unser Kuratorinnen und Kuratoren sind das ganze Jahr am Theaterproduktionen. Jede Ausgabe hat ihren eigenen Visionieren. Für sie bedeutet das einen grossen zeitlichen Charakter und stellt uns vor neue Herausforderungen. Im Aufwand. Natürlich können sich nicht alle acht Mitglieder Wallis verteilt sich der Anlass auf die vier Standorte Monthey, des Kuratoriums sämtliche Theaterproduktionen der Sion, Sierre und Visp. Der viertätige Festivalpass kostet Schweiz ansehen. Man teilt sich deshalb regional auf. Die 50.- Franken und berechtigt zum Benutzen des öffentlichen Inszenierungen, die in die engere Wahl kommen, werden aber Verkehrs, um von einem Standort zum anderen zu gelangen. von allen angeschaut – wenn nötig sogar per Videolink. Das gab es bisher noch nie! Spielt es eine Rolle, ob unter den Theaterproduktionen, Gibt es denn bereits so etwas wie ein Stammpublikum? die am Ende eingeladen werden, alle Landessprachen Das gibt es tatsächlich. Dabei handelt es sich vor allem um und sowohl die etablierten Häuser als auch die freie professionelle Theaterschaffende, die unser Festival bereits Szene vertreten sind? liebgewonnen haben. Dennoch sind wir sehr auf das lokale Wir legen sicherlich Wert auf eine gute Durchmischung, denn Publikum an den jeweiligen Austragungsorten angewiesen. eines unserer erklärten Ziele ist es, die Vielfalt des Schweizer Dieses müssen wir uns jedes Jahr neu erarbeiten und Theaters abzubilden. Wir möchten uns die Auswahl aber nicht kennenlernen. Wir können im Voraus kaum abschätzen, wie von einem vordefinierten Verteilschlüssel diktieren lassen. Eine unser Publikum auf die eingeladenen Theaterproduktionen Einladung ans Schweizer Theatertreffen soll eine Auszeichnung reagieren wird. sein und darf nicht von einer Quote abhängen.

Gab es Enttäuschungen? Gibt es denn so etwas wie eine gesamtschweizerische In Winterthur hatten wir eine grossartige fünfstündige Theateridentität? Theateraufführung aus Genf in unser Programm Nein, die gibt es nicht. Unser Merkmal ist wenn schon die aufgenommen. Die Zahl der Eintritte war für diese Vorstellung Vielfalt. leider sehr bescheiden. Aber solche Experimente sollen auch weiterhin bei uns Platz haben. Das Schweizer Theatertreffen hat sich in wenigen Jahren zu einem bedeutsamen Kulturevent entwickelt. Die eingeladenen Theaterproduktionen zeigen jeweils Was sind die nächsten Ziele? nur eine einzige Vorstellung? Natürlich wäre es schön, noch zu wachsen und jährlich mehr Das ist die Regel, ja. Es gibt aber auch Ausnahmen. Das Stück Theaterproduktionen einladen zu können. Aber das steht «ANTIGONE :: COMEBACK» haben wir dieses Jahr zum Beispiel momentan nicht im Vordergrund. Viel entscheidender ist, dass viermal auf dem Programm, weil die Zuschauer dort einzeln wir unser Renommée steigern und uns als wichtigster Szene- in die Vorstellung gehen. Natürlich wollen wir möglichst vielen Treff für Theaterschaffende in der Schweiz etablieren können. Leuten eine Chance geben, sich dieses Stück anzusehen.

11 Auswirkungen des Inländervorrangs

(rs) Im Sommer des letzten Jahres gab sie «landwirtschaftliche Gehilfen/Gehilfinnen» in den Medien viel zu diskutieren: die vom oder – als kleinste aller genannten Gruppen EineBund beschlossene Stellenmeldepflicht. politische– «Schauspieler/innen». Finte Von ihr betroffen sind nebst vielen ande- ren auch die Arbeitgeber der Schweizer Instrument für den «Inländervorrang» Schauspielerinnen und Schauspieler. Der Auf den ersten Blick mag es rätselhaft er- Aufschrei, der damals durch die Theater- scheinen, welchen regulierenden Effekt die branche ging, scheint bisher zum Glück Stellenmeldepflicht auf die Zuwanderung eher unbegründet. von ausländischen Arbeitskräften haben soll. Die Massnahme zielt aber effektiv auf Kann sich jemand noch an die «Massenein- den sogenannten «Inländervorrang» ab: In wanderungsinitiative» (MEI) erinnern? Vor der Schweiz wohnhafte Personen, die ar- fünf Jahren hat die Schweiz eine Initiative der beitslos gemeldet sind, sollen einen besse- SVP, die den Zustrom von ausländischen Ar- ren Zugang zu neuen Jobs erhalten und sich beitskräften in die Schweiz regulieren soll, mit vor allen anderen auf offene Stellen bewer- einer äusserst knappen Mehrheit gutgeheis- ben können. Gleichzeitig sollen Arbeitgeber sen. Das Abstimmungsresultat bringt Parla- auf inländische Stellensuchende aufmerk- ment und Behörden bis heute in Bedrängnis, sam gemacht werden, bevor sie allenfalls denn obwohl die SVP auf eine buchstabenge- Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren. treue Umsetzung des Volkswillens pocht und Nach wie vor entscheiden die Arbeitgeber bereits laut schimpfend mit der sogenannten aber völlig frei, wen sie letztlich einstellen «Begrenzungsinitiative» herumfuchtelt, lässt wollen. Darauf hat die Stellenmeldepflicht sich die MEI nicht verwirklichen, ohne bereits keinen Einfluss. Ob sich der gewünschte bestehende Verträge mit dem Ausland, insbe- Effekt einstellt, ist insbesondere in der Thea- sondere die Personenfreizügigkeit mit der EU terbranche mehr als fraglich. Neun Monate zu verletzen. Bisher hat die Schweiz deshalb nach in Kraft treten der neuen Regelung hat lediglich einzelne Massnahmen getroffen, um sich das «Ensemble» umgehört, ob bereits die Zuwanderung besser regulieren zu kön- erste Auswirkungen spürbar sind. Es kamen nen. Eine dieser Massnahmen ist die Stellen- unterschiedliche Aussagen zusammen. meldepflicht. Auswertung ist schwierig Neunzehn spezifische Berufsarten Lucie Hribal ist Leiterin Kommunikation beim Die Stellenmeldepflicht ist seit dem 1. Juli Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons 2018 in Kraft. Sie verlangt von Arbeitgebern, Zürich. Sie erklärt, dass eine statistische offene Stellen zuerst an die Regionalen Ar- Auswertung der Massnahmen sehr schwie- beitsvermittlungsbehörden (RAV) zu melden, rig ist und es vor Ablauf eines Jahres auch für bevor sie fünf Tage später öffentlich ausge- eine provisorische Beurteilung noch zu früh. schrieben werden dürfen. Diese Massnah- «Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit in den me gilt nur dann, wenn im Stellenangebot Künstlerberufen im vergangenen Jahr ge- Arbeitskräfte mit ganz spezifischen Berufen sunken», erklärt sie, betont aber gleichzeitig, gesucht werden. Die Liste dieser Berufe ist dass nicht klar ist, ob dieser Rückgang direkt auf der Homepage des Staatsekretariats für auf die Stellenmeldepflicht zurückzuführen Wirtschaft (SECO) einsehbar. Sie umfasst zur ist: «Es ist gut möglich, dass sich für arbeitslo- Zeit alle Berufe mit einer Arbeistlosenquote se Schauspieler und Schauspielerinnen bisher von 8% und höher. Insgesamt sind neunzehn nicht viel verändert hat. Die RAV machen den Berufsarten aufgelistet , darunter beispiels- Theaterproduzenten möglichst passgenaue weise «Servicepersonal», «PR-Fachleute», Kandidatenvorschläge. Ob sie dadurch

12 schneller ein Engagement finden, können wir aufwand hat sich für uns dadurch erhöht», sagt noch nicht beurteilen, da auf den Anstellung- Klara Piza, Leiterin des Pressebüros. «Wirk- Eine politischesentscheid verschiedene Faktoren einwirken.» Fintelich geändert hat sich aber nichts. Der Ent- scheid, wer am Haus eingestellt wird, obliegt Arbeitsämter in der Pflicht weiterhin der künstlerischen Leitung.» Auch befristete Anstellungen fallen in den be- troffenen Berufen unter die Stellenmeldep- Eine Frage der Definition flicht und sind in der Kulturbranche schon fast Ähnlich sieht das auch Markus Dinhobl, aus- die Regel. Angesprochen auf die besonderen führender Produzent und Mitglied der Ge- Arbeits- und Rekrutierungsbedingungen der schäftsleitung bei den Thunerseespielen, wo Kulturbranche, gibt Lucie Hribal zu bedenken, alljährlich grosse Musicalproduktionen auf die dass die Stellenmeldepflicht methodisch viel- Bühne gebracht werden – je nach Stück auch leicht nicht exakt auf die Bedürfnisse von oftmals unter der Beteiligung von vielen auslän- Schauspielerinnen und Schauspielern zuge- dischen Darstellerinnen und Darstellern. «Für schnitten erscheint. «Auch andere Branchen uns spielt es keine Rolle, ob wir unsere Audi- wie die Gastronomie nennen spezifische Be- tionausschreibungen zuerst ans RAV schick- sonderheiten, die sie von den gesetzlich vor- en», erklärt er dem «Ensemble». «Gesichtet geschriebenen Massnahmen nicht berück- werden die eingegangenen Bewerbungen oh- sichtigt sehen. Es gilt nun aber, die schweizweit nehin erst nach dem jeweiligen Anmeldesch- geltenden Regelungen umzusetzen und damit luss.» Man hält sich in Thun sicherheitshalber Erfahrungen zu sammeln.» an die Stellenmeldepflicht, obwohl nicht ganz klar ist, ob die Verordnung auch für Musi- Informieren statt kontrollieren caldarsteller gilt: «Das Berufsbild Musicaldar- Obwohl die Einhaltung der Stellenmeldepflicht steller gibt es für die Schweizer Behörden gar stichprobenartig überprüft wird, setzt das nicht. Deshalb wollte uns keiner Auskunft ge- Amt für Wirtschaft und Arbeit in der ersten ben, ob wir unter die neue Regelung fallen, Umsetzungsphase auf Beratung anstatt auf oder nicht. Nun liegt es also in unserem eige- Bussen. Hribal erklärt: «Wenn wir feststellen, nen Ermessen, ob wir die angestellten Künst- dass die Stellenmeldepflicht nicht eingehalten ler grundsätzlich als Schauspieler, Sänger oder wird, suchen wir den Dialog, kontaktieren die Tänzer betrachten.» Mit nur einer Produktion betreffenden Arbeitgeber, bieten ihnen Be- pro Saison hält sich der Zusatzaufwand für ratung an und fordern sie schriftlich auf die die Thuner in Grenzen. Persönlich zweifelt gesetzlichen Vorgaben inskünftig zu erfüllen. Dinhobl am positiven Einfluss der Massnah- Das neu geschaffene Stellenmeldezentrum im men für Schweizer Schauspieler und Schau- Kanton Zürich dient auch als Anlaufstelle für spielerinnen. «Für uns zählt nur die Qualität Arbeitgeber, die sich über ihre Pflichten infor- der künstlerischen Leistung. Die Herkunft mieren wollen.» spielt dabei keine Rolle.»

Der Aufwand hat sich erhöht Wer bezahlt die Mehrkosten? Wie aber beurteilt man die Situation auf Seiten So sieht das auch Dominik Flaschka. Der Regis- der Arbeitgeber? Am Schauspielhaus Zürich seur, Produzent und Leiter des Zürcher Thea- beispielsweise scheint man der Stellenmel- ters am Hechtplatz engagiert seine Darsteller depflicht eher gelassen gegenüberzustehen. vorzugsweise über persönliche Kontakte oder Pflichtbewusst meldet man dort eine offene wenn er sie bereits in anderen Produktionen Stelle für Schauspieler und Schauspielerin- auf der Bühne gesehen hat. «Müsste ich alle nen zuerst dem Arbeitsamt, bevor sie öffent- Bewerber, also auch die vom RAV, zu einem lich ausgeschrieben wird. «Der Verwaltungs- Casting einladen, wäre das nicht nur ein gewal-

13 tiger organisatorischer Aufwand, sondern es Befürchtungen bewahrheiten sich nicht würde auch massive Kosten verursachen», Die Schauspieler und Schauspielerinnen schei- sagt er. «Diese Kosten werden nicht vom nen ihrerseits von der Stellenmeldepflicht Arbeitsamt übernommen.» Trotzdem äussert nicht viel zu profitieren: Findet eine Anstel- Flaschka auch ein gewisses Verständnis für lung über ein Casting statt, spielt es keine die Stellenmeldepflicht: «Die Behörden müs- Rolle, ob man fünf Tage vor allen anderen sen sich einen Überblick verschaffen, wie die über die Ausschreibung informiert ist. Für Schauspieljobs verteilt werden. Ob das den kleinere Produktionen wird man weiterhin Arbeitslosen allerdings zugute kommt, ist kaum an ein Vorsprechen eingeladen, wenn fraglich.» nicht vorher bereits ein persönlicher Kontakt besteht. Immerhin: Die Befürchtungen der Wo bleibt die inhaltliche Diskussion? Theaterbranche, dass der Austausch zwis- Skeptisch ist auch Daniel Rohr, der Leiter des chen in- und ausländischen Schauspielern und Theaters Rigiblick in Zürich. Er glaubt, dass Schauspielerinnen beeinträchtigt würde, die Massnahmen im Theaterbereich wenig respektive dass das Ausland als Reaktion auf Sinn machen. «Die Regieführenden wollen den «Inländervorrang» den Zugang zu Schau- mit den Schauspielerinnen und Schauspielern spieljobs für Personen aus der Schweiz

zusammen arbeiten, die zu den Rollen Aufruf an unsere erschweren könnte, scheinen sich nicht zu passen. Die Massnahmen haben einen Leserschaft bewahrheiten. Die vom Parlament beschlos- rein bürokratischen Mehraufwand für senen Massnahmen wirken zahnlos bis sogar Das «Ensemble» möchte in die Theater zur Folge. Wir sind im Back- der nächsten Ausgabe das unnütz. office eh unterbesetzt und permanent Thema erneut aufgreifen. Dann aber aus der Perspekti- am Anschlag. Für uns ist das kaum zu ve von arbeitslos gemeldeten Bürokratischer Aktionismus schaffen und Schauspieler und Schau- Schauspielerinnen und Schau- Man darf gespannt sein, wie der Bund selber spielerinnen einladen, denen man dann spieler, die auf ihrer Jobsuche die Auswirkungen der Stellenmeldepflicht vom RAV unterstützt werden. nur absagt, ist für alle ein Frust. Die Be- Konnten Sie vom Inländer- bewerten wird, sobald genügend Daten- hörden sollten mit uns eine inhaltliche vorrang profitieren? Ist von material vorhanden ist. Eine branchenspezifi- einem Inländervorrang über- Diskussion führen, nicht eine formale.» haupt etwas zu spüren? Gibt sche Auswertung wäre sehr zu wünschen. es negative Auswirkungen? Ungeachtet dessen werden die Massnah- Verunsicherung macht sich breit men im kommenden Jahr auf alle Berufe Teilen Sie uns Ihre Erfahrun- Nach neun Monaten scheinen die vom gen mit! Ihr Angaben werden ausgeweitet, die eine Arbeitslosenquote von Bund ergriffenen Massnahmen keinen streng vertraulich behandelt. 5% und höher aufweisen. Der Aufschrei aus

erkennbaren positiven Effekt zu zei- Über Ihre Kontaktaufnahme den zusätzlich betroffenen Berufsfeldern ist gen. Im Gegenteil: Während die grös- und einen informativen Aus- vorprogrammiert. Sollte sich der Eindruck seren Veranstalter und subventionier- tausch mit Ihnen würden wir des «Ensembles» bewahrheiten, werden die uns sehr freuen! ten Häuser mit dem administrativen Schweizer Schauspielerinnen und Schauspie- Mehraufwand noch gut zurechtkommen, Schreiben Sie uns per Mail an: ler allerdings müde darüber lächeln können: [email protected] spürt man vor allem bei den kleineren die Stellenmeldepflicht ist Ausdruck eines Theatern und freien Produzenten, dass sich hilflosen bürokratischen Aktionismus, der eine gewisse Verunsicherung breit macht. Sie nur dazu dient, die Masseneinwanderungs- fühlen sich in eine juristische Grauzone ge- initiative möglichst schmerzlos umzuset- drängt, weil weder ihnen noch den Behörden zen. Bei aller Skepsis gegenüber den neuen ganz klar ist, ob man für eine Theaterproduktion Regelungen und angesichts ihrer bisweilen weiterhin ein Schauspielensemble zusammen- negativen Folgen für die kleineren Theater stellen darf, ohne das RAV vorgängig darüber müsste man dem Bund für diese politische informieren zu müssen. Finte beinahe ein Kränzchen winden.

14 Schweri macht‘s leicht! Seitenbühne Die Rechtskolumne von Yolanda Schweri

Mutterschaftsentschädigung

Schauspielerin S., freischaffend, wird Mutter. Ihr letztes befristetes Theater- engagement endet einige Wochen vor der Geburt. Bei der Arbeitslosenversi- Jugend und Oper – Teil 1 cherung hat sie sich nicht angemeldet, weil sie schon neue Engagements in Gameboy-Musik Aussicht hat. Tänzerin T. kam vor 7 Monaten aus Deutschland in die Schweiz; sie ist in einer Tanzcompagnie fest angestellt. Auch sie wird Mutter. Die bei- Kinder und Jugendliche, die ins Theater ge- hen, sind gang und gäbe. Es gibt Märchen- und den haben einige Fragen zur Mutterschaftsversicherung. Jugendtheater, Familienmusicals, Formate für Schüler und so weiter. Ausserdem gibt es eine Wer ist anspruchsberechtigt? Vielzahl von Angeboten, die es dem Nachwuchs ermöglichen, selber in einem Bühnenprojekt mit- Arbeitnehmerinnen, Selbständigerwerbende, Arbeitslose (mit ALV-Tag- zumachen, was ihnen später im Erwachsenenalter geldanspruch), Arbeitsunfähige (mit Anspruch auf Taggelder einer Kran- den Zugang zum Theater wesentlich erleichtert. Die Oper hat es da eindeutig schwieriger. Es wäre ken- oder Unfallversicherung). Tänzerin T. ist zum Zeitpunkt der Geburt wohl niemand so verwegen, mit Jugendlichen «La Arbeitnehmerin, sie ist anspruchsberechtigt. Schauspielerin S. ist im Bohème» aufführen zu wollen, obwohl das inhalt- Zeitpunkt der Geburt zwar arbeitslos, geht aber nicht stempeln. Wenn lich gar nicht so eine schlechte Idee wäre. Um die nächste Generation der Operngänger frühzeitig sie grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosentaggelder hätte (also genug an sich zu binden, braucht die Oper Formate, die Beitragszeiten aufweist), dann kann auch sie Mutterschaftsentschädi- auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind. Tatsächlich gibt es unzählige solche Anstrengun- gung beziehen. Sie muss sich direkt bei der AHV-Ausgleichskasse mel- gen, und doch sträubt sich das Opernpublikum den. beharrlich gegen seine Verjüngung. Einen nächs- Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch? ten Versuch unternimmt nun das Konzerttheater Bern mit der Jugendoper «humanoid» von Pamela Anspruchsberechtigt sind Mütter, die unmittelbar vor der Geburt min- Dürr und Leonard Evers. Es geht um Roboter destens 9 Monate obligatorisch AHV-versichert waren und in dieser und Androiden und die Musik soll zwischendurch klingen wie ein Gameboy-Spiel. Zugegeben, diese Zeit mindestens 5 Monate lang erwerbstätig waren. Beitragszeiten Ankündigung weckt tatsächlich Neugier. Es stellt aus einem EU- oder EFTA-Land werden auch angerechnet. Tänzerin T., sich jedoch die Frage, ob das Stück tatsächlich da- die zwar erst 7 Monate in der Schweiz lebt und arbeitet, zuvor aber in bei helfen kann, den Jugendlichen die Oper näher zu bringen oder ob es nicht besser dazu geeignet Deutschland versichert war, hat auch Anspruch auf Mutterschaftsent- wäre, den Operngängern die Welt der heutigen schädigung. Jugend zu erklären. Wie hoch ist das Taggeld und wie lange wird es bezahlt? Das Taggeld beträgt 80% des durchschnittlichen in den letzten 12 Mo- Jugend und Oper – Teil 2 naten verdienten Lohnes (Monate, in denen gar nichts verdient wurde, Boombox-Musik werden nicht mitgerechnet), maximal CHF 196 pro Tag. Der Anspruch besteht für maximal 14 Wochen (98 Tage). Achtung: wer vorher schon Über eine mangelnde Anziehungskraft auf Jugendliche kann sich das Opernhaus Zürich da- wieder zu arbeiten beginnt, auch wenn es nur ein Nebenerwerb ist, hat gegen nicht beklagen. Während sich die Teenager ab diesem Moment keinen Anspruch mehr. Wer eine solche Tätigkeit quer durch die Schweiz am liebsten auf irgend- nicht meldet und die Taggelder trotzdem bezieht, wird rückerstattungs- welchen Hinterhöfen und Parkplätzen verabre- den, treffen sie sich in Zürich vor dem Opernhaus. pflichtig. In diesen Frühlingstagen verwandelt sich der Wer zahlt die Entschädigung aus? Sechseläutenplatz allabendlich in ein Freiluft-Ju- gendzentrum, wo viel schwarze Musik aus bunten Bei Arbeitnehmerinnen erfolgt die Lohnzahlung weiterhin über den Ar- Boomboxen dringt, wo getanzt und laut gelacht beitgeber. Bei selbständig erwerbenden, arbeitslosen oder arbeitsun- wird. Unzählige junge, fröhliche Menschen sitzen fähigen Müttern zahlt die AHV-Ausgleichskasse die Taggelder direkt an auf den Treppen beim Haupteingang und in den Fenstern, die von dort aus gerade noch zu errei- die Mutter. chen sind. Zu fortgeschrittener Stunde, respektive Was ist mit den Sozialversicherungsbeiträgen? dann, wenn die Senioren und Seniorinnen nach der Vorstellung auf den Platz hinausströmen, Von der Mutterschaftsentschädigung werden AHV/IV/EO-Beiträge (und ziehen sie sich in kleinen, konspirativen Gruppen bei Arbeitnehmerinnen ALV-Beiträge) abgezogen. Die Unfalldeckung in die versteckten Ecken rund um die Terrasse des bleibt bestehen, auf den Taggeldern werden aber keine Prämien erho- Restaurants Belcanto zurück und kommunizie- ren nur noch via Rauchzeichen. Es ist zu gleichen ben. Bei der Pensionskasse kommt es darauf an: Der Arbeitgeber von T. Teilen faszinierend und rätselhaft, wie es dem zieht die BVG-Beiträge für den bisherigen Lohn weiterhin ab. Bei S., die Opernhaus gelungen ist, die Jugendlichen anzulo- cken. Jetzt müsste man nur noch rausfinden, wie ihre Taggelder direkt von der Ausgleichskasse erhält, werden aber keine man all die Buben und Mädchen ins Innere des BVG-Beiträge erhoben. Gebäudes bringt. Die Türen scheinen sie jeden- falls nicht benutzen zu wollen. Für Informationen: AHV-Merkblatt Nr. 6.02, www.ahv-iv.ch

15 Die «Vorlesbar» Es war im Jahr 2002, als Christine Faissler und Barbara Maey anfingen, unter in Zürich dem Titel «Vorlesbar» kleine Lesungen zu organisieren. Beide waren in der Kunst- und Kulturszene bestens vernetzt und fanden dort ein interessier- tes Publikum. Die Lesungen waren gut besucht, deshalb brauchte man Leu- te, die beim Ausschenken der Getränke helfen würden. So lernten sich Regi Preiswerk und Martin Keller kennen – als Mitglieder im Bar-Team. Nur dank den beiden finden die vor siebzehn Jahren ins Leben gerufenen Lesungen heute noch statt.

Eine farbige Welt Martin Keller ist eigentlich Landschaftsarchitekt. Er hatte schon immer gerne und viel gelesen, einen Bezug zum Theater oder zum gesprochenen Wort kannte er nicht, als er 2005 bei seinem ersten Einsatz hinter der Bar stand und erlebte, wie ein Text durch das schlichte Vorlesen zum Leben erwachte. Ohne Requisiten oder Kostüme, nur getragen durch die Stimme des Schauspielers, höchstens unterstützt durch einige Gesten, entfalte- te sich die Geschichte vor ihm in den prächtigsten Farben. «Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass so etwas überhaupt möglich ist», erzählt er und ist vierzehn Jahre später beim Gedanken daran erneut sichtlich gerührt. «Dass es Leute gibt, die solche Fähigkeiten haben, ist für mich ein Wun- der.»

Das Schlüsselerlebnis Bis heute kann er sich präzise an den Abend erinnern. «Bodo Krumwie- de las ‘Die Sänger’ aus Iwan Turgenjews ‘Aufzeichnungen eines Jägers’. Irgendetwas ist an diesem Abend mit mir passiert.» Was immer die- (rs) Immer wieder müssen sich ses Irgendetwas auch war, es machte Keller zu einem leidenschaftli- Kulturschaffende zwischen Kunst chen Verehrer jener Lesereihe, zu der er so unverhofft dazugestossen und Kommerz entscheiden. Die war. Nach Abgängen und Wechseln der Programmverantwortlichen Debatte dreht sich im Kreis, und drohte der Vorlesbar 2014 das Aus. In der Not entschieden sich Regi doch ist sie hochgradig spannend, Preiswerk und Martin Keller, sich nicht mehr nur um den Geträn- denn es geht dabei nicht einfach keausschank zu kümmern, sondern die Gesamtverantwortung zu nur um Geld sondern um Dinge übernehmen. wie Leidenschaft, Wertschätzung, Professionalität. Das «Ensemble» wagt eine Betrachtung anhand einer Kunstform, die trotz Poetry-Slam und Hörbuch-Boom ein bisschen aus ihrer Zeit fällt: Das Geschichten- vorlesen. Ein kultureller

16 Anachronismus Die Suche nach einem Zuhause Nicht nur für Literatur Freaks Bis 2010 hatte die «Vorlesbar» mit der «Bühne S» am Bahn- Jahrelang galt die «Vorlesbar» als Geheimtipp unter den Fans hof Stadelhofen ein festes Zuhause. Danach war das Team von schön gesprochenen Worten. Ein Anachronismus in einer immer wieder gezwungen, den Veranstaltungsort zu ändern. zunehmend digitalisierten Welt. Manchmal kamen an einem Oftmals wurde händeringend nach einem geeigneten Raum Abend nur eine Handvoll Leute zusammen. Inzwischen hat gesucht, stets in der Hoffnung, dass der kleine Kreis der An- sich aber herumgesprochen, dass diese Form von Lesungen hänger am neuen Ort wieder auftauchen würde. Doch dann nicht nur für eingefleischte Literatur-Freaks ein Hochgenuss lernten Regi Preiswerk und Martin Keller den Zürcher Foto- ist. Immer öfter reichen die gut vierzig Stühle nicht mehr aus. grafen Tres Camenzind kennen. Dieser stellte sein Atelier zur Dann stehen einige entlang der Wände, lauschen stumm den Verfügung: Ein kleines, verstecktes Juwel in unmittelbarer vorgetragenen Texten und tragen zur gebannten Atmosphäre Nähe zum Zürcher Hauptbahnhof. Seither hat die «Vorlesbar» bei. «Wir überlegen uns, die Bar neu im Eingangsbereich ein- endlich wieder ein richtiges Zuhause und das Organisations- zurichten, damit wir mehr Stühle aufstellen können», sagt team mit Camenzind ein drittes Mitglied. Martin Keller. Er sieht in der Begrenztheit des Raumes aber auch einen Vorteil: «Die familiäre Stimmung ist sehr wichtig.» Keine inhaltlichen Vorgaben Zwischen Oktober und März laden die drei jeweils fünfmal Ein grosses Kontaktnetz zu einer Veranstaltung ein. Es lesen dabei immer drei Schau- Das scheint nicht nur die Meinung der Veranstalter und des spiel-Profis aus einem Buch ihrer Wahl vor, wofür ihnen Publikums zu sein, sondern auch der Sprechenden. Die Liste jeweils zwanzig Minuten zur Verfügung stehen. Dazwischen der Schauspielerinnen und Schauspieler, die schon mal an gibt es Rotwein oder Bier und die Gelegenheit, sich mit den der «Vorlesbar» aus ihren Lieblingsbüchern vorgelesen ha- Vorlesenden über die Texte auszutauschen. «Wir machen ben, ist lang und hochkarätig besetzt. Über die Jahre konn- ganz bewusst keine inhaltlichen Vorgaben», erklärt Martin te ein grosses Kontaktnetz geknüpft werden: «Wenn Regi im Keller. «Selbst wenn an einem Abend drei völlig verschiede- Sommer jeweils die neuen Termine bekannt gibt, melden sich ne Texte zusammen kommen, verbinden sie sich stets zu viele sofort an. Manche treten immer wieder bei uns auf. In- einem grossen Ganzen und geben jeder Veranstaltung einen zwischen bekommen wir sogar Fremdbewerbungen.» Für eigenen, oft überraschenden dramaturgischen Bogen.» Keller, der nach wie vor von der Kunst des Vorlesens fasziniert ist und eine grosse Wertschätzung dafür empfindet, ist so etwas kaum zu glauben. «Dabei habe ich immer ein schlech- tes Gewissen, dass wir für einen Auftritt nur gerade hundert Franken bezahlen können.»

Wir verkaufen uns nicht Tatsächlich entspricht dieser Betrag nicht den Tarifen, die von den Berufsverbänden der Schauspieler und Sprecher gefordert werden. Trotzdem führt die tiefe Bezahlung nicht zu Diskussionen. Warum ist das so? Irina Schönen, eine der erfahrensten Sprecherinnen dieses Landes, Vorstandsmitg-

17 lied bei der Vereinigung der professionellen Sprecherinnen und Sprecher der Schweiz (VPS) sowie ehemaliges und langjähriges Vorstandsmitglied beim SBKV, hat sich selber schon mehrfach an der «Vorlesbar» ans Lese- pult gesetzt. Sie sagt: « Entscheidend ist, dass die materiellen Werte neben den ideellen nicht ganz ausser Acht gelassen werden. Die ‘Vorlesbar’ ist ein absolutes Kleinod. Eine solche Leidenschaft für Geschichten sowohl bei den Veranstaltern als auch beim Publikum trifft man selten.» Auf die Fra- Nachrufe ge, ob das Unterwandern der Gagen-Richtlinien nicht den Interessen der Schauspielerinnen und Schauspieler zuwiderlaufe, antwortet sie: «Die Ga- gen-Richtlinien sind enorm wichtig, wenn wir unser Können und Talent auf dem freien Markt anbieten und als Produkt verkaufen. Das heisst nicht, dass wir uns abseits von diesem Markt zwingend an dieselben Regeln hal- ten müssen.» Entscheidend ist für Irina Schönen auch, dass man seinen Text frei wählen und damit den Aufwand für die Vorbereitung beeinflus- sen kann. Für Monica Schon damals auf der Probebühne Im Stadttheater Bern Den Leuten die eigenen Helden präsentieren gefiel mir deine «Unschuldsmiene». So sieht das beispielsweise auch Samuel Streiff. Der erfahrene Bühnen- und Das mochte ich sehr gern.

Filmschauspieler (unter anderem bekannt für seine Rolle als Reto Dörig in Du probtest dort in Bauernhosen der SRF-Serie «Der Bestatter») arbeitet auch erfolgreich als Sprecher und ganz kraftvoll und sehr frisch die «Hanni» aus den «Herbstzeitlosen». war ebenfalls schon als Vorleser in der «Vorlesbar» zu Gast. Er sagt, ihm Dein Auto war ein Tisch... habe es vor allem Spass gemacht, den Leuten einen seiner literarischen Die Arbeit war – ich muss nicht lügen – Helden vorstellen zu dürfen. Ausserdem mag auch er die besondere Auf- mit dir unendlich schön. merksamkeit des Publikums: «Die Leute wissen genau, worauf sie sich Es war ein riesiges Vergnügen, dir täglich zuzuseh’n... einlassen. Man muss sie nicht erst von etwas überzeugen.» Für Streiff ...wie du charmant, ohne zu hängen, ist es absolut entscheidend, aus welcher Ecke eine Anfrage kommt: «Ich die Pointen hast gesetzt. spiele auch mal zu einem Freundschaftspreis in einem Studentenfilm Dein Spiel war immer ohne Längen, und doch auch nie gehetzt. mit. Aber kommerzielle Auftraggeber, die einen auf Mitleid machen und die Gagen drücken wollen – das geht gar nicht!» Man dachte sich erstaunt: «Die macht sich aus allem einen Spaß». Du wurdest damals runde Achtzig. Gegenseitige Wertschätzung Wir tranken drauf ein Glas! Kommerzielle Absichten haben die Macher der «Vorlesbar» bestimmt So wurden wir denn gute Freunde. nicht. Der Eintritt für das Publikum ist frei. Mit den Einnahmen aus Wir hielten den Kontakt, was selten ist in der «Gemeinde». dem Barbetriebt und der Topfkollekte sowie der bescheidenen Unter- (Das ist nun leider Fakt.)

stützung durch das Migros Kulturprozent – und natürlich durch das Wir haben uns noch oft getroffen. bereitwillige Entgegenkommen von Seiten der Vorlesenden – geht die Stets warst du intr’essiert und neugierig für alles offen, Rechnung gerade auf. Es ist die enorme gegenseitige Wertschätzung was in der Welt passiert. zwischen Veranstaltern, Publikum und Künstlern, welche eine kultu- Auf keinen Fall warst du «von gestern». relle Perle wie die «Vorlesbar» überhaupt ermöglichen. Du hattest viel Humor. Du konntest wohl auch gern mal lästern – doch kam das selten vor.

Und schließlich noch, was keiner ahnte, da wurdest du zum Star. Ja, deine große «Letzte Pointe» war wirklich wunderbar!

Du hast den ganzen Film getragen, Es war dein großer Lauf. Wir sah’n dich alles überragen. Du hattest es echt drauf!

Du brauchtest nie den «Kick», den «Schubser». Du hattest selbst die Kraft. Du warst die wunderbare «Gubser». Du warst so zauberhaft.

Du sagtest: «Mues kei Schonig ha!» Ich vergess‘ es nie.

Doch gingst du, liebe Monica, für uns etwas zu früh...

Berlin, 5. März 2019

18 Nachrufe Fotos: Sava Hlavacek © Vinca, Eveline Beerkircher Vinca, Eveline © Hlavacek Sava Fotos:

Arnulf Seiler 2. August 1937 – 15. Januar 2019

Am 15. Januar ist der Bassbariton Arnulf Seiler im Alter von 81 Jahren gestorben. Er war 33 Jahre lang Mitglied im Ensemble des Luzer- ner Theaters und verkörperte dort rund 150 Rollen. Seine Interpretation des Milchmanns Tevje im Musical «Anatevka» bescherte ihm seinen grössten künstlerischen Erfolg. Von 1967 bis zu seinem Tod war er Mitglied des SBKV. Laut Luzerner Zeitung bezeichnete sich der gebürtige Nürnberger als Theater-Dino- saurier «mit einem altmodischen Respekt vor dem Autor und seinem Werk». Seine Frau Ortrud Seiler schreibt in einem Mail an den SBKV, dass er trotz seines dramatisch schnel- len Krankheitsverlaufs am Ende friedlich ein- schlafen konnte und fügt an: «Unsere Familie trauert unsagbar über den schweren Verlust.» Monica Gubser 17. Januar 1931 – 27. Februar 2019

Am 27. Februar ist die berühmte Schweizer Bühnen- und Filmschauspielerin Monica Gubser im Alter von 86 Jahren gestorben. Sie war viele Jahre lang Mitglied beim SBKV. Einen ihrer grössten Erfolge feierte sie dank ihrer Rolle als «Hanni Bieri» im Kinofilm «Die Herbstzeitlosen» aus dem Jahr 2006. Gubser verkörperte dieselbe Rolle später auch auf der Bühne («Altweiberfrühling», Stadtthe- ater Bern, 2011) unter der Regie von Stefan Huber. Aus dieser Zusammenarbeit entwi- ckelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden. Zu Monica Gubsers Gedenken hat Stefan Huber ein Gedicht verfasst, das wir mit seiner Einwilligung im «Ensemble» abdrucken dürfen.

19 Hilfe in akuter zungen, unter denen grenzüberschrei- zwei Preisausschreibungen zu stär- Notlage tende Filmproduktionen wie nationale ken. Die beiden Wettbewerbe zum Die Forbergstiftung Filme behandelt werden und von den Innerschweizer Filmpreis und zum unterstützt professio- Vorteilen, die sich aus dieser Aner- Innerschweizer Nachwuchs- Kurzfilm- nelle Kulturschaffen- kennung ergeben, profitieren können. wettbewerb bilden eine Ergänzung zu de, die in eine akute Die Neuerungen des Abkommens den Filmförderungs-Zielen der Inner- persönliche Notlage geraten sind. Zur betreffen insbesondere die Frage, schweizer Kantone.» Überbrückung der Notlage kann sie fi- wie hoch die jeweilige finanzielle und nanzielle Beiträge sprechen. In Ergän- künstlerische Beteiligung eines Landes Ausschreibung zung dazu stellt die Forbergstiftung an einem Film sein muss, damit dieser «Performancepreis Künstlerinnen und Künstlern auch als nationaler Film betrachtet werden Schweiz» ein Beratungsangebot zur Verfügung. kann. Mit dem revidierten Abkom- Der «Performancepreis Es bietet die Möglichkeit, schwierige men wird dieser Mindestanteil tiefer Schweiz» soll die Sicht- Situationen im persönlichen Gespräch sein als bisher. Ein Land muss jetzt barkeit der Schweizer mit einer Fachperson zu erörtern und zu mindestens 5 Prozent (bisher 10 Performancekunst erhöhen, ihre gemeinsam langfristige Lösungen zu Prozent) an einer multilateralen Ko- Vielfalt und Qualität zeigen und ihre erarbeiten. produktion beteiligt sein, damit diese Anerkennung stärken. Der jährlich als nationaler Film behandelt wird. Bei national ausgeschriebene Wettbe- Verleihung des den bilateralen Koproduktionen wird werb ist offen für Bewerbungen von Schweizer die Mindestbeteiligung von 20 auf 10 Kunstschaffenden mit einer perfor- Kabarett-Preises Prozent herabgesetzt. Dadurch soll mativen Praxis aus allen Sparten. Der Die Gesellschaft Oltner Filmschaffenden aus kleineren Länder «Performancepreis Schweiz» ist eine Kabarett-Tage ver- wie etwa der Schweiz der Zugang zu partnerschaftliche Förderinitiative der leiht Max Uthoff den grösseren europäischen oder inter- Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Schweizer Kabarett-Preis «Cornichon nationalen Produktionen erleichtert Basel-Stadt, Luzern, St.Gallen, Zürich 2019». Uthoff gilt als einer der wich- werden. und der Stadt Genf. Die Eingabefrist tigsten Kabarettisten Deutschlands. für den Performancepreis 2019 ist der Seine Sprache ist geschliffen und Verleihung des 10. April. präzise. Für ihn ist sie die Waffe der Innerschweizer Pazifisten. Der gebürtige Münchner Filmpreises Iffland-Ring geht ist studierter Jurist. Seit 2007 widmet Geleistetes anerken- an er sich vollumfänglich seiner Bühnen- nen, kontinuierliches Der verstorbene und Fernsehkarriere. Uthoff gewann Schaffen unterstüt- Schweizer Schauspieler schon viele Preise, unter anderem zen, neue Projekte ermöglichen: Mit war Träger den «Deutschen Kabarettpreis», den diesen Zielsetzungen lancierte die des «Iffland-Rings». «Deutschen Kleinkunstpreis» oder den «Albert Koechlin Stiftung» nach der Dieser Fingerring mit dem Port- «Deutschen Fernsehpreis». Sein neus- ersten Austragung im Jahr 2017 die rät des bedeutenden deutschen tes Programm unter dem Titel «Mos- zweite Ausgabe zum Innerschweizer Schauspielers, Theaterdirektors und kauer Hunde» ist alles andere als ein Filmpreis. Vor 240 geladenen Gäste Dramatikers gemütlicher Unterhaltungsabend. Er aus Kultur, Behörden und Medien (1759–1814). Der diamantbesetzte hält darin der Welt und der Konsumge- wurden in Luzern die Preise für die Eisenring wird von seinem jeweiligen sellschaft knallhart den Spiegel vor. überzeugendsten Produktionen aus Träger testamentarisch an den seiner den Jahren 2017 und 2018 überreicht Meinung nach «jeweils bedeutends- Bundesrat ratifiziert sowie die Preissummen bekannt ten und würdigsten Bühnenkünstler revidiertes Filmförde- gegeben. Die Gesamtpreissumme des deutschsprachigen Theaters» rungsabkommen beträgt 540'000 Franken. In seiner auf Lebenszeit verliehen, wobei die Der Bundesrat hat an Begrüssungsansprache betonte der Tradition verlangt, dass dieser männ- seiner Sitzung vom 15. Stiftungsratspräsident der «Albert lich ist. Nach Ganz’ Tod wurde in März das revidierte Koechlin Stiftung», Peter Kasper, wie den Medien spekuliert, wer nun von europäische Übereinkommen über die schwierig die Rahmenbedingungen für ihm diese besondere Auszeichnung Gemeinschaftsproduktion von Kinofil- Filmschaffende in der Innerschweiz erben würde. Der österreichische men ratifiziert. Dieses Abkommen des anerkanntermassen sind. «Im Sinne Kulturminister Gernot Blümel gibt nun Europarats stärkt die Rahmenbedin- ihres Engagements für die Inner- bekannt: es ist der deutsche Schau- gungen für die grenzüberschreitende schweizer Kultur hat sich die «Albert spieler Jens Harzer. «Ich gratuliere Jens Filmproduktion zwischen Ländern des Koechlin Stiftung» daher entschieden, Harzer herzlich. Bruno Ganz hat mit Europarats. Es regelt die Vorausset- die Filmlandschaft Innerschweiz mit seiner Entscheidung einen Künstler

20 ausgewählt, dessen Wirken weit über «RhEAL TALK» die Bühne hinaus reicht. Harzer ist ein Die Kolumne von Rhea Seleger Schauspieler, der durch sein facet- Soziokulturelle Animatorin, Musicaldarstellerin und Slam Poetin tenreiches Schaffen auffällt», schreibt Blümel in einer Medienmitteilung. Jens Harzer ist 1972 geboren und fiel be- reits am Anfang seiner Karriere durch seine unverwechselbare Schauspiel- kunst auf. Er ist mittlerweile auf den grossen Bühnen zu Hause, seit 2009 ist er festes Mitglied des Ensembles am Thalia Theater in . Jens Wie geht’s? Harzer reiht sich nun in eine Linie der Iffland-Ring-Träger ein, darunter herausragende Persönlichkeiten, wie Diese Frage beantworten wir wohl alle mehrmals täglich. Und lügen dabei. zuletzt und Bruno Ganz. Denn einer schnellen Begegnung in der Tram oder einer flüchtigen Arbeits- Letzterer hat gemäß der Statuten ein bekanntschaft möchten wir nicht unbedingt all unsere Wehwehchen und versiegeltes Kuvert hinterlassen, in Herzensschmerze offenbaren. Das macht verwundbar und könnte an un- dem die Nachfolge des Ringträgers ge- serem Image nagen. Als Ersatz darf jedoch gejammert werden. Neben den regelt wurde. Am Tag nach der Beiset- Klassikern wie Wetter, ist seit einigen Jahren auch Stress ein allgemein an- zung des am 16. Februar dieses Jahres erkanntes Nörgelthema. Wie praktisch, fand auch ich, anscheinend unbe- verstorbenen renommierten Schwei- wusst. zer Film- und Bühnenschauspielers wurde das Kuvert geöffnet und Ganz Selber jonglierte ich, wie viele unseres Berufsstandes, immer mehrere Jobs Wahl des nächsten Trägers bekannt. und Projekte. Als «organisatorische Höchstleistung mit 130 Stellenprozent» Die Überreichung des Ringes erfolgt würde ich bezeichnen, was ich bis vor zwei Wochen betrieben habe. Auch mit durch Bundesminister Gernot Blümel Freude daran, so geschäftig und gefragt zu sein, denn dies wird uns von der auf offener Bühne im in Schule an als höchstes Ziel vermittelt: Zu leisten. Ich leistete. Lange. Aber auf Wien. Die Zeremonie wird nun organi- einmal ging es mir damit nicht mehr gut. siert und soll noch vor dem Sommer stattfinden. Der genaue Termin wird Ich merkte nach einer wiederholt kurzen Nacht, dass mit mir etwas nicht unter allen Beteiligten koordiniert und stimmte. Ich war dünnhäutig, grundlos tieftraurig, jeder Kaffee verlor ge- der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. gen die Müdigkeit, eine physische Enge im Brustkorb, während ich an die kommende Woche dachte. Meine Freundin riet mir, die Hausärztin aufzu- suchen, welche mich nach meinen dann tränenreichen Schilderungen auch Neuer Leiter am direkt krankschrieb. «Ok», dachte ich mir, «so fühlt sich das also an, wenn Du Theater an der streikst, lieber Körper.» «Oh, shit. Sie sollten besser zur Kur gehen anstatt zu Effingerstrasse schreiben», denken sie sich vielleicht. Keine Angst, das mache ich. Ich habe Alexander Kratzer fast jeden Termin aus meiner Agenda abgesagt, trinke noch öfters Tee, gehe übernimmt ab der in Dampfbäder und mache nichts. Oder nur noch, was mir guttut: alles Ru- Spielzeit 2020/21 die hige. Ich statte meiner Ärztin regelmässige Besuche ab, nehme Nahrungser- Leitung des Berner Theaters an der gänzungsmittel und in den wenigen Momenten, wo ich Lust habe mich zu un- Effingerstrasse. Er löst damit Markus terhalten, spreche ich darüber. Über diesen Erschöpfungszustand, oder wie Keller ab, der das Haus zusammen mit sie ihn auch nennen wollen. Darüber, welches Glück ich mit einem Nebenjob Ernst Gosteli aufgebaut und insge- habe, wo ich noch einen Monat gegen Krankheit versichert bin. Wie wichtig samt 23 Jahre als künstlerischer Leiter es ist, als selbstständig erwerbende Person seine Pensen im Überblick zu be- führte. «Wir haben dem Kind seinen halten, ja vielleicht sogar eine Krankentaggeldversicherung abzuschliessen. Namen gegeben und geschaut, dass Und dass es Zeit ist, auch dieses Tabuthema zu brechen. es laufen lernt», sagt Keller in einer Medienmitteilung. Der 48-jährige Ich bin froh, mit Ihnen allen in einem beruflichen Umfeld tätig zu sein, wo Kratzer stammt aus Innsbruck und dieser Austausch möglich ist und geschätzt wird. Ich geniesse es, ehrlich ant- inszeniert seit zehn Jahren regelmäs- worten und hinhören zu können. Und ich freue mich, wenn ich wieder mit sig am Haus. Er sagt: «Es gilt das treue «Wirklich gut», antworten kann. Denn Gesundheit darf kein Luxus sein. Stammpublikum zu halten, aber auch gemeinsam mit neuen Zuschauerin- Fotos: u.a. © M.-Neumeister, Thomas Dashuber Thomas M.-Neumeister, © u.a. Fotos:

21 nen und Zuschauern einen spannen- den besten Film überreicht. Ebenfalls Künstlerbörse in Anwesenheit von den Weg einzuschlagen.» Kratzer will bekanntgegeben wurde die Gewinne- Bundeskanzler Walter Thurnherr in die Öffnung, Vernetzung und den rin des Pitchingwettbewerbs «Klappe Thun verliehen. Nominiert waren Austausch fördern. Er wünscht sich Auf!». Während fünf Tagen war Zürich neben «Knuth und Tucek» der mobile ein «pulsierendes Haus», in dem auch damit das Zentrum für den Schweizer Märchenzirkus «Nicole & Martin» und junge Künstlerinnen und Künstler Ent- Nachwuchsfilm. Von rund 240 einge- die Komödiantin Marjolaine Minot. Das faltungsmöglichkeiten finden. Keller reichten Filmen, flimmerten schliess- Duo «Knuth und Tucek» sind die Schau- wird dem Haus als Inhaber zusammen lich 42 Filme im Wettbewerb über die spielerin Nicole Knuth, aufgewachsen mit Ernst Gosteli und als Regisseur Leinwand und begeisterten sowohl die in Küsnacht in einer Theaterfamilie erhalten bleiben. Das Theater an der Jury als auch das Publikum. Insgesamt mit Wiener Wurzeln, und die Sängerin Effingerstrasse beschäftigt pro Saison konnten die Schweizer Jugendfilmtage Olga Tucek, mit tschechischen Wurzeln über 40 Personen. In der abgeschlos- etwa 1’800 Zuschauer und Zuschaue- aufgewachsen in Zürich und ausgebil- senen Spielzeit besuchten rund 32'460 rinnen verzeichnen. «Die vergangenen det als klassische Sängerin. Seit 2004 Zuschauerinnen und Zuschauer die Tage haben zu vielen hitzigen Diskus- tourt das politische Kabarettduo mit 243 Vorstellungen. sionen geführt. Es wurden aber neue theatralen und musikalischen Satire- Freundschaften geschlossen und es programmen auf unzähligen Bühnen Inspiration für den pulsierte spürbar vor Kreativität. Dies im deutschsprachigen Raum. Geist- Schweizer Filmnach- haben wir jungen Filmschaffenden zu reich und wortgewandt bearbeiten wuchs verdanken, welche im vergangenen die Beiden mit virtuosen Stimmen, Vom 13. bis 17. März Jahr viel Energie und Enthusiasmus bissigen Zungen und rockigem Akkor- fanden in Zürich die in ihre Arbeit gesteckt haben», so das deon Themen der (Schweizer) Heimat. 43. Schweizer Jugend- Statement der Festivalleiterinnen Seit fünfzehn Jahren bleiben sie ihrem filmtage statt. Die Werke des Film- Ivana Kvesic und Katja Morand. «Heimatfilmtheater» treu und bear- nachwuchses wurden mit insgesamt beiten in dramaturgisch geschickt 22 Preisen gewürdigt. Die Fachjury Kleinkunstpreis gebauten Szenarien und Geschichten – Kaja Eggenschwiler, Melanie Winiger, geht an Duo kritisch, aber auch lustvoll, alltägliche Franziska Sonder, Kantarama Gahi- «Knuth und Tucek» Missstände wie Machtmissbrauch oder giri, Samuel Patthey – zeichnete pro Das Zürcher Kaba- gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Wettbewerbskategorie drei Filme aus. rett-Duo «Knuth Der Schweizer Kleinkunstpreis ist mit Das Publikum kürte zudem in jeder und Tucek» wird auf 40‘000 Franken dotiert. Kategorie den Gewinnerfilm des ZKB Empfehlung der Eidgenössischen Publikumspreises. An der Preisver- Jury für Theater mit dem Schweizer leihung am Sonntagabend wurden Kleinkunstpreis 2019 ausgezeichnet. Geldpreise im Wert von 15'000 Fran- Der Preis wird am 11. April im Rahmen ken und der «Springende Panther» für der Eröffnungsgala der 60. Schweizer Kommende Seminare «…UND ES LÄUFT 2019» SYNCHRONISATION, HÖRSPIEL, KOMMENTAR, WERBUNG ... EINBLICK UND TRAINING IN ALLEN GENRES DES MIKROFONSPRECHENS 18. & 19.5.2019, Zürich

© Lutz Konermann/FOCAL Anmeldefrist: 23.04.2019

KOMMENTAR UND VOICE-OVER FÜR PROFIS FEEDBACK UND PERSÖNLICHES COACHING FÜR PROFI-SPRECHENDE 6.7.2019, Z ür i c h Mit Irina Schönen und Franz Kasperski Anmeldefrist: 05.06.2019 Einzelheiten & Anmeldung: www.focal.ch · FOCAL, Stiftung Weiterbildung Film & Audiovision

22 Neue Mitglieder

Frank Bakker Urs Jucker Schauspieler/Tänzer/KV-Angestellter Schauspieler/Sprecher/Performer

Aktuelles oder bevorstehendes Aktuelles oder bevorstehendes Engagement: Ab 11. Juli: William Engagement: Derzeit bin ich als Gast Shakespeares «Was ihr wollt» auf an der Berliner Schaubühne (Claudius der Freiluftbühne in Sihlwald (eine in «Hamlet», Regie: Thomas Ostermei- Produktion des «turbine theater», Langnau am Albis) in er) und am Theater Basel («Das Versprechen», Regie: Nora der Rolle des Curio u.a. Schlocker) beschäftigt. Zudem stehen einige kleine Engage- ments für Kino und Hörspiel an. Die drei wichtigsten Momente in ihrer Karriere: • Meine erste Tanzstunde als Hiphop-/Streetdancelehrer. Die drei wichtigsten Momente in ihrer Karriere: Ich hatte furchtbare Angst, dass die Choreografie, die ich • Die Begegnung mit Norbert Klassen an der Schauspiel- mir dafür ausgedacht hatte, bei den Schülern nicht gut schule. Bei ihm lernte ich, dass es sich lohnt, seinen ankommt. Doch dann hat der Spass bereits mit dem eigenen, ganz persönlichen Weg zu gehen. Warm-Up angefangen! • Freundschaften mit Kollegen waren mir stets sehr wichtig. • Die Premiere des Theaterstücks «Ingeborg» von Curt Goetz • Ebenso waren die vielen Reisen rund um die Erde mit auf der Kaiserbühne in Kaiserstuhl 2018, wo ich den «Hamlet» ein Geschenk! Ottokar spielen durfte. Das war meine erste Hauptrolle in einem professionellen Engagement. Grund für den Beitritt zum SBKV: • Mein Abschluss an der Schauspielschule SAMTS in Adliswil. Der SBKV bietet eine gute Möglichkeit für Bühnenkünstler, sich über ihre Rechte zu informieren, zudem ist es ein solida- Grund für den Beitritt zum SBKV: risches System und hilft dem ganzen Berufsstand. Ich bin beigetreten, weil ich mich mit den anderen Mitglie-

dern vernetzen und mich über das aktuelle Geschehen in

der Theaterlandschaft auf dem Laufenden halten möchte. Ausserdem schätze ich es sehr, dass ich mir beim SBKV be-  ruflichen Rat holen kann.

Beitrittserklärung Der/die Unterzeichnete erklärt hiermit seinen/ihren Beitritt zum Schweizerischen Bühnenkünstlerverband und verpflichtet sich, den statutarischen Bestimmungen nachzukommen. Vorname ...... Name ...... PLZ/Wohnort ...... Strasse ...... beschäftigt bei  Chor  Ballett Festangestellt  Solo

Berufliche Tätigkeit Freischaffend  Geburtsdatum Nationalität ...... Mobile Telefon ...... Homepage ...... e-mail ...... Eintrittsdatum in den SBKV ...... Gesamtes Jahreseinkommen brutto CHF . 6.7.2019, Z ür i c h Ich wurde auf den SBKV aufmerksam durch Mit Irina Schönen und Franz Kasperski Bemerkungen ...... Unterschrift Mitglied Ort und Datum ......

SBKV • Kasernenstr. 15 • 8004 Zürich • Tel. +41 (0)44 380 77 77 • Fax +41 (0)44 380 77 78 · mail: [email protected] • www.sbkv.com