Chronik 1. Teil

der Stadt Falkenberg/Elster Titelseite Stadtwappen seit 1962

Falkenberg um 1900 Altes Gemeindesiegel (Rekonstruktion) – Symbol der Landwirtschaft Ansichtskarte

2 Chronik der Stadt Falkenberg/Elster

Vom Straßendorf zur Eisenbahnerstadt

Erster Teil 2. Auflage 2007

Verfasser: Heinz Schwarick

Herausgegeben von der Stadtverwaltung Falkenberg/Elster

3 Vorwort zur Stadtgeschichte Falkenberg Wozu braucht man eigentlich eine solche Stadtgeschichte?

Vor Ihnen, liebe Bürger und Freunde unserer Stadt Falken - Es gibt viele Gründe, die für ein solches Werk sprechen. Wir berg/Elster, liegt der erste Teil einer Chronik unseres Ortes. müssen unser Leben und unsere Arbeit immer im Zusam - Mit diesem Werk wird einem schon lange währenden Wunsch menhang mit der Geschichte sehen, wir stehen sozusagen entsprochen. Schon oft hatte man in den vergangenen Jahren mit unseren Füßen auf den Schultern der Vergangenheit. von vielen Falkenbergern und auswärtigen Gästen die Klage Gerade in einer Stadt wie Falkenberg/Elster, in der einem vernommen: „Es gibt überhaupt kein Buch, in dem die Ge - nicht an jeder Ecke und bei jedem Haus die Zeugnisse der schichte der Eisenbahnerstadt dargestellt wird.“ Unter Lei - Vergangenheit ins Auge springen, ist eine solche Stadtge - tung von Herrn Heinz Schwarick und unter seiner schichte vonnöten. Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, Federführung entstand diese Chronik. Zahlreiche Einzelbei - wie es damals in Falkenberg/Elster war? Wer lebte hier? Wie träge eines großen Autorenteams galt es auszuwerten. Viele ist es Falkenberg während der vielen Kriege ergangen? Und fachkundige Autoren haben sich mit Einzelproblemen und ist es nicht ein schönes Gefühl, wenn man nach dem Lesen Detailfragen der Stadtgeschichte beschäftigt. In diesen Bei - der Chronik viel bewusster und mit kundigen Augen durch trägen wurden die einzelnen Aspekte und Fakten der Falken - die Stadt gehen kann? Besonders in einer Zeit, in der wir berger Geschichte dargestellt, und durch den Chronisten wird durch die verschiedenen Medien mit Informationen überflu - der gesamtgeschichtliche Zusammenhang aufgezeigt. So tet werden, sollten wir nicht gerade da über die Stadt Be - manche Information konnte den zahlreich veröffentlichten Ar - scheid wissen, in der wir leben, in der so mancher seinen tikeln des Lehrers und Heimatforschers Friedrich Stoy (1887 Urlaub verbringt, in die man gern zu Besuch fährt? – 1978), der mehrere Jahre in Schmerkendorf unterrichtete, aus den Beilagen „Die schwarze Elster“ des „Liebenwerdaer Dieses Werk sollte in jede Falkenberger Familie gehören. Zu Kreisblattes“ entnommen werden. Der Falkenberger Lehrer diesem ersten Teil wird in einiger Zeit ein weiterer Band er - Otto Zschörneck (1898 – 1980) sammelte mit unermüdli - scheinen. Bitte helfen Sie mit, liebe Falkenberger, dass die - chem Fleiß alles Verfügbare und ergänzte dies durch eigene ser zweite Teil noch um in Ihrem Besitz befindliche oder in Untersuchungen, vor allem zur Schulgeschichte. Über 15 Ihrem Gedächtnis haftende Kenntnisse oder Dokumente Jahre recherchierte Herr Klaus Wackernagel als Ortschronist zeitgeschichtlicher Ereignisse bereichert werden kann. Dem mit Schülergruppen zu Geschichtsabschnitten und zur Ent - Verfasser, Herrn Heinz Schwarick, und allen genannten und wicklung der Industrie des Ortes. Schließlich sei der ehema - ungenannten Autoren sei herzlich gedankt. lige Pfadfinder Ludwig Heil (1902 – 1985) zu nennen, der fern seines Heimatortes in erster Linie ehemaligen Falken - Dezember 1990 bergern mit seinen „Falkenhorst-Blättern“ Kenntnisse vermit - telte. Zu den Höhepunkten dieses Werkes zählt die fototechnische Gestaltung, der sich Fotografenmeister i. R. Peter Wolfframm Herr Hans Weichert widmete. Bürgermeister

4 Liebe Einwohner Falkenbergs, liebe Freunde unserer Stadt,

15 Jahre nach dem Erscheinen des 1. Teiles der Chronik der Stadt Falkenberg/Elster wurde eine Neuauflage erforder - lich. Nicht nur, weil die Chronik vergriffen ist, sondern auch, weil seither die Details mancher Ereignisse exakter und wahrheitsgerechter beschrieben werden können.

Die Arbeitsgruppe „Heimatgeschichte“, des „Fördervereins Brandenburgisches Eisenbahnmuseum“ unter der Lei - tung des Ortschronisten Heinz Schwarick hofft, in der Neuauflage einige Begebenheiten präziser herausgearbeitet zu haben. In den vergangenen Jahren ist es der Arbeitsgruppe gelungen, viele Bürgerinnen und Bürger, besonders auch Kinder und Jugendliche, für die Heimatgeschichte zu interessieren.

Dazu trugen u.a. bei: · Die Broschüre zum 150jährigen Bestehen des Eisenbahnstandortes Falkenberg im Jahre 1998, · die Festzeitung zur 750 Jahr-Feier der ersten urkundlichen Erwähnung Falkenbergs im Jahre 2001, · zahlreiche Beiträge im Falkenberger Amtsblatt zu ortsgeschichtlichen Themen, darunter auch die Sonderausgabe „450 Jahre Schlacht bei Mühlberg“ (eigentlich eine Schlacht bei Falkenberg im Jahre 1547) · sowie die Sonderausgabe 60. Jahrestag der Bombardierung Falkenbergs im Jahre 2005.

Überaus großes Interesse fand die dazu im April 2005 gezeigte Ausstellung „Gegen das Vergessen“ in der ehemali - gen MITROPA (über 2500 Besucher). Diese wurde durch die Stadt Falkenberg gemeinsam mit der AG Heimatgeschichte und dem Eisenbahnmuseum vorbereitet.

Ich bin überzeugt und voller Hoffnung, dass auch die vorliegende Neuauflage des 1. Teiles der Chronik das gewach - sene heimatgeschichtliche Interesse verstärkt, dass viele neue Leser, besonders in den Schulen, den Zugang zu ihr finden und vielleicht mit Hinweisen oder eigenen Beiträgen, auch zu dem in Vorbereitung befindlichen 2. Teil der Chronik, aufwarten.

Ich bedanke mich recht herzlich bei den Mitgliedern der AG Heimatgeschichte, die den 1. Teil der Chronik erarbeitet haben, ebenso bei den heutigen Akteuren für die geleistete Arbeit und wünsche weiterhin viel Erfolg.

November 2006 Herold Quick Bügermeister

5 Von Funden aus der Ur- und Frühgeschichte Böden entstehen lassen: im Norden diluvialer Sand, an - sonsten je nach Ablagerung anlehmiger Sand, einge - streute reinlehmige Böden und ein fast überall vorhandener lehmiger Untergrund. Hinzu kommen aus - gedehnte Moraste und sumpfige Böden im Kiebitzer Raum vom Großen bis zum Kleinen Schweinert. Bis zur jüngeren Steinzeit (4500 – 1800 v. u. Z.) weist un - sere Heimat nur eine dürftige Besiedlung auf. Zeugen die - ser Zeit wurden u. a. bei Kleinrössen und Langennaundorf gefunden. Der Sandboden und die Sumpfwaldungen der Elsterniederung eigneten sich für den damals betriebenen Ackerbau und die Anlage sicherer Wohnplätze nicht. Dage - gen gibt es für das Gebiet des ehemaligen Kreises zahlreiche Beweise einer größeren Besiedlung während der nachfolgenden Bronzezeit (1800 – 750 v. u. Z.).

Plan des bronzezeitlichen Hügelgräberfeldes (1200 – 800 v. u. Z.)

Ein Flachland, das durchschnittlich 83 m über NN liegt Hügelgräber im Schweinert und vom Süden zum Norden hin um etwa 1 m abfällt, bil - det die Gemarkung Falkenbergs. Es ist ein Teil des Bres - Im Falkenberger Raum sind folgende wichtige Funde an - lau-Magdeburger-Urstromtales und entstand in der zuführen: Im äußersten nördlichen Zipfel der Gemarkung, Saale-Eiszeit vor ungefähr 200.000 Jahren. am Rande des Schweinert, befindet sich als eindrucks - Die glazialen Schmelzwasser der Gletscher haben unsere vollstes Zeugnis das größte mitteleuropäische Hügelgrä -

6 berfeld mit 642 Hügeln. Bereits 1811 untersuchte ein Nachbestattungen, eine zweifache Schicht von Steinen Hauptmann Friedrich Krug von Nidda mit sechs Soldaten auf der alten Grundfläche. Für die etwa 1300 Kubikmeter aus Herzberg einige Hügel als „Schatzgräber“, ebenso Sand für die Grabhügel waren etwa 2000 Tagewerke zu ein Hauptmann Ledebur aus Berlin. Der größte Hügel, der vollbringen, also benötigten z.B. 200 Menschen etwa 10 Pfannenberg, wurde von Preusker (Großenhain) geöffnet. Tage. In den Gräbern fand man zahlreiche Gefäße (Urnen In den Jahren 1820 – 1828 erfolgten erste wissenschaft - mit Leichenbrand, Krüge, Schalen, Tassen mit Zierrat und liche Untersuchungen durch den Schliebener Arzt, Kreis - Schmuck), die Kennzeichen der älteren Bronzezeit auf - physikus und Archäologen Dr. Wagner. Darüber wiesen. berichtete er in dem 1828 in Leipzig erschienenen Büch - Am Baggerteich wurde bei der Gewinnung des Sandes für lein „Die Tempel und Pyramiden der Urbewohner auf dem die Herstellung der Kalksandsteine eine große Zahl von rechten Elbufer, unweit dem Ausfluss der Schwarzen El - Tongefäßen (Buckel- und Pokalform) aus flachen Gräbern ster“. Im Jahre 1876 besuchte die Anthropologische Ge - freigelegt und vom seinerzeitigen Prokuristen Lehmann sellschaft mit dem berühmten Gelehrten Virchow die gesammelt und ausgestellt. Ihrer Form und ihren Verzie - Hügelgräber. Unter Leitung von Dr. Agde ließ die Landes - rungen nach gehören die Gefäße der mittleren Bronzezeit anstalt für Vorgeschichte in Halle in den Jahren 1934 und (etwa 1400 – 1200 v. u. Z.) an. 1935 zwei Gräber öffnen, ein kleines und ein großes, letz - Südlich des Tunnels am oberen Bahnhof wurde 1950 teres mit etwa 12 m Durchmesser. Es enthielt mehrere beim Stubbenroden ein Gräberfeld bloßgelegt. Gefäße unterschiedlicher Größe wurden geborgen, mit und ohne Henkel, größtenteils mit Randverzie - rungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit be - reits auf einer Töpferscheibe hergestellt worden sind. Die großen Schalen waren von Kiefernwurzeln um- und durchwachsen, so dass die Bergung nur in Bruchstücken erfolgen konnte. Sie waren sämtlich mit Asche und Kno - chenresten gefüllt und aufgrund ihrer Formen und Verzierungen der jüngeren Bronzezeit (etwa 1000 – 700 v. u. Z.) anzurechnen. Nach mündlichen Überlieferungen hat es Fundstellen an der Ecke Uebigauer und Schüt - zenstraße gegeben. Jedoch sind davon keine Fundstücke vorhanden. Als im Jahre 1910 Bauern ihre sumpfigen Wie - Ausgrabungsarbeiten im Hügelgräberfeld 1934/35; Nachbestattung im Hügel 2 sen mit Sand der Walberge verbessern woll -

7 ten, stießen sie auf Waffen und Gefäße. Die unter Denk - prägung. In der Nähe der schilfgedeckten, auf einge - malschutz gestellte Zufluchtstätte wurde vermutlich um rammten Stämmen errichteten Hütten lagen die mit dem 1000 v. u. Z. errichtet. Der Ringwall, der 120 m mal 70 m schuhleistenförmigen Steinpflug gelockerten Äcker, auf in der Fläche misst und eine Höhe von 7 m bis 8 m besaß, denen Buchweizen, Hirse, Gerste und Lein angebaut wur - war mit Palisadenwänden versehen, worauf verkohlte den. Als Haustiere hielt man u. a. eine Art von großhör - Reste schließen lassen. Er liegt mitten im Sumpfgelände nigen Rindern. Man verstand das Spinnen und Weben, mit nur einer Zufahrt von Norden her. Wer die Walberge das Netzknüpfen für den Fischfang, die Flechterei, das errichtet hat, lässt sich bis heute nicht exakt festlegen. Gerben der Tierhäute und vor allem die schon mehrfach Als Fluchtburg und Verteidigungsanlage diente sie so - erwähnte Töpferei. wohl Angehörigen germanischer Stämme als auch slawi - schen Bewohnern. Von einem Teil der bäuerlichen Bevölkerung wurde sie 1806/1807 mitsamt ihrem Vieh Die Zeit der slawischen Besiedlung als Versteck vor den Franzosen benutzt. Aus solchen Quellen der Geschichte entnehmen wir die Seit dem 4. Jahrhundert v. u. Z. bis zum Ende des 4. Jahr - Kenntnisse über die Lebensweise der damaligen Bewoh - hunderts u. Z. war unser Heimatgebiet von west- und ost - ner, wobei auch gleichgeartete Funde von anderen Orten germanischen Stämmen bewohnt. Es handelte sich herangezogen werden. Sie lebten offensichtlich in gro - vermutlich um die Hermunduren, die später von Burgun - ßen Familienverbänden, vielleicht sogar in Stämmen. Ge - dern und Vandalen abgelöst wurden. Überreste aus die - fäße und Schalen unterschiedlichster Art stellten sie auf ser Zeit wurden im Kreisgebiet nur in sehr spärlichem einer Drehscheibe her: Töpfe, Terrinen, Tassen, Schalen, Umfang gefunden. Einige Schlackenfunde beweisen, Kannen, Krüge, Vasen und Teller, Küchengeschirr für Kin - dass die germanischen Siedler den Raseneisenstein, der der; mit Steinchen gefüllte Tonklappern in Kugel-, Ei- und in den hiesigen Niederungen dicht unter der Erdoberflä - Vogelform für die Kleinen sind Zeugen der „Lausitzer Kul - che in einer etwa 50 cm starken Schicht in großen Men - tur“ in unserer Heimat. Gestaltung und charakteristische gen vorhanden war und auch heute noch gefunden wird, Verzierungen zeugen von einem hohen Kunstsinn. Es ist in primitiver Weise verhütteten und zu Geräten verarbei - anzunehmen, dass die Erzeugnisse mit südöstlichen teten. Eisenschlackeblöcke von Zentnerschwere ent - Nachbarn ausgetauscht wurden, die vornehmlich deckte man zum Beispiel bei Gräfendorf. Jedoch fehlen Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Bronze anbo - konkrete Nachweise, inwiefern die hier ansässigen Be - ten. Den Toten brachte man eine große Verehrung entge - wohner bzw. deren Stämme in den Strudel der großen gen, zahlreiche kultische Handlungen wurden ausgeübt, Völkerwanderung (um 375 u. Z.) hineingezogen wurden. bei denen lange, doppeltgeschweifte Blasinstrumente, Die Einwanderung slawischer Stämme in unser Territo - die Luren, benutzt wurden. rium erfolgte wahrscheinlich kurz nach 600 u. Z.. Die Durch die Metallbearbeitung erreichte neben der hand - große Bewegung der germanischen Stämme von Norden werklichen Tätigkeit auch der Feldbau eine gewisse Aus - nach Süden ließ so viel Raum und Zeit offen, dass die von

8 Osten nachdrängenden slawischen Stämme ohne weite - denen sicher (Moienmarkt) und auch Uebigau res bis zur Saale und zum Teil darüber hinaus vordringen zu zählen sind. Noch lange nach der Eroberung unseres und sesshaft werden konnten, ohne etwa vereinzelt zu - Heimatgebietes durch die deutschen Fürsten (10. – 12. rückgebliebene Reste germanischer Stämme zu vertrei - Jahrhundert), in manchen Dörfern bis in die heutige Zeit ben. Unser Gebiet dürfte dem slawischen Gau Nizizi hinein, haben sich sprachliche Reste und Erscheinungs - angehört haben, der von der unteren Mulde über die Elbe formen in der Kleidung, in Festen, im Brauchtum, im Aber - hinweg wahrscheinlich bis zur Schwarzen Elster reichte. glauben, in Sagen und Spukgeschichten erhalten, die an Die hier ansässigen Slawen gehörten zur großen Stam - die Zeit der Besiedlung durch die Slawen erinnern. mesgruppe der Sorben, deren Sprache und Kultur heute noch in Teilen der Ober- und Niederlausitz fortlebt und gepflegt wird. Das Bauerndorf Falkenberg entsteht zur Zeit Es wird angenommen, dass die Walberge ebenso wie der Schliebener Burgwall, der von Kosilenzien und kleinere der Herausbildung der feudalen Gesellschafts - Ringwälle bei Kolochau, Proßmarke und Schöna den Sla - formation wen als politische, militärische und religiöse Mittel - punkte wie auch zur Zuflucht dienten. Neben Jagd und Ende des 10. Jahrhunderts drangen die deutschen Herr - Fischerei standen Feldbau, Viehzucht und Bienenhaltung scher – König Heinrich I., Kaiser Otto I., Otto II. und deren im Mittelpunkt der Tätigkeit in den slawischen Siedlun - Nachfolger – auf ihren Eroberungszügen in die Gebiete gen. Fast alle uns heute bekannten Haustiere wurden ge - zwischen Saale und Oder vor und unterwarfen die Sla - halten. Man baute Gerste, Hülsenfrüchte, Roggen, wen. Die Ostexpansion des deutschen Feudaladels trug Weizen, Rüben, Hopfen, Lein und Hanf an. Neben Holzge - vor allem militärischen Charakter. Deutsche Stützpunkte räten wurden eiserne Äxte, Messer, Beile, Sägen und wurden als Burgwarde ausgebaut, zu denen auch Uebi - Waffen verwendet. Die vor allem im nördlichen Kreisge - gau, Neudeck, Frauenhorst und Arnsnesta gehörten. Im biet gefundenen Tongefäße haben als Verzierungen Wel - Rahmen der Privilegierung von Bischöfen und Reichsäb - lenlinien und Strichmuster und wurden nachweislich ten erhielt der Bischof von Naumburg im Jahre 1065 das mittels der Töpferdrehscheibe hergestellt. Die Erzeug - Gebiet zwischen Saale und Schwarzer Elster einschließ - nisse an Vieh, Geweben, Häuten, Honig, Wachs und lich des Slawengaues Dalminze als Lehen. Nachdem die Flachs wurden in lebhaftem Handel mit Nachbarstäm - besetzten Gebiete den Deutschen um die Jahrhundert - men, mit den Deutschen jenseits der Saale und Elbe und wende und in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts auch mit weiter entfernt wohnenden Völkern gegen Me - durch die Slawenaufstände sowie durch Kämpfe mit Böh - talle, Waffen, Salz und andere Produkte getauscht. Teil - men und Polen zum großen Teil wieder verloren gingen, weise trat an die Stelle des Tauschhandels auch schon erfolgten im 12. Jahrhundert neue Vorstöße der deut - der Geldverkehr. Für die Abwicklung des Handels bilde - schen Territorialherren, wobei vor allem Heinrich der ten sich allmählich regelrechte Marktzentren heraus, zu Löwe und Albrecht der Bär die Führung übernahmen.

9 Durch sie, im 13. Jahrhundert auch durch den Deutschen Ritterorden, vollzog sich die Eindeutschung der bisher slawischen Gebiete. Bereits im Jahre 1125 wurde der Rit - ter Konrad von Wettin mit der neu gebildeten Mark Mei - ßen belehnt. Die in dieser Zeit unmittelbar einsetzende Christianisierung fand in unserer Heimat in den Klöstern , Herzberg, Mühlberg und Doberlug ihre wichtig - sten Stützen. In die größtenteils durch die Kriegszüge verheerten, teilweise auch dünn besiedelten Gebiete wurden Bauern aus Franken, Hessen, Bayern, Nieder - sachsen, aus den Niederlanden und aus der Gegend zwi - schen Harz und Magdeburg gerufen, um diese militärisch zu sichern und ökonomisch zu nutzen. In erster Linie aber kam die Ostexpansion den deutschen Fürsten, dem niederen Adel und kirchlichen Institutionen zugute. So mag wohl um 1200 auch ein in den Kämpfen erfolgreicher Ritter mit seinen Landsleuten, siedlungs - willigen jungen Bauernsöhnen, gegen Zusicherung einer für mehrere Jahre gültigen Steuerfreiheit unser Dorf zwi - schen den slawischen Siedlungen Uebigau, Lönnewitz, Kölsa und Rössen gegründet haben. Der Ritter behielt sich das uns bekannte Rittergutsgelände vor, dazu 4 Hufen Land (1 Hufen entsprach damals etwa 80 Mor - gen, also 20 ha). Beispiele für weitere zu dieser Zeit er - folgte Ortsgründungen sind Schmerkendorf, Rehfeld, Beyern, München, Langennaundorf und Herzberg. Die Gehöfte wurden mit der Giebelseite zum Weg hin er - richtet, Scheune, Garten und Feld lagen dahinter. Der Fahrweg schlängelte sich an vier Dorfteichen vorbei (heu - tiger Garten von Schmiedemeister Koch, bei den Bauern Schulze, Hendel und Lehmann-Große), die etwa bis 1930 bestanden. Die Lage des oberen Dorfteiches wird heute noch durch den Stamm einer Kopfweide am Ortsausgang Skizze der Besiedlung um 1542 rechts in Richtung Herzberg gekennzeichnet.

10 nicht nachgewiesen werden. Des Rätsels Lösung könnte in der Beachtung alter Flurnamen liegen. Die Bewohner bezeichneten trockene, etwas höher gelegene Fluren als „Berg“ im Gegensatz zu vielen flachen, häufig sehr nas - sen Stellen ihrer Gemarkung. Bekannt sind der Hubertus - berg, der Weiße Berg, der Druchsen- und der Hirschberg im Osten, ferner die Walberge und die „Berge“ als Sam - melname am nördlichen Ausgang des Dorfes. Hinzu kommt, dass Greifvögel wie Roter Milan, Rohr -

Ehemaliger Teich in der Lindenstraße

Viele der vor 1300 gegründeten Dörfer wurden später wieder verlassen. Aus Sicherheitsgründen legte man Ein - zelsiedlungen zu größeren Ortschaften zusammen. Mit - unter werden ungünstige Ackerböden und auch Seuchen den Anlass für die Aufgabe der Siedlungen gegeben haben. In unmittelbarer Nähe Falkenbergs sind bei - spielsweise die Wüstungen Dräsdorf zwischen Kiebitz und Uebigau, Kragenest (Krahennest) nordöstlich von Kölsa, Gorek (Gohrig) und Döbern (Dobrene) südwestlich von Schmerkendorf sowie Wöllersdorf zwischen Uebigau und Beiersdorf bekannt. Eine exakte Erklärung für den Ortsnamen Falkenberg kann nicht gegeben werden. Häufig leiten Historiker und Heimatforscher Ortsnamen von Personennamen ab, die in irgendeiner Beziehung zum Ort standen. So gab es mehrfach Meinungen, unsere Ortsbezeichnung mit einem deutschen Rittergeschlecht Valkimberch in Verbin - dung zu bringen, jedoch konnte dessen Existenz bislang Falkenberger Flur und Umgebung

11 weihe, Hühnerhabicht, Mäusebussard und Falken in un - Daraus ist zu entnehmen, dass die Anzahl der damals in serem Raum heimisch waren. unserem Ort ansässigen Bauern bereits die Schaffung Urkundlich wird Falkenberg nachweislich erstmals im einer Filialkirche rechtfertigte, die wahrscheinlich mit Jahre 1251 in einer Schenkungsurkunde erwähnt. Nach einem in Torgau ausgebildeten Leutpriester besetzt war. mehrfachen Auseinandersetzungen mit den weltlichen Behörden in Torgau errichteten die Nonnen des Zister - zienser-Klosters in Nimbschen bei Grimma (Dahlener Vom schweren Leben unter der Feudalherr - Heide) auf Veranlassung des Markgrafen Heinrich dem schaft Erlauchten von Meißen ein neues Kloster. Für ihre Tätig - keit benötigten sie ein Arbeitsgebiet und eine gesicherte Als im Jahre 1423 der Markgraf von Meißen mit dem Kur - Grundlage. So wurde ihnen u. a. das Patronat der Kirche fürstentum Sachsen belehnt wurde, fiel unser Ort eben - Altbelgern mit ihren Filialkirchen, darunter auch Valken - falls an Sachsen. Bei der weiteren Organisierung der berch, in einer Stiftungs- und Schenkungsurkunde zuge - Verwaltung in den eroberten Gebieten wurden einzelne sprochen. Burgwarde zu Vogteien und später zu Ämtern vereinigt. Falkenberg unterstand dem Amt Liebenwerda. Zur Erhe - bung der Steuern wurde meist der Begütertste als Lehn - herr eingesetzt, der gegenüber dem Landesherren lehnspflichtig war. Zur Erfüllung der Leistungen wurden alle Bauern herangezogen. Anger, Weide und Wald wur - den gemeinsam genutzt. In der „Ortswilekor“ legte der belehnte Ritter exakt Grundbestimmungen über die äu - ßere Ordnung der Dorfgemeinschaft, über Rechte und Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gesamtheit nie - der. Die Art und Höhe der Abgaben und Arbeitsleistun - gen war ebenso festgelegt wie die zeitliche Nutzung der Weiden für die Hütung der Rinder, Schweine und Schafe. Der Ackerbau erfolgte als Dreifelderwirtschaft, vor allem wurden Hafer, Roggen, Hanf, Lein, Hopfen und Mohn an - gebaut. Wiesenwirtschaft und Viehhaltung entwickelten sich allmählich mit der oft sehr mühsamen Kultivierung der Bruchwaldungen in den Niederungen. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte waren nicht Erwähnung des Ortes in der Schenkungsurkunde an das Klo - ster Nimbschen durch den Markgrafen Heinrich von Meißen allen Bauern die gleichen Erfolge beschieden. Ungün - im Jahre 1251 (Ausschnitt) stige Witterungsbedingungen minderten die Erträge,

12 Krankheiten bei den Tieren brachten schmerzliche Verlu - zu dienen, waren also so gut wie leibeigen. Hofdienste ste und damit für die Menschen viele Nöte. Der Ritter hatten stets den Vorrang vor den eigenen Arbeiten. Die aber forderte die festgelegten Abgaben und Arbeitslei - Akten des Patrimonialgerichtes berichten von harten Ver - stungen. Manchmal halfen die Nachbarn. Oftmals aber stößen, freilich nur in wenigen Fällen, denn wer wagte waren einzelne Bauern gezwungen, Land abzugeben, um schon den Administrator anzuklagen? So wurde das ihre Verpflichtungen erfüllen zu können. So änderte sich Elend des Lebens oft an freien Sonntagen in der Schenke die Dorfstruktur und bot um 1500 folgendes Bild: bei überreichlichem Genuss der selbstgebrauten Biere und Schnäpse förmlich „ertränkt“. In Falkenberg wohnten 6 Halbhüfner mit etwa 50 Morgen Das Privileg der niederen Gerichtsbarkeit hatten die (eine fränkische Hufe entsprach etwa 100 Morgen), die in schriftsässigen Rittergüter, sie ließen es durch ein Patri - der Lage waren, sich von Arbeitsleistungen freizukaufen; monialgericht ausüben. Zur Urteilsfindung wurde das rö - 17 Viertelhüfner, die außer den zu leistenden Abgaben mische Recht zugrunde gelegt. Deshalb stellten die noch jährlich 157 Tage für den adligen Herren arbeiten Rittergutsbesitzer einen Gerichtshalter mit entsprechen - mussten; 6 Häusler mit nur wenigen Morgen, die hand - den Kenntnissen aus nahe gelegenen Städten ein. Ge - werkliche Tätigkeiten ausübten und bis zu 30 Arbeitsta - richt wurde über alle Vorkommnisse des Lebens gen herangezogen wurden. gehalten, die gegen Rechte, Sitten und Gebräuche ver - Die angesetzten Steuern und Leistungen (wie z. B. Hu - stießen. Dazu zählten Arbeitszeitverstöße, Diebstähle, fenzins, Erbzins als Grundsteuer, Wiesenzins, Hutungs - Verlassen der Arbeitsstellen, Streit innerhalb der Fami - geld für Weiderechte, Dienstgelder als Ablösung für lien, Beleidigung und üble Nachrede, Ehescheidungen, bestimmte Arbeitsleistungen und Kuhgeld anstelle der Betrügereien, Streit um Entschädigungen usw. Die An - früher üblichen Abgaben von Kühen und Kälbern sowie träge wurden entgegengenommen, bearbeitet und das Naturalabgaben an pflanzlichen und tierischen Produk - Urteil nach Anhören der Parteien als rechtskräftig verkün - ten) steigerten sich im Laufe der Zeit sowohl gegenüber det. Die Gerichtsdirektoren hatten dem Gerichtsherren, den Ämtern als auch gegenüber den adligen Herren. Aus also dem Rittergutsbesitzer, über jeden Fall Bericht zu der Erhöhung der Ausbeutung finanzierte man die um - geben. fangreicher werdende Verwaltung, Beiträge zu Kriegsla - Zu späterer Zeit schritt außerdem ein Dorfgericht bei Ver - sten, den Bau von Befestigungen und Schlössern und stößen gegen die Dorfordnung, gegen Nutzungsverein - natürlich auch das kostspielige Leben und Treiben an barungen, gegen Sitten und Gebräuche und bestimmte den Höfen der Landesherren. Unbarmherzige Verwalter Verpflichtungen ein. Es wurde von einem gewählten Dorf - trieben die Bauern zu immer größeren Opfern an. Um die richter, der dafür wiederum ein Lehngeld zu entrichten Arbeitskräfte für ihre Dienste zu erhalten, maßten sich hatte, und zwei Schöffen ausgeübt. Dorfgendarmen die Herren viele Vorrechte an. So durften Söhne und übten auf ihren Patrouillengängen strenge Kontrollen aus Töchter der Bauern ohne Einwilligung des Gutsherren und erstatteten Anzeige. Dabei ging es oft recht kleinlich keinen anderen Beruf ergreifen. Sie hatten dem Herren zu, wie aus einem Gendarmenbericht vom November

13 1754 zu ersehen ist: „… Hüfner Richter mit brennender Der obere Hof hatte als Besitzer die Gebrüder Köckeritz Zigarre auf dem Hof angetroffen; Bauer Marth mit bren - und von Störe, dann fast 200 Jahre ab 1409 die Familie nender Tabakspfeife; Hofhund des Hüfners Torge trieb von Hohndorf, ab 1662 deren Schwiegersohn Georg Diet - sich ohne Aufsicht herum; Gastwirt Köppe hatte bis 4 Uhr rich Truchsess. Im Jahre 1686 erfolgte der Verkauf an den morgens Gäste; Hüfner Meier fuhr am Sonntag ohne po - Herzberger Bürgermeister Huth für 4342 Gulden und 18 lizeiliche Erlaubnis Getreide ein; der Müllermeister be - Groschen. Er hatte bereits 1684 zwei wüste Bauernhöfe schäftigte einen Zimmergesellen, der zu solchen in Kiebitz und 1686 auch die anderen wüsten Stellen er - Arbeiten nicht befugt ist;…„ worben. Mit dem unteren Hof wurden 1419 die Gebrüder Schaffe belehnt. Sie erhielten auch Kiebitz und die halbe Mühle Zur Geschichte des Rittergutes Bomsdorf dazu. Als die Schaffes im Mannesstamm aus - starben, wurde der Hof zeitweilig vom Amt Liebenwerda An dieser Stelle seien einige Angaben zur Geschichte des aus als kurfürstliche Domäne verwaltet und 1539 für Rittergutes eingefügt. Während der Name des ersten treue Dienste dem kurfürstlichen Hofmarschall Heinrich Grundherren nicht ermittelt werden konnte, ist durch eine von Schönberg als Lehen übertragen. Dessen Sohn Jo - Urkunde des Klosters Doberlug vom Jahre 1345 belegt, hann Friedrich von Schönberg wurde 1576 nach dem dass ein Ritter von Rostoc als Grundherr gefolgt war. Des - Tode des Vaters durch den Kurfürsten August von Sach - sen Söhne Ranvolt und Kunat von Rostoc erschlugen sen mit dem unteren Hof belehnt. Das ist für uns kultur - ihren Vetter und mussten dafür Sühne leisten. Beide geschichtlich von Interesse, gilt er doch als der Verfasser haben offensichtlich mit Einwilligung des Landesherrn des Schildbürgerbuches. Er wurde in Sitzenroda bei ihren Besitz später geteilt, denn nach ihnen sind zwei Schildau geboren, war ab 1577 als Assessor und späte - Höfe vorhanden: ein oberer Hof (zwischen späterem Her - rer Leiter des Hofgerichts in Wittenberg tätig. Er war ab renhaus und der Dorfstraße) und ein unterer Hof (auf dem 1586 auch Lehnsherr eines der beiden Güter von Uebi - Gebiet der späteren Brennerei). Die Wohngebäude dürf - gau. Seit 1613 soll er seinen ständigen Aufenthalt in Fal - ten einfach und schlicht gewesen sein, denn die Herren kenberg gehabt haben und hier am 24. März 1614 hielten sich für nur kurze Zeit auf, um die von den Bauern gestorben sein. In der Wittenberger Schlosskirche wurde erarbeiteten Abgaben und Steuern zu kassieren. Mit der er beigesetzt. Die erste Fassung des Schildbürgerbuches Teilung ihres Besitzes war auch die Teilung des Dorfes ver - erschien 1597 als „Lalenbuch“ in Frankfurt/Main, 1598 bunden: 18 Bauern und Häusler nördlich von Köppes dann als „Schildbürgerbuch“ erweitert und unter einem Gasse und dem Gehöft Karras waren dem Besitzer des Pseudonym herausgegeben. oberen Hofes abgabe- und dienstverpflichtet, 12 südlich Wegen völliger Verschuldung des unteren Hofes unter der dieser Gasse dem unteren Hof. Die Bauern von zwei Ge - Familie Hans-Abraham von Schlieben erfolgte dann 1691 höften waren beiden Herren hörig. Nach dem Ableben der der Verkauf ebenfalls an den Herzberger Bürgermeister Ritter von Rostoc wurden beide Höfe getrennt belehnt. und kursächsischen Steuereinnehmer Huth. Ganz Falken -

14 berg einschließlich Kiebitz war jetzt in seiner Hand. Auf - Im Jahre 1748 erwarb der kursächsische Kreishauptmann grund eines 1691 durch den Kurfürsten ausgestellten Christian-Peter von Hohenthal den gesamten Besitz, und Lehnbriefes war nun ein Vertreter des Bürgertums Lehn - zwar Falkenberg für 35.000 und Schmerkendorf für herr von Falkenberg. Er muss streng gewirtschaftet 40.500 Taler. Er ergriff alle Maßnahmen, um die Güter haben, die Güter erhielten einen hohen Wert. Doch nicht rentabler zu gestalten. Er ist als Oberkonsistorialvizeprä - immer waren die Bauern mit seinen wirtschaftlichen sident und späterer Graf der bedeutendste Besitzer des Maßnahmen einverstanden. So wird von einer Arbeits - Rittergutes gewesen. Seine landwirtschaftlichen Anord- niederlegung im Jahr 1695 berichtet, als die Bauern die nungen waren für die damalige Zeit mustergültig. Aus - Gutswagen auf der Straße stehen ließen. So kam es zum saat, Ernteergebnisse und Viehbestände wurden exakt Abschluss eines neuen Erbvertrages mit den Bauern. in Tabellen festgehalten. In einem von ihm veröffentlich - Über Huths Schwiegersohn Grauschütz erfolgte 1720 die ten Intelligenzblatt schrieb er Abhandlungen über Land- Verpachtung und 1722 der Verkauf Falkenbergs für und Forstwirtschaft sowie über Probleme der Flussregu - 35.000 Taler an Herrn von Zaschnitz, der seit 1719 Be - lierungen. Progressiv wirkte er für Schule und Kirche sitzer von Schmerkendorf war. Trotz oder wegen mancher ebenso wie für das Armenwesen. Vermutlich veranlasste von ihm unternommenen Neuerungen zur Ertragssteige - er um 1790 den Bau des noch heute stehenden, im Ba - rung seiner Güter ging es mit dem Falkenberger Rittergut rockstil gehaltenen Herrenhauses, da sich seine Familie wieder bergab. oft längere Zeit hier aufhielt. Im Besitz der Familie von Hohenthal blieb Falkenberg bis 1833, und zwar von 1794 bis 1825 unter Peter Karl Wilhelm Graf von Hohenthal, dann bis 1833 unter Peter Wilhelm Graf von Hohenthal. Für 55.000 Taler und mit Übernahme der Verschuldun - gen von ca. 33.000 Talern erwarb dann Brigadekomman - deur Generalmajor Johann Heinrich von Schaper Falkenberg. Aus einer am 29. März 1813 in Petersburg ausgestellten Urkunde ist zu entnehmen, dass dieser Hans Heinrich von Schaper in seiner Kapitänszeit zu den Männern um Freiherr vom Stein, Hardenberg, Scharn - horst u. a. gehört haben muss, die aufgrund ihrer Tätig - keit für die Erneuerung Preußens vor Napoleon nach Russland ausweichen mussten und vorübergehend in russische Dienste traten. Darin heißt es: „… Am 4. No - vember 1812 trat er bei uns als Kapitän ein. Wir bestäti - gen das. Wir befehlen, unserem Kapitän Hans Heinrich Herrenhaus des ehemaligen Rittergutes in der Lindenstraße von Schaper zu gehorchen und sich ihm unterzuordnen.

15 Wir hoffen, dass er uns dienen wird mit seinem ganzen Fleiß und Mut, wie es sich für einen Offizier seines Wis - sens gehört …„.13 Jahre hatte Johann Heinrich von Scha - per Falkenberg in Besitz.

Tor zum Rittergut und Park

Am 22.12.1846 starb er als Witwer, inzwischen zum Ge - neralleutnant befördert. Er war in den Johanniterorden aufgenommen worden, damals eine für besondere Ver - dienste vom König von Preußen verliehene Auszeich - nung. Bei seinem Tode zählte Falkenberg 149 Einwohner, verteilt auf 47 Wohnungen, 39 von ihnen mit eigenem Besitz: 6 Halbhüfner, 14 Viertelhüfner, 8 Großhäusler Generalleutnant Johann Heinrich von Schaper und 7 Kleinhäusler, weitere 4 Häusler bauten auf. Das (1833 - 1846 Besitzer des Rittergutes Falkenberg) Rittergut hatte zu dieser Zeit, nach Abzug einer Belastung von 9.473 Talern, einen Gesamtwert von 83.859 Talern. einer Brauerei, einer Ziegelei und Kiebitz. 1874 kaufte er Dessen Sohn Heinrich Friedrich Carl Ludwig von Schaper, den Besitz Groß- und Kleinrössen. Er war 31 Jahre lang preußischer Premier-Leutnant und Geheimer Regierungs - (1854 - 1885) Landrat des Kreises Liebenwerda. Im Jahre rat, erbte 1846 das Gut Falkenberg mit einer Brennerei, 1885 folgte ihm sein Sohn, der preußische Rittmeister

16 Skizze des Rittergutes

Arthur Carl Heinrich von Schaper. Als dieser im Jahre gut zum Preis von 1.300.000 Mark zu kaufen, haben in 1911 starb, warb der Falkenberger Ortsverein trotz vieler besonderem Maße der Baumeister Carl Erler und der Gegenströmungen für den Ankauf des Rittergutes durch Apotheker Ernst Labedzki Anteil; beide borgten der Ge - die Gemeinde, um angesichts der wachsenden Bedeu - meinde zusammen 300.000 Mark, um eine Anzahlung tung des Ortes als Eisenbahnknotenpunkt Ländereien als zu ermöglichen. Die weitere Finanzierung wurde im Rah - Bau-, Industrie- und Wirtschaftsland zur Verfügung stel - men eines Rentengutverfahrens von der Seehandlung in len zu können. Die ihm angehörigen Gemeindevertreter Berlin übernommen. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges gewannen den Gemeindevorstand für ihr Anliegen. An konnte die Schuldsumme durch umfangreiche Verkäufe dem Beschluss der Gemeindevertretersitzung vom 16. von Ackerland, Wiesen, Wäldern, Nutzholz sowie durch Juni 1912 (10 Stimmen dafür, 1 Enthaltung), das Ritter - den Verkauf des Vorwerkes Kiebitz größtenteils getilgt

17 am 01.09.1950 in Falkenberg und wurde auf dem alten Friedhof in der Familiengrabstätte derer von Schaper an der alten Parkmauer begesetzt. Der „Waldhof“ wurde mehrere Jahre als TBC-Heilstätte und dann als Außenstelle der Kreiskrankenhauses Herz - berg für pflegebedürftige Kranke genutzt. Die erwähnte Rittergutsziegelei lag im „Ziegelgehege“, dort, wo jetzt das Forsthaus steht. Der Lehm wurde im angrenzenden Gebiet gestochen; noch heute sind die Gruben im Wald - gebiet beiderseits der Straße zum Kalksandsteinwerk bis hin zur Kläranlage zu erkennen, obwohl sie in den zu -

„Waldhof“, von Schapersche Villa in der Uebigauer Straße,, 1913/14 im Jugendstil erbaut, im Mai 1994 durch einen Brand zerstört werden. Im Revisionsbericht vom 14. Januar 1919 wird festgestellt, dass sich „… der Kauf des Rittergutes zu einer vorteilhaften Anlage infolge des Siedlungswesens sowohl für die Gemeinde als deren Ansiedler gestaltet hat. Insbesondere sind Preise erzielt worden, die nie - mand erwartet hat und andererseits vom Käufer nicht als drückend empfunden wurden.“ Die letzten Mitglieder der Familie von Schaper (Witwe Emma von Schaper, Hedwig/Hedda und Marie von Scha - Gutshof des ehemaligen Rittergutes mit Stallungen und Brennerei per) bewohnten ab Juli 1914 den 1913/14 vom Bau- und Zimmermeister Wilhelm Ahrens u. Co für 90.000 Mark er - rückliegenden Jahrzehnten mit Müll, Asche und Schutt bauten „Waldhof“ an der Uebigauer Straße. Er enthielt verfüllt wurden. Die ersten Seiten des ältesten Kirchenbu - 19 Zimmer, alle von zwei Dielen aus erreichbar, darunter ches (1652) berichteten schon von den Schicksalen der vier größere Räume. Marie von Schaper, genannt „Mimi“, „Ziegelstreicher“ in Falkenberg, und Christian Huth ließ war das letzte Familienmitglied. Trotz körperlicher Behin - nach dem 30-jährigen Krieg die zerstörten Gebäude mit derung konnte sie hervorragend malen und zeichnen. Sie den in der eigenen Ziegelei hergestellten Steinen auf - wurde am 11.11.1875 in Großrössen geboren, verstarb bauen. Das Ziegelbrennen war für das Gut ein einträgli -

18 ches Geschäft. Deshalb wurde die Ziegelei nie mit anderen Teilen der Wirtschaft verpachtet, sondern immer von der Herrschaft selbst betrieben. Die Ziegelei bestand aus des Zieglers Wohnung, drei Ziegelscheunen und dem Brennofen.

Nach einem Brand wurde die Ziegelei wieder aufgebaut. Für 1777 sind folgende Produktionsmengen angeführt.

1. Brand 13.900 Mauerziegel 10.758 Dachsteine … Firststeine 227 Platten 2. Brand 13.038 Mauerziegel 14.312 Dachsteine 238 Firststeine … Platten 3. Brand 12.107 Mauerziegel 13.408 Dachsteine 400 Firststeine 79 Platten Summe: 39.045 Mauerziegel 38.478 Dachsteine 638 Firststeine 306 Platten

Der Abschluss der Jahresrechnung 1904/1905 des Ge - samtrittergutes weist für das Ziegeleikonto einen Gewinn von 5.240,36 Mark auf. Die Ziegelei war 1898 moderni - siert und mit Maschinen ausgerüstet worden. Der Lehm kam in eine gemauerte Grube und wurde mit den Beinen durchgeknetet. Dann wurde er in eisernen Formen ge - formt, die Steine anschließend getrocknet. Ein Ringofen mit 12 Kammern – jede Kammer fasste 6.000 Steine – nahm die Ziegel auf. Nach dem Füllen der Kammern wur - den die niedrigen Eingänge zugemauert, nur ein kleines Loch blieb zum Vorheizen offen. Vom Feuer in der Mitte des Ofens gelangte die Wärme über regelbare Züge in die Kammern. Das Brennen dauerte zwei bis drei Tage. Nach dem Verkauf des Gutes an die Gemeinde im Jahre 1912 wurde die Ziegelei zunächst weitergeführt. In den Jahren 1914/15 wurde sie abgebrochen, das Wohnhaus 1925/26 abgetragen. Der Ortsteil Kiebitz war einst ein selbstständiges Dorf, in dem 1542 zehn Bauern ansässig waren. Auch sie unter - standen den Herren vom Rittergut, acht dem unteren und zwei dem oberen Hof. Als Georg von Hohndorf wegen sei - nes abenteuerlichen Lebens Geld benötigte, verkaufte er die beiden Höfe an den Torgauer Bürgermeister Erachius Buschhaus - östlich von Kiebitz, 1919 abgebrannt

19 Barbwasser. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – Von den Anfängen des Schulwesens 1648) war Kiebitz völlig wüst und ausgestorben. Es ge - langte in den Besitz des Herrn von Schlieben, der Bis zur Zeit der Reformation gab es sogenannte Parochial - Marxdorfer siedlungswillige Bauern abwies und durch - schulen, in denen die Küster das Vaterunser, das Ave-Maria setzte, dass Kiebitz ein Vorwerk wurde. Die beiden Barb - und die zehn Gebote lehrten. Aus den Angaben über zwei wasserschen Häuser wechselten mehrfach den Besitzer Pfarrhufen für das Jahr 1545 wird geschlossen, dass Fal - und wurden 1684 vom Herzberger Bürgermeister Huth kenberg in der vorreformatorischen Zeit schon einmal eine gekauft. Kiebitz blieb bis 1912 Vorwerk, wurde dann an selbstständige Kirchengemeinde war, dass der Ort also da - den Major Kleinschmidt und 1930 an den Gutsbesitzer mals auch schon eine Stätte christlicher Jugendunterwei - Massante verkauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sung gekannt hat, wie das für Dörfer in der Umgebung es im Rahmen der Bodenreform aufgeteilt. nachgewiesen ist. Falkenberg wird somit auch einen Kü - An dieser Stelle erscheint es angebracht, das Buschhaus ster gehabt haben, der eine Art „zeitgemäßen Unterricht“ zu erwähnen, das einst am Rande des Kleinen Schwei - erteilte. nert – östlich von Kiebitz – stand. Es war in der ersten Erst der Reformator Dr. Martin Luther (1483 – 1546) for - Hälfte des 18. Jahrhunderts als Blockhaus errichtet wor - derte in seinem „Sendschreiben an die Bürgermeister und den und enthielt unter einem Dach eine Wohnung, Vieh - Ratsherren aller Städte“ die Einrichtung von Schulen durch ställe für 40 Rinder, eine Scheune und Wirtschaftsräume. die weltliche Obrigkeit. Sie sollten christliche Schulen Der Wirt soll ein Förster des Rittergutes und gleichzeitig schaffen und erhalten und dazu die bisher für kirchliche Waldhüter im Dienste des Herrn von Schmerkendorf ge - Zwecke ausgegebenen immensen Summen opfern. Die wesen sein. Beim Kauf des Rittergutes vermietete die Ge - Priester sollten die Leute ermahnen, ihre Kinder zum Schul - meinde das Buschhaus an private Interessenten, zuletzt besuch anzuhalten. So geschah es dann auch in den Städ - an den Arzt Dr. Glatschke. Am 14.6.1919 brannte das ten, aber noch lange nicht auf dem Lande. Buschhaus vollständig nieder. Der Verdacht auf Brand - Die ersten sicheren Quellen, die Schulgeschichte Falken - stiftung konnte weder nachgewiesen noch widerlegt wer - bergs betreffend, liegen aus dem Jahre 1529 vor. Die Refor - den. Bedauerlicherweise ging damit ein in seiner mation war in unserer Heimat durchgeführt, die Bauweise für unsere Gegend seltenes Gebäude verloren. wahrscheinlich vorhanden gewesene selbstständige rö - misch-katholische Kirchengemeinde in Falkenberg be - In einer Verordnung vom Jahre 1569 wurde der Geldwert stand nicht mehr. Der Ort war eine „Filiale“ der der Zinssstücke festgesetzt, z.B. evangelischen Mutterkirche Schmerkendorf. Von dort aus ein Kalb = 24 Groschen wurde Falkenberg kirchlich und damit auch „schulisch“ be - ein Schaf = 24 Groschen treut. Verschiedene Berichte in den Visitationsakten geben eine Gans = 5 Groschen Auskunft über die schlechte soziale Lage der Küster und ein Schock Eier = 4 Groschen über das geringe Interesse an deren Unterweisungen. ein junges Huhn = 1 Groschen So heißt es z. B. 1529: „Custos soll sich der Jugend anneh -

20 men, zu bequemer zeit sie die christlichen lider, zehen ge - keinerlei Abgaben leisten. Hoffmann, der zwar eine freie bote, glauben unde vater unser leren, desgleychen die Wohnung, aber keinerlei Inventar, auch keine Wiesen und alten bey der mess die deutschen gesäng underweisen Äcker besaß, errechnete, dass die Nobilisten (die Adligen) unde sunderlich in der fasten unde advent eine zeit neh - ihm dadurch in 22 Jahren 166 Scheffel Korn und 110 Brote men, die jungen Leut fragen, ob sie die zehen gebot, vater entzogen hätten. Alle Bitten um Erstattung halfen nichts, unser unde glauben wissen.“ Im Jahre 1574 heißt es in im Gegenteil, der von Truchsess warf ihm noch vor, dass er einem Bericht: „Klagen des Custos: Wenn der custos uff die sich „als Einschenker bei Kindtaufen und Hochzeiten ge - filial kompt und den Catechismus leret, soll jede Dorff - brauchen lasse, dass die Wochenpredigten darüber aus - schaft ihme umbzech (der Reihe nach) eine Mahlzeit geben fallen müssten.“ Interessant ist auch eine Klage des unde umb der Mahlzeit willen, so sie nicht geben wollen, Pfarrers von Schmerkendorf, der die Konfirmanden in Fal - den Catechismus nicht versäumen.“ Der Unterricht erfolgte kenberg zu betreuen hatte, aus dem Jahre 1672: „Was Fal - sehr unregelmäßig. Anno 1608 liest man: „Es wird gar kenberg betrifft, so ist zu bemerken, dass trotzdem er keine Schule gehalten, dieweil die Eltern die Kinder nicht wenigstens alle vierzehn Tage den Sommer und den Win - dazu schicken. Die Bauern sagen, der Schulmeister sei ter in Regen und Schnee auf verdrießlichem Wege, ja der immer bei den Junkern droben … Zudem könnten sie ihre unterweilen aufpassenden hungrigen Wölfe halber mit Le - Kinder nicht entbehren, sondern müssten sie bei den ste - bensgefahr gehen müsse, er doch das ganze Jahr kaum so tigen Hofediensten in ihrer Haushaltunge gebrauchen.“ viel erwerbe, dass er notdürftig Schuhe und Strümpfe Mehrere Küster beklagten, dass ihnen dadurch das Schul - schaffen könnte und niemand böte ihm einen Bissen Brot geld verloren ginge, das 3 bis 6 Pfennige wöchentlich be - oder einen Trunk, viel weniger eine warme Stube an, auch trug. Um 1618 erhielt der Küster aus Schmerkendorf 91/2 die vom Adel nicht, die vorwendeten, sie wären Ritter und Scheffel Korn (Scheffel war ein verschieden großes Hohl - ihm nichts schuldig.“ maß für Getreide, in Sachsen etwa 100 Liter, in Preußen An die kirchliche Zugehörigkeit Falkenbergs zu Schmerken - ungefähr 50 Liter), aus Falkenberg 9, aus Kiebitz 2 Schef - dorf erinnern heute noch die alten Pfarrsteige zwischen fel 12 Metzen, aus Marxdorf 5 Scheffel 4 Metzen und aus beiden Orten, von denen die beiden „Schluppen“ (Gassen) Lönnewitz 3 Scheffel Korn, um sich Rinder und Schafe hal - zwischen Friedrich-List-Straße und Markt sowie zwischen ten zu können. Zu seiner Besoldung gehörten außerdem Walther-Rathenau-Straße und Friedrichstraße noch existie - 50 Brote, 1 Schock Eier (60 Stück), 1 Groschen Taufgeld ren, nur muss man sie sich durch dichte Wälder und Felder und 1 Groschen für die Beerdigung von Erwachsenen. Fer - führend vorstellen. Der Kirchsteig führte weiter zwischen ner sind ihm 3 Faß Bier steuerfrei gewährt. Ein Küster Pe - den jetzigen Grundstücken Friedrichstraße 29 und 31 zum trus Hoffmann aus Freiberg beklagt sich 1672 bitter über Schmerkendorfer Weg (heutige Ludwig-Jahn-Straße). die Adelsherren. Die haben die Notzeit des langen Krieges Nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm der Erste und die bösen Folgen benutzt, sich zu bereichern, den Kü - (1713 – 1740) in einem Generalschulplan alle Belange des ster aber zu schädigen, indem sie wüst gewordene Bau - Schulwesens einschließlich der Schulpflicht (mit der Ein - erngüter zu ihrem Stammsitz einzogen, davon aber schränkung „wo Schulen sein“) geregelt hatte, erhielt auch

21 Falkenberg seine erste Schule durch das Wohlwollen der In der Zeit der Befreiungskriege (1813/1814) drangen in Familie von Hohenthal. In seinem Buch „Zur Geschichte der die Volksbildung fortschrittliche Ideen, besonders die von deutschen Volksschule“ hob Eduard Spranger die Einrich - Pestalozzi, ein. Durch die Beschlüsse des Wiener Kongres - tung von „Freischulen“ für die allgemeine Bevölkerung ses (1815) kamen große Teile Kursachsens zu Preußen, durch den Kursächsischen Kreishauptmann Peter Freiherrn und es galten künftig die preußischen Schulbestimmun - von Hohenthal rühmlich hervor, übernahm er doch für die gen, so auch das Generallandschulreglement von 1763. Falkenberger Kinder alle Kosten. Er galt als eifriger Verfech - Darin wurde das Schulgeld wie folgt festgesetzt: Im Winter ter des Pietismus, einer in der Lutherischen Kirche aufkom - für jedes Kind, bis es lesen lernt, wöchentlich 6 Pfennige; menden Strömung. Doch die Bauern wehrten sich gegen für das lesende Kind 9 Pfennige; für das schreibende und diese Schule, da sie sich Schmerkendorf gegenüber ver - lesende 12 Pfennige = 1 Groschen. Im Sommer sollten nur pflichtet fühlten und auch ihre Abgaben dorthin zu entrich - zwei Drittel dieser Beträge entrichtet werden. Erst im Jahre ten hatten. Obwohl die Adelsherren einen „Vikar“ als 1888 wurde die Schulgeldzahlung für die Volksschule auf - „Schulehalter“ einsetzten und ihm auch die Einkünfte ver - gehoben und damit der Artikel 25 der preußischen Verfas - bürgten, war damit noch keine förmliche Ausschulung aus sung von 1850 endlich verwirklicht. dem Verbande mit Schmerkendorf vollzogen. Erst mehrere Verhandlungen und ein am 29. November 1757 in der „Oberstuben in der Schenken gehaltener Gerichtstag“, bei dem die Bauern unter Strafandrohung verpflichtet wurden, „ihre Kinder vom 4. bis 12. Jahre fleissig zur Schule zu hal - ten“ und „dem Schullehrer alle Liebe und freywillige Werk - tätigkeit erwiesen werden sollten“, führten zum Verbleib der Schule. Zwar waren die Falkenberger eigentlich froh, ihre Kinder nun nicht mehr auf den weiten Weg nach Schmerkendorf schicken zu müssen, dennoch hatte es der erste Lehrer Herzog nicht leicht, seine Absichten einer guten, prügelfreien Erziehung durchzusetzen. Er scheiterte an dem Verhalten der Eltern, die die körperliche Züchtigung Erstes Schulgebäude in der Lindenstraße – 1852 gebaut, später Wohnung forderten. Herzog erlebte Widersätzlichkeit und Aufleh - des Kantors, lange Zeit Kindergarten nung der Kinder. Da musste bald auch in seiner Schulstube – genau wie anderswo – der Stock regieren helfen, so In einem Bericht des Lehrers Felgentreu von 1831 werden schwer es ihm auch fiel, ihn anzuwenden. Ihn ärgerte vor für Falkenberg 76 Schulkinder – 42 Knaben und 34 Mäd - allem auch, dass die Kinder des Sonntags oft an der chen – angegeben. Peter Wilhelm von Hohenthal (1823 – Schenke anzutreffen waren, dort dem bösen Treiben der 1833) hatte die Einkommensverhältnisse des Lehrers noch Alten zusahen, selbst auch schon Branntwein tranken. einmal aufgebessert, es betrug nun insgesamt 172 Taler

22 und 15 Groschen. Darin waren enthalten ein Fixum der Wie es um das Gesundheitswesen bestellt war Gutsherrschaft von 60 Talern, aus Schulgeld der Kinder 32 Taler, freie Wohnung, Garten und Felder mit 32 Talern, der Auch im Gesundheitswesen ging es sehr schleppend Singumgang (in der Osterzeit ging die Schule von Haus zu voran. In den Familien handelte man nach dem Motto: „Für Haus „Arien“ singen) mit 5 Talern, Brennmaterial mit 18 Ta - jede Krankheit hat der Herrgott ein Kraut wachsen lassen.“ lern und 20 Groschen. Er durfte 2 Kühe und 2 Schweine auf Wenn die Hausmittel nicht helfen wollten, wurden eine der gemeinschaftlichen Weide unentgeltlich („schuttfrei“) „weise Frau“ oder der Schäfer zu Rate gezogen. Sie sollten halten. „bießen“, besprechen und bestreichen; man durfte nicht Die nachfolgende Herrschaft von Schaper weigerte sich je - darüber reden und sollte auch die richtige Mondphase be - doch, etwas zum Lehrereinkommen beizutragen. Die Ge - achten. Die Bader, die bei hohem Fieber und in Notfällen meinde sollte für Schule und Lehrer aufkommen. Nun geholt wurden, übten eine recht zweifelhafte Tätigkeit aus. setzte für Jahre ein Hin und Herr zwischen dem Superin - Die Dörfer wurden von landstreichenden „Wunderdokto - tendenten Thieme aus Liebenwerda als Schulaufsicht, dem ren“ heimgesucht, die mit ihren „Arzneien“ oft schlimmer Falkenberger Pfarrer Born als Schulinspektor und dem Rit - unter der Bevölkerung hausten als die Seuchen. Auf den tergutsbesitzer von Schaper als Schulpatron ein, wer die Jahrmärkten in Liebenwerda und Mühlberg traten Markt - Kosten für Lehrer und Schulraum tragen sollte. Die Schule schreier als „Medicus“ auf, die mit gewaltigem Redeauf - war in der Zeit derer von Hohenthal auf dem Gutshof unter - wand ihre Wundermittel gegen alle möglichen Krankheiten gebracht, nun sollte ein Grundstück gekauft oder ein anpriesen. Mit gefälschten Zeugnissen über angebliche er - „Schullokal“ gemietet werden. Zeitweilig wollten die Bau - staunliche Heilerfolge verkauften sie den leichtgläubigen ern ihre Kinder wieder nach Schmerkendorf zur Schule Bauern gegen unerhört hohe Preise ihre wertlosen, oft gar schicken, sie wurden jedoch zurückgewiesen. Die Guts - gesundheitsschädlichen „Arzneien“. Ein Arzt bezeichnete herrschaft trug sich sogar mit dem Gedanken, nur für die 1766 diese Wunderärzte als „Geißel … Ohne einen Kran - Kinder ihrer Leute einen Schulraum zu suchen. Endlich ken zu besehen, verkaufen sie ihre Arzneimittel, und es ging die Gerichtsherrschaft streng gegen den Dorfrichter reist keiner von diesen Elenden durch das Land, ohne dass vor, die Gemeinde wurde unter Strafe ermahnt, sofort es nicht einigen Einwohnern das Leben kostete.“ Und an einen Schulraum zu beschaffen. So erfolgte der Unterricht anderer Stelle schreibt er: „Ich habe mit Betrübnis gese - dann mit 70 – 80 Kindern ab 1838 im Armenhaus. Der Leh - hen, dass Bauern und Handwerker, welche an den Notwen - rer erhielt eine kümmerliche Wohnung in der Schenke, digkeiten des Lebens Mangel litten, das Geld entlehnten, ebenso bescheiden war sein Jahresgehalt von etwa 253 um sich in einem hohen Preise ein Gift anzukaufen, wel - Talern. Da der Raum im Armenhaus zu beengt wurde, er - ches ihr Elend vollkommen machte … und sie in auszeh - folgte 1852 endlich der Bau einer kleinen Schule für 1600 rende Krankheiten stürzte, welche eine ganze Haushaltung Taler neben der alten Kirche in der Lindenstraße. Das in - an den Bettelstab bringen kann.“ Was beispielsweise noch zwischen umgebaute und erweiterte Gebäude war lange in der Mitte des 18. Jahrhunderts in einem „Wirtschafts- Zeit Kindergarten I. und Hausbuch für das Landvolk“ an Ratschlägen für die

23 Vertreibung von Krankheiten angeboten wurde, mutet wie im kleinen Falkenberg nicht wohl und verließ es bald wie - die finstere Magie des Mittelalters an. Dazu nur einige Bei - der. Auch der 1772 vom Gutsherren verpflichtete Sieges - spiele: Gegen das Augentränen soll man eine Fuchszunge mund Adolf Staberow berichtet von geringen Heilerfolgen. in einem Tuch zwischen den Schultern tragen. Bei Binde - Er war kein „Studierter Doktor“, sondern nur „Chirurgus“, hautentzündung nehme man den Kopf einer schwarzen also „Wundarzt“, der sein Gewerbe bei einem Lehrmeister Ziege oder einer schwarzen Katze, brenne ihn zu Pulver erlernt hatte. Als Arzt konnte er sich in Falkenberg nicht hal - und blase dem Patienten das Pulver in die Augen. Einem ten und suchte die Seinen durch mancherlei andere Be - Gichtkranken sollte man lebendige Regenwürmer auf die schäftigung zu ernähren. Für die Behandlung des schmerzenden Glieder binden, bis sie sterben. Wenn dies Müllersohnes, der an Muskelschwund erkrankt war und zwei- oder dreimal getan sei, vergehe die Gicht. Der „Wolf“ mit 12 Jahren wenigstens an Krücken gehen konnte, wollte am Bein werde geheilt, indem man einen ganzen Maulwurf er auf sein Honorar verzichten, wenn ihm die Gerichtsherr - in einem irdenen Topf verbrenne, ihn zu Pulver stoße und schaft den „Salzschank“, also das Salzmonopol, verleihen dieses auf die Entzündungen streue. würde. „Wer Salz bei ihm holt, nehme doch auch etwas an - Mit zäher Unbelehrbarkeit glaubten die Menschen auch deres mit, so würde sein Kramladen besser gehen lernen.“ noch lange danach an die Heilkraft solcher Mittel. Der Arzt Gegen den Einspruch der Uebigauer, er sei kein gelernter in Uebigau wurde nicht geholt. Oft saßen in Nachbarstäd - legitimierter Kaufmann, noch Apotheker, vermittelte ihm ten auch nur Wundärzte, die Kosten für deren Behandlung dies der Graf. Und als der hiesige Schenkpächter Born kamen den Bauern zu hoch. Sehr früh war nun aber Fal - starb, bewarb sich Staberow als dessen Nachfolger. So be - kenberg in der glücklichen Lage, einen eigenen Dorfdoktor tätigte sich Staberow nun in der Dorfschenke als Wund - zu haben. Derselbe Graf von Hohenthal, der die Freischule arzt, Apotheker, Kaufmann, Kramladenhändler mit Salz errichtete, ließ 1758 einen studierten Arzt, Dr. Ursinus, und als Schenkwirt. Sohn eines früh verstorbenen Professors aus Halle, nach Falkenberg kommen. Doch die Bauern wussten diese Im Jahre 1792 ließ sich der Barbier und Chirurg Johann Wohltat nicht zu schätzen, lehnten meist den Arzt ab, blie - Friedrich Götz, der aus Blumberg stammte, in Falkenberg ben misstrauisch und trauten oft dem studierten Arzt we - nieder. Als er auch Kranke behandelte, beschwerte sich niger zu als ihrem Schäfer oder der „weisen Frau“. Dr. der Uebigauer Stadtchirurg Dörffler: Götz sei nur ein ver - Ursinus beklagte sich bitter über die Leute auf dem Lande, abschiedeter Soldat, der sich erlaube, die Chirurgie zu be - obwohl er hier und da Heilerfolge bei armen Leuten erzie - treiben, zur Ader zu lassen, zu barbieren, zu schröpfen und len konnte. Seine Einnahmen reichten zum Leben nicht Medikamente auszugeben. Er bringe die Menschen um aus. Herr von Hohenthal sorgte sich um seinen Schützling, Gesundheit und Leben. Daraufhin wurde dem Götz die übertrug ihm Aufgaben in der Gutsverwaltung, ließ seine Ausübung der Tätigkeit als Chirurg untersagt. Er arbeitete eigenen Kinder bei ihm behandeln, sicherte so sein Ein - dann als Schuster und dokterte heimlich weiter, und das kommen und baute ihm auch ein Haus, das noch lange mit regem Zuspruch. Damit zog er sich den Zorn der Uebi - das „Ursinische Haus“ hieß. Doch der Doktor fühlte sich gauer Schuhmacherinnung auf sich, die ihn der „Pfusche -

24 rei“ bezichtigte. Ihre Klage wurde jedoch vom Gericht ab - er seine Praxis am Hermann-Löns-Platz, wohnte aber am gewiesen, da Götz mit einem Brief nachweisen konnte, Markt 7. Im Jahre 1936 bezog er die von der Firma Ahrens dass er „jede Profession – nur ohne Lehrjungen und Ge - im Landhausstil erbaute Villa auf dem Grundstück Freiherr- sellen – ausüben dürfe“. vom-Stein-Straße 5 und richtete dort die neue Arztpraxis Zunächst kam kein weiterer Vertreter der ärztlichen Kunst ein. Über ihn wird an anderer Stelle noch zu berichten sein. nach Falkenberg. Wenn man Hilfe brauchte, holte man den Im Jahr 1926 kam Dr. Köhler als junger Arzt in unseren Ort. Uebigauer Chirurgus, viel lieber noch den Herzberger Chir - Von Herrn Dr. Glatschke bestens unterstützt, konnte er bald urgen Wilhelm Franz und später dessen Sohn, den be - fest Fuß fassen und übernahm von ihm auch Aufgaben als rühmten Wundarzt Doktor Franz, der in der gesamten Reichsbahnarzt. Seit 1928 betreute er eine Sanitätsstelle Gegend als der „alte Franz“ bekannt und beliebt war. des Bahnbetriebswagenwerkes (am ehemaligen Volks - Zudem bestanden verwandtschaftliche Bande mit Falken - wohlbad) und später eine ursprünglich in einer Baracke, berg, war doch Frau Franz eine Tochter des hiesigen För - später im neuen Sozialgebäude untergebrachte Sanitäts - sters Ferdinand Erler. stelle des Bahnhofs. Im 2. Weltkrieg wurde er als Militärarzt Als dann Falkenberg durch die Entwicklung zum Eisen - einberufen, und Dr. Gregor hatte allein die ärztliche Versor - bahnknotenpunkt Jahr für Jahr mehr Einwohner zählte, gung unseres Ortes und der umliegenden Gemeinden zu wurde eine ärztliche Betreuung am Ort zur dringlichen Not - sichern. Dann nahm Dr. Köhler seine Tätigkeit wieder in wendigkeit. Im Jahre 1888 ließ sich Dr. Elbusch in Falken - vollem Umfang im Doppelhaus in der Heinrich-Zille-Straße berg nieder. Er richtete als Krankenkassenarzt im Haus 13 auf. Der von ihm betreute Bahnarztbezirk reichte bis Do - Friedrichstraße 5 eine Privatpraxis ein und war auch der berschütz und Oehna. Durch seine gewissenhafte, um - erste Eisenbahnarzt. Als „praktischer Arzt, Wundarzt und fangreiche Tätigkeit und seinen Einsatz im Deutschen Geburtshelfer“ war er sehr begehrt. Später siedelte er nach Roten Kreuz erwarb er sich ein großes Ansehen. Im Jahre Hoyerswerda über und starb dort 1936. Im Jahre 1906 1973 verließ er nach einer Erkrankung Falkenberg und löste ihn Dr. Glatschke als Eisenbahnarzt ab. Er praktizierte stellte einen Teil seines Vermögens für soziale und karita - in den gleichen Räumen und fuhr zweispännig zu seinen tive Belange zur Verfügung. Patienten, auch in die umliegenden Dörfer, und das bei jedem Wind und Wetter. So war er ein äußerst beliebter Zeitweilig arbeitete Frau Dr. Nick von 1943 bis 1945 in der „Doktor“. In der Zeit des 1. Weltkrieges war er der einzige Praxis von Herrn Dr. Glatschke, außerdem Herr Dr. Pupke in praktizierende Arzt in der Umgebung Falkenbergs. Für der Karlstraße 27, zeitweilig auch als Sportarzt. seine hervorragende Arbeit zeichnete man ihn mit dem Ab Sommer 1943 praktizierte in den Räumen von Herrn Dr. Titel „Sanitätsrat“ aus. Er ist 1944 verstorben. Köhler die Augenärztin Frau Prof. Dr. Gaedertz, außerdem Nach dem 1. Weltkrieg praktizierte bis 1927 der Ober - in der Hindenburgstraße 8 (August-Bebel-Straße) die Haut - stabsarzt a. D. Dr. Lindner in der Friedrich-List-Straße 14. ärztin Frau Dr. Steffens. Beide Ärztinnen waren aus Berlin Dann kam Dr. Gregor, der einige Jahre in Uebigau tätig ge - evakuiert, verließen Ende April wieder Falkenberg. wesen war, im Jahre 1935 nach Falkenberg. Zuerst hatte Am 1. Oktober 1945 zog Fräulein Dr. Strickstrock nach Fal -

25 kenberg, jene mutige Frau, die nach der Erschießung von Helferinnengruppe ein. Die Falkenberger Gruppe wurde Dr. Koch als leitende Ärztin des Krankenhauses Herzberg abwechselnd den Sanitätskolonnen Mühlberg bzw. Lie - eingesetzt war und trotz Androhung der Todesstrafe die benwerda zugeordnet, als Zugführer fungierten Herr Albert Evakuierung der Kranken und Verwundeten in die Wälder Anuschewski und Herr Lehrer Henri Holz, als Zugarzt Herr ablehnte. Anfangs praktizierte sie ebenfalls im Hause Dr. Köhler. Friedrichstraße 5, dann in der Friedrich-List-Straße 17. Als verheiratete Frau Dr. Mitulla spezialisierte sie sich als Ner - Die Mitglieder halfen unter Einsatz ihres Lebens bei der venärztin und genoss in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit Rettung, Betreuung und Beförderung von Verwundeten ebenfalls ein hohes Ansehen. nach den Bombenangriffen 1945 wie auch bei der Bergung Im Jahre 1901 wurde für Falkenberg vom Vaterländischen der Toten. Ende August 1945 gab Bürgermeister Küver den Frauenverein des Kreises Liebenwerda die erste Gemein - Auftrag zur Bildung eines Sanitäts- und Hilfsdienstes als deschwester Marie berufen; für ihre Schwesternwohnung „Gesundheitsdienst Falkenberg“, denn das Deutsche Rote musste gesammelt und der Erlös eines Unterhaltungs - Kreuz (DRK) – seit 1938 mit diesem Namen – war in der so - abends aufgebracht werden. Schließlich unterstützte die wjetischen Besatzungszone im August 1945 allgemein Reichsbahn mit jährlich 200 Mark die Erhaltung der Schwe - aufgelöst worden. Erst Ende Oktober 1952 konnte das DRK sternstation. Im Jahre 1926 werden 2 Gemeindeschwe - in Falkenberg neu gegründet werden und stand dann unter stern, 2 Hebammen und eine Fürsorgeschwester erwähnt. der Leitung des Ehepaares Teichfischer, das 1929 in der Friedrich-List-Straße 11 eine orthopädische Werkstatt über - Als Tierarzt kam Mitte der 20er Jahre Herr Dr. Eugen nommen und durch ein Sanitätsgeschäft erweitert hatte, Aschenbrenner nach Falkenberg. Er hatte in der Linden - in dem ausschließlich Krankenkassenpatienten beliefert straße 8 und ab 1932 in seiner Villa in der Liebenwerdaer wurden. Dem Ehepaar Teichfischer gebührt das Verdienst, Straße 3 seine Praxisräume. als erste im Kreis Liebenwerda 2 Gruppen junger Sanitäter Am 12. November 1909 erfolgte in Falkenberg die Grün - ins Leben gerufen zu haben. dung der „Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger“, zu Nun noch einige Bemerkungen zur zahnärztlichen Versor - den Mitbegründern zählten Herr Dr. Glatschke und der gung. Sie wurde in früherer Zeit durch sogenannte Bader in Apotheker Herr Labedzki. Es wurden Kurse für die Erste der Weise ausgeführt, dass kranke Zähne auf sehr robuste Hilfe durchgeführt, und vier Teilnehmer besuchten einen und natürlich äußert schmerzhafte Weise entfernt oder bei vierteljährlichen Kurs an der Universitätsklinik Halle. Im Zahngeschwüren Blutegel angesetzt wurden. Die fort - Jahre 1914 zählte man schon 40 Mitglieder, jedoch zerfiel schreitende Zeit verlangte nach der Behandlung kranker die Organisation während des 1. Weltkrieges. Auf Initia - Zähne, was zuerst in den benachbarten Städten möglich tive des Bürgermeisters Rudolph wurde sie dann 1919 wie - wurde. In der Ausgabe des „Liebenwerdaer Kreisblattes“ der ins Leben gerufen. Im Mai 1933 löste Herr Dr. Köhler vom 8. September 1894 liest man: „Hohle Zähne erhält den Lehrer und Konrektor Paul Günther als Vorsitzenden man dauernd in gutem Zustand und schmerzfrei durch ab. Frau Labedzki setzte sich 1939 für die Bildung einer Selbstplombieren mit Künzels schmerzstillendem Zahnkitt,

26 Flaschen a 50 Pfennige für ein Jahr reichend“. Und 1895 Vom dörflichen Leben annoncierte ein Herr Otto Schmidt aus Falkenberg: „Künst - liche Zähne, schmerzlos eingesetzt, fest sitzend, beim Die Falkenberger Dorfschenke wurde bereits 1412, 1487 Essen brauchbar. Reparaturen sofort. Plomben in allen Me - und 1497 in Lehnbriefen aufgeführt, denn von den tallen. Nervtödten, Preise billigst.“ Schließlich sei ein Inse - Schankwirten, auch „Krügern“ genannt, waren Abgaben rat vom Friseur Max Kieselack, Lindenstraße, aus dem Jahre an die Rittergutsverwaltung zu entrichten. Die im Drei - 1913 angeführt: ßigjährigen Krieg zerstörte Schenke lag mitten im Dorf, „Zahnschmerz verschwindet sofort mit ´Blitz´, Flasche 25 der Halbhüfner Däumichen auf dem Hof Nr. 30 war brau- Pfennige.“ Hoffentlich hat das alles geholfen. und schankberechtigt. Um 1740 wurde dann die neue Der erste Falkenberger Dentist war Herr Bruno Zeh, der seit Schenke (später „Goldener Anker“) an der Kreuzung 1910 in Falkenberg im Hause Friedrichstraße 1 praktizierte. Dorfstraße – Uebigauer Straße – Cölsaer Weg gebaut. Die Er arbeitete anfangs noch mit einer durch den Fuß ange - durchfahrenden Fuhrleute sollten sich hier stärken. Das triebenen Bohrmaschine. Wegen seines kompromisslosen Hohenthalsche Gericht schrieb dem Schankwirt eine Vorgehens war er zwar oft gefürchtet, wegen seines Kön - Bewirtschaftungsordnung, die „Taxe“ vor, die genaue nens aber weit und breit geachtet. Anfangs in der Friedrich - Festlegungen über Preise für Speisen, Getränke und straße 32, dann in der Parkstraße arbeitete der Dentist Übernachtungen enthielt und bei Übertretung 20 Taler Eschrich. Herr Dr. König kam 1926 nach Falkenberg, er Strafe androhte. Christian Johann Forkert, der 1788 die wandte vermutlich als erster Zahnarzt die elektrische Bohr - Schenke für 25 Taler kaufte, war gleichzeitig noch maschine an, seine Praxisräume befanden sich lange Zeit Fleischsteuerpächter. Die Familie Forkert besaß durch im Doppelhaus Heinrich-Zille-Straße 13. Ende der 20er drei Generationen die Schenke. Jahre kamen die Dentistin Charlotte Bernthal (zuletzt in der Das Schnapstrinken ist wohl damals eine böse Gewohn - Lindenstraße 5 praktizierend) und der Dentist Last nach heit gewesen. Beim Schankwirt gab es meist nur selbst - Falkenberg, der seine Praxis in den Hufen 4b hatte. Außer - gebrannten Fusel, und während des Frondienstes auf dem war dann in der Walter-Rathenau-Straße 12 auch der dem Rittergut kamen die Bauern leicht in der dortigen Dentist Zschörneck tätig. Im Jahre 1947 kam Herr Dr. Weiß - Brennerei zu einem scharfen Trunk. Durch die Schnaps - leder als Kieferorthopäde nach Falkenberg. In der vorheri - brennerei und die Verpflichtung, dass die Schankwirte gen Praxis von Herrn Dr. König richtete er auch ein diesen dort beziehen mussten, verdiente der Herr Graf zahntechnisches Labor ein und verfügte über einen Rönt - und Konsistorialrat zusätzlich an seinen Untertanen, sie genapparat und weitere Spezialgeräte. Seine Patienten dabei zugleich ruinierend. Nach des Lehrers Herzog Kla - kamen oft von weit her, sogar aus Torgau, Eilenburg, Jüter - gen verführten aber auch die Tanzmusiker zu „zuchtlo - bog und , da er seinerzeit der einzige Kieferor - sem Wesen“. Es muss oft Schimpferei und Rauferei thopäde in der Umgebung war. Über die weitere gegeben haben. Zeitweilig wurden im Jahr 1758 sogar Entwicklung der ärztlichen Versorgung wird im 2. Teil der alle Lustbarkeiten und Nachtmusiken in der Schenke und Chronik zu berichten sein. auf der Straße verboten. Dem musste notgedrungen

27 („…wenn nur seiner Dorfschaft geholfen würde, dass jeg - schließt der Bauer das Futter in die Kist.“ Auch vom liches böse Wesen von ihr fern bliebe“) auch von Hohen - Kranzstechen bei Dorffesten, von Maien- und Stoppel - thal zustimmen und auf seine Musikeinnahmen tanz wird berichtet. verzichten, stand ihm doch das Recht zu, das Musikma - „So zum Bäuern (Name für die Bauernversammlung) ge - chen an einen Schneider zu verpachten. Kein anderer boten wird, schickt der Richter den Hammer durch das durfte in Falkenberg fiedeln oder blasen. Dorf zu den Nachbarn...“ , so heißt es in der auch für Fal - Es ist auch überliefert, dass sich Mädchen und Jungen an kenberg gültigen alten Schmerkendorfer Dorfordnung. den Abenden in den Spinnstuben zusammenfanden. Die Der Hammer war der amtliche Bote, das Publikationsor - Herren forderten den Tribut an Leinwand. An den surren - gan des Richters, das ein Nachbar zum anderen bringen den Spinnrädern wurde ebenso wie beim Federreißen musste, ein Schreiben, das an einen Stiel (mitunter viel gesungen, gab es allerlei zu plauschen. „Schulzenknüppel“ genannt) gebunden war, tat des Und zur verabredeten Stunde kamen die Burschen, um Richters Willen kund. In früheren Zeiten waren kaum mit ihren Mädchen ein Tänzchen zu drehen oder sie nach schriftliche Bekanntmachungen auszusenden, denn die Hause zu bringen. Was gab es für ein Necken und fröhli - meisten Bauern konnten nicht lesen. Kam der Hammer ches Treiben bei zahlreichen Gebräuchen: Osterwasser auf den Hof, wusste jeder, dass alle Bauern sofort auf sollte heimlich geholt werden und Glück bringen, wurde den Dorfplatz oder in die Schenke zum Bauernthing kom - aber leicht zum „Plapperwasser“. Zur Fastnachtszeit gab men mussten. es das Zempern, die Jugendfastnacht, Kostüm- und Mas - Die Dorfordnung setzte fest, wie schnell das zu gesche - kenbälle und schließlich das „Aschekehren“. In einigen hen hatte, auch, welche Bußen zu zahlen waren, wenn alteingesessenen Familien existieren heute noch die jemand den Hammer nicht weiterreichte. Wirkliche „Klemmeisen“, denn zu Lichtmeß am 2. Februar gab es Rechte hatten einst nur die Bauern. Gärtner und Häusler, den „Klemmkuchen“. Aus Mehl, Sahne (oder „Schlapper - die aus der slawischen Bevölkerungsschicht stammten, milch“), Salz, Zimt, Rosinen, Kartoffeln und Speck wurde galten nichts. ein Teig geknetet (mancherorts auch ohne Kartoffeln, Erst 1884 mussten die Bekanntmachungen der Ge - aber mit Hefe und Eiern), in das Klemmeisen – eine meinde durch Anschlagtafeln oder durch Ausschellen er - schwere eiserne Zange, deren Schenkel etwa einen hal - folgen. Zu dieser Zeit wird auch in Falkenberg der ben Meter lang waren und deren breite „Kiefern“ oft Hammer durch eine große Klingel (Handglocke) abgelöst kunstvoll ausgearbeitete Druckformen hatten – gebracht, worden sein. Und wenn es noch so unglaublich er - langsam zusammengekniffen und in das Feuer gehalten. scheint: Bis Mai 1970 hat der Gemeindebote, Herr Lang - So entstand eine Art Waffelkuchen. Man sollte ihn „tüch - ner, in unserem Ort wichtige Bekanntmachungen tig klemmen für die Sonne“, denn mit der Lichtmeß ver - „ausgeklingelt“. banden sich so manche alte Regeln, z. B. „Wenn´s zur Lichtmeß stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr Was den Handel betrifft, so wurde er durch Jahrhunderte weit“ oder „Scheint zur Lichtmeß die Sonne auf den Mist, hindurch auf der Basis des Tausches betrieben. Die Bauern

28 derte werden für unser Bauerndorf auch einige Handwer - ker erwähnt, die sich aus verschiedenen Gründen hier niedergelassen hatten. Es waren meist keine Handwerks - meister, sondern mit einigen handwerklichen Fertigkei - ten und Kniffen vertraute, geschickte Männer, die keiner Zunft angehörten. Erwähnt wurden zum Beispiel 1694 ein Wagner und ein Leineweber; 1696 ist ein Schneider Hans Hartmann tätig, auch ein Müller, der ständig das Mahlen und Schroten des Getreides besorgte. In der Rit - tergutsschmiede, die bis 1928 (zuletzt Schmiedemeister Paul Baude) auf dem Dreieck zwischen Ludwig-Jahn- Straße, Karlstraße und Mühlberger Straße stand, war ein Schmied tätig, und außerdem ein solcher in der Dorf - schmiede, die bis 1909 vom Schmiedemeister Otto

Alte Rittergutschmiede (zuletzt Paul Baude bis 1928) neben der heutigen Sprenger (dann eigene Werkstatt Friedrich-List-Straße 23, Friedenseiche, gegenüber dem Überlandwerk später Oehler/Nitschke) betrieben wurde und in der noch bis 1980 Schmiedemeister Kurt Koch (gegenüber vom lebten sehr bescheiden. Felder, Weiden, Wälder und Ge - „Goldenen Anker“, ehemalige Tankstelle) seinen schwe - wässer lieferten, was man zum täglichen Leben brauchte. ren Beruf ausübte. Die sonstigen handwerklichen Arbei - Was sie selbst nicht hatten oder sich nicht selbst herstel - ten wurden von Handwerksmeistern mit Gesellen und len konnten, wurde in den Nachbarstädten Uebigau, Herz - Lehrlingen in Uebigau erledigt. Die Bauernsöhne der kin - berg, Liebenwerda oder Torgau erworben. Schon aus dem derreichen Familien konnten schwerlich einen Hand - Jahre 1515 wird berichtet, dass zu den Jahrmärkten und werksberuf erlernen. Viehmärkten auch Händler und Käufer aus Falkenberg ver - Zum einen legte der Gutsherr Wert darauf, Arbeitskräfte treten waren. Für den Ort selbst bedeutete es gewiss einen für sich zu erhalten und genehmigte selten die Abwan - Fortschritt, als der schon erwähnte Staberow 1772 in der derung, zum anderen legte das Handwerk mittels der Schenke einen Kramladen für allerlei brauchbare Dinge Zunftordnung Wert auf die Reinhaltung der Berufsgrup - einrichtete. Dennoch tätigten die Falkenberger so man - pen. Der Lehrling musste „frei“, also niemandem Unter - chen Einkauf im benachbarten Schmerkendorf. Auch am - tan sein. Durch „Geburtsbriefe“, die beim Patrimonial- bulante Händler fanden sich mit Bedarfsartikeln gericht zu erhalten waren, sollten seine untadelige Her - verschiedenster Art im Dorf ein. So wird beispielsweise kunft, seine Unbescholtenheit u. ä. nachgewiesen wer - 1830 berichtet, dass der Händler Padberg aus Uebigau den. Das alles wurde im Verhandlungsprotokoll mit seiner „Warenhucke“ eingetroffen sei. gerichtlich bestätigt. Söhne, deren Väter Berufe und Tä - In verschiedenen Aufzeichnungen verflossener Jahrhun - tigkeiten ausübten, die als unehrenhaft galten, zu denen

29 beispielsweise Abdecker, Scharfrichter, Schäfer und Frondiensten („umzechtiges Botschaftslaufen“). Die oben Gaukler zählten, konnten niemals Handwerker werden. angeführte Postverbindung ( - Annaburg) be - Erst durch das Edikt vom 9. Oktober 1807 innerhalb der rührte, als die alte Poststraße durch den Wald nach Anna - Steinschen Reformen wurden die unterschiedlichen burg eingestellt wurde, auch Falkenberg. Jedoch hielt sie Schranken zwischen den Ständen beseitigt. Jeder Staats - hier nicht an, so dass die für unseren Ort bestimmten oder bürger hatte dann formell das Recht auf Grundbesitz, Ge - die unseren Ort verlassenden Postsachen in Koßdorf bzw. schäftsbetrieb und Erlernung eines handwerklichen in Herzberg bearbeitet wurden. Berufes. Im Jahre 1808 wurden dann der Zunftzwang be - seitigt und die Gewerbefreiheit eingeführt. Dennoch Erst Graf von Hohenthal setzte durch, dass die Post mon - setzte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tags und freitags an der Falkenberger Schenke hielt, denn eine Ausdehnung des Handwerks in Falkenberg ein, er hatte durch seine vielen Amtsgeschäfte und seine Wirt - dann allerdings sehr rasch. schaftsführung einen regen Briefverkehr. Außerdem ver - langte er bei Abwesenheit vom Gut von den Pächtern, vom Pastor und Lehrer eine pünktliche Berichterstattung. So wurde der jeweilige Pachtinhaber der Falkenberger „Falkenberg, Post Koßdorf“ Schenke zugleich zum Postbediensteten. Da der „Schwa - ger“ aber dennoch oft nicht hielt, wurde vom Postamt Koß - So stand es früher auf den für unsere Heimat bestimmten dorf außer der Hinterlegung des Portos auch die des Briefen, denn Falkenberg gehörte zum Bereich des kur - Trinkgeldes gefordert. Manche Postillione sollen sogar fürstlich-sächsischen Postamtes Koßdorf. Die an der be - einen Hasen als Trinkgeld gefordert haben. Bei besonders reits seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Poststraße wichtigen Briefen mussten Expressboten nach Koßdorf rei - Dresden-Großenhain-Mühlberg-Annaburg gelegene Post - ten, natürlich gegen eine besondere Vergütung. Oft gab halterei Mühlberg war 1582, als die Pest in Mühlberg wü - es auch Klagen darüber, dass sich die Poststraße in einem tete, nach Koßdorf verlegt worden. Auch die 1694 argen Zustand befände, so auch 1771, als Bauer Große eingerichtete Poststraße von Leipzig über Torgau nach einen Graben über die Straße zog und die Postkutsche Breslau verlief durch Koßdorf. Diese Postlinien kreuzte über die Felder ausweichen musste. Das Dorfgericht hatte dann auch noch die Verbindung von Dresden über Herz - gleichfalls für Ordnung zu sorgen, wenn mehrere Postkut - berg nach Wittenberg. So war Koßdorf zu einem wichtigen schen im Einsatz waren und die Bauern Pferde stellen bzw. Knotenpunkt der kursächsischen Post mit etwa 40 Wech - Vorspann leisten mussten. Das machte sich vor allem selpferden geworden. Viele Postsachen fielen damals frei - dann erforderlich, wenn ganze Hofgesellschaften oder Be - lich nicht an, konnte der gemeine Mann doch gar nicht amte die Kutsche benutzten, dann reichten die Postpferde schreiben. Die Amtspersonen und Gutsbesitzer kamen je - nicht aus. Begeistert waren die Bauern darüber nicht. So doch ohne Schreiberei nicht aus. Anfangs gehörten Boten - beklagte sich am 23. Juni 1818 der damalige Ortsrichter dienste, mitunter bis Dresden oder Wittenberg, zu den Johann Gottlob Däumig, dass, obwohl er den Dorfhammer

30 herumgehen ließ, nur etliche dem Befehl folgten: „Es ist Kriege brachten den Bauern zusätzliche Not eben keine Ordnung mehr im Dorfe, sie parieren mich nich!“ Einige sagten, ihre Pferde seien zu schlecht für „Ma - Die Darstellung zur Schlacht bei Mühlberg beruht überwie - jestät“. Am 7. Juli sollten früh um sechs schon 8 Vorspann - gend auf Ausführungen von Maximilian Lorenz (1924). pferde nach Koßdorf entsendet werden. An der Reihe Mehrfach litt das Bauerndorf Falkenberg unter den Einwir - waren die Bauern König, Hendel, Apitz und Große. Früh kungen kriegerischer Ereignisse. Im Schmalkaldischen um drei Uhr wurde nochmals der Dorfhammer herumge - Krieg, den die evangelischen Fürsten und Kaiser Karl V. schickt, aber nur zwei Gäule konnten pünktlich nach Koß - führten, kam es 1547 zur entscheidenden Schlacht bei dorf abgehen. So lässt er dafür Hendel und Apitz, „die sich Mühlberg. Der Herzog Moritz von Sachsen-Dresden hatte, wie Rebellen betragen“, bestrafen. Sie mussten auch die als er in der Auseinandersetzung mit dem Kurfürsten Jo - Unkosten für die von der Post in Koßdorf gemieteten hann Friedrich von Sachsen-Wittenberg in Bedrängnis ge - Pferde tragen. Im Jahre 1832 wurde die Postexpedition riet, den Kaiser um Hilfe gebeten. Die Kaiserlichen hatten wieder von Koßdorf nach Mühlberg verlegt. Eine weitere bei Nacht einen Ackerbauern, den Bartholomäus Strauch - bestand seit 1815 in Liebenwerda, das bis dahin an zwei mann aufgegriffen, wie er mit zwei Pferden durch die Elbe Tagen mit Koßdorf durch eine Botenpost verbunden war.

Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen-Wittenberg

31 kam. Er war bereit, den Kaiserlichen zu helfen und zeigte ihnen die Furt durch den Fluss. Die Furt hatte eine Breite, dass sieben Pferde bequem nebeneinander laufen konn - ten. Diese war so seicht, dass das Wasser den Tieren nur bis zum Sattel reichte. Nach einer Stunde war die gesamte Reiterei nebst Hakenschützen am anderen Ufer. Als der Fluss durchfurtet war, stand die Brücke, so dass die spani - schen und deutschen Regimenter darübergingen. Es standen sich etwa 2700 kaiserliche und 6000 kurfürst - liche Soldaten gegenüber. Der Rückzug des Kurfürsten ging von Mühlberg bis Brot - tewitz in voller Ordnung vor sich. Hinter Brottewitz führte die Straße in den Wald, wo kein Ausweichen nach rechts und links möglich war. Die Kaiserlichen hingegen ritten östlich von der Rückzugslinie der Kürfürstlichen über Burxdorf, Langenrieth in Richtung auf Saxdorf, doch so, dass sie durch vorgeschickte Husaren die Fühlung mit dem Feind hatten. Der Zug der Kurfürstlichen hatte Dek - kung, so lange sie sich durch den Wald und durch die Dörfer Lehndorf, Coßdorf und Wenzendorf (jetzt alles Koßdorf) bewegten. Gegen 16.00 Uhr kamen sie in offe - nes Gelände zwischen Wenzendorf und Lönnewitz. Die Grenzen des Herzogtums wurden überschritten, die Lo - chauer Heide (später Annaburger Heide genannt) war Die Kämpfe zogen sich als Verfolgungs- und Umklamme - bald erreicht, was Rettung bedeuten würde, wenn sie rungsgefechte bis nach Falkenberg hin. Auf dem Gelände diese vor dem Herannahen der Kaiserlichen erreichen der heutigen Rangierbahnhöfe fand das letzte Gefecht konnten. Die gleiche Rechnung hatten die kaiserlichen statt, wobei die sächsischen Truppen in einem schreck - Heerführer gemacht. Das kurfürstliche Heer kam zwi - lichen Gemetzel vernichtend geschlagen wurden. Der schen 17.00 und 18.00 Uhr an dem Waldgelände an. Die Kurfürst versuchte, von den meisten seiner Getreuen ver - Sonne ging am 24. April um 19.12 Uhr unter – mithin war lassen, nordwärts in Richtung Herzberg auszubrechen, es für eine Schlacht zu spät. Es wurde haltgemacht. Die wurde aber in dem Kiebitzer Werftenbruch von einem Hu - Anführer ließen ihre Mannschaften auf grasiger Ebene in saren erritten und an der linken Wange verletzt. Er ergab Schlachtordnung aufmarschieren. Der Kaiser drang dar - sich dem deutschen Edelmann Thilo von Trotha auf Kro - auf, einen Angriff zu starten. sigk. Der Kaiser zog als Sieger in Wittenberg ein und ver -

32 urteilte ihn zum Tode, wandelte dann die Strafe in „ewi - Führer, Oberst Götz, durch den Herzberger Schützenmei - ges Gefängnis“ um, jedoch wurde Johann Friedrich im ster Andreas Bolde tödlich getroffen wurde, war Herzberg September 1552 aus harter Gefangenschaft entlassen und kehrte in die ihm verbliebenen Thüringischen Lande zurück. Er ist der Begründer der Gelehrtenschule in Jena. Diese wurde vier Jahre nach seinem Tode 1558 durch kai - serliche Bestätigung zur Universität erweitert. In der Pfarrkirche zu Weimar liegen Johann Friedrich, ge - storben 03.03.1554, und seine Gemahlin Sibylle, gestor - ben 21.02.1554, begraben. Den protestantischen Bauern und Gutsherren erschien Johann Friedrich als Märtyrer seines Glaubens, in scheuer Ehrfurcht machten sie die Stelle der Gefangennahme durch einen Stein deutlich, der später durch eine Mes - singplatte ersetzt worden sein soll. Zum 350jährigen Ge - denken 1897 wurde an der gleichen Stelle im Beisein des Krieger- und Hohenzollern-Vereins von Falkenberg ein neues Sandsteindenkmal in Form eines kleinen Obe - lisks enthüllt, der – wenn auch in veränderter Form – heute noch an die Gefangennahme des Kurfürsten im Schweinert erinnert. Nach mündlichen Überlieferungen soll ein Teil seiner Reisewagen, darunter auch die mit der Kriegskasse, in der Gegend der Walberge im Sumpf ver - sunken sein. Der Versuch der kaiserlichen Truppen, sich Herzbergs zu bemächtigen, wurde übrigens abgewiesen. Die spanische Soldateska soll vielen Bewohnern schwe - res Leid zugefügt haben. Die furchtbarsten Zeiten erlebte unsere Heimat im 30jäh - rigen Krieg, vor allem in den Jahren 1631, 1637 und 1642 – 1645. Kaiserliche Truppen drangen 1631 von der Lausitz her nach Sachsen vor, eine kroatische Streifschar plünderte die Dörfer und brannte Wiederau und Uebigau gänzlich nieder, das Städtchen Wahrenbrück wurde aus - Denkmal zur Erinnerung an die Gefangennahme des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen nach der Schlacht bei Mühlberg (24. April 1547) geraubt und teilweise eingeäschert. Als der kaiserliche Zustand vor 1945

33 gerettet. An ihn erinnert in der Kreisstadt ein Denkmal. hen sie die herrenlosen Höfe zu ihrem alten Kernbesitz Für Falkenberg, Uebigau und viele andere Orte brachte hinzu oder sie setzen darauf nach ihrem Gutdünken das Jahr 1637 die verderblichsten Folgen. Schwedische Häusler, die ihnen dienen müssen. So zog der Herr des Kriegsscharen, die zwischen Torgau und Eilenburg im Winterquartier lagen, hatten die ihnen nahegelegenen Falkenberg Orte ausgeplündert. Sie dehnten ihre Raubzüge in das im Jahre 1646 Gebiet der Schwarzen Elster aus. Viele Städte und Dörfer unseres Kreises wurden in jenem Jahre in Asche gelegt und zum großen Teil entvölkert. Es setzten furchtbare Gräuel und Scheußlichkeiten der Kriegshorden gegen die wehrlose Bevölkerung ein. Teuerungen, Hungersnöte und vor allem die Pest forderten ungeheure Opfer an Menschenleben. An manche Orte, wie z. B. Wöllersdorf, erinnern nur noch die Flurnamen. In Falkenberg waren am Ende des Krieges 24 Höfe wüst, nur 7 noch besetzt, meist mit Einzelpersonen, die in einem unzerstört geblie - benen Winkel des Gehöftes hausten. Eine Bestellung der Felder war kaum möglich, zählte man doch nur noch 8 Kühe, 2 Ochsen und 3 Pferde als Viehbestand im Dorf. Besonders schwer war Kiebitz betroffen. „Ist von den Schweden gründlich verbrennet. Zwei Pauerngütlein ste - hen wohl noch, doch ganz erblos, abgestorben und wüst.“ Als 1648 der Frieden einzog, durchstreiften Scha - ren entlassener, verwilderter und aller Arbeit entwöhnter Kriegsknechte das verbrannte und in unbeschreiblicher Armut lebende Land. Wüste Schlägereien und Mordtaten erschreckten die Überlebenden, doch auch diese waren selbst roh und mitleidlos gegeneinander geworden, Recht und Sitte galten ihnen nichts. In Falkenberg war noch lange die Not zu Hause. Mehrfach klagte die Herr - schaft, dass sie so gut wie keine Steuereinnahmen mehr habe, also auch selbst nichts an die Landeskasse abfüh - ren könne. Noch 1672 ist das Dorf nicht voll besetzt. Die Gutsherren nutzen diese Zeit für sich aus. Entweder zie -

34 oberen Dorfes 12 Ödstellen an sich. Erst etwa 100 Jahre Die „Ablösung“ von feudalen Pflichten nach dem Kriege waren wieder alle Stellen besetzt. Im 7jährigen Krieg (1756 – 1763) besetzten die Preußen Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses kam un - das Land Sachsen, zu dem Falkenberg damals gehörte. sere Heimat am 28.06.1815 zu Preußen, und zwar zum König Friedrich II. forderte ungeheure Abgaben an Geld Bezirk Merseburg. Die neue preußische Provinz, zu der und Naturalien. Unser Ort musste Kriegskontributionen viele bisher sächsische Gebiete zusammengefasst wur - in Höhe von 672 Talern, 2 Groschen und 11 Pfennigen den, erhielt den Namen „Provinz Sachsen“. Die alte säch - aufbringen, und das in einer Zeit, in der er sich von den sische Verwaltungseinteilung nach Ämtern wurde durch Schäden des letzten Krieges noch nicht erholt hatte. Au - die preußische Kreiseinteilung abgelöst. Falkenberg ge - ßerdem wurden Männer im Alter bis zu 40 Jahren in den hörte nun zum Kreis Liebenwerda. preußischen Heeresdienst gepresst. Die schmachvolle Niederlage Preußens in der Doppel - Von 1806 an fluteten nach der Schlacht von Jena und Au - schlacht von Jena und Auerstedt (1806) gegen die Ar - erstedt die geschlagenen preußischen Truppen und dann meen Napoleons war Ausdruck der rückständigen die Heere Napoleons und seiner Verbündeten auch durch gesellschaftlichen Verhältnisse. Fortschrittliche Männer unsere Gegend. Das nun sieben Jahre lang folgende erkannten, dass der preußische Feudalstaat überlebt war Elend war schlimmer als die Nöte des 7jährigen Krieges. und dringender Reformen bedurfte. Als zeitweiliger preu - Durch die Quartierleistungen – besonders in den Städ - ßischer Minister trat zum Beispiel Freiherr vom Stein für ten – und durch Kontributionen an Lebens- und Futter - eine Verbesserung der Lage der Bauern und Bürger ein. mitteln, an Pferden, Schlachtvieh, Gespannen und Er wollte den Adel nicht abschaffen, ihn jedoch in seiner Rohstoffen aller Art, durch sinnlose Zerstörungen von wirtschaftlichen und politischen Macht einschränken. So Scheunen und Ställen, Verwüstungen von Feldern und wurde im Edikt vom 9. Oktober 1807 „der erleichterte Be - Vorräten, durch Spanndienste und Holzlieferungen für sitz und der freie Brauch des Grundeigentums“ gefordert, die Festungen Torgau und Wittenberg und schließlich ebenso die Aufhebung der Untertänigkeit und die Schaf - durch Drangsalierungen jeglicher Form gerieten die fung eines freien Bauernstandes. Die Bauern konnten Städte, Ämter und Gemeinden ebenso wie alle Einwoh - nun zwar ohne Zustimmung des Gutsherrn den Wohnort ner in ungeheure Schuldenlasten und unsägliche Armut, wechseln und ihre Kinder ein Handwerk erlernen lassen, Not und Verzweiflung. Zahlreiche Opfer forderten die ein - waren aber von Frondiensten und Abgaben noch nicht geschleppten Epidemien. Nach mündlichen Überliefe - befreit. Hierfür sollten weitere Verordnungen folgen. Es rungen flohen 1806 die meisten Falkenberger Bauern mit dauerte noch Jahre, ehe diese Reform zur Durchführung ihrem Vieh in die Walberge. Dadurch konnten sie wenig - kam. Zwar wurden schon 1826 Vereinbarungen zwischen stens zumeist das Vieh retten. Doch die nicht zimperli - den Bauern und dem Grafen von Hohenthal getroffen, je - chen Franzosen schwelgten auf Kosten der Bauern und doch kam erst 1834 der „Vergleich“ zwischen dem neuen ließen aus den Gehöften vieles mitgehen, was ihnen ge - Besitzer von Schaper und den Bauern zustande. Er erwies fiel. sich als recht schwierig, denn die Gutsbesitzer hatten ja

35 erworbene Rechte an der Arbeits- und Steuerkraft ihrer Häusler (ohne Landbesitz) für jeden Tag 3 Taler und 6 Untertanen. Dafür forderten sie eine ansehnliche Ent - Groschen. Bei den Abgaben wurden z. B. ein Scheffel schädigung. Es wurden Festlegungen getroffen, auf wel - Korn mit einem Taler, ein Schock Stroh mit drei Talern, ein che Weise das geschehen sollte: durch Bargeld, was Schock Eier mit zehn Silbergroschen, eine Gans mit 8 selten genügend vorhanden war; durch Abgabe von Groschen und 9 Pfennigen, vier Ellen Garnspinnen mit 3 Land, dessen Bewertung in sieben Grundstücksklassen Silbergroschen berechnet. So hatte der Viertelhüfner erfolgte; schließlich auch durch Bargeld und Abgabe von Gottfried König beispielsweise einen jährlichen Betrag Land. Der preußische Staat setzte dazu Beamte ein und von 14 Talern, 16 Silbergroschen, 4 Pfennige sowie mit gründete eine Rentenbank zur Übernahme bäuerlicher 4 % Verzinsung 363 Taler, 16 Silbergroschen und 9 Pfen - Schuld und für die Zahlungen an die Herren der Rittergü - nige zu entrichten. ter. Bei den entsprechenden Festsetzungen fanden die Trotz dieser finanziellen Belastungen und der häufig not - bisherigen Verpflichtungen der Bauern an Arbeitsleistun - wendigen Abgabe von Ländereien brachte diese „Sepa - gen und Abgaben (Zinskorn, Stroh, Zehntgänse, Streu - ration“ wesentliche Fortschritte für die Landwirtschaft. berechtigung, Hutungsrecht, Recht zum Holzraffen usw.) Die gemeinsamen Viehweiden und Hutungen sowie die Berücksichtigung. Für die „Ablösung“ wurden zugrunde Ödländer („Leddigen“) wurden an die Einwohner nach gelegt: Ein Viertelhüfner mit 157 Hoftagen Arbeitspflicht der Größe ihres Viehbestandes verteilt. Durch die Zusam - entsprach einer Kapitalhöhe von 350 Reichstalern; ein menfassung der sehr zerstreut gelegenen Ackerflächen zu größeren Plänen, durch die Aufhebung des Flurzwanges und den Wegfall der Dreifelderwirt - schaft erleichterte sich die Bearbeitung des Bo - dens und führte zu besseren Ergebnissen. Zugleich bekam die Flur ein ganz anderes Ausse - hen. Von den zahlreichen Eichenbäumen wurden diejenigen gekennzeichnet, die stehen bleiben sollten, eine große Zahl musste gerodet werden. Das Busch- und Strauchwerk auf den vielen Rai - nen wurde beseitigt, alles wurde begradigt. An - dererseits hatte die Separation auch zur Folge, dass so manches Bauerngut verschwand. Deren Besitzer gaben oft leichtfertig Teile ihrer Lände - reien hin, um frei von Renten zu werden und wur - den dabei Opfer skrupelloser Güterschlächter.

Eines der Zehnerhäuser am Kölsaer Weg – heute Torgauer Straße Nr. 6 – 1927 abgerissen

36 Die große Feuersbrunst 1835 nem Schimmel geritten, um das Feuer zum Dorf hinaus zu reiten. Doch der Schimmel scheute vor dem Feuer, Kaum hatten sich die Bauern 1834 losgekauft, waren sie raste die Dorfstraße herab, und das Feuer „raste die Dorf - wenigstens von der Erbuntertänigkeit befreit und froh straße herab“. So wurde die ganze westliche Seite des über die nach einer guten Ernte noch reichlich gefüllten Dorfes bis zum Viertelhüfner Harz ein Raub der Flammen. Scheunen und Vorratskammern, da brach ein großes Un - An Harzers Gasse (zwischen den heutigen Grundstücken glück über Falkenberg herein. Am 3. April 1835 wurden 45a und 47) und dem angrenzenden Garten kam das die Einwohner durch das Feuerhorn aus dem Schlaf geris - Feuer zum Stehen. „Gleich feurigen Geschossen sind sen, von der Dorfkirche erklang der Hilferuf der zwei Glok - brennende Speckseiten, neue Brandherde schaffend, ken. In der Scheune des Schenkwirtes und durch die Luft geflogen, sicher auch viele andere bren - Gerichtsschöffen Forkert brach aus nicht ermittelter Ursa - nende Teile, so griff das Feuer auf die Ostseite über, wo sämtliche Gebäude von Köppes Gasse bis zum Dorfende niederbrannten. Trotz sofortigen Einsatzes der Falkenber - ger Schlauchspritze, die seltsamerweise selbst in den Flammen zerstört wurde, und der Hilfe von etwa zwölf Spritzen benachbarter Orte blieben nur die Häuser nörd - lich von Harzers Gasse, die Gehöfte in Köppes Gasse, die Kirche, das Rittergut und die südlich davon liegenden Ge - bäude der Ostseite verschont, darunter auch ein schöner alter Fachwerkbau, dem Bauern und früheren Gemeinde - diener Schneider gehörend, 1724 von einem Ziegelbren - ner Schemmel erbaut; es besaß ein Ziegeldach. Die von der Brandkatastrophe betroffenen Dorfbewohner konnten außer dem Vieh und einigen Mobilien nur wenig oder gar nichts retten. Die Gutsherrschaft und die Bewoh -

Schneidersches Fachwerkhaus in der Lindenstraße, 1724 erbaut – leider ner der nächsten Ortschaften trugen zur Linderung der bei der Werterhaltung vernachlässigt und 1988 abgetragen ersten Not der Verunglückten bei. Doch das Ausmaß der Katastrophe war zu groß. So erließ der damalige Land - che ein Brand aus. Der Wind „wendete sich von Mittag rat, Freiherr von Rechenberg, im „Liebenwerdaer Kreis - nach Mitternacht in der Länge, wie das Dorf von der blatt“ eine „Brandbitte“ und appellierte an die Schmerkendorfer Seite her liegt“, so trug er die brennen - Mildtätigkeit der Bevölkerung der Kreise Liebenwerda den Stroh- und Holzteile von einem Strohdach auf das und Torgau. Reichlich gingen Spenden an Geld, Klei - andere. In den Überlieferungen spielte auch ein wenig dungsstücken, Gemüse, Stroh, Brot, Getreide aller Art Aberglaube mit. Danach sei der Bauer Böttcher mit sei - usw. beim Wirtschaftsinspektor Thürmer, beim Schenk -

37 wirt Forkert und beim Halbhüfner Köppe ein. Der Wieder - Sohn Karl Moritz Hendel betreffend. Danach hat der Sohn aufbau aber war nur dadurch möglich, weil die Bauern u. a. den unentgeltlichen Auszug, unbeschränktes Wohn - seit 1785 in der Brandkasse versichert waren. Von ihr recht (mit Benutzung des Brunnens und der Stallge - wurde die erste Hälfte bei Beginn der Bauarbeiten und bäude), freien Aufenthalt im Gehöft und Garten zu die zweite Hälfte bei Fertigstellung gezahlt. Damit sich gewähren und die Auszugsräume in wohnlichem und ein solches Unglück nicht wiederholte, wurden strenge baulichem Zustande zu erhalten. Dem Auszügler stehen Bauvorschriften erlassen: „Ein Gehöft soll fortan vom an - u. a. zu: die Nutzung eines Stückes Acker, das vom Sohn deren mindestens 30 preußische Fuß (etwa 9,40 m) ent - zu düngen und zu bestellen ist; ebenso ein Stück Garten; fernt bleiben. Andere als Ziegel- oder Naturalien in guter Beschaffenheit, z. B. 8 Sack Korn, in Lehmschindelbedachung wird auf keine Weise gestat - der Mühle gemahlen und dort abgeholt; 1 Zentner Mehl tet.“ Dadurch bekam das Bauerndorf nach dem Brand ein 1. Sorte; 6 Mandeln Eier vierteljährlich (1 Mandel gleich neues Gesicht. So manches Gebäude, das damals erbaut 15 Stück); der dritte Teil von Obst; 20 Zentner gute Spei - werden musste, steht heute noch, wenn auch häufig um - sekartoffeln und das notwendige Heizmaterial. Das Aus - gebaut oder modernisiert. Von dieser Zeit an bleiben die zugshaus enthielt allgemein eine Küche, zwei meisten Bauernfamilien auf ihren Höfen, blieb das ei - Wohnräume und eine Dachkammer. gentliche „Dorf“ auch als Straßendorf bis in die Gegen - Zu den ältesten erhaltenen Gebäuden zählt das kleine wart hinein erhalten, obwohl sich der Charakter unseres Fachwerkhaus gegenüber dem Rathaus. Als Häuslerstelle Heimatortes bald sprunghaft veränderte. Nr. 42 in Grundstücksüberlassungsurkunden geführt, Allerdings bildeten sich später auch größere Bauernwirt - wurde es wahrscheinlich um 1840 am Kirchsteig erbaut schaften heraus, vielfach 20 bis 25 Hektar als bewirt - und 1874 von Johann Carl Michaelis an den Gärtner Ernst schaftete Flächen umfassend. Davon entfiel etwa ein Schottke verkauft. Seit 1883 befand es sich im Besitz der Drittel auf Wälder und zwei Drittel auf Äcker und Wiesen. Familie Eulitz. Jetzt ist es als Heimatstube unseres Ortes Allgemein stehen auch die nach dem Brand von 1835 er - eingerichtet. bauten Wohnhäuser mit der Giebelseite zur Straße, ge - genüber befindet sich das „Auszugshaus“, zu beiden Seiten des Hofes hat man die Stallgebäude und anschlie - ßend parallel zur Straße die Scheunen errichtet. In der Wirtschaft von Herrn Karl Hendel wurden Anfang der 30er Jahre 10 bis 15 Schweine, 2 Pferde, 6 bis 7 Kühe und ebenso viele Jungrinder sowie 10 Hühner für den Eigen - bedarf gehalten. Interessant erscheinen die gerichtlichen Festlegungen durch das Amtsgericht Herzberg vom 9. De - zember 1891, die Übergabe der Wirtschaft des Viertel - hüfners Karl Traugott Hendel, den Plan Nr. 37 an seinen

38 Falkenberg wird Haltepunkt der Eisenbahn

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs auch in Deutschland die Anzahl der Manufakturen. Vor allem im Königreich Sachsen, in Schlesien und im Rheinland entwickelten sich zahlreiche Betriebe der Textilproduk - tion, des Bergbaus und der Metallverarbeitung. Neue Maschinen kündeten vom Beginn der industriellen Um - wälzung, die Anwendung der Dampfmaschine revolutio - nierte die Entwicklung der Produktivkräfte. Dadurch erfuhr auch der Handel einen bedeutenden Aufschwung. Dennoch bewirkten die kleinstaatliche Zersplitterung Deutschlands und feudale Hemmnisse, dass Deutsch - land bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts Dem Original nachgebaute, funktionstüchtige Lokomotive „Saxonia“ – weit hinter der Entwicklung in England und Frankreich zu - 1989 auf der Fahrt durch Falkenberg (Anlass: 150 Jahre Eisenbahnstrecke rückblieb. Die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Leipzig – Dresden) Abschaffung der Zollschranken durch die Gründung des Deutschen Zollvereins im Jahre 1834 trugen dazu bei, die des Eisenbahnbaus, unterstützt von Fabrik- und Manu - industrielle Revolution in Deutschland voranzutreiben, fakturbesitzern, natürlich auch von den Kaufleuten, die die einzelnen deutschen Gebiete wirtschaftlich enger an einem schnellen und weit reichenden Warenaus - miteinander zu verbinden und die Entwicklung eines na - tausch interessiert waren. So konnte am 7. Dezember tionalen Marktes zu fördern. So kam es, dass die beste - 1835 die erste deutsche Eisenbahn, von einer in England henden Verkehrsverhältnisse mit den Postkutschen und produzierten Lokomotive „Adler“ gezogen, zwischen Frachtwagen, mit den wenigen, noch dazu katastropha - Nürnberg und Fürth den Verkehr aufnehmen. Bald folgte len Landstraßen nicht mehr den gewachsenen Anforde - der Bau der etwa 100 km langen Strecke von Leipzig rungen entsprachen. Nach 1815 traten in dieser Hinsicht nach Dresden, sie wurde 1839 in Betrieb genommen. allmähliche Verbesserungen, aus finanziellen Gründen Im Jahre 1841 absolvierte in Berlin die erste dort von Gu - auch von vielen Landesherren gefördert, ein, und im stav Borsig (1804 – 1854) entwickelte und in seiner er - Jahre 1810 verkehrten die ersten Dampfschiffe auf Elbe sten Lokomotivfabrik Deutschlands hergestellte und Rhein. Lokomotive ihre erfolgreiche Probefahrt. Aber das neue Bald wurde erkannt, dass die Eisenbahn auch für Verkehrsmittel, das anfangs nur 35 – 40 km in der Deutschland eine außerordentliche Bedeutung haben Stunde bewältigte, fand nicht nur begeisterte Befürwor - würde. Besonders Friedrich List, Professor in Tübingen, ter. Trotz der bereits genannten bisherigen Erschwernisse erkannte die wirtschaftliche und nationale Bedeutung wurde es zum Teil sehr kritisch und mit vielen Ängsten

39 aufgenommen. Selbst gelehrte Männer wandten sich bindung herstellen, sondern auch mit der Berlin - Anhal - gegen den Bau der Eisenbahnen. Das Gerattere und Ge - tischen und Leipzig – Dresdener Bahn unmittelbar in Ver - töse würde sich auf die inneren Organe und auf die Ner - bindung gebracht werden, dass die Transportmittel der ven auswirken. Die „Schnelligkeit“ führe zu verschiedenen Bahnen zwischen Berlin und Dresden Gleichgewichtsstörungen, man müsse die Bürger durch ohne Unterbrechung von der einen auf die andere über - hohe Bretterzäune schützen. Auch die Tiere auf den Wei - gehen können.“ Erst im Juni 1848 wurde der Gesell - den würden durch die schrecklichen Geräusche und das schaft nach zählebigen Verhandlungen mit Sachsen, schrille Pfeifen der Lokomotiven Schaden erleiden, sogar beeinflusst durch die revolutionären Ereignisse dieses säuerliche Milch der Kühe wurde befürchtet. Das Deut - Jahres, auch die Konzession zum Bau des sächsischen sche Medizinalkollegium forderte, „Ortsveränderungen“ Teils der Strecke erteilt. Inzwischen waren die Arbeiten mittels irgendwelcher Art von Dampfmaschinen müssten in Preußen vorangekommen, Anfang August 1848 wurde im Interesse der öffentlichen Gesamtheit verboten wer - die Strecke Jüterbogk – Herzberg fertig gestellt und dem den. Die raschen Bewegungen würden nicht verfehlen, Verkehr übergeben. Wie später Uebigau, Schmerkendorf, bei den Passagieren geistige Unruhe, Delirium furicum Liebenwerda und andere Orte, hatten sich Herzbergs genannt, hervorzurufen. Stadträte gegen eine direkte Berührung ihres Ortes durch Doch der technische Fortschritt war nicht aufzuhalten. die Bahn gewandt. Die Strecke Herzberg – Riesa wurde Bereits im Jahr 1836 beantragte ein Ausschuss den Bau am 1. Oktober 1848 eröffnet, die offizielle Abnahme er - einer Bahn von Berlin über Falkenberg – Röderau nach folgte jedoch erst am 10. Oktober 1848. Falkenberg er - Riesa als Anschluss an die Leipzig – Dresdener Bahn. Die hielt, etwa 400 m vom alten Dorf entfernt, eine preußische Regierung lehnte ab. Erst im Jahre 1845 ge - Haltestation. Sie wurde mit einem Bahnhofsvorsteher, lang es der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft, einem Telegrafisten, zwei Weichenstellern und zwei Ran - die Konzession für den Bau von Jüterbog bis zur Landes - gierern besetzt. Anfangs erfolgte das Rangieren durch grenze von Preußen zu erhalten. ein Pferdegespann. In den ersten Jahren verkehrten täg - In dem am 2. September 1845 in Sanssouci vom König lich drei Güterzüge hin und zurück, denen einige Perso - Friedrich Wilhelm von Preußen unterzeichneten Gesetz nenwagen angehängt waren. Die Fahrkarten gab es Nr. 2621 heißt es unter anderem, dass sich der König vor - zunächst im „Hotel zum Kronprinzen“, dann wurde ein behalte, diese Bahn auch für militärische Zwecke zu nut - Bahnhofsgebäude gebaut, das nach 1945 wieder als sol - zen. Im „Vertrag zwischen Preußen und Sachsen, die ches diente und 1985 rekonstruiert wurde. Herstellung einer Eisenbahn-Verbindung zwischen Ber - Reisende und Geschäftsleute zogen zunehmend das lin und Dresden betreffend“ heißt es im Artikel 2: „Die „neumodische Ding“ der Postkutsche vor, und auch der Eisenbahn von Jüterbogk über Premsendorf über Falken - Güterverkehr nahm ständig zu. Noch ging der Einfluss berg bis zum Anschluss an die Leipzig – Dresdener Ei - auf das dörfliche Leben sehr langsam vonstatten. Doch senbahn soll nicht nur in ihrer ganzen Ausdehnung mussten die Betriebsanlagen fast alle Jahre erweitert und zwischen Berlin und Dresden eine ununterbrochene Ver - weitere Arbeitskräfte eingestellt werden. Sie kamen auch

40 aus den nahe gelegenen Orten, Kleinbauern und ehema - lige Tagelöhner, die oft daheim noch eine kleine Land - wirtschaft betrieben. Die Eisenbahnverwaltung begann für das neue Verkehrsmittel zu werben, sie bot 50%ige Fahrpreisermäßigungen zu den Berliner Krammärkten und zum Lorenzkirchner Markt (mit Dampferanschluss) an, 1853 erstmalig auch für reine „Vergnügungsfahrten“ nach Dresden. Dennoch gab es nicht nur Zustimmung zum Bau der Ei - senbahnen. Manche Bauern fürchteten unwillkommene Störungen für Äcker und Vieh. So musste der Landrat von Liebenwerda im Kreisblatt in einer Bekanntmachung in scharfem Ton darauf aufmerksam machen, dass „die bei Vermessung der Eisenbahnlinie gesetzten Stations- und Nivellementspfähle und Signale bei Vermeiden einer Geldbuße von 15 Silbergroschen bis zu 20 Talern nicht fortgenommen, vernichtet oder sonst unkenntlich ge - macht werden dürfen und dass nach beendigter Ernte ein 1 Streifen Land von 2 /2 Ruten Breite (etwa 12 m) zu jeder Seite der Bahnlinien unbestellt liegen bleiben muß“. Auch die Rittergutsverwaltung vertrat die Meinung, dass die Schadensfälle größer als der Vorteil seien. Hatte man selbst als hohe Gerichtsbarkeit den Bau der Bahn nicht verhindern können, wollte man wenigstens entschädigt Die erste Eisenbahn in Falkenberg werden. Darum ließ sie einen „Wertvorschlag wider die (Linolschnitt aus dem Heimatkalender 1927) Bahn“ aufstellen. Falkenberg liege hart an der Bahn mit seiner Feldmark. Dies habe auf den Ackerbau einen be - geeignet, da er fast überall im Untergrunde Lehm habe. sonderen Einfluss, da hierdurch der schnelle und leichte Die Aufsichts- und Verwaltungskosten würden größer, da Absatz der Produkte nach den teueren Hauptstädten be - der freie Überblick durch den hohen Wall der Bahn ge - wirkt werden könne. Doch werde die Bahn keinen größe - stört werde. Hauptsächlich kämen in Betracht die Störun - ren Nutzen für Falkenberg gewähren, im Gegenteil werde gen und Aufenthalte, die durch Schließung der dadurch das Arbeitsverhältnis ein viel ungünstigeres, da Überfahrten während des Zugverkehrs und Steigung der anzunehmen sei, dass die Löhne um 10 % steigen. Der Rampen entstünden, ferner die Verschattung der Früchte Boden sei größtenteils ein fruchtbarer, zu jeglicher Kultur durch den Eisenbahndamm, die Schneewehen und der -

41 gleichen. Die Bahn durchschneide den größten Teil des Die Entwicklung Falkenbergs zur „Umsteige - Ackers schräg von einem Ende zum anderen. Das Gut er - station“ leide dadurch eine Verminderung seines Wertes. Die Bahn könne dem Gute nichts bieten, was es nicht schon Industrie und Handel nahmen Mitte des 19. Jahrhunderts besitze. im Raum Halle einen bedeutenden Aufschwung. Der Ab - Dann folgte eine Aufstellung, die zeigen sollte, welche satz von Waren nach dem Osten und der Bezug von Er - Schäden im Einzelnen entstünden. Hier würden 50, da 20 Morgen etwa abgeschnitten. Da werde ein Umweg zu machen sein. An allen Stellen würden die Gespanne durch vorbeifahrende Züge gestört. Das gäbe eine Be - hinderung der Arbeit. Da anzunehmen sei, dass 4 Eisen - bahnzüge des Tages gehen, so würden die Gespanne viermal des Tages gestört werden, jede Störung werde mit einem Zeitverlust von wenigstens 5 Minuten, zusam - men also täglich mit 20 Minuten zu rechnen sein. Nach allen Feldern würden im Jahre 2377 Fuhren auszuführen sein, also etwa an 277 Tagen Gespanne, das mal 20 Mi - nuten, mache 10 Gespanntage aus, sei ein Schaden von 20 Talern. So wurde dann weiter aufgelistet, und schließ - lich kam die Gesamtrechnung auf einen Schaden von 291 Talern im Jahr. – Die „böse Bahn“ aber zahlte nicht und fuhr doch! Ehemaliger Teich zwischen dem Bahndamm der Strecke Halle – Cottbus und der heutigen Friedrich-Engels-Straße (früher Bismarckstraße)

zeugnissen waren bislang über Leipzig und die sächsi - schen Bahnen erfolgt. So tauchten schon 1857 Pläne einer direkten Verbindung von Halle nach dem Osten Deutschlands auf. Auch die Stadt Eilenburg bemühte sich gemeinsam mit den Magistraten von Halle und Torgau um die Aufnahme der Vorarbeiten. Eine zuerst geplante Linienführung über Torgau – Liebenwerda – Elsterwerda – Senftenberg wurde verworfen, und am 3. Februar 1860 erteilte der preußische Handelsminister die Genehmi - gung zu den Vorbereitungen für den Bau der Strecke

42 Halle – Cottbus – Sorau. Doch erst am 12. Oktober 1863 hörte. Die Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft über - kam nach langwierigen Verhandlungen auf Bitten der be - nahm die Ausführung und brachte die erforderlichen 6 teiligten Kreise und der Industrie die endgültige Geneh - Millionen Taler durch die Ausgabe von Aktien auf. Am 1. migung des Baues auf Staatskosten durch den Juni 1874 wurde die Strecke Kohlfurt – Falkenberg dem Handelsminister von Itzenplitz zustande. Die 1867 gebil - Verkehr übergeben. Ihre Weiterführung nach Wittenberg dete Halle – Sorau – Gubener Eisenbahngesellschaft si - wurde am 11. September 1872 genehmigt, mit dem Bau cherte – mit Hilfe Londoner Großkapitalisten – die am 29. September 1873 begonnen, und am 15. Oktober Bereitstellung von 14 Millionen Talern und erhielt die 1875 konnte der Betrieb auf der Gesamtstrecke bis Wit - Konzession im Februar 1868. Trotz finanzieller Schwie - tenberg aufgenommen werden. Alsbald zeigte es sich, rigkeiten, die durch den Deutsch-Französischen Krieg wie notwendig auch diese Strecke angesichts der schnel - entstanden, ging der Bau nun rasch vorwärts, wobei len industriellen Entwicklung war. Im Herbst 1908 war sie auch französische Kriegsgefangene beim Dammbau zum mit 19 Personenzügen und 23 regelmäßigen Güterzügen Einsatz kamen, sie waren im Gasthof Kölsa unterge - sowie 6 bis 9 Bedarfsgüterzügen, 4 bis 10 Arbeitszügen bracht. Am 1. Dezember 1871 erfolgte die Betriebseröff - und 4 bis 7 Lokomotivfahrten täglich belastet. nung der Strecke Cottbus – Falkenberg, die Züge fuhren Schließlich wurde durch die private Niederlausitzer Ei - zunächst noch unten ein. senbahn, deren Teilstrecke Uckro – Falkenberg am 15. Dann war es soweit: Mit der Inbetriebnahme des Ab - März 1898 dem Verkehr übergeben wurde, die ganze schnittes Falkenberg – Eilenburg am 1. Mai 1872 wurde Niederlausitz an die bestehenden Hauptstrecken ange - Falkenberg zur Kreuzungsstation, und ab 30. Juni 1872 schlossen. Nun entwickelte sich Falkenberg zum bedeu - war der durchgehende Verkehr von Halle bis Sorau ge - tendsten Eisenbahnknotenpunkt im östlichen Teil währleistet. Im Laufe der nächsten Zeit steigerte sich der Mitteldeutschlands. Durch die rasante Entwicklung der Verkehr auf dieser Strecke und erreichte Mitte der 90er Industrie steigerte sich der Verkehr von Jahr zu Jahr. Jahre schon eine Belastung von täglich 29 regelmäßigen Schon im Jahre 1872 trat an die Stelle eines 5-Minuten- Zügen. Häufig mussten sowohl für den Güter- als auch Fahrplanes der Minutenplan. In Kurswagen konnten die für den Personenverkehr noch zusätzliche „Bedarfszüge“ Reisenden von oberschlesischen Städten über Cottbus – gefahren werden. Falkenberg – Kassel direkt bis Frankfurt/Main oder Den Haag (Niederlande) fahren. Wer umsteigen musste und Im Jahre 1872 wurde dann mit dem Bau der Bahn Kohl - Aufenthalt hatte, fand in den Wartesälen 1., 2. oder 3. furt – Falkenberg – Wittenberg begonnen. Während Klasse auf dem unteren Bahnsteig in dem im Jahre 1882 1864 ein Antrag einer Brüsseler Firma für diese Strecke erbauten, 1945 völlig zerstörten Bahnhofsgebäude eine abgelehnt worden war, stimmten sowohl der preußische gute Bedienung. Auf den Bahnsteigen eilten Kellner mit Handelsminister als auch der Kriegsminister 1870 dem Erfrischungen, Getränken und warmen Würstchen an den Antrag eines Ausschusses zu, dem der damalige Land - Zügen entlang, Zeitungsverkäufer und Gepäckträger be - rat des Kreises Liebenwerda, Herr von Bredow, ange - dienten die Reisenden.

43 Ehemaliges Bahnhofsgebäude (1882) mit Kaiserlichem Postamt (1887), bei Bombenangriffen am 18./19. April 1945 völlig zerstört Untere Bahnsteige (Berlin – Dresden)

In Falkenberg erfolgte auch meist der Lokwechsel, Zug - begleitpersonale beendeten ihre langen Fahrten. Dafür mussten entsprechende Sozialgebäude, z. B. am oberen („Sorauer“) Güterbahnhof, errichtet werden. Der gewaltig ansteigende Güterverkehr erforderte den weiteren Aus - bau von Gleisanlagen mit vielen Weichen. So entstanden zwei durch eine mehrgleisige Verbindungsbahn verbun - dene Rangierbahnhöfe, Lokschuppen, Versorgungsanla - gen für Kohle, Wasser, Gas und für Reparatur- und Vorbereitungszwecke der Lokomotiven ein Bahnbetriebs - werk, Umladehallen, Ablaufberge, Stellwerke und viele andere Einrichtungen. Allein für die Erweiterung der Ran - gier- und Güterbahnhöfe wurden 1892 bis 1896 insge - samt 700 000 Mark ausgegeben, während die Gesamt- kosten mit 850 000 Mark veranschlagt waren. Die Betriebe des Kreises Liebenwerda konnten ihre Waren natürlich ebenfalls vorteilhaft zum Abtransport bringen und Rohstoffe anliefern lassen. Auch viele inzwi - Ehemalige „Teichschänke“ an den Kloßschen Teichen schen angesiedelte Handwerker, z. B. die Schuhmacher - (Ecke Schwarzer Weg/Krumme Trift)

44 meister, brachten ihre Erzeugnisse in die Großstädte. standen die Kloßschen Teiche. Diese Brücke musste Ebenso nutzte das Rittergut die Bahn für den Transport 1985/86 durch eine neue ersetzt werden. seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Nach der Errichtung der Brücke1895/96 wurde die Nach Verhandlungen in den Jahren 1882 – 1884 wurden Straße vom „Anker“ bis zur Brücke in „Friedrich-List- die Eisenbahnen am 1. Juni 1884 durch Preußen in staat - Straße“ umbenannt, nach ihr begann die „Uebigauer liche Verwaltung übernommen. Straße“. Im Zusammenhang mit dem Brückenbau bekam Falken - berg nun doch eine Entschädigung. Das Überfahren der Gleise auf dem Triftweg am nördlichen Ende des Dorfes hatte sich durch die vielen Gleise der Berlin – Dresdener, der Falkenberg – Wittenberger Strecken und zahlreicher Rangiergleise immer schwieriger gestaltet. Deshalb wurde die Überfahrt zum Triftweg geschlossen. Für die Besitzer der Fluren am jenseitigen Triftweg (heutige Krumme Trift) entstanden zum Teil beträchtliche Um - wege. Dafür wurden sie durch sogenannte „Umweggel - der“ schadlos gehalten, die, weil als einmalige Abfindung gezahlt, bei manchen Besitzern eine beacht - liche Größe erreichten. Bahnsteig 6 (Cottbus – Leipzig) mit ehemaligem Bahnhofsgebäude Auf dem unteren Bahnsteig erfolgte im Jahre 1895 der Bau eines massiven Gebäudes für die Telegrafie. Die Durch den zunehmenden Verkehr gestaltete sich der Schützenstraße erhielt 1908 in Fortsetzung zum Schmer - Übergang in Richtung Uebigauer Straße über 7 Gleise kendorfer Weg einen Tunnel. Die dafür erforderlichen Auf - immer schwieriger. Das ständige Schließen der Schran - schüttungsmengen für die Dämme führten zum ken, gegenüber dem „Hotel Kronprinz“ steht noch das Entstehen des früheren Volkswohlbades, dem heutigen ehemalige Schrankenwärterhäuschen W 4a (heute unter Anglerteich am oberen Bahnhof. Denkmalschutz), wirkte sehr behindernd für den Stra - Um 1900 wuchsen Güter- und Personenverkehr in einem ßenverkehr. Deshalb entschloss sich die Eisenbahnver - solchen Maße an, dass bei der Abwicklung des Zugver - waltung, die Uebigauer Straße als Brücke über die Gleise kehrs immense Schwierigkeiten auftraten. Insbesondere zu führen. Eine Bernburger Firma errichtete die Eisenkon - rief das Warten auf den Kreuzungsstationen erhebliche struktion. Die Eisenbahn-Baufirma Riedel führte mit einer Verzögerungen in der Zugbeförderung hervor, An - kleinen Lokomotive und 12 Kipploren die Aufschüttungs - schlüsse an andere Strecken wurden sehr erschwert oder arbeiten für die Straße durch. Der Sand wurde aus dem völlig vereitelt, Güterzüge erreichten nur mit großen Ver - Großeschen Plan am Triftweg entnommen. Dadurch ent - spätungen die Bestimmungsorte. Wesentliche Ursache

45 dafür war die Eingleisigkeit der Strecken. So begann ab und die „kleine Sperre“. Verschiedene andere Zugänge 1896 der zweigleisige Ausbau, zuerst der Abschnitt von wurden geschlossen, zum Leidwesen auch der Schmer - Eilenburg bis , dann Cottbus, schließlich kendorfer, die nun einen wesentlich längeren Weg neh - 1908 bis Halle. Die Inbetriebnahme des zweiten Gleises men mussten. Der Bahnhof Falkenberg hatte vor dem 1. auf der Strecke Ruhland – Falkenberg erfolgte bis zum Weltkrieg 6 selbständige Dienststellen: die eigentliche April 1910, die gesamte Strecke Kohlfurt – Falkenberg „Station“ (einschließlich des Halle – Sorau – Gubener ging 1912 zweigleisig in Betrieb. Von 1909 bis 1911 Güterbahnhofs/„HSG“), die Güterabfertigung mit Umla - wurde das zweite Gleis Jüterbog – Falkenberg – Riesa ge - dehalle, die Stationskasse mit der Eilgutabfertigung, baut. Fahrkartenausgabe und Gepäckabfertigung, 2 Bahnmei - Mehrfach wird in Ausgaben des damaligen „Liebenwer - stereien und schließlich die Betriebswerkstatt nebst Wa - daer Kreisblattes“ von den Problemen berichtet, die die genwerkstatt und Nebenmagazin. Die Oberbahn- so genannten „Sachsengänger“ dem hiesigen Bahnhof meisterei hatte auf dem Berlin – Anhalter Bahnhof über bereiteten. Es handelte sich um Feldarbeiter, die im Früh - 26 km Hauptgleise, 37 km Nebengleise, 8 Stellwerke, jahr aus Polen und Oberschlesien in Richtung Magde - 197 Weichen, 71 Haupt- und 13 Vorsignale zu unterhal - burg, Köthen, Halle und Leipzig zu ihren Arbeitsorten ten. Auf dem Halle – Sorau – Gubener Bahnhof waren es fuhren und im Herbst wieder die Rückreise antraten. Im für die Bahnmeisterei I. Klasse fast 10 km Haupt- und Jahr 1894 wurde dafür ein besonderer Bahnsteig mit knapp 36 km Nebengleise, 8 Stellwerke, 129 Weichen, überdachter Halle zum Sorauer Bahnhof hin gebaut (im 29 Haupt- und 11 Vorsignale. Besonders letzterer war Volksmund „Polenbahnhof“ genannt), das erleichterte schon damals zu einem modernen Verschiebebahnhof sehr die Abwicklung. Dennoch berichtete man am 9. No - ausgebaut. Die in Falkenberg stationierten 86 Lokomoti - vember 1895, dass „eine wahre Belagerung eingetreten ven verbrauchten jährlich rund 38400 Tonnen Kohle, (ist), so dass Verspätungen durch die notwendigen Ver - 72000 Kilogramm Öl und 540000 Kubikmeter Wasser. stärkungen unvermeidlich sind. Auch einige Sonderzüge Die in den Werkstätten befindlichen Werkzeugmaschinen haben schon eingelegt werden müssen.“ Im Frühjahr wurden elektrisch betrieben, ebenso die Drehscheiben, 1931 wird sogar von rund 22700 Sachsengängern be - die Kohlenkräne, die Wasserstation und die auf dem Per - richtet, die den Falkenberger Bahnhof passierten und sonenbahnhof befindlichen Fahrstühle. Drei Gasmotoren hier auch verpflegt wurden, wobei sich die hiesigen Bäk - zu je 100 PS erzeugten die erforderliche Energie. Nachts ker und Fleischer emsig und mit Erfolg bemühten, ihre war der Bahnhof taghell erleuchtet von 86 Bogenlampen Waren an den Mann zu bringen. und weiteren rund 900 Glühlampen. Im Jahre 1912 Bis zum 1. Dezember 1894 waren die Bahnsteige des Fal - waren bereits 1182 Eisenbahnbedienstete in Falkenberg kenberger Bahnhofes von verschiedenen Seiten ohne beschäftigt, darunter 49 Lokführer, 60 Heizer, 50 Zugfüh - weiteres zugänglich. Dann folgte man den übrigen Sta - rer, 137 Schaffner, 6 Wagenmeister, 10 Rangiermeister tionen der Strecke Berlin – Röderau und richtete zwei und 67 Weichensteller, nicht zu vergessen 13 Bahn - Bahnsteigsperren ein, die vom Fahrkartenschalter her schrankenwärter.

46 Im Jahre 1930 sind von Falkenberg über 211000 Perso - Vom Straßendorf zur Großgemeinde nen abgefahren. Zu dieser Zeit fuhren durch unseren Bahnhof oder von hier aus täglich 8 D-Züge, 6 Eilzüge, Durch Jahrhunderte war unser Heimatort – von Kriegs - 42 Personenzüge; 66 Güterzüge wurden zerlegt und 64 auswirkungen und Katastrophen abgesehen – fast un - neue zusammengestellt. Rund 4000 Wagen und mehr verändert geblieben. An der Schenke, dem späteren wurden täglich rangiert, begünstigt durch drei Ablauf - „Goldenen Anker“, kreuzten sich die Dorfstraße, der Köl - berge und moderne elektrische wie auch mechanische saer Weg mit einigen Zehnthäusern des Rittergutes, der Stellwerke. Die Länge der Gleisanlagen war auf 135 km in die Felder führende unbebaute Lönnewitzer Weg, der angewachsen. Der Umschlag an Frachtstückgut betrug Schmerkendorfer Weg mit den Wohngebäuden einiger im Tagesdurchschnitt 500 – 700 Tonnen. Die Umlade - Häusler (von der Dorfschmiede bis zum heutigen Topf - halle war so geräumig, dass auf 4 Gleisen rund 120 Gü - stedtschen Grundstück) und die Uebigauer Straße (nach terwagen aufgestellt werden konnten. An Lokomotiv- dem Brückenbau bis zur Brücke als Friedrich-List-Straße) kohle wurden täglich 7 Eisenbahnwagen zu je 100 Zent - mit einigen Zehnthäusern. ner ausgegeben, wofür 5 Kohlenkräne vorhanden waren. Um 1825 hatte Falkenberg nur 268, unmittelbar vor dem Ein bahneigenes Pumpwerk sorgte für täglich 1500 Ku - Bau der Eisenbahn etwa 350 Einwohner. Solange unser bikmeter Wasser, das in 4 Wassertürme gedrückt wurde. Ort nur Haltepunkt war, ging die Entwicklung recht lang - Um der Bedeutung als wichtiger Umsteigebahnhof ge - sam voran. Noch 1873 zählte man nur 405 Einwohner, recht zu werden, wurden die Fahrpläne so aufgestellt, die in Uebigau oder beim Krämer und Schenkwirt Rössler dass zu gewissen Zeiten bis zu 8 Schnell- und Personen - in Schmerkendorf einkauften und die Märkte in Herz - züge gleichzeitig hielten. berg, Liebenwerda und Torgau besuchten. Einzelne Häu - ser in der heutigen Bahnhofstraße entstanden, die dem Reiseverkehr und der Unterkunft von Bahnbediensteten dienten. Anders wurde es, als sich Falkenberg zum Umsteige - bahnhof und dann zum Eisenbahnknotenpunkt entwik - kelte. Zwar kamen viele Beschäftigte aus umliegenden Orten, häufig Söhne von meist kinderreichen Familien, die keine Wohnungen benötigten. Doch versetzten die Eisenbahngesellschaften auch Eisenbahner aus den Großstädten nach Falkenberg, besonders nach 1872. Ihnen bot jedoch das Dorf nur wenig Annehmlichkeiten und sehr bescheidene Unterkünfte. So ergab sich die Notwendigkeit, Wohnhäuser zu errichten. Zudem Lokpersonal auf dem unteren Güterbahnhof wünschten die Reisenden, vor der Abfahrt und während

47 Ortsgrundriss 1899 (Magdeburgische Feuersozietät)

„Preußischer Hof“ („bei Steffens“, später Gaststätte Jotz, viele Jahre Möbel-Verkaufsstelle). Zudem siedelten sich Bäckereien und Fleischereien an. Der Raum zwischen dem alten Dorf und dem Bahngelände bot sich als Bau - gelände an und wurde schachbrettartig aufgeteilt. Zuerst wurde die Wilhelmstraße (heutige Walther-Rathe - nau-Straße), beginnend an der heutigen Ludwig-Jahn- Straße, direkt zum damaligen Bahnhofsgebäude hinführend, bebaut. Eine Bestätigung für die angege - bene Bebauung erhielt man vor einigen Jahren bei der Reparatur des Scheunendaches in der Walther-Rathenau- Straße 6, als zwei Dachziegel mit den Jahreszahlen 1871 und 1874 gefunden wurden. Ein gewisser Friedrich ließ in der „Neuen Bahnhofstraße“ zwei dreistöckige Häuser (darin befinden sich heute noch die „Krostitzer Bierstu - ben“) errichten, denen weitere Bauten folgten. Nach ihm des Aufenthaltes etwas zu sich zu nehmen und Einkäufe wurde diese in Friedrichstraße umbenannt. Die dritte, tätigen zu können. Deshalb entstanden in der Nähe des dazu parallel verlaufende Straße, die Karlstraße, konnte Bahnhofs Gaststätten, z. B. „Hotel Kronprinz“ (ältere Ein - erst später bebaut werden, weil der Halbhüfner Born sich wohner werden noch „zu Schügners“ gegangen sein), nicht entschließen konnte, seinen Acker zu verkaufen,

48 der heute vom Marktplatz, von der Karlstraße, Mittel- und 192 Wohnungen fertig gestellt (davon 15 mit 5 Räumen, Heinrich-Zille-Straße (bis 1958 „Schulstraße“) eingenom - 48 mit 4 und 129 mit 3 Räumen), zu denen Holzställe; men wird. Erst 1908, als der Schuhmachermeister Karl etwas Gartenland und eine gemeinsame Waschküche für Petroll sein im Jahre 1872 erbautes kleines Häuschen jedes Haus gehörten. Der Komplex wurde durch 4 Läden, (Schmerkendorfer Weg 56, später Liebenwerdaer, dann 1 Hotel mit 17 Zimmern (Hotel „Kaiserhof“, 1945 zer - Ludwig-Jahn-Straße) erweiterte und gewissermaßen um stört) und ein Schlachthaus im Hof Bismarckstraße die Ecke baute, entstand die Karlstraße. (Friedrich-Engels-Straße) 21, an der Straßenecke der zu - Die heutige Friedrich-List-Straße war zwar als Durch - gehörige Laden, ergänzt. gangsstraße Torgau – Uebigau eigentlich als erste Straße Einen weit besseren Anblick bieten die 1912 erbauten 9 vorhanden, wurde aber, bis auf wenige Häuser, ebenfalls Genossenschaftshäuser auf dem angekauften Gelände erst verhältnismäßig spät bebaut. der Uebigauer Straße. Dort war übrigens 1908 als erstes Herr Carl Erler, der als Bauführer bei der Firma Haus ein großes Gebäude mit dem Cafe „Hohenzollern“ Rutzschmann während des Baues der Strecke Wittenberg entstanden, in dem später die Konsumverkaufsstelle für – Kohlfurt tätig war, machte sich 1876 selbstständig, Waren des täglichen Bedarfs ihren Platz hatte. Weitere gründete das erste Bauunternehmen Falkenbergs, er - genossenschaftliche Häuser errichtete dann der 1924 warb an der Friedrich-List-Straße Nr. 8 ein großes Grund - gegründete Bauverein in der Liebenwerdaer Straße. stück und errichtete ein Wohnhaus Nr. 8, Werkgebäude Die Schulstraße und die Mittelstraße blieben lange ohne und ein Sägewerk, später auf der gegenüberliegenden Häuser, auch die Torgauer Straße wurde erst nach 1896 Seite ein mehrstöckiges Wohngebäude. Er baute auch mit nur wenigen Häusern und dann erst in den 20er Jah - das Schloss in Uebigau (jetzige Jugendherberge). Durch ren stärker bebaut. die stark zunehmende Bautätigkeit wurde die Entwick - So zog sich die bauliche Entwicklung unseres Ortes sehr lung des Unternehmens sehr begünstigt. in die Länge. Felder und Kiefernbestände bestimmten Immer mehr Wohnungen wurden benötigt. Deshalb er - auch in unmittelbarer Umgebung des Bahnhofs lange folgte 1897 die Gründung einer Baugenossenschaft, die Zeit das Ortsbild. Als das Rittergut 1912 in den Besitz der von der staatlichen Eisenbahnverwaltung ein Darlehen Gemeinde überging, stand endlich Baugelände in erfor - in Höhe von 163300 Mark erhielt. Damit wurden mietska - derlicher Menge und Größe zur Verfügung. Im Ostteil des sernenähnliche Zweckbauten in Backsteinbauweise er - Ortes wurden mehrere Straßenzüge bebaut. Die in den richtet. So entstanden die Häuser in der damaligen Jahren 1910/11 erbauten „Rentenhäuser“ des Rittergu - Bismarckstraße, der heutigen Friedrich-Engels-Straße, tes in den „Hufen“ bekamen nun Gesellschaft durch wei - und in der Ludwig-Jahn-Straße, die zu jener Zeit noch Teil tere Häuser südlich der Strecke Halle – Cottbus. der Liebenwerdaer Straße war. Ein Relief mit der Inschrift Zwischen 1920 und 1925 errichteten vor allem Eisenbah - „Baugenossenschaft 1897“ ist für jedermann noch heute ner auch im Westteil zahlreiche Wohnhäuser. Den be - an der Straßenfront des Hauses Heinrich-Zille-Straße 3 scheidenen Vermögensverhältnissen entsprechend und zu sehen. Innerhalb von 10 Jahren wurden 21 Häuser mit unter den Bedingungen der Inflation überwogen klei -

49 nere, zweckmäßige Häuser. Es waren in der Regel Zwei- Die Falkenberger Kirchen Familien-Häuser. Die untere Etage belegte der Hauswirt, die obere Wohnung wurde vermietet, um durch Mietein - Im Jahre 1251 gehörte Falkenberg zu den 7 Filialen der nahmen die Zinsen für die aufgenommenen Kredite zu Parochie Altbelgern. Es war also in vorreformatorischer tilgen. Die schnurgerade Anlage der meisten Straßen, die Zeit ein selbstständiger Pfarrort. Bei der ersten evangeli - sehr offene Bauweise mit zahlreichen Baulücken, das schen Kirchenvisitation 1529 wird es als Tochterge - Fehlen prunkvoller, repräsentativer Bauten verhinderten meinde der Mutterkirche Schmerkendorf erwähnt. Aus einen städtischen Charakter, wie sie noch ältere Orte wie einem weiteren Visitationsprotokoll von 1555, in wel - Uebigau, Liebenwerda und andere durch die geschlos - chem neben dem Einkommen der Schmerkendorfer Kir - senen Straßenzüge aufweisen. che ein Einkommen der Kirche zu Falkenberg besonders Unser Heimatort jedoch wuchs weiter, die Bevölkerungs - aufgeführt wird, lässt sich schließen, dass bereits da - zahl stieg von 1254 Einwohnern im Jahre 1890 auf 2985 mals eine Kirche, vielleicht eine kleine Kapelle, bestan - im Jahre 1908, dann auf 3642 im Jahre 1910, und den hat. Über ihren Standort existieren bislang keine schließlich wurde Falkenberg im Jahre 1925 mit fast 4850 Einwohnern der größte Ort des damaligen Kreises Liebenwerda.

Ehemalige Dorfkirche zwischen Rittergut und Köppes Gasse (1713 – 1913) mit altem Friedhof

Angaben. Als historische Belege, dass es sie gegeben hat, gelten die älteste Glocke der vermutlich zweiten Falkenberger Erlers Haus Friedrich-List-Straße Nr. 8 (1876 erbaut) Kirche mit der Jahreszahl 1494, der in dieser aufgestellte

50 romanische Taufstein aus dem 12. Jahrhundert und amt zu errichten. Es war damals kein leichtes Unterfan - schließlich drei gotische Heiligenfiguren (Katharina, gen, sondern musste durch alle Instanzen bis hin zum Magdalena und Margaretha) vom Ende des 15. Jahrhun - Reichsgericht erkämpft werden. Am 30. September 1897 derts, die man im Gebälk beim Abriss der alten Dorfkir - gab endlich das Königliche Konsistorium seine Zustim - che fand, die nun 1931 restauriert und in einem mung. Der Schmerkendorfer Pfarrer Rustenbach erhielt Holzschrein zusammengefasst, den Gemeinderaum einen Hilfsprediger, Reinhold Königer, der mit den Amts - schmücken. geschäften in Falkenberg betraut wurde und in der Lin - Obwohl die zusammenhängenden kirchlichen Nachrich - denstraße 5 bei Blumbergs wohnte. Erst am 30. März ten für Falkenberg erst wieder mit dem Jahre 1736 begin - 1900 löste sich endgültig die Falkenberger Gemeinde nen, ist einer aufgefundenen Urkunde vom 6. Oktober von Schmerkendorf. Der nunmehrige Pfarrer Königer 1710 zu entnehmen, dass in diesem Jahre der Bau der konnte in das inzwischen für 20000 Mark erbaute Pfarr - alten Dorfkirche zwischen Rittergut und Köppes Gasse haus in der Lindenstraße einziehen, wo er bis 1916 am - (wo sich später der Spielplatz des Kindergartens befand) tierte. Sein Kantor Franz Hendel, von 1889 – 1916 als begonnen wurde, und die Zahl 1713 in einer Inschrift Lehrer (zuletzt als Hauptlehrer) tätig, stand ihm im Dienst über dem Turmeingang dürfte das Jahr ihrer Vollendung zur Seite. angeben. Diese alte Dorfkirche, etwa 200 Jahre im Dien - Mit den Jahren wurde die alte Dorfkirche zu klein und ste der evangelischen Kirchengemeinde, war ein stattli - auch baufällig. Der Gemeindekirchenrat verhandelte cher Fachwerkbau von 8,75 m Breite und 13,20 m Länge über den Bau einer neuen Kirche. Sie wurde nach den mit dreifachem Chorschluss und einer an der Nordseite Plänen des Architekten Diplom-Ingenieur Alwin Musch - angefügten kleinen Sakristei. Sie hatte immerhin einen ter aus Mühlberg (Elbe) und unter seiner Leitung von Turm von 24 m Höhe, dessen Glockenstuhl zwei Glocken dem Falkenberger Bauunternehmen Erler (Inh. Wilhelm trug, neben der bereits erwähnten eine in Leipzig gegos - Ahrens) gebaut. So erhielt Falkenberg neben dem an - sene aus dem Jahr 1750. Beide Glocken wurden 1916 sehnlichen Bahnhofsgebäude 1913 ein weiteres, weit - der ostpreußischen Gemeinde Kallinowen, Kreis Lyck, ge - hin sichtbares, im Jugendstil erbautes Monumental- schenkt. Im Jahre 1878 musste die Kirche unter Verwen - gebäude. Der Bauplatz an der Lönnewitzer (späterer dung des gesamten Kirchenvermögens der Falkenberger Mühlberger) Straße war Rittergutsgelände, dafür wurde Gemeinde renoviert werden. Die Geräumigkeit der alten der kircheneigene Acker hinter der Schenkbreite an der Kirche wurde durch eine Empore mit zusätzlichen Plät - Kölsaer Straße zur Verfügung gestellt. zen erhöht. Die „hochfreiherrliche Gerichtsherrschaft“ Mit fast 38 Metern Gesamtlänge und über 23 Metern von Hohenthal schenkte der Kirche am 29. November Breite (davon das Hauptschiff allein mit 25 Metern Länge 1757 eine Orgel mit 2 Manualen und 12 klingenden und 12 Metern Breite) und einem 45 Meter hohen Turm Stimmen. Um die Kirche herum lag der alte Friedhof. wurde ein in die Zukunft weisendes Bauwerk geschaffen. Doch Falkenberg blieb Filialgemeinde von Schmerken - Einschließlich der Emporen bietet es etwa 700 Gläubi - dorf, bis 1896 der Wunsch laut wurde, ein eigenes Pfarr - gen Platz und besitzt außerdem noch einen Gemeinde -

51 saal. Zahlreiche Spenden von Vereinen und Einzelperso - Günter Stornowski erfolgen. Zwischenzeitlich erhielt die nen, insbesondere auch die tätige Mithilfe der Falken - Kirche 1943 durch den zehn Jahre hier wirkenden Pfarrer berger Handwerksmeister, trugen zur Ausstattung der Kirche bei. So wurden sämtliche Klempnerarbeiten vom Falkenberger Klempnermeister Alfred Müller mit zwei Ge - sellen und einem Lehrling ausgeführt und die Turmspitze am 15. März 1913 „ … sorgfältig und mit großer Schwie - rigkeit bei etwas windigem Wetter aufgestellt“. Die Schlosserarbeiten führte Herr Meister Gustav Kupke, wohnhaft in der Bahnhofstraße 21, aus. Für die Dach - stuhlarbeiten zeichnete der Falkenberger Zimmermeister Otto Wunderlich verantwortlich. Der Weihetag der neu er - bauten Kirche war der 11. November 1913. Noch einmal versammelten sich viele Gäste, die kirchliche und politi - sche Gemeindevertretung in der alten Kirche. Mit einem Gebet schloss der Generalsuperintendent Professor D. Gennrich das Gotteshaus, und im feierlichen Zuge ging es unter Mitführung der heiligen Geräte und mit Musik - Evangelische Kirche, 1913 eingeweiht, mit erstem Haus der Landeselektri - begleitung zur neuen, bis auf den letzten Platz gefüllten zität Kirche. Die Weiherede hielt der Generalsuperintendent im Beisein des Konsistorialpräsidenten von Dömming. Kurt Hünerbein den Namen „Jesus-Christus-Kirche“. Zum ersten Male ertönte dann das Geläut der drei neuen In den Anlagen der neuen evangelischen Kirche wurde in Apolda gegossenen Glocken, deren größte ein Ge - 1925 ein Ehrenmal für die im ersten Weltkrieg gefallenen schenk des an diesem Tage mit dem Königlichen Kronen - 106 Söhne des Ortes errichtet. Verschiedene bereits orden 4. Klasse ausgezeichneten Amts- und 1919 gegebene Anregungen durch den Ortsverein und Gemeindevorstehers Carl Erler war. Die beiden großen andere Vereinigungen, auch ein sehr großzügiges Pro - Glocken mussten jedoch trotz aller Hinweise auf ihren jekt des Ortsausschusses für Jugendpflege, waren durch musikalischen Kunstwert am 30. Juli 1917 für Kriegs - finanzielle Nöte nicht durchführbar. Erst 1923 sicherte zwecke zerschlagen werden, denn der Krieg verschlang die Gemeindevertretung den interessierten Vereinen fi - viel Kupfer. Sieben Jahre lang ertönte die kleine Glocke nanzielle Unterstützung zu. Der Falkenberger Bildhauer - allein vom Turm. Doch auch die 1924 für 6785 Mark be - meister Hugo Köhler fertigte den Denkmalsentwurf an, schafften Ersatzglocken fielen dem 2. Weltkrieg zum den Professor Gottloeber aus Dresden modellierte. Die Opfer. Erst am 5. August 1956 konnte die Weihe der evangelische Kirchengemeinde stimmte der Errichtung neuen aus Erfurt stammenden Glocken durch Pfarrer auf dem Kirchengelände zu und beschloss, den Platz

52 würdig mit Anlagen zu versehen. Auf drei Stufen erhebt sich das Postament, gekrönt vom gestorbenen Krieger, dem Kinde und dem Löwen. In der Rückseite sind 5 Bron - zetafeln mit den Namen der Gefallenen eingelassen. Am 22. November 1925, Totensonntag, fand die würdige Weihefeier statt. Im Zuge der Vergrößerung des Bahnhofs Falkenberg kamen auch katholische Gläubige in unseren Ort. Für sie Ehrenmal für die 106 gefallenen Söhne Falkenbergs in den Anlagen der evangelischen Kirche wurde im Jahre 1895 zweimal Gottesdienst gehalten, dann erst wieder 1905 im kleinen Gastzimmer des Ho - tels „Preußischer Hof“ die heilige Messe gefeiert, zu - nächst vierteljährlich, ab 1906 zwei- bis dreimal im Monat, betreut vom katholischen Pfarrer aus Lieben - werda. Am 3. August 1908 konnte auf dem Grundstück

Ehrenmal für die Opfer des 1. Weltkrieges an der evangelischen Kirche – Einweihungsfeier am Totensonntag des Jahres 1925 des Bierverlegers Werner in der Karlstraße eine Kapelle eingeweiht werden. So konnten die Gläubigen nun täg - Innenansicht der evangelischen Kirche. Die Orgel mit 2 Manualen und 21 lich ihre Andacht verrichten. Im Herbst 1926 erhielt Fal - Registern wurde 1913 von Orgelbaumeister Arno Voigt sen. aus Bad Lie - kenberg eine Pfarrvikarie und damit den ersten benwerda gebaut.

53 katholischen Seelsorger. 1939 herabgeholt und eingeschmolzen und erst 1965 Als die katholische Gemeinde auf etwa 250 Gläubige an - wieder erneuert. Das Gotteshaus, eine Stiftung des Boni - wuchs, die zum Teil auch aus den umliegenden Orten fatius-Vereins, wurde am 21. November 1934 durch den kamen, erwies sich die Kapelle als zu klein. So erfolgte in Weihbischof Augustinus Baumann der Erzdiözese Pader - den Hufen der Bau einer neuen Kirche mit einem 17 born als „Allerseelen – Gedächtnis – Kirche“ eingeweiht. Meter hohen, ein Geläut enthaltenden Turm und einem Ein Gotteshaus für die neuapostolische Kirchenge - angegliederten Pfarrhaus. Auch deren Glocken wurden meinde entstand 1950/51 in der Theodor-Körner-Straße.

Ehemalige katholische Kapelle in der Karlstraße (1908 – 1934) Neue katholische Kirche in den Hufen, 1934 eingeweiht

54 Entwicklung des kommunalen und wirtschaftli - Nach dem Erwerb der Rittergutsländereien bot die Ge - chen Lebens meinde großzügig Land zu Bebauungszwecken an und war besonders bestrebt, durch günstige Angebote die Seit der Separation im Jahre 1834 verwaltete der Orts - Ansiedlung von Industrieunternehmungen zu erreichen. richter zugleich als Gemeindevorsteher mit zwei Schöf - Dazu ließ man vielversprechende Prospekte und An - fen die dörflichen Angelegenheiten. Hatte bereits der sichtskarten anfertigen. Darin wurde auf das nun für die Bauer Traugott Schunack in dieser Funktion (1873 – Industrie zur Verfügung stehende Gemeindeland ebenso 1890) mit den Entwicklungsproblemen des Ortes zu tun, aufmerksam gemacht wie auf viele Vorteile eines aufblü - so wuchsen die kommunalen Aufgaben unter seinen henden Ortes: großer Eisenbahnknotenpunkt mit sechs Nachfolgern beträchtlich an. Unterstützt von einer nach Schnellzuglinien, Güterbahnhöfe mit Gleisanschlüssen, dem Drei-Klassen-Wahlrecht gewählten Gemeindevertre - schöne neuzeitliche Lokale, große neue Kirche, Schul - tung lenkte von 1891 – 1908 letztmalig ein Bauer, Her - züge nach der Nachbarstadt Torgau (daselbst höhere mann Schumann, die Geschicke der Gemeinde. Zu seiner Schulen, Lehrerinnenseminar, große Garnison), gute Zeit wurde die Aufhebung des Gutsbezirkes im Jahre Steuerverhältnisse, Moorbäder in nächster Nähe usw. 1895 erreicht, die dem Ort wesentliche steuerliche Er - Trotz der günstigen Angebote blieb der erwartete leichterungen brachte. Er wurde zugleich Standesbeam - schnelle Zulauf aus. ter und Waisenrat. Mit dem Baumeister Carl Erler Jedoch fasste Ende 1913 die Firma Kupsch und Seidel übernahm 1909 erstmalig ein Vertreter des Bürgertums GmbH, Berlin, den Entschluss, ihr drittes Imprägnierwerk die Aufgaben des Amts- und Gemeindevorstehers. In in Falkenberg zu errichten. Sie erwarb dazu ein 6 Hektar seine Amtszeit fällt der schon erwähnte Ankauf des Rit - großes Gelände an der Niederlausitzer Eisenbahn und si - tergutes, aber auch der Weihnachtsabend 1912, an dem cherte sich auch das Vorkaufsrecht für anschließende erstmals elektrisches Licht die Räume in der Bahnhof - Ländereien, wodurch sich das Werksgelände später auf straße erhellte. Er förderte den Kirchenneubau, setzte die 17 Hektar erweiterte. Bei einem Hektarpreis von 2000 unter Hermann Schumann begonnenen Straßenbefesti - Mark kam die Gemeinde zu recht guten Einnahmen. Die gungen fort, ließ Straßen und Plätze mit Baumanpflan - Imprägnierungsanlage bestand aus einer von der Firma zungen versehen und machte sich auch um den Erler erbauten großen Halle mit 6 großen Bottichen aus Schulneubau in der Friedrichstraße verdient. Als er 1913 Mauerwerk mit Zementputz zur Aufnahme der zu imprä - sein Amt niederlegte, wurde er in Anerkennung seiner gnierenden Hölzer und der Imprägnierlösung. Die nach großen Verdienste zum Ehrenbürger Falkenbergs er - einem Tränkverfahren bearbeiteten Hölzer (Quecksilber - nannt. Bis zu diesem Zeitpunkt musste das Amt des Ge - sublimat, 8-10 Tage eingelagert) kamen aus verschiede - meinde- und nun auch des Amtsvorstehers ehrenamtlich nen Gebieten Deutschlands, aber auch aus mehreren versehen werden. Nach ihm wurde Emil Rudolph als er - europäischen Staaten. Der Betrieb entwickelte sich sehr ster besoldeter Bürgermeister am 21. Dezember 1914 in gut, baute 1923 drei weitere Tränkbottiche und ersetzte sein Amt eingeführt. schließlich 1927 das Tränkverfahren durch eine moderne

55 Teerölimprägnierungsanlage nach dem Kesseldruckver - Mit der einsetzenden Bautätigkeit zum Ende des 19. Jahr - fahren System Rüping. hunderts ließen sich auch zahlreiche Handwerker in Fal - kenberg nieder, meist im Raum zwischen Dorf und Bahnhof, um schnell erreichbar zu sein. Um 1900 gab es in Falkenberg drei Windmühlen: Nöltes Mühle (später Liepe) neben dem neuen Friedhof, Kühns Mühle im Süden des Ortes, und eine Bockwindmühle bei Ramusch - kat (Liebenwerdaer Straße 4). Letztere brannte 1930 ab, dafür wurde später eine Schrotmühle aufgebaut (Krüger). Gustav Nöltes Bockwindmühle wurde 1922 zur Paltrock - mühle umgebaut und auf einen neuen Standplatz ge - schoben. Mitte der 30er Jahre wurde sie als Windmühle stillgelegt und eine Motormühle eingebaut. Mehrere Schmiedemeister, Stellmacher bzw. Wagner, Schuhmacher, Klempner und Tischler sowie Vertreter an - derer Gewerke fanden reichlich Arbeit vor. Im Jahre 1886 eröffnete z. B. Gustav Krause in der Wilhelmstraße ein Geschäft für Pelzwaren und Hüte. 1899 erwarb er dann

Kühns Mühle im Süden des Ortes, im Juni 1949 abgebrannt

Die Reichsbahn, die Post, die im Aufbau befindlichen Überlandzentralen der Elektrizitätswerke und die Kohlen - gruben hatten einen riesigen Bedarf an imprägnierten Hölzern. Am 24. Juli 1938 richtete ein Großbrand be - trächtliche Schäden an. Trotz seit Wochen herrschender Hitze und Dürre gelang es den Feuerwehren des Ortes und der Umgebung, Wehrmacht und Arbeitsdienst, den Brand auf das Fabrikgelände einzuschränken. Durch einen sehr zügigen Wiederaufbau konnte der Betrieb im November 1938, mit neuen Maschinen erweitert, wieder aufgenommen und im Januar 1939 mit voller Produktion Tischlermeister Ernst Petzold, Bau- und Möbeltischlerei, mit 21 Mitarbei - fortgesetzt werden. tern im Jahre 1913 (Wilhelmstraße 18)

56 das Baugelände der späteren Firma Hendel im Stadtzen - Um 1930 waren in Falkenberg tätig: 2 Baugeschäfte, 3 trum, Schulstraße 2. Stellvertretend für viele Handwerker Dachdeckermeister, 2 Ofensetzermeister, 3 Klempner-, 5 sei der Tischlermeister Ernst Petzold genannt, der 1893 Tischler-, 5 Maler-. 2 Bauschlosser-, 1 Glaser-, 2 Tapezier- sein Geschäftshaus mit einer großen Tischlerei erbaute. und Sattler-, 4 Installateurmeister. Des Weiteren werden Mit 21 Mitarbeitern hatte er 1913 die größte Tischlerei 11 Bäcker-, 10 Fleischer-, 3 Müller-, 1 Mühlenbau- und 4 im damaligen Kreis Liebenwerda, ausgezeichnet mit der Gartenbau-, 8 Schneider-, 2 Kürschner-, 5 Friseur- und 6 „Goldmedaille des Tischlerhandwerks“. Schuhmachermeister erwähnt. Ferner übten 3 Uhrma - cher-, 1 Stellmacher-, 2 Schmiede-, 4 Autoschlosser-, 1 In den bei der Restaurierung der evangelischen Kirche Korbmachermeister, 1 Bandagist, 1 Bierbrauer, 1 Brun - aufgefundenen Exemplaren des „Liebenwerdaer Kreis - nenbauer, 2 Fotografen, 1 Steinsetzmeister und 1 Ze - blattes“ empfehlen sich u. a. Walter Sickert als Uhrma - mentplattenhersteller ihre Tätigkeit aus. Dabei handelte cher und Optiker mit Gold- und Silberwaren, Eduard es sich überwiegend um sehr kleine Betriebe, die sich Sachse mit Torten und sonstiger Feinbäckerei, die Buch - gegenseitig wegen Auftragserteilungen den Rang ablie - druckerei Max Wittig zur Anfertigung von Drucksachen fen und in ihrem Streben nach Kleinstprofiten oft harte aller Art, Apotheker Labedzki mit Steckenpferd-Teer - Konkurrenten waren. Wurden Lehrlinge beschäftigt, so schwefel-Salbe gegen alle Hautunreinheiten, das Mode - hatten diese meist äußerst schwere Arbeitsbedingungen, haus Meta Koppe in der Bahnhofstraße mit einer einen sehr langen Arbeitstag und mussten häufig Arbei - Frühjahrsausstellung in Damen- und Kinderhüten, Fri - ten verrichten, die nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hat - seurmeister Kieselack „Für ausgekämmtes Haar zahlen ten. die höchsten Preise“ und neben vielen anderen wün - schen Bäckermeister Hermann Döring (Wilhelmstraße), Auch der Handel nahm in Falkenberg eine ähnlich stürmi - Fleischermeister Arthur Obst, Klempnermeister Alfred sche Entwicklung. Es fanden sich bald viele geschäfts - Müller (Friedrich-List-Straße) und Korbmachermeister tüchtige Händler, die anfangs ihre Waren aus Körben Otto Winter (an der Friedenseiche) ihren Kunden alles anboten oder mit einer Glocke die Einwohner zu ihrem Gute zum neuen Jahr. Im Jahre 1924 finden sich Annon - Fuhrwerk riefen, sich dann aber oft ansässig machten. cen des Sattlers und Tapezierers Oswald Marschner Im Jahre 1899 wurde eine Konsumverbrauchergenossen - (Friedrich-List-Straße), der Markthalle Paul Thieme schaft gegründet. Als sich die erste Verkaufsstelle in dem (Schulstraße), vom Berliner Cafe, des Textilgeschäftes Baugenossenschaftseckhaus Bismarckstraße-Schul - Otto Drasdo (Friedrichstraße), des Schneidermeisters Al - straße (frühere Bibliothek) als zu klein erwies, siedelte bert Krenkel (Wilhelmstraße), des Uhrmachers Wilhelm sie in das eigens dafür erbaute Haus in der Mitte der Bis - Hellwig, des Fahrrad- und Auto-Hauses Martin Voigt marckstraße (heute Friedrich-Engels-Straße 13, früher (Friedrichstraße), des Schuhgeschäftes Bruno Zwanzig Konsum-Lehrlingsausbildungsstätte) über. Weitere Filia - und vieler anderer Handwerker und Geschäftsleute, un - len entstanden in der Uebigauer Straße, am Marktplatz, möglich, sie alle hier aufzuführen. in der Mühlberger Straße sowie in Uebigau und Schmer -

57 kendorf. Im Jahre 1930 waren 1.100 Käufer als Mitglieder Namen Irmgard und Helmut Heinze die Drogerie und eingetragen. führten sie über Jahrzehnte, auch als Foto-Spezialge - Um 1900 wurde Falkenberg nun selbst zum Einkaufsort schäft. Außerdem bestand seit 1933 in der Schulstraße nicht nur für die hier tätigen Eisenbahner, sondern auch 4 die Drogerie Glang, die ebenfalls Fotoarbeiten aus - für die Bewohner der umliegenden Orte. Die meist ver - führte. hältnismäßig geringen Einkommen hatten freilich auch Was zum Handwerk gesagt wurde, muss auch hier be - zur Folge, dass man bei der vor dem 1. Weltkrieg übli - stärkt werden. chen vierteljährlichen Gehaltszahlung Waren anschrei - So manche Geschäfte führten untereinander einen har - ben lassen musste. Andererseits schlossen sich mehrere ten Konkurrenzkampf, häufig übten Familienangehörige Geschäftsleute zusammen, um mehr Kunden für sich zu Nebenberufe, z. B. als Kellner, aus. Der Handel florierte gewinnen. Sie gewährten 3 % Rabatt und verteilten dann zwar, doch war er durch Kriegs-, Inflations- und Arbeits - vor Weihnachten die willkommenen Sparprämien an ihre losenzeiten auch starken Schwankungen und Ärgernis - Kunden. Nach dem Stand von 1930 waren an Geschäf - sen unterworfen. Übrigens fuhren auch viele ten vorhanden: Eisenbahner mit Freifahrtscheinen z. B. nach Leipzig, um 11 Kolonialwaren- und Lebensmittelgeschäfte, 4 Milch - dort ihre Einkäufe zu tätigen. So manches Geschäft handlungen, 3 Obst- und Gemüsegeschäfte, 1 Fisch - konnte dem Wettbewerb nicht standhalten, andere fan - handlung, 3 Schokoladengeschäfte, 4 Textil- und 2 den in der Familie keine Nachfolge, viele sind durch Um - Pelzgeschäfte, 4 Haushalts- und 4 Eisenwarenhandlun - gen, 2 Seifengeschäfte, 3 Buchhandlungen, 2 Täschner-, 4 Beleuchtungskörper-, 3 Radio-. 3 Fahrrad- und 5 Zigar - rengeschäfte, 2 Kohlenhandlungen, 2 Möbelgeschäfte, 1 Ledergeschäft, 1 Waschanstalt, 1 Heißmangel, 2 Spe - diteurgeschäfte und 7 Tankstellen, die zum Beispiel den Schmiedemeistern Koch und Baude, dem Kaiserhof, dem Fahrradgeschäft Oehler, dem „Hotel Kronprinz“, der Au - toreparatur Marschner und anderen Nebeneinnahmen brachten und jeweils verschiedene Monopolunterneh - men, wie Aral, Esso, Standard-Oil usw., vertraten. Hinzu kamen 4 Taxi- und Fuhrgeschäfte, 1 Holzspalterei, 2 Fell - handlungen, 2 Buchführungsunternehmen, 1 Güterma - kelei. Besonders erwähnt sei die 1895 entstandene Drogerie in der Friedrichstraße 29. Seit 1901 wurde sie als „Adler-Drogerie“ von Erich Stoltzenburg geführt, ab Gaststätte „Zum goldenen Anker“ um 1910 – von 1979 bis 1989 „Kultur - 1911 von Otto John. 1934 übernahmen unter gleichem haus der Eisenbahner“

58 Schuppan“ die Tanzfreudigen bei vielen Bällen. In den nächsten Jahren entstanden das „Berliner Cafe“ sowie Hotel und Gaststätte „Goldene Krone“ (Inhaber Legel, später Grusche und Wirth), das „Gesellschaftshaus“ mit großem Saal (später zeitweise Kino-Cafe), Bürger- bzw. Konzertgarten und Kegelbahn. Die Eisenbahnvereine be - vorzugten diesen Saal für ihre Vergnügen. Als „Konzert- Etablissiment“ bot es eine gepflegte Gastlichkeit. Oft wurde zu Konzerten und Theaterabenden eingeladen. Und wenn aus Torgau die Militärkapelle vom 72er Regi -

Salon- und Jazzorchester Falkenberg (Leitung Fritz Braun) bauten oder durch Kriegsfolgen nicht mehr erkennbar. Wie bereits angedeutet, vollzog sich ein ebensolcher Wandel im Gaststättenwesen. Die Bedeutung der alten Dorfschenke an der Kreuzung zweier Straßen ging zurück, als die Berlin-Dresdener Straße 1815 – 1827 über Herzberg und Liebenwerda gebaut wurde (heutige B 101). In der Nähe der Bahn entstand das „Hotel Kronprinz“. Hier übernachteten die Handelsreisenden, hier trafen Blick in die Bahnhofstraße mit dem Hotel „Kaiserhof“ sich Pferdehändler (der Besitzer Schügner hielt und ver - kaufte selbst Pferde), hier kehrten viele Eisenbahner ein. ment kam, blieb kein Stuhl mehr frei. Vor dem Bau des ersten Bahnhofsgebäudes wurden in An der Ecke Bahnhofstraße – Bismarckstraße lud der dieser Gaststätte die Fahrkarten für die Berlin-Dresdener „Kaiserhof“ mit modernen Gaststuben, kleinem Saal, Strecke verkauft. Am 1. April 1876 kam der „Preußische Vorgarten und Bierkeller ein, die Hotelzimmer genügten Hof“ (Steffens Gaststätte – Bahnhofstraße 17) mit Saal auch höheren Ansprüchen. Seit etwa 1920 spielte hier und angebauter Stehbierhalle hinzu. Die bürgerlichen das Salon- und Jazzorchester Falkenberg unter der Lei - Vereine feierten hier ihre Feste und Vergnügen. Von 1931 tung des Geigenlehrers Fritz Braun zum Kaffee und zum bis 1937 begeisterte die Kapelle „Gebrüder Zier und Tanz. Neben den Begründern Braun, Wüsten, Bogan

59 (BWB auf der großen Trommel) wirkten die Herren Kirst, der aufgebaut) genannt. Außerdem tranken die Eisenbah - Koppe und Großmann mit. Der „Kaiserhof“ wurde 1945 ner des Halle – Sorau – Gubener Güterbahnhofes ihr Bier - völlig zerstört, heute befinden sich hier Parkplätze. chen gern bei Krügers, einer Kantine auf „HSG“. Auch sie Der „Goldene Anker“ erhielt um 1925 einen größeren Saalneubau. Neben Tanzveranstaltungen wurde er gern für Theateraufführungen, größere Bälle, Vorführungen der Turner und deren Vergnügen sowie Festveranstaltun - gen genutzt. Die schon erwähnten „Crostitzer Bierhallen“ in der Fried - richstraße wurden insbesondere Treffpunkt der Sportler, die Fußballer hatten dort ihr Vereinslokal. Im Hof erhielten durchziehende Handwerksgesellen in der Herberge „Zur Heimat“ billige Unterkunft. Außerdem gab es in der Friedrichstraße das Cafe „Germa - nia“ (später Elektrowaren). „Crostitzer Bierhallen“ in der Friedrichstraße – Vereinslokal und Herberge Als der heutige Marktplatz als Marktflecken genutzt wurde, „Zur Heimat“, 1833 von Friedrich gebaut erfolgte 1912 der Bau der Gaststätte „Zur guten Quelle“, die sich großer Beliebtheit erfreute, besonders natürlich wurde leider durch Bomben zerstört. an Markttagen und zu den Schützenfesten. Mit der Bebau - Mit der Vergrößerung unseres Ortes wuchsen natürlich ung der Hufen, der Mühlberger Straße und der Goethe - die kommunalen Aufgaben an. Da mussten die wichtig - straße erwies sich eine weitere Gaststätte als notwendig. sten Straßen gepflastert werden (Uebigauer Straße, Wil - Der Kölsaer Bauer und Gastwirt Raubold erbaute 1925/26 helmstraße, Friedrichstraße, Karlstraße), Gehwege an der Ecke Hufen/Lönnewitzer Weg den „Gasthof zur Ge - befestigt und mit Bäumen bepflanzt werden. Der alte mütlichkeit“. Im Dezember 1928 übernahmen Karl und Friedhof neben der Kirche im Dorf reichte nicht mehr aus, Helene Hanso die Gastwirtschaft mit Fleischerei unter dem deshalb wurde 1892 in der Torgauer Straße ein neuer Ge - Namen „Goldene Kugel“, die vor allem bei den Bewohnern meindefriedhof angelegt, der dann 1923 auch eine Fried - des südlichen Ortsteils großen Zuspruch fand und für Fa - hofshalle erhielt. milien- und Vereinsfeiern gern genutzt wurde. Im Jahre 1904 wurde Falkenberg selbstständiger Markt - Ab Oktober 1949 pachteten Erich und Margarete Weih - flecken. Dazu wurden gestrenge Marktordnungen erlas - nacht Fleischerei und Gaststätte. sen. In der vom Jahre 1909 steht im § 1: „Es werden Schließlich seien das schon erwähnte „Cafe Hohenzol - jährlich 3 große Märkte als Roß-, Vieh-, Schweine- und lern“ in der Uebigauer Straße, das Schützenhaus mit Saal Krammarkt und 9 Schweinemärkte abgehalten.“ Im § 5 und Gartenrestaurant und die attraktive Gaststätte mit Ter - lesen wir dann: „Der Schweinemarkt wird vor dem Denk - rassenbedienung am Volksbad (heute als Anglerheim wie - mal abgehalten. Nördlich von diesem sollen Karussell,

60 Vergnügungs- und Verkaufsbuden Aufstellung finden. Es Ausschreier, die besonders preiswerte Waren anboten wird in 2 Reihen aufgebaut. Würstchenbuden, die Tische und dabei tüchtig feilschten, Würfel- und Schießbuden, der „Ausschreier pp.“ sollen auf der Ostseite der Linden - oft auch Karussells, sorgten für ein turbulentes Marktle - straße vor der alten Schule und Däumig aufgestellt wer - ben, das dann im „Goldenen Anker“ mit dem Jahrmarkts- den. Hinter den Verkaufsständen schließt sich der Roß- tanz endete. und Viehmarkt an.“ Die Wochenmarktordnung vom 14. April 1910 besagt im Marktkommission und Marktpolizei hatten für die Einhal - § 3: „Wochenmärkte werden bis auf weiteres an jedem tung der Marktordnung, die noch viele Details umfasste, Mittwoch und Sonnabend auf einem von der Gemeinde - zu sorgen. verwaltung bestimmten Teil des Marktplatzes vor dem So herrschte zu den Markttagen in der Lindenstraße ein Gemeindeamt abgehalten.“ Und weiter im § 5: „Auf dem reges Treiben. Pferde und Rinder wurden etwa von Köp - Wochenmarkt ist das Verkaufen im Umherziehen zwi - pes Gasse an in Koppeln zum Verkauf angeboten. Vor - schen den Marktreihen untersagt. Jedes laute markt - mittags verkaufte man Schweine, auch Ferkel, denn viele schreierische Anpreisen sowie das öffentliche Eisenbahner fütterten Schweine. Für die Verkaufsbuden, Versteigern der Waren auf den Wochenmärkten ist verbo - die zu den reinen Krammärkten schon von Schumanns ten.“ Aus späteren Marktordnungen, u. a. von 1931 und Ecke (1985 abgerissen, jetzt Parkplatz Ecke Linden- 1937, ist zu entnehmen, dass auch die Jahrmärkte (min - /Friedrich-List-Straße) an aufgebaut wurden, sorgte destens 4 einschließlich dem „Christmarkt“) und die Tischlermeister Geyer. Zahlreiche Händler, aber auch Viehmärkte (mindestens 12) auf dem Marktplatz abge -

Gaststätte „Goldene Kugel“ Ecke Hufen – Mühlberger Straße (im Mai 1997 abgebrannt) Jahrmarktstreiben auf dem Marktplatz

61 halten wurden. In den Wintermonaten fand dann nur noch wöchentlich ein Wochenmarkt statt. Als sich in der Landwirtschaft zunehmend die Haltung von Herdbuchvieh durchsetzte, schlossen sich die Inter - essenten der Kreise Liebenwerda, Schweinitz, Torgau, Wittenberg und Delitzsch zusammen und führten in Fal - kenberg in der dafür umgerüsteten ehemaligen Feld - scheune des Ritterguts an der Mühlberger Straße (Baracken der Berufsschule) Viehauktionen durch, erst - mals im Jahre 1923. Die Zuchttiere wurden auf dem An - halter Güterbahnhof (Viehrampe) ausgeladen. Jeden Dienstag und Freitag war Viehverladung (Rinder und Schweine). In Spitzenzeiten wurden an einem Tag bis zu 20 Waggons Vieh für die Schlachthöfe Dresden und

Altes Kriegerdenkmal und ehemalige Dorfkirche in der Lindenstraße

für Rinder, viermal für Pferde und später auch zweimal für Feldscheune des Rittergutes, 1923 umgebaut zur Viehauktionshalle, am Schafe, Ziegen und Schweine durchgeführt. Während des 24. Januar 1948 abgebrannt Krieges fielen diese Auktionen aus. Als die Feldscheune am 24. Januar 1948 abbrannte, er - Chemnitz verladen. An Auktionstagen wurden die Zucht - richtete man im gleichen Jahr unter Nutzung demontierter tiere zur Freude der Kinder bis zur Feldscheune getrie - Teile eine Auktionshalle in der Südstraße (frühere Aufkauf- ben, dort von Tierärzten und Sachverständigen und Sammelstelle für Sekundärrohstoffe – SERO). begutachtet und den Käufern vorgeführt, die oft von weit - Während in vielen Orten unseres Landes die alten Krieger - her kamen. Achtmal jährlich wurde eine solche Auktion denkmäler erhalten geblieben sind, hat man das Denkmal

62 im Dorf leider nach 1945 abgetragen und nur den Sockel Jungfrauen. Nachdem der imposante Zug geordnet war, stehen lassen. Es stand in der Dorfmitte zwischen zwei Tei - setzte sich das Ganze um 2.00 Uhr in Bewegung nach dem chen und wurde im Jahre 2000 neu gebaut. Denkmalsplatze, d. h. vom Neumannschen Lokale (Gold. Schon am 1. August 1895 wies eine Anzeige im „Lieben - Anker!) aus bis zur Mitte des Dorfes, der Kirche gegenüber, werdaer Kreisblatt“ auf die feierliche Enthüllung des Krie - und nahm hier Aufstellung. gerdenkmals mit dem ausdrücklichen Vermerk hin: „Das Gleichzeitig traten mit ein: Feilhalten auf dem Festplatz ist fremden Geschäftsleuten, die bis jetzt nicht im Besitz einer Genehmigung sind, ver - 1 Herr Rittmeister a.D.v. Schaper, boten.“ Obwohl der nachfolgende Bericht der gleichen Zei - 2. Herr Bankier und Hauptmann Delbrück, tung an sich den Rahmen dieser zum Teil recht knapp 3. Herr Hauptmann und Rechtsanwalt Löbner, gehaltenen Chronik sprengt, vermittelt er uns doch ein 4. Herr Premierlieutenant und Regierungs-Baumeister sehr anschauliches Bild der gesellschaftlichen Verhält - Poppe und nisse. 5. ein Lieutenant vom Train;

Falkenberg, 5. August 1895 sämtliche Herren in ihren entsprechenden Uniformen. Begünstigt vom schönsten Wetter fand gestern die Enthül - Neben dem vorläufig noch verhüllten Denkmale befand lung und Einweihung des vom hiesigen Kriegerverein, den sich die Rednertribüne, welche zuerst von dem Vorsteher in den Feldzügen 1866 und 1870/71 aus unserem Orte des hiesigen Kriegervereins, Herrn Sachse, betreten gefallenen Kameraden zu Ehren errichteten Denkmals wurde, um die auswärtigen Vereine markig und herzlich statt. Das ganze Dorf hatte sich in ein über alles Lob erha - zu begrüßen. Ihm folgte Herr Rittmeister v. Schaper mit benes Festgewand geworfen: überall Ehrenpforten in den einer zündenden patriotischen Ansprache, die in ein Hoch ausgesuchtesten Formen, Guirlandengewinde, Fahnen auf Se. Majestät den Kaiser ausklang, in welches das ge - und Embleme aller Art, so dass ein Gang durch die ver - samte Publikum kräftig einstimmte. Jetzt betrat Herr Pa - schiedenen Straßen außerordentlich interessant und loh - stor Rustenbach im Ornat die Tribüne, um die Weiherede nend ist. Von 10.00 Uhr an begann der Einzug der zu halten; vorher wurde mit Musikbegleitung, welche verschiedenen Krieger- und Landwehrvereine, theils in an - missverständlich von zwei Musikchören zu gleicher Zeit, sehnlicher Kopfzahl, theils in Deputationen, zu Fuß, zu leider in verschiedenen Tonarten, exekutirt wurde, gesun - Wagen, oder per Eisenbahn, im Ganzen etwa 400 Mann in gen: „Ein´ feste Burg ist unser Gott.“ Der Redner wies an 26 Vereinen. Hierzu die bedeutende Zahl der Turner und Hand der Geschichte nach, wie wir im österreichischen Feuerwehrleute nebst heimischen und auswärtigen Fest - und französischen Kriege gezwungen wurden, zum teilnehmern – es mögen immerhin 900 bis 1000 Men - Schwerte zu greifen, um unser gutes Recht zu wahren und schen auf den Beinen gewesen sein; selbstverständlich unserer Feinde uns zu wehren. Auch der hiesige Ort marschierte an der Téte die Gemeindevertretung nebst musste blutige Opfer bringen, denn vier seiner Söhne fan - den Lehrern und dahinter ca. 40 in weiß erscheinende den den Tod auf dem Schlachtfelde. Ihnen vor allen gilt

63 dieses Denkmal, das der Weihe harrt. Wir waren in beiden angemessenen Worten Kranz und Schleife – den Gefalle - Kriegen siegreich und sprechen dahe r von unserem Hel - nen zu Ehren – am Denkmal niederzulegen. Dasselbe ge - denkaiser: „Gott war – mit uns – Ihm sei – die Ehre“, wel - schah auch von einigen Vorstehern anwesender che Worte in verstehender Weise abgetheilt in Goldschrift Kriegervereine in ergreifenden Worten. Nachdem Herr um den Sockel des Denkmals herumstehen. Was der Herr Sachse das Denkmal der Gemeinde übergeben und ihrem Festredner weiter ausführte, gipfelte, soweit es vor Un - Schutze empfohlen hatte, übernahm der Gemeindevorste - ruhe aller Art und Kindergeschrei verständlich war, in den her Herr Schumann dasselbe und versprach in herzlichen bekannten Schillerschen Worten: „Ans Vaterland, ans Worten, dem ausgesprochenen Wunsche nach Kräften ge - theure schließ dich an“ und 2. „Nichtswürdig ist die Na - recht zu werden, wozu er sich die Unterstützung aller pa - tion, die nicht ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre“. Nach triotisch gesinnten Einwohner des Dorfes erbat. Hierauf beendeter Rede und Weihe wurde gesungen: „Nun dan - Schluss des offiziellen Theils der Festfeier, sodann großer ket Gott“. Sodann betrat Herr Rechtsanwalt Löbner die Tri - Umzug durch alle Straßen und zuletzt gemüthliches Bei - büne, um in kurzen Worten zur Enthüllung des Denkmals sammensein auf dem am Südende des Dorfes befindli - aufzufordern; leider ging dieselbe nicht ganz glatt vonstat - chen Festplatze. – Hinzuzufügen ist noch, dass Herr ten, weil sich die Schnur etwas verzogen hatte. Nunmehr Rittmeister v. Schaper das zur Ausschmückung der Stra - betraten die Frln. Apitz und Eulitz die Tribüne, um unter ßen nötige Eichenlaub in entgegenkommendster Weise unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat.

Von besonderer Bedeutung war die Gründung der freiwilligen Feuerwehr am 3. Februar 1892 durch den Land - wirt und Gemeindevorsteher Hermann Schumann, den Schmiede- meister H. Sprenger (er wurde der erste Leiter der neuen Wehr), die Schuhmachermeister W. Eulitz und O. Petroll, den Schmiedemeister H. Koch, den Bäckermeister E. Sachse, den Stellmachermeister L. Kube, den Zimmermann J. Lehmann und den Landwirt A. Däumig. Ihre Satzung wurde am 10. November 1892 polizei - Ansichtskarte - Falkenberg um 1922 lich genehmigt.

64 In Anbetracht der Größe des Ortes war dies zur gesell - berger Wehr das neue Gerätehaus am Sportplatz mit mas - schaftlichen Notwendigkeit geworden. Die gemeinsame sivem Steigerturm übergeben. Der Abriss des alten Stei - „Kommunspritze“ der Gemeinden Marxdorf, Schmerken - gerturms in Köppes Gasse wurde laut Beschluss des dorf und Falkenberg, die in Schmerkendorf untergebracht Gemeinderates vom 19.12.1935 dem Nachtwächter Karl war, die Rittergutsspritze und die nach der Feuersbrunst Lau für 20 RM überlassen. Moderne Kraftzug- und Motor - 1835 zur Pflicht gemachten Handspritzen und Handlösch - spritzen erhöhten in den folgenden Jahren die Einsatz - geräte reichten für die gewachsenen Bedürfnisse nicht kraft der Wehr. Während des zweiten Weltkrieges wurde mehr aus. Die nun angeschaffte Spritze brachte man in im Zusammenhang mit dem Luftwarnsystem eine Alarm - einem Anbau des Rittergutspferdestalles unter. Die Übun - einrichtung mit 6 Sirenen in Betrieb genommen. gen fanden auf dem Anger in der Lindenstraße statt, Stei - gerübungen zum Teil an der Schule in der Wilhelmstraße, Die dargelegte Entwicklung des Ortes brachte es mit sich, bis man 1906 an der Ecke zu Köppes Gasse einen hölzer - dass Falkenberg als Bürgermeister einen fest besoldeten nen Steigerturm errichtete. Durch Theateraufführungen be - Beamten benötigte, der erste, 1914 eingesetzte, wurde schaffte man sich das Geld für manche Ausrüstung. bereits erwähnt. Am 1. Februar 1925 übernahm der vor - Verheerend war ein Brand im Jahre 1906, als durch Blitz - herige Gemeindeobersekretär Heinrich Hartmann die schlag der große Schafstall des Rittergutes mit Hunderten Amtsgeschäfte, bis er 1934 durch die nationalsozialisti - von Schafen abbrannte. Viele Tiere, aber auch herrliche Ka - sche Behörde abgelöst wurde. Er erwarb sich bedeutende stanien vor dem Rittergut, fielen den Flammen zum Opfer. Verdienste um die weitere Entwicklung unseres Heimat - Das Löschwasser wurde einem auf dem Gutshof stehen - ortes, wie aus den nachfolgenden Darlegungen zu erse - den Ziehbrunnen entnommen. Alle Hausbesitzer wurden hen ist. Trotz oft schwieriger finanzieller Situationen verpflichtet, mit einem großen Löscheimer zu helfen. sorgte er für eine fortlaufende Verbesserung der Straßen Die Gemeinde übernahm im November 1909 das gesamte und Bürgersteige, für ihre Beleuchtung und für die Förde - Inventar und dessen Unterhaltung. Im Jahre 1914 be - rung der Bautätigkeit. Der Bau des Alters- und Feier - schaffte die Gemeindeverwaltung eine mechanische Leiter abendheimes in der Torgauer Straße (heute mit einer ausziehbaren Gesamtlänge von 13 Metern. Unter Behindertenwohnstätte) im Jahre 1929 stellte für die da - der straffen Leitung des seit 1913 tätigen Kommandeurs malige Zeit für einen Ort von der Größe Falkenbergs eine Max Kieselack festigte sich das Ansehen der Falkenberger vorbildliche Leistung dar. Schon unter seinem Vorgänger Wehr, die bereits 1914 über 50 Mitglieder zählte, eine kam Herrn Hartmann das größte Verdienst zu, eine um - enge Zusammenarbeit mit der Sanitätskolonne des Roten sichtige Verwaltungsarbeit geleistet zu haben. Trotz ge - Kreuzes bahnte sich an. stiegener Ausgaben und trotz starker politischer Beim Bau der Wasserleitung 1928/29 wurden 120 Ober - Gegensätze, die nach dem 1. Weltkrieg auch die Arbeit flurhydranten eingebaut, ihre Anzahl erhöhte sich später innerhalb der Gemeindeverwaltung behinderten, blieb auf 160. Im Rahmen eines Treffens von 2000 Feuerwehr - die Gemeinde finanzkräftig, war sie bei wertvollem Haus- leuten des Kreises Liebenwerda wurde 1934 der Falken - und Grundbesitz und klug verwalteten Einnahmen schul -

65 denfrei, wobei die steuerlichen Belastungen der Einwoh - ner vertretbar gering blieben. Ihm zur Seite stand eine tat - kräftige Gemeindevertretung, von denen die Herren Wunderlich, Petzold, Wolf, Lerch, Ziegler und Koppe be - sonders zu nennen sind. Erwähnenswert erscheint hier auch der Umbau des Gemeindeamtes am Marktplatz. Nach einem Projekt des Falkenberger Architekten Rudolf Winkler erfolgten 1930/31 die Aufstockung sowie der Ein - bau einer Warmwasserheizung mit Errichtung eines neuen Schornsteins für 28000 RM. Im Jahre 1930 übersiedelte der Baumeister Herbert Voigt von Herzberg nach Falkenberg und gründete hier im Grundstück Hufen 39 eine Firma für Straßen- und Tiefbau (einschließlich Kanalisationsarbeiten). Sie war maßgeb - lich am Ausbau vieler Falkenberger Straßen beteiligt und galt mit zeitweise 170 Beschäftigten (1938) als ein wich - tiger Arbeitgeber. Während des 2. Weltkrieges wurde die Firma von der Organisation Todt für militärischen Straßen - bau nach Russland verpflichtet.

Falkenberg erhält Wasserleitung und Kanalisation Wasserturm am Südrand der Stadt, 1928 erbaut

In der Gemeindevertretersitzung vom 3. Mai 1928 erfolgte Anleihe (483.540 RM) sicherstellte. der von 6 Mitgliedern der SPD, 3 Mitgliedern der Demo - In dem an der Straße nach Herzberg hinter dem Ortsaus - kratischen Partei und einem Vertreter der KPD unterstützte gang gelegenen Wasserwerk wurde Wasser aus vier etwa Beschluss über den Bau einer Wasserversorgungsanlage, 30 Meter tiefen Brunnen gepumpt, belüftet, gefiltert und die im Jahre 1929 von den Franke-Werken in Bremen er - direkt in das Rohrnetz gedrückt. Das nicht benötigte Was - richtet und im gleichen Jahr in Betrieb genommen werden ser fing ein 130 Kubikmeter fassendes Becken in dem an konnte. Durch eine Polizeiverordnung (Amtsvorsteher der Liebenwerdaer Straße errichteten Wasserturm auf. Otto Dietrich) und ein Orts-Statut wurde der Zwangsan - Dieser mächtige, achteckige Klinkerbau zählt zu den weit - schluss aller Häuser verfügt und ein Tarif aufgestellt, des - hin sichtbaren Gebäuden des Ortes. Er wurde 1928 nach sen Anwendung die Deckung der Jahreskosten für die den Plänen des Bresslauer Ingenieurs Rosenquist erbaut.

66 Der tägliche Verbrauch betrug in den ersten Jahren 1.200 ausgeführten Kanalisation am 9. Mai 1930. Das Kanal - Kubikmeter, im Sommer bis zu 2.000 Kubikmeter. Das netz hatte eine Länge von 12 km und erfasste zunächst Trinkwasser unterlag einer regelmäßigen Qualitätskon - nur den inneren Ort und die Hufen, ab 1937 die Mühl - trolle und galt mit unter 10 Grad deutscher Härte als wei - berger Straße und die sogenannte „Fliegersiedlung“ ches Wasser. Nachteilig machte sich der hohe (heutige Clara-Zetkin-Straße), die im Zusammenhang mit Eisengehalt für Hausfrauen, Klempner und Wasserwerks - dem Bau des Flugplatzes Lönnewitz 1936 entstand. In verwaltung bemerkbar. einem unter der Schulstraße (heute Heinrich-Zille-Straße) Dann folgte am 9. Januar 1929 der Beschluss über den verlaufenden Sammelkanal werden die Abwässer aus Bau der Schmutzwasserkanalisation, dafür wurde eine den einzelnen Straßen zur Pumpstation geführt, die noch Anleihe von 400.000 RM aufgenommen. Die realen Ko - heute links an der Auffahrt zur Uebigauer Brücke liegt. In einem Becken setzen sich die größten Schmutz - teile ab. Dann wurde das Schmutzwasser in einer 2,6 km langen Leitung zum Emscher Brunnen an den 4 Abwässerteichen gedrückt. Über die sogenannten Kaskaden wurden die Ab - wässer belüftet und Schmutzteile zersprengt. Da - nach liefen sie in Rohrleitungen zu den Klärteichen, um schließlich dem Neugraben zuge - führt zu werden. Die von der Gemeinde eingelei - tete Bewirtschaftung der Klärteiche als Fischteiche brachte nicht den erhofften Erfolg. Die Falkenberger mochten die Fische aus den Klärtei - chen nicht, so überstiegen die Ausgaben bei wei - tem die Einnahmen. Auch die Übertragung der Fischaufzucht an eine Altes Klärwerk (Emscher Brunnen)1928 erbaut, 1995 abgetragen; an den bäuerliche Interessengemeinschaft oder an pri - ehemaligen Fischteichen (heute „Falkenhorst“ der Pfadfinder) vate Pächter brachte einen Misserfolg, die Anlagen wur - den vernachlässigt und mussten schließlich nach 1940 sten betrugen dann 471.634 RM. Ein Orts-Statut über die auf Weisung der Gesundheitsbehörden von der Ge - Entwässerungsanlage für die Ableitung der Schmutzwas - meinde wieder völlig in eigene Regie übernommen und ser vom 20. März 1930 regelt die Anschlusspflicht und eine jährliche Räumung und Säuberung gewährleistet technische Details, und nach der Bestätigung der Gebüh - werden. renordnung durch den Landrat Röhrig erfolgte die Inbe - Der erwähnte Neugraben (auch „Anna-Kanal“) wurde triebnahme der ebenfalls von der Firma Franke-Werke 1576/77 als kanalartiger Kunstgraben angelegt, um das

67 Schloss „Annaburg“ (vorher Lochow, Lochau), das der Der Neugraben ist etwa 50 km lang und gilt als wasser - Kurfürst August von Sachsen für seine Gemahlin hatte baugeschichtliches Denkmal mit einem exakt berechne - bauen lassen, und seine 43 Fischteiche mit Wasser zu ten Gefälle von 10 bis 12 cm auf die Länge eines versorgen sowie zur Entwässerung unserer sumpfigen Kilometers. Dieses geringe Gefälle führte bei Hochwas - Gegend beizutragen. Er wurde am Wehr bei Neumühl aus ser oft zu Rückstau und zu Überschwemmungen. Bemer - der Schwarzen Elster abgezweigt und ihr bei Jessen wie - kenswert ist, dass die Naturgräben Scheidelache und der zugeleitet. Im Mai 1573 sollte mit dem Bau begon - Lapine den Neugraben wegen ihres niedrigen Wasser - nen werden, aber erst im Juni 1576 kam es zum ersten spiegels in der Nähe von Kiebitz bzw. bei den Fischtei - Spatenstich bei Jessen. Anfangs unter der Aufsicht des chen unterqueren. Bis ins 19. Jahrhundert hinein diente kurfürstlichen Rates Wolf von Kanitz, ab 1577 unter dem er auch der Holzflößerei (deshalb zum Teil „Floßgraben“ neuen Beauftragten, dem kurfürstlichen Stallmeister Bal - genannt). Lange Zeit war an der Straße nach Herzberg im thasar Worms aus Olbernhau, waren anfangs 200, später Neugraben die einzige Badegelegenheit für die Jugend bis zu 2300 Männer tätig. Der Entwurf stammte vom Falkenbergs. Während die Schulkinder Gebüsch und Oberbergwerksverwalter Martin Planner aus Sträucher zur Entkleidung benutzten, waren für die älte - Freiberg/Sa., der auch den Tiefbrunnen der Augustus - ren Jugendlichen, insbesondere für die Weiblein, 5 Um - burg bei Chemnitz erbaute. Unter den Arbeitenden be - kleidezellen aus Holz errichtet worden. Naturfreunde fanden sich zum Frondienst gezwungene Bauern und hatten sich auch Kähne beschafft, mit denen sie den Handwerker, aber auch Bergarbeiter, da man starke Neugraben von Uebigau bis zur Grabenmühle bei Beyern Lehm- und Raseneisensteinschichten zu durchbrechen befuhren. Das Wehr, das bei der Anlage der Schmutzwas - hatte. Ganz problemlos verlief der Bau auch aus anderen serableitung zwecks Versorgung der Teichanlagen mit Gründen nicht: Oft kamen die Meister mit dem ihnen zu - Frischwasser eingebaut worden war, musste auf Be - stehenden Geld für die Beköstigung der Leute nicht aus; schwerde der Neugrabenanlieger entfernt werden, der - häufig verließen Arbeitskräfte wegen der Hungerlöhne selbe Zweck wurde durch maschinelles Überpumpen fluchtartig die Arbeitsstelle; es gab heimliche Zusam - erreicht. menrottungen und Aufwiegeleien, „die Fuhrleute seien beim Anfahren jeglichen Materials sehr saumselig“. Gegen Entlaufene unterzeichnete der Kurfürst häufig Haftanweisungen: „Ihr wollet dieselben, andern zur Ab - scheu, am Bau vorbeiführen und nach ihrer Schicht an einen Baum schließen oder in die Hasenmütze (unterir - disches Gemach) stecken lassen, damit sie und andere nicht mehr entlaufen mögen“. Die Entflohenen kamen nicht weit, auf Wagen waren sie angeschmiedet und wur - den so zur Arbeitsstelle gebracht.

68 Die Entwicklung des Falkenberger Postamtes ziehung weiterer Zustellorte bewirkte, dass das Postamt nach der Fertigstellung des 1882 erbauten Bahnhofsge - Als die ersten Eisenbahnen Deutschland durchquerten, bäudes in dessen untere Räume verlegt wurde. Bereits wurde natürlich bald davon Gebrauch gemacht, mit ihr 1884 beschäftigte die Post drei Beamte und sieben Un - auch die Postsendungen zu befördern. Obwohl die Nach - terbeamte. In diesem Jahr führte man schon eine täglich barstadt Uebigau selbst nicht an der 1848 in Betrieb ge - zweimalige Landzustellung ein. Doch auch die Räume im nommenen Strecke Berlin – Jüterbog – Dresden lag, Bahnhofsgebäude erwiesen sich bald als zu klein, so erhielt sie am 1. Januar 1848 die erste Postexpedition dass die Postverwaltung ein Postgebäude auf reichs - des Kreises. Die mit den Postzügen von Berlin gegen bahneigenem Boden errichten ließ, das am 1. Oktober 10.00 Uhr vormittags und von Dresden gegen 6.00 Uhr 1887 bezogen wurde. Dadurch konnte die Arbeit wesent - nachmittags eintreffenden Postsendungen brachte man lich erleichtert werden. Zum damaligen Zeitpunkt führ - mit Cariolpostwagen von Falkenberg nach Uebigau (Ca - ten 60 Eisenbahnzüge Postwagen, in denen riolpostwagen - mit Langbaum - waren zwei- oder vier - Postschaffner während der Fahrt die Sendungen ordne - rädrige, mit einem Pferd bespannte, nur für ten und in Postsäcke verteilten, die dann auf größeren Postsendungen bestimmte Fuhrwerke). Die Postzustel - Bahnhöfen – wie auch Falkenberg – in Karren zu den an - lung für unseren Ort erfolgte zunächst einmal, später deren Zügen gebracht wurden. Das Postpersonal war zweimal wöchentlich durch einen Landbriefträger bei sei - 1912 auf 35 Personen angewachsen, hinzu kamen 39 nem Rundgang über Schmerkendorf, Alt- und Neulönne - Beschäftigte bei den sieben Postagenturen und 15 Post- witz, Kölsa und Rehfeld. und Telegrafenhilfsstellen. Täglich waren etwa 530 Brief- Mit der Inbetriebnahme der Teilstrecke Cottbus – Falken - und Geldbriefbeutel sowie mehr als 900 Pakete zu bear - berg hielt man die Einrichtung einer Falkenberger Postex - beiten, Das Postamt musste 1915 und 1934/35 durch pedition für angebracht. Diese wurde am 1. Dezember Anbauten erweitert werden. 1871 in der Gaststätte „Hotel Kronprinz“, damals noch Der Telegrafenbetrieb konnte bereits am 16. Februar Uebigauer Straße 45, unter der Leitung des Postassisten - 1878 mit einem Morseapparat aufgenommen werden. Im ten Förster eröffnet. Ortsbriefträger Schulze und Land - Jahre 1910 wurden mit den beiden zu diesem Zeitpunkt briefträger Ludwig verteilten die Post. Die Orte Kölsa, aufgestellten Telegrafenapparaten und den Fernsprech - Schmerkendorf, Lönnewitz, Marxdorf und Beiersdorf ge - leitungen 10.000 Telegramme bearbeitet. Das Ortsfern - hörten zum hiesigen Landzustellbereich, so dass der sprechnetz ist im Dezember 1900 mit 9 Teilnehmern dem Landbriefträger bis zu 20 km zu Fuß zurückzulegen hatte. Betrieb übergeben worden, 1910 waren es schon 50 an - Uebigau und Beutersitz waren selbstständige Postagen - geschlossene Teilnehmer mit 61.161 Orts- und 9.264 turen. Die hiesige Poststelle wurde am 1. Mai 1874 in ein Ferngesprächen. Der Fernsprechhandbetrieb konnte Postamt umgewandelt, sein erster Leiter war der Post - 1934 auf den Selbstwählbetrieb umgestellt werden. Zur meister Müller. gleichen Zeit wurden die Telegrafenleitungen aufgeho - Die schnelle Zunahme des Postverkehrs und die Einbe - ben. Neue Verkehrszweige, Rundfunk und Rundfunkent -

69 stördienst und der Postsparkassendienst wurden der Ortsbezeichnung Falkenberg/Elster Post unterstellt. Wer Geld empfing und Zahlungen zu lei - sten hatte, wurde angehalten, sich ein Postscheckkonto Im früheren Deutschen Reich gab es 36 Orte, die den einrichten zu lassen. Namen Falkenberg trugen und durch Beinamen, die sich Der Paketumladedienst erforderte 30 Bahnhofshandwa - aus ihren Lagebeziehungen ergaben, genauer bestimmt gen; zur schnelleren Bedienung der Züge konnte 1935 wurden. Unser Ort wies drei solcher Bezeichnungen auf: der erste Elektrokarren in Betrieb genommen werden. bahnamtlich „Falkenberg bei Torgau“; postalisch „Fal - Am 1. Oktober 1930 richtete man vier Landkraftpostli - kenberg, Bezirk Halle“; behördlich „Falkenberg, Kreis Lie - nien ein. So erhielten die auswärtigen Orte eine werktäg - benwerda“. Häufige Verzögerungen in der Postzustellung lich zweimalige und sonntäglich einmalige Zustellung. bestärkten den Wunsch nach einer einheitlichen Bezeich - Die Kraftfahrzeuge boten auch Reisenden neue, zusätz - nung. Aus mehreren Vorschlägen wählten der Bürgermei - liche Möglichkeiten, in die Landorte zu gelangen. Dem ster, Dr. Eifrig, und der Gemeinderat 1937 den heutigen Falkenberger Postamt standen vier Landkraftwagen und Ortsnamen „Falkenberg/Elster“ aus, der im Januar 1938 ein Aushilfskraftfahrzeug zur Verfügung, das außerdem vom Präsidenten der Provinz Sachsen bestätigt wurde. von den Stützpunkten Herzberg/Elster und Elsterwerda Wenn unser Ort auch nicht unmittelbar an der Schwarzen in Anspruch genommen werden konnte. Mit etwa 170 Be - Elster liegt, so erschließt er doch verkehrsmäßig und öko - schäftigten sicherte das Postamt Falkenberg im Jahre nomisch das Elstergebiet. 1945 die Postversorgung von rund 24.000 Personen.

„Hotel Kronprinz“ Friedrich-List-Straße

70 Landelektrizität GmbH Überlandwerk Lieben - Netzes von 15 kV-Leitungen, u. a. auch nach Falkenberg, werda zu Falkenberg Herzberg und Jessen. Die Dachstube erwies sich bald als zu klein, und man er - In der damaligen Provinz Sachsen-Anhalt entstanden um warb mehrere Arbeitsräume im Hause des Schlossermei - die Jahrhundertwende zuerst in den Städten Dessau und sters Kupke in der Bahnhofstraße 21 und Werkstatträume Halle Elektrizitätswerke zur Stromerzeugung und –vertei - im heutigen Grundstück Bruschke/Brandl in der Torgauer lung. Bald wuchs nicht nur in der Industrie, sondern auch Straße 22. Am Weihnachtsabend 1912 erhellte erstmals in der Landwirtschaft das Bedürfnis, mit Elektroenergie elektrisches Licht die Verwaltungsräume und einige Woh - zu arbeiten. So wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahr - nungen in der Bahnhofstraße. hunderts zahlreiche Überlandzentralen gegründet. Am In den folgenden Jahren setzte eine stürmische Entwick - 19. Dezember 1908 fand in Liebenwerda die Gründungs - lung ein. Nach dem Kreis Liebenwerda schlossen sich die versammlung der Elektrizitäts-Überlandzentrale Bad Lie - Kreise Schweinitz, Torgau und Wittenberg der Genossen - benwerda GmbH statt. Mit Unterstützung der elektro- schaft an. Die Überlandzentralen Prettin und Jessen und technischen Abteilung der Landwirtschaftlichen Genos - die Elektrizitätswerke Liebenwerda, Elsterwerda, Torgau senschaften Halle konnte bereits 1910 ein Strombezugs - und andere wurden käuflich erworben. Am 1. Juli 1918 vertrag mit den Lauchhammerwerken abgeschlossen erfolgte der Zusammenschluss der Überlandwerke zur werden. Landelektrizität GmbH Halle/Saale. Die Zahl der techni - Im Herbst 1911 erfolgte die Umverlegung des Büros nach schen und kaufmännischen Kräfte erhöhte sich, die Bü - Falkenberg. Auf Vorschlag der Genossenschaft übernahm roräume reichten nicht mehr aus. Der Bau eines eigenen der Ingenieur Wilhelm Ziegler als leitender Direktor die Verwaltungsgebäudes, eines Direktorwohnhauses, die Arbeit, die er schon als Beamter der elektrotechnischen Einrichtung von zwei Beamtenwohnhäusern, Werkstät - Abteilung in Halle begonnen hatte. In der Dachstube des ten und Garagen wurde im Jahre 1921 beschlossen. Die Gemeindeamtes am Marktplatz richtete er mit dem Lehr - Firma Heilmann und Littmann aus Berlin führte die Bau - ling Willy Kunze ein vorläufiges Büro ein, um die Projek - arbeiten auf dem schon während des ersten Weltkrieges tierungen für ein aufzubauendes Stromversorgungsnetz erworbenen Baugelände zwischen Torgauer Straße und auszuarbeiten und den Geschäftsverkehr abzuwickeln. Freiherr-vom-Stein-Straße durch, auf dem während des So konnten noch 1911 die ersten Aufträge an Firmen in Krieges bereits eine Baracke für das Zählerprüfamt ge - Berlin und Leipzig vergeben werden. Die Gemeinde - standen hatte. Vom Architekten Herman Frede aus Halle scheune diente als Baustofflager. Das Lauchhammer- stammte der Entwurf für das Betriebsgelände. Er entwarf werk verlegte eine 100 kV-Leitung zum Gröditzer auch die Pläne für den Bau des Umspannwerkes und er - Stahlwerk, von der eine 15 kV-Leitung nach Saathain ab - hielt dafür 1928 den 1. Preis in einem Wettbewerb der gezweigt wurde. So entstand als erste Anlage schon zum Provinz Sachsen. Trotz der schwierigen Inflationsverhält - 21.12.1912 das Ortsnetz Saathain-Stolzenhain. In den nisse erfolgten die Arbeiten termingemäß, und schon am folgenden Jahren erfolgte von dort aus der Aufbau eines 9. Oktober 1923 konnten die Gebäude bezogen werden.

71 Blick vom Kirchturm auf Überlandwerk, Denkmal an der Kirche und alte Schmiede

Die Erweiterung des Energieversorgungsnetzes erfor - derte den Bau von 100 kV-Umspannwerken in Mühlan - ger und Falkenberg, letzteres konnte am 31. Dezember 1928 in der Mühlberger Straße (außerhalb des Ortes) in Angestrahlte evangelische Kirche im Dezember 1928 Betrieb genommen und mit einem Bahnanschlussgleis versehen werden. Im Jahre 1927 waren dem Falkenber - In einem eigenen Verkaufsraum führte Fräulein Sander ger Überlandwerk 420 Ortschaften mit 31.500 Stromab - neue elektrische Apparate vor und warb mit dem Slogan: nehmern angeschlossen. Die im Betrieb eingerichtete „Mit Strom geht's leicht und angenehm und billig ist es Installationsabteilung hatte mit den Anschlüssen in den außerdem.“ Man gab Rheumakranken die Möglichkeit Häusern reichlich Arbeit. für Bestrahlungen, veranstaltete Ausstellungen und Vor - Dennoch lag dem Überlandwerk sehr daran, - für uns träge, verteilte kostenlos eine beratende Werbezeitung heute kaum vorstellbar – für einen noch höheren Strom - und führte Hausbesuche zur Werbung von Stromabneh - verbrauch, besonders bei privaten Stromabnehmern, zu mern durch. Über 400 Beschäftigte gehörten zum Be - werben. Die evangelische Kirche wurde zu Werbezwek - trieb, jedoch wurde ein großer Teil während der ken mit Scheinwerfern angestrahlt. Weltwirtschaftskrise unerbittlich entlassen, dagegen

72 steckten Direktor, Vorstand und Aufsichtsrat weiterhin be - Das Kalksandsteinwerk trächtliche Gewinne ein. Verhältnismäßig spät erreichten die im Freien arbeitenden Monteure und Kolonnen an sich Mit dem Ziel, eigene Gelder produktiv anzulegen und zu - selbstverständliche Verbesserungen hinsichtlich des gleich durch die Nutzung des einheimischen Rohstoffes Transportes zur Arbeitsstätte, des Transportes des Mate - Sand für Falkenberg weitere industrielle Arbeitsplätze zu rials und der Bereitstellung notwendiger Schutzkleidung. schaffen, gründete der Direktor des Überlandwerkes, Herr Wilhelm Ziegler, im Jahre 1922 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter dem Namen „Hartsteinwerk GmbH“. Das Werk wurde zunächst an der Niederlausitzer Eisenbahn, am südlichen Rande des Schweinert, für eine Jahresproduktion von drei bis vier Millionen Kalksand - steinen aufgebaut und hatte 30 bis 35 Beschäftigte. Das wurde in der Zeit der beginnenden Arbeitslosigkeit von der Einwohnerschaft als beachtliche Tat angesehen. Es wurde mit den notwendigen Anlagen für das Mahlen, für das Mischen mit Kalk, für das Formen und Härten sowie für die Lagerung der Steine ausgestattet. Den Sand ge - wann man zunächst manuell, bald durch Bagger aus einem etwa 20 Hektar großen Ödlandgebiet bei Kiebitz. Dadurch entstand der bis zu 12 m tiefe Kiebitzer Bagger - teich, das heutige, sich noch vergrößernde Erholungsge - biet Kiebitz. Durch eine elektrische Lorenbahn wurde der Sand zum Werk befördert. Der Betrieb nahm zunächst eine sehr gute Entwicklung, die Produktion konnte 1929 bis auf jährlich 15 Millionen Steine gesteigert werden. Jedoch sank der Verkauf in den Jahren der Weltwirtschaftskrise bis auf 2 Millionen, zumal sich andere Kalksandstein - werke, wie Elsterwerda-Biehla, Jessen und Trebbin, eben - falls vergrößert hatten und neue Werke bei Kirchhain und Eilenburg im Entstehen waren. Das hiesige Werk kam an den Rand des Konkurses. Herr Ziegler, der bis dahin be - ratende Aufgaben ausführte, löste seine dienstlichen Bindungen beim Überlandwerk und erwarb 1934 bei der

73 ter eingestellt. Herr Ziegler setzte die Gewinne zu einem großen Teil für die Erweiterung des Betriebes und die Erneuerungen sei - ner Anlagen und Maschinen ein, u. a. für zwei große Ver - ladekräne, für ein Doppelwohnhaus für Geschäftsführer und Meister sowie für eine ausgebaute Zufahrtstraße. Im Betrieb sorgte er für soziale Einrichtungen, z. B. eine Werkküche mit Kantine, für Arbeiteraufenthaltsräume mit Brausebädern und Umkleideräumen. Bei Hausbauten seiner Beschäftigten gewährte er beachtliche Vergünsti - gungen. Er wirkte außerdem als ein sehr aufgeschlosse - ner, progressiver Kommunalpolitiker. So gründete er einen „Verein für Volkswohlfahrt“, förderte und finan - zierte die Ausstattung des Volkswohlbades neben dem Kiebitzer Baggerteich – ursprünglicher Zustand mit Insel vor der Umgestal - Schützenhaus und sorgte für sehr volkstümliche Eintritts - tung zum Naherholungsgebiet. preise und Familienkarten. Dieses entwickelte sich zu einer sehr beliebten Badestätte mit Planschbecken für Zwangsversteigerung das Hartsteinwerk als alleiniger Be - Nichtschwimmer, durch einen Laufsteg vom tiefen Be - sitzer. Es gelang ihm, einen neuen Aufschwung zu errei - reich getrennt, mit einem 10-m-Sprungturm, einem chen, verlorengegangene Kundschaft neu zu gewinnen. „Start“ für Schwimmwettkämpfe, einem Sandstrand und Er ließ die Betriebsanlagen erweitern, um konkurrenzfä - hig zu bleiben. Eine Werkstatt wurde gebaut, neue Pres - sen und vier Schwerlastzüge angeschafft. Neben dem Versand mit Eisenbahnwaggons konnten die Steine da - durch auch bei Entfernungen über 100 km günstig abge - setzt werden. Außerdem verwirklichte er sein Vorhaben, einen Teil des Werkes für die Produktion von bitumenge - tränkten Kalksandsteinen, den Bitukasadsteinen, umzu - rüsten. Hierfür hatte er zunächst die Lizenz erworben, verbesserte aber das Fabrikat durch intensive Laborar - beit zu einem Asphaltplattenbelag. Es gab Jahre, in denen bis zu 20 Millionen Kalksandsteine und 5 Millio - nen Bitukasadsteine mit 120 Beschäftigten produziert wurden. Die Produktion der Bitukasadsteine wurde spä - Volkswohlbad (Wilhelm-Ziegler-Bad) – 1922 eingerichtet

74 einer Liegewiese, vielen Umkleidekabinen, einer Boots - ausleihe und der schon erwähnten netten Gaststätte. Aufgrund der hervorragenden Ausstattung wurden dem hiesigen Schwimmverein mehrmals Gauschwimmwett - kämpfe zur Ausrichtung übertragen. Bis ins hohe Alter sorgte sich der frühere Gemeindever - treter Wilhelm Ziegler um Probleme der Ortsgestaltung und wirkte noch in den 50er Jahren in Kommissionen der Gemeinde mit.

Einige weitere Einrichtungen der Gemeinde Falkenberg

Alte Molkerei mit Milchwagen in der Ludwig-Jahn-Straße, 1891 - 1938 ge - Die Molkereigenossenschaft Falkenberg wurde als eine nutzt (heute Brennstoffhandlung Nauk) der ältesten des Landes Sachsen-Anhalt am 6. Dezember 1889 von 17 Landwirten gegründet. Die Molkerei erlebte Waren für den persönlichen Bedarf Molken und Mager - ihre Inbetriebnahme im Jahre 1891 in der Ludwig-Jahn- milch für die Aufzucht des Jungviehs von der Molkerei zu - Straße (damals noch Liebenwerdaer Straße; heutige rück. Im November 1990 musste die Produktion Brennstoffhandlung Nauk). Standen die Bauern den Ent - eingestellt werden. rahmungsmaschinen anfangs skeptisch gegenüber, so Im Jahre 1919 erfolgte die Gründung der Kornhaus- stieg angesichts des Erfolges die Zahl der Mitglieder bis GmbH, um den Bauern die Fahrt zum bisherigen Absatz - 1936 auf 150 an. Zu dieser Zeit gehörten viele Gemein - ort, dem Kornhaus Torgau, zu ersparen und gleichzeitig den bis hin nach Rössen, Bahnsdorf, Theisa, Knissen, eine frachtgünstige Verladebasis zu schaffen. So erfolgte Rehfeld zum Einzugsbereich. Der Ablieferungszwang 1919 neben der Umladehalle der Reichsbahn der Bau wurde eingeführt und so wurde der Betrieb zu klein. Der eines Speichers, dem sich 1938 die Errichtung weiterer Vorstand beschloss den Bau einer neuen Molkerei in der Silos für 300 Tonnen Getreide anschloss. Da durch einen Lindenstraße, der in den Jahren 1937/38 erfolgte und Kartoffelanbauverein das Aufkommen an Saatkartoffeln statt bisher täglich 6.000 kg nun die Verarbeitung von in unserem Gebiet und in den Nachbarkreisen in großem 25.000 kg Milch erlaubte. Sie wurde mit modernsten Zen - Umfange gesteigert werden konnte, machte sich trifugen, Erhitzungs- und Kühlanlagen ausgestattet. An 1939/40 der Bau einer Kartoffelverladerampe in der Ver - die Bevölkerung gelangten Frischmilch, Butter, Schlag - längerung des Anschlussgleises erforderlich. sahne, Speisequark, Sauermilchquark und Schichtkäse Die Hauptkunden und oft Mitgesellschafter der Korn - zur Auslieferung. Die Milchlieferanten nahmen außer den haus-GmbH und des Kartoffelanbauvereins waren jedoch

75 träglichen Zinssätzen, bezog kostengünstig Fut - termittel, Saatgut, Kohle und landwirtschaftliche Bedarfsartikel, beschaffte eine gemeinschaftlich genutzte Saatreinigungsmaschine und half beim gemeinschaftlichen Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Ihr Kassenführer, meist ein im Ruhe - stand lebender Eisenbahnangestellter, suchte die Bauern sonntags auf und wickelte die Geschäfte im jeweiligen Gehöft ab, zugleich als Berater fun - gierend. Die hiesige Gemeindesparkasse nahm ihre Arbeit am 1. April 1920 in den Räumen der Gemeinde - kasse im Gemeindeamt am Markt auf. Sie war dem Mitteldeutschen Sparkassen- und Girover - band angeschlossen. Die Bevölkerung brachte der Kasse zunehmend Vertrauen entgegen, die Neue Molkerei in der Lindenstraße 1938 - 1990 (1998/99 abgetragen), Spareinlagen wuchsen an, Geschäftskredite und Darle - heute Tourismuszentrum „Haus des Gastes“ hen konnten in beträchtlichem Umfange ausgeliehen und Hypothekenausleihungen vorgenommen werden. die Gutsbesitzer und Großbauern, zum Teil bis in die Elb - Der Spargiroverkehr fand großen Zuspruch. Im Jahre aue hinein. Beide Einrichtungen konnten die Bedürfnisse 1935 erfolgte die Verlegung der Gemeindesparkasse in der im Ort ansässigen Klein- und Mittelbauern nicht be - das eigene Geschäftshaus in der Schulstraße 6 (Heinrich- friedigen, ihrer wirtschaftlichen Lage nicht entsprechen. Zille-Straße / Ecke Walther-Rathenau-Straße), vorher Diese bangten um eine gute Ernte, fürchteten Viehverlu - Kaufhaus Dietrich. ste und Feuersbrünste, hatten keine soziale Sicherheit, Hatte man in den 20er Jahren oft von der „Sparkasse als mussten die Geschwister auszahlen und für den Lebens - Sorgenkind der Gemeinde“ gesprochen, als die Schwie - unterhalt der Altbauern im „Auszugshaus“ aufkommen. rigkeiten der Inflation nur langsam überwunden werden Wollten sie die Wirtschaft übernehmen und führen, Saat - konnten und danach durch Fehlpositionen etliche Verlu - gut und Futtermittel kaufen, so benötigten sie günstige ste entstanden waren, so erreichte nun die Sparkasse Kreditbedingungen. unter den Leitern Bormann und Bock erstaunliche Fort - Ihren Wünschen entsprach die „Ländliche Spar- und Dar - schritte. Die Gesamteinlagen stiegen beispielsweise von lehenskasse“ (Raiffeisen-Genossenschaft), die bereits 1.450.000,00 Mark Ende 1935 auf 4.520.000,00 Mark 1897 gegründet wurde. Sie erfasste zeitweilig freie Geld - Ende 1940 an. Das ermöglichte ihr, der heimischen Wirt - mittel der bäuerlichen Betriebe, gewährte Kredite zu er - schaft in sehr förderlicher Weise zur Seite zu stehen. Der

76 Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ brachte den Spa - Die Entwicklung des Schulwesens rern 1945 bittere Enttäuschungen, war doch der Wert des Ersparten durch die Rüstungsausgaben für die wahnsin - Es wurde bereits berichtet, dass im Jahre 1852 neben der nige Kriegsführung verloren gegangen. alten Dorfkirche ein kleines Schulhaus gebaut wurde. Die Schülerzahl betrug damals 85, sie wuchs jedoch im Zusam - menhang mit dem Entstehen der Eisenbahnstrecken und der zunehmenden Besiedlung ständig an. Als 1889 die Schülerzahl auf 185 gestiegen war, wurde für 10.000 M eine zweite Schule an Stelle des Armenhauses gebaut und auch eine zweite Lehrerstelle mit Franz Hendel besetzt. Trotzdem waren die Klassen von Anfang an überfüllt. In dem Gebäude befand sich auch das Gemeindeamt. Im Jahre 1895 mussten bereits 254 Kinder beschult wer - den. Deshalb war ein erneuter Schulbau unumgänglich ge - worden. In der Wilhelmstraße (jetzt Walther-Rathenau- Straße) entstanden vier Klassenräume, also ein halbes Schulgebäude, mit einer großen Treppe und Wohnräumen Gemeindeamt (etwa um 1910) am Marktplatz, 1889 - 1895 als zweite für Hauspersonal und eine Lehrkraft. Der Bau war so einge - Schule umgebaut richtet, dass bei Bedarf vier weitere Klassenräume angebaut werden konnten. Leider gab es während der Bauarbeiten einen schweren Unfall, als sich beim Anlegen des Gewöl - bes im unteren Flur die Rüstung verschob und zwei Maurer herabstürzten. Der Maurer Budicke aus Herzberg fiel so un - glücklich auf eine Mauer, dass er trotz Hilfeleistung von Herrn Dr. Elbusch auf dem Transport ins Krankenhaus Herz - berg („mit dem Wagen des Herrn Erler, auf Stroh gebettet“) verstarb. Er hinterließ die Witwe mit 8 noch unversorgten Kindern. Weitere Lehrer kamen hinzu, die Schule wurde sechsstufig, 460 Schüler waren zu unterrichten. Es erfolgte der Anbau der Osthälfte mit den restlichen vier Klassenräumen im Jahre 1900. Hauptlehrer Hendel bat 1906, ihn von der Lei - tung der Schule zu entbinden. So kam es zur Bewilligung Gemeindeamt (1931 aufgestockt) einer Rektorstelle, die mit Rektor Kirsch aus Torgau besetzt

77 wurde. Aber schon 1908 übernahm der Rektor Franz Böttger aus Falkenberg die Leitung der Schule, die er bis 1921 inne - hatte. Gleichzeitig wurde die 10. Lehrerstelle besetzt und die Einrichtung einer 11. Stelle beschlossen. Für die auf über 700 Kinder angewachsene Schülerzahl erwies sich bald auch die Schule in der Wilhelmstraße als zu klein. Zudem war die erste Schule in der Lindenstraße als Woh - nung für den Kantor ausgebaut worden, und das Gemeinde - amt benötigte den bisherigen Schulraum für sich. So kam es 1908 zu Verhandlungen über einen zweiten größeren Schulbau, für den die Ecke Friedrichstraße/Ludwig-Jahn- Straße (lange Zeit 1. bzw. 2. Oberschule, jetzt städtischer Schule in der Friedrichstraße – Westhälfte, Hort) ausgewählt wurde. Auch hier konnte zunächst nur die etwa 1910, später Knabenschule Westhälfte gebaut und im Jahre 1909 eingeweiht werden. Von hier aus erfolgte die Leitung beider Schulen. Mit Ein - schulen. In Falkenberg blieb es beim gemeinsamen Besuch führung der Geschlechtertrennung war sie vorwiegend als der Volksschule als Gemeinschaftsschule mit getrenntem Knabenschule, die Schule in der Wilhelmstraße als Mäd - Religionsunterricht. Der Besuch der vierjährigen Grund - chenschule genutzt. Das hatte zur Folge, dass zunehmend schule wurde für alle als verbindlich erklärt, der weitere auch Lehrerinnen eingestellt wurden. Insgesamt unterrich - Schulbesuch erfolgte wie beschrieben entsprechend der teten im Jahre 1918 an beiden Schulen 12 Lehrkräfte 716 Einkommens-, Klassen- und Standesunterschiede. Kinder. Im Jahre 1922 übernahm Lehrer Wilhelm Wunderlich die Den bürgerlichen gesellschaftlichen Verhältnissen entspre - Amtsgeschäfte des Rektors. Auch in Falkenberg fanden Re - chend, besuchten die Kinder der Beamten, Handwerker und formbestrebungen für eine „neuzeitliche deutsche Volks - Kaufleute von der 5. oder 7. Klasse an auswärtige Schulen, schule“ in den Jahren vor 1930 Gehör, jedoch blieb es z. B. das Gymnasium, das Lyzeum oder die Mittelschule in letztlich jedem Lehrer selbst überlassen, welche Arbeits - Torgau, andere die Privatschule oder die Oberrealschule in weise er in seinem Unterricht anwandte. Nach wie vor spiel - Elsterwerda. Die achtstufige „Volksschule“ war für die we - ten in vielen Klassenzimmern der Rohrstock und körperliche niger Begüterten und für die Kinder der Armen gedacht, um Züchtigungen eine unrühmliche Rolle. in Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, Naturkunde und Die hohe Schülerzahl bewirkte, dass der Ostflügel der deutsche Geschichte unterrichtet zu werden. Die Weimarer Schule in der Friedrichstraße (Knabenschule) 1927/28 mit Republik brachte zwar die Aufhebung der bisher durch vier weiteren Klassenräumen angebaut wurde. Im Jahre kirchliche Würdenträger ausgeübten Kreis- und Oberschul - 1925 entstand der erste Sportplatz gegenüber von dieser inspektion. Formal sollten Kirche und Staat getrennt wer - Schule, und 1929 erfolgte die Einweihung der so dringend den, jedoch gab es vielerorts ausgesprochene Bekenntnis- benötigten Turnhalle. Sie war vom Baurat Sucholski aus Tor -

78 gau projektiert und von der Firma Carl Erler für 45000 RM Reich, vom blinden Gehorsam gegenüber dem „Führer“ und errichtet worden. der „Bewegung“ hielt Einzug in den Unterricht. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Rek - Diese ideologische Beeinflussung förderten in erheblichem tor Wunderlich 1933 zum Lehrer zurückgestuft, das geschah Maße die nationalsozialistischen Kinder- und Jugendorga - wegen seiner früheren Tätigkeit in der Demokratischen nisationen, deren Rolle in allen staatlichen Bildungseinrich - Volkspartei. Aus dem gleichen Grund wurde der Lehrer Otto tungen systematisch verstärkt wurde. Zu den wesentlichsten Inhalten zählten der Hass gegen das Welt - judentum und gegen die Sowjetunion sowie die Verherrli - chung der Helden des 1. Weltkrieges im Zusammenhang mit dem Ziel, sich auf das Soldatsein vorzubereiten, das „Unrecht“ des Versailler Vertrages von 1919 zu beseitigen und alle Deutschen „Heim ins Reich“ zu holen. „Hart wie Krupp-Stahl, flink wie Windhunde und zäh wie Leder“ galt als erstrebenswerte Persönlichkeitseigenschaft.

Ende der 30er Jahre erhärtete sich der Wunsch vieler Ein - wohner, in Falkenberg eine Mittelschule einzurichten, um den nach einer mittleren Schulbildung strebenden jungen Menschen den Weg nach außerhalb zu ersparen. Nach Sportplatz und Turnhalle (1929 erbaut) einer Gemeindevertretersitzung vom 11. Januar 1939, der zahlenmäßige Erhebungen über voraussichtliche Bewer - Loeber in den Ruhestand unter Kürzung der Pension ver - bungen vorausgegangen waren, verfügte Bürgermeister setzt, das Gleiche widerfuhr dem Vorsitzenden der Orts - Brandt, die Mittelschule zum 1. April zu eröffnen. Die Zu - gruppe der Sozialdemokratischen Partei, dem Lehrer stimmung des Ministers wurde erwirkt. Der in Bockwitz tä - August Wilhelm Küver. tige Mittelschullehrer Willi Klawisch erhielt die Beide nahmen eine Tätigkeit als Buchhalter bzw. Steuer - ausgeschriebene Lehrerstelle, die u. a. an die Erteilung des berater auf. Als Rektor wurde Herr Kurt Buckwar aus Unterrichts in Englisch gebunden war. So konnte der Unter - Ortrand eingesetzt. Zu seiner Zeit wurde 1934 das soge - richt am 12. April 1939 in einem Klassenzimmer im Erdge - nannte „Rektorhaus“ in den verlängerten Hufen 49 gebaut. schoss der Mädchenschule beginnen, denn der Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten en - ursprünglich vorgesehene Raum im Dachgeschoss („Sper - dete der Traum einer neuzeitlichen Volksschule, alle Re - lingslust“) konnte die 42 Schüler nicht fassen. formbestrebungen der Weimarer Republik fanden ein jähes Die Mittelschule wurde schrittweise ausgebaut, auch aus Ende. Das Gedankengut vom Herrschaftsanspruch der ger - den umliegenden Orten kamen die Schüler. Im April 1945 manischen Rasse, vom zu erkämpfenden Großdeutschen umfasste sie sieben Klassen mit 296 Schülern, die in 4 Räu -

79 und E. Petzold für eine berufliche Zukunft vieler junger Menschen. Das „Überlandwerk“ stellte 1912 den ersten kaufmänni - schen Lehrling ein und bildete ihn aus. Ab 1912 erfolgte eine berufsschulmäßige Ausbildung von Lehrlingen, meist des Handwerks. In zwei Klassen einer „Fortbildungsschule“ wurden „Kaufmännisches Rechnen“ und Grundlagen des „Technischen Zeichnens“, unabhängig vom Beruf gelehrt. Der Unterricht wurde einmal wöchentlich nachmittags in den Räumen der Volksschule von Volksschullehrern, z. B. den Lehrern Loeber und Pötsch, durchgeführt. Die Jugendlichen aus den bäuerlichen Wirtschaften blieben in der Regel zu Hause. Einer der Jungen übernahm die Wirtschaft oder hei - „Knabenschule“ in der Friedrichstraße, 1927/1928 vervollständigt ratete in einen Betrieb. Die anderen nahmen eine Tätigkeit z. B. im Imprägnierwerk, dem Überland- oder Kalksandstein - men der Mädchenschule und 2 Behelfsräumen der Turn - werk sowie bei der Bahn auf. Die Ausbildung für Berufe der halle und in dem Gemeinderaum der evangelischen Kirche Reichsbahn erfolgte oft in der Kleinindustrie und im Hand - von 8 Lehrkräften unterrichtet wurden. Gegen Entrichtung werk Torgaus, meist als Schlosser oder Kesselschmied. eines Schulgeldes wurden den Kindern, vorwiegend von Be - Viele Mädchen erlernten damals nach der Schulentlassung amten und Geschäftsleuten, umfangreichere Bildungsin - keinen Beruf, sondern blieben als Arbeitskraft daheim oder halte als in der Volksschule geboten, insbesondere im gingen in „Stellung“. In zwei Hauswirtschaftsklassen konn - Fremdsprachenunterricht, in der Mathematik und in den Na - ten sich Mädchen die Grundlagen des Kochens, Backens, turwissenschaften. So wurde ihnen der Weg in gehobenere der Handarbeiten sowie der Säuglings- und häuslichen Laufbahnen der Eisenbahn, Post und Verwaltung wie auch Krankenpflege aneignen. Dafür standen zwei für die dama - der Industrie und kaufmännischer Berufe geebnet. Nach lige Zeit sehr gut eingerichtete Räume, anfangs im Keller der 1945 erfolgten im Zusammenhang mit der Schaffung einer Jungenschule, später im ehemaligen Rittergut, zur Verfü - Einheitsschule keine Aufnahmen mehr, die Schüler der aus - gung. Wegen „zu bürgerlich“ wurde dieser Bildungsweg laufenden 10. Mittelschulklasse beendeten im Juli 1948 1952 in der DDR abgeschafft. ihre Schulzeit. In den 30er Jahren stieg der Umfang der berufstheoretischen 1906 begann eine berufsmäßige Ausbildung für Lehrlinge, Ausbildung. Zur Absicherung der ständig wachsenden Auf - vor allem des Handwerks, so in der Gutsschmiede Paul gaben wurde schon 1930 ein Berufsschulzweckverband zwi - Baude, in der Dorfschmiede Hermann Koch und im Bauge - schen den Kreisen Schweinitz und Liebenwerda unter der schäft Carl Erler. In den Folgejahren sorgten die Handwerks - Leitung von Direktor Arras gebildet. Am 1. April 1938 be - betriebe von A. Müller, G. Kupke, O. Wunderlich, O. Ahrens ginnt die Berufsschulpflicht für sämtliche männliche und

80 weibliche Jugendliche. 1938 wurde im „Überlandwerk“ der nicht so einig war, wurde 1906 ein zweiter Gesangverein Werkunterricht in Fachklassen mit berufsspezifischer Fach - „Harmonie“ unter Leitung von Hermann Morgenroth ge - kunde, Fachrechnen und Fachzeichnen eingeführt. Der Be - gründet. fehl Nr. 40 der SMAD vom 28.08.1945 forderte die Beide Chöre wurden 1933 zum Zusammenschluss gezwun - Verantwortlichen auf, das gesamte Schulsystem nach den gen. Immerhin verdankte man den Chören viele Konzerte, Kriegsschrecken schnell wieder in Gang zu bringen. So Stiftungsfeste und die Gestaltung von Feierlichkeiten. Meh - wurde 1945 die Falkenberger Außenstelle der Kreisberufs - rere große Sängerfeste mit Festumzügen und Gästen aus schule wieder eröffnet. der ganzen Umgebung erfreuten Jung und Alt. Die Chöre sangen zu Theateraufführungen anderer Vereine, traten aber auch an kirchlichen Feiertagen auf. Noch vor zwei Jahr - Vom kulturellen Geschehen und Vereinsleben zehnten gehörte ein Chorsingen zu Totensonntag auf dem im alten Falkenberg Friedhof zur Tradition. Ganz andere Traditionen pflegte der schon 1870 gegrün - Mit der um die Jahrhundertwende gewachsenen Einwoh - dete Kriegerverein, dem sich 1895 ein zweiter derartiger nerzahl erhöhte sich natürlich das Bedürfnis nach Gesel - Verein „Hohenzollern“ zugesellte. In ihnen wurde – ebenso ligkeit, nach kulturellem Erlebnis, nach sportlicher wie in verschiedenen Beamtenvereinen – besonders Betätigung ebenso wie das Bestreben, gemeinsamen In - deutschnationales Gedankengut gepflegt, Siege vergange - teressen nachzugehen und dazu Vereinigungen zu grün - ner Kriege, wie zum Beispiel die Schlacht von Sedan im den. So fanden sich schon 1896 die Sangesfreudigen im deutsch-französischen Krieg, alljährlich gefeiert. Feiertage Männerchor „Einigkeit“ zusammen. Da man sich aber eben der kaiserlichen Familie und Erinnerungen an die preu - ßisch-deutsche Geschichte sollten die „Vaterlandsliebe“ glorifizieren. In einem Bericht im Liebenwerdaer Kreisblatt vom 5. September 1895 heißt es: „In mehreren zündenden Reden, welche recht treffend die Bedeutung der ruhmrei - chen Zeit und besonders die Tage von Sedan verherrlich - ten, wurde die Begeisterung der Festteilnehmer bei den am Schluss auf seine Majestät ausgebrachten Hochs … zum Ausdruck gebracht.“ Und über die Feier des Vereins „Ho - henzollern“ liest man: „Die ausgebrachten Toaste wurden von den Anwesenden mit großer Begeisterung aufgenom - men, unter jedesmaligem Absingen eines patriotischen Lie - des.“ Hier wird der Geist gekennzeichnet, der wie in den Schulstuben so auch unter den Erwachsenen die Kriegsbe - Fahne des Gesangvereins „Einigkeit“ - Fahnenweihe 1925 reitschaft der Menschen erhalten und schüren sollte.

81 schlösschen“ an der Torgauer Straße in Uebigau und in den Walbergen, bis am 9. August 1908 ein Schießstand am Schützenhaus eingeweiht wurde. Dieser erfuhr 1928 eine Erweiterung durch neue Schießstände und eine Schießhalle. Die Schützenfahne weihte man 1913 und bil - dete 1925 eine Jugendgruppe, die „Kompanie Freischütz“ betreut vom Schuhmachermeister Max Eichhorn. Im Jahre 1929 konnten unsere Schützen viele Gäste zum Bundes - schießen des Elbe-Elster-Gaues empfangen. Die Schützen - feste entwickelten sich immer mehr zu dem Höhepunkt jedes Jahres, sie lockten mit ihren vielen Belustigungen und einem großen Markttreiben viele Besucher an. Wur - den sie anfangs am Schützenhaus abgehalten, so verla - Schützenfest - erster Schützenausmarsch 1908 gerten sie sich zusehends auf Sportplatz und Marktplatz. Im Februar 1891 gründeten junge Menschen einen Män - Es ist eine alte Tatsache, dass Schießbuden zu den Attrak - tionen aller Jahrmärkte und Volksfeste zählen, da viele Menschen, jüngere wie ältere, für ihr Leben gern schießen. Der damalige Gemeindejagdpächter, Büchsenfabrikant und Hoflieferant Bock aus Berlin, und der Rittergutsbesit - zer von Schaper nahmen dies zum Anlass, die Gründung eines Schützenvereins anzuregen. Das geschah dann am 1. August 1903 im „Goldenen Anker“. Zehn Jahre lang hatte der Gemeindevorsteher Hermann Schumann den Vorsitz, dann folgte ihm für 25 Jahre der Baumeister Otto Ahrens. Finanziell wurde er in erster Linie von Geschäfts - leuten und Handwerkern unterstützt. Aus ihrer Mitte stammte dann auch der alljährlich erkorene Schützenkö - nig, der mit Blasmusik zu seinem Haus oder zu den Fest - plätzen begleitet wurde, natürlich eingerahmt von Gauturnfest 1931 - großer Festumzug (an früherer Sparkasse) Hunderten von Schaulustigen. Im Jahre 1908 erfolgte der erste große Schützenausmarsch zu dem im gleichen Jahre nerturnverein und übten in den Sälen des Ortes. Hinzu gebauten Schützenhaus. Geschossen wurde zuerst auf kamen 1906 der Turnverein „Frischer Mut“ und 1909 der dem Bockschen Schießstand gegenüber vom „Wald - Verein „Turnvater Jahn“. Während letzterer sich wieder auf -

82 löste, gelang es dem vielen älteren Bürgern noch bekann - den Volksschülern und jungen Arbeitern. Der 1916 ge - ten Oberturnwart Otto Schumann, alle Turner im Jahre gründete Fußballklub „Preußen“ konnte jedoch nur kurze 1922 in der „Turngemeinschaft Falkenberg“ zu vereinigen. Zeit bestehen, da solche bekannten Spieler wie die Gebrü - Es kann einerseits nicht übersehen werden, dass der der Stolle, Böttger, Schonert und Schippel zum Kriegs - Grundsatz „Deutsch zu handeln und deutsch zu denken“ dienst einberufen wurden. Der genannte Fußballer Paul – ob bewusst oder unbewusst – den späteren Übergang Schippel gründete dann am 26. Januar 1919 den Fußball - zur nationalsozialistischen Sportbewegung, dem „Reichs - verein „Vorwärts“ in der Gaststätte „Zur guten Quelle“. Er bund für Leibesübungen“, sehr erleichterte. Andererseits selbst als Vorsitzender und die Vorstandsmitglieder Walter vermochte es die Falkenberger Turngemeinschaft, sich Stolzenburg und Albert Apitz bewirkten den Anschluss des durch viele hervorragende Turner (Ernst Böhme, Franz Vereins an den Elbe-Elster-Gau des Mitteldeutschen Ball - Jahn, Karl Paul u. a.) einen sehr guten Ruf zu erwerben und spielverbandes Leipzig, im Juli 1919 im „Kaiserhof“ Fal - viele große Sportveranstaltungen nach Falkenberg zu brin - kenberg vollzogen. Sie verstanden es, die Schar der gen. Den Höhepunkt bildete 1931 ein Gauturnfest mit Fußballfreunde ständig zu erweitern. 1.200 Turnerinnen und Turnern, das 2.000 Zuschauer an Bald bestanden 5 Herren-, 2 Jugendmannschaften und sportlichen Wettkämpfen, an beeindruckenden Vorführun - eine Knabenmannschaft. Fleißiges Training, ein guter gen und einem Festspiel in der ehemaligen Feldscheune Mannschaftsgeist und eine zielstrebige Vereinsarbeit führ - teilhaben ließ. ten zu ansprechenden Erfolgen, so zum zweimaligen Gau - Vorbildlich gestaltete sich die Trainingsarbeit mit Schul - meistertitel der ersten Herrenmannschaft in den Jahren kindern und Jugendriegen, die bei Turnwettkämpfen zahl - 1925 und 1927 und zu mehrfachen Meistertiteln der Ju - reiche Preise nach Falkenberg holten, stellvertretend für gendmannschaft. Fußballer wie Datan, Eiselt, Block, viele seien Herbert Schneider und Heinz Scheider ge - Wache, Wenghöfer und Blaue und viele andere verschaff - nannt. Otto Schumann, der auch zum Reichskampfrichter ten dem Verein durch ihr Können eine große Anhänger - im Gerätturnen ernannt wurde, erwarb sich mit der Gestal - schar. tung von Chorkonzerten und öffentlichen Turnabenden, in Zugleich müssen auch die großartigen Leistungen der Fal - denen stets auch die Mädchen- und Frauengymnastiken kenberger Handballer erwähnt werden, die mit solchen und tänzerische Vorführungen Anklang fanden, um das Spielern wie Loeber, Kaupisch, Hirsch und Dähne, um nur kulturelle Leben bis in die 50er Jahre bedeutende Verdien - einige zu nennen, zu den spielstärksten Mannschaften ste. des Elbe-Elster-Gaues gehörten. Schließlich bewährten sich auch die Falkenberger Faustballer in vielen Meister - Im Jahre 1905 stellte die Gemeindeverwaltung der Jugend schaften. einen Fußballplatz zur Verfügung. Falkenberger Schüler, Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Falkenberger Sport - die das Gymnasium in Torgau besuchten, lernten dort die ler stets kräftig zupackten, wenn es um die Verbesserung neue Sportart kennen und betrieben sie seit 1906 an und Erhaltung der Sportstätten ging. Das galt schon im freien Nachmittagen. Bald fanden sie auch Freunde unter Jahre 1925, als der Sportplatz neu gestaltet wurde, feste

83 Tore entstanden und eine Holzbarriere um den ganzen schönen Natur verbunden fühlten. So erwarben sie gegen Platz entstand. Mitte der 30er Jahre legte der Reichsar - eine Pachtzahlung von drei Bauern, die Besitzer des Ge - beitsdienst (RAD) eine befestigte Laufbahn mit einer ländes waren, die Erlaubnis zum Bau eines Blockhauses in Schlackefüllung an. Seine heutige Gestalt erhielt das den Walbergen. „Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion“ im Jahre 1951, als aus In mühevoller Kleinarbeit, durch Familienabende, Mär - den Trümmern des ehemaligen Bahnhofsgebäudes mit chen- und Sagenspiele die Kosten für Holz, Ziegel und an - Hilfe von Kipploren der Wall aufgeschüttet und Zuschauer - deres Material aufbringend, mit Fuhrwerks- und traversen angelegt wurden. Die Sportfreunde Pohlensän - Handwerksleistungen vieler Freunde, auch des Försters, ger, Lange, Schunack, Topfstedt erwarben sich dabei mit unterstützt, wurde der Bau vollendet und am 20. August anderen große Verdienste, wurden doch über 2.400 un - 1922 eingeweiht. Fortan gaben sie ihm den Namen „Fal - entgeltliche Arbeitsstunden geleistet und 19.000 Mark an kenhorst“. Er enthielt einen Tagungsraum, eine Küche und Spenden aufgebracht. einen Schlafraum auf dem Boden. Im Jahre 1926 errich - Eine Jugendbewegung ganz anderer Art rief der von 1917 tete man noch ein kleines Gebäude, das verschiedenen Zwecken diente. An historischer Stätte, umgeben von Wie - sen und Wäldern, verlebten etwa 50 Falkenberger und Ue - bigauer Jungen besinnliche Stunden, Begegnungen mit benachbarten Gruppen, führten Wanderungen und sport - liche Übungen durch, sangen deutsche Volkslieder und feierten ihre besonderen Feste, darunter auch die Winter - sonnenwende, altes Brauchtum bewahrend. Auch weiter - hin führten die Pfadfinder, oft unter Mitwirkung befreundeter Mädchen, vor vollem Hause Theaterstücke auf, „Fünf Jahre in der Fremdenlegion“ fünfmal, um die Schulden zu tilgen. Und zur Belohnung fanden sie sich dann zur nächtlichen Feierstunde am Lagerfeuer vor dem Blockhaus zusammen. Das Blockhaus diente über Jahrzehnte als Übernachtungs - Pfadfinderheim „Falkenhorst“ in den Walbergen (1922 eingeweiht, nach 1963 abgetragen) stätte an Wochenenden und in den Ferien. Am Ende des zweiten Weltkrieges wurden die Gebäude zeitweilig von – 1941 an der evangelischen Kirche tätige Falkenberger Umsiedlern bewohnt. Auch nach 1945 nutzten viele Schul - Pfarrer Rudolf Bürger ins Leben: Im Jahre 1918 gründete er klassen, Kinder- und Jugendgruppen das Heim für Über - eine Pfadfindergruppe. Die Pfadfinderbewegung, die ihren nachtungen und führten von hier aus ihre Wanderungen Ursprung in England hatte, wollte körperlich und geistig durch. Schulen feierten hier oft ihre Kinderfeste. Mit Fak - gesunde junge Menschen vereinigen, die sich eng mit der keln und Lampions zogen die Kinder mit ihren Eltern zu

84 den Walbergen, sangen am Lagerfeuer, und die Mutigsten teten damals von 636 Bienenvölkern über 36 Zentner durften dann über das ausgehende Feuer springen. Lei - Honig und 4 Zentner Wachs. Im Dezember 1912 fand die der wurden zahlreiche Bemühungen der Gemeindeverwal - erste Mitgliederversammlung des Kaninchenzuchtvereins tung, denen sich besonders der Sportlehrer Gerhard Falkenberg statt, an der 30 Züchter teilnahmen; doch Wagner als Gemeinderat widmete, nicht belohnt. Unbe - 1920 zählte dann der umbenannte „Kleintierzuchtverein“ kannte Täter zerstörten immer wieder das in unbezahlten schon 121 Kaninchenzüchter, dazu noch Geflügel-, Schaf- Arbeitseinsätzen instandgesetzte Blockhaus, so dass es und Ziegenzüchter. Das war freilich auch Ausdruck dafür, nach 1963 abgetragen werden musste. dass sich viele Eisenbahner ihren kargen Lebensunterhalt Pfarrer Bürger führte Jugendgottesdienste in freier Natur aufgrund sehr niedriger Löhne durch die Tierhaltung ver - durch und brachte den Jugendlichen die Naturschönhei - bessern wollten. Die Auswirkungen des 1. Weltkrieges und ten nahe. Einige Neugrabenbrücken verdanken den Pfad - der nachfolgenden Inflation brachten in vielen Familien findern ihr Entstehen. Besonders pflegte man das Notzeiten, Geld und Lebensmittel wurden knapp, man Deutschtum, besann sich auf nationale Traditionen. So er - wusste nicht, was der nächste Tag bringen würde. richteten die Pfadfinder auf dem Gelände des alten Fried - Da teilte man das Land hinter dem Park (bekannt unter hofes aus alten Grabsteinen ein „Walter-Flex-Denkmal“ dem Namen „Erbsgarten“) in kleine Parzellen auf, die vor - (Walter Flex war als kriegsfreiwilliger Offizier 1917 gefal - erst mit Kartoffeln und Getreide bebaut und später als Gär - len und hatte u. a. das den Krieg heroisierende Buch „Der ten eingerichtet wurden. Im Jahre 1929 kam es dann für Wanderer zwischen beiden Welten“ geschrieben). An der die Gärten zur Gründung des „Schrebergartenvereins“ und Liebenwerdaer Straße, vor einem 1945 zerbombten Wohn - 1932, als man sich dem „Reichsbund für Kleingärtner“ an - haus des Bauvereins, errichteten sie eine „Hermann-Löns- schloss, zur Bildung der Kleingärtnergruppen Nord und Gedenkstätte“. Hermann Löns wurde als Heimatdichter Süd. Mit der einheitlichen Einzäunung des Erbsgärtenge - bekannt, schrieb viele Tiergeschichten, u. a. „Mümmel - ländes, das an 6 Hauptwegen 160 Gärten umfasste, mann“, den historischen Roman „Der Wehrwolf“ (von völ - wurde 1933 begonnen, gleichzeitig musste jeder Klein - kischer und rassistischer Ideologie geprägt), auch Texte gärtner vier „Pflichtbäume“ nach bestimmten Richtlinien von Heimatliedern wie „Auf der Lüneburger Heide“ und pflanzen. In allen Kleingartengruppen wurde stets auf eine „Rosemarie“. Der 16 Zentner schwere Stein stammt aus strenge gärtnerische Ordnung geachtet. der Kiesgrube Zeischa. Am 10. November 1927 fand die Einweihungsfeier statt. Der Eisenbahnverein bestand nachweislich schon am 13. Den verschiedensten Freizeitinteressen dienten zum Bei - Januar 1914, denn an diesem Tage veranstaltete er ein spiel der Naturheilverein, der 1901 gegründete Obstbau - „Wohltätigkeitskonzert zum Besten des Fonds für die verein und die im Jahre 1907 gebildete Ortsfachgruppe Kirchturmuhr“ im „Hotel goldene Krone“ (Legel – späteres der Imker. Anfangs nur 18 Mitglieder, wuchs sie unter der Gesellschaftshaus). Laut einem Jahresbericht umfasste er Leitung des emsigen Lehrers Pötzsch auf 79 Mitglieder im im Jahr 1926 bereits 1.030 Mitglieder mit einem Vereins - Jahre 1937 an. Die Imker pflanzten viele Weiden und ern - vermögen von 5.009 Mark. Zu diesem Zeitpunkt gab es

85 übrigens in Falkenberg insgesamt 1.357 Eisenbah - ner. Der Verein organisierte Familienausflüge mit Sonderzügen, z. B. in die Sächsisch- Böhmische Schweiz, nach Potsdam, Berlin, Leipzig, Thale und zur Gubener Baumblüte. Veranstaltungen geselli - ger Art, Konzertabende, die Erweiterung der Ver - einsbibliothek, Kuren für Kinder, aber auch die Einrichtung einer Sterbekasse für die Hinterbliebe - nen der Eisenbahner beinhaltete die Tätigkeit die - ses Vereins. Da die als „Gelbe“ bezeichneten Eisenbahnvereine mit finanzieller Hilfe der Staats - bahnverwaltung gegründet und gefördert wurden, besteht Grund zur Annahme, dass dadurch die Bil - dung freier Gewerkschaften bei den Eisenbahnern Kino Hüttenrauch in der Friedrichstraße, 1945 durch Bombenangriff zer - behindert werden sollte. stört Innerhalb einer Kunstgemeinde, geleitet vom Lehrer Loe - ber und unterstützt von den Lehrern Erxleben und Schulze, ein gern besuchtes Kino, von Herrn Hüttenrauch geführt. wurden den Mitgliedern und darüber hinaus auch interes - Seine guten Beziehungen zum UFA-Filmvertrieb ermög - sierten Bürgern wertvolle Darbietungen auswärtiger Lan - lichten es, dass hier immer aktuelle Filme in guter Qualität destheater (z. B. Kunstbühne Berlin mit „Maria geboten wurden und natürlich ausverkaufte Vorstellungen Magdalena“ von Hebbel am 5. November 1925), Konzerte gesichert waren. Leider fiel auch das Kino dem Bombenan - im Legelschen Saale und Vorträge, darunter solche des be - griff zum Opfer. rühmten Astronomen und Verfassers populärwissen - schaftlicher Literatur, Bruno Bürgel, vermittelt. Eine vollständige Auflistung aller Vereine (es waren über Es fanden sich aber auch musizierende Bürger in den 30er 50!) ist freilich unmöglich, z. B. gab es, wie aus Annoncen Jahren zusammen. So gestaltete Herr Lamberty mit seinen zu schließen ist, mehrere Beamtenvereine, auch einen Musikschülern öffentliche Musikabende. Herr Fritz Braun, „Königin-Luise-Bund“. der auch Geigenunterricht erteilte, bereicherte mit seinem Schon 1895 fanden sich die „Freunde der positiven Salonorchester viele Zusammenkünfte Falkenberger Ver - Union“, eines kirchlichen Vereins, zusammen. Um 1930 eine und des Überlandwerkes, vor allem erfreute er mit sei - existierten auch ein „Stenographenverein“ und ein Ju - nen Konzerten auch die Gäste des Berliner Cafes. Viele gendverein „Gemütlichkeit“, in dem u. a. Herr Rudolph junge Menschen erlernten beim Musiklehrer Richard Ema - Zier mitwirkte. Hinzu kamen Veranstaltungen verschieden - nuel aus Leipzig Mandolinen- oder Gitarrenspiel. ster Art, die von den größeren Saalgaststätten selbst or - In der Friedrichstraße entstand neben dem Berliner Cafe ganisiert wurden. Kleine und große Schausteller zogen

86 durch die Straßen, und nicht zuletzt lockten häufig Zir - Zum politischen Leben nach dem 1. Weltkrieg kusse in ihre auf dem Marktplatz errichteten Zelte und Tier - schauen. Aus dem vorhergehenden Abschnitt ist zu ersehen, in Nicht nur dem kulturellen Leben, sondern der „Kultur“ des welchen vielfältigen Formen sich das gesellschaftliche Ortes überhaupt, widmete sich ein bereits 1903 gegründe - Leben in Falkenberg vollzog. Dagegen liegen keine Doku - ter „Ortsverein“. Dem Verfasser liegt ein handschriftlicher mente vor, um Aussagen über politische Parteien zu tref - Bericht von 1935 – leider ohne jegliche Namensangabe – fen. Das hängt sicher damit zusammen, dass mit dem über dessen Aktivitäten vor. In ihm müssen angesehene Übergang der Eisenbahnen in den Besitz des preußi - Bürger vereint gewesen sein, die der Gemeindevertretung schen Staates im Jahre 1884 alle Beschäftigten, ob Be - als Berater und Kritiker zugleich dienten, egal ob es sich amter, Angestellter oder Arbeiter, als Diener des Staates um die Straßenbeleuchtung, um Bepflanzungen, um die zur absoluten Königstreue verpflichtet wurden. Und da Anlegung eines Festplatzes oder die Aufstellung einer gro - man oft ein kleines Häuschen mit einem Stückchen Acker ßen Uhr vor dem Bahnhofsgebäude handelte. Diesem Be - sein eigen nannte oder in den umliegenden Dörfern richt ist auch zu entnehmen, dass schon ein Beschluss zur seine kleine „Feld-, Wald- und Wieseneisenbahner-Exi - Errichtung einer Gasanstalt existierte, der dem Einspruch stenz“ hatte (So der Volksmund!), wollte man sowieso der „Elektrizität“ zum Opfer fiel. Das kann als Bestätigung nichts aufs Spiel setzen. Lediglich von der schon erwähn - einer Notiz in den Aufzeichnungen von Herrn Zschörneck ten „Herberge zur Heimat“ ist überliefert, dass dort junge gelten: Gesellen, die auf Wanderschaft waren, um, wie damals „Die Continental-Gas-Gesellschaft in Dessau plante, Fal - üblich, bei anderen Meistern noch etwas hinzuzulernen, kenberg an das bis Torgau reichende Gasversorgungsnetz abends in der Bierstube zusammen saßen und über die anzuschließen. Die Direktion der Landelektrizität vereitelte politischen Ansichten der anwachsenden Sozialdemo - dieses Vorhaben und vereinbarte auch mit dem Rat der Ge - kratie diskutierten. Bei den Reichstagswahlen 1912 ent - meinde, dass spätere ähnliche Bemühungen abgelehnt fielen auf die SPD in Falkenberg nur 74 Stimmen. werden sollten. Dem Ortsverein passte diese Entschei - Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und der dung anfangs gar nicht! militärischen Niederlage formierten sich überall im Lande revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte. Am 13. Novem - ber 1918 wurde in der alten Schule ein solcher auch in Falkenberg gewählt. Der ambulante Händler Otto Diet - rich, der Oberleutnant und Kompanieführer Richter von der im „Goldenen Anker“ untergebrachten Ersatz-Ma - schinen-Gewehr-Kompanie und ein Feldwebel Müller lei - teten ihn. Der Arbeiter- und Soldatenrat bemühte sich, die durch den Krieg entstandenen Ernährungsschwierig - keiten der arbeitenden Bevölkerung, vor allem der Kin -

87 der, zu mildern, indem er u. a. Kartoffeln von den Lönnewitzer Gütern besorgte, den Verkauf von gutem Pferdefleisch organisierte und erlegtes Wild beschlagnahmte. Er besetzte das Gemeinde - amt und kümmerte sich unter der Leitung von Otto Dietrich um die vielen, mit dem Kriegsende zu - sammenhängenden Probleme. Zugleich waren auch die Verpflichtungen zur staats- und königstreuen Gesinnung gegen - standslos geworden. Jeder konnte nun seine Mei - nung über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen frei äußern. Die Parteien rangen um die Gunst der Bürger und damit um ihre künftigen Wähler. Am 9. Dezember 1918 fand die Gründungsversammlung für eine Ortsgruppe der SPD statt, deren Vorsitz Otto Dietrich über - nahm. Heftige Wahlkämpfe um die Zuneigung der vielen bisher meist recht unpolitischen Eisenbah - ner und der Angehörigen des Mittelstandes ent - brannten vor allem mit der Deutschen Gründung der SPD Demokratischen Partei, die unter Vorsitz des späteren - Ausschnitt aus dem Gründungsbericht vom 9. Dezember 1918 Rektors Wunderlich und des Lehrers Loeber stand, und mit der Deutsch-Nationalen Volkspartei, zu der sich viele pen, um durch ein geschlossenes Auftreten vor allem so - Bauern und andere konservative Bürger bekannten. ziale Rechte zu erkämpfen bzw. durchzusetzen, wie sie Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar ihnen die Weimarer Verfassung vom August 1919 garan - 1919 entschieden sich von den Falkenberger Wählern tierte. Häufig ging es allerdings auch um die Gewährlei - 816 für die Deutsche Demokratische Partei, 63 für die stung politischer Rechte. Bei der Reichsbahn Deutsch-Nationale Volkspartei, und auf die Sozialdemo - organisierten sich die Beschäftigten kratische Partei entfielen 1.221 Stimmen, 16 auf die - in der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, USPD. So zogen dann im September aufgrund der Mehr - - in der Gewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamter, heitsverhältnisse 11 Mitglieder der SPD in die Gemeinde - - in der Gewerkschaft Deutscher Eisenbahner und Staats - vertretung ein, unter ihnen Otto Dietrich als erster bediensteter, Schöffe und späterer Amtsvorsteher. - in der Gewerkschaft der Rangierbeamten, In den Betrieben formierten sich die Gewerkschaftsgrup - - im Deutschen Eisenbahnerverband und

88 - im Allgemeinen Deutschen Eisenbahnerverband. Putschisten befördern ließ, diejenigen der Gewerkschaft Die beiden zuletzt genannten nahmen vornehmlich die jedoch zurückhielt, sich selbst den Maßnahmen der Interessen der einfachen Arbeiter wahr. Streikleitung widersetzte und Militär aus Torgau anfor - Als sich Anfang 1920 einige Rüstungsindustrielle, Junker derte. Auch gegen andere, die die Streikbeschlüsse und Militärs mit den demokratischen Veränderungen in missachteten, wurde entschieden vorgegangen. So kon - der jungen Weimarer Republik nicht abfinden wollten trollierte die Streikleitung alle Züge und Ladungen, re - und mit konterrevolutionären Freikorpsverbänden unter gelte die Bereitstellung von Lokomotiven für Führung des General-Landwirtschaftsdirektors Kapp und lebenswichtige Transporte und überwachte die Zug- und des Generals Lüttwitz in Berlin einzogen, um die Regie - Lokleitung. Am 18. März 1920 erklärte die Berliner Ge - rung zu stürzen, erkannten auch die Eisenbahner Falken - neralstreikleitung den Streik für beendet, denn der Kapp- bergs den Ernst der Lage. Obwohl die Eisenbahner Putsch war zusammengebrochen. überwiegend zu den Beamten zählten und trotz der Zer - Auch an den folgenden Tagen übten Vertreter der Ge - splitterung der Gewerkschaftsbewegung wurde am 17. werkschaften die Kontrolle über das Telegraphenbüro März 1920 für Falkenberg unter der Losung „Kein Rad und die Telefonzentrale aus, bildeten sie bewaffnete Ko - soll sich drehen“ der Generalstreik ausgerufen. Schon in lonnen zur Überwachung der Militärtransporte. So trugen den frühen Morgenstunden des 15. März hatten die Ver - die Falkenberger Eisenbahner durch ihre konsequente trauensmänner der 6 Gewerkschaften in Grusches Saal Haltung zur Rettung der Weimarer Republik bei. (später Gesellschaftshaus) beschlossen, sich dem von Die Anzahl der Parteien erhöhte sich, als 1924 durch Ed - den zentralen Gewerkschaftsleitungen ausgerufenen Ge - mund Herold in Falkenberg eine KPD-Ortsgruppe gebil - neralstreik anzuschließen und eine Streikleitung zu wäh - det wurde. Nach dem 1. Weltkrieg arbeitete er auf dem len. Ihr gehörten 37 Eisenbahner sowie 2 Vertreter der Güterboden der Reichsbahn und vertrat die Interessen Post und des Überlandwerkes an. Der Lokomotivführer der Linken in der SPD und später in der USPD. Aufgrund Hermann wurde zum Vorsitzenden gewählt, als Stellver - seiner politischen Tätigkeit wurde er von der Reichsbahn treter Zugführer Lerch und als Schriftführer Oberschaff - entlassen und fand bei der Firma Erler Arbeit. Von 1924 ner Nitsche. Alle wichtigen Positionen, so die bis 1933 war er Abgeordneter in der Gemeindevertre - Fernsprechzentrale, das Telegrafenzimmer, die Zuglei - tung, bis er von den Nationalsozialisten gemaßregelt und tung und die einzelnen Dienststellen, wurden von den für einige Zeit in Schutzhaft genommen wurde. Zum streikenden Eisenbahnern besetzt. Die Streikleitung kon - Schutz von Versammlungen der SPD wurde außerdem trollierte täglich im Lokal Steffen (Bahnhofstraße 17) und eine Ortsgruppe des „Reichsbanners“ gebildet, der u. a. beschlagnahmte ein Zimmer auf dem Bahnhof. Einem Of - Walter Ponikau angehörte. fizier, der angeblich wichtige Akten nach Berlin bringen Als durch die Inflation die Not deutlich anstieg und die sollte, verweigerte man die Bereitstellung eines Sonder - ausgezahlten Löhne im Laufe des Tages auf einen Bruch - zuges. Der Oberbahnhofsvorsteher Wassermann wurde teil ihrer Kaufkraft zusammenschrumpften, änderte sich seines Amtes enthoben, weil er Telegramme der Kapp- das Wahlverhalten vieler Einwohner.

89 In die Falkenberger Gemeindevertretung kamen: 6 Vertreter der Deutsch-Nationalen (Bauer Robert Schulze), 1 Vertreter der Deutschen Volkspartei (Direktor Ziegler), 1 Vertreter der Hausbesitzer (Postassistent Griehl), 3 Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei (Rektor Wunderlich), 6 Vertreter der SPD (Lehrer Küver), 2 Vertreter der KPD (Edmund Herold).

Das Jahr 1923 brachte die Rentenmark und damit eine gewisse Stabilisierung. Vor allem amerikanische Banken pump - ten im Rahmen des Dawes-Plans riesige Summen in die deutsche Wirtschaft, das wirkte sich auf die Beschäftigungs - möglichkeiten aus und damit auch auf die Ergebnisse der Reichstagswahlen 1925. Im 2. Wahlgang erhielt Hindenburg in Falkenberg 1.535 Stimmen. Als aber die Fürstenabfindung auf Kosten der Arbeitnehmer geschlossen wurde – ein Volksbegehren hatte trotz 14,5 Millionen Gegenstimmen keinen Erfolg – und gegen breite Bevölkerungskreise der Panzerkreuzerbau A begann, gab es bei der Reichstagswahl 1928 erneut gewichtige Veränderungen:

Deutsch-Nationale 410 Stimmen Zentrumspartei 51 Stimmen Deutsche Volkspartei 234 Stimmen Deutsche Demokratische Partei 443 Stimmen SPD 1.099 Stimmen KPD 115 Stimmen NSDAP 170 Stimmen,

Da war sie nun auch in Falkenberg existent, die Partei Hit - einer örtlichen Hochburg der NSDAP. Aus diesem Betrieb lers mit dem Namen „National-Sozialistische Deutsche kamen die Kreis- und Ortsgruppenleiter und maßgebli - Arbeiterpartei“! che Leiter verschiedener Organisationen. Im Laufe des Jahres 1929 flaute die Hochkonjunktur, die Stimmten im Jahre 1930 in Falkenberg noch 907 Wähler Scheinblüte in der Wirtschaft ab. In Deutschland stieg für die SPD, 323 für die KPD und 692 für die NSDAP, so die Zahl der Arbeitslosen auf über 3 Millionen an. Ange - gaben bei der Reichtstagswahl am 31. Juli 1932 nur noch sichts der schweren Wirtschaftskrise und der Zeit der Not - 840 Wähler der SPD, 260 der KPD, aber schon 1.641 der verordnungen erhofften sich auch in Falkenberg NSDAP ihre Stimme. „Lasst sie doch mal zeigen, was sie zahlreiche Einwohner eine Verbesserung ihrer wirtschaft - können“, so dachten viele Einwohner angesichts der Ver - lichen und sozialen Lage durch einen Wahlsieg der Natio - sprechen, schnellstens die Arbeitslosigkeit zu beseitigen nalsozialisten. Das Überlandwerk entwickelte sich zu und wirtschaftlichen Wohlstand zu bringen. Auf einer An -

90 fang 1933 von der SPD einberufenen Versammlung auch die Kriegervereine und der Schützenverein, selbst warnte der Reichstagsabgeordnete Schäfer vor den Ge - das Rote Kreuz, beeinflussten ihre Mitglieder im Geiste fahren der nationalsozialistischen Herrschaft. Er, der an - des Nationalsozialismus. Das Gedankengut vom „Tau - fangs selbst Mitglied der NSDAP gewesen war, hatte die sendjährigen Reich“, vom „Lebensraum im Osten“ und kriegerischen Eroberungsabsichten Hitlers anhand des von der „Deutschen Herrenrasse“ wurde gleichermaßen Buches „Mein Kampf“ erkannt. Aufgehetzte Jugendliche den Kindern und Jugendlichen vermittelt, die sich in den störten mit Rufen und Krawallen die Versammlung – der verschiedenen Organisationsformen der „Hitlerjugend“ Abgeordnete Schäfer wurde auf der Heimfahrt nach Ber - zusammenfanden. Mit zünftigen Geländespielen, Sonnen - lin ermordet. Die hiesigen Polizisten gingen gegen die wendfeiern in den Walbergen, begeisterten Auftritten der Mitglieder des Saalschutzes, aber nicht gegen die ver - Spielschar, des Spielmanns- und Fanfarenzuges bei gro - muteten Täter vor. ßen bunten Abenden im „Goldenen Anker“ oder bei Volks - Am 30. Januar klingelte der Gemeindebote im Ort aus, festen zum „Tag der Arbeit“ (1. Mai) und hervorragend dass Hitler an die Macht gekommen sei. Bereits im Fe - organisierten Sportfesten gelang es, Mädchen und Jungen bruar fanden bei leitenden Funktionären von SPD und mitzureißen und zuversichtlich zu stimmen. KPD Hausdurchsuchungen statt, erfolgten die ersten Ver - Die Verbote der KPD (Ende März 1933) und der SPD haftungen und beruflichen Maßregelungen. Auch Mit - (20. Juni 1933) sowie die Auflösung der Freien Gewerk - glieder der Deutschen Demokratischen Partei waren schaften (2. Mai 1933) und das Untersagen jeglicher an - davon betroffen. Demokratische Kräfte wurden mundtot dersgearteter politischer Betätigung wurden von der gemacht, indem man sie aus ihren Arbeitsstellen entließ übergroßen Mehrheit der Falkenberger kaum zur Kenntnis und ihnen harte Strafen androhte. Der Masse der von genommen, man huldigte dem „Nationalen Aufbruch“ einer euphorischen Siegesstimmung erfassten Wähler und organisierte sich in der „Deutschen Arbeitsfront“. der NSDAP entging das freilich – einen offenen antifa - Schon am 22. September 1933 erhielt Falkenberg eine schistischen Widerstand gab es in unserem Ort nicht. 280 Mann starke Abteilung des „Reichsarbeitsdienstes“ (RAD), die anfänglich als Abteilung III/141, später Abtei - lung 13/144 mit dem Namen „Walberge“ im Gelände des Falkenberg in der Zeit des Nationalsozialismus Rittergutes untergebracht wurde. Die Umsiedlung in die neue Barackenunterkunft in der Uebigauer Straße (später In zunehmendem Maße bestimmten die NSDAP und ihre Schuhfabrik) erfolgte am 26. November 1937. Organisationen das gesellschaftliche Leben. Im SA-Sturm, Die dienstverpflichteten jungen Männer wurden u. a. bei im Nationalsozialistischen Kraftfahrer – oder Fliegerkorps der regelmäßigen Grundräumung des Neugrabens, bei wurden viele Bürger zu direkten Mittätern der nazistischen der Vertiefung der Scheidelache, bei der Kultivierung der Gesellschaft. Andere stellten sich der NS-Volkswohlfahrt Uebigauer Bürgerwiesen, als Helfer bei den Ausgrabun - oder der „Winterhilfe“ zur Verfügung, und das in der fe - gen im Hügelgräberfeld, bei Entwässerungsarbeiten in sten Überzeugung, einer guten Sache zu dienen. Aber den Kiebitzer Wiesen und im , bei der Strandauf -

91 Doch niemand trat öffentlich dagegen auf, im Gegenteil! Im benachbarten Alt-Lönnewitz begann 1935 auf den Flu - ren des Gutsbesitzers Major Haacke der Bau eines Flug - platzes. Er wurde am 9. Dezember 1936, nachdem vormittags dort die Vereidigung der ersten Einheit der Luft - waffe erfolgt war, am Nachmittag nach einem Umzug durch den festlich geschmückten Ort auf dem Marktplatz feierlich eröffnet. Dazu waren hohe Wehrmachtsoffiziere und auch der Landrat Röhrig erschienen, und „Hunderte von Menschen umsäumten den weiten Platz“. Der Bürger - meister Dr. Eifrig sprach dem Oberleutnant der Reserve der Luftwaffe und Einwohner Falkenbergs Hüttenrauch für seine uneigennützige Arbeit den Dank der Gemeinde und des Amtsbezirkes aus („Liebenwerdaer Kreisblatt“ vom Reichsarbeitsdienstlager an der Uebigauer Straße (nach 1945 Schuhfabrik „Falken“) 10.12.1936). Auch in den folgenden Jahren strömten die Falkenberger und viele Bewohner der Umgebung zu Tau - schüttung im „Volkswohlbad“ einschließlich des Baues senden dorthin, um zu den „Tagen der Wehrmacht“ Rund - der Schutzwand zur Ostseite, bei der Gestaltung einer fe - flüge mit dem Großkabinenflugzeug Messerschmidt M 20 sten, mit Schlacke versehenen Laufbahn des Sportplatzes, der Hansa-Flugdienst GmbH zu unternehmen. Es hatte insbesondere jedoch bei der Anlage des Flugplatzes Lön - Platz für 14 Jugendliche oder 10 Erwachsene. Für einen newitz eingesetzt. Auch bei der Beräumung des alten Flug von etwa 15 Minuten zahlten die Jugendlichen Friedhofs und der Gestaltung eines „Walter-Flex-Denk - 2,50 RM, Erwachsene 5 RM. mals“ aus alten Grabplatten war der RAD beteiligt. Begeistert erlebten die Besucher die tollkühnen Flüge der Während des ersten Kriegsjahres erfolgte ihr Einsatz als „Deutschen Kunstflugkette“ mit Rudolf Lochner, Graf Ha - Baukompanie in Polen, und eine weibliche RAD-Abteilung genburg und Horst Olzmann, Träger vieler deutscher und zog in die Baracken ein. Die Maiden erarbeiteten u. a. bei internationaler Meistertitel. Wenn Graf Hagenburg im Rük - Geschäftsleuten, Handwerkern und Bauern Falkenbergs, kenflug mit seiner „Bücker 133 – Jungmeister“ nur etwa Uebigaus und anderer Orte die finanziellen Mittel für die einen Meter hoch über den Flugplatz flog, hielten alle die Bewirtschaftung ihres Lagers. Luft an. Das Gebäude des Rittergutes nahm von 1937 an die Orga - Ebenso zogen die in den Folgejahren auf dem Marktplatz nisationen der Hitlerjugend auf. In ihr trat wie im Reichs - oder am Kriegerdenkmal an der evangelischen Kirche arbeitsdienst, anfangs in bescheidenem Maße, dann stattfindenden Vereidigungen viele Einwohner an. Der immer deutlicher, die direkte Vorbereitung der Jugend auf Flugplatz diente als „A-Flugzeugführerschule“ in erster den insgeheim geplanten 2. Weltkrieg in Erscheinung. Linie der Ausbildung von Piloten. Zu jener Zeit entstanden

92 Kesselwagen, Baumaterialien, Kohle usw. diente. Übrigens haben auf dem späteren Flugplatzgelände schon viel früher fliegerische Veranstaltungen stattgefunden. So wird im Liebenwerdaer Heimatkalender 1935 berichtet: „Der Werbung für den Flugsport diente auch ein großer Flugtag am 16. September 1934, an dem der bekannte deutsche Kunstflieger Ernst Udet mit seinem amerikani - schen Doppeldecker „Curtis“ teilnahm“. Die Werbung, an der auch Graf Hagen - burg beteiligt gewesen sein soll, diente der Se - gelfliegerei. Offensicht - lich verdanken wir den Flugplatz den engen Kontakten zwischen den Offizieren Haacke, Hüt - tenrauch und Udet. Trotz des Fluglärms wirkte sich die Anlage des Flugplatzes auch recht günstig aus. Die Bautätigkeit erhielt einen großen Auftrieb, Handwerker und Gewer - betreibende bekamen lohnende Aufträge, der Dipl.-Ing. Rudolf Lochner, Kettenführer der „Deutschen Kunstflugkette“ mit Handel blühte auf, und die Gaststätten hatten regen Zu - Graf Hagenburg und Horst Olzmann spruch, da für Offiziere und Soldaten regelmäßig „Flieger- busse“ verkehrten. Der Flugplatz verfügte bis 1944 über die sogenannten „Flieger-Siedlungen“, die Walter-Flex- eine eigene Fliegerkapelle, in der in leitender Stellung Straße (heutige Clara-Zetkin-Straße) und die Boelcke - auch der Falkenberger Herbert Haseloff (vorher Gewand - straße (Ernst-Thälmann-Straße). Zum Flugplatz führte eine hausorchester Leipzig) mitwirkte. Das Orchester berei - Eisenbahnstrecke, die morgens und abends die dort Be - cherte das Musikleben Falkenbergs. schäftigten beförderte und natürlich dem Transport der Dort Beschäftigte wussten zu berichten, dass auf dem Lön -

93 newitzer Flugplatz ab 1943 die ARADO Ar 234, ein zwei - Bahnbetriebswerk ein riesiger Trümmerhaufen. Ein aus strahlgetriebenes Bombenflugzeug montiert und getestet Richtung Hoyerswerda kommender Güterzug rammte wurde. Der Start erfolgte zunächst mittels eines ausklink - einen vorher teilweise in dieses Gleis rangierten Güterzug baren Karrens mit Starthilfsraketen, die Landung auf Kufen und prallte auf einen in Richtung Kohlfurt ausfahrenden (eine unter dem Rumpf, zwei unter den Tragflächen) mit Güterzug. Die Lokomotiven entgleisten, und zahlreiche Hilfe eines Bremsfallschirmes. Es soll auch Abstürze mit Güterwagen schoben sich ineinander und übereinander. Toten gegeben haben, u. a. bei einem Absturz in Schmer - Ein Zugführer aus Hoyerswerda war zwischen den Trüm - kendorf. mern zerquetscht und getötet worden. Als 1941 wegen der steigenden Anzahl von Gefallenen Ansonsten „lief“ es natürlich bei der Reichsbahn. Die keine Tanzveranstaltungen mehr stattfinden durften, Bahnhofsdienstanweisung vom 1. Juli 1939 verweist auf spielte im Gesellschaftshaus (Willy Wirth) eine Jugendka - 22 km Haupt- und 93 km Nebengleise im Falkenberger pelle sonntags nachmittags vor den Soldaten und ihren Bahnhofsgelände, 20 Stellwerke, 324 Weichen, 18 Kreu - Freundinnen zur Unterhaltung. Ihr gehörten u. a. die Brü - zungen, 3 Lokschuppen mit 8 Lokständen auf dem Halle- der Wilfried und Horst Scheibe, Heinz Schwarick, Fritz Sorau-Gubener-Güterbahnhof (oberer Bahnhof) und 3 Hempel und zeitweilig Werner Herklotz an. Lokschuppen mit 37 Lokständen auf dem Berlin-Anhalter Am 8. Januar 1934 ereignete sich auf dem Falkenberger Güterbahnhof (unterer Bahnhof), 3 Drehscheiben, 15 Was - Bahnhof ein schweres Eisenbahnunglück am Stellwerk Rt serkräne, 5 Ladekräne und 5 Kohlekräne sowie auf Privat - II. Von der Uebigauer Brücke aus bot sich in Richtung gleisanschlüsse zur Genossenschaft Kornhaus Torgau und zum Flugplatz mit Nebenanschluss Umspannwerk. Als Höchstleistungen im Wagenausgang werden für den oberen Bahnhof täglich 4.000 und für den unteren Bahn - hof 2.600 Waggons angegeben. Die Eisenbahner leiste - ten immer eine verantwortungsbewusste Arbeit. Sie wurden in den Kriegsjahren in besonderem Maße gefor - dert. Unter der Losung „Räder müssen rollen für den Sieg“, die an jeder Lokomotive zu lesen war, waren dieje - nigen, die nicht selbst im Wehrdienst standen, zu Höchst - leistungen verpflichtet, darunter auch viele Frauen. Fast unmenschliche Anstrengungen wurden unter extre - men Winterbedingungen auch dem Lokpersonal und den Zugbegleitungen bei den Kriegstransporten nach Russ - land abgefordert, oft „bis zum Umfallen“. Mitte der 30er Jahre verzeichnete Falkenberg wiederum Pendelbahn - verkehrte zwischen Falkenberg und dem Flugplatz Lönnewitz eine rege Bautätigkeit. Die gesicherte Existenz der Arbeits -

94 plätze bei der Reichsbahn veranlasste zahlreiche Eisen - anregten. Das zeigte sich z. B. in der „Kristallnacht“ vom bahner zum Bau eines Eigenheimes. Die Bebauung des 9. zum 10. November 1938, als auch die beliebte Ein - Südens (Liebenwerdaer Straße, Hermann-Löns-Straße, kaufsstätte des Juden Kloboter, bekannt als „Ako“, Textil - Hufen, Theodor-Körner-Straße, August-Bebel-Straße und haus und Gemischtwarenhandlung (heute Textilhaus anderer), des Ostens (Uebigauer Straße und Rothsteins - Riebe), von den Nazis beschädigt, die Familie Ako mit lache) sowie einiger Straßen im Westteil des Ortes schritt einem Spruchband „Der Jude ist ein Volksverräter“ am ge - voran. genüberstehenden Zaun beleidigt und vertrieben und ein - In der Theodor-Körner-Straße (Südseite) und Karl-Marx- kaufswillige Bürger diffamiert wurden. Schon Anfang April Straße (Südhälfte) entstanden 1935/36 schmucke kleine 1933 äußerte sich der tiefe Hass der Nationalsozialisten in Einfamilienhäuser durch die „Mitteldeutsche Heimstätte wüsten Attacken gegen den „Konfektionsjuden“ Ako GmbH Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungs - (siehe Pressebericht vom 04. April 1933). Trotzdem führte wesen Magdeburg“. Im Jahre 1939 konnten die letzten Ako sein Geschäft weiter, vertraute er auf seine Verdien - Siedler in der Saarlandstraße ihre Eigenheime beziehen, ste als Offizier und Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse die seit 1938 von der „Reichsbahn-Siedlungsgesellschaft aus dem 1. Weltkrieg und auf seine Beliebtheit bei den Mitteldeutschland GmbH“ gebaut wurden. meisten Einwohnern, zeigte er sich stets sehr kinder - Mit Empörung wies der Schmerkendorfer Bürgermeister freundlich und finanzierte viele Schul- und Kinderfeste mit. Richter am 28. Dezember 1935 einen Antrag des Falken - Das „Liebenwerdaer Kreisblatt“ berichtete am 24. Juni berger Bürgermeisters Dr. Eifrig vom 22.10.1935 auf eine 1935 aus Falkenberg: „Auf Veranlassung der Geheimen Eingemeindung Schmerkendorfs zurück. Darin heißt es Staatspolizei wurde der Inhaber des hiesigen Warenhau - unter anderem: „Eine evtl. Eingemeindung würde nur die ses Ako, der Jude A. Klopoter, in Schutzhaft genommen.“ Verfälschung einer Dorfgeschichte bedeuten… Eine Ge - Klopoter hatte mit einem Angestellten wegen dessen SA- meinde ist keine Ware, die gehandelt wird“. Und an ande - Dienst während der Geschäftszeit eine Auseinanderset - rer Stelle: „Hinsichtlich der Gemeindesteuern kann von zung. Die „Mitteldeutsche Nationalzeitung“ schrieb am hier aus nicht eingesehen werden, dass die Einwohner Fal - 20. Juli 1935 ebenfalls über eine Verhaftung in Falken - kenbergs besser gestellt sein sollen. Abgesehen davon, berg: „Gestern mittag wurde die verw. Frau W.... von der dass hier keine Hundesteuer erhoben wird, dürfte die Geheimen Staatspolizei wegen rassenschänderischen Be - staatliche Grundvermögenssteuer unserer Gemeinde weit nehmens in Schutzhaft genommen. Diese Frau hat sich unter der Falkenbergs liegen“. Und noch ein Gegenargu - nicht gescheut, mit dem ehemals in Falkenberg, jetzt in ment: „Zudem besitzt der jetzige Bürgermeister das Ver - Herzberg ansässigen Juden Levi in nähere Beziehung zu trauen der Gemeinde seit 1922. Wohl ein seltener Fall in treten. Dem Juden wird Gelegenheit gegeben werden, zu einer ländlichen Gemeinde!“. lernen, wie man die Gastfreundschaft eines Volkes ach - In zunehmendem Maße gab es Ereignisse, die bei man - tet.“ Der jüdische Bürger Levi wurde bis zum 16. März chem die anfängliche „Begeisterung“ für die nationalso - 1936 in Haft gehalten, aber bereits am 7. April 1936 wie - zialistischen Ziele dämpften und zum Nachdenken der festgenommen. Über sein weiteres Schicksal ist nichts

95 stens nachts passierten. Fahrschülern wurde beispielsweise unter Androhung schwerster Strafen untersagt, ihr Frühstücksbrot in die Waggons zu geben. Die Einwohner erlebten, unter wel - chen unmenschlichen Bedingungen sowjetische Kriegs - gefangene im Schützenhaus und einem angrenzenden Stacheldrahtgehege untergebracht und misshandelt wur - den. Trotz Ausschluss der Öffentlichkeit wurde bekannt, dass 1944 an 6 Galgen am Kiebitzer Weg (ehemalige Sandgrube gegenüber vom „Lindenhof“) sowjetische Ge -

bekannt. Fand zu Beginn des 2. Weltkrieges der „Blitzsieg“ gegen Polen auch in Falkenberg noch große Zustimmung, so ver - breitete sich aber mit den nachfolgenden Eroberungsfeld - zügen zunehmend auch Angst und Enttäuschung. Man sprach im kleinen Kreise darüber, aber unter Ausschluss der Kinder. Da wurden in vielen Familien schmerzliche Lük - ken gerissen. Maschinengewehre auf den Häusern an der Halle-Cottbuser Bahn und am Herzberger Tunnel sowie Flakstellungen an der Flugplatzbahn, bei Schmerkendorf (heutiges Gleisdreieck) und am Bahnhof Uebigau mach - Gefangenentransport unter unmenschlichen Bedingungen ten deutlich, dass Falkenberg durch seine strategische Lage und durch den Flugplatz durchaus für feindliche An - fangene hingerichtet wurden. Bei ihrer Arbeit hatten sie griffe infrage kam. Auf der Bahnhofstraße sah man häufig im Bahnbetriebswagenwerk versucht, ihre karge Gefange - in den frühen Morgenstunden Militär-Strafgefangene aus nenkost etwas zu ergänzen. Ihre Gräber befanden sich Torgau im Paradeschritt marschieren – wer umfiel, war har - nördlich des Weges von der Försterei zum Kalksandstein - ten Repressalien ausgesetzt. werk im morastigen Gelände. Nach dem Einmarsch der So mancher Falkenberger Bürger erlebte, wie Züge mit Roten Armee wurden die Opfer des faschistischen Terrors ausgemergelten jüdischen Bürgern und Zwangsarbeitern auf dem Marktplatz beigesetzt und 1947 auf den Ehren - aus den besetzten Ostgebieten unseren Bahnhof mei - friedhof in Schönewalde umgebettet.

96 Kriegsgefangene aus 14 Nationen mussten schwere Ar - ger wurde wegen eines Eigentumvergehens vom faschisti - beiten verrichten, wobei die schmutzigsten den sowjeti - schen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerich - schen zugewiesen wurden. Französische Gefangene tet. waren in Steffens Gaststätte, zwangsverpflichtete „Ostar - Der Krieg forderte immer mehr Opfer. Aus den ausge - beiter“ in einem Lager zwischen Schießstand und Bahnbe - bombten Städten des Rheinlandes und aus Berlin muss - triebswagenwerk, polnische „Zwangsarbeiter“ in ten Familien in unserem Ort untergebracht werden. Baracken hinter dem „Lindenhof“ (Kiebitzer Weg) unter Wohnungen oder einzelne Zimmer wurden dafür beschlag - primitiven Bedingungen untergebracht. Es ist dokumen - nahmt und Evakuierte zugewiesen. Auch die Feldscheune tarisch überliefert, dass aus politischen Gründen Fotos diente zeitweilig als Notunterkunft für Bewohner eines Al - einer Weihnachtsfeier der Reichsbahn-Dienststellen für tenheimes aus Aachen-Erkelenz. die Ostarbeiter veröffentlicht werden mussten. Jedoch war Immer häufiger überflogen englische und amerikanische es nicht möglich, dafür zusätzliche Nahrungsmittel zu er - Flugzeugpulks Falkenberg, sah man in der Ferne nach der halten und zu verteilen. Jeder erhielt 3 Flaschen Bier und Entwarnung den Feuerschein bombardierter Städte. Die einen „Leihanzug“ wegen des ordentlichen Eindrucks! Angst griff um sich. „Wann sind wir dran?“. Und dabei Landarbeiter, meist Polen und Franzosen, durften nicht am waren für die Einwohner nur wenige Schutzmöglichkeiten Tisch der Bauern essen. vorhanden: behelfsmäßige Luftschutzkeller, einige klei - Baufirmen, wie z. B. die Berliner Firmen Becker und Fiebig nere Bunker im Reichsbahngelände, schließlich auf dem und Schulze-Fraustadt, verdienten an den Zwangsarbei - Marktplatz, dem Sportplatz und an einigen anderen Stel - tern Unsummen, so beim Bahndammbau am Tunnel in len ausgeworfene Splitterschutzgräben. Als dann schließ - Richtung Herzberg. Die Strecke Falkenberg-Jüterbog sollte lich in den letzten Monaten des Krieges Flüchtlingszüge in Richtung Großrössen mehrgleisig ausgebaut werden. und Trecks aus den Ostgebieten, aus Schlesien und aus Neben der angeführten Strecke ist noch der dafür aufge - der Tschechoslowakei eintrafen, schwand die anfängliche schüttete Damm zu sehen. Östlich davon war ebenfalls Zuwendung zu den Nazis endgültig dahin. Nur noch we - eine Fläche aufgeschüttet und mit einem Arbeitsgleis ver - nige ereiferten sich für den „Totalen Krieg“ und hofften sehen. Dadurch entstanden der kleine Anglerteich an der durch „Wunderwaffen“ auf einen „Endsieg“. Enttäu - Herzberger Straße und der Rössener Baggerteich. Als Ar - schung, Angst und Furcht griffen um sich. Schulklassen beitskräfte wurden sowjetische Kriegsgefangene einge - sorgten sich um die zur Front fahrenden Soldaten. Sie setzt. Bei Kriegsende wurden die Bauarbeiten eingestellt. brachten selbstgefertigte Strickwaren und Geschenke an Auch der „Franzosengraben“ westlich der verlängerten die Züge. Anfangs freuten sie sich über manchen Dankes - Hufen hat seinen Namen aus dieser Zeit. Er mündet zwi - brief. Bald aber folgten Nachrichten mit dem Vermerk „Ge - schen Beyern und Fermerswalde in den Neugraben. fallen für Großdeutschland“. Der Mordterror der Nationalsozialisten machte auch vor Falkenberger Einwohnern nicht halt. Es gab Menschen, die von den Euthanasie-Verbrechen betroffen waren. Ein Bür -

97 Das bittere Ende überwinden. Die Teile wurden mit der Bahn nach Alt - Lönnewitz gebracht, hier montiert und die Maschinen nach Fertigstellung und Einfliegen nach Burg überführt.

Der Lönnewitzer Flugplatz hatte somit Aufgaben in der Flugzeugproduktion, in der Ausbildung von Flugzeugfüh - rern und seit Herbst 1944 Versorgungsaufgaben für die Ostfront auszuführen. Mit Flugzeugen der Typen Do 217, Ju 88 und Ju 53 wurden solche Versorgungseinsätze vor allem nachts geflogen, während die Flugzeuge tagsüber unter Tarnnetzen am Rande der angrenzenden Wälder standen. Lönnewitz hatte also keine Aufgaben in der Ver - teidigung des Luftraumes. Zwei bis drei Maschinen vom Typ Me 262 waren gelegentlich nur kurzzeitig, meist zum Auftanken hier.

Blick auf zerstörte Bismarckstraße Zum Schutze des Flugplatzes waren, vom westlichen Ende der Rollbahn ausgehend, um den Platz 2 cm - Dril - lingsflak - Stellungen verteilt. Durch sie wurde Anfang Die Zeit vor den Angriffen April 1945 eine P 56 Thunderbolt abgeschossen. Der Flugplatz Alt - Lönnewitz Als die Alliierten im April 1945 die Lufthoheit vollständig Bereits im Jahr 1944 war die Luftüberlegenheit der west - innehatten, verstärkten sich die Angriffe von Jagdbom - lichen Alliierten so stark geworden, dass auf ein abge - bern. Am 14. April wurde eine Me 262 von einem Ver - schossenes Flugzeug der Alliierten drei der deutschen band P 51 Mustang angegriffen. Sie wurde im linken Luftwaffe kamen. Im Rahmen von Veränderungen inner - Triebwerk getroffen, der Pilot konnte sich retten. Am 15. halb der Luftrüstung wurde den neu entwickelten Rake - April griff frühmorgens ein Verband die am Waldrand ste - ten- und Düsenflugzeugen besondere Bedeutung henden Flugzeuge an, eine Angriffsmaschine wurde beigemessen. durch die Flak getroffen und stürzte in den Wald. Nachmittags griffen „Lightnings“ die Flakstellungen an. So wurde die seit 1943 bestehende Produktion der zwei - Wiederum wurde eine Maschine getroffen, die hinter Lan - strahligen Arado Ar 234 in Halle 6 auf weitere Hallen aus - gennaundorf abstürzte. An einem anderen Tag wurde gedehnt. Die Ar 234 sollte als strahlangetriebenes eine im Landeanflug befindliche Do 217 von einer Mu - Bomber- und Fernaufklärungsflugzeug die britische Luft - stang beschossen und getroffen. Sie konnte vor Koßdorf verteidigung durch Gipfelhöhe und Fluggeschwindigkeit notlanden und wieder einsatzfähig repariert werden.

98 An einem weiteren Tag schossen aus Süden heran flie - Der Ort Falkenberg gende Maschinen einen neben der Halle 1 stehenden Sehr oft erfolgte in den Apriltagen 1945 für Falkenberg Tankwagen in Brand, mehrere Explosionen folgten. Am Fliegeralarm. Die Bevölkerung nahm Alarmstufen sehr Sonntag, dem 15. April, vormittags erhielt eine vor der ernst und befolgte die Anweisungen der örtlichen Luft - Werft stehende Ju 52 einen Volltreffer. schutzzentrale, die in den stark abgestützten und gesi - cherten Kellerräumen der damaligen Jungenschule am Der Flugplatz hatte eine eigene, vom Ort Falkenberg un - Sportplatz (heute städtischer Hort) untergebracht war. abhängige, Sirenenanlage. Bei Luftalarm wurden die Zivilbeschäftigten mit Lastwa - Man wusste um die Bedeutung des hiesigen Bahnhofs. gen in die Wälder der Umgebung gefahren, mit dem Hin - Weil einige Rangierbahnhöfe bereits zerstört waren, wur - weis, sich bei Angriffen flach hinzulegen. Die Soldaten den zahlreiche Züge über Falkenberg umgeleitet, um die gingen in ihre Deckungslöcher. Als am 18. April wieder Nord - Süd- und die Ost - West- Verbindungen aufrecht - „Lightnings“ im Anflug waren, gingen alle in gewohnter zuerhalten. Bislang hatten Bomberverbände Falkenberg Weise in Luftschutzdeckung. Doch der Angriff galt nicht nur umflogen. Die Eisenbahnflakgeschütze (10,5 cm) bei dem Fliegerhorst. So erlebten dann die Mannschaften Schmerkendorf (heutiges Gleisdreieck), am Ende des So - aus der Ferne den Anflug der Bomberverbände auf Fal - rauer Güterbahnhofs, am Ende des unteren Bahnhofs kenberg. (Nähe Försterei) und auf einem Abstellgleis in Rehfeld hatten beim Überfliegen, zum Beispiel anlässlich des An - griffs auf Cottbus, auch Schüsse abgegeben. Doch am 16. April wurden sie plötzlich abgezogen. Unser Ort war nun den künftigen Geschehnissen schutzlos ausgelie - fert. Mitte April häuften sich die Angriffe von Doppelrumpf - flugzeugen des Typs „Lightning“ auch auf die Gemeinde Falkenberg. Tieffliegerangriffe richteten sich gegen bela - dene Güterzüge, gegen Flüchtlinge und sich bewegende Menschen. Schlangen von Bürgern vor den Geschäften, die etwas von Sonderzuteilungen, u. a. an Mehl und Reis, Schokolade und Tabakwaren abbekommen wollten, wur - den immer wieder durch angreifende Flugzeuge be - schossen. Dann erfolgten auch die ersten Bombenabwürfe auf einige Schwerpunkte, so dass tags - über der Rangierbetrieb fast zum Erliegen kam. Am 14. Ruine Tillig-Trüstedt (Ecke Friedrich-/Bahnhofstraße) und 15. April fielen Bomben auf das zweite Schlosser -

99 Öffnungszeiten der Geschäfte waren wegen der häufigen Tieffliegerangriffe auf die frühen Morgenstunden und auf die späten Nachmittagsstunden verlegt beziehungs - weise erweitert worden.

Aus Richtung West-Nord-West war starkes Motorenge - räusch zu vernehmen. Viele Bomber näherten sich in dreieckförmigen Pulks in mäßiger Höhe bei klarem Him - mel. Da kein Fliegeralarm erfolgte, nahmen die Einwoh - ner an, dass diese – wie schon des Öfteren – in Richtung Cottbus oder Schwarzheide weiterfliegen würden. Es waren zweimotorige amerikanische Bomber A 26 "Inva - dor" der Firma Douglas. Zerstörtes Bahnbetriebswerk Plötzlich ertönte der Schreckensruf: „Die klinken aus! haus (verlängerte Bahnhofstraße hinter der Unterfüh - Werft Euch auf den Boden!“ Panikartig rannten viele in rung), auf die Verladerampe, in den Kontrollschacht Ecke die nächsten Häuser. Doch da brach auch schon die Hölle Bahnhofstraße/Friedrich-List-Straße (Schügners „Schiefe los. In der Post wurden die 21 Bediensteten noch wäh - Ecke“ - heute: „Kronprinz“) und in den Splittergraben rend der Ausübung des vollen Betriebs- und Verwal - neben dem kleinen Luftschutzbunker am Schwarzen Weg tungsdienstes von den einschlagenden Bomben (hinter der Abbiegung von der Brücke nach Uebigau). überrascht und unter dem völlig zerstörten Postamt be - Hier gab es die ersten Opfer: den Bauleiter Klähre von graben. der Firma Erler und den Maurer Biesterfeld aus Nexdorf. Zu den Opfern zählten auch der Oberpostmeister und In der gleichen Zeit wurden Bomben gezielt auf Ein - Amtsleiter Kirchhöfer mit seiner Frau und zwei Töchtern, gangsweichen geworfen, so an der Strecke Leipzig - Cott - die Postbeamten Brütting, Apelt, Pötzsch, Frau Lotte Leh - bus, von Richtung Jüterbog her, in Uebigau und am mann und im Nebenhaus Lokführer Blaue und dessen Imprägnierwerk Kupsch und Seidel (Kleinbahn nach Frau. Herzberg). Zunehmend lagen ausfahrende Züge unter Beschuss der Tiefflieger. In zwei dicht aufeinander folgenden Wellen zerstörten die Bomben auch das Hotel „Kaiserhof“ und die Nach - Schwere Bombenangriffe auf Falkenberg barhäuser, traffen das Kreuzungsbauwerk und die Bahn - Mittwoch, 18. April - 17:50 Uhr steige des Personenbahnhofs. Pflastersteine der Die Menschen waren bei den frühlingshaften Tempera - Bahnhofstraße, Dachziegel, Gebälksteile flogen wie Ge - turen in den Gärten oder tätigten noch ihre Einkäufe. Die schosse durch die Luft und richteten Schäden an

100 Dächern von Großmutter Frau Einenkel und Hausmädchen waren die Häusern der Opfer. Die beiden Jungen der Familie Kupsch sahen beim Friedrich – und Spielen auf dem Feld von weitem wie die Bomben fielen, Bismarckstraße entsetzlich weinend und nach der Mutti rufend, suchten (heutige Fried - sie dann ihre Eltern. rich–Engels– Straße) an. Dann nutzten viele die Pause, um Keller auf - zusuchen oder Bahnhofsgebäude oberer Bahnsteig in Splitter - schutzgräben Schutz zu finden. Reisende und Bedienstete der Eisen - bahn verließen wegen der Verschüttungsgefahr die Tun - neldurchgänge unter den Bahnsteigen, wohin sie im ersten Schreck geflohen waren. Sie flüchteten aus dem Bahnhofsgebäude heraus in Richtung Rothsteinslache oder in den kleinen Bahnhofsbunker am Schwarzen Weg. Als später der Wasserturm des Bahnbetriebswerkes ge - troffen wurde, strömten die Fluten auch in diesen Bun - ker. Nach 15 Minuten folgte die dritte Bomberwelle. Das Trümmer vom Wohnhaus Hermann-Löns-Platz Bahnhofsgebäude und die Häuser am Bahnhofsvorplatz fielen in Trümmer, das Kreuzungsbauwerk wurde völlig Im ebenfalls zerstörten Haus der Familie Oehler wurde zerstört. das Ehepaar Bredow verschüttet. Tagelang waren deren Den Bomben fiel das 4-Familienhaus Ecke Hermann– Klopfzeichen zu hören, aber man konnte sie nicht errei - Löns–Platz/Liebenwerdaer Straße zum Opfer; zwei Voll - chen und nur noch tot bergen. treffer zerstörten es vollständig und begruben Frau Balzer mit Schwester und Nichte unter sich. Während das ver - Riesige Trichter in der Liebenwerdaer Straße, so vor dem schüttete Ehepaar Küchenthal lebend geborgen werden Haus des Tierarztes Aschenbrenner (heute: Augenarzt - konnte, kam für ihr einjähriges Kind jede Hilfe zu spät. praxis), hatten die Straße versperrt. Schwere Schäden an In der Hermann–Löns–Straße erhielt das Haus des Leh - den ersten Häusern, u. a. bei Familie Möllmer und an der rers Franke einen Volltreffer, das Ehepaar Kupsch mit Bäckerei Schieblich, und zahlreiche Bombentrichter zwi -

101 schen Ludwig-Jahn-Straße und Bahndamm zeugten von auch in anderen Verschiebebahnhöfen verheerende der Schwere des Angriffs. Das elektrische Leitungsnetz Schäden an. Vor allem dem Anhalter Güterbahnhof (un - war weitgehend zerstört. terer Bahnhof) und weiteren Bahnanlagen wurden Viele Einwohner flohen nun in die Wälder oder zu Ver - schwerste Schäden zugefügt, auch dem Kornhaus, der wandten und Freunden in die umliegenden Dörfer. Auf Umladehalle, dem Bahnbetriebswerk und den Betriebs- Handwagen und Fahrrädern nahmen sie nur die notwen - und Wohngebäuden. Während am Vorabend ein Lazarett - digsten Habseligkeiten und Papiere mit. zug noch in Richtung Fermerswalde herausgezogen wer - den konnte, wurde auf dem unteren Bahnhof ein Andere trafen Vorsorge, ihre Schutzkeller weiter vorzu - Munitionszug getroffen, wodurch es bis in die Abend - richten und zu vervollkommnen. Man befürchtete weitere stunden noch zu Detonationen kam. Angriffe, legte Sandsäcke vor die Kellerfenster und be - vorratete sich mit Wasser und Lebensmitteln, legte Dek - Auch Seeminen explodierten, eine solche schleuderte ken bereit, ebenso Werkzeuge, wie Beil, Axt und Spaten einen Kesselwagen vom zweiten Einfahrtsgleis der Wit - für den Notfall. tenberger Strecke bis kurz vor die Lindenstraße. In deren Trichter hätten zwei Wohnhäuser Platz gefunden. Durch Donnerstag, 19. April den ungeheuren Luftdruck wurden Gebälkteile, Stein - Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, Radio blöcke, Dachsteine weit durch die Luft geschleudert, Fen - London habe für diesen Tag die völlige Vernichtung des ster und Türen herausgedrückt, Dächer abgedeckt, Eisenbahnknotenpunktes Falkenberg angekündigt. Wei - Menschen zu Boden gerissen. Glühende Eisen- und Holz - tere Einwohner verließen panikartig den Ort, wurden teile verursachten Brände im Kornhaus und auf Erlers dabei von „Spitfire“ – Jagdflugzeugen, beispielsweise in Bauhof und Sägewerk. der Schmerkendorfer Kastanienallee, beschossen. Auch „Lightnings“ nahmen Flüchtende unter Beschuss. Nach Im Ortsinneren zerstörten Bomben in der Friedrichstraße 10:00 Uhr setzten Aufklärungsflugzeuge der Alliierten die Häuser vom Dachdeckermeister Lehmann, vom Flei - Rauchzeichen zur Markierung, wie man es von Angriffen schermeister Obst, vom Klempnermeister Tillig und auch auf die Großstädte kannte. das Kino. In der Bismarckstraße wurden die meisten Häu - ser zerstört, in vielen entstanden Brände, die Luft war von Gegen 11:30 Uhr war wieder das bedrückende Motorge - Qualm erfüllt. Im Grundstück Wilhelmstraße 6 (heutige dröhn aus nördlicher Richtung zu hören. Und wieder gab W.-Rathenau-Straße) entstand ein großer Trichter, das es keinen Alarm! Dann ein furchtbares Heulen, Dröhnen, Ehepaar Richter konnte aus dem verschütteten Splitter - Krachen und Bersten. Die schweren Bomben der viermo - schutzgraben gerettet werden. Doch es hatte wieder Tote torigen amerikanischen Flugzeuge vom Typ „Boeing B – gegeben: Familie Schlesier, die Herren Vongehr, Kasselt, 17“, die in England stationiert waren und wenige Tage Hirsch, Datan, Frau Schumann und andere. später zum Einsatz gegen Japan verlegt wurden, richteten

102 Besonders war die Hermann–Löns–Straße getroffen: Die Häuser Granat, Noack und Berge erhielten Volltreffer; das Beamtenhaus Nr. 4 bis 8 wurde zerstört und brannte aus (von Nr. 4 ist noch heute der Trümmer - haufen vorhanden). Schwer getroffen wurde auch das Mehr - familienhaus der Siedlungsgenossen - schaft neben Dr. Aschenbrenner; aus ihm konnten Frau Bor - Zerstörtes Kreuzungsbauwerk ger und deren Vater, Herr Penske, nur noch Im Grundstück des Schneidermeisters Krenkel in der Wil - tot geborgen werden. helmstraße entstand hinter dem Wohnhaus ein riesiger Weitere riesige Trich - Trichter, das Stallgebäude war weg und ein großer Birn - ter befanden sich in baum wurde durch den Druck über die Sparkasse hinweg den Hufen vor Stein - auf die Kreuzung geschleudert. Einen kleineren Trichter setzmeister Voigt, Hertie und Fleischerei Hanso, an der gab vor der ehemaligen Buchhandlung (W.-Rathenau- Einmündung Liebenwerdaer Straße (Hufen und auf der Straße 17), die Häuser hatten natürlich Dach- und Fen - Liebenwerdaer Straße) zwischen Ahrens und Ramusch - sterschäden. In den Hufen wurden die Häuser Lehrer kat. Auf dem Gelände der Baufirma Ahrens wurden sie - Schmidt, Graß, Albert, Lehmann, Nitschke, Peschel zer - ben Bombentrichter gezählt, weitere auf den Wiesen und stört, bei Nitschke musste gelöscht werden. zwischen Wasserturm und Bahn. Die Häuser der Familien Das Haus von Kurt Lehmann hatte eine kaputte Giebel - Exner und Moritz in der Liebenwerdaer Straße/Einmün - seite. In der Hindenburgstraße (heutige August–Bebel– dung Theodor–Körner–Straße erhielten Volltreffer, auch Straße), war das Haus der Familie Kurt Richter, in der das Haus Nr. 3 in der Schillerstraße, das ebenfalls aus - Mühlberger Straße das der Familie Schunack schwer ge - brannte. Hier wurde später noch ein 5 Zentner– Blind - troffen. Die Häuser der Nachbarn Vetter und Gräfe wur - gänger entschärft. An diesem Tage herrschte ein starker den völlig zerstört. Auch in der Schlageterstraße (heutige Westwind vor. Durch ihn sind sicher einige Bomben ab - Karl–Marx–Straße) gab es Volltreffer zu beklagen, so die getrieben worden. Zahlreiche Trichter zwischen Roth - Häuser Geyer und Eichmann, das Haus Kroll wurde steinslache und der Leipzig – Cottbuser Bahnstrecke und schwer beschädigt. südlich von dieser belegten dies. Man kann sie heute

103 noch als Tümpel erkennen. „... Es wurden völlig zerstört 61 Häuser mit ca. 300 Woh - nungen; schwer beschädigt 29 Häuser mit ca. 100 Woh - Nach Augenzeugenberichten wurde am 19. April nach nungen und leicht beschädigt 157 Häuser. Ein Teil dieser dem Angriff durch die am Eingang zum Flugzeug Alt – beschädigten Häuser ist bereits wieder hergestellt. Die Lönnewitz befindliche 3,7 cm – Flak eine Maschine vom Kosten der gesamten Wiederherstellung sind von einem Typ „Mustang“ abgeschossen, die dann in der Nähe von Fachmann geschätzt worden auf ca. 650 Mio. Reichs - Kölsa – Siedlung abgestürzt ist. mark (zu Friedenspreisen). Gebraucht werden für die Wie - derherstellung 2,5 Mio. Mauersteine, 2,5 Mio. Freitag , 20. April Dachsteine, 500 t Zement, 430 t Mörtel, 2600 cbm Holz, In den Morgenstunden wirkte Falkenberg wie ein ausge - 56 t Nägel, 40 t Röhren, 2500 qm Glas, 4500 qm Dach - storbener Ort. Erst nach und nach kehrten Geflüchtete zu - pappe, 40.000 Kacheln und 3 t Farbe.“ rück. Viele fanden ihre Wohnstätten nur noch als Und an anderer Stelle:“ ...haben wir am Wasser- und Ka - Trümmer oder schwer beschädigt vor, andere suchten nalwerk an 23 Stellen Bombenschäden erlitten, 9mal ist verzweifelt nach ihren Angehörigen, manche Tote werden die Kanalisation, 4mal die Druckleitung und 10mal die erst nach Tagen gefunden. Wasserleitung getroffen worden. Die Schäden sind alle wieder beseitigt bis auf 150 m Wasserleitung in der Auch an nicht direkt getroffenen Häusern fehlten vielfach Bahnhof- und Bismarckstraße, wo keine bewohnbaren die Dächer, waren Fenster kaputt und Türen herausge - Häuser mehr vorhanden sind.“ drückt. So musste man oft längere Zeit in Kellern, Wasch - küchen oder bei Verwandten und Bekannten wohnen. In diesem Be - richt wird die Im Ort waren viele Straßen durch Trümmer, umgestürzte Zahl der beim Bäume, Masten und Trichter fast unpassierbar. Bombenangriff Es gab kein Licht und Wasser. Leider gab es auch Men - ums Leben ge - schen, die das Durcheinander zu Plünderungen in Ge - kommenen mit schäften, Privathäusern und in getroffenen Lebens- 85 angegeben. mittelzügen der Wehrmacht nutzten. Es ist anzuneh - men, dass es Die Bilanz des Schreckens sich hierbei um Ein trauriges Fazit der Bombenangriffe Falkenberger Im Verwaltungsbericht des seinerzeitigen Bürgermeisters handelt. Mit Küver an das Landratsamt in (vom Flüchtlingen, 12.10.1946) heißt es: fremden Reisen - den werden in Post und Bahnhof ein einziger Trümmerhaufen

104 mehreren Aufzeichnungen etwa 130 Opfern angegeben, gut konnte nach Menge und Wert nicht festgestellt wer - die zum großen Teil in einem Massengrab auf dem Fried - den. hof ihre Ruhestätte gefunden haben. Der gesamte Bahnbetrieb ruhte. Über den schrittweisen Wiederaufbau soll später berichtet werden. Im Reichsbahngelände wurden zerstört 7 Bahnsteige mit Überdachungen; 70 km Gleisanlagen; 1 Die Kriegsfront rückte näher Personentunnel; 2 Bahndurchlässe; 1 Kreuzungsbauwerk Die schweren Bombenangriffe erfolgten wenige Tage vor mit 2 Durchfahrtsöffnungen und 3 Gleisen der Hauptbahn; der Befreiung unseres Gebietes durch die sowjetische 3 Stellwerksgebäude total; 1 Empfangsgebäude; 9 Wohn - Armee. Bereits am 20. April erreichte diese, von Luckau häuser auf Bahngelände; 1 Postamt; 70 Weicheneinhei - kommend, die Westgrenze des damaligen Kreises Schwei - ten; 37 Weicheneinheiten stark beschädigt; 3 nitz. Am 21. April standen die Angehörigen der von Oberst Lokschuppen mit Gleisanlagen; 1 Drehscheibe; 1 Kohlen - Iwanow befehligten 3. Schützendivision, die zur ersten hof; 1 Aufenthaltsgebäude; 1 Übernachtungsgebäude; 1 Ukrainischen Front gehörten, dicht vor Herzberg. Auch von Verwaltungsgebäude des Bahnbetriebswerkes; 1 Kraftsta - Hoyerswerda her war der Geschützdonner der heranrük - tion des Bahnbetriebswerkes mit allen Kabelleistungen; 1 kenden sowjetischen Truppen zu hören. So hatte der Ei - BASA – Gebäude mit allen Kabelleitungen; 1 Umladehalle senbahnknotenpunkt Falkenberg/Elster zu diesem mit Verwaltungsgebäude und der gesamten Bedienungs - Zeitpunkt für den Ausgang des Krieges keine strategische anlage; 1 Eilgutschuppen mit Rampen; 1 Hilfszug mit Ge - Bedeutung mehr. Die Zerstörung durch die etwa 1200 rätewagen des Bahnbetriebswerkes; 15 Lokomotiven; 818 Bomben war also sinnlos. Wagen (davon 19 Personenwaggons); das zerstörte Lade - Trotz der Aussichtslosigkeit, die Niederlage des Nazire - gimes aufhalten zu können, klammerten sich immer noch Bürger an die Hoffnung auf eine angekündigte „Wunder - waffe“ V2, befolgten in unserem Ort ebenso wie in ande - ren Orten die damals Verantwortlichen den Aufruf, alle noch verfügbaren Männer und Jugendlichen im „Volks - sturm“ auf die Verteidigung des Dorfes und jeder Stadt vorzubereiten und an der Panzerfaust auszubilden. Jeder Ort sollte zur Festung erklärt werden. Am 21. April 1945 wurde allen Eisenbahnern unter Strafandrohung die Wei - sung erteilt, Falkenberg nicht zu verlassen und sich zur Verteidigung bereitzuhalten. Es gab jedoch auch in unserem Ort besonnene Bürger, die Schüler bei Aufräumungsarbeiten den Wahnsinn solcher Befehle erkannten und sich für die

105 Dr. med. Rudolf Gregor Ing. Max Tannert Fleischermeister Otto Lehmann (1895 - 1946) (1892 - 1947) ( 1900 - 1980 kampflose Übergabe des Ortes an die heranrückenden so - er: „Doch Mutti, aber dann wäre nur einer gestorben, aber wjetischen Truppen einsetzten. Zu ihnen gehörten der Arzt wie viele hätten ihr Leben lassen müssen, Hab und Gut Dr. Gregor, der Ingenieur Max Tannert vom Überlandwerk, verloren, wenn gekämpft worden wäre.“ (Nach hand - Fleischermeister Otto Lehmann, der Bauer Otto Große und schriftlichen Aufzeichnungen von Frau Tannert). Gemein - andere. So trafen sich kurz vor der Befreiung Herr Tannert sam mit Herrn Dr. Gregor wurde dann nach heftigen und Dr. Gregor zu einem geheimen Gedankenaustausch Wortgefechten mit dem verantwortlichen Wehrmachts - in Tannerts Wohnung. Es ist anzunehmen, dass sie über kommandeur und dem Bürgermeister erreicht, dass Fal - das weitere Vorgehen beraten haben. In der folgenden kenberg nicht zu verteidigen sei, dass man dann „eben Nacht wurde Herrn Tannert, der zum letzten Volkssturm - die Russen erwarte“ (vom Sohn des Herrn Dr. Gregor be - führer ernannt worden war, von einem Wehrmachtsoffizier zeugt). Die Aufforderung zur Evakuierung durch den Bür - der Befehl erteilt, den Ort mit dem Volkssturm zu verteidi - germeister, Herrn Brandt, wurde allerdings gen. Es gab eine harte Auseinandersetzung, in deren Ver - aufrechterhalten und von vielen Einwohnern befolgt. Die lauf Herr Tannert das Ansinnen ablehnte: „Wir haben kein nationalsozialistische Propaganda hatte seit 1933 und Gewehr, keine Munition, keine Handgranate, keine Pan - ganz besonders in den letzten Wochen des Krieges die zerfaust, nicht mal eine Erkennungsmarke. Ich löse meine schlimmsten Gräuelmärchen über den „Bolschewismus“ Kompanie auf und schicke die Männer in die Wälder zu und über angebliche Untaten sowjetischer Soldaten ver - ihren Familien.“ Als seine Ehefrau ihm sagte, wegen die - breitet, wobei eine gewisse Verrohung der Moral in Kriegs - ser Befehlsverweigerung hätte man ihn erschießen kön - zeiten nicht von der Hand zu weisen ist. So versuchten nen, ob er nicht an seine Familie gedacht habe, antwortete große Teile der Einwohnerschaft, die notwendigste Habe,

106 Wertsachen, Papiere, in Säcken und Koffern verstaut, mit Richtung Torgau ein Kübelfahrzeug der deutschen Wehr - Fahrrad oder Handwagen die Elbe und von dort den Raum macht und durchführ die Kreuzung hinein in die Fried - zwischen Elbe und Mulde, wo die Amerikaner erwartet rich-List-Straße. Dabei fielen einige Schüsse. Er bog dann wurden, zu erreichen. Einige flohen mit dem Auto oder mit am damaligen Grundstück des Friseurs Metschke in die Pferd und Wagen. Andere verbarrikadierten ihre Einfahr - ehemalige Schulstraße (heute Heinrich-Zille-Straße) ein ten und Eingänge. Es gab auch 21 Selbstmorde in unse - und fuhr in Richtung Bad Liebenwerda davon. rem Ort. So endeten die 12 Jahre nationalsozialistischer Zwischen 10:00 und 11:00 Uhr sind nach überlieferten Herrschaft mit einem Chaos. Berichten Herr Dr. Gregor und Herr Fleischermeister Leh - mann mit einer weißen Fahne (Bettlaken) den von Herz - berg kommenden Panzern entgegengegangen. Ein Die Befreiung unseres Heimatortes Offizier habe die Erklärung entgegengenommen, dass Falkenberg keine Festung sei und sich kampflos ergebe. In den frühen Morgenstunden des 23. April 1945 verließ- Die Fahrzeuge drehten ab und schlossen sich offenbar en die letzten Flüchtenden, unter ihnen auch der Bürger - den in Richtung Beyern fahrenden Fahrzeugen an. Die meister, unseren Ort. Im Zentrum Falkenbergs sollen nur Übergabe soll in Höhe der Wirtschaft Große am Ortsaus - noch etwa 30 Personen gewesen sein, ganze Straßen - gang erfolgt sein. Herr Ingenieur Tannert ließ die Volks - züge waren menschenleer. Kurz vor 6.00 Uhr früh verlie - sturm-Kompanie vor dem Überlandwerk antreten und ßen etwa 60 Wehrmachtsangehörige, hauptsächlich schickte die Mitglieder nach einer kurzen Erklärung zu Verwundete und Soldaten mit Augenkrankheiten, den ihren Angehörigen. So wurde Falkenberg vor weiteren „Goldenen Anker“ in Richtung Torgau über Kölsa. Sie er - sinnlosen Opfern und Zerstörungen bewahrt. reichten Torgau noch vor der Sprengung der Elbebrücke Gegen Mittag rückten motorisierte und bespannte Grup - und gingen dann in amerikanische Gefangenschaft. pen, von Herzberg kommend, in Falkenberg ein. Ein Teil Zwischen 9:00 und 10:00 Uhr verstärkten sich aus nord - davon marschierte nach Kölsa, Panjewagen fuhren in östlicher Richtung die Panzermotorengeräusche - offen - Richtung Lönnewitz. Auch von Uebigau her kamen sowje - sichtlich auf Herzberg zu. Der damals in Falkenberg tische Einheiten mit Fahrzeugen, Motorrädern und Panje - lebende niederländische Staatsbürger Franz de Roy lief wagen, die, einem Bericht von Ernst Dietrich zufolge, von mit seinem Bruder zum „Goldenen Anker“, als in der Lin - zwei LKWs mit roten Fahnen angeführt worden seien. denstraße ein sowjetisches Panzerspähfahrzeug, besetzt Eine weitere Einheit bewegte sich an den Gleisen entlang mit einem Oberleutnant und drei Soldaten, kurz vor der von Uebigau her zum Falkenberger Bahnhofsgelände, sie Gaststätte hielt. Auf eine entsprechende Frage antwor - wurde am Schützenhaus von ausländischen Zwangsar - tete Herr de Roy in russischer Sprache: „In Falkenberg beitern, die ihren Lagerverwalter betrunken gemacht hat - sind keine deutschen Soldaten mehr. Es gibt hier keine ten, herzlichst begrüßt. Kasernen, nur den Flugplatz Lönnewitz. Alle deutschen Am späten Nachmittag kamen Einheiten der Roten Soldaten sind in Richtung Torgau weg.“ Plötzlich kam aus Armee auch von Marxdorf her über Schmerkendorf mit

107 Panjewagen, nachdem dort gegen Mittag Kradfahrer und steckten sich viele, in alten Kleidern vermummt, in Stäl - ein Geländewagen bis zur Dorfmitte gekommen waren len und Kellern. Jedoch waren keine böswilligen Hand - und sich nach deutschen Soldaten erkundigt hatten. Vom lungen gegenüber Kindern zu beklagen, ihnen Schmerkendorfer Kirchturm wehten weiße Bettlaken als gegenüber verhielten sich die Soldaten sehr rücksichts - Zeichen der kampflosen Übergabe. Die meisten von Lie - voll. benwerda heranrückenden Truppen bewegten sich je - Teilweise wurde geplündert, wurden Fahrräder, Uhren, doch zum Flugplatz Lönnewitz. Fotoapparate, Kleidungsstücke, Seifen und Kosmetik ge - Bereits in den Nachmittagsstunden des 23. April wurde stohlen, nicht nur von ehemaligen Ostarbeitern, auch Fal - in den Räumen des Verwaltungsgebäudes des Überland - kenberger Bürger waren beteiligt. Dann sorgten werkes eine Ortskommandantur eingerichtet. In den sowjetische Militärstreifen für sehr strenge Kontrollen, Abendstunden wurden einige Einwohner zum ersten Ar - bei Vergehen drohten auch den Militärangehörigen äu - beitseinsatz herangezogen. Sie mussten größere Men - ßerst harte Strafen. gen Panzerfäuste aus dem Wirtschaftsgebäude des Unmittelbar nach dem Einrücken der Roten Armee be - „Goldenen Anker“ und Bestände an Heeresverpflegungs - setzte diese die Bäckerei Schnelle in der Friedrich-List- konserven aus der Sattlerei Marschner (Friedrich-List- Straße 10. In der unteren Etage buk man Brot und Straße 3) in die Reichsbahnwagen bringen. belegte die Räume für einen Offizier und die tätigen Sol - Am 24. April wurde die verbliebene Bevölkerung durch daten, die Bewohner wohnten oben und wurden mit war - den Ausrufer, den KPD-Genossen Gerhard Schmidt, mit men Mahlzeiten versorgt. Für kurze Zeit wurde auch in den Bedingungen der Sperrstunde und weiteren Maß - der Bäckerei Thiele (später Jacobasch/Hanl) und im Gut nahmen vertraut gemacht. Alle Uhren mussten 2 Stun - Mangold (Kölsa) gebacken. Als eigentliche zentrale Bäk - den vorgestellt werden, es galt die „Russenzeit“. kerei für die sowjetischen Einheiten richtete man dann Mehrere Straßenzüge wurden durch sowjetische Militär - die Bäckerei Thieme an der Ecke Hufen/Mühlberger angehörige belegt, so z.B. die Schützenstraße, die ersten Straße (später Rahn/Schmidt) ein, besorgte die Backein - vier Häuser der Torgauer Straße durch eine Reparaturko - richtungen wegen der Bombenschäden aus einer Land - lonne, einige Häuser in der Friedrich-List-Straße, u. a. mit bäckerei. Otto Thieme musste mit zwei Gehilfen unter einer Sanitätseinheit. russischer Offizierskontrolle nach ausschließlich russi - schen Rezepturen Schwarzbrot, Weiß- und Mischbrot In den ersten vier bis fünf Tagen herrschte ein regelrech - backen. Dreimal täglich brachten Panjewagen die Brote tes Chaos. Einzelne Soldaten (meist Mongolen) waren, zum Flugplatz. Für wartende Kinder fielen immer einige stets mit Maschinenpistolen bewaffnet, unterwegs in Brote ab. den Straßen des Zentrums. Manchmal wurden Bewohner Die Knabenschule (Friedrichstraße) war von Russen be - bedroht. Sie suchten nach Mädchen und Frauen, es gab legt. Sie hatten ihre Pferde an der Mauer des Schulhofes etliche Vergewaltigungen, zum Teil mit lebensgefährli - festgebunden. Aus geöffneten Fenstern war oft lautstark chen Verletzungen und psychischen Folgen. Deshalb ver - der Gesang der Soldaten zu hören. Nicht selten sangen

108 sie beim Lagerfeuer auf dem Gründreieck Friedrich-/ wurde nach Freigabe der Wohnhäuser 1948 bis ans Ludwig-Jahn-Straße bis in die Nacht hinein ihre Lieder. Ende der Freiherr-vom-Stein-Straße zurückversetzt; Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Waffen abzuliefern, - die Schenkbreite war von 1947 - 1956 mit Schlagbäu - ebenso Radios und Fotoapparate - ein weiterer Besitz men (nur für russische Fahrzeuge passierbar) und mit wurde mit empfindlichen Strafen bedroht. Gehäuft lagen Posten abgeriegelt; die Radios auf dem Hof des Überlandwerkes, von Hilfspoli - - auch die große Fliegersiedlung (Walter-Flex-Straße, zisten mit Armbinden bewacht. Aber für drei Schachteln heute Clara-Zetkin-Straße) wurde durch hohe Bretterver - Zigaretten gab es manchmal ein „Mende“-Radio zurück. schläge völlig abgeriegelt. Überhaupt kamen Tauschgeschäfte vielfältiger Art auf. In manchen Häusern gab es aufgrund besonderer „Dienste“ Als Beispiele für von Russen besetzte Häuser seien ange - für Offiziere „alles“. führt: Tagelang fuhren von der Uebigauer Straße her durch die - in der Schenkbreite alle Häuser, ebenso in der Fichte- Friedrich-List-Straße Fuhrgespanne, Panzer und LKW am und Saarlandstraße; „Goldenen Anker“ vorbei (dort Verkehrsregelung durch - Dr. Gregor praktizierte bis zu seiner Verhaftung (denun - russische Soldatinnen) in Richtung Flugplatz. Man fragte ziert!) in der Villa in der Freiherr-vom-Stein-Straße, ab oft nach „Muuuhlberg“. Sommer 1946 wurde das Haus von einem Spezialkom - Als Hilfspolizisten wurden 16 - 18jährige Jungen mit Arm - mando besetzt (Dr. Gregor hatte bis dahin aufopfernd binden („0“) eingesetzt, u. a. am Überlandwerk, zur Be - gegen Typhus, Kriegsverwundungen und Geschlechts - wachung des Getreides in der Turnhalle, der Baracken im krankheiten - auch bei Russen - gekämpft); Bahnhofsgelände (es sollte mit Trümmerholz kein Feuer - Weitere Häuser dieser Straße wurden ab Juni/Juli 1947 entfacht werden). besetzt, u. a. Wagner, Haufe, Zscherneck und Hörig - In den verlängerten Hufen z. B. Harms, Schunack, Einzelne Straßenabschnitte wurden abgesperrt: Haase, Neumann, Thomas (bis 1956 mit Schlagbäumen - An Gregors Villa doppelte Schlagbäume mit Posten zur und Posten); Mühlberger Straße und zum Überlandwerk hin; - andere (z. B. Flehmig Nr. 37) von 1947 bis 1950; - von der Karlstraße her wurde ein Schlagbaum zum Ein - - belegt war die halbe Goethestraße; die Besetzung gang Überlandwerk errichtet (mit Posten); wurde unterschiedlich gehandhabt: zum Teil völliges - auch die Heckendurchgänge an der evangelischen Kir - Hausverbot für Deutsche, zum Teil Erlaubnis für Garten - che wurden mit Balken, Brettern und Draht versperrt, um bewirtschaftung und Kleinviehhaltung, zum Teil auch den Kommandantensitz im Überlandwerk zu sichern; zeitweiliges Betreten, um Kleidung zu holen; - um Dr. Gregors Villa wurde ein Bretterzaun gesetzt, spä - - das Grundstück Hufen 39 des Baumeisters Herbert Voigt ter ein Drahtzaun; hatte am 19. April einen schweren Bombentreffer (Stra - - die Saarlandstraße wurde von 1946 - 1948 zur Torgauer ßenmitte, Teer und Dachpappe brannten, verursachten Straße durch einen Bretterverschlag abgeriegelt; dieser tagelang beträchtlichen Gestank), jedoch blieb das

109 Wohnhaus unbeschädigt; Voigts mussten ausziehen Antifaschisten sorgen sich gemeinsam mit und wurden bei Hinsemanns untergebracht; das Wohn - dem sowjetischen Kommandanten um das haus diente (mit Gittern versehen) als Magazin, die Kel - Wohl der Einwohner lerräume wurden als Sauna eingerichtet; - im Haus Topfstedt (Ludwig-Jahn-Straße 12) wurde eine Bereits am 24. April 1945 nahm die sowjetische Kom - Russen-Nähstube eingerichtet; Herr Topfstedt musste mandantur Verbindungen auf, um eine demokratische Uhren für Russen bei Verwandten auf dem Fensterbrett Selbstverwaltung durch deutsche Antifaschisten aufzu - reparieren; bauen. Da in der hiesigen KPD-Ortsgruppe nur wenige - Ecke Mühlberger-/Theodor-Körner-Straße bestand bis Mitglieder organisiert waren und der führende KPD-Funk - 1956 eine russische Schneiderei (Masterskoje); tionär Edmund Herold erst 1946 aus der Gefangenschaft - bei Draht (Lorenz, Mühlberger Straße 13) wurden die zurückkehrte, erklärten sich der gemaßregelte Lehrer russischen Soldaten in einer „Waschanstalt“ abgespritzt und Vorsitzende der Falkenberger SPD, August Wilhelm und gereinigt (später als Garagen für russische LKW`s Küver, und Ernst Dietrich, Mitarbeiter des Überlandwer - genutzt), eine russische Wäscherei gab es in der Theo - kes, bereit, die deutsche Verwaltung zu übernehmen. dor-Körner-Straße 2 (vorn ein Magazin) Herr Küver wurde dann am 28. April 1945 durch den - bei Gierth (August-Bebel-Straße 2) wurden Stallungen Kommandanten, Major Ragosin, als Bürgermeister bestä - für Pferde eingerichtet; tigt. - bei Nauk (Ludwig-Jahn-Straße 3) richteten sich die GPU- Offiziere ein, während GPU-Mannschaften anfangs bei Folgende Ämter wurden geschaffen, sie bildeten einen Dr. Aschenbrenner (Liebenwerdaer Straße 3) unterge - „Rat der Dezernenten“: bracht waren (er praktizierte als Tierarzt wieder ab · Bürgermeister Küver, August Wilhelm, SPD, Versorgung 1946/47), die später in die verlängerten Hufen verlegt der Bevölkerung; wurden, · Dezernent Dietrich, Ernst, SPD, Angestellter beim Über - - in der Lindenstraße waren die ersten Häuser linksseitig landwerk, Arbeitsamt; nur für kurze Zeit besetzt (Blumberg bis Zahnärztin Bern - · Dezernent Wunderlich, Wilhelm, DDP (vor 1933 „Deut - thal), Frau Bernthal führte bis zum 6. Dezember 1947 sche Demokratische Partei“) dann CDU, Rektor i. R., Zahnbehandlungen auch bei Russen durch. Wohnungsamt; · Dezernent Schuck, Paul, SPD, Angestellter bei der Im „Goldenen Anker“ und in der Liebenwerdaer Straße 2b Reichsbahn, Fürsorge; richtete die Rote Armee Kraftfahrzeugreparaturwerkstät - · Dezernent Albert, Franz, KPD, Kohlenfahrer bei Nauk, ten ein. Ordnung und Sicherheit; Trümmerfrauen mussten in 8 Stunden 250 bis 300 Steine · Dezernent Loeber, Otto, DDP, dann LDPD, Lehrer i. R., abputzen, ebenso waren Schüler der 8. Klassen zum Stei - Steuerberater, Finanzen; neputzen beim Bahnbetriebswerk eingesetzt. · Dezernentin von Forstner, Ruth, SPD, Innere Verwal tung.

110 Das Amt für die Wasserversorgung wurde Paul Schmidt, beginnen. Am 25. April beorderte man eine größere An - KPD, Angestellter beim Wasserwerk, übertragen. Zu - zahl arbeitsfähiger Bürger mit den noch vorhandenen gleich begann ein Antifa-Ausschuss unter der Leitung Pferdegespannen zu Aufräumungs- und Transportarbei - des Obersekretärs Richard Bergmann, LDPD, zu untersu - ten zum Flugplatz. Diese blieben auch nachts dort, wur - chen, wer von den ehemaligen Mitgliedern der NSDAP den verpflegt und ihre Pferde vor Übergriffen durch nur als „Mitläufer“ galt und in Arbeitsstellen und Verwal - bespannte Einheiten und zurückflutende „Ostarbeiter“ tungen, zum Teil auch in leitenden Funktionen, aktiv am geschützt. Aufbau der neuen Ordnung teilnehmen durfte. Einge - Am folgenden Tage hatten sich alle Personen ab 14 Jahre setzte Kommissare der Roten Armee trafen die letzten mit Hacke und Spaten in der Bahnhofstraße einzufinden. Entscheidungen. So erfolgte die Reinigung von national - Etwa 160 Männer und Frauen wurden unter der Einsatz - sozialistischen Kräften. leitung eines sowjetischen Offiziers und mit strenger Be - Vor welchen schweren Aufgaben die Verwaltung stand, wachung durch sowjetische Begleitsoldaten bei der belegen Aufzeichnungen des Bürgermeisters Küver: „In Reichsbahn eingesetzt. Sie mussten vor allem Bomben- Falkenberg sieht es trostlos aus. Bahnhofstraße, Bis - trichter zuschütten und verschiedene Aufräumarbeiten marckstraße, Hufen, Schlageterstraße, Hindenburg - sowohl am oberen Güterbahnhof als auch bei der De - straße, Mühlberger Straße sind durch Trümmer, Masten, montage des zweiten Gleises in Richtung Torgau durch - Leitungen unpassierbar. Große Bombentrichter in den führen. Hufen vor der „Goldenen Kugel“, in der Bahnhofstraße Frau Friedel Burghardt berichtete: „Wir mussten von mor - vor dem „Preußischen Hof“, Ecke Bahnhofstraße/Fried - gens 7:00 Uhr bis abends 7:00 Uhr und länger arbeiten. rich-List-Straße, Bahnhof-/Bismarckstraße. Auf der Strecke nach Beutersitz mussten wir Schienen ab - Kein Licht, die Leitungen zerstört, kein Wasser, da Moto - bauen. Mit einem hüfthohen Schraubenschlüssel dreh - ren nicht pumpen und drücken können. Die Silos des ten wir die Schrauben auf. Dann mussten wir die Kornhauses verbrannt, Getreidesilos brannten, Erlers Schienenstränge etwa 50 Meter weit auf einen Haufen - Holzhof völlig zerstört; die Häuser der Hermann-Löns- träger, ebenso die kleinen Eisenplatten und Schrauben. Straße vernichtet; grauenhafte Verwüstung!“ Es war eine schwere Arbeit.“ Dann erfolgten die Arbeitseinsätze vom Marktplatz aus. Deshalb waren die ersten Maßnahmen der neuen Verwal - Die Arbeitseinsatzleitung unterstand Herrn Ernst Dietrich tung darauf gerichtet, die schlimmsten Folgen, wenn und war im Hause Eulitz am Markt 7 untergebracht. Alle auch meist nur behelfsmäßig, zu beseitigen und Vorbe - arbeitsfähigen Einwohner wurden registriert, ihre Anwe - reitungen für eine Normalisierung des Lebens zu treffen. senheit unterlag einer strengen Kontrolle. Ernst Dietrich Bereits am 24. April wurden einige Einwohner eingesetzt, - als Arbeiter mit den Problemen vertraut, bekannt und das verlassene Vieh in mehreren Bauernwirtschaften und geachtet - wusste die Menschen mit Einfühlungsvermö - auf den Weiden zu betreuen. Andere erhielten den Auf - gen und viel Verständnis ihren Fähigkeiten entsprechend trag, mit dem Zuschütten von Bombentrichtern im Ort zu einzusetzen.

111 Die Einsätze erfolgten auf dem Flugplatz Lönnewitz, im Am 1. Mai 1945 wurde Diplom-Ingenieur Heinrich Diecke Reichsbahngelände (vor allem bei Gleisinstandsetzungs- durch eine sowjetische Abordnung aus Uebigau geholt und Aufräumungsarbeiten), in der Molkerei, bei der Kom - und ihm der Auftrag erteilt, sich um den Bahnhof und mandantur und im Ortsgebiet. Etwa 20 Frauen wurden ganz besonders um die Instandsetzung der Elsterbrük - mit einigen LKW zu verlassenen Gütern an der Elbe ge - ken zu kümmern. Anfangs holte ihn täglich ein bewaff - fahren (z.B. Ottersitz), um Möhren und Zwiebeln zu ern - neter Posten nach Falkenberg, dann erhielt er eine ten. Später stellte man Bautrupps zusammen, um Dächer Bescheinigung, wonach er zur Fahrt zu seiner Arbeits - mit Ziegeln zu decken, die aus zerstörten Scheunen und stelle ein Fahrrad benutzte und „Laut Befehl des Orts - Ställen geborgen werden konnten, um dringend benö - kommandanten ist eine Beschlagnahme verboten und tigten Wohnraum wiederherzustellen bzw. zu gewinnen. wird bestraft“ - natürlich in deutscher und russischer Viele Monate lang wurde auch zu Arbeitseinsätzen an Sprache abgefasst. Sonntagen aufgerufen, meist als „Einsätze zur Wieder - Schon in den ersten Maitagen wurde beim Stellwerk B 20 gutmachung“ erklärt. In einer solchen „Vorladung“, zum eine Sanitätsbaracke eingerichtet, anfangs von einem Sonntag, dem 21. Oktober 1945, sich mit einer Schaufel Flüchtling, Dr. Underberg, dann von Dr. Köhler betreut. am Arbeitseinsatzbüro zu melden, heißt es: „Es handelt Am 15. Mai 1945 begann der sowjetische Bahnhofskom - sich nicht um Strafarbeit, sondern um eine Aufbauarbeit mandant Bratschenko seine Tätigkeit. Er sollte für ein in der Gemeinde. Bei Nichterscheinen ist der Grund anzu - noch zügigeres Vorgehen sorgen, denn eine baldige Wie - geben… gez. de Roy.“ Dazu wurden außerdem alle ver - deringangsetzung des Eisenbahnverkehrs war dringend fügbaren Gespanne der Bauern für Transportarbeiten erforderlich. Sowjetische Transporte mussten über unse - verpflichtet. Hauptsächlich ging es darum, ren Bahnhof geleitet, der Berufsverkehr nach den umlie - genden Orten ermöglicht werden. Gleichermaßen ging - auf den Straßen alle Bombentrichter zu beseitigen und es um die Weiterbeförderung ankommender Flüchtlinge die Bürgersteige von Schutt und Trümmern zu reinigen; und um die Sicherung dringender Wirtschafts- und Ver - - die Bombentrichter in den Schrebergärten systema - sorgungstransporte. So erschienen Ende Mai zwei Ku - tisch mit Schutt zu füllen und anschließend Mutterbo - riere aus Wittenberg und Dessau beim Falkenberger den aufzutragen; Bürgermeister und legten dar, dass beide Städte umge - - auf den Feldern ebenfalls die Bombentrichter mit hend Kohle benötigten. Diplom-Ingenieur Diecke wurde Schutt und Erde zu füllen; am 7. Juni zum Gemeindeamt beordert, dort wurde ihm - Dachstuhlreparaturen am Kornhaus durchzuführen und durch die Herren Küver und Schuck in zweisprachiger Lagerräume instand zu setzen: schriftlicher Form folgender Auftrag erteilt: „Franz - von Anfang Juni an auch Arbeiten am Gleis nach Torgau Schulze, Falkenberg/Elster, und Heinrich Diecke, Uebi - durchzuführen, um nach dem Wiederaufbau der Elb - gau, haben mit Zustimmung des Ortskommandanten von brücke den Transport von Lebensmitteln von dort nach Falkenberg/Elster den Auftrag erhalten, auf dem Bahn - Falkenberg zu ermöglichen. hof Falkenberg/Elster die Verbindung der Bahnstrecken

112 Wittenberg und Doberlug herzustellen. Sie dürfen für an - 58 vom unteren zum oberen Bahnhof, die Einfahrten zum dere Arbeiten nicht eingesetzt werden.“ Bahnhof und die Rampen herzustellen. So konnte Mitte Herr Diecke bekam über der Bahnmeisterei eine Woh - Juni die Einfahrt von nung zugewiesen. In den Räumen des ersten Bahnhofs - Wittenberg bis zum gebäudes wurde eine Dienststelle eingerichtet. Mitte Juni Gleis 3 betriebsfertig wurde der Obersekretär Engmann, ehemals Fahrdienst - gemeldet werden. leiter, als erster Bahnhofsvorsteher eingesetzt, an seiner Zur gleichen Zeit galt Seite die Assistenten Wilhelmi und Winzer. Ende des Mo - es auch, Lokomoti - nats erfolgte dann die Besetzung weiterer Dienststellen - ven zu bergen und leitungen: Bahnbetriebswerk (mit Gruppenleiter Paul instand zu setzen, Flehmig) und Bahnbetriebswagenwerk (Gruppenleiter und das in Anbe - Otto Müller) wurden bis 1949 als eine Dienststelle vom tracht der völlig zer - Lokführer Hermann Jüdicke geleitet, Herr Diecke über - störten Lokschuppen nahm die Bahnmeisterei. Als erster übte das SPD-Mit - I und II auf dem unte - glied Max Blavius die Funktion eines Vorsitzenden der ren Bahnhof meist Betriebsgewerkschaftsleitung im Bahnhof aus. unter freiem Himmel. Von den insgesamt Im Rahmen dieser Chronik können nicht alle Details des 40 überdachten Lo - Wiederaufbaus der Bahnhofsanlagen beschrieben wer - komotivständen den. Einige wichtige Abschnitte für das Jahr 1945 seien konnten nur 6 Repa - dennoch angeführt. raturstände notdürf - Teil des durch Luftangriffe weitgehend zer - störten Bahnbetriebswerkes - die Aufräumar - Bereits im Mai begannen die Aufräumungsarbeiten am tig wiederhergestellt beiten haben begonnen Kreuzungsbauwerk, das dann mit der Firma Erler, die ab werden. Die allmähli - Juli auch den Personentunnel in Angriff nahm, innerhalb che Aufnahme des Fahrbetriebes erfolgte überwiegend eines Vierteljahres aufgebaut wurde. Im ersten Bahn - vom Lokschuppen III des oberen Bahnhofs aus. Bei der hofsgebäude, das bis zur Bombardierung als Wohnhaus Instandsetzung von Waggons und Gleisanlagen musste genutzt wurde, begann man im Juni mit der Aufräumung Schwerstarbeit geleistet werden, manche Arbeitsmittel und mit dem Ausbau. Nun mussten wieder alle früheren konnten häufig nur auf an sich illegalen Wegen beschafft Durchgänge hergerichtet werden, nachdem zwischen- werden. Immer wieder mussten bei Erdarbeiten gefun - zeitlich in der Bahnmeisterei die Fahrkarten verkauft wur - dene Blindgänger von sowjetischen Spezialisten besei - den. Für den Betriebsdienst - Fahrdienstleiter, tigt bzw. gesprengt werden. Am 6. Juli konnte der Weichenwärter, Telefonbautrupps, Schrankenwärter usw. Personenverkehr bis zur Elbbrücke Torgau aufgenommen - stellte man wieder Reichsbahnbeschäftigte ein, forderte werden, deren gesprengte mittlere Überbauten lagen aus Wittenberg bis zu 180 Arbeitskräfte an, um das Gleis noch im Flussbett. Das bisherige Kreuzungsbauwerk war

113 zu diesem Zeitpunkt nur eingleisig befahrbar. Am 18. Juli verwaltung für Verkehr. So gab dann auch der bisherige gelang es dann endlich, den ersten durchgehenden Koh - sowjetische Bahnhofskommandant zum 1. September lezug zusammenzustellen und mit Falkenberger Perso - 1945 die Verantwortung an die eingesetzten Dienstvor - nal von Beutersitz bis Wittenberg zu fahren, davon waren steher ab, zu denen außer den bereits genannten Artur 2 Waggons für Falkenberg und 28 für Wittenberg be - Schmidt für die extra gebildete Hochbaumeisterei und In - stimmt. Am 23. Juli konnte die Durchfahrt unter dem genieur Magnus für das Sicherungswesen gekommen Kreuzungsbauwerk frei gemacht und die Verbindung vom waren. Gleis 1 nach Riesa in Betrieb genommen werden. Dann Mit der allmählichen Inbetriebnahme der Bahnanlagen erfolgte am 27. Juli die Aufnahme des Zugverkehrs in wurde in Falkenberg eine Revierzweigstelle der Bahnpo - Richtung Jüterbog, jedoch nur bis Arnsnesta, die Fahrgä - lizei eingerichtet, anfangs in der Baracke zwischen den ste mussten aussteigen und wurden im Pendelverkehr Gleisen am Stellwerk B 20, ab 1948 am Personenbahn - nach Jüterbog gefahren. Inzwischen waren die Arbeiten hof zwischen den Gleisen 2 und 3. am Gleis 5 nach Kohlfurt fortgeschritten und am 22. Au - Etwa 8 bis 12 Eisenbahner aus dem Betriebs-, Rangier-, gust die Strecke bis zur Elsterbrücke Liebenwerda als „be - Stellwerks-, Zugbegleit- und Wagenmeisterdienst sorgten fahrbar“ gemeldet worden. So ging es schrittweise voran. in blau-grau gefärbten ehemaligen Wehrmachtsunifor - Von besonderer Bedeutung war, dass zu Weihnachten men und mit russischen Waffen auf Streifendiensten für 1945 eine der Drehscheiben auf dem unteren Bahnhof die Überwachung der gesamten Bahnhofsanlagen, beob - wieder in Betrieb genommen werden konnte, um so die achteten Schleichwege zur Diebstahlverhinderung (Kohle, Lokomotiven der Baureihe 52 für die Reparations- und Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Ölsaaten usw.). Versorgungszüge nach Brest freizubekommen. Erst im Dann kam die Transportbegleitung von Güterzügen August 1946 erfolgte die Festlegung, weitere Lokstände hinzu, so dass mehr Bahnpolizisten eingestellt werden und auch die große Drehscheibe des unteren Bahnhofs mussten. Es gab auch Großeinsätze z.B. am Bahnhof El - wieder aufzubauen. Und erst 1947 kam auf dem oberen ster und in Mühlanger, Kontrollen in Zügen wegen zuneh - Bahnhof, auf dem die Bekohlung der Lokomotiven statt - mender Schieberringe wurden erforderlich. Bei der finden musste, ein Raupengreifkran zum Einsatz, um die Übergabe von Zügen an das nächste Polizeirevier muss - schwere körperliche Arbeit abzulösen, die zum Teil auch ten alle Waggons auf ordnungsgemäße Verplombung un - von Frauen verrichtet werden musste. Ohne die Probleme tersucht werden. Bei einem Schauprozess gegen einen näher zu beschreiben, sollen die Schwierigkeiten nicht Bahnpolizisten und mehrere Eisenbahner im „Goldenen unerwähnt bleiben, die bei der Wiederherstellung von Anker“ wurden Zuchthausstrafen bis zu 3 Jahren ausge - Weichen, Signalen und anderer Sicherungsanlagen zu sprochen. Bei besonderen Einsätzen forderte man zu - überwinden waren. sätzliche Kräfte aus den Betrieben als „Hilfspolizisten“ Mit dem Befehl Nr. 8 der Sowjetischen Militär-Administra - an. An Wochenenden galt es, Tumulte zu vermeiden, tion (SMAD) erfolgte die Übergabe der Reichsbahnbe - wenn Reisende aus den Braunkohlerevieren ihre Depu - triebe an die vorher gebildete deutsche Zentral- tatkohle zum Tauschen nach Berlin schaffen wollten und

114 ein Kampf um die Sitzplätze begann. Marxdorf, Lönnewitz, Kötten, Elsterberg, Beyern, Rössen Von den Betriebsangehörigen des Überlandwerkes und Bahnsdorf hinzu. wurde unter ähnlich schwierigen Bedingungen alle Kraft Die Wasserwirtschaft übernahm unter der Leitung von aufgewandt, um das Stromleitungsnetz wieder in Ord - Herrn Paul Schmidt die Reparatur der beschädigten Was - nung zu bringen. Das Verwaltungsgebäude und weitere serleitungen und Abwasserkanäle. Nach und nach brach - Häuser waren nach dem Einmarsch der Roten Armee als ten die in den Ort zurückkehrenden Geschäftsleute ihre Sitz der Ortskommandantur beschlagnahmt worden. Hier Läden wieder in Ordnung, manchen konnte sogar eini - sorgte ein Notstromaggregat für die erforderliche Be - ges von dem sichergestellten Diebesgut zurückgegeben leuchtung. Der Betriebsingenieur Kleine-Beck stellte Bri - werden. gaden mit den Montagemeistern Hanke, Otto, Höschel, Die Schuhmacher und Schneidermeister nahmen die Ar - Zier und Wünschmann zusammen, Ing. Blaue und Haupt - beit auf, als die Stromversorgung gesichert war. Ihre buchhalter Willy Kunz übernahmen den Innendienst. Werkstätten wurden von den Angehörigen der Besat - Fahrzeuge fehlten, Fahrräder wurden häufig unterwegs zungsmacht reichlich genutzt: abgenommen, so blieb mancher Fußmarsch nicht aus. Als die Stromversorgung gesichert war, nahmen die Bautrupps waren auch in Richtung Saxdorf, Altenau und Schuhmacher sowie die Damen- und Herrenschneider Mühlberg unterwegs, um Ortsnetze und Mittelspan - die Arbeit wieder auf. nungsleitungen instand zu setzen. Unter großen Anstren - Anfangs wurden ihre Werkstätten von den Angehörigen gungen gelang es, bereits am 19. Mai 1945 die der Besatzungsmacht reichlich genutzt. So wurden u. a. Stromversorgung unseres Ortes provisorisch wieder auf - für die Mannschaften Uniformen und Unterwäsche aus zunehmen. Mit der Leitung des Überlandwerkes wurde Nessel genäht. Aus Kundenmaterial entstanden für Offi - Herr Ernst Dietrich beauftragt. ziere und deren Frauen Zivilanzüge und Kleider. Die Be - Dem Einsatz des Postobersekretärs Paul Otto war zu ver - zahlung erfolgte nicht selten durch einen Mix von Geld danken, dass am 11. Juni 1945 in zwei Räumen der Wal - und Nahrungsmittel (z. B. Butter, Speck). ter-Rathenau-Straße 5 ein Notpostamt eröffnet werden Schneidermeister Krenkel und Schuhmachermeister Kra - konnte. Statt der Briefmarken erfolgte der Aufdruck „Ge - mer mussten mehrere Wochen auf dem Flugplatz arbei - bühr bezahlt“. Noch im Juni wurde eine Telefonverbin - ten, um Kleidungsstücke und Schuhwaren instand zu dung zwischen Falkenberg/Elster und Liebenwerda für setzen. Nach und nach ließen sich auch die Falkenber - Dienstgespräche hergestellt, während der sonstige Fern - ger aus erstandenen Stoffen oder gewendeten Anzügen sprechdienst erst am 6. August aufgenommen werden und Mänteln neue Garderobe fertigen. konnte. Als erster Leiter amtierte dann der Postinspektor In den folgenden Jahren erlebten durch die sowjetischen Bär. Nur 15 Mitarbeiter bewältigten die gesamte Arbeit Familien Handel und Handwerk (besonders Kürschner) im Notpostamt, auf dem Bahnhof und im Zustellbereich. einen nicht zu unterschätzenden Aufschwung. Im Jahre 1945 gehörten zum Amtsbereich nur noch Schmerkendorf und Kölsa, erst 1946 kamen Beiersdorf,

115 Der schwere Weg zur Normalisierung Roten Armee „gesichert“. des Lebens Der deutschen Selbstverwaltung in Falkenberg gelang es auch, die dringendsten Bedürfnisse an Textilien, In Falkenberg musste die Versorgung der Bevölkerung Schuhen und Haushaltwaren zu befriedigen. Dafür in Gang gebracht werden. Die alten Lebensmittelkarten stellte man schon im Mai 1945 ein Lager, das aus wäh - aus den Kriegsjahren waren am 30. April abgelaufen. rend des Krieges durchgeführten Spinnstoffsammlun - Anfangs gab man kleine handgeschriebene Marken mit gen herrührte, zur Verfügung. Bedacht wurden in erster Stempel heraus. In der Drogerie Heinze gab es Marga - Linie Bombengeschädigte, entlassene Soldaten und rine als Brotaufstrich (Großhändler Margarine–Schurig, Flüchtlinge. Bis zum September wurden 1300 Bezugs - Hufen 29, versorgte die Geschäfte), bei Stuffs gab es scheine über Textilwaren und 3100 Berechtigungs - Quark, bei Nowaks und Konczaks Margarine und Kolo - scheine für Nährmittel ausgegeben. Strümpfe und nialwaren, bei Werners grüne Heringe. Auf Veranlas - Unterwäsche gab es in geringem Umfang auf besondere sung des Kommandanten wurden neue Karten Abschnitte der Kleiderkarte. In den letzten zwei Wochen gedruckt. Die Zuteilungen mussten in der Gemeindever - des Jahres 1945 konnte man 1500 Bezugsscheine für waltung der gegebenen Situation entsprechend festge - Arbeitskleidung, Unterwäsche und Wollstoffe verteilen, legt werden. Aus den Silos des Kornhauses verwendete davon 60% an Umsiedler, 30% an entlassene Soldaten man das gelagerte Getreide Es war durch den Brand des und 10% an Sonstige. Ähnlich gering fiel auch die Ver - Dachstuhles und der Umladehalle angebrannt, durch sorgung mit Wintermänteln und Schuhen aus. Zur Be - den Regen auch angekeimt. Es ergab ein Brot, wogegen hebung der größten Not mussten aus Altmaterial 160 unser heutiges Schwarzbrot die feinste Backware dar - Paar Holzsandalen und 250 Paar Pantoffeln angefertigt stellt. Weiteres Getreide gab die sowjetische Komman - werden. In der Folgezeit ging man dazu über, Bezugs - dantur frei. Solange es keinen Strom gab, wurde es in scheine für Textilien und Schuhe unter Einschaltung der den Wassermühlen in München und Neudeck gemah - Gewerkschaftsleitungen zu verteilen, um eine gerech - len. Das erforderte viele Transporte mit Pferdegespan - tere Versorgung zu gewährleisten. Bei der Verteilung nen. Als die Stromversorgung gesichert war, konnten in von Haushaltsgeräten zog man den Frauenausschuss der Mühle Nölte und in Kühns Mühle Hafer und Gerste hinzu. gemahlen und dem Roggenmehl beigemischt werden. Wie aus dem Verwaltungsbericht des Bürgermeisters Bier-Werners Kutscher fuhr das Mehl zu den Bäckereien Küver für die Zeit vom 28. April 1945 bis zum 30 Sep - (mit roter Fahne und zur Sicherheit mit Begleitperson tember 1946 an die Kreisverwaltung in Bad Lieben - Holz-Müller). In den ersten Wochen gab es sogar 1500 werda weiter hervorgeht, zahlte die Gemeindever- g bzw. 1700 g Brot je Woche und Person, weit mehr als waltung jedem, der gearbeitet hatte, erst einmal 100 in anderen Kreisen. Margarinelager waren in ausrei - Mark aus. Das reichte aus, um das wenige zu bezahlen, chendem Umfang vorhanden, es gab jedoch keine But - was es zu kaufen gab. ter. Die Fleischversorgung wurde durch Einheiten der Die etwa 20 000 Mark kamen durch den Verkauf von

116 Mehl und Margarine ein, ebenso durch das Stromgeld, Am 23. Mai 1945 wurde im ehemaligen Herrenhaus des das anfangs bei der Gemeinde abzurechnen war. Im Rittergutes eine Krankenstation zur Versorgung der vie - Juni 1945 begann die Gemeindeverwaltung auch wie - len Flüchtlinge, die damals durch Falkenberg zogen, ein - der Unterstützungen zu zahlen, verlangte aber dafür gerichtet. Sie war täglich voll belegt. Die ärztliche teilweise Arbeitsleistungen auf dem Flugplatz Lönne - Versorgung lag in den Händen von Herrn Dr. Gregor, spä - witz, bei der Kommandantur und auf dem Bahnhof. Al - ter, nach dessen Verhaftung, von Herrn Dr. Köhler. Als die lein bis Ende November kamen 166 343 RM zur Station in das Überlandwerk verlegt wurde, leistete auch Auszahlung, 22 945 RM an arbeitsunfähige Personen eine sowjetische Ärztin hervorragende Hilfe. In diesem und 4 800 RM als vorläufige Darlehen für solche Perso - „Krankenhaus“, das dann über 65 Betten verfügte, konn - nen, deren Rente noch nicht wieder gezahlt wurde. ten ab August Wöchnerinnen aufgenommen werden. Al - Mitte 1946 erhielten 421 Umsiedler und 302 Ortsein - gesessene Unterstützungsgelder einschließlich der Zahlungen für Krankenversicherung, ärztliche Behand - lung, Arzneien und Begräbniskosten. Aus regelmäßigen freiwilligen Spenden konnten monatlich 7500 RM für elternlose Kinder gezahlt werden. Vom 1. November 1945 an legte Marschall Shukow, der Oberkommandie - rende der sowjetischen Besatzungsarmee, einheitliche „arbeitsabhängige Verpflegungsnormen“ für die sowje - tische Besatzungszone fest. Als tägliche Mengen (in Gramm) waren u. a. vorgesehen (Auszug):

Schwerst- Arbeiter Angestellte Kinder Übrige arbeiter bis zu 15. J. Bevölkerung Brot 450 400 250 200 200 Nährmittel 40 20 15 10 10 Kartoffeln 500 300 300 300 300 Zucker 25 20 20 25 15 Marmelade 30 30 30 30 30 Fleisch 40 25 20 15 -- Fette 20 20 10 15 10

Schrittweise traten zum Teil geringfügige Erhöhungen der Rationen ein. Lebensmittelkarte vom Mai 1946

117 lerdings musste wegen des Auftretens von Typhus, Diph - schen den verschiedenen Stellen transportiert werden therie und Scharlach auch eine Isolierstation eingerichtet mussten, nahm Bürgermeister Küver den Vorschlag der werden. Allein im Mai / Juni 1946 erfolgten etwa 8000 DRK-Helferin Karin Schäfer auf, möglichst in Bahnhofs - Typhus-Schutzimpfungen, weil bis dahin 36 Menschen nähe eine neue Betreuungsstelle zu errichten. Die Ge - an Typhus und Diphtherie gestorben waren. meinde stellte dafür ehemalige Baracken-Unterkünfte am „Badeteich“ und die Reichsbahn im Trümmergebiet des Die Weiterleitung der mit der Eisenbahn ankommenden Bahnhofs einen Standplatz für eine solche Baracke zur Ver - Menschenmengen gestaltete sich immer schwieriger, da diese vor den zerstörten Teilen des Bahnhofs aussteigen und dann bis zu einem außerhalb des zerstörten Bahnhofs abfahrenden Zug gebracht werden mussten (in der Regel erfolgte dies zu Fuß). Neben „gesunden“ Menschen gab es eine große Anzahl von Frauen und Kleinkindern sowie Verletzten und Verwundeten. Eine wenigstens minimale Betreuung dieser Menschen war dringend erforderlich. Am 20. April 1945 wagte sich Karin Schäfer (später Frau Schmidt-Falkenberg), trotz möglichem Beschuss durch Tiefflieger, auf das zerstörte Bahnhofsgebiet und stellte fest, dass die bisherige Betreuungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ebenfalls zerstört war. Unter dem Ein - druck der Not der Menschen entschloss sie sich in einem aus den Gleisen geworfenen, schräg stehenden Post-Ei - senbahnwaggon, in dem ein brauchbarer kleiner Ofen stand, Wasser abzukochen und, soweit vorhanden, Tee aufzubereiten, um so wenigstens eine minimale Hilfe zu ermöglichen. Einige freiwillige Helfer von Eisenbahnbe - diensteten unterstützten sie dabei durch Herbeischaffen von Brennholz und dergleichen. Mit Zustimmung des Bür - germeisters Küver wurde die Betreuungsstelle Ende Juni 1945 in die Gaststätte „Gesellschaftshaus“ und teilweise fügung. Am 17. August 1945 konnte Karin Schäfer dem in die „Gaststätte Jotz“ verlegt, wo vor allem auch die drin - Bürgermeister eine ausgewählte und angemessene Ba - gend erforderlichen sanitären Einrichtungen hinreichend racke benennen und einen Bauplan für den Standplatz zur Verfügung standen. im Bahnhofsbereich vorlegen. Die Planierung des Stand - Da Hilfesuchende und behinderte Menschen oftmals zwi - platzes und der anschließende Aufbau der Baracke er -

118 folgten mit Unterstützung der Reichsbahn (Ernst Dietrich) sche Soldaten eingerichtet werden, was zu einem weite - und durch Arbeitskräfte, die sich auf Anordnung der Orts - ren Anbau führte. Die erforderli - kommandantur täglich zur Arbeitszuweisung am Markt - chen Spritzen und Medikamente platz (durch den Beauftragten de Roy) einfinden stellte das (deutsche) Kreisge - mussten. Besonders hervorgehoben sei die Zuweisung sundheitsamt zur Verfügung. von Max Kossatz, der ab der ersten Stunde als vielseiti - Die Behandlung der Soldaten ger Handwerker und später als Betreuungshelfer (bis durfte, nach einer entsprechen - 1956) wertvolle Dienste geleistet hat. Auch frühere DRK- den Kurzausbildung, nur die Lei - Helferinnen nahmen zunehmend wieder am ehrenamtli - terin des Dienstes ausführen, chen Bahnhofsdienst teil. Da von der Gemeinde keine was auch nachts erfolgen finanziellen Leistungen bereitgestellt werden konnten, musste, wenn dies von einem wurden zur Begleichung der unumgänglichen Kosten Soldaten gefordert wurde. Die Sammelaktionen sowohl im Ort als auch in haltenden Ei - Sanierstube war durch ein gro - senbahnzügen durchgeführt. Die örtliche Leitung des ßes Hinweisschild in russischer Deutschen Roten Kreuzes in Falkenberg war inzwischen Sprache gekennzeichnet. Sanierstube Herrn Wünschmann (wieder) übertragen wurden, der Karin Schäfer nunmehr auch offiziell als Leiterin des DRK- Der DRK-Bahnhofsdienst hat sodann einen wesentlichen Bahnhofsdienstes in Falkenberg bestätigte. Beitrag zur Eingliederung von „Neubürgern“ in Falken - Auf Anordnung der sowjetischen Ortskommandantur berg geleistet. Der Gemeinde war ein Kontingent von musste in der DRK-Betreuungsstelle zur Bekämpfung von 2000 Personen zugewiesen worden. Hinzu kam ein wei - Geschlechtskrankheiten eine Sanierstube für sowjeti - teres Kontingent deutschstämmiger, aus der Sowjet - union entlassener Zwangsarbeiter aus Siebenbürgern und dem Banat (Rumänien), darunter 11 hochschwan - gere Frauen und etwa 25 Schwerkranke. Im Hinblick auf den durch Bomben zerstörten Wohnraum und eine zusätzliche Beschlagnahme von Wohnraum durch die sowjetische Ortskommandantur war der Ge - meinde eine Lösung des Unterbringungsproblems fast nicht mehr möglich. Die Leiterin des DRK-Bahnhofsdien - stes erklärte sich bereit, die Rumäniendeutschen vorläu - fig in der Betreuungsstelle unterzubringen, wenn die Gemeinde die dafür notwendigen Betten und sonstiges Notwendige zur Verfügung stellt. Die Gemeinde nahm Verpflegungsstelle des DRK den Vorschlag dankbar an. Zur Entbindung der Frauen

119 konnten diese kurzfristig in die Wohnung der Leiterin des machte sich der Ausfall an Wohnungen durch die Bom - Dienstes in der Torgauer Straße 35 umsiedeln. So kamen bardierung noch nicht so krass bemerkbar, denn am 4. dort 11 Kinder zur Welt, die auch in der Falkenberger Kir - Mai 1945 waren im Ort nur 3700 Einwohner anwesend. che getauft wurden. Die etwa 1000 ausgebombten Bürger mussten in den er - haltenen Wohnungen untergebracht werden, man rückte zusammen, und angesichts der Eindrücke der letzten Wo - chen war im Allgemeinen dafür viel Einsicht vorhanden. Küche, Wohnräume und Keller nutzte man gemeinsam. Dennoch häuften sich die Zwistigkeiten, oft durch die Lebhaftigkeit und das Lärmen der Kinder verursacht. Lau - fend mussten Umquartierungen vorgenommen werden. Bald aber verhärtete sich die Situation. Am 15. Mai waren schon 5131 und am 31. Mai 1945 bereits 6078 Einwoh - ner registriert. Familienangehörige und Verwandte aus noch ärger zerstörten Orten suchten bei Eltern und Ge - schwistern Unterkunft, etwa 2000 Umsiedler mussten als „Neubürger“ mit Wohnraum versorgt werden. Mancher der vorübergehend in den Baracken der Reichsbahn und

Eine Gruppe von Rumäniendeutschen, einige mit ihren in Falkenberg ge - borenen Kindern, vor ihrem „Wohnheim“, der Baracke des DRK-Dienstes. Unter ihnen (in weißer Dienstkleidung) die DRK-Helferinnen Frau Bürger (links), Frau Schäfer (2. v. links), Frau Radecke (rechts).

Bedeutende Teile der Aufwendungen für die Gesund - heitseinrichtungen sowie die Kosten für die Verpflegung der entlassenen Kriegsgefangenen und Umsiedler (allein im ersten Halbjahr 1946 waren es rund 23 000 Portionen Essen und 180 000 Liter Tee) kamen aus Haussammlun - gen und freiwilligen Spenden. Ein am 1. Pfingstfeiertag 1946 von der Kapelle Erich Wallwitz durchgeführtes Wunschkonzert erbrachte zugunsten des Krankenhauses einen Reingewinn von 1 600 RM. Erhebliche Sorgen bereitete der Gemeindeverwaltung die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum. Anfangs Haushaltspaß zum Warenbezug aus dem Jahre 1946

120 des ehemaligen Reichsarbeitsdienstes untergebrachten rialien fehlten. Die älteren Schüler setzte man die meiste Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten blieb in Falken - Zeit zu Aufräumungsarbeiten ein. berg. Hinzu kam die Beschlagnahme von 221 Wohnun - In den Kreisen und größeren Orten wirkten sowjetische gen für Angehörige der Roten Armee, wodurch weitere Bildungsoffiziere. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 17 1022 Personen mit Wohnraum versorgt werden mussten. der SMAD vom 27. Juli 1945, der die Bildung einer Zen - Alle nur erdenklichen Räume, zum Teil auch Waschkü - tralverwaltung für Volksbildung vorsah, standen sie den chen und Bodenkammern, wurden genutzt. Eine in Eile Schulverwaltungen mit Ratschlägen, Weisungen und erarbeitete Wohnraumkartei enthielt manche Ungenau - Kontrollen zur Seite. Für den damaligen Kreis Lieben - igkeit, diente sie doch zugleich als Grundlage für die werda wurde der wegen seiner jüdischen Abstammung Brennstoffzuteilung. Die Mitglieder der Wohnungskom - von den Nazis gemaßregelte Mittelschullehrer Pinn aus mission waren nicht zu beneiden, sie mussten manche Mühlberg als Schulrat eingesetzt. Der Befehl Nr. 40 bein - Beleidigung bei den Besichtigungen und Zuweisungen haltete dann eine Anordnung über die Säuberung der einstecken. Einer Erklärung des Bürgermeisters Küver zu - Schule und Lehrerschaft von nationalsozialistischen Ein - folge kamen in Falkenberg immerhin noch 9,2 Quadrat - flüssen und unterstützte damit die schulpolitischen Be - meter Wohnflächen auf die Person, während im Land strebungen der antifaschistisch-demokratischen Kräfte. Sachsen der Durchschnitt 7 bis 8 Quadratmeter betrug. Der Unterrichtsbeginn wurde für alle allgemeinbildenden Im Juni 1945 konnte auch der Kindergarten in der Linden - und berufsbildenden Schulen auf den 1. Oktober 1945 straße eröffnet werden. Etwa 60 bis 70 Kinder besuchten festgelegt. Alle Schüler waren wieder anwesend, dazu ihn täglich, im Jahre 1946 kamen schon bis zu 80 Kin - eine beträchtliche Anzahl von Kindern der Neubürger. der, für die kostenloses Mittagessen ausgegeben wurde. Neu war die Gemeinschaftserziehung von Mädchen und Allerdings konnten viele Kinder, deren Mütter unbedingt Jungen, alle erlernten vom 5. Schuljahr an die russische hätten arbeiten und Geld verdienen müssen, nicht unter - Sprache. Die Schule am Sportplatz nahm die 5.-8. Klas - gebracht werden. So mussten in zahlreichen Fällen sen auf. Erste Schulbücher gab es im Spätherbst 1945, alleinstehende Frauen und Nachbarn Hilfe leisten. wobei es sich zumeist um Überarbeitungen aus der Wei - Am 11. Juni 1945 begann in Falkenberg wieder der Schul - marer Republik handelte. In Liebenwerda begannen unterricht. Beide Schulgebäude waren unversehrt geblie - Ende des Jahres 1945, in Grochwitz Anfang Januar 1946 ben. Es fanden sich 665 Schüler in den 1. bis 7. Klassen Ausbildungskurse für „Neulehrer“, die zumeist andere der Volksschule und 159 Schüler in den 1. bis 6. Klassen Berufe erlernt hatten oder ohne Beruf aus dem Kriege der Mittelschule ein, die unter der Leitung von Rektor heimkehrten. Wunderlich von 12 Lehrkräften betreut wurden. Zu die - Am 4. September 1945 trat in der sowjetischen Besat - sem Zeitpunkt waren noch nicht alle Kinder mit ihren El - zungszone die Verordnung zur Durchführung der demo - tern nach Falkenberg zurückgekehrt. Von einem kratischen Bodenreform in Kraft. Die in Falkenberg planmäßigen Unterricht konnte noch nicht gesprochen gebildete Gemeindebodenkommission leitete Herbert werden. Lehrpläne und Lehrbücher, auch Schreibmate - Schuck. Enteignet wurden 1662,22 ha Land des Gutes

121 Kiebitz (Wilhelm Massante), 20,83 ha auf Falkenberger den. Außerdem wurde die Wirtschaft Labedzki am 20. Juni Flur gelegene Teile des Gutes Großrössen (von Will - 1946 auf Anordnung der Kreiskommandantur enteignet mowski) und 8,24 ha ebenfalls zu Falkenberg gehören - und Herrn Herbert Schuck zur Bewirtschaftung übergeben des Land des Gutes Neudeck (Roth). (heutige Besamungsstation). Im Abschlussprotokoll vom 7. Mai 1946 wurde festgehal - Die Zerstörungen des Krieges hatten auch vielen Bauern ten, dass das Land an 5 landlose Bauern, 7 landarme große Schwierigkeiten gebracht. Für die Neubauern mussten Wohnungen, Wirtschaftsgebäude errichtet, Vieh, Inventar und Geräte beschafft werden. Vor allem fehlte es an Zugkraft, Saat- und Pflanzgut. Um derartige Aufgaben gemeinschaftlich zu lösen, bildete sich am 5. Mai 1946 unter dem Vorsitz von Herrn Karl Hendel ein Ausschuss der „gegenseitigen Bauernhilfe“. Dieser regelte Arbeits-, Gespann- und Maschineneinsätze, die gerechte Vertei - lung zinsfreier oder mit 3% zu verzinsender Kredite, die Aufschlüsselung der an den Staat zu liefernden Produkte und die Bereitstellung von Saat- und Pflanzgut und Dün - ger. Am 28. Juni 1947 erfolgte dann in unserem Ort die Gründung der „Vereinigung der gegenseitigen Bauern - hilfe“ mit 39 Mitgliedern. In der Falkenberger Molkerei trat wegen des Stromaus - falls ein Produktionsstillstand ein, der am 1. Juni 1945 behoben werden konnte. Jedoch fielen zunächst nur ge - ringe Milchmengen an (geringste Anlieferung: 600 Liter), weil die landwirtschaftlichen Betriebe die Milch zum Teil

Bodenreform im September 1945; der Landrtat des Kreises Liebenwerda selbst für Futterzwecke oder zum Buttern verwendeten, übergibt die Bodenurkunden manches Vieh von der Roten Armee requiriert war und au - ßerdem ein beträchtlicher Mangel an Transportfahrzeu - Bauern und 6 Umsiedler verteilt worden ist. Diese erhiel - gen bestand. Erst 1946 konnten durch die Molkerei ein ten das Land mit einer Urkunde durch den Landrat Pau - LKW und 3 Pferdewagen beschafft werden. lick zugestellt und hatten für den Boden eine Summe zu Im nördlichen Teil des Rittergutsgebäudes wurde 1945 entrichten, die de m Wert einer Jahresrente entsprach. Die eine Kartonagenfabrik mit fast 50 Beschäftigten einge - Bauern bekamen das Land als unveräußerliches Eigen - richtet, die Etuis und Schachteln verschiedenster Art her - tum, um es selbst und durch ihre Familie zu bearbeiten. stellten. In den unteren Räumen standen die Maschinen, Es durfte weder geteilt noch verpachtet noch verkauft wer - in zwei oberen wurde geklebt. Als die beiden Leiter 1947

122 unseren Ort verließen, zog die Belegschaft unter der Lei - tung des Meisters Mischur in die ehemaligen Arbeits - dienstbaracken an der Uebigauer Straße um. Auf dem Grundstück Mühlberger Straße 38 gründete der aus Züllichau zurückgekehrte Falkenberger Ingenieur Karl Schmidt einen Handwerksbetrieb in Baracken, die eine Lehrwerkstatt des Flugplatzes Lönnewitz beherbergten. Am 15. Oktober 1945 war der offizielle Gründungstag des Betriebes, dem durch die Gemeinde zwei weitere Barak - ken zur Verfügung gestellt wurden, eine Werkstatt und eine Wohnbaracke für 8 Familien. Mit viel Einfallsreichtum wurden aus Behältern für Grana - ten, Panzertanks, Betonstahl, Panzerkettenbolzen, Gas - maskenbehältern, LKW- und Waggonfedern und Ingenieur Karl Schmidt (1902 - 1988) ähnlichem „Abfallmaterial“ einfache Gebrauchsgegen - Begründer und Inhaber der Elektrofirma ESFA stände für die Bevölkerung und für die Landwirtschaft hergestellt: Feuerhaken, Kohleschaufeln, Kohlekästen, Arbeit in einem Unternehmen, das bald in der Elektroge - Obstpflücker, Kartoffelstampfeisen, Rübenhacken, Hand- rätebranche einen guten Ruf hatte. sämaschinen, Eggen, Kohleherde, Leuchter seien als Bei - Herr Ingenieur Schmidt war ein hoch geachteter Betriebs - spiele genannt. Schon Ende 1945 waren 16 Beschäftigte leiter, für soziale Belange stets aufgeschlossen. In erster tätig. Dann wurden erste elektrische Geräte produziert Linie stellte er Umsiedler ein, wohnte mit seiner Familie in wie Bügeleisen und Glühkochplatten mit offener Spirale, einer Baracke. Erst nach der Fertigstellung aller Werkhal - außerdem verschiedene Reparaturen ausgeführt. Nach An - len ließ er sein eigenes Wohnhaus bauen. fertigung entsprechender Werkzeuge konnte dann 1946 Auch in anderen Industrie- und Handwerksbetrieben die erste Kleinserie von Haushaltbügeleisen produziert konnten anfängliche Schwierigkeiten überwunden wer - werden. Dank der kaufmännischen Tüchtigkeit und des den, die Geschäfts- und Handelstätigkeit entfaltete sich hervorragenden technischen Könnens von Herrn Schmidt allmählich, Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft fan - entwickelte sich dieser Betrieb ausgezeichnet. den Hilfe vom Arbeitsamt und vom Deutschen Roten Im Jahr 1948 konnte eine Werkhalle gebaut werden, die Kreuz, viele fanden wieder Mut zum Leben. ersten Futterdämpfer für die Landwirtschaft verließen den Leider gab es auch Ereignisse, die diese Entwicklung Betrieb. An der Frühjahrsmesse 1950 beteiligte sich der überschatteten. Da wurden Bürger zu einem Verhör be - „Elektrogerätebau Ing. Karl Schmidt, Falkenberg“ (später stellt oder geholt, das in der alten Molkerei durchgeführt unter dem Firmenzeichen „ESFA“) mit Zwei-Platten-Elek - werden sollte. Doch sie kamen nicht wieder nach Hause troherden. Zu dieser Zeit fanden bereits 51 Beschäftigte und verschwanden auf Lastkraftwagen in Richtung Flug -

123 platz, so geschehen am 19. Juli 1945. Andere wurden am Das gesellschaftliche Leben beginnt sich zu 2. September 1945 zu einem „Arbeitseinsatz“ zum Markt - entfalten platz bestellt(„mit doppelter Unterwäsche und Woll - decke“) – auf dem Weg über das Gefängnis in Bad Als die Bevölkerung im Mai 1945 zu Arbeitseinsätzen Liebenwerda kamen sie in „Internierungslager“ nach zum Marktplatz gerufen wurde, bestellte der Dezernent Mühlberg/Neuburxdorf, Buchenwald oder Sachsenhau - Paul Schuck den damals noch jungen Max Hermann (sein sen. Die meisten von ihnen waren nur „kleine“ Parteige - Vater Ernst gehörte der SPD an) zum Gemeindeamt, da nossen oder SA-Leute, manchmal nur Helfer der NS- er wegen einer Kriegsverletzung keine körperliche Arbeit Volkswohlfahrt. Wer hat sie denunziert? Wer schrieb die leisten konnte, Er sollte eine Antifa-Jugend bilden, sich Liste? Manche sind leider nie wieder heimgekommen. Die ausschließlich mit Jugendfragen beschäftigen und dafür Angehörigen kannten weder Sterbeort noch –tag. Andere Sorge tragen, dass die „ Jugend von der Straße weg“ kamen nach Jahren heim, oft durch Krankheiten gezeich - kam. Der Kommandant stellte Kellerräume im Überland - net, zum Stillschweigen verpflichtet. Bedauerlich und tra - werk für die Jugendarbeit zur Verfügung. Da gab es einen gisch zugleich ist, dass zwei Männer, denen offensichtlich größeren Raum für Sport (vor allem zum Boxen) und für die kampflose Übergabe Falkenbergs zu verdanken ist, die Volkstanzgruppe, ein kleines Büro und einen Raum Herr Dr. Gregor und Herr Tannert, die „Internierung“ nicht für die Zirkel in Englisch, Russisch, Stricken und Häkeln, überlebten! In der „Elbe-Elster-Rundschau“ vom Schreibmaschine und Stenografie. Als Mitglied des An - 18. 12. 1990 legte Herr Dr. Horn aus Dubro dar, dass nach tifa-Jugendausschusses erwarb sich u.a. Gerda Kirchhö - derzeitigem Kenntnisstand von 31 ohne Grund Verhafte - fer außerordentliche Verdienste. Sie bemühte sich ten aus Falkenberg 19 nicht wieder nach Hause kamen. besonders um die kulturelle Betätigung der Jugendli - chen, sang mit ihnen bei jeder sich bietenden Gelegen - heit und übte Volkstänze ein. So entstanden eine feste Singgruppe und eine Volkstanzgruppe, die in der schwe - ren Zeit vielen Einwohnern Freude bereiteten, außerdem begann sie auch mit Gesellschaftstanzstunden. Es ent - stand eine eigene Musikgruppe („Streichorchester“) mit Horst und Wilfried Scheibe, Erika Hermann, Horst Groß - mann, Gunter Nentwig und Hans Kruppa. Sie erwarb sich bald große Anerkennung, umrahmte viele Veranstaltun - gen und wurde 1. Sieger beim Landesausscheid in Halle. Für die Rentner wurde Brennholz geschlagen, im Über - landwerk gesägt und kostenlos verteilt. Mehrfach räum - ten die Jungen Waggons für die Versorgung der Bevölkerung aus und halfen so der Gemeindeverwal -

124 tung. Große Bemühungen gab es, den Sport zu beleben. nen Hand an bei der Beseitigung der Kriegsschäden, bei Ein Fußballklub bildete sich. Jerseys und Stutzen fertigte der Instandsetzung von Wohnungen. Ihre Mitgliederzahl man mit Hilfe der Strickerei Nixdorf an, und die ersten wuchs zusehends an. Daneben entwickelte sich eine ge - Spiele erfolgten gegen Mannschaften der Roten Armee werkschaftliche Jugendgruppe (Horst Knoll, Erhard als „Freundschaftsspiele“. Die Sportfreunde Stachowiak Metschke, Gerhard Exner u.a.), die sich in den Räumen und Fritz Knopf standen hilfreich zur Seite. Und mit Er - des Wohnhauses Erler traf, später aber gezwungen hard Lehmann trainierte schließlich eine Tischtennis - wurde, ihre Eigenständigkeit aufzugeben, genauso wie gruppe. Das Hauptanliegen einer sinnvollen eine eigenständige Jugendgruppe des Überlandwerks. Freizeitgestaltung umfasste ebenfalls Diskussionsrun - Besondere Erwähnung verdient auch die Arbeit des Mu - den zu weltanschaulichen Problemen, zu Entwicklungs - sikerziehers Hermann Lamberty. Im Januar 1946 grün - fragen der antifaschistisch demokratischen Ordnung und dete er die Lamberty Sing- und Spielgruppe, die zur Analyse der jüngsten Vergangenheit. Die Stadtleitung größtenteils junge, aber auch einige ältere Laienkräfte der Antifa-Jugend lag dann in den Händen von Gerhard erfasste. Die Pflege und Darbietung echter Volksmusik Grischau, Günter Höse und Hans Schulz. trug über Jahrzehnte dazu bei, vor allem junge Menschen Als im Frühjahr 1946 in der damaligen sowjetischen Be - an die Musik heranzuführen und vielen, weit über unsere satzungszone (der „Ostzone“) eine allumfassende, neue Ortsgrenzen hinaus, Freude zu bereiten. Hinzu kam, dass Jugendorganisation, die „Freie Deutsche Jugend“, ge - die Erlöse der Veranstaltungen oft wohltätigen Zwecken gründet wurde, gab es erregte Auseinandersetzungen. zugute kamen. Auch das Streichorchester Fritz Braun Viele wollten keine neue „Staatsjugend“, man hatte nahm seine Tätigkeit wieder auf, übte im Überlandwerk genug von der vergangenen! Nur die Zusicherung, dass und bereicherte zahlreiche Veranstaltungen. es sich um eine vollkommen überparteiliche Jugendor - Anfang 1946 forderte der Ortskommandant, umgehend ganisation handele, führte am 1. April 1946 zur Grün - für ein Kino in Falkenberg zu sorgen. Für 2 Vorführer, 2 dungsfeier im „Goldenen Anker“ mit etwa 100 Kassierer und 2 Platzanweiser mussten sofort die Le - Anhängern der nun gegründeten FDJ-Ortsgruppe. An eine bensläufe vorgelegt werden, ein Vorführgerät wurde aus „Kampfreserve der Partei“ dachte damals keiner. So be - herbeigeschafft. Als Filmvorführer wurde Herr Wil - schwerte sich die FDJ-Stadtleitung am 8. August 1946: helm Wolf eingestellt. Dann gab es an 3 bis 4 Tagen Kino „... Wie ich heute Mittag feststellen musste, befinden im „Goldenen Anker“, fast immer vor ausverkauftem sich neben unserem FDJ-Wappen zwei Propagandapla - Hause. Alte UFA-Filme, wie z.B. „Der weiße Traum“ und kate der SED. Da die FDJ eine überparteiliche Organisa - „Das Bad auf der Tenne“ wurden gezeigt, bald nur noch tion ist und unser oberster Grundsatz unbedingt sowjetische Filme mit deutschen Untertiteln (erst später Überparteilichkeit heißt, ist es für uns nicht tragbar, dass synchronisiert). Der Kommandant saß ganz vorn. Nach Propagandaplakate einer Partei an unseren Schauplät - und nach erhielten die Gartenstühle die Aufschrift „Kom - zen angebracht werden...“ mandantur“. Die Kapelle Erich Wallwitz – sie war von der Die Jugendgruppe legte gemeinsam mit den Erwachse - Gemeinde angestellt – spielte vor und nach der Filmvor -

125 führung, oft übten sich nach dem Film 30 bis 50 Jugend - berg kann entnommen werden, dass nun die LDPD und liche beim Erlernen des Tanzes. die CDU eine verstärkte Zusammenarbeit in kommuna - Durch den Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni 1945 len Fragen entwickelten. Man sprach sich gegenseitig wurde in der sowjetischen Besatzungszone die Tätigkeit Einladungen zu öffentlichen Versammlungen, insbeson - antifaschistisch – demokratischer Parteien und freier Ge - dere in Vorbereitung der ersten freien, direkten und ge - werkschaften gestattet. Bereits am 5. Juli 1945 gründe - heimen Kommunalwahlen nach 1933, aus. Interessant ten in Falkenberg einige Bürger die Liberaldemokratische ist, dass diese Versammlungen sowohl von der Ortskom - Partei (LDPD), als 1. Vorsitzenden wählte man Otto Loe - mandantur als auch vom Amtsvorsteher Emil Schöne ge - ber. Am 27. August 1945 fanden sich im Lokal Reinker nehmigt sein mussten. Aus den Kommunalwahlen („Quelle“) 27 Genossen der SPD zusammen, gründeten Anfang Oktober 1946 ging in Falkenberg die CDU als Sie - einen Ortsverein und wählten August Wilhelm Küver zum ger hervor. Daraufhin übernahm der bisherige Rektor Wil - Vorsitzenden. Im Dezember rechnete die SPD schon mit helm Wunderlich am 1. Januar 1946 die Amtsgeschäfte 300 Mitgliedern. Die Ortsgruppe der Christlich Demokra - des Bürgermeisters, die er bis zum 15. Februar 1949 in - tischen Union (CDU) bildete sich am 1. Oktober 1945 und nehatte, und der bisherige Bürgermeister August Wil - wählte den Lokführer Röttcher zum Vorsitzenden, ihm helm Küver wurde Rektor der Falkenberger Schule. folgte dann August Dettman, der 1949 vorübergehend auch Bürgermeister unseres Ortes war. Gemäß der zentralen Arbeitsweise fanden sich auch die Falkenberger Parteien im Antifaschistisch- Demokrati - schen Block zusammen. Dessen Beratungen waren häu - fig durch harte Auseinandersetzungen geprägt. Schon im Januar 1946 beschäftigte sich eine Generalversamm - lung der SPD mit der Vereinigung der Arbeiterparteien, und am 14 März 1946 fand eine gemeinsame Vertrau - ensmännersitzung der SPD und KPD statt. Die erste ge - meinsame Mitgliederversammlung von SPD und KPD wurde am 18 März 1946 im „Goldenen Anker“ durchge - führt. Aus Befragungen ergab sich, dass die Vereinigung zur SED sowohl bei SPD- als auch die KPD- Mitgliedern zum Teil auf Widerstand stieß. Dennoch kann die ge - meinsame Mitgliederversammlung der SPD und KPD am 8. April 1946 im „Goldenen Anker“ als Gründungsveran - staltung der SED in Falkenberg betrachtet werden. Aus vorhandenen Unterlagen der LDPD – Ortsstelle Falken -

126 Zeittafel zum 1. Teil der Chronik der Stadt Falkenberg/Elster

1251 Erste urkundliche Erwähnung „Valkenberch“ – Schenkungsurkunde an das Zisterzienserkloster Nimbschen bei Grimma durch den Markgrafen Heinrich von Meißen; es bestand eine Filialkirche von Altbelgern

Um1400 Teilung des Rittergutes in einen unteren und oberen Hof

1423 Falkenberg kommt zu Sachsen und untersteht dem Amt Liebenwerda

24.4.1547 der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen wird nach der Niederlage in der Schlacht bei Mühlberg auf der Flucht nach Wittenberg im Schweinert ge- fangen genommen (Obelisk)

1576 Johann Friedrich von Schönberg wird mit dem unteren Hof belehnt; später Leiter des Hofgerichts in Wittenberg; gilt als Verfasser des Schildbürger-Buches

1637 im 30jährigen Krieg richten die schwedischen Kriegsscharen schwere Zerstörung an; nur noch 7 Höfe sind besetzt

1684 – 1691 der Herzberger Bürgermeister und kursächsische Steuereinnehmer Huth hat ganz Falkenberg und Kiebitz erworben; die Zeit der zwei Adelshöfe ist vorbei

Um 1790 während der Herrschaft von Christian Peter Freiherr von Hohenthal entsteht das barocke Herren - haus

1811 erste Untersuchung von Hügelgräbern im größten mitteleuropäischen Hügelgräberfeld (642 Hügel) durch Hauptmann Friedrich Krug von Nidda (aus Gatterstedt bei Querfurt)

1820 – 1828 wissenschaftliche Untersuchungen des Hügelgräberfeldes durch den Schliebener Arzt, Kreisphysi - kus und Archäologen Dr. Wagner 1833 Generalmajor Heinrich von Schaper erwirbt Falkenberg (im Besitz der Familie von Schaper verbleibt das Rittergut bis 1912)

127 1835 große Feuersbrunst – fast die ganze westliche Dorfseite und die nördliche Hälfte der östlichen Seite werden vernichtet

1840 erste besoldete Lehrerstelle durch die preußische Regierung besetzt – etwa 70 Kinder werden im Ar - menhaus unterrichtet (Falkenberg gehört seit 1815 zu Preußen)

01.10.1848 Falkenberg wird Haltepunkt der Eisenbahnstrecke Jüterbog – Herzberg – Riesa

01.12.1871 Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke Cottbus – Falkenberg

01.05.1872 Eröffnung des Streckenabschnittes Falkenberg – Eilenburg; Falkenberg ist Eisenbahnkreuzungspunkt

01.12.1871 Einrichtung eines eigenes Postamtes (seit 1849 von der Poststelle Uebigau versorgt)

01.06.1874 Freigabe der Strecke Kohlfurt – Falkenberg

15.10.1875 die Gesamtstrecke Kohlfurt – Wittenberg ist in Betrieb; Falkenberg wird zum Verkehrsknotenpunkt

1882 Fertigstellung des großen Bahnhofsgebäudes (bei Luftangriffen am 18. /19.4.1945 total zerstört)

01.10.1887 erstes eigenes Postgebäude neben dem Bahnhofsgebäude eingeweiht – Anbau 1915 und 1934/35 (1945 ebenfalls zerstört)

1891 Molkerei in der Ludwig-Jahn-Straße, damals Liebenwerder Straße, in Betrieb genommen (heute Koh - lenhandlung Nauk)

1893 Apotheke in der Bahnhofstraße gebaut (Ernst Labedzki)

1895 Bau einer Schule (Westhälfte mit 4 Klassenräumen) in der Walter-Rathenau-Straße, damals Wilhelm - straße – 1900 durch Osthälfte vervollkommnet 1895/96 Bau der Überführung zur Uebigauer Straße (vorher beschrankter Bahnübergang über 7 Gleise) – vom „Goldenen Anker“ bis zur Brücke dann „Friedrich-List-Straße“

128 15.03.1898 private Kleinbahnstrecke Uckro – Falkenberg eröffnet (1901 bis Beeskow verlängert)

1899 Gründung einer Konsumgenossenschaft mit erster Verkaufsstelle in der Bismarckstraße (heutige Friedrich-Engels-Straße)

1909/10 Bau einer weiteren Schule (Westflügel mit 4 Klassenräumen) in der Friedrichstraße; 1927/28 weitere 4 Räume

1911 erstes eigenes Büro der 1908 in Liebenwerda gegründeten Elektrizitätsüberlandzentrale in der Dach - stube des Falkenberger Gemeindeamtes auf dem Marktplatz eingerichtet

1912 die Gemeinde Falkenberg kauft das Rittergut für 1 300 00 Mark (1922 wird auch der Landwirtschafs - betrieb des Gutes aufgelöst); nun gibt es reichlich Baugelände

1914 das Imprägnierwerk (Firma Kupsch und Seidel GmbH Berlin) nimmt den Betrieb auf

1920 Gemeindesparkasse im Gemeindeamt eingerichtet

20.08.1922 Blockhaus „Falkenhorst“ der Pfadfinder in den Walbergen eingeweiht (1964 abgetragen)

1922 GmbH Hartsteinwerk gegründet; Bau des Kalksandsteinwerkes (Direktor Wilhelm Ziegler); der „Bag - gerteich entsteht – heutiges Erholungsgebiet „Kiebitz“

1923 Überlandwerk der Landelektrizität in neuen Gebäuden in Betrieb genommen (das Umspannwerk folgte 1928)

1928 Bau von Wasserleitung und Wasserturm

1929/30 Schmutzwasserkanalisation gebaut

1929 Bau eines Feierabendheimes in der Torgauer Straße

1930/31 Aufstockung des Gemeindeamtes

129 1934 Öffnung von zwei Grabhügeln im Schweinert durch die Landesanstalt für Vorgeschichte Halle (Dr. Agde)

09.12.1936 Ausbildungsflugplatz Lönnewitz eingeweiht

1937/38 neue Molkerei in der Lindenstraße gebaut

Januar 1938 „Falkenberg/Elster“ als neue Ortsbezeichnung (bis dahin „Falkenberg Bez. Halle“)

18./19.04.1945 anglo-amerikanische Terrorangriffe auf Falkenberg; größter Teil der Bahnanlagen, 61 Wohnhäuser völlig zerstört; weiter 188 Häuser z.T. schwer beschädigt

23.04.1945 kampflose Übergabe an russische Truppen

28.04.1945 der Vorsitzende der SPD, August Wilhelm Küver, wird vom Kommandanten Ragosin als Bürgermei - ster bestätigt; (ab 01.01 1947 CDU – Bürgermeister Wilhelm Wunderlich)

18.07.1945 der erste Kohlezug Beutersitz – Wittenberg wird gefahren; Arbeit an der Wiederherstellung des Kreu - zungsbauwerkes, der Gleise, Weichen und technischen Anlagen erfolgt unter sehr schweren Bedin - gungen (erst 1948 sind alle Gleisanlagen wieder voll befahrbar)

01.10.1945 planmäßiger Schulbetrieb wieder aufgenommen

September 1946 Gemeindewahlen

Oktober 1946 Landtagswahlen, erste freie demokratischen Wahlen

16.10.1946 die Auflösung der kleinen Landschulen beginnt; die Schule an der Friedrichstraße wird erste Zentral - schule im damaligen Kreis Liebenwerda

130 Einige weitere bedeutsame Daten zur Entwicklung Falkenbergs bis 1990

1951 Neugestaltung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadions

1951/52 Landambulatorium in der Karl-Marx-Straße gebaut

01.10.1952 Falkenberg/Elster, bisher dem Kreis Liebenwerda zugehörig, wird dem neu gebildeten Kreis Herzberg zugeordnet

31.10.1953 Übergabe des neuen Gebäudes des Hauptpostamtes an den Amtsleiter Erich Klugmann (ab 1.Juli 1971 Post – und Fernmeldeamt Falkenberg)

1954 Bau des Sozialgebäudes der Deutschen Reichsbahn in der Friedrich-Engels-Straße mit Werkrestau - rant

1954 erste Kinderkrippe in der Karl-Marx-Straße eröffnet (Umbau eines Wohnhauses mit Hilfe von Betrie - ben)

1954/55 Betriebsberufsschule der Energieversorgung nimmt Unterricht auf (vorher bereits praktische Lehr - lingsausbildung) – 1968 Beginn der Berufsausbildung mit Abitur

14.-17.6.1956 erstes „Heimatfest“ in Falkenberg nach 1945 (ab1969 dann jährlich „Park- und Heimatfeste“)

18.01.1957 Arbeiter – Wohnungsbaugenossenschaft „Völkerfreundschaft“ als AWG der Reichsbahnbetriebe re - gistriert (1958 Beginn des Wohnungsbaues)

1959 Veteranenklub in der Heinrich-Zille-Straße (ehemalige Löbus’sche Villa) eingerichtet – seit 1979 im Hause Friedrich-List-Straße 15 (ab Oktober 1996 Liebenwerdaer Straße 3)

1962 Reichsbahn- und Stadtbibliothek vereinigt – 1981 erweitert und umgestaltet

17.10.1962 Falkenberg/Elster erhält das Stadtrecht; das Stadtwappen schuf der Berufsschullehrer Willy Heide - mann; zu dieser Zeit 7 100 Einwohner

131 1965/66 Beginn der Traktionsumstellung bei der Deutschen Reichsbahn von Dampf- auf Diesellokbetrieb

1966 Beschluss der Stadtverordnetenversammlung über den stufenweisen Aufbau des Naherholungs - zentrums „Kiebitz“ (NEZ)

1967 Neubau einer 3. Oberschule in der Torgauer Straße (im Februar 1985 neue Turnhalle eingeweiht) 1969/70 Ergänzungsbau an der 2. Oberschule mit 5 Klassenräumen an Stelle einer Holzbaracke

1972 neue MITROPA-Gaststätte am Bahnsteig 1 gebaut

13.06.1975 Übergabe einer Betriebsarzt-Sanitätsstelle in der Karl-Marx-Straße

04.09.1976 die Deutsche Reichsbahn übernimmt den Saal des „Goldenen Anker“ mit weiteren Räumen als „Kul - turhaus der Eisenbahner“

1976/77 Neugestaltung des Markplatzes und des Rathauses

02.10.1978 Einrichtung eines großzügig gestalteten „Jugendtreffs“ mit Gaststätte in der Lindenstraße

1978 Neubau für die 1. Oberschule im Süden der Stadt in der Clara-Zetkin-Straße mit Schulhort, Turnhalle, Sportanlagen und Schulküche

seit 1977 Umgestaltung des Stadtparks; moderne Freilichtbühne mit Zuschauertribünen 1979 eingeweiht; systematische Rekonstruktion von Gaststätten und Handelseinrichtungen Förderung des Baues von Eigenheimen (11 schon bis 1979);

1982 – 1984 Neubau eines Wasserwerkes nördlich des Ortsausganges an der Straße nach Herzberg (hinter altem Wasserwerk); am Stadtpark entsteht ein neues Wohngebiet mit 180 Wohnungen, 1988/89 kommen weitere 100 hinzu; Ausbau der ehemaligen Arztvilla von Herrn Dr. Gregor zu einem modernen Kindergarten (vorher von der sowjetischen Armee genutzt)

2.Hlbjhr. 1985 Beginn der Arbeiten für die Elektrifizierung der Deutschen Reichsbahn im Falkenberger Raum

132 27.09.1986 um 10.32 Uhr fährt auf dem Bahnsteig 1 der erste elektrisch betriebene Personenzug aus Witten - berg ein; bereits am 13.12. 1986 erfolgt die elektrische Traktion auch von Falkenberg nach Riesa; ein neues Umformwerk am Gleisdreieck wird Mitte 1987 in Betrieb genommen; inzwischen sind alle Strecken (außer in Richtung Herzberg/Stadtbahnhof) elektrifiziert

02.11.1989 erstes öffentliches Forum nach der „Wende“ zu Fragen, die die Bürger bewegen, im Kulturhaus der Eisenbahner

10.11.1989 erste Veranstaltung des „Neuen Forums“ nach der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze im „Jugendtreff“

05.01.1990 Treffen zum „Runden Tisch“ auch in Falkenberg; an der Beratung im “Kulturhauses der Eisenbahner“, die von Frau Pastorin Thulin eröffnet und von Herrn Wackernagel gleitet wurde, nahmen Vertreter der SED/PDS, der CDU, der NDPD, der LDPD, der DBD, des „Neuen Forums“ und der SPD teil.

08.01.1990 große Demonstration und Kundgebung der Bürgerbewegungen und demokratischen Parteien für einen friedlichen Verlauf der Revolution und die Beseitigung alter Machstrukturen

18.01.1990 nach 34 Jahren erfolgt wieder die Gründung der Ortsgruppe der SPD in der Parkgaststätte

19.03.1990 anlässlich der ersten demokratischen Wahlen zur Volkskammer der „Noch-DDR“ (18. März 1990) wird an der Ecke Ludwig-Jahn-/Friedrichstraße eine „Freiheitseiche“ gepflanzt

06.05.1990 die CDU stellt als Sieger der freien, geheimen und direkten Kommunalwahlen den neuen Bürgermei - ster für die Stadt Falkenberg /Elster

06.09.1990 Der Kreistag bestätigt einstimmig den Beschluss zur Angliederung des Kreises Herzberg an das Land aufgrund des mehrheitlichen Ergebnisses einer Bürgerbefragung; die Mehrzahl der Falkenberger Einwohner und der umliegenden Orte hatte sich jedoch für den Anschluss an Sach - sen-Anhalt ausgesprochen.

Dez. 1993 Falkenberg/Elster gehört zum neu gebildeten „Landkreis Elbe-Elster“

133 Cafe Hohenzollern (1908) in der Uebigauer Straße Cafe Germania - Friedrichstraße

ehemaliges Gesellschaftshaus Berliner Cafe mit Eingang von der Bahnhofstraße/Friedrichstraße

Kaiserhof - Ecke Bahnhofstraße/Bismarckstraße Oberer Bahnsteig mit Kellner (rechts auf den Gleisen) heute Friedrich-Engels-Straße 134 Anzeige zur Zuchtvieh-Versteigerung

Viehverladerampe - unterer Güterbahnhof

Fischteiche an alten Klärwerk (hinten links die Walberge) Volkswohlbad mit Rutsche

Landelektrizität GmbH Überlandwerk Tankstelle – Friedrich-List-Straße 23

135 Firma Herbert Voigt - Abfahrt zum Einsatz bei der Organisation Tot Klempnermeister Alfred Müller - Friedrich-List-Straße 5

Turner der Turngemeinschaft Falkenberg um 1925 (dritter von links - Otto Schumann) Schützenvorstand in den 20er Jahren (v.l. Fritz Skoring, Otto Ahrens, Otto Lehmann, Max Eichhorn)

Kapelle Erich Wallwitz und Katja und Erich Wallwitz Freiwillige Feuerwehr mit Pferdespritze - 1905

136 Schützenhaus (um 1910) Friseur- und Zigarren-Geschäft Kieslack · Vom Jahre 1905/1928

Haus Billigkeit - später Kaufhaus, dann Sparkasse - Ecke Heinrich-Zille- Zigarren- Geschäft Kieslack · Grete Kieslack Straße/W.-Rathenau-Straße

Blick in die Schulstraße Blick in die Bismarckstraße

137 Notizen

138 Notizen

139 Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort des Bürgermeisters Peter Wolfframm 4 Vorwort des Bürgermeisters Herold Quick 5 Von Funden aus der Ur- und Frühgeschichte 6 Die Zeit der slawischen Besiedlung 8 Das Bauerndorf Falkenberg entsteht zur Zeit der Herausbildung der feudalen Gesellschaftsformation 9 Vom schweren Leben unter der Feudalherrschaft 12 Zur Geschichte des Rittergutes 14 Von den Anfängen des Schulwesens 20 Wie es um das Gesundheitswesen bestellt war (mit Ergänzungen bis etwa 1946) 23 Vom dörflichen Leben 27 „Falkenberg, Post Koßdorf“ 30 Kriege brachten den Bauern zusätzliche Not 31 Die „Ablösung“ von feudalen Pflichten 35 Die große Feuersbrunst 1835 37 Falkenberg wird Haltepunkt der Eisenbahn 39 Die Entwicklung Falkenbergs zur „Umsteigestation“ 42 Vom Straßendorf zur Großgemeinde 47 Die Falkenberger Kirchen 50 Entwicklung des kommunalen und wirtschaftlichen Lebens 55 Falkenberg erhält Wasserleitung und Kanalisation 66 Die Entwicklung des Falkenberger Postamtes 69

140 Ortsbezeichnung Falkenberg / Elster 70 Landelektrizität GmbH Überlandwerk Liebenwerda zu Falkenberg 71 Das Kalksandsteinwerk 73 Einige weitere Einrichtungen der Gemeinde Falkenberg 75 Die Entwicklung des Schulwesens 77 Vom kulturellen Geschehen und Vereinsleben im alten Falkenberg 81 Zum politischen Leben nach dem 1. Weltkrieg 87 Falkenberg in der Zeit des Nationalsozialismus 91 Das bittere Ende 98 Die Befreiung unseres Heimatortes 107 Antifaschisten sorgen sich gemeinsam mit dem sowjetischen Kommandanten um das Wohl der Einwohner 110 Dar schwere Weg zur Normalisierung des Lebens 116 Das gesellschaftliche Leben beginnt sich zu entfalten 124 Zeittafeln 127

141 Bei der Erarbeitung der Chronik wirkten mit: Klaus Wackernagel, Willy Krengel, Hans Schulz (†), Klaus-Peter Koch (†), Erhard Lehmann, Hans-Joachim Braun, Edda Hoffmann, Günther Barth.

Redaktionsschluss: 07.12.1990 ( 1. Auflage)

An der Erarbeitung der veränderten und ergänzten 2. Auflage beteiligten sich innerhalb der AG "Heimatgeschichte": Ramona Heide, Klaus Wackernagel, Günter Kläber, Günter Lorenz, Hans-Werner Drasdo, Arno Drees, Dieter Nauk, Wal - traut und Hans-Joachim Richter, Gisela Schwarick, zeitweise Erhard Lehmann und Reinhold Schuster. Besonderer Dank gilt Karin Schmidt-Falkenberg und ihrem Ehemann Prof. Dr. Ing. Dr. rer. nat. h. c. Heinz Schmidt- Falkenberg sowie Herrn Thomas Göritz für inhaltliche und technische Hilfen.

Redaktionsschluss: 15.01.2007 (2. Auflage)

Stadtwappen: Entwurf Willy Heidemann

Ansichtskarte um 1990: Montage und Überarbeitung Karl-Heinz Braeutigam

Das Gemeindesiegel: wurde von Thomas Göritz nachgestaltet

Fotos: Thomas Göritz, Irmgard Heinze, Hans Weichert, Helmut Leuschner, Günter Barth, Gitta Müncheberg, Claus Graefling, Günther Grieger, Familie Schwarz, Stadtarchiv

Bildmaterial stellte zur Verfügung: Sammlungen des ehem. VEB Energieversorgung - jetzt enviaM -, des „Kulturhauses der Eisenbahner“, der Stadtver - waltung Falkenberg/Elster und Bürgern unserer Stadt

Satz, Druck und Einband: Quack-Druck, Neuburxdorf

Alle Rechte beim Verfasser

142 Zu den nebenstehend abgebildeten Lokomotiven erhiel - motoren abgibt. Jede Achse hat einen Fahrmotor. Die ab - ten wir von den Eisenbahnern des Bahnbetriebswerkes gebildete Lok mit der Nummer 132 702-2 wird demnach Falkenberg dankenswerterweise einige detaillierte Anga - mit ihren 6 Achsen von 6 Fahrmotoren angetrieben. Sie ben, die sicher für einen Teil der Leser von Interesse sein war in Falkenberg im Zugdienst vom 06.04.1982 bis zum dürften: 10.04.1989.

Zur Dampflokomotive 52 8034 liegt beim Bahnbetriebs - Seit der Traktionsumstellung bei der Deutschen Reichs - werk Falkenberg fast lückenlos ein Auszug aus dem Be - bahn im Jahre 1966 waren im Bahnbetriebswerk Falken - triebsbuch, das gewissermaßen ihren „Lebenslauf“ berg zeitweise bis zu 54 Fahrzeuge der Baureihe 132 beschreibt, vor. Danach erfolgte die Endabnahme im Her - stationiert. Bei Redaktionsschluss waren es noch 4. stellerwerk am 24.01.1944, und die Erstzuteilung ging an die Reichsbahndirektion Erfurt unter der Nummer 527583. In der Zeit vom 04.10.1961 bis zum 9.11.1961 erfolgte eine Generalreparatur im Reichsbahnausbesse - rungswerk Stendal. Dort erhielt die Lok u.a. einen neuen Kessel und lief dann unter der Nummer 52 8034 weiter. Ihr Einsatz erfolgte in verschiedenen Bahnbetriebswer - ken. Viermal war sie auch in Falkenberg stationiert, letzt - malig ab 30.12.1983. Über die Dauer ihres Verbleibs waren bis Redaktionsschluss keine genauen Angaben zu erhalten. Sie war jedoch im Spätsommer des Jahre 1986, als die Aufnahme entstand, noch betriebsfähig.

Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass die Baureihe 52 als „Kriegslokomotive“ konzipiert war und insgesamt immerhin über 6000 Stück gebaut worden sind. Sie war damit die weltweit meistgebaute Dampflokomotive, und noch heute sind davon einige einsatzfähig.

Die Baureihe 132 wird in der Umgangssprache der Eisen - bahner als Diesellok bezeichnet, obwohl es sich tech - nisch um eine diesel-elektrisch angetriebene Lokomotive handelt. Der Dieselmotor treibt nicht direkt das Fahrzeug an, sondern einen Generator, der den Strom an die Fahr - Dampflokomotive der Baureihe 52

Baujahr: 1944 Hersteller: Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf Wirkungsgrad: 8 - 10 %

Elektrolokomotive der Baureihe 243

Baujahr: 9.12.1984 Hersteller: LEW (Lokomotivbau Elektrotechnische Werke) Henningsdorf Wirkungsgrad: 75 % ab Fahrdraht

Diesellokomotive der Baureihe 132

Baujahr: 5.4.1982 Hersteller: Diesellokomotivwerk „Oktoberrevolution“ Woroschilowgrad, UdSSR Wirkungsgrad: 35 %