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DISJanuar 2008 PUT

Oskar Lafontaine. Auf ein Neues! DIE LINKE im Jahr 2008 Vor den Wahlen: Gesellschaftlicher Wandel ist ein Langzeitprojekt Dagmar Enkelmann: Fraktion der sozialen Gerechtigkeit Keine elitäre Umweltpolitik. Klimaschutz: sozial, solidarisch, friedlich Europa mitbestimmen. Referendum jetzt!

13. Januar 2008: Zur Gedenkstätte der Sozialisten in kamen wie an jedem zweiten Januarsonntag Zehntausende. S. 12 © Erich Wehnert © Erich ZITAT Auf ein Neues! ...... 4 »Wir haben immer etwas zu sagen!« ...... 26 Vor den Wahlen: Niedersachsen, Hören Sie auf, Hessen, an die Arbeit- Allwissend ...... 27 geber zu appel- – Erst der Wahlkampf, dann der Europa mitbestimmen. lieren, sie soll- Schmuck ...... 6 Referendum jetzt! ...... 28 ten einmal ver- nünftig sein. Sie – Drei Anträge für frischen Wind ...... 7 Nicht gegen, sondern wegen könnten auch – Gesellschaftlicher Wandel ist Europa ...... 29 an den Alkoho- ein Langzeitprojekt ...... 8 Im Netzwerk sind wir nicht allein ... 30 liker appellie- ren, dass er statt – Dringend: Briefboten gesucht ...... 10 Afghanistan: Krieg ist kein Weg ..... 31 Schnaps Mine- – Veränderung ist eine Frage Grundsicherung – aber wie? ...... 32 ralwasser trin- des politischen Willens ...... 10 ken soll. Das Die »Tafel« in Spremberg ...... 34 funktioniert – Mit Oskar und Gregor ...... 11 Ohne Sparkasse kein Mittelstand .. 36 nicht. Ich sage Blumen für Rosa und Karl ...... 12 Ihnen: Sie sind Normal? ...... 37 eine Regierung Fraktion der sozialen Gerechtigkeit 14 und keine Appel- Tee, Job und ein Zimmer ...... 38 Eingeschränkt ...... 15 lierung. Die Besetzung ...... 40 Klaus Ernst, Ob Krankenschwester oder Polizist 16 , Briefe ...... 42 Zündelei ...... 17 12. Dezember Nachbelichtet ...... 43 2007 Keine elitäre Umweltpolitik ...... 18 Reederei und reine Leere ...... 44 Kleine Zirkel reichen nicht ...... 20 Bücher ...... 46 ... und kein bisschen leise: Hans Modrow ...... 21 Januarkolumne ...... 47

Das große Draußen ...... 22 Seite achtundvierzig ...... 48

Thüringen: Zeit für Veränderung ..... 24

ZAHL DES MONATS 4,3 © DIE LINKE NRW LINKE © DIE Rund 4,3 Millionen Menschen wa- Konsequenten ren Ende 2006 in Deutschland im Ge- Klimaschutz sundheitswesen tätig; das ist jeder forderten 3.000 neunte Beschäftigte. Im Vergleich zu Demonstranten 2005 stieg die Zahl der Arbeitsplätze aus Nordrhein- um 34.000, vor allem in Gesundheits- Westfalen, berufen (Ärzte, Gesundheits- und darunter Mit- Krankenpfl eger) und in den sozialen glieder der LINKEN, Berufen (wie Altenpfleger). 60 Pro- am Klimaaktions- zent besaßen eine Vollzeitstelle. Der tag (8.12.). Ort der Anteil der Teilzeitbeschäftigten und Kundgebung: die der geringfügig Beschäftigten wuchs Baustelle des um drei bzw. fünf Prozent. neuen RWE- Mega-Kraftwerks Neurath.

IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14 – 16, 10178 Berlin VERÖFFENTLICHUNG GEM. § 7A BERLINER PRESSEGESETZ Gesellschafter der NDZ GmbH: Föderative Verlags-, Consulting- und Handelsgesellschaft mbH – FEVAC –, Gesellschafter der FEVAC GmbH: Uwe Hobler, Diplom- agraringenieur, Berlin (40 Prozent), Dr. Ruth Kampa, Rechtsanwältin, Berlin (30 Prozent), Joachim Phillipp, Rechtsanwalt, Berlin (30 Prozent) REDAKTION Stefan Richter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: (030) 24 00 95 10, Fax: (030) 24 00 93 99, E-Mail: [email protected] GRAFIK UND LAYOUT Thomas Herbell DRUCK MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Franz-Mehring- Platz 1, 10243 Berlin ABOSERVICE , Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS 14. Januar 2008

INHALT DISPUT Januar 2008 02 TJARK SAUER

Geboren 1979. Seit 2001 Studium der Politikwissenschaft an der Uni Gießen, seit 2004 Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung. War Schülersprecher und Studieren- denvertreter. Wurde im März 2006 Stadtverordneter für DIE LINKE und kandidiert am 27. Januar bei der hessischen Landtagswahl im Wahlkreis Gießen I. Viel Erfolg! © Wegst

Was hat Dich in letzter Zeit am meisten überrascht? Dass das Verwaltungsgericht Gießen die Erhebung von Studiengebühren in Gießen ausgesetzt und in Marburg die Uni zur Rückzahlung verpfl ichtet hat. Ein juristischer Erfolg vorm Hessischen Staatsgerichtshof würde die Überra- schung perfekt machen.

Was ist für Dich links? ... das Eintreten für eine radikale Demokratisierung der Gesellschaft, für eine Sozialpolitik im Interesse der Schwächeren oder Geschwächten und für eine antikapitalistische, antifaschistische und solidarische Gesellschaft.

Wie sieht Arbeit aus, die Dich zufrieden macht? Sie ist erfolgreich. Am Besten in der Durchsetzung der politischen Ziele, aber natürlich auch insofern, dass es gelingt, Menschen zum Mitmachen zu akti- vieren, die neoliberale Hegemonie wenigstens in kleinen Teilen zu durchbre- chen oder Mitmenschen zu helfen.

Wenn Du Parteivorsitzender wärst ...... würde ich großen Wert auf eine demokratische innerparteiliche Organisa- tion und Auseinandersetzung legen. Nicht nur an der Stelle müssen wir deut- lich machen, dass wir mehr Demokratie wollen und auch in dieser Hinsicht besser sind als andere Parteien.

Was regt Dich auf? Wenn Regierende ernsthaft behaupten, sie würden sich von »Demonstran- tInnen«, die auf der Straße politische Forderungen stellen, nicht erpressen lassen; schließlich seien sie die gewählten Volksvertreter. Das offenbart un- demokratisches Politikverständnis.

Wann und wie hast Du unlängst Solidarität gespürt? Zum Gerichtsprozess wegen einer Blockade der B 3a in Marburg während der Studierendenproteste sind letztlich viele Unterstützer/innen gekommen, um deutlich zu machen: Betroffen sind einige – gemeint sind wir alle!

Wovon träumst Du? … dass es nicht so oft regnet und so kalt ist, wenn wir am Infostand stehen.

Möchtest Du (manchmal) anders sein, als Du bist? Gelegentlich. Zum Beispiel, wenn ich mal wieder sechs Stunden Stadtverord- netensitzung mit viel Theater und wenig Output absitze. Da wäre ich manch- mal gerne unpolitisch – oder würde besser gesagt gerne gesellschaftliche Veränderung mitgestalten, statt Teil des politischen Theaters zu sein.

Wann fühlst Du Dich gut? Wenn ich ein bisschen Stress habe.

Wo möchtest Du am liebsten leben? Geographisch betrachtet bin ich fl exibel. Ich lebe gerne in Gießen. Aber ich freue mich auch, mal größere Städte näher kennenzulernen.

Wovor hast Du Angst? Vor einer Niederlage mit meinem Fußballteam, der Durchtrainierten Linken, in der Bunten Liga. Da bin ich gelegentlich ehrgeizig. Habe aber leider schon oft genug verloren …

Welche Eigenschaften schätzt Du an Menschen besonders? Ich mag Menschen, auf die ich mich verlassen und denen ich vertrauen kann. Ich schätze es, wenn Menschen offen und energisch für ihre Positionen und Interessen eintreten.

30 DISPUT Januar 2008 FRAGEZEICHEN Auf ein Neues! Die Wahlen in den kommenden Monaten entscheiden darüber, ob auch das Jahr 2008 ein Jahr der Linken wird Von

Das Jahr 2007 war ein Jahr der LINKEN. sche Politik verändert hat. Aber wir sind berauben. Und in der Tat, wie wir bei Im Sommer 2007 stellte die Wochen- erst am Anfang. Auch im Jahre 2008 Krankenhäusern, Stadtwerken, Post, zeitung »Die Zeit« in Deutschland einen bleiben vier große Aufgaben. Erstens: Telekom, Bahn und anderen Einrich- Linksruck fest. Zwei Drittel der Bevölke- Wir brauchen eine ganze Reihe von Ge- tungen der öffentlichen Daseinsvorsor- rung unterstützten nach Umfragen die setzesänderungen, um in Deutschland ge beobachten können, sind mit der Kernforderung der neuen Partei: Ein- eine faire Lohnfi ndung wieder möglich Privatisierung in der Regel schlechtere führung eines gesetzlichen Mindest- zu machen. Zweitens: Wir müssen die Dienstleistungen für die Kunden ver- lohns, Rücknahme von Hartz IV, Wie- Rentengesetzgebung verändern, um bunden und immer Lohnkürzungen für derherstellung der zerstörten Renten- die zukünftigen Renten armutsfest zu die Beschäftigten. Der Lokführerstreik formel und Abzug der Bundeswehr aus machen. Drittens: Wir wollen eine Re- war dafür ein Beispiel. Die leider auch Afghanistan. Auch zum Jahreswechsel von der Gewerkschaft Transnet befür- stellten eine Reihe von Kommentatoren wortete Bahnprivatisierung hatte zum fest, die LINKE habe die politische Ergebnis: Deutsche Lokführer werden Landschaft Deutschlands verändert. um bis zu 1.000 Euro schlechter be- Ist das so? Noch sind die Ergebnisse zahlt als ihre Kollegen in Europa. bescheiden. Zwar gab es eine geringe Nehmen wir den Mindestlohn. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes, Verweigerung eines fl ächendeckenden Verbesserungen bei der beabsichti- gesetzlichen Mindestlohns von 8,44 gten Zwangsverrentung und die Eini- Euro pro Stunde wie in Frankreich führt gung auf einen Post-Mindestlohn. Der in Deutschland zu Hungerlöhnen. Es SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärte, die wurden Fälle bekannt, in denen Frau- Zeit der Zumutungen sei zu Ende. Bun- en für weniger als zwei Euro in Luxus- desaußenminister Steinmeier und Bun- hotels Zimmer reinigen mussten. Frank desfinanzminister Steinbrück forder- Bsirske weist darauf hin, dass zwei Mil- ten zu Beginn des Jahres wieder kräf- lionen Arbeitnehmer in Deutschland tige Lohnsteigerungen und beklagten, zu Löhnen beschäftigt werden, die bei

dass die Löhne in Deutschland in den © Aris fünf Euro oder darunter liegen. letzten Jahren weit hinter den Gewin- Obwohl es nach einer Kurskorrektur nen zurückgeblieben seien. Auch die kommunalisierung der Energieversor- bei SPD und den Grünen, die ja als Re- Grünen veränderten sich im Jahr 2007. gung, um sie umweltfreundlich und gierungsparteien die Möglichkeit hat- Die grüne Basis erzwang einen Partei- beschäftigungsintensiv zu machen. ten, den gesetzlichen Mindestlohn ein- tag, auf dem die Außenpolitik der Bun- Und viertens: Wir brauchen eine neue zuführen, jetzt eine Mehrheit für den destagsfraktion heftig kritisiert wurde. Außenpolitik, die das Völkerrecht be- Mindestlohn im Deutschen Bundestag Das Ergebnis war eine Kurskorrektur. achtet. gibt, kommt er nicht zustande. Der SPD Gegen Ende des Jahres lehnten die Grü- ist die Koalitionstreue wichtiger als die nen erstmals den Kampfeinsatz »Ope- Verbesserung der Lebensverhältnisse Faire Löhne ration Enduring Freedom« ab. Die Grü- von Millionen Beschäftigten und ihren nen distanzierten sich von der Hartz- Ohne dass es bemerkt wurde, haben Familien. Oder anders: Rentenkürzung, Gesetzgebung, die sie mit der SPD be- die mit uns konkurrierenden Parteien Rente mit 67 genannt, Mehrwertsteu- schlossen hatten. Bei der Forderung eine Reihe von Maßnahmen zu verant- erbetrug und jährliche Milliardenge- nach Erhöhung des Regelsatzes legten worten, die die Sonderentwicklung der schenke an Unternehmen in Höhe von die Grünen eine bis dahin nicht ge- deutschen Löhne zur Folge hatten. In 20 Milliarden sind der SPD wichtiger als kannte Großzügigkeit an den Tag, und keinem Industriestaat der westlichen die Einführung des gesetzlichen Min- auch bei der Zumutbarkeit der Aufnah- Welt sind die Reallöhne so zurück- destlohns. Wir werden auch in diesem me von Arbeit und der Höhe des Schon- geblieben wie in Deutschland. Hät- Jahr die Sozialdemokraten immer wie- vermögens änderten sie ihre bisherige ten sich bei uns die Reallöhne in den der zwingen, im Bundestag Farbe zu Haltung. Nachdem sie ein Programm letzten Jahren ähnlich nach oben be- bekennen. verabschiedeten, dass Mehraufwen- wegt wie in den USA, Großbritannien Der schwerste Schlag gegen ei- dungen von 60 Milliarden Euro pro Jahr oder Schweden, dann hätten Arbeit- ne faire Lohnfi ndung ist Hartz IV. Der zur Folge hätte, wurden sie von CDU/ nehmer und Rentner rund 25 Prozent Zwang, jede Arbeit unabhängig von der CSU, SPD und FDP als Populisten be- mehr in der Tasche. Das sind bei gerin- Bezahlung und der Qualifi kation anzu- schimpft. Auf einmal saßen sie zusam- gen Renten von 500 Euro immerhin 125 nehmen, hat die Gewerkschaften emp- men mit der Partei DIE LINKE auf der An- Euro und bei einem Niedriglohn von fi ndlich geschwächt. Hartz IV ist zum klagebank des Neoliberalismus, eine 1.000 Euro netto immerhin 250 Euro Einfallstor für immer niedrigere Löhne Nähe, die sie bis dahin noch gescheut mehr. geworden. DIE LINKE bleibt daher da- hatten wie das Feuer das Wasser. Beginnen wir mit der Privatisierung. bei: Hartz IV muss weg. Es ist also nicht vermessen, wenn Privare ist ein lateinisches Wort und In ihrer Befl issenheit, dem neolibe- wir feststellen, dass DIE LINKE die deut- heißt in der deutschen Übersetzung ralen Zeitgeist zu dienen, haben SPD

AUSBLICK DISPUT Januar 2008 04 und Grüne der Leiharbeit den Weg frei- und Rentner sind die Opfer der neo- ökologisch und beschäftigungsintensiv. geschaufelt. Immer mehr reguläre Ar- liberalen Lohndrückerei. Sie würden Die Nutzung erneuerbarer Energien ver- beitsplätze werden abgebaut, um Leih- am ehesten davon profi tieren, wenn langt eine dezentrale kommunale Ener- arbeiter zu beschäftigen, die nur noch in Deutschland eine faire Lohnentwick- gieversorgung, weil Großkonzerne lie- die Hälfte des Lohnes der Stammbe- lung wieder möglich würde. Faire Löhne, ber ihren eigenen Strom verkaufen. legschaft haben. Auch der DGB hat das heißt Jahr für Jahr ein Anstieg der sich nicht mit Ruhm bekleckert, weil Löhne im Rahmen von Produktivitäts- Völkerrecht beachten er aus vermeintlichen organisations- zuwachs und Infl ation. Die zukünftige politischen Gründen einen Tarifvertrag Rentnergeneration ist das eigentliche Um die Nutzung der Energievorrä- für Leiharbeiter abgeschlossen hat. Er Opfer der »Rentenreform« von CDU/ te geht es bei den Kriegen im Vorde- sieht jetzt, wie mit diesem Tarifvertrag CSU, SPD, FDP und Grünen. Die neoli- ren Orient. Der Kapitalismus trägt den für Leiharbeiter die eigenen Flächenta- beralen Parteien haben die gesetzliche Krieg in sich, wie die Wolke den Re- rifverträge unterlaufen werden. DIE LIN- Rentenformel zerstört. Die zukünftigen gen. Dieser Satz des Jean Jaurès wird KE hat mehrfach den Antrag gestellt, Rentner wurden vom Produktivitäts- im Iran und in Afghanistan täglich be- ein Gesetz zu verabschieden, das glei- zuwachs abgekoppelt. Jetzt hat selbst stätigt. Um den Menschen in Afgha- chen Lohn für gleiche Arbeit erzwingt. der Vorsitzende des Sachverständigen- nistan und im Irak zu helfen, setzt DIE Die Sozialdemokraten stimmten dage- rates, Rürup, gemerkt, dass die Um- LINKE nicht auf Krieg, sondern auf Ent- gen, CDU/CSU und FDP sowieso. Wir setzung seiner Vorschläge Armutsren- wicklungszusammenarbeit. Die Betei- werden auch in diesem Jahr die Bun- ten programmiert hat. 40 Prozent vom ligung an völkerrechtswidrigen Krie- destagsmehrheit immer wieder mit die- Brutto soll die Rentenhöhe in Zukunft gen erhöht die Terroranschlagsgefahr sem Antrag konfrontieren. noch betragen. Wenn man weiß, dass in Deutschland. Unter Bombentep- Ein weiteres Mittel, die Löhne zu viele Arbeitnehmerinnen und Arbeit- pichen wächst kein Frieden. DIE LIN- drücken, sind befristete Arbeitsverträ- nehmer Niedriglöhne von rund 1.000 KE ist stolz darauf, dass sie im Deut- ge. Sie wurden von den rot-grünen Re- Euro oder weniger haben, dann weiß schen Bundestag die einzige poli- formern mit Zustimmung ihrer Schwes- man, was auf sie und damit auf uns zu- tische Kraft ist, die eine Außenpoli- tern und Brüder aus CDU/CSU und FDP kommt. Die Rentenpolitik der Sozialab- tik auf der Grundlage des Völkerrechts praktisch unbegrenzt zugelassen. Ar- baukoalition aus CDU/CSU, SPD, FDP fordert und danach handelt. beitnehmer, die Angst haben, dass ih- und Grünen ist ein gesellschaftspoli- Der große Pazifist Albert Einstein re Beschäftigung nicht verlängert wird, tischer Skandal ersten Ranges. DIE LIN- schrieb: »Es gäbe genug Geld, genug sind besonders gefügig. Wer bei einem KE muss ihre Kräfte darauf konzentrie- Arbeit, genug zu essen, wenn wir die befristeten Arbeitsvertrag an die Ver- ren, ein ordentliches Lohnwachstum zu Reichtümer der Welt richtig verteilen sorgung seiner Familie denkt, ist kaum ermöglichen und die gesetzliche Ren- würden, statt uns zu Sklaven starrer ansprechbar für gewerkschaftliche Pro- tenformel wiederherzustellen. Wirtschaftsdoktrinen zu machen. Was testaktionen. Genau das war bezweckt, für eine Welt könnten wir bauen, wenn und deshalb fordert DIE LINKE die weit- Rekommunalisierung der wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, gehende Rücknahme der befristeten Energieversorgung für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel Arbeitsverträge. der Energien, die die kriegführenden Mini- und Midi-Jobs sind für Unter- Die explodierenden Energiepreise tref- Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein nehmer reizvoll, weil sie in der Sum- fen Arbeitnehmer mit niedrigen Löh- Bruchteil des Geldes, das sie mit Hand- me weniger kosten als reguläre Ar- nen und Rentner am meisten. Privati- granaten und Giftgasen verpulvert ha- beitsplätze. Da Kostensenkung in den sierung und Deregulierung haben dafür ben, wäre hinreichend, um den Men- meisten Unternehmen oberstes Ge- gesorgt, dass die Monopole mit ihren schen aller Länder zu einem menschen- bot ist, gibt es immer mehr Mini-Jobs. Strom- und Gaspreisen die Bevölkerung würdigen Leben zu verhelfen sowie die Von Mini-Jobs kann man aber nicht le- schamlos abzocken. DIE LINKE hat den Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der ben. Was ursprünglich einmal als Aus- Gegenentwurf zu den konkurrierenden Welt zu verhindern.« nahme für Studenten und Rentner ge- Parteien. Die Netze müssen wieder in dacht war, die sich ein Zubrot verdie- staatliche Verantwortung, die Energie- Auch 2008 Jahr der Linken? nen wollen, soll jetzt an die Stelle des preise müssen wie früher wieder ge- Normalarbeitsverhältnisses treten. Neo- nehmigungspfl ichtig werden, und die Die Wahlen in den kommenden Mona- liberal gewendete Journalisten, die auf Energieversorgung muss Zug um Zug ten entscheiden darüber, ob auch das gutbezahlten Dauerarbeitsplätzen sa- wieder Städten und Gemeinden über- Jahr 2008 ein Jahr der LINKEN wird. Das ßen, schwärmten ebenso wie Profes- tragen werden. Die Rekommunalisie- vergangene Jahr hat gezeigt: Je stärker soren, die Beamte auf Lebenszeit sind, rung der Energieversorgung ist das um- DIE LINKE, umso sozialer wird Deutsch- von bunten und farbigen Patchwork- weltpolitische Markenzeichen der LIN- land. Nur wenn es uns gelingt, die Wäh- Biogra fi en. Die deutschen Eliten sind KEN. Und erstaunlicherweise haben wir lerinnen und Wähler davon zu überzeu- abgehoben von der gesellschaftlichen auch hier Erfolg. Stadtwerke besinnen gen, dass ein Erstarken der LINKEN in Wirklichkeit. DIE LINKE tritt dafür ein, sich darauf, dass ihnen Stromerzeu- Gemeinden und Ländern das tägliche die Mini-Jobs zum wirklichen Ausnah- gung früher viel Geld gebracht hat. Der Leben von Rentnern, Arbeitnehmern mefall und das reguläre Arbeitsverhält- Bau neuer Anlagen wird angekündigt. und Empfängern sozialer Leistungen nis wieder zum Standard auf dem deut- Die Hamburger SPD hat vor der Bürger- verbessert, werden wir weiter wach- schen Arbeitsmarkt zu machen. schaftswahl jetzt auch den Reiz kom- sen. munaler Energieversorgung entdeckt. Der Vorschlag der LINKEN, der zustande Oskar Lafontaine ist einer der beiden Armutsfeste Renten kam, weil die Energiepolitiker unserer Vorsitzenden der Partei DIE LINKE und Wenn die Löhne immer niedriger wer- Partei keine Lobbyisten der großen En- einer der beiden Vorsitzenden der den, werden auch die Renten immer ergiekonzerne sind, beginnt zu wirken. Bundestagsfraktion. niedriger. Die heutigen Rentnerinnen Eine kommunale Energieversorgung ist [email protected]

50 DISPUT Januar 2008 WAHLEN IM WESTEN – ENDSPURT IM DREIKAMPF

Mit Spannung und Zuversicht wird DIE schon ausreichen in der Auseinander- DISPUT stellt auf sechs Seiten Pro- LINKE am Abend des 27. Januar nach setzung mit den etablierten Parteien in gramme und Personen für die Land- Hessen und Niedersachsen schauen. diesen westlichen Bundesländern. tagswahlen in Hessen und Niedersach- Dann wird gezählt, ob unsere noch jun- Am 8. Januar bekräftigte beispielswei- sen und für die Entscheidung in Ham- ge Partei den Einzug ins Landesparla- se Horst Schmitthenner, ehemaliges burg (am 24. 2.) vor. Bis zum 27. Januar ment in Wiesbaden oder/und in Han- geschäftsführendes Vorstandsmitglied bleiben noch einige Tage Zeit. Zeit für nover geschafft hat. Ob unsere Argu- der IG Metall und SPD-Mitglied: »Um ei- einen starken Schlussspurt im Wahl- mente verständlich genug und unsere nen Politikwechsel in Hessen einzulei- kampf. Drücken wir die Daumen, helfen Alternativen für soziale Gerechtigkeit ten, ist es notwendig, dass DIE LINKE wir mit! Erst in Hessen und Niedersach- überzeugend sind. Ob unsere Kräfte stark im Landtag vertreten ist.« sen und anschließend in Hamburg!

im Handwerk als Maler tätig, die Mut- Landtagswahl in Niedersachsen ter Kinderpfl egerin. Ihre Mutter hat ih- ren Beruf zugunsten der Familie nach der Geburt der ersten Tochter aufge- 27.01.08 geben. Eine Familiensituation, wie sie noch heute vielfach vorherrscht. Al- lerdings haben Frauen heute viel öf- ter den berechtigten Anspruch, ihren Beruf weiter auszuüben, während die Wirklichkeit sich mit diesem Anspruch Erst der Wahl- nicht deckt. Der Wunsch nach Kindern kampf, dann der und Familie ist Entscheidungszwän- gen unterworfen: Wer betreut die Kin- Schmuck der, wenn Krippen und Kitas wegen zu hoher Gebühren dafür nicht in Frage kommen? Da Männer oft ein höheres Einkommen beziehen, verzichten im-

»Je stärker wir sind, desto sozialer wird mer noch überwiegend Frauen auf ih- Niedersachsen LINKE © DIE die SPD«, stellte Tina Flauger fest, als ren Beruf. Tina Flauger, Spitzenkandidatin sie von den Delegierten auf dem nie- Neben dieser Einengung persön- dersächsischen Parteitag zur Wahl als licher Lebensplanung stört Tina eben- geschafft, ganz einfach!« Und dafür Spitzenkandidatin unserer Landeslis- so die Tatsache, »dass Familienpla- macht sie jetzt Wahlkampf. te aufgestellt wurde. Der Name Tina nung für immer mehr Menschen zum Sie wirbt für ein soziales Nie- leitet sich ab von ihrem eigentlichen Armutsrisiko wird«. Das war schon zu dersachsen, Chancengerechtigkeit für Vornamen Kreszentia, etwas »holp- Zeiten ihrer Kindheit und Jugend so alle Kinder, Rekommunalisierung von rig und gewöhnungsbedürftig«, wie und hat sich weiter verschärft. Sie sel- Einrichtungen der öffentlichen Da- sie selber fi ndet: »Die Kurzform brau- ber hat die Erfahrung gemacht, wie es seinsvorsorge, eine Erhöhung der Lan- che ich gegenüber Fragenden nicht zu unter Freunden war, nach Ausreden zu desbeteiligung am VW-Werk und einen buchstabieren«. suchen, warum sie nicht mitkommen gesetzlichen Mindestlohn. »Wir brau- Den Anspruch an eine soziale Po- konnte ins Kino. Ihr und ihren Freun- chen den, weil die etablierten Parteien litik leitet sie aus eigenen Lebenser- dinnen war bewusst, dass der wah- durch leichtere Befristungen, Leihar- fahrungen ab. Sie wurde 1966 als äl- re Grund das Geld war, aber niemand beit und Minijobs die Kampfkraft der teste von fünf Geschwistern in Kiel ge- hat es ausgesprochen. Armut war und Gewerkschaften gezielt zerschlagen boren. Ihre Eltern, mittlerweile Rent- ist kein Aushängeschild. »Das soll es haben«, meint sie. Tina weiß, wovon ner, waren »einfache Leute«, der Vater auch nicht werden, Armut gehört ab- sie da spricht, sie ist gleich zu Beginn ihrer Ausbildung in die Gewerkschaft eingetreten und war viele Jahre Be- Niedersachsen Landtagswahl am 2. 2. 2003 triebsrätin und Mitglied der Tarifkom- mission. Immer wieder betont sie im Wahlkampf, dass unsere Forderungen 48,3 % 33,4 % 7,6 % 8,1 % 2,5 % fi nanzierbar sind: nämlich durch die Einführung einer Vermögens- und Bör- senumsatzsteuer. CDU SPD Grüne FDP Sonstige Tina ist in ihren Argumentationen themenfest. Sie wiegelt dazu aber ein

DISPUT Januar 2008 06 wenig ab und meint: »Alle anderen nutzen. Hartz IV wird selbstverständ- Drei Anträge für Parteien bieten uns eben laufend Steil- lich nicht auf Landesebene abge- vorlagen. Und weil sie inhaltlich ge- schafft, aber die Landesebene hat frischen Wind gen unsere Forderungen nichts sagen maßgeblichen Einfl uss darauf.« Am 14. Dezember, sieben Wochen können, werfen sie uns dann Populis- Was sie nicht versteht ist, dass Po- vor der Landtagswahl, hat die LIN- mus vor. Dabei bringen wir die Dinge litik sich selbst ständig die Einfl uss- KE in Niedersachsen schon ein- nur auf den Punkt und benennen sie möglichkeiten nimmt: »Warum sol- mal geprobt: Ihre Spitzenkandi- klar.« Trotzdem ärgert sie die teilwei- len Parlamente nicht über Bahn-, Gas- datInnen hielten ihre erste »öf- se unsachliche Auseinandersetzung oder Strompreise mitentscheiden? fentliche Fraktionssitzung« ab. mit der LINKEN. Die konkurrierenden Über Dinge also, die die Menschen di- Hauptthema waren die ersten drei Parteien versuchten, uns mundtot zu rekt betreffen?« Privatisierungen be- Anträge, die die Partei nach ihrem kriegen. Das sei verständlich, denn wir deuteten, dass sich Parlamente ein Einzug in den Landtag dort vorle- sind eine ernsthafte Gefahr für die am- Stück überfl üssiger machten und dass gen will. Landesvorsitzende Kres- tierende Landesregierung. »Wer Wulff demokratischer Einfluss abgebaut zentia Flauger erläutert die An- verhindern will, muss DIE LINKE wäh- wird. Verständnislos schüttelt sie den träge: »Unser Wahlkampf hat drei len, das wird auch von der CDU rich- Kopf, erklärt sich so aber auch die im- Schwerpunkte: Armut bekämpfen – tig verstanden.« Deshalb werden Mit- mer stärker werdende Politikabstinenz Bildung gebührenfrei für alle – Pri- glieder der Jungen Union zwangsver- und das Desinteresse an Politik. »Zum vatisierungen stoppen. Jeden die- pfl ichtet, unsere Veranstaltungen zu Glück wird sich das im neuen Jahr in ser Schwerpunkte haben wir auf besuchen. Die SPD versucht, sich so drei Landes- und zahlreichen Kommu- dieser Beratung für die Landes- wenig wie möglich mit uns auseinan- nalparlamenten ändern.« politik konkretisiert.« Die Armut derzusetzen. »Uns zu ignorieren heißt Was Tina bis Ende Januar zu tun hat, möchte die Partei unter anderem aber nicht, dass wir nicht da sind. Das weiß sie genau: Wahlkampf, Wahl- dadurch bekämpfen, dass künf- werden die Sozialdemokraten spätes- kampf, Wahlkampf. Trotz des Zeitauf- tig Aufträge vom Land Niedersach- tens am 27. Januar merken.« wandes freut sie sich darauf. »Die Auf- sen nur noch an Unternehmen ge- Tina ist mittlerweile fest von un- taktveranstaltung mit Oskar am 11. De- hen, die einen Lohn von mindes- serem Einzug in den Landtag über- zember in Osnabrück war ein voller tens acht Euro zahlen. Zum Schutz zeugt. Auf ein genaues Ergebnis mag Erfolg, so macht Wahlkampf Spaß!« des öffentlichen Eigentums soll in sie sich nicht festlegen, außer dass Ihrem Hobby, Glasperlen herzustel- einer Entschließung des Landtags bei fünf Prozent der Stimmen unsere len und daraus Schmuck zu fertigen, unter anderem sichergestellt wer- Fraktion mindestens sieben Personen kann sie weiter nachgehen, wenn wie- den, dass die Landeskrankenhäu- stark sein wird. In haben uns der etwas Alltag eingekehrt ist. Aber ser wieder in öffentliches Eigentum die Umfragen vor der Wahl auch per- dann als eine der ersten Abgeordne- kommen und weitere Privatisie- manent schlechter dastehen lassen ten der LINKEN im niedersächsischen rungen ausgeschlossen werden. als es dann am Wahlsonntag war. Landtag! Manfred Sohn, auf Platz 2 der Ihre letzten Wahlkampferfahrungen Landesliste, hob hervor, dass die hatte sie übrigens in Bremen gemacht, Maren Kaminski Beratung öffentlich und gemein- schließlich wohnt sie in der Nähe, in sam mit Gewerkschaftern und Wildeshausen, und das Ergebnis bau- Vertretern verschiedener Initiati- te auf. »Klar, Flächenland und Stadt- ven erfolgt sei: »Das bleibt keine staat sind nicht zu vergleichen, aber Eintagsfl iege. Auch künftig wird viele erste Podiumsdiskussionen wa- es keine parlamentarische Aktivi- ren Punktsiege für uns. Schon mehr- tät unserer Partei geben, die nicht fach mussten das gestandene SPD- vorher mit Gewerkschaften, Bür- Mitglieder zugeben.« Das wundert Ti- gerinitiativen, sozialen und ökolo- na nicht. Als einzige politische Kraft gischen Bewegungen abgestimmt würden wir nicht ständig von Sach- ist. Mit diesen drei Anträgen kön- zwängen reden oder auf Zuständig- nen wir ohne jeden Zeitverzug keit der Bundesebene verweisen. nach dem 27. Januar dafür sorgen, Denn Bundes- und Landesebene lie- dass frischer Wind in den Landtag gen in ihren Zustimmungen nahe bei- kommt.« einander. Hier darf sich niemand sei- ner politischen Verantwortung entzie- DIE LINKE hen. Im Gegenteil. »In unserem Wahl- Landesverband Niedersachsen programm stehen zahlreiche von uns Große Düwelstraße 28 zu ergreifende Bundesratsinitiativen. 30171 Hannover Wir wollen den uns zustehenden poli- Telefon: (0511) 9245910

tischen Spielraum für Veränderungen Niedersachsen LINKE © DIE www.dielinke-nds.de

70 DISPUT Januar 2008 WAHLEN IM WESTEN – ENDSPURT IM DREIKAMPF

ne bisherige Arbeit eine große Chance: rieren. Die Situation ist im hessischen Landtagswahl in Hessen Es geht zum einen darum, DIE LINKE in Wahlkampf nochmals zugespitzt. Dort einem breiten gesellschaftlichen Bünd- steht mit Roland Koch ein neolibe- nis zu verankern, und zum anderen dar- raler und polarisierender Machtpo- 27.01.08 um, den außerparlamentarischen Initi- litiker besonderen Schlages gegen- ativen und Bewegungen ein Sprung- über. DIE LINKE muss zudem ihr eige- brett zu staatlichen Institutionen und nes landespolitisches Profi l aufbauen Akteuren zu geben. »In der LINKEN ha- und schärfen. »Es geht mir sehr stark ben die außerparlamentarischen Initi- darum, statt kurzfristiger Polarisierung ativen und Bewegungen erstmals seit ein politisches Umfeld zu schaffen, in Gesellschaftlicher Jahrzehnten wieder einen parlamen- welchem die LINKE mit verschiedenen Wandel ist ein tarischen Ansprechpartner, der ihre Kräften – wie Gewerkschaften, Initia- Anliegen und Interessen dort vertritt, tiven, NGO, Sozialforen – gemeinsam Langzeitprojekt wo Politik ausgehandelt wird. Auch ein gesellschaftliches Klima erzeugt, auf der hessischen Landesebene wer- das einen Politikwechsel ermöglicht. den wir dazu beitragen können, die Gesellschaftlicher Wandel ist ein Lang- große Chance einer direkteren Vermitt- zeitprojekt! Hier kann und will ich mei- Als Bindeglied zu außerparlamenta- lung zwischen Politik und gesellschaft- nen wesentlichen Beitrag leisten. Eine rischen Initiativen, als parlamenta- lichen Kräften langfristig zum Erfolg zu linke Landtagsfraktion kann dabei eine risches Sprachrohr für soziale Bewe- führen.« zentrale Rolle spielen.« gungen, als Verfechter einer konse- Wie aber passt die parteipolitische Hessen hat sich in den letzten Jah- quenten Friedenspolitik und als Wan- ren zum Musterland neoliberaler Poli- derer zwischen den verhärteten Linien tik entwickelt, mit weitreichenden Kon- der Parteienpolitik – so sieht sich Wil- sequenzen auch für die Bundespolitik: li van Ooyen in seiner Rolle als unab- Hans Eichel trieb nach seiner Abwahl hängiger Spitzenkandidat der LINKEN vom Amt des hessischen Ministerpräsi- in Hessen. denten als Finanzminister in Berlin die Der 60-jährige pädagogische Leiter rot-grüne Steuerreform voran – Grund- und Prokurist der Praunheimer Werk- lage von Steuerausfällen in Milliarden- stätten, einer großen regionalen Ein- höhe und Rechtfertigung für weiteren richtung für Menschen mit geistiger Sozialabbau. Franz-Josef Jung, der und körperlicher Behinderung, ist seit für Koch den Kopf in der hessischen Jahrzehnten aktiv in der Friedens-, An- Schwarzgeld-Affäre hingehalten hat- ti-Faschismus und Sozialforumsbewe- te und zurücktrat, tauchte in Berlin als gung. In unzähligen Vereinen, Initiati- Verteidigungsminister wieder auf und ven, Denkfabriken und Organisations- führt heute deutsche Truppen weltweit foren ist er in unterschiedlichen Äm- ins Feld. Und das Sündenregister von tern und Funktionen organisiert. Allein Roland Koch selber ist unübersichtlich im Jahr 2007 war er an der Koordina- lang: Mit der Kampagne gegen die dop- tion der Anti-G8-Proteste, der Sommer- Hessen LINKE © DIE pelte Staatsbürgerschaft zur Macht ge- universität der Friedensbewegung, der Willi van Ooyen, Spitzenkandidat kommen, hat er auch auf Bundesebene Vorbereitung der Kampagne für den Ab- von der Agenda 2010 bis zur Unterneh- zug der Bundeswehr aus Afghanistan Unabhängigkeit mit der intensiven po- menssteuerreform kräftig mitgemischt und an der Vorbereitung des 2. Sozial- litischen und gesellschaftlichen Aus- und in Hessen die Bildungspolitik in forums in Cottbus beteiligt. einandersetzung zusammen? DIE LIN- eine Misere geführt sowie die größ- Im Einzug der LINKEN in den hes- KE ist als neue Kraft mit Anfeindungen ten Privatisierungsprojekte der BRD als sischen Landtag, der immer wahr- von außen konfrontiert und muss sich Musterprogramme installiert. »Natür- scheinlicher wird, sieht er auch für sei- im Inneren organisatorisch neu struktu- lich geht es in Hessen darum, dieser Politik einen Riegel vorzuschieben. Die Abwahl von Koch kann nach allen Mei- Hessen Landtagswahl am 2. 2. 2003 nungsumfragen nur gelingen, indem DIE LINKE in den Landtag kommt. Die- se Rolle übernehmen wir natürlich sehr 48,8 % 29,1 % 10,1 % 7,9 % 4,1 % gerne! Zudem hat der Einzug der LIN- KEN hohe Signalwirkung und eine ge- sellschaftliche Wirkung weit über Hes- CDU SPD Grüne FDP Sonstige sen hinaus.« Aufgrund der strategischen Bedeu-

DISPUT Januar 2008 08 tung Hessens und des möglichen Ein- zuges der LINKEN in den Landtag gibt es seit Monaten bereits eine Dauerprä- senz der Bundesmedien. In keiner Um- frage oder Analyse zur künftigen Re- gierung wird an der LINKEN vorbei ge- schrieben und geredet. Doch die Frage einer Regierungsbeteiligung polarisiert die Partei im Inneren. Das Misstrauen gegenüber Rot-Grün, die jahrelang in Hessen die Chance hatten, politisch zu gestalten, und die auf Bundesebene ei- Hessen LINKE © DIE ne neoliberale Politik in nicht geahnter Die Spitzen-Sieben der 54-köpfi gen Landesliste. Weise umgesetzt haben, scheint keine vertrauenswürdige Basis für eine Zu- len Kompromissen kleben bleiben, wo- ne wie auch immer zusammengesetz- sammenarbeit zu sein. Andererseits durch sich Koalitionsspekulationen fak- te Fraktion der LINKEN im hessischen ergäbe sich nur durch eine wenigs- tisch ausschließen. Andererseits treten Landtag wird ihren legitimierenden tens begrenzte Kooperation die Chan- wir natürlich auch deshalb an, weil wir Auftrag nur durch eine Urabstimmung ce, Koch abzuwählen, Politik selber Koch aus seinen Ämtern jagen müssen der Mitglieder erhalten. Wir werden uns mit zu gestalten und eine Große Koa- und bei einer parlamentarischen Ab- deshalb treu bleiben müssen, und das lition in Hessen zu verhindern. Erwar- stimmung hierzu unseren Beitrag leis- ist sehr gut so!« ten die Wähler von einer Partei nicht ten wollen. Ich denke wir haben des- auch eine grundsätzliche Regierungs- halb gut daran getan, uns auf poli- Adrian Gabriel bereitschaft? »Der Erwartungsdruck tische Inhalte zu verständigen, von der unserer Mitglieder und Wähler, der Me- eine Zusammenarbeit mit anderen Par- DIE LINKE dien und anderen Parteien sowie aller teien abhängen wird. Zustimmung wird Landesverband Hessen gesellschaftlichen Organisationen ist es nur geben, sofern die Inhalte stim- Große Seestraße 29 sehr hoch. Einerseits wollen wir einen men. Wer uns braucht, der muss erst- 60486 /Main tatsächlichen Politikwechsel erreichen, mal fragen, und zwar nicht mich, son- Telefon: (069) 706502 also nicht auf halber Strecke und fau- dern unsere Mitglieder in Hessen. Ei- www.die-linke-hessen.de

Aktiv in der Friedens- und Sozialarbeit. Hessens LINKE tritt mit Direkt-KandidatInnen in allen 55 Wahlkreisen an. © DIE LINKE Hessen LINKE © DIE

90 DISPUT Januar 2008 WAHLEN IM WESTEN – ENDSPURT IM DREIKAMPF

Dringend: teien unternehmen nicht einmal den Bürgerschaftswahl in Hamburg Versuch, etwas dagegen zu tun. Statt Briefboten gesucht dessen wird von Staats wegen in die Mit überwältigender Mehrheit Kühlschränke der Armen geschaut, um hat der Landesparteitag am 5. Ja- 24.02.08 ihre Bezüge zu kürzen, wohingegen nuar einen Leitantrag zur Bürger- Manager, die Arbeitsplätze und Geld schaftswahl am 24. Februar be- vernichten, noch ›Erfolgsprämien‹ in schlossen. Darin fordert DIE LIN- Millionenhöhe gezahlt wird.« KE einen Politikwechsel in Ham- Erst die WASG und dann – zusam- burg. Basis eines Politikwechsels men mit den GenossInnen von der ist das Sofortprogramm der LIN- Veränderung ist Linkspartei – DIE LINKE wurden für die KEN. In ihm heißt es: »Wir ... wol- eine Frage des 1949 auf Fehmarn in Schleswig-Hol- len einen neuen Aufbruch für so- stein geborene Dora Heyenn, Mutter ziale Gerechtigkeit und Demokra- politischen Willens dreier Kinder, eine neue politische Hei- tie. Wir sind gegen Sozialabbau, mat. »Seit der Bundestagswahl 2005 gegen die Privatisierung öffent- hat DIE LINKE gezeigt, was Oppositions- licher Dienste und gegen Renom- fähigkeit bewirken kann. Von der parla- mierprojekte. Wir wollen soziale »So kann es nicht weitergehen!«, das mentarischen Minderheit wurden völ- Gerechtigkeit, ein solidarisch or- war das Motto vieler enttäuschter So- kerrechtswidrige Bundeswehreinsätze, ganisiertes Gemeinwesen und ei- zialdemokratInnen und Gewerkschaf- die Rente mit 67 und der gesetzliche ne sozial- und umweltverträgliche ter/innen, als sie im Jahre 2005 in die Mindestlohn auf die politische Tages- Stadtentwicklung.« WASG eintraten. Unter ihnen auch Do- Vor diesem Hintergrund bietet ra Heyenn. Schröders Basta-Politik DIE LINKE Hamburg an, eine Re- hatte die langjährige Sozialdemokra- gierung von SPD und GAL zu to- tin schon 1999 davon überzeugt, dass lerieren, heißt es in einer Presse- sie ihre damalige Partei verlassen will, mitteilung. Der Parteitag habe be- ja muss. Kriegseinsätze der Bundes- schlossen, »einen so zustande ge- wehr im Ausland und damit der »Verrat kommenen Senat wird DIE LINKE an den Grundsätzen« der Sozialdemo- nur unter der Voraussetzung un- kratie, die immer wieder mit Sachzwän- terstützen, dass seine Politik der gen begründet wurden, waren der An- Erreichung unserer Ziele zu einer lass. Mit der SPD eines Jochen Steffen,

sozialeren und einer aktiven Frie- der sie sich Anfang der siebziger Jah- Hamburg LINKE © DIE denspolitik dient.« Der Leitantrag re in Schleswig-Holstein angeschlos- legt weiter fest, dass auf einem sen hatte, hatte die Schröder-SPD gar ordnung gesetzt. Mit Lafontaine und Parteitag und in einer Urabstim- nichts mehr zu tun. Die Agenda 2010 Gysi lehrte DIE LINKE der SPD und den mung darüber zu entscheiden ist. und Hartz IV, die von der SPD und den Grünen das Fürchten. Und mehr noch: Achtung, die Landesgeschäfts- Grünen danach auf den Weg gebracht Sie ist die politische Kraft, mit der die stelle in Hamburg hat eine große wurden, bestätigten diese Einsicht politischen Verhältnisse in Hamburg Bitte: Am 16. Februar, gut eine Wo- und gaben noch einmal neuen Schub zum Tanzen gebracht wurden.« che vor dem Wahltag, sollen Wäh- für Engagement: »Die Kluft zwischen DIE LINKE in Hamburg hat auf ihrem ler/innenbriefe von Gregor Gysi Arm und Reich wird immer größer und Gründungsparteitag im Juli 2007 ein und Oskar Lafontaine an 500.000 immer sichtbarer. Die Spaltung der Ge- »Sofortprogramm« zur Bürgerschafts- Haushalte in der Hansestadt ver- sellschaft wurde ausgerechnet durch wahl verabschiedet, das auch dazu bei- teilt werden. Bitte überlegt in die rot-grüne Bundesregierung ver- getragen hat, den politischen Diskurs Kreisverbänden und Basisorgani- schärft. Der politische Sündenfall kam in Hamburg nach links zu verschieben. sationen, ob Ihr am 16. Februar die mit den Hartz-Gesetzen, benannt nach Finanzierbare Forderungen wie der Ein- Großaktion unterstützen könnt. dem Personalchef von VW. Der Denk- stieg in eine »Schule für alle«, die Ab- Meldet bitte – am besten per fehler war, dass unsere Gesellschaft schaffung der entwürdigenden Ein- Mail –, mit wie vielen HelferInnen keine Automobilfi rma ist. Euro-Jobs und Umwandlung in sozial- Ihr kommen könnt. Die Adresse: Die Rechte der Arbeitnehmer/innen versicherungspfl ichtige Arbeitsplätze, [email protected]. werden immer stärker eingeschränkt, kein Kohlekraftwerk in Moorburg und das Streikrecht konterkariert, von Mit- eine Ausbildungsplatzumlage, damit DIE LINKE bestimmung kann kaum noch die Rede alle Jugendlichen eine Ausbildung er- Landesverband Hamburg sein, und Menschen müssen für Stun- halten, ermöglichen einen Einstieg für Kreuzweg 7, 20099 Hamburg denlöhne arbeiten, die ihnen ein Aus- einen Politikwechsel in Hamburg. Telefon: (040) 22624214 kommen mit dem Einkommen nicht Dora Heyenn war bis zum Sommer www.die-linke-hh.de mehr ermöglichen. Die etablierten Par- 2007 im Geschäftsführenden Vorstand

DISPUT Januar 2008 010 MIT OSKAR & GREGOR

in einer so reichen Stadt wie Hamburg. Termine im Wahlkampf Die soziale und ethnische Herkunft von Kindern dürfe nicht entscheidend 18. Januar, 17 Uhr: Oskar Lafon- sein für Erfolg oder Misserfolg in der taine, Niedersachsen, Aurich, schulischen Laufbahn. Darüber hin- Music Inside, Jadestraße aus ist für sie die Kampagne »Öffent- 20. Januar, 19 Uhr: Gregor Gysi, lich, weil’s für alle wichtig ist« eine Her- Niedersachsen, Wilhelmshaven, zensangelegenheit: »Bildung, Energie- Kulturzentrum Pumpwerk, sowie Wasserversorgung und Kranken- Banter Deich häuser gehören in die Verantwortung 21. Januar, 14 Uhr: Gregor Gysi, der öffentlichen Hand.« Niedersachsen, Cuxhaven, Als »Spitzenkandidatin« sieht sich Captain Ahabs Culture Club, die gestandene politische Kämpferin Marienstraße nicht: »Ich bin zwar auf Listenplatz 1 ge- 21. Januar, 19 Uhr: Gregor Gysi, wählt worden, aber: ›Spitzenkandida- Niedersachsen, Lüneburg, tin‹ ist eine Erfi ndung der Medien. Wir Unicampus Vamos Kulturhalle, haben ein starkes Team von Kandida- Scharnhorststraße 1

© DIE LINKE Hamburg LINKE © DIE tInnen, die im Wahlkampf zusammen 22. Januar, 19 Uhr: Gregor Gysi, Dora Heyenn, Spitzenkandidatin agieren und auch als Bürgerschafts- Niedersachsen, Göttingen, fraktion als Team arbeiten werden. Joa- Junges Theater, Hospitalstraße der WASG in Hamburg und dabei an der chim Bischoff, Christiane Schneider, 23. Januar, 15 Uhr: Gregor Gysi, Parteibildung und insbesondere an der Wolfgang Joithe, Kersten Artus, Meh- Niedersachsen, Buchholz, Vorbereitung der Wahlen am 24. Febru- met Yildiz, Zaman Masudi, Norbert Empore, Breite Straße 10 ar 2008 verantwortlich beteiligt. Am Hackbusch und die vielen anderen 23. Januar, 19 Uhr: Gregor Gysi/ 30. September auf Platz 1 der Landes- auf der Landesliste und in den Wahl- Oskar Lafontaine, Niedersachsen, liste der LINKEN gewählt, ist Dora da- kreisen geben der Hamburger LINKEN Hannover, Faust-Gelände, mit ein Aushängeschild für den mög- ihr Gesicht. Als Team kämpfen wir da- Zur Bettfedernfabrik 3 lichen Erfolg. für, dass Themen, die in Hamburg viele 24. Januar, 20 Uhr: Gregor Gysi, Die Lehrerin hat so gar nicht die ty- Menschen bewegen und betreffen, im Hessen, Darmstadt, Justus-Liebig- pische Biografi e einer pädagogischen öffentlichen Diskurs eine Rolle spie- Haus, Große Bachgasse 2 Beamtin hinter sich. Ihre Erfahrung len. Es wird allerhöchste Zeit, dass im 25. Januar, 10.30 Uhr: Gregor Gysi, reicht vom Betreiben einer »Werkstatt Haushalt der Hansestadt die Prioritä- Hessen, Dietzenbach, Roter Platz für Keramik & Kreativität« über die Ge- ten wieder zugunsten der Mehrheit der am Stadtbrunnen schäftsführung eines Einzel- und Groß- Bürger/innen und nicht zum Vorteil von 25. Januar, 19 Uhr: Gregor Gysi/ handels, der Leitung einer Keramikga- wenigen Wohlhabenden gesetzt wer- Oskar Lafontaine, Hessen, lerie, der Herausgabe von Publikati- den. Das kann nur DIE LINKE – das ma- Frankfurt am Main, Casino der onen über das Töpferhandwerk, der Ar- chen nur wir.« Dafür werden sich starke Stadtwerke: Kurt-Schumacher- beit als wissenschaftliche Mitarbeiterin Fraktionen der LINKEN in der Hambur- Straße/Börneplatz im Deutschen Bundestag und als SPD- gischen Bürgerschaft und in den quasi- 15. Februar, 19 Uhr: Gregor Gysi, Landtagsabgeordnete bis hin zur an- kommunalen Bezirksversammlungen Hamburg, Galerie Rose, gestellten Lehrerin und Personalrätin engagieren. »Zusammen mit außer- Großer Burstah 36 in einer Kooperativen Schule in Ham- parlamentarischen Bewegungen, Initi- 16. Februar, 11 Uhr: Gregor Gysi, burgs Osten. ativen, den Mitgliedern unserer Partei Hamburg, Altona-Altstadt, Politisch engagiert sie sich vor allem aus den Vorständen und an der Basis Kundgebung, für soziale Gerechtigkeit, in der Um- werden wir Druck machen, damit eine Große Bergstraße 178 welt- und in der Bildungspolitik. Von sozialere Politik umgesetzt wird.« 17. Februar, 17 Uhr: Gregor Gysi, zentraler Bedeutung für sie ist der un- Hamburg-Barmbek, Kulturbühne glaubliche Skandal von Kinderarmut Martin Wittmaack Bugenhagen, Biedermannplatz 19 18. Februar, 19 Uhr: Gregor Gysi, Hamburg-Bergedorf, Lichtwark- Hamburg Bürgerschaftswahl am 29. 2. 2004 haus, Holzhude 1 20. Februar, 19 Uhr: Gregor Gysi/ Oskar Lafontaine, Hamburg, 47,2 % 30,5 % 12,3 % 2,8 % 3,1 % 1,1 % 0,4 % 2,5 % Fabrik, Barnerstraße 36

Stand: 11. Januar CDU SPD GAL FDP Pro Regenbogen Offensive Sonstige Weitere Informationen unter: DM/Schill (Ex-Schill) www.die-linke.de

11 0 DISPUT Januar 2008 Nelken für Rosa und Karl, Nachdenken für den Alltag Mehrere Zehntausend ehrten am 13. Januar in Berlin wieder Kämpferinnen und Kämpfer für Frieden und Freiheit, für Sozialismus und Demokratie Von Florian Müller

Die Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin- Das Wetter meinte Friedrichsfelde gleicht, seit mehr als einem es an diesem Jahrhundert, einem Geschichtsbuch der Ar- 13. Januar 2008 beiter-, Gewerkschafts-, Frauen- und Frie- besonders gut. densbewegung. In der Mitte des Rondells Viele waren von der hohe Porphyrstein mit der Inschrift weither angereist – »Die Toten mahnen uns«. Gewidmet Rosa und haben es nicht Luxemburg und Karl Liebknecht, die vor 89 bereut. Vor der Ge- Jahren von der Reaktion ermordet worden denkstätte infor- sind, und vielen weiteren Kämpferinnen mierten Parteien und Kämpfern für Frieden und Freiheit, für Sozialismus und und Vereine über Demokratie. ihre Vorstellungen Ein solches Geschichtsbuch kann, in des Wortes zwei- für eine gerechtere fachem Sinn, laufend gelesen werden. Wer an den Gräbern Welt. Zu teilweise innehält, wer die (möglicherweise fremden) Namen und heftigen Diskus- kurzen Daten liest und daheim im Bücherschrank oder in sionen veranlass- einer Bibliothek nachschaut, vermag zahlreiche Lebensge- te der Gedenkstein schichten kluger und mutiger Menschen zu entdecken. für die »Opfer des Wie alljährlich kamen auch an diesem zweiten Sonntag Stalinismus«.

TRADITION DISPUT Januar 2008 012 © Erich Wehnert (4) Wehnert © Erich

im Januar Zehntausende Menschen – Parteilose und Mit- glieder sehr unterschiedlicher linker Organisationen – zur Gedenkstätte. Für die Partei DIE LINKE legte ihr Vorsitzender Lothar Bisky einen Kranz nieder. Dass erneut Vertreterinnen und Vertreter der Partei der Europäischen Linken, deren Vorstand in Berlin beriet, sich an der Veranstaltung beteiligten – auch dies ist bereits zu ei- ner kleinen, schönen Tradition geworden. Auf seiner Tagung sprach sich der EL-Vorstand für die Einführung eines gesetz- lichen Mindestlohnes in allen europäischen Ländern aus. Ei- ne entsprechende Erklärung wurde nach einer breiten Dis- kussion, an der ver.di-Chef Frank Bsirske teilnahm, verab- schiedet. Wer nach Berlin-Friedrichsfelde kommt, schaut zurück, um Kraft für Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Dieser einzigartige Ort erweist sich Jahr für Jahr als ein zuverläs- siger Platz, um Freunde und Gleichgesinnte zu treffen. Auch in diesem Sinne: Auf Wiedersehen, bis (spätestens) zum 11. Januar 2009!

13 0 DISPUT Januar 2008 Fraktion der sozialen Gerechtigkeit Dranbleiben, Schwerpunkte setzen, Gerechtigkeit einfordern. Die Verantwortung der Bundestagsfraktion Von Dagmar Enkelmann

Der Aufschwung käme bei immer mehr Selbst die Stiftung des Medienkon- zu sämtliche parlamentarischen Mög- Menschen an, hatte die Bundeskanz- zerns kann die Forderung nach einem lichkeiten auszuschöpfen.« lerin kürzlich auf dem CDU-Parteitag in gesetzlichen Mindestlohn nicht mehr Unser Erfolg bemisst sich dann auch Hannover verkündet. Von der Bedeu- ignorieren. Diese wird heute eben nicht nicht so sehr an der großen Zahl von tung des Wortes »mehr« muss Angela mehr nur von Gewerkschaften und der Gesetzentwürfen, Anträgen, Anfragen, Merkel eine seltsame Auffassung ha- LINKEN gestellt – sie ist Allgemeingut von Reden, Presseerklärungen und Sit- ben. Denn trotz des Aufschwungs hält geworden, mit der sich langsam, aber zungen. Bedeutsam ist vor allem die nur eine kleine Minderheit von 15 Pro- sicher auch Konservative anfreunden Tatsache, dass DIE LINKE das Thema so- zent der Bürgerinnen und Bürger die müssen. ziale Gerechtigkeit wieder in das Zen- derzeitigen wirtschaftlichen Verhält- Von allein kam dieser Sinneswan- trum der politischen Auseinanderset- nisse für gerecht. Das ergab eine reprä- del im Lande allerdings nicht. DIE LINKE zung gerückt hat. sentative Erhebung zum Thema »Sozi- sorgte dafür, dass die (unsoziale) Wirk- Dabei hat sich bewährt, dass die ale Gerechtigkeit«, deren Ergebnis die lichkeit in der Politik ankommt. Sie hat Fraktion Schwerpunkte setzt und als nun wirklich nicht linkslastige Bertels- es, zusammen mit der Gesamtpartei Opposition nicht der Versuchung erlag, mann-Stiftung Anfang Dezember veröf- und vielen anderen außerparlamenta- »alles« zu machen. fentlichte. rischen Kräften, geschafft, in den ver- Dass wir konsequent an Themen Mehr als die Hälfte der Bürgerinnen gangenen beiden Jahren die politische und Problemen dranblieben – das und Bürger – 56 Prozent – hält, so die Landschaft im Sinne des Wortes aufzu- hat sich im Sinne des Wortes ge- Umfrage, die ökonomischen Verhält- nisse für ungerecht. Bei ihnen kam der Aufschwung eben nicht an – »dank« höherer Mehrwertsteuer und gekürz- ter Pendlerpauschale, »dank« stagnie- render Löhne und sinkender Altersein- kommen, »dank« steigender Kinder- armut und der Zunahme prekärer Be- schäftigung. Dem stehen milliardenschwere Steu- ergeschenke an Unternehmen, Millio- nen-Abfi ndungen selbst für unfähige Manager und im Schnellgang erhöhte Diäten für Abgeordnete gegenüber. Üb- rigens sind 60 Prozent der Parlamen- tarier, so hatte eine ähnlich gelagerte Bertelsmann-Umfrage im Jahr 2006 er- geben, der Ansicht, dass es in der Bun- desrepublik im Großen und Ganzen ge- recht zugeht. Das spricht für zuneh- mende Wahrnehmungsverluste einer im Bundestag LINKE © DIE Mehrheit der Abgeordneten bezüglich Als Abgeordnete nicht nur im Hohen Haus wirken. der sozialen Realität. Die Wirtschaft im Auf- und die Ge- mischen. Es gelang, den Kraftzuwachs lohnt. Zum Mindestlohn beispiels- rechtigkeit im Abschwung. Auf diesen durch die Bundestagsfraktion so zu weise brachte die Fraktion eben nicht Nenner lassen sich zwei Jahre Große nutzen, dass heute niemand mehr an nur einen Antrag ein und betrachtete – Koalition bringen. Das politische Un- der etablierten linken politischen Kraft nach erwarteter Ablehnung durch die behagen über die Zustände ist allent- vorbei kommt. Mehrheit – die Sache damit als erle- halben spür- und greifbar. Intensiv wird Diese – wie ich meine, inzwischen digt. Nein, zum Mindestlohn liegen in- nach Alternativen gesucht. erfüllte – Forderung hatte ich vor gut zwischen drei Anträge der LINKEN vor Um noch einmal auf die erwähnte Er- zwei Jahren in der November-Ausgabe und über zwei ließen wir namentlich hebung zurückzukommen: Um eine ge- des DISPUT zum Start der Fraktion nie- abstimmen. Das wurde durch unzähli- rechtere Verteilung herzustellen, schla- dergeschrieben. Eine andere Forderung ge außerparlamentarische Kleinarbeit gen drei Viertel der Befragten Maßnah- aus dieser Zeit gilt nach wie vor: »Wir begleitet. Soviel Engagement und po- men gegen Kinderarmut vor. 72 Prozent sind nicht gewählt worden, um von den litische Hartnäckigkeit zahlen sich am sprechen sich für eine steuerliche Ent- anderen Fraktionen quasi geliebt oder Ende aus. lastung von Geringverdienern aus. 69 geehrt zu werden. Unsere Aufgabe be- Oder das Beispiel Zwangsverren- Prozent der Bürgerinnen und Bürger steht darin, im Interesse der Wähle- tung: Bereits im Mai 2007 hatte DIE LIN- wollen ein Mindesteinkommen durch rinnen und Wähler unsere politischen KE die drohende Zwangsverrentung der Mindest- oder Kombilöhne. Angebote deutlich zu machen und da- von der sogenannten 58er-Regelung

PARLAMENT DISPUT Januar 2008 014 Betroffenen in Kleinen Anfragen the- mit deutlich niedrigeren Renten kon- EINGESCHRÄNKT matisiert. Als die Fraktion dann im Ju- frontiert sein. li den ersten Antrag einbrachte, muss- Natürlich gehören auch der Erhalt te ich mir vom ehemaligen Parlamenta- und Ausbau demokratischer Bürger- rischen Geschäftsführer der SPD-Frakti- rechte und der Kampf gegen einen al- on, Olaf Scholz, Panikmache vorwerfen les kontrollierenden Überwachungs- lassen. Nun sorgte Scholz, inzwischen staat zu den Schwerpunkten der Frak- bekanntlich zum Arbeitsminister auf- tion. Auch steht die intensive Debatte gerückt, zum Jahresende in wahrer Tor- des EU-Reformvertrages vor der Tür. schlusspanik dafür, dass die Zwangs- Auf den Punkt gebracht: DIE LINKE ■ ■ Die undemokratischen Be- rente wenigstens erst ab 63 Jahre gel- ist die Fraktion der sozialen Gerechtig- sonderheiten des bayerischen ten soll. keit – dies wird auch in den kommen- Wahlrechts kommentierte am 10. Die Schuld dafür, dass die Rege- den zwei Jahren ihr Markenzeichen im Januar Bundesgeschäftsführer lung nun nicht zum 1. Januar, sondern Bundestag sein. Es liegt in der Verant- : Zur Kommunal- – wenn überhaupt – nur rückwirkend ir- wortung der LINKEN, den Zeitgeist zu wahl am 2. März 2008 kämpft auch gendwann 2008 kommt, wird die SPD verändern und auch künftig die poli- DIE LINKE um den Einzug in die der Union in die Schuhe schieben wol- tisch Verantwortlichen unter Druck zu Rathäuser. Eines vorweg: DIE LIN- len. Tatsache ist aber, dass die SPD die setzen. KE hat keinen Grund, vor Angst in Probleme verschlafen und deren Lö- Dabei können wir natürlich noch den dunklen bayerischen Wäldern sung hinausgezögert hat. Sie hätte viel besser werden. Zum einen muss es zu pfeifen. Wir sind inhaltlich und eher im Interesse der Älteren handeln darum gehen, linke Mehrheiten, die personell so aufgestellt, dass wir können – wenn sie denn gewollt hätte. es in der Gesellschaft längst gibt, auch eine vernünftige Alternative sind. Nun müssen hunderttausende Betrof- im Bundestag zum Tragen zu bringen. DIE LINKE wird in München, Nürn- fene weiter in Unsicherheit leben. Linke Mehrheiten gibt es für einen ge- berg, Lindau, aber auch in Gemein- Dasselbe traurige Bild bietet die SPD setzlich garantierten Mindestlohn, für den wie Kösching, Tapfheim oder bei der Verlängerung des Arbeitslosen- den Abzug der Bundeswehr aus Afgha- Asbach-Bäumenheim antreten, wo geldes I, bei der Anpassung der Hartz- nistan und übrigens auch für ein Tem- wir entweder bereits in den Kom- IV-Regelsätze oder beim Kampf gegen polimit auf Autobahnen. Bei diesen munalvertretungen waren oder die Kinderarmut. Nach vollmundigen An- und anderen Themen gilt es, kontinu- notwendigen Unterschriften vor- kündigungen wird auf die Bremse ge- ierlicher dranzubleiben, als LINKE er- liegen. In weiteren Kommunen ist treten, blockiert und vertröstet. Deswe- kennbar Druck zu machen und sich das Ziel fast erreicht. Dennoch sei gen darf DIE LINKE nicht locker lassen nicht allein auf eine Kampagne oder ei- auf undemokratische Hürden hin- und muss noch viel öfter die zutiefst ne Konferenz zu verlassen. gewiesen, die es neu antretenden ungerechte Wirklichkeit auf die etab- Die bislang eher »virtuellen« Mehr- Gruppierungen schwer machen, lierte Politik prallen lassen. So bestä- heiten im Bundestag politisch wirksam sich als Alternative zu präsen- tigt die aktuelle Studie des Deutschen zu machen, kann auf verschiedenen tieren, und so die Ausübung der Instituts für Wirtschaftsforschung, laut Wegen geschehen. So wird die Frak- Staatsgewalt durch das Volk ad ab- der durch das ALG II die Armutsquote tion auch künftig Vorschläge einbrin- surdum führen. auf zwei Drittel der Betroffenen gestie- gen, deren Ablehnung der regierenden Das Procedere des Unterschrif- gen ist, was Linke schon seit 2004 pla- Mehrheit schwerfallen wird. Abschrei- tensammelns ist an sich schon katieren: »Hartz IV – das ist Armut per ben bei den LINKEN ist also ausdrück- fragwürdig. In Bayern legt die Ge- Gesetz!« lich erwünscht. meinde- und Landkreiswahlord- 2008 wird für DIE LINKE das Jahr Unsere Konzepte müssen noch mehr nung sehr detailliert fest, wie viele des Mindestlohns. Weitere Kernforde- »auf den Punkt« gebracht, mit unseren Unterschriften für einen Wahl- rungen sind für uns: die Abkehr von der Vorschlägen zur Finanzierbarkeit ver- antritt zu erbringen sind. Das ei- Agenda 2010, insbesondere von Hartz bunden, verständlicher und griffiger gentliche Problem ist die Art, wie IV, die Bekämpfung der Kinderarmut, werden, noch näher am Leben der Bür- sie gesammelt werden müssen: die Rücknahme von Rentenkürzungen gerinnen und Bürger dran sein. Dass In einem zeitlich engen Rahmen und der Rente ab 67 sowie eine Revi- DIE LINKE eine »Fraktion vor Ort« ist müssen Unterstützer ihre Unter- sion der Gesundheitsreform. Und es – auch das ist als ihr unverzichtbares schriften zu festgelegten Öff- bleibt bei der konsequenten Friedens- Markenzeichen weiter auszubauen. nungszeiten in den Rathäusern politik der LINKEN. Wir verlangen weiter Es geht darum, Gerechtigkeit einzu- leisten. Kleinere Parteien müssen den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern – auf allen Gebieten: Es darf somit die Last eines »doppelten aus Afghanistan. nicht sein, dass sich die Reichen und Wahlkampfs« schultern, sie müs- Die Fraktion wird sich auch 2008 Vermögenden auf Kosten der Mehrheit sen erst um Unterstützung werben intensiv den Problemen Ostdeutsch- der Bevölkerung bereichern, dass Bil- und können sich erst nach Zulas- lands zuwenden. Dafür trägt DIE LIN- dungswege von der sozialen Herkunft sung inhaltlich in den Wahlkampf KE nach wie vor eine besondere Ver- bestimmt werden und der Klimaschutz einschalten. Dies ist eine nicht antwortung. Die Angleichung der Löh- ein Vorzeigeprojekt für Besserverdie- hinnehmbare Einschränkung der ne und Renten in den neuen Ländern nende wird. Seien wir populär, fordern Ausübung der Staatsgewalt durch an das westdeutsche Niveau ist über- wir das Realistische! das Volk. Die das politische Ge- fällig. Dafür muss die Bundesregierung schäft belebende Konkurrenz wird endlich einen konkreten Fahrplan vor- Dr. Dagmar Enkelmann ist behindert, und Bürger/innen müs- legen. Bleibt es beispielsweise bei der 1. Parlamentarische Geschäftsführerin sen zusätzliche Belastungen in ungerechten unterschiedlichen Ren- der Fraktion DIE LINKE im Kauf nehmen, bevor sie ihr Kreuz tenberechnung Ost und West, werden Deutschen Bundestag. bei der sozialistischen Alternative selbst heute 30- oder 40-Jährige später [email protected] für Bayern machen können.

15 0 DISPUT Januar 2008 Ob Krankenschwester oder Polizist Die Überleitung von DDR-Renten war mit Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen verbunden. Damit muss endlich Schluss sein! Von Martina Bunge

»17 Anträge zu 17 Jahren Rentenunge- sie nicht erkennen. Zweitens verquick- den Bedingungen gearbeitet. Deshalb rechtigkeit Ost« titelte »Neues Deutsch- ten sie das Rentenrecht mit der Aufar- wurde ihnen eine Altersversorgung zu- land«, als die Bundestagsfraktion DIE beitung der Geschichte. Dabei galt zu- gesagt, wie sie Bergleute unter Tage er- LINKE Anfang November 2007 ihre In- nächst fast jeder, der eine besondere halten. Diese Ansprüche werden ihnen itiativen in Sachen Rentenüberleitung Altersversorgung erhielt, erst einmal heute vorenthalten. vorgestellt hatte. Dass es gerade 17 An- als Günstling des Staates. Drittens wur- Auch mitversicherte Familienan- träge geworden sind, ist eher ein Zu- de ein wichtiger Unterschied zwischen gehörige von Land- und Forstwirten, fall. Dass es diese Anträge 17 Jahre der Rente West und der Rente Ost nicht Handwerkern und anderen Selbstän- nach Herstellung der staatlichen Ein- berücksichtigt: In der DDR war, relativ digen sowie Menschen, die sich über heit geben muss, ist ein Armutszeugnis unabhängig von der Höhe der Einkünf- den zweiten Bildungsweg qualifi ziert für alle Bundesregierungen seit 1990 – te, die Zahl der Arbeitsjahre entschei- haben, müssen Einbußen hinnehmen. ob Schwarz-Gelb, Rot-Grün oder nun dend; in der Bundesrepublik sind die Zum Zweiten entstand Versorgungs- Schwarz-Rot. während des Arbeitslebens erreichten unrecht, indem mit dem Rentenüberlei- Die Überleitung der Altersversor- Einkünfte das Wesentliche. tungsgesetz (und dem dazugehörigen gungen der DDR in das bundesrepu- Aus dieser Gemengelage ergaben Anspruchs- und Anwartschaftsüberfüh- blikanische Recht war eine große und sich zum Ersten rentenrechtliche Lü- rungsgesetz) von 1991 zahlreiche An- sehr komplexe Aufgabe. Fast vier Mil- cken. Sie beruhen darauf, dass es für sprüche aus zusätzlichen Versorgungs- lionen Renten und Versorgungen so- DDR-typische Sachverhalte keine bun- systemen der DDR nicht überführt wur- wie mehr als sieben Millionen Anwart- desrepublikanische Entsprechung gab den. Das betrifft die große Gruppe der schaften auf Alterssicherung mussten und dass die Suche nach einer Lösung wissenschaftlichen, technischen, päd- damals überführt werden. Das erfolgte unterblieb. Viele Ansprüche und Zusa- agogischen, medizinischen und künst- für viele der Älteren relativ reibungslos. gen wurden einfach gestrichen. Neun lerischen Intelligenz, außerdem Be- Allerdings resultieren aus dem Renten- unserer 17 Anträge beziehen sich auf schäftigte im Staats- und Sicherheits- überleitungsgesetz von 1991 auch zahl- solche Sachverhalte bzw. Gruppen, von apparat sowie in Parteien und gesell- reiche Ungerechtigkeiten und Diskrimi- denen einige hier genannt sein sollen: schaftlichen Organisationen. Aber auch nierungen, die zumeist bis heute an- ■ ■ Beschäftigte des Gesundheits- Zusagen für bestimmte Berufsgruppen, halten. und Sozialwesens. Ihnen war – auch so für die Beschäftigten der Reichs- Die PDS hatte sich von Beginn an für als Ausgleich für die niedrigen Gehäl- bahn, wurden gestrichen. Ein besonde- die Rechte der Betroffenen eingesetzt, ter – ein besonderer Steigerungsbetrag res Kapitel stellen diejenigen dar, die und nun ist das auch ein Anliegen der bei der Rente zugesagt worden. in den öffentlichen Dienst der Bundes- Linkspartei. Als wir vor gut zwei Jahren ■ ■ Geschiedene: Für sie gab es in republik übernommen wurden. Ob Pro- als Fraktion gestärkt in den Bundestag der DDR keinen Versorgungsausgleich. fessor, Mitarbeiterin im Sozialamt, Zoll- gekommen sind, war klar, dass wir uns Allerdings konnten sich die Betroffe- beamter oder Polizistin: Selbst für die erneut dem Thema Rentenüberleitung nen (in den allermeisten Fällen waren Zeiten, die sie im öffentlichen Dienst zuwenden wollen. Eine Arbeitsgruppe das Frauen) für die Zeiten, die sie zu- der Bundesrepublik zurückgelegt ha- konstituierte sich. Da ich als »Renten- gunsten der Familie zu Hause blieben, ben, werden sie benachteiligt. Sowohl tante« der Partei gelte, übernahm ich mit einem kleinen Beitrag weiter versi- die Verbeamtungen als auch die Auf- den Vorsitz der AG. In ihr haben vor chern. Das fi ndet heute keine Anerken- nahme in das Versorgungssystem des allem Menschen mitgearbeitet, die die nung mehr. Bundes und der Länder erfolgte erst negativen Wirkungen des Gesetzes aus ■ ■ Menschen, die Angehörige ge- weit nach 1990. Wer zu diesem Zeit- eigener Erfahrung kennen und zumeist pflegt haben: Die Zeiten der Pflege punkt bereits fünf Jahre vor der Beren- in entsprechenden Vereinen und Ver- galten als Versicherungsjahre und zo- tung oder Pensionierung stand, blieb bänden organisiert sind. Durch deren gen deshalb kaum Renteneinbußen gänzlich davon ausgeschlossen. Auf Engagement in der juristischen Aus- nach sich. Heute gelten die Betroffe- diese Problematik beziehen sich meh- einandersetzung fl ossen vielfältige Er- nen (ebenfalls vor allem Frauen) für die rere unserer Anträge. fahrungen ein. Pfl egezeit als nicht rentenversichert. Drittens wurden willkürliche Ein- Wenn es 1991 im Zusammenhang ■ ■ Balletttänzerinnen und -tänzer: griffe in die Rentenformel vorgenom- mit der Überführung der DDR-Alters- Da man diesen Beruf zumeist nur in jun- men und damit das Rentenrecht als versorgungen zu teilweise schwerwie- gen Jahren ausüben kann, erhielten die Strafrecht missbraucht. Statt Einkom- genden Fehlentscheidungen und Unter- Künstler/innen ab dem 35. Jahr lebens- men wenigstens bis zur Beitragsbe- lassungen gekommen ist, hat das ver- lang eine berufsbezogene Zuwendung. messungsgrenze für die Rentenberech- schiedene Ursachen. Erstens taten die Sie stellte auch einen Ausgleich für ei- nung anzuerkennen, wird nur der jähr- Verantwortlichen so, als sei die Renten- nen – im Vergleich zu anderen – verspä- liche Durchschnitt aller anerkannt. Das bemessung in der DDR nach Schema F teten Einstieg in einen neuen Beruf dar. betrifft Personen, die in höheren Funk- erfolgt. Dass die Alterssicherungssyste- Diese Zuwendung ist entfallen. tionen tätig waren, und alle Beschäf- me für unterschiedliche Berufsgruppen ■ ■ Bergleute der Braunkohleverede- tigten des MfS. Speziell für diese Grup- ähnlich vielgliedrig wie in der Bundes- lung in Borna/Espenhain: Sie haben pen erfolgt in Debatten immer wieder republik waren, wollten oder konnten unter extrem gesundheitsschädigen- der Verweis auf den Willen der letz-

RENTE DISPUT Januar 2008 016 ten Volkskammer der DDR. Betrachtet Die anderen Fraktionen werden un- ZÜNDELEI man die diesbezüglichen Dokumente, serer Initiative, werden keinem der An- ist ihnen gerade solch ein rigider Um- träge zustimmen. Trotzdem sind diese gang mit erworbenen Ansprüchen nicht 17 Anträge wichtig (so wie alle anderen zu entnehmen. Erinnert sei an das Ge- auch): Sie können einen Anstoß geben setz vom Juni 1990, mit dem die Alters- und die anderen zum Handeln brin- versorgung des MfS aufgehoben wur- gen. Und wenn nur den Betroffenen ei- de. Die darin festgelegte Obergrenze ner einzigen Gruppe Gerechtigkeit wi- für diese Versorgung betrug das Dop- derfährt, würde ich das als Erfolg ver- pelte der Mindestrente und entsprach buchen. In der Opposition als 8,7-Pro- ■ ■ Zur Debatte um die Verschär- fast 150 Prozent der damaligen Durch- zent-Partei etwas zu erreichen, ist nun fung des Jugendstrafrechts erklär- schnittsrente. einmal nicht einfach … te die stellvertretende Parteivorsit- Der Einigungsvertrag sah für die Bis zur Behandlung im Bundestag, zende Katina Schubert am 10. Ja- Überführung der Zusatz- und Sonder- voraussichtlich im März, sollte die Zeit nuar: Die hohe Zahl von Gewaltta- versorgungssysteme lediglich vor, »un- genutzt werden, um breit auf die Pro- ten junger Menschen ist in erster gerechtfertigte Leistungen abzuschaf- bleme der Rentenüberleitung aufmerk- Linie Ergebnis von gesellschaft- fen und überhöhte Leistungen abzu- sam zu machen. Ich fordere alle Lese- licher Ausgrenzung und sozialer bauen« sowie »eine Besserstellung ge- rinnen und Leser von »DISPUT« auf: Bit- Spaltung und hat nichts mit der genüber vergleichbaren Ansprüchen te sorgt dafür, dass viele Betroffene von Herkunft der Jugendlichen zu tun. und Anwartschaften aus anderen öf- unseren Anträgen erfahren! Sprecht mit Hinzu kommt eine Alltagskultur, fentlichen Versorgungssystemen« (ge- euren Nachbarn, informiert in den Ver- in der Gewalt zunehmend zur Nor- meint ist: der Bundesrepublik) nicht bänden und Vereinen darüber! Die Ab- malität gehört – ob im direkten zuzulassen. geordneten der anderen Parteien sol- Umfeld oder in den Medien –, und Wie ich aus der Zusammenarbeit len wissen: Hier muss dringend etwas zwar drastischer als in vergan- mit den unterschiedlich Betroffenen gelöst werden. Wenn es in der Vergan- genen Jahrzehnten. Dieses Pro- – vom Akademiker über die Kranken- genheit diverse Verbesserungen gab, blem lässt sich jedoch nicht über schwester bis zum Polizisten – weiß, dann nur durch das Zusammenspiel ein schärferes Jugendstrafrecht wird die bisherige Praxis nicht nur als von parlamentarischen, außerparla- oder gar (wie vom hessischen Mi- Aberkennung gelebten Lebens empfun- mentarischen und juristischen Bemü- nisterpräsidenten gefordert) über den, sondern sie führt in vielen Fällen hungen. schnellere Abschiebungen aus- auch zu einer schwierigen sozialen Si- Im Zusammenhang mit unseren An- ländischer Jugendlicher überwin- tuation. Unsere 17 Anträge sollen des- trägen erreichen uns viele Anrufe und den. Das ist keine Lösung, es ver- halb gerechte und soziale Regelungen Briefe. Wir hören und lesen von Einzel- lagert das Problem allenfalls – in auf den Weg bringen. schicksalen – und wir werden auf wei- andere Länder mit Knästen, aus Unser Fraktionsvorsitzender Gre- tere Ungerechtigkeiten aufmerksam denen mit Sicherheit nach Ende gor Gysi hat diese Anträge im Novem- gemacht. So auf den Umgang mit Un- der Haftzeit keine besseren Men- ber 2007 an die Bundeskanzlerin ge- fallrenten. Wer im Osten lebt, dessen schen kommen. sandt. Sie hatte ja im vorigen Herbst Beeinträchtigung ist offensichtlich we- Notwendig ist nicht nur eine erklärt, jene Probleme lösen zu wollen, niger wert: Die Unfallrente ist teilweise gesellschaftliche Debatte über die aus dem Einigungsprozess resultie- auf die Altersrente anzurechnen. Der den Umgang mit Gewalt im Alltag ren. Deshalb hatte sie die Abgeordne- dabei gewährte Freibetrag ist im Osten von jungen Menschen und in Me- ten ihrer eigenen Fraktion aufgefordert, niedriger als im Westen, was zu Ein- dien, sondern vor allem ein Bün- bis zum Jahresende eine Liste noch zu bußen führt. Diese Problematik ord- del von Maßnahmen zur gesell- klärender Fragen zusammenzustellen. nen wir in die generelle Forderung ein, schaftlichen Integration ausge- Wir sind gespannt, wie Angela Merkel dass endlich die Rentenwerte, Freibe- grenzter junger Menschen. Dazu auf unsere Initiative reagiert. träge und Einkünfte Ost an West an- gehören neben guter schulischer Gespannt sind wir auch, wie sich die geglichen werden müssen. Zur Anglei- und Berufsausbildung auch Ange- Abgeordneten der anderen Fraktionen chung des Rentenwertes Ost an den bote zur Freizeitgestaltung oder verhalten. Einige ostdeutsche Kolle- aktuellen Rentenwert bis 2012 hat die spezielle Anti-Gewalt-Trainings, ginnen und Kollegen haben durchaus Fraktion einen Antrag (DS 16/6734) vor- die jungen Menschen zeigen, dass gegenüber Betroffenen deutlich ge- gelegt. Er wurde mit einer nachlesens- es Alternativen zur gewalttätigen macht, dass auch sie in der einen oder werten Debatte (Phönix schaltete vor Auseinandersetzung mit anderen anderen Frage Handlungsbedarf sehen. der Rede von Gregor Gysi ab!) noch am gibt. Dazu bedarf es in erster Linie Die SPD steht in der Pfl icht, ihr Vorha- letzten Sitzungstag des alten Jahres in gut ausgebildeten und glaubwür- ben aus Oppositionszeiten endlich als die Ausschüsse überwiesen. digen Personals, das in den Pro- Regierungspartei umzusetzen: Sie hat- Viel Material für außerparlamenta- blemgebieten selbst zu Hause ist te 1995 einen Gesetzentwurf zur Korrek- rische Aktivitäten – wir bauen auf viele und Vertrauen aufbaut. Das kos- tur der Rentenüberleitung (DS 13/1542) Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Jahr tet erst einmal viel Geld, ist aber in den Bundestag eingebracht. Ein CDU- 2008. mit Sicherheit effektiver als soge- Abgeordneter soll unlängst gar die ge- nannte Erziehungscamps oder ge- schiedenen Frauen aufgefordert haben, Dr. Martina Bunge ist Bundestagsabge- schlossene Anstalten. notfalls für ihre Rechte zu demonstrie- ordnete der LINKEN und Vorsitzende des Bleibt zu hoffen, dass Roland ren. Gesundheitsausschusses des Bundes- Koch mit seiner gefährlichen Zün- Darüber kann man lächeln. Man tages. Außerdem ist sie die Verantwort- delei mit rassistischen Ressen- kann darin aber auch die Chance seh- liche der Fraktion für die Probleme der timents scheitert und er von den en, Verbündete in den anderen Frakti- Rentenüberleitung. Bürgerinnen und Bürgern Hessens onen zu gewinnen. Denn eines ist klar: [email protected] am Wahltag die Quittung erhält.

170 DISPUT Januar 2008 Keine elitäre Umweltpolitik Klimaschutz: sozial, solidarisch, friedlich Von Bernd Brouns

»Rotes Herz mit grüner Lunge« über- eine Bedrohung, die von den Emissi- chen wir eine Energiespar-Offensive schrieb die »taz« am 5. November 2007 onen in den wohlhabenden Teilen der über staatliche Investitionsprogramme, den Artikel über die energiepolitische Welt ausgeht. aber auch über klassisches Ordnungs- Konferenz von Partei und Bundestags- Diese soziale Schiefl age bei der Be- recht mit strikten Grenzwerten für den fraktion DIE LINKE in Hamburg (2. bis 4. troffenheit von Umweltproblemen zeigt Energieverbrauch bestimmter Produkte. November 2007). Die enge Verwoben- sich aber auch in Industrieländern. So Und um Missverständnisse zu vermei- heit von sozialer und ökologischer Fra- leidet unter den Folgen des Hurrikan den: Atomenergie ist auch in Zeiten des ge ging als zentrale Botschaft von der Katrina, der im August 2005 große Ver- Klimawandels keine Alternative. Die alt- Konferenz aus. Gerade Energie- und wüstungen an der US-amerikanischen bekannten Argumente sprechen im Ge- Klimapolitik als scheinbaren »Neben- Golfküste anrichtete, noch heute vor genteil weiterhin für den schnellstmög- widerspruch« den Grünen zu überlas- allem die ärmere afro-amerikanische lichen Ausstieg aus deren Nutzung. sen, wäre aber nicht nur aus wahltak- Bevölkerung. Nicht nur die Folgen des Klimawan- tischen Überlegungen ein fataler Irrtum. 2. Eine Energiewende, hin zu erneu- dels und der Knappheit der Energieres- Denn: »Wer von sozialer Gerechtigkeit, erbaren Energien und Energieeinspa- sourcen kann jedoch zu einer Verstär- Frieden und internationaler Solidarität rung, ist nicht nur der wichtigste Bau- kung sozialer Schiefl agen führen. Auch redet, darf von Ökologie nicht schwei- stein im Kampf gegen die globale Er- Klimaschutz muss sozial gerecht erfol- gen.« wärmung. Sie ist auch eine wichtige gen. Und hier ist der wesentliche Un- friedenspolitische Investition. Der Ver- terschied zu den klimapolitischen Po- Warum LINKE auch Ökologen teilungskampf um fossile Energieres- sitionen der Grünen. Diese gaben bei- sein müssen sourcen, insbesondere um den Zugang spielsweise bei einer Ausschussbera- zu Öl und Gas, hat in den letzten Jah- tung im Bundestag zu Protokoll: »Dem 1. Klimaschutz ist eine wesentliche Be- ren eine neue Qualität erreicht. Schon Antrag der Fraktion DIE LINKE. stimme dingung internationalistischer Politik. heute ist eine Militarisierung der Ener- man im Wesentlichen zu. Es könne aber

Die Folgen des vom Menschen verur- gieaußenpolitik unübersehbar. Ener- bei CO2-Einsparungen keine Ausnah- sachten Klimawandels werden meist giefragen werden immer mehr zum men aus sozialen Gründen geben.« durch abstrakte Zahlen ausgedrückt. Gegenstand internationaler Konfl ikte, Beispiel für die soziale Blindheit Über den erwarteten Anstieg der glo- Stichwort Naher und Mittlerer Osten. von Klimapolitik ist eines der zentra- balen Durchschnittstemperatur wird Der Klimawandel fügt diesen Kon- len Projekte rot-grüner Umweltpoli- berichtet, und die erwarteten volks- fl iktkonstellationen neue hinzu. Ohne tik: die Ökosteuer. Die steuerliche Be- wirtschaftlichen Schäden werden bi- ein entschiedenes Gegensteuern wird lastung durch höhere Energiepreise lanziert. Dabei gerät oft in Vergessen- er bereits in den kommenden Jahr- traf alle, die Entlastung kam aber über heit, dass sich hinter diesen Zahlen zehnten die Anpassungsfähigkeit vie- niedrigere Sozialversicherungsbeiträ- Existenz gefährdende Änderungen der ler Gesellschaften überfordern. Dar- ge nur Unternehmen und gutbezahl- Lebensbedingungen vieler Menschen aus könnten Gewalt und Destabilisie- ten Beschäftigen zugute. Geringverdie- verbergen. So treffen erhöhte Tempera- rung entstehen. Bestehende »Umwelt- ner/innen wurden darüber kaum, Emp- turen und das Abschmelzen von Glet- krisen« wie Dürren, Wasserknappheit fänger/innen von Sozialhilfe oder ALG schern nicht nur die Wintersport trei- und Bodendegradation werden ver- II und Rentner/innen gar nicht entlas- bende globale Mittelklasse. Für Millio- schärft, Landnutzungskonflikte ver- tet. »Dies ist keine Ökosteuer, sondern nen Menschen geht es um das nackte stärkt und zusätzliche Migrationsbe- eine Armensteuer«, schrieb damals ein Überleben. wegungen ausgelöst. In anderen Regi- einsamer Rufer aus den Reihen der Um- Betroffen sind insbesondere die Ar- onen, vor allem in Asien, werden durch weltverbände. men und Machtlosen. Denn für die Ver- den steigenden Meeresspiegel neue Dies spricht nicht gegen eine gene- wundbarkeit einzelner Regionen und Konfl ikte entstehen. Nationale und in- relle Steuerung des Energieverbrauchs Menschen ist nicht nur die geogra- ternationale Verteilungskonfl ikte wür- über den Preis. Sie darf aber nicht zu fi sche Lage wichtig. Es geht auch um den den Zerfall ohnehin fragiler Staa- einer weiteren Spaltung der Gesell- die fi nanziellen und technischen Ka- ten beschleunigen. schaft führen, indem Einkommens- pazitäten der Bevölkerung, sich an die schwache von einem angemessenen Folgen des Klimawandels anzupassen. Grundzüge linker Maß an bezahlbarer Energie und Mobi- Meterhohe Dammbauten gegen die Klimaschutzpolitik lität ausgeschlossen werden. DIE LINKE Fluten des ansteigenden Meeresspie- muss einer elitären Umweltpolitik ent- gels könnten sich vielleicht Deutsch- Eine Ausrichtung von Energiepolitik an gegentreten, die Energiearmut von Ar- land und Holland leisten, jedoch kaum klimapolitischen Erfordernissen ist da- beitslosen oder prekär Beschäftigten Indien oder Bangladesh. Die Begren- her ein Grundanliegen linker Politik. als hinnehmbaren Preis für den Klima- zung des Klimawandels ist nicht allein Dies bedeutet auf der einen Seite deut- schutz verbucht. Energie- und Klimapo- eine Frage der Ökologie. Der Klima- lich mehr Mittel für Forschung und Ver- litik darf nicht zu sozialer Ausgrenzung wandel ist auch ein Angriff auf die wirt- breitung erneuerbarer Energien sowie führen. schaftlichen, sozialen und kulturellen die Fortführung des Erneuerbare-En- Auch deshalb muss der Preistreibe- Rechte großer Bevölkerungsgruppen – ergien-Gesetzes. Zum anderen brau- rei der Öl-Multis und Stromkonzerne

ÖKOLOGIE DISPUT Januar 2008 018 © Erich Wehnert © Erich Soziale und ökologische Fragen sind eng verwoben. Tagebau-Landschaft in der Unterlausitz.

klare Grenzen gesetzt werden. Die Re- Kilowattstunde Strom oder Liter Heiz- balisierten Wirtschaftens zusammen. kommunalisierung der Stromversor- öl ist letztlich ausschlaggebend für die Ohne eine Abkehr vom Paradigma der gung, also eine wieder erstarkte Rolle Verbraucher/innen, sondern der letzt- Liberalisierung wird jedes internatio- von Stadtwerken im öffentlichen Eigen- lich zu zahlende, vom Verbrauch ab- nale Klimaschutzabkommen schnell tum, würde die Ausrichtung zukünftiger hängige Rechnungsbetrag. Programme an seine Grenzen stoßen. Energiepolitik nicht profi torientierten für die energetische Sanierung von Letztlich muss Klimapolitik das Kartellen überlassen, sondern die ge- Mietshäusern und für die Anschaffung Wohlstandsmodell der Industriemo- sellschaftliche Einfl ussnahme stärken. von Energie sparenden Elektrogeräten derne auf den Prüfstand stellen. Zur Eine stärker dezentrale Energiever- für Haushalte mit geringen Einkommen Eindämmung des Klimawandels sind sorgung würde zudem regionale Wirt- könnte deren Energiekosten dauerhaft erhebliche Änderungen in den Produk- schaftskreisläufe fördern und neue Ar- senken und sie unabhängiger von stei- tions- und Konsummustern erforder- beitsplätze schaffen. genden Energiepreisen machen. lich. Dazu bedarf es Ressourcen spa- Preisanstiege bei Strom, Benzin Auf internationaler Ebene ist ein render Technologien, aber auch einer und Heizöl werden aber auch zukünf- striktes Nachfolgeabkommen zum Ky- Änderung von Lebensstilen. Wirksame tig unvermeidbar sein. Umso wichtiger oto-Protokoll erforderlich, das sich am Klimapolitik macht letztlich auch eine ist es, dass sie sich in den Leistungen Ziel einer maximalen globalen Erwär- Kritik des Reichtums erforderlich. des sozialen Sicherungssystems wider- mung von zwei Grad gegenüber vorin- spiegeln. Explodierende Energiekosten dustriellen Temperaturen orientiert. In- Bernd Brouns ist Referent für Energie- und stagnierende Reallöhne haben in ternationale Klimapolitik darauf zu re- und Umweltpolitik der Bundestags- den letzten zwei Jahren das Phänomen duzieren, wäre aber falsch. Globaler fraktion DIE LINKE. der Energiearmut aufkommen lassen. Klimaschutz braucht auch eine Neuaus- Bernd.Brouns@linksfraktion Fokus linker Politik sollten aber nicht richtung der Handelspolitik. Der An- allein die Energiepreise, sondern die stieg der globalen Klimagasemissionen Weitere Informationen: Energiekosten sein. Nicht der Preis pro hängt auch mit der Ausgestaltung glo- www.linksfraktion.de/energie

190 DISPUT Januar 2008 Kleine Zirkel reichen nicht Aufklärung setzt Selbstaufklärung voraus. Die Kommission Politische Bildung diskutiert den Einstieg in systematisierte Bildungsarbeit Von Heinz Hillebrand

Das Diktum des großen französischen sionen gegen das »Parteilehrjahr«, Eine Arbeitsgruppe entwickelt Baustei- Soziologen Pierre Bourdieu, dass Auf- gegen die Vermittlung ewiger Wahr- ne einer systematischen Grundlagen- klärung Selbstaufklärung voraussetzt, heiten. Im Westen kommen in die Par- bildung. könnte gut als Motto für die Bildungs- tei viele neue Mitglieder, denen po- Für die zweite Säule wurde die Über- arbeit der neuen Partei DIE LINKE die- litische Grundlagenbegriffe vielfach schrift Politik von A-Z gefunden. Damit nen. DIE LINKE ist eine erfolgreiche und noch fremd sind. sind die konkreten politischen Schu- aktive Partei. Ihre praktische politische Zur Bildungsarbeit gehört natürlich lungsbedarfe der Partei gemeint. Im Arbeit erzeugt einen enormen Bedarf an die Ausbildung von TeamerInnen und Bildungsangebot für das Jahr 2008 wer- Bildungsangeboten unterschiedlichster ReferentInnen. Auch die Formen und den hierzu Seminare angeboten wie: Art. Politische Kampagnen müssen in- Methoden müssen auf den Prüfstand. Neu im Kreisvorstand – was ist zuerst haltlich vorbereitet, Unterstützer/innen Die Subjektorientierung, das Ansetzen zu tun? Oder: Mitgliedergewinnung und ausgebildet werden. Dank der gestie- an den Erwartungen und Bedürfnissen -betreuung. Zur Rentenkampagne wird genen Akzeptanz der LINKEN werden der Teilnehmer/innen, ist relativ unum- es einen Workshop zur Kampagnen- wir bald tausende von neuen kommu- stritten. Aber zu diskutieren wird sein, umsetzung vor Ort geben. Speziell für nalen MandatsträgerInnen im Westen wie Wochenendseminare und Abend- neue Mitglieder fi ndet im Juni ein Semi- haben, die dringend auf ihre Aufgabe veranstaltungen interessant gestaltet nar in Berlin mit einem Treffen mit Mit- vorbereitet werden müssen. Vorstands- werden und die PowerPoint-Präsenta- gliedern des Parteivorstandes und ei- mitglieder aus neuen Kreis- und Stadt- tion nicht zur Schlafmittel-Konkurrenz ner Bootsfahrt auf der Spree statt. verbänden brauchen Handwerkszeug wird. Die dritte Säule der Bildungsarbeit für ihre politische Arbeit. Auch für die betrifft die Programmatik. Die Diskus- Programmdebatte ist Bildungsarbeit sionen über ein neues Parteiprogramm Drei Säulen dringend angesagt. Für die Diskussi- sind eng verbunden mit der Frage, was onen am Infostand werden Argumente Unter diesen Vorbedingungen traf sich eine »Linke des 21. Jahrhunderts« in- dazu benötigt, warum der Bundes- eine neu zusammengesetzte Kommis- haltlich kennzeichnen soll. Dass dies wehreinsatz in Afghanistan nicht den sion Politische Bildung zu einer Tagung eine Unterstützung durch die Bildungs- Frieden und ein Lohnverzicht keine Ar- in Elgersburg (Thüringen). Erfahrene arbeit erfordert, die die zentralen Fra- beitsplätze schafft. aus der Erwachsenenbildung, meist gen der Diskussion, wie die des De- Aber nicht nur die aktuellen poli- aus gewerkschaftlicher Bildungsar- mokratischen Sozialismus, näher be- tischen Aufgaben erfordern Bildungsar- beit, aus dem Westen trafen auf solche leuchten soll, liegt auf der Hand. Im beit. DIE LINKE hat sich nicht allein die aus dem Osten, die teilweise schon Mai 2008 befasst sich ein Seminar mit ehrgeizige Aufgabe gestellt, den Neo- in der Volksbildung der DDR gearbei- der Organisation der Programmdebat- liberalismus zurückzudrängen – große tet haben. Nach einer Phase gegen- te vor Ort. Teile der Partei, aus unterschiedlichen seitigen Beschnupperns stellte man Für alle drei Säulen der Bildungs- politischen Lagern, fordern vehement fest, dass man gut zusammenarbeiten arbeit wird es in Zukunft eine Ausbil- das Ziel des Demokratischen Sozialis- konnte, und einigte sich relativ rasch dung von TeamerInnen geben. Die Bil- mus ein. auf konkrete Maßnahmen. Der Partei- dungsarbeit steht und fällt aber mit ih- Dieses Ziel hat Auswirkungen auf vorstandssitzung im Februar 2008 soll rer Verankerung in der Partei. Bildungs- die politische Arbeit, speziell die Bil- ein konkretes Konzept vorgelegt wer- verantwortliche in den Kreisverbänden, dungsarbeit. Sie setzt zuerst voraus, den. Die Bildungsarbeit soll nach den Teamerarbeitskreise auf Landesebene den real existierenden Kapitalismus, Vorstellungen der Kommission in drei und ReferentInnenpools sind bei Wei- in dem wir leben, zu begreifen. Wie Säulen aufgeteilt werden. tem nicht fl ächendeckend vorhanden. können linke Vorstellungen in dieser Die erste Säule ist Grundlagenbil- Auch die Verbreitung der Angebote der Gesellschaft hegemonial werden, mit dung. Grundlagenbildung wird als ori- parteinahen aber unabhängigen Rosa- welcher Strategie erreicht man einen ginäre Parteibildungsarbeit verstan- Luxemburg-Stiftung könnte noch ver- Demokratischen Sozialismus, und vor den, von Mitgliedern der Partei für Mit- bessert werden. allem: was ist das überhaupt? glieder der Partei. Grundlagenbildung Mit allen diesen Fragen beschäftigte Dem Selbstverständnis der LINKEN soll, dem Namen entsprechend, die sich die Kommission Politische Bildung entsprechend müssten diese Diskussi- grundlegenden Themen politischer Ar- in Elgersburg. Ingesamt kann man fest- onen nicht nur von kleinen intellektu- beit behandeln: Was will die Partei DIE stellen, dass auf dieser Tagung ein ellen Zirkeln, sondern von der gesam- LINKE, wie ist sie entstanden, wie ist guter und vielversprechender Anfang ten Partei geführt werden. Dies setzt sie aufgebaut, wie kann ich mich ein- gemacht wurde, sowohl was die Zu- Grundlagenbildung voraus. bringen? In welcher Gesellschaft leben sammenarbeit zwischen Ost und West, Die Bildungsarbeit der LINKEN kann wir, was ist Neoliberalismus, was ist Alt-PDS und Alt-WASG als auch was die nur von einem gemeinsamen Ansatz Kapitalismus? Welche Geschichte hat diskutierten Projekte angeht. ausgehen. Dieser trifft aber auf eine die LINKE? Welche politischen Grund- sehr heterogene Mitgliedschaft. Im Os- vorstellungen prägen den pluralen po- Heinz Hillebrand ist Mitarbeiter des Be- ten gibt es einen hohen Anteil an Aka- litischen Kosmos der LINKEN, was sind reiches West der Bundesgeschäftsstelle. demikerInnen und verständliche Aver- kurz- und langfristige politische Ziele? [email protected]

BILDUNG DISPUT Januar 2008 020 ... und kein bisschen leise Zum »80.« von Hans Modrow Von Heinz Vietze

le für Ökonomie »Bruno Leuschner« zum machtpolitischen Spielball. Schon und promoviert. Schon bald arbeitet bald geriert sich Helmut Kohl als »Ein- er hauptamtlich und in Führungsposi- heitskanzler«. tionen in FDJ und SED. Hans Modrow will die Konsequenzen Hans Modrow eignet sich einen kon- ziehen und zur Volkskammerwahl 1990 sequenten Arbeitsstil an, ist fl eißig und nicht mehr antreten. Nur dem hartnä- genau, ein Mann, den viele achten und ckigen Werben, unter anderem von Gre- dem viele vertrauen. Er redet nicht da- gor Gysi, ist es zu verdanken, dass er her, sondern weiß, was er sagt. Seine sich anders entscheidet. Die damalige besondere Art, schwierige Dinge abzu- Doppelspitze Gysi-Modrow eröffnet der wägen, wird nicht immer honoriert. Er ist PDS eine politische Perspektive im wie- ein feinfühliger Mensch, direkt, aber fair. dervereinigten Deutschland. Auch nach 1967 als Mitglied des Zentral- Exemplarisch ist seine Zivilcoura- komitees ist er derjenige, der Menschen ge. Ich erinnere mich an den 15. Januar gewinnen kann und mitnehmen will. 1990, als versucht wird, die Stasizent- Als Sekretär der Bezirksleitung von Ber- rale zu stürmen. Ich weiß nicht, wer lin versucht er an der Seite von Werner noch in dieser Situation den Mut und Lamberz, Agitation und Propaganda die Entschlossenheit aufgebracht hät-

© Aris nicht als ideologische Keule, sondern te, sich vor die aufgebrachten Bürger zu als Chance zur Meinungsbildung und stellen und mit ihnen zu reden. »Ich wollte ein neues Deutschland« ist offenen Diskussion zu begreifen. Hans Modrow ist international aner- der Titel der Autobiografi e von Hans Mo- 1973 wird ihm mit dem Amt des 1. kannt. Seine langjährigen persönlichen drow. Wer dies nur auf die Ereignisse von Sekretärs der Bezirksleitung Dresden Kontakte zu Politikern unter anderem 1989/90 bezieht, wird Hans Modrow vom Politbüro des ZK der SED eine an- in Japan, in den einstigen Sowjetre- nicht gerecht. Er war und ist ein Mensch spruchsvolle Aufgabe übertragen. Die publiken oder in Lateinamerika sind mit der Vision von einer gerechten Ge- politische Führung der DDR hält ihn nicht nur der PDS zugute gekommen. sellschaft, in der nicht die einen auf Kos- dennoch aus dem inneren Machtzir- Als Ökonom hat er einen rationalen Zu- ten der anderen leben. Diese Vision hat kel fern. Das macht ihn zu Zeiten von gang zu den Entwicklungen in den Län- er 1949, als er 21jährig aus sowjetischer Perestroika und Glasnost in der Sowjet- dern. Zu den einstigen Partnern kamen Kriegsgefangenschaft heimkehrt. Diese union zum Hoffnungsträger in der DDR. immer wieder neue. Vision lässt er sich 1989 nicht nehmen, Er nimmt diese Rolle an und 1989 noch Hans Modrow ist ein durch und als die DDR zusammenbricht und er als einmal Anlauf für ein neues Deutsch- durch politischer Mensch. Nach sei- letzter Vorsitzender des Ministerrates land. Er will nach Jahren der Stagnati- ner aktiven Politikerlaufbahn profi liert der DDR die »Regierung der nationalen on die sich eröffnende Chance nutzen. er sich als das politische Gewissen der Verantwortung« bildet und die friedliche Seine besondere Rolle im Wendeherbst Partei, vor allem in seiner Zeit als Eh- Wiedervereinigung gestaltet. Diese Visi- besteht darin, dass er als Mitinitiator renvorsitzender. Er macht mit der ihm on vom solidarischen Miteinander hat er des Dresdner Dialogs mit der »Grup- eigenen Art nicht nur deutlich, wo er heute noch. pe der 20« als einer der ersten mit Re- Probleme sieht, sondern zeigt Hand- Sechs Jahrzehnte lang hat Hans Mo- gierung und Opposition gleichermaßen lungsoptionen auf – in der Auseinan- drow hartnäckig und viele Jahre in her- spricht. Er beteiligt Vertreter des Run- dersetzung mit politischen Konkur- ausgehobener Position für eine ge- den Tisches an der »Regierung der na- renten und innerhalb der Partei. Das rechte Gesellschaft gestritten und ist tionalen Verantwortung«. ist nicht immer bequem, regt manchen so immer wieder in Situationen gekom- Hans Modrow lässt sich nicht trei- auf, aber auch zum Nachdenken an. men, wo ihm Verantwortung und Ent- ben, er bringt die Dinge selbst voran. Hans Modrow ist ein Mann der Tat. scheidungen abverlangt wurden. Er denkt eigenständig und ist initia- Und damit ist eigentlich alles gesagt. Am 27. Januar 1928 geboren, erlebt tiv, zunächst für die Idee des Zusam- er als Jugendlicher im Volkssturm das menschlusses zweier souveräner Staa- Heinz Vietze ist Vorstandsvorsitzender Kriegsende und gerät in sowjetische ten. Als dies nicht realisierbar ist, ebnet der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Land- Gefangenschaft. In dieser Zeit be- er in Moskau den Weg für das Konzept tagsabgeordneter in . sucht er eine »Antifa-Schule« und setzt »Für Deutschland einig Vaterland«. sich nach seiner Rückkehr in Deutsch- In den Verhandlungen mit Kohl ist er land aktiv für den Aufbau eines neuen als Vorsitzender des Ministerrates der ■ ■ Der Ältestenrat der Partei Deutschland ein. Als gelernter Maschi- DDR deutlich in der schwächeren Posi- DIE LINKE hat sich am 12. Dezem- nenschlosser nutzt er die Chancen, die tion. Unterstellungen, er hätte schlecht ber konstituiert. Als Vorsitzen- die neue Zeit ihm bietet. Er bildet sich verhandelt, sind unzutreffend. Durch der wurde Dr. Hans Modrow be- weiter, besucht die Komsomol-Hoch- den wirtschaftlichen und politischen rufen. Seine Stellvertreter: Prof. schule in Moskau, die Parteihochschu- Zusammenbruch ist die DDR kein wirk- Dr. Gretchen Binus, Gisela Kess- le in Berlin, studiert an der Hochschu- lich souveräner Staat mehr und wird so ler und Prof. Dr. Stefan Doernberg.

210 DISPUT Januar 2008 GLÜCKWUNSCH! Das große Draußen Mitglieder des Parteivorstandes stellen sich vor

Halina Wawzyniak großzügigere Maßstäbe anzulegen. weißesten aller Westen. Diesen Traum Beim Kampf um die universelle Durch- habe ich auch schon geträumt. Ein Es sind die Niederlagen, die formen. Der setzung der Menschenrechte nicht in schöner Traum. In meinem Traum von Blick in die selbstgerechten Gesichter den herrschenden Diskurs zu verfallen, der weißen Weste habe ich immer das der vermeintlich Fehlerlosen. Und die der die soziale Frage als untergeordnet Richtige im Leben getan, war immer Frage, ob man selber genauso ist oder ansieht, das ist die Kunst, die Linke viel frei in meinen Entscheidungen, und einmal wird. 2002. Dieses Jahr war mei- zu wenig beherrschen. selbstverständlich wurde ich von allen ne politisch prägendste Erfahrung. Wie Die Jahre als Anwältin – insbeson- geliebt. Aufgrund der eigenen Aufrich- schnell wird der größte Freund von ges- dere für Sozialrecht – haben noch ein- tigkeit und Ehrlichkeit war ich die Hel- tern zum größten Gegner heute. Nichts din, in diesem Traum gab es nur Siege, ist stärker als Linke, die sich gegensei- keine Niederlagen. Ein schöner Traum. tig zum Hauptfeind erklären und denen Doch der Traum ist ein Traum, und die es darum geht, den anderen zu demü- Realität ist die Realität. Und meine Re- tigen. Respektvoller Umgang ist häufi g alität spielt sich im wirklichen Leben nicht mehr als eine Worthülse. ab, meine Weste ist schon lange nicht 1990 waren beide deutschen Staa- mehr weiß. Wer Politik macht und am ten im Einheitstaumel – und ich fand Ende des Lebens behauptet, er habe »Dagegen sein« cool. Die damalige eine weiße Weste, der hat etwas falsch PDS hatte einen super Kreisvorsitzen- gemacht. Politik verlangt Kompromiss- den, in der AG Junge GenossInnen wa- fähigkeit und Standfestigkeit zugleich. ren Gleichgesinnte. Also trat ich ein. Auf die Mischung kommt es an. Die Welt verändern, gegen den Main- Eines haben mich die Jahre gelehrt: stream schwimmen, das macht Spaß Formale Regeln einzuhalten ist die ein- und ist eine Aufgabe. Politisch soziali- zige Möglichkeit, faire Verfahren zu er- siert mit der Debatte um die eigene Ge- möglichen. Das Ziel muss sich im Weg schichte, die Fehler des Staatssozialis- widerspiegeln, und wenn ich nur mit mus und mit neuen Ideen für eine an- einer Verletzung formaler Regeln mein dere Gesellschaft, sage ich auch heu- Ziel erreichen kann, dann schlägt das te noch: Erst mit dem Zusammenbruch auf das Ziel durch und soll deshalb un- der DDR ist demokratischer Sozialis- terlassen werden. Das mag manchmal – mus wieder möglich geworden. auch für politische Mitstreiter – schwie- Der Film »Vernehmung der Zeugen« rig sein, aber bisher konnte mich noch

und Brechts Kaukasischer Kreidekreis © Aris niemand von einem besseren Weg gaben den Ausschlag, Jura zu studie- überzeugen. ren. Menschen zu vertreten, denen kei- Politik ist nur das halbe Leben, und ner mehr ein Stück Brot geben will, auf In diesem Traum gab die andere Hälfte besteht in Sport, Eng- die sich der »Volkszorn« fokussiert – lisch, kniffl igen juristischen Fragen, Bü- das ist eine Herausforderung. es nur Siege cher lesen oder einfach nur auf dem Hungerstreik, Parteitags(stör)ak- Sofa liegen und die wirklich großar- tionen und so manche Debatte als ■ ■ tigen »Gregorian« hören. Und von Son- »junges Kücken« im damaligen Par- ne und Meer zu träumen. Manchmal teivorstand sowie mein Studium lie- einfach auch darin, sich in einen Flie- ßen die 90iger Jahre schnell vergehen. mal eine ganz andere Sensibilisie- ger zu setzen und zu verschwinden. In Lehrreiche Jahre. rung für dieses Thema hervorgerufen. eine Welt, wo es egal ist, ob du für oder Eine Position festigte sich und ist Was ist das für ein Land, wo die Gehäl- gegen eine Vorlage gestimmt hast und Richtschnur geworden: Nie wieder darf ter und Tantiemen der Bosse gar nicht wie du dich in einem bestimmten Kon- der Zweck die Mittel heiligen. Men- mehr aufhören zu steigen und andere fl ikt verhalten hast. Dort zählt nur die schenrechte sind unverzichtbarer Be- Menschen von knapp 350 Euro im Mo- Person als Person mit ihren Stärken standteil von linker Politik. Um un- nat leben müssen? Was ist das für ein und Schwächen und nicht die konkrete serer selbst willen, nicht, um den Herr- Land, wo ungestraft von »Sozialmiss- Verhaltensweise in einem bestimm- schenden zu gefallen, um authentisch brauch« gesprochen wird, aber die ten Konfl ikt. Doch irgendwann geht es für eine andere Gesellschaft streiten zu Nichtzahlung von Steuern durch Ban- (noch) zurück: »... Und doch fragt mich können, müssen wir mit den gleichen ken und Konzerne als selbstverständ- jeder neue Tag, auf welcher Seite ich Maßstäben messen – überall. Linke lich gilt? steh. Und ich schaff‘s einfach nicht, Politik schließt es aus, nur Menschen- Hier einzugreifen, das wäre die Auf- einfach zuzusehen, wie alles den Berg rechtsverletzungen in den USA oder gabe der Linken. Doch die sind mehr runtergeht. Wann, wenn nicht jetzt? Wo, anderen imperialistischen Ländern zu mit sich selbst beschäftigt und der Su- wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Lie- geißeln, in Venezuela oder Kuba aber che nach der/dem Politiker/in mit der be? Wer, wenn nicht wir? (Rio Reiser)«

ANSICHTEN DISPUT Januar 2008 022 Thies Gleiss deren Wertesystem und Kirchenappa- torischer und politischer Irrtum. Dass rat. Seit dieser Zeit ist mir die zweite heute in der LINKEN viele GenossInnen Der Freunde Eifer ist’s, der mich Strophe der Internationale das kürzes- mit ähnlich langer SPD-Erfahrung sind, Zugrunde richtet, nicht der Hass der te, beste und liebste Parteiprogramm. ehrt diese, weil späte Einsicht auch Feinde (Friedrich Schiller) Ohne das große Draußen wäre aus mir gut, manchmal sogar besser und tiefer mit Sicherheit nichts geworden. So darf gehend ist. Der vierzigjährige Irrtum Der Genosse Redakteur des »DISPUT« ich im nächsten Jahr mein vierzigstes bleibt aber, was er ist: ein Irrtum. fragt an, ob ich verraten könnte, »wel- Dienstjahr als Linker und Sozialist, der Der Einmarsch der angeblich sozi- che Erfahrungen, Ereignisse (evt. Rück- überall dort aktiv war und ist, wo es alistischen Bruderstaaten in die CSSR schläge) Dich geprägt haben, was Dir den herrschenden Verhältnissen weh im August 1968 zwang mich als jungen für Deinen politischen Alltag wichtig tun könnte, begehen. Sozialisten und Kommunisten, entwe- war und ist, was Dich freut, was Dich är- Als junger Schüler von der Auf- der dem Glauben abzuschwören, bevor gert«, damit der interessierten Öffent- bruchsbewegung 1968 erfasst, weiß er richtig ausgeprägt war, oder eine tief lichkeit und den MitstreiterInnen klarer ich aus eigener Geschichte, dass nur, gehende sozialistische Kritik am Büro- wird, was für ein Vogel da im erlauchten wer das Unmögliche fordert, ein Realist kratismus, Nationalismus und Stalinis- Parteivorstand gelandet ist. Nun denn. bleibt. Sozialismus ist kein Wertesys- mus im Namen von Marx und Lenin zu Niemand soll jetzt erschreckt werden, tem, das man sich umhängen kann wie erarbeiten. Dass ich mich für die zwei- aber am Anfang muss die Feststellung ein neues Sakko. Eine linke Partei kann te Lösung entschieden habe, führte stehen, dass das meiste, was mich ge- nicht Form, Struktur und Geschäftsbe- zum Bruch mehrerer Jugendlieben mit prägt und orientiert hat, im ziemlichen trieb der bürgerlichen Parteien kopie- ML- und SDAJ-Genossinnen, aber die Gegensatz zu dem steht, was heute als ren, in der wirren Hoffnung, es bes- Kombination von genügend Auswahl Mainstream der Partei DIE LINKE ge- ser machen zu können. Sozialismus an Alternativen und libertären Sexual- priesen und praktiziert wird. Eine hart- ist die wirkliche Bewegung, das Aufbe- vorstellungen hat mich dennoch nicht näckig verbreitete Familienlegende be- gehren gegen die Verhältnisse und der frustrieren lassen. Als Klassen- und hauptet, ich hätte zwar nicht meinen kulturelle Entwurf einer neuen Gesell- Schulsprecher und später Betriebsrat ersten Stein, aber immerhin einen Blu- schaft, die, wie Marx so überaus tref- und Gewerkschaftsvertreter war und mentopf in den Kinderwagen meines fend sagt, aus zwei Gründen aus einer ist mir stets der Umgang mit wirklichen als Bruder, Freund und bis heute engs- Revolution erwachsen wird: weil ers- Menschen, statt mit Plastikschöp- ten politischen Genossen geschätzten tens die Herrschenden sich nicht an- fungen, professionellen Bluffern und Zwillingsbruders geworfen. Falls es ders davonjagen lassen und weil zwei- Berufsideologen, gegönnt gewesen. stimmen sollte, entschuldige ich mich tens die Beherrschten sich nicht anders Bis heute kann ich mir deshalb eine hiermit – bei dem Blumentopf. den ganzen Dreck vom Halse schaffen Gesellschaft verändernde Politik, die Auf jeden Fall hat die Kindheit in ei- können. Geld, Karrieren und Hummeressen ein- ner achtköpfi gen Familie mit dem aus- bringen soll, nicht wirklich vorstellen. schließlichen Lohn eines kleinen Ange- Eine Partei, die wie DIE LINKE zu stellten zu einer grundsoliden Schulung achtzig und mehr Prozent von Knete in Gerechtigkeitssinn, Kollektivismus, des Staates lebt, den zu ändern, wenn aber auch ausreichend rücksichtslo- nicht gar abzuschaffen, sie angetreten sem Kampf um die eigenen Rechte und ist, ist genauso wenig zukunftsfähig Anteile geführt. Das Wirtschaftswun- wie ein Gesellschaftssystem, das vier derdeutschland der 50er hat mir somit Fünftel der Menschheit zu Armut und leider kaum materiellen Wohlstand, Hunger zwingt, sie entwürdigt, ihnen aber dennoch die ganze schreckli- Bildung und aufrechten Gang vorent- che, spießige Kleinbürgerideologie ei- hält. Ein neuer Aufschwung des Sozia- ner deutschen, protestantisch-hanse- lismus, indem eine Schicht von Dauer- atischen, im Krieg abgestürzten und parlamentariern, Berufspolitikern, die im Nachkrieg nicht richtig auf die Bei- niemals die wirkliche Welt erlebt haben,

ne kommenden Familie beschert. Dar- © privat und Parteifunktionären, die sich selbst an hätte wahrscheinlich auch ein Er- bestätigen, wählen und kontrollieren, ziehungsgeld im müllerschen Ausmaß aufgebaut wird, ist so unrealistisch wie nichts geändert. Ein Aspekt der rela- Grundsolide Schulung ein Humoraufschwung durch den Köl- tiven Armut ist mir allerdings bis heute ner Elferrat. Und wer glaubt, eine Partei, ein Gewinn: Da sich meine Eltern kei- in Gerechtigkeitssinn die sich nach Medien und Einschalt- nen Fernseher leisten konnten, lernte quoten ausrichtet, in der das Wort und ich schon vor dem eigentlichen Schul- ■ ■ das Amt des Vorsitzenden unangreif- beginn und seitdem ohne Nachlassen bar ist, in der eine Parteizentrale auch der Lust, bedrucktes Papier und Bücher noch das letzte Provinzfl ugblatt und aller Art zu lieben. Seit Anbeginn meines politischen die verborgenste Website einem »Cor- Der Besuch eines evangelischen Denkens wurde mir durch internatio- porate Design« unterziehen will, könne Gymnasiums verschaffte mir die aus nale Bewegungen vermittelt, dass In- Träger einer wirklichen und wirksamen heutiger Sicht erfreuliche Möglichkeit, ternationalismus und Sozialismus kulturellen Gegenbewegung sein, die den fast klassischen Weg zu Theorie Synonyme sind. Theorien von Luxem- die herrschenden Verhältnisse zum und Praxis des wissenschaftlichen So- burg, Trotzki, Lenin waren mir deshalb Tanzen bringt, der oder die hat von den zialismus und – wenn’s denn ein na- sehr früh näher als Stalin, Mao oder beiden großen deutschen Schreibern, mensbezogener Ismus sein soll – Mar- die fürchterlichen Jasager der Sozialde- deren Initialen K und M sind, eindeu- xismus zu fi nden: über Ablehnung, Kri- mokratie. Auch vor 40, 35 und 30 Jah- tig Karl May zuviel und den anderen zu tik der Religion und Rebellion gegen ren war ein Eintritt in die SPD ein his- wenig gelesen.

230 DISPUT Januar 2008 Zeit für Veränderung DIE LINKE in Thüringen will stärkste Kraft im Land werden und vor allem für einen Politikwechsel sorgen Von Knut Korschewsky

Unter dem Motto »Zeit für Verände- aktiv in politische Entscheidungsfin- wollen stärkste Partei im Land werden rung« stand der jüngste Landespartei- dungen einmischen wollen. Viel zu und eine wirkliche politische Verände- tag der Thüringer LINKEN in Mühlhau- häufi g ist es aber leider noch so, dass rung im Interesse der Menschen voll- sen. Man könnte es auch anders sagen: neue Mitglieder nur sehr schwer den ziehen. Thüringen hat die Chance mit Bilanz und Ausblick. Die Thüringer LIN- Anschluss an bestehende regionale der Wahl eines ersten Ministerpräsi- KE blickt auf ein erfolgreiches Jahr der Strukturen fi nden oder dass sie allein denten der LINKEN, wieder einmal po- Parteibildung zurück. Der Landesver- gelassen werden und dann genauso sitiv in die Geschichte einzugehen. band mit all seinen Gliederungen hat schnell wieder verschwinden, wie sie Und mit Bodo Ramelow steht dafür der sich konstituiert und inhaltliche Posi- zur Partei gekommen sind. bestmögliche Kandidat zur Verfügung. tionen seiner Arbeit weiter entwickelt. Der Landesverband Thüringen hat Die Partei trägt die Kandidatur von Bo- Die Parteibildung wurde ohne größe- darüber in den vergangenen Monaten do mit ganzer Kraft. Davon zeugt nicht re »Sturmschäden« gemeistert. Struk- intensiv diskutiert und auf dem Par- allein seine einstimmige Nominierung turen wurden neu geordnet und Wei- teitag organisatorische Schlussfolge- als Ministerpräsidentenkandidat. Da- chenstellungen für die nächsten Jahre rungen gezogen. Diese müssen jetzt von zeugen vor allen Dingen die vielen vollzogen. konsequent wie übersichtlich in und Anrufe und Gespräche vor dem Partei- mit den Gebietsverbänden umgesetzt tag, die uns ermutigten, ja uns auffor- werden. Das geht nicht immer ohne derten, diese Kampfansage an die Thü- Wie wär‘s mit Eintritt? »Beulen« ab, ist aber notwendig, um ringer Parteienlandschaft endlich zu Nicht zu übersehen ist jedoch, dass ei- die Arbeitsfähigkeit der Partei zukünf- vollziehen. ne sehr erfolgreiche Parteibildung al- tig zu sichern. Voraussetzung für eine Die Arbeit wird nicht einfacher. Das lein nicht ausreicht, die Mitglieder- wirkliche Diskussion und positive Ver- wissen wir. Davon zeugen die unqua- zahlen der neuen LINKEN sprunghaft änderung ist die Frage der Offenheit, lifizierten und diffamierenden Äuße- ansteigen zu lassen. Die Frage der offen zu sein für Diskussionen, aber rungen aus den Reihen der CDU bzw. Mitgliedergewinnung und Mitglieder- auch offen für produktive Verände- ihrer Vorfeldorganisation, der Jungen entwicklung wird auch zukünftig eine rungen. Das Festhalten an einem be- Union. Das zeigt mir aber nur eines: Wir Hauptaufgabe der Parteiarbeit darstel- stimmten Status quo sollte zu den Aus- liegen richtig, wir sollten uns nicht be- len. Dabei müssen neue Wege einge- nahmen bei Linken gehören. irren lassen und den eingeschlagenen schlagen, aber auch die bestehenden Veränderungen sind aber nicht al- Weg weiter vorwärts gehen. Potenziale endlich ausgeschöpft wer- lein innerhalb des Landesverbandes den. Wir haben gerade in den Berei- unserer Partei notwendig. Verände- Gut, dass es Vorarbeiten gibt chen unserer Mandatsträger noch viele rungen sind zu allererst in der Thürin- Möglichkeiten. Niemand sollte sich ger Politik angesagt. Das Festhalten am Die Thüringer LINKE hat inhaltlich ein beispielsweise davor scheuen, einmal Status quo der CDU in der Landesre- Angebot an Bürgerinnen und Bürger die Frage zu stellen, ob Menschen, die gierung muss bei den Landtagswahlen zu unterbreiten. In den letzten Jah- schon jahrelang mit der PDS und dann 2009 durchkreuzt werden. Die Chan- ren arbeitete die Landtagsfraktion be- der LINKEN Politik machen, nun den ce dazu ist so groß wie noch nie. Die ständig daran, auch in der Opposition Schritt über die Schwelle in die Partei CDU verliert dramatisch an Zuspruch mit Sachverstand und Kompetenz Ge- gehen. und liegt bloß noch knapp über 30 Pro- setzesinitiativen und Anträge in das Selbstverständlich ist es damit al- zent. Man bedenke dabei, dass sie im Parlament einzubringen, um Verbes- lein nicht getan. Wir müssen neue Thüringer Landtag die Mehrheitsfrakti- serungen der CDU-Politik zu erreichen. Möglichkeiten des Mitarbeitens inner- on stellt. Die LINKE erreicht in Umfra- Welchen Erfolg das bisher hatte, brau- halb der Partei suchen und fi nden. Dar- gen stabil 25 bis 30 Prozent. Gemein- che ich an dieser Stelle sicherlich nicht an hapert es im Moment noch häufi g. sam mit der SPD wäre heute schon ei- zu erläutern. Und trotzdem ist es gut, Und wir dürfen uns nicht davor scheu- ne Ablösung der CDU-Alleinregierung dass es alle diese Vorarbeiten gab und en, langjährige Parteistrukturen neu möglich. (Anmerkung: Die SPD unter gibt. Darauf lässt sich eine konstrukti- zu überdenken und gegebenenfalls Christoph Matschie muss sich endlich ve inhaltliche Arbeit in den nächsten zu verändern, so dass eine wirkliche entscheiden, ob sie einen Politikwech- Jahren aufbauen. Mitarbeit ermöglicht wird. Dabei sol- sel will oder nur bestrebt ist, unter al- Allein die Diskussion zum Doppel- len langjährig bestehende Strukturen len Umständen an die Macht zu kom- haushalt 2008/2009 hat gezeigt, dass nicht zerschlagen werden. Es ist aber men.) Die Stimmung im Land hat sich die LINKE in Thüringen bereit ist, auch aus meiner Sicht notwendig, parallele in Richtung Veränderung gedreht. Jah- ohne eine durch die CDU-Landesregie- Strukturen zu entwickeln, die sich zum relang war das im schwarz dominierten rung verursachte weitere Verschuldung Beispiel auf Themenschwerpunkte kon- Thüringen undenkbar. Nun ist die Zeit des Landes Möglichkeiten für eine an- zentrieren. für Veränderungen offensichtlich ge- dere Verteilung der vorhandenen Mit- Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen, kommen. tel aufzuzeigen. In mehr als hundert die jetzt den Weg zur Partei fi nden, in Die LINKE hat in Mühlhausen die Änderungsanträgen zum Entwurf des der übergroßen Mehrheit nicht nur Bei- Uhr in Richtung Veränderung gestellt. Haushaltes der Landesregierung wur- tragszahler sein wollen, sondern sich Das Ziel für 2009 ist klar benannt: Wir den in den Bereichen Arbeit, Soziales,

LANDESVERBAND DISPUT Januar 2008 024 Bildung, kommunale Selbstverwal- nen. Im Vorfeld des Parteitages (1. und gelingen, gesellschaftliche Mehrheiten tung und Demokratie Veränderungs- 2. Dezember 2007) tönte Thüringer CDU- für linke Politik zu erlangen. vorschläge mit konkreten Vorschlägen Generalsekretär Mohring, die LINKE be- Thüringen steht 2009 vor einem Su- zur Deckung unterbreitet. Insgesamt säße keine Konzepte, ihre Parteitage perwahljahr. Europa-, Bundestags-, mit einem Volumen von 160 Millionen seien inhaltsleer. Weit gefehlt! In Mühl- Landtags- und Kommunalwahlen ste- Euro für das Jahr 2008 und 190 Millio- hausen stellten wir erstmals der Öffent- hen nacheinander oder gleichzeitig nen Euro für das Jahr 2009. Das beträ- lichkeit ein »Landesprogramm Thürin- an. Die Herausforderung für die Thü- fe erhebliche fi nanzielle Möglichkeiten gen 2020« vor (nachlesbar unter: www. ringer LINKE ist groß. Erste Vorausset- zur Verbesserung der Lebenssituati- die-linke-thueringen.de). Dieses Pro- zungen für ein erfolgreiches Agieren on von Menschen in Thüringen. – Aber gramm geht von einer konkreten Ana- sind geschaffen. Der politische Kon- auch hier wurden, wie nicht anders zu lyse der gegenwärtigen Situation aus kurrent ist verunsichert. Diese Verun- erwarten war, alle Vorschläge von der und beschreibt Möglichkeiten und Vor- sicherung sollten wir weiter vorantrei- CDU-Mehrheit schon im Ausschuss ab- schläge der Thüringer LINKEN zur Ver- ben und dabei selber sicherer im Agie- geschmettert. änderung der gesellschaftlichen Situ- ren werden, ohne arrogant und über- Möglichkeiten zur Verbesserung der ation. Es ist kein vorgezogenes Wahl- heblich zu sein. Lebenssituation der Menschen sind al- versprechen oder Landtagswahlpro- Die Menschen in Thüringen haben so selbst unter der derzeit sicher nicht gramm für das Jahr 2009. Es ist ein eine politische Veränderung verdient. einfachen Haushaltssituation vorhan- Angebot an Vereine und Verbände, Ins- Die Bundesrepublik hat einen roten Mi- den. Man muss nur bereit sein, Verän- titutionen, Wissenschaftlerinnen und nisterpräsidenten Bodo Ramelow ver- derungen auch zuzulassen. Wissenschaftler und natürlich an un- dient. Die Chance zum Erfolg besteht. sere Mitgliedschaft zum gesellschaft- Wir dürfen sie nicht verspielen. lichen Diskurs und Dialog. Nur wenn Ohne Arroganz es gelingt, über unsere Parteigrenzen Knut Korschewsky ist Landesvorsitzen- Ein zweites Beispiel für konkrete Vor- hinweg mit mehr Menschen in das Ge- der der LINKEN in Thüringen. stellungen der LINKEN möchte ich nen- spräch zu kommen, wird es uns auch [email protected]

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25 0 DISPUT Januar 2008 »Wir haben immer etwas zu sagen!« Rückblick in Recklinghausen: Erst haben wir den Kreisverband gebildet und dann zehn Stadtverbände Von Ingo Boxhammer

Am 19. August 2007 wurde der Kreisver- zeitungen und Briefen in zum Teil be- den waren, kommen zurück. Also, es band Recklinghausen gegründet – am trächtlichen Aufl agen (500 bis 10.000 lohnt sich, auch mit diesen Mitstrei- 22. November 2007 »stand« der letz- Exemplare) ermöglichte es uns, unse- tern das Gespräch zu suchen. Sie ha- te Stadtverband. Zu unserem Kreisge- re Initiativen und Aktionen gegen die ben nach meiner Wahrnehmung längst biet gehören Castrop-Rauxel, Datteln, Agenda 2010 und die unsägliche So- erkannt, dass es zur Partei DIE LINKE Dorsten, Gladbeck, Haltern, Herten, zialabbau-Politik von SPD/CDU/FDP/ keine Alternative gibt. Marl, Oer-Erkenschwick, Recklinghau- GRÜNE an die Frau bzw. den Mann zu Ein Problem haben wir allerdings, sen und Waltrop. In allen zehn Städ- bringen. Finanziert werden die Bürger- das wir aus eigener Kraft zur Zeit nicht ten sind wir bereits unmittelbar nach zeitungen durch Spenden, denn unse- lösen können. Es fehlt an allen Ecken der Gründung mit Infoständen an die re »Schatz«meister haben eigentlich und Enden an einer »Grundausstat- Öffentlichkeit gegangen. Die Zeitschrift nicht eine Spur von Schatz zu verwal- tung« der Stadtverbände. Zum Teil ist »Klar« und die anderen zentralen Ma- ten. Die Aufträge und Kämpfe in den nicht einmal ein Partei-Schirm vorhan- terialien, ergänzt durch lokale Flugzet- Kommunalparlamenten (da, wo wir be- den. Wir leihen uns diese Dinge gegen- tel, waren dabei eine große Hilfe. Mal reits durch Mandatsträger der früheren seitig aus (die Entfernung zwischen den wandten wir uns gegen den Bundes- Linkspartei.PDS vertreten sind) beglei- Städten beträgt in unserem Kreis bis wehreinsatz in Afghanistan, mal öffne- ten wir mit intensiver Pressearbeit. Un- zu 50 Kilometer) und nutzen auch pri- ten wir einen Glühweinstand mit dem ser Ziel heißt: »Wir haben immer et- vate Tapeziertische. Ein einheitliches Motto »Heißes gegen die soziale Käl- was zu sagen!« – Einmal wöchentlich und professionelles Erscheinungsbild te«. Mindestens einmal im Monat wol- wollen wir in der Lokalzeitung stehen. der Partei ermöglicht das gerade nicht. len sich alle Stadtverbände in der Öf- Denn ein Artikel, das sind Zehntausen- Aber wir hoffen, dass unsere »Bettel- fentlichkeit zeigen. de von Flugblättern, die wir nicht mehr briefe« irgendwo Erfolg zeigen. Unsere Aktivitäten sind vielfältig. Da- verteilen müssen. Wir lassen uns durch kleine Hemm- bei haben wir die Vorbereitung der Kom- Übrigens hat die Bremen-Wahl sehr nisse nicht entmutigen und rufen den munalwahl 2009 in Nordrhein-Westfalen viel dazu beigetragen, das Engagement Bürgerinnen und Bürgern weiter zu: Rot im Blick, zum Beispiel die Entwicklung unserer aktiven Mitglieder gleichblei- sehen kann jeder – Wählen Sie mal Rot eines Wahl- und Aktionsprogramms. Ge- bend hoch zu halten und sogar noch – DIE LINKE! genwärtig unterstützen wir die Genos- zu verstärken. sen in Niedersachsen bei der Bewälti- Und noch eine Tendenz ist erkenn- Ingo Boxhammer ist Sprecher im Kreis- gung ihres Landtagswahlkampfes. bar: Ehemalige WASG-Mitglieder, die verband Recklinghausen. Wie ist diese, wie wir meinen, posi- mit der Vereinigung nicht einverstan- [email protected] tive Entwicklung zu erklären? Zum ei- nen ist die Euphorie, die mit dem Grün- dungsparteitag in Berlin begann, noch Gute Gründe für Gründungen. Neben dem Kreisverband entstanden in zehn Städten nicht verflogen. Die herausragende Parteiorganisationen. Veranstaltung in Castrop-Rauxel mit mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Oskar Lafontaine gleich eine Woche nach dem Grün- dungsparteitag und ihr enormes Me- dienecho taten uns auch in der Mitglie- derwerbung sehr gut. (DISPUT hatte darüber berichtet.) Oskar »verlangte« von uns in Castrop-Rauxel vier Neumit- glieder, wenn er käme. – Tatsächlich konnten wir die Mitgliederzahlen ver- doppeln. Wir waren mal 22, jetzt sind wir fast 50 Mitglieder! Zum anderen ist die positive Ent- wicklung auch unserer wirklich bemer- kenswerten Presse- und Öffentlich- keitsarbeit zu verdanken. Die organi- satorische Unterstützung der Initiative »Rock gegen Rechts« und der Regional- tag unserer hiesigen Bundestagsabge- ordneten, verbunden mit den kommu- nalen und bundespolitischen Themen, sorgten dafür, dass wir im Gespräch

blieben. Die Herausgabe von Bürger- Zachraj © Wilhelm

KREISVERBAND DISPUT Januar 2008 026 rgendwie beunruhigt mich seit Lan- Ich hob die Hände gen Himmel und gem, dass Wolfgang Schäuble mehr versicherte, dass weder er noch ich Ivon mir weiß als meine Frau nach derlei Interessen haben. Es ginge uns jahrzehntelanger Ehe. bei allem nur um Deutschland. Worauf Er weiß, wann ich aufstehe, auch meine Frau klarstellte: »Ich bin auch auf Dienstreisen, weil ich einen Funk- Deutschland!« wecker benutze, dessen Signale keine Ich versicherte ihr umgehend, dass Einbahnstraße sind. Er hat in meiner ich sie für den schönsten und wertvolls- Tiefgarage Kameras installiert, angeb- ten Teil unserer Heimat halte. Doch es lich, um die Frauen vor Sittenstrolchen war unverkennbar, dass ein gewisses zu schützen. Er kann in der Verkehrs- Misstrauen zwischen ihr und mir – wie leitzentrale sofort ablesen, wann ich auch zwischen Schäuble und uns bei- welche Kreuzung auf dem Weg zur Ar- den bestehen blieb. beit passiere. Er weiß ebenso, ob ich Als ich im Sommer in Heiligendamm unterwegs an irgendeinem der tausend zur Mahnwache gegen den G8-Gipfel Dienstgebäude anhalte und in welches antrat, da schickte Schäuble Bundes- Stockwerk ich fahre. Meine Telefonate, wehr-Tornados über unseren Zeltplatz, E-Mails und Internetanfragen kann er um rauszukriegen, mit wem ich da mei- jederzeit zurückverfolgen mit Uhrzeit, nen Schlafsack teilte. Als die Kranken- Adressat und Verbindungsdauer. Das kasse aufheulte, dass ihre Dividende lässt er nun sechs Monate speichern, viel zu klein sei, weil zu viel Spreu unter damit er den Inhalt ihren Patienten wäre, da genehmigte protokollieren kann. Schäuble die elektronische Gesund- Allwissend Natürlich kennt er heitskarte für 10.000 Testpersonen, alle meine Bankver- um festzustellen, wer mit welchen Lei- bindungen sowie de- den, Medikamenten und Nebenwir- ren Ein- und Ausgän- kungen zu einem unvertretbaren Versi- ge. Er weiß auch von cherungsrisiko wird. Die Bemühungen der Schuldenfahn- um die Ausweitung der Gentests wer- dung, ob und wann den künftig schon als Speicherchip im Von Jens Jansen ich bei wem mit Oberarm von Säuglingen Auskunft ge- wie viel in der Krei- ben, wer mit welchen erblichen Gebre- de stand. Er kennt meine Wohnungs- chen welche Lebenserwartung hat. einrichtung durch die EC-Karten-Rech- nungen der Möbelhäuser. Er kennt mei- Auf der anderen Seite ne Ess- und Einkaufsgewohnheiten durch die Strichcodes der Supermärk- Mit der Einführung der obligatorischen te. Er kann unschwer ermitteln, welche Fingerabdrücke im Reisepass ist nun Zeitungen und Zeitschriften ich lese aber – Gott sei Dank! – der letzte Zwei- und was abends bei uns auf der Glot- fel bei meiner Frau ausgeräumt, dass ze läuft: Welcher Sender, welches Pro- Schäuble ein persönliches Interesse gramm, welche Einschaltdauer. Er weiß, an mir als unbescholtenen Bürger und wann ich welche Reise wohin gebucht treuen Verfechter der freiheitlich de- habe und was ich auf dem Flugplatz an mokratischen Grundordnung haben Gepäck und Kleidung mithatte. Er kann könnte. Dieser Fingerabdruck rückt über meinen Navigator und über mein mich nun endgültig auf die andere Sei- Handy mitverfolgen, ob und wo ich ei- te der Barrikade: Von den Verlässlichen nen Umweg oder einen Seitensprung zu den Verdächtigen, von den Geset- mache – mit Straße und Hausnummer. zestreuen zu den Generalverdächtigen. Kurzum, er weiß mehr als meine Frau Und von da zur Anklagebank ist es ein von mir, so dass mich das zunehmend kleiner Schritt. Es reicht ja mitunter, nervös machen musste, und meine dass man mit seinem osmanischen Ge- Frau auch. müsehändler zu lange geplaudert hat, Als ich ihr das unlängst erklärte, ohne zu wissen, dass er als islamisti- fragte sie empört: »Hat der Kerl was scher Fundamentalist aufgefallen ist. mit dir? Mit so viel Energie hast du mich Ich stehe nun im Regen der Dau- seinerzeit nicht verfolgt!« erbeschattung. Aber das macht mir Ich habe ihr dann erklärt, dass un- nichts, denn meine Frau umfängt mich ser Innenminister ein bedauernswerter jetzt mit Mitleid statt mit Eifersucht Mensch ist, der ein anstrengendes Ta- auf »Wölfi den Allwissenden«. Und ich gewerk vollbringt, um unser aller Glück meinerseits bemitleide nun alle mei- und Sicherheit zu garantieren. Das be- ne splitterfasernackten Mitbürger. Der sänftigte meine Frau aber keineswegs: Einzige, der noch fröhlich durch das »Höre ich da eine versteckte Sympa- Dickicht aller Ausspähungen kommt, thie oder gar ein rühriges Mitleid her- ist jenes Rumpelstilzchen mit dem aus? Willst du seine Schwester Teresa Spruch: »Oh, wie gut, dass keiner weiß, sein?« dass ich Wolfgang Schäuble heiß‘!«

270 DISPUT Januar 2008 FEUILLETON Europa mitbestimmen! Referendum! Bis Ende März sammelt DIE LINKE Unterschriften für ein Referendum. Listen gibt’s im Internet und in den Kreisverbänden Von Sylvia Anders

Am 13. Dezember 2007 unterzeichne- ten in Lissabon die Staats- und Regie- rungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten den EU-Reformvertrag, der nun Vertrag von Lissabon heißt. Erinnern wir uns: Ursprünglich war vorgesehen, dass der Vertrag von Niz- za – die gültige vertragliche Grund- lage für die Politik der Europäischen Union – durch eine Verfassung ersetzt wird. Der Verfassungsentwurf beinhal- tete aber eine vorwiegend neoliberale Wirtschaftspolitik, die Lohn- und Sozi- aldumping in den Verfassungsrang er- hoben hätte, und, noch schlimmer, ei- ne Militarisierung der bisher vorran- gig zivilen Union. Die Verpfl ichtung al- ler Mitgliedstaaten zur Aufrüstung wäre dann verfassungsmäßig gewesen, Ab- rüstung eventuell verfassungswidrig. Deshalb wurde der Verfassungsent- wurf, auch wenn er gleichzeitig Verbes- serungen gegenüber dem Vertrag von Nizza enthielt, von allen europäischen linken Parteien abgelehnt. Das taten zum Glück auch eine Mehrheit der fran- zösischen und niederländischen Bür- gerinnen und Bürger in Volksabstim- mungen, womit der Verfassungsvertrag vom Tisch war. Denn um in Kraft treten zu können, hätte er in allen Mitglied- staaten ratifi ziert werden müssen. Nun kamen die Regierenden auf den Trick, wesentliche Teile der abgelehnten Friedmann © Ronald Verfassung in die bestehenden Verträ- Als Erster unterschrieb Parteivorsitzender Lothar Bisky. ge zu integrieren, und heraus kam der Vertrag von Lissabon. Dabei hat man ropäischen Union eine Million Unter- drei Unterschriften sammelt, käme bei den Willen der Bevölkerung völlig igno- schriften zu sammeln. 400.000 Mitgliedern der Europäischen riert. Sowohl die neoliberale Grund- DIE LINKE beteiligt sich daran, in- Linkspartei eine bemerkenswerte An- ausrichtung als auch die Militarisie- dem sie Unterschriften für die Durch- zahl von Unterschriften zusammen. rung der EU, weshalb die Verfassung ja führung eines Referendums in Deutsch- Die Unterschriftenlisten fi ndet Ihr im von den Bürgerinnen und Bürgern ab- land sammelt. Die Linksfraktion hat Internet unter www.die-linke.de. Dort gelehnt wurde, sind im Vertrag von Lis- gleichzeitig einen Gesetzentwurf im könnt Ihr auch online unterschreiben. sabon enthalten. Deshalb ist DIE LIN- Bundestag eingebracht, um die verfas- Außerdem gibt es Informationen und KE erneut gezwungen, einen EU-Vertrag sungsrechtlichen Voraussetzungen für Einschätzungen über den Vertrag von abzulehnen. Referenden in Deutschland zu schaf- Lissabon sowie eine Übersicht über Mit Ausnahme von Irland sollen nun fen. Die Unterschriftensammlung wird ReferentInnen, die bereit sind, in Ver- in keinem weiteren EU-Staat die Bürge- bis Ende März 2008 durchgeführt. Den anstaltungen, zum Beispiel in Basisor- rinnen und Bürger durch eine Volksab- Startschuss dazu gab der Vorsitzende ganisationen, zum Vertrag von Lissa- stimmung über den EU-Vertrag abstim- der Europäischen Linkspartei und der bon und zur Unterschriftensammlung men dürfen. Und das, obwohl er gra- LINKEN, Lothar Bisky, auf einer Pres- zu sprechen. Natürlich bekommt Ihr vierende Auswirkungen auf ihre Exis- sekonferenz am 13. Dezember 2007. Er die Unterschriftenlisten auch über Eu- tenz- und Lebensbedingungen hat. trug sich als erster in die Unterschrif- ren Kreisverband. Aus diesem Grund hat die Europäische tenliste ein. Linkspartei (EL) eine Kampagne für Wir bitten alle Parteimitglieder, Dr. Sylvia Anders ist Mitarbeiterin im Volksabstimmungen zum Vertrag von sich aktiv an der Unterschriftensamm- Bereich Internationale Politik der Lissabon in allen Mitgliedstaaten der lung zu beteiligen. Wenn jede Genos- Bundesgeschäftsstelle. EU initiiert. Ziel ist, innerhalb der Eu- sin, jeder Genosse mindestens zwei, [email protected]

EUROPA DISPUT Januar 2008 028 Nicht gegen, sondern wegen Europa Der 34. Parteitag der KP Österreich startete Kampagne für ein Referendum über den EU-Reformvertrag Von Dominic Heilig

Als DIE LINKE mit der Unterschrift des nen gegen das Lissabonner Vertrags- rausgestellt haben: Österreichs neu- Parteivorsitzenden Lothar Bisky die werk führten. Im Vordergrund für die traler außenpolitischer Status wur- Kampagne der Partei für ein Referen- KPÖ stünde eine EU, die friedlich, bür- de entwertet, die Arbeitslosenrate ist dum über den EU-Reformvertrag am 13. gernah und solidarisch organisiert und deutlich gestiegen, der Lebensstan- Dezember 2007 startete, war die Kom- ausgerichtet sei. dard der Arbeiter/innenklasse ist bei munistische Partei Österreich (KPÖ) be- Mit großem Interesse verfolgte Ha- gleichzeitig gigantisch anwachsen- reits aus den Startlöchern. Auf ihrem lina Wawzyniak auch die Debatten über den Profi ten gesunken, der Einfl uss 34. Parteitag vom 7. bis 9. Dezember in die Haltung der KPÖ zum Nationalstaat rechter, nationalistischer und rassisti- Wien hatten die über hundert Delegier- und zur EU, welche just zu dem Zeit- scher Kräfte hat nicht abgenommen«, ten für eine Volksabstimmungskam- punkt geführt wurden, da der europa- so Baiers Resümee. pagne votiert. politische Sprecher der Linksfraktion Gleichzeitig aber bringe es nichts, Der Startschuss für eine solche im Bundestag, Diether Dehm, via Ta- darauf zu verweisen, recht gehabt zu wurde denn auch mit einer Kundge- geszeitung »Neues Deutschland« sich haben! Die Frage, die sich die Partei bung inmitten der morgendlichen Ne- ebenfalls mit der Geschichte und der heute stellen muss, ist, ob der in trans- belschwaden der österreichischen Zukunft der (deutschen) Linken im nationalen Netzwerken verfl ochtenen Hauptstadt abgegeben. Die KPÖ woll- Spannungsfeld zwischen Nation und Kapitalmacht ausschließlich auf natio- te damit zugleich verdeutlich, dass ih- Europa befasste und die EU als erwei- naler Ebene entgegengetreten werden re Kampagne sich zwar auf das Territo- terten Handlungsrahmen für DIE LINKE kann. Mitnichten! rium des eigenen Landes beschränken negierte. Auch die KPÖ führte ihre eu- werde, aber dennoch einen gesamteu- ropapolitische Auseinandersetzung an- Mit historischem Hintergrund ropäischen Anspruch verfolgt. Und so hand der eigenen neueren wie älteren sprachen nicht nur Delegierte des Par- Geschichte. Zwar bezog sich die Debat- Diese knappe Antwort auf eine der teitages, sondern auch Gäste aus Grie- te in der Donaustadt nicht auf den Arti- drängendsten Fragen innerhalb der chenland (Synaspismos) und Deutsch- kel in der deutschen Tageszeitung, den- Linken ist auch Resultat der älteren Ge- land zu den Einkaufenden vor den Tem- noch ist es erstaunlich, wie europaweit schichte der KPÖ. Vor 40 Jahren hatte peln des Kapitals. Parteivorstandsmit- Debatten innerhalb der Linken fast zeit- die KPÖ schon einmal den historischen glied Halina Wawzyniak machte darauf gleich aufkommen und Position ausge- Fehler begangen, sich dem Eurokom- aufmerksam, dass sich derartige Akti- fochten werden. munismus der 70er Jahre zu entziehen, vitäten auch in anderen europäischen Interessant an der österreichischen Debatten über eine Erneuerung der Staaten wiederholen würden, »denn Diskussion war insbesondere die Tat- Partei abzubrechen und stattdessen europaweit kämpfen die Mitgliedspar- sache, dass die KPÖ, im Gegensatz zur eine »unkritische Orientierung« an der teien der Europäischen Linkspartei für früheren PDS, an einem politischen Sowjetunion, am Realsozialismus und ein europaweites Referendum über die Punkt in die Auseinandersetzung mit am Aufbau des Sozialismus in Osteur- Zukunft der EU und ihrer weiteren poli- der EU gestartet war, den die Vorgän- opa vorzuziehen. Gerade diese Erfah- tischen und sozialen Integration«. gerpartei der LINKEN nie eingenom- rungen sind es, die die KPÖ heute dazu men hatte. Nicht allein, dass die KPÖ ermutigt haben, das europäische Span- vor vier Jahren heftige interne Kämp- nungsfeld anzunehmen. »Auch un- Für eine andere Integration fe darüber führte, ob sie der EL beitre- ter dem Gesichtspunkt unseres Ideals, Unter der Losung »Volksabstimmung ten soll, sondern auch, dass die Partei eines demokratischen, feministischen über den EU-Vertrag – nicht gegen, son- 1995 gegen einen Beitritt des Landes und ökologischen Sozialismus, gilt, dern wegen Europa« schlossen sich die zur EU mobil machte, zeigt, wie um- dass der Maßstab, in dem er politisch Mitglieder der KPÖ der Unterschriften- stritten der europäische Handlungs- gedacht und erkämpft werden kann, kampagne der Europäischen Linkspar- rahmen in der KPÖ immer war. Heute, nicht mehr der Nationalstaat, sondern tei, die diese auf ihrem Parteitag En- so die Analyse, sei man froh, sich für der europäische ist«, fasst Baier die De- de November in Prag beschlossen hat- eine Mitgliedschaft in der EL entschie- batte zusammen. Und auch vor diesem te, an. Der wiedergewählte Parteivor- den und somit den politischen Kampf historischen Hintergrund kämpft die sitzende Mirko Messner hob zugleich auf der europäischen Ebene aufge- KPÖ für eine Volksabstimmung über hervor, wo die Grenzen der politischen nommen zu haben. Trotzdem wirke den EU-Vertrag der Regierenden. Mobilisierung verlaufen: »Wenn wir sa- bisweilen, so der ehemalige Partei- Dem deutschen Gast wird einmal gen, wir sind gegen die neoliberale In- vorsitzende Walter Baier, die aktuelle mehr – vor gänzlich anderen, als den tegration Europas, dann ist das nur ein Orientierung der KPÖ auf einen Kampf deutschen Argumenten – deutlich, Halbsatz. Der ganze Satz lautet: Wir um eine demokratische und soziale dass ein Eintreten für ein Referendum sind für eine andere Art der Integration, Umgestaltung Europas und die frühere die Annahme des europäischen Hand- für eine, die im Interesse und durch die Ablehnung eines EU-Beitritts paradox. lungsrahmens bedeutet. Auch deshalb Menschen defi niert wird.« Messner er- »Aus heutiger Sicht kann man ein- kann dieser nicht negiert werden kann. teilte damit allen Gegnern des EU-Ver- schätzen, dass sich ausnahmslos al- Erst recht nicht, wenn wir wegen Euro- trages eine Absage, die nationalistisch le unsere seinerzeitigen Argumente pa und nicht gegen Europa abstimmen und rassistisch motivierte Kampag- gegen den EU-Beitritt als richtig he- wollen.

290 DISPUT Januar 2008 EUROPÄISCHE LINKE Im Netzwerk sind wir nicht allein Interview mit Bianca Pomeranzi, Einzelmitglied der Partei der Europäischen Linken (EL) aus Italien, Vertreterin des Netzwerks Italienische Sektion der EL

Sie legten in einem viel beachteten Dis- wirkt. Sie haben beispielsweise bisher ganz rechts eine neue Formation ins Le- kussionsbeitrag auf dem 2. EL-Kon- alle Initiativen zu Fall gebracht, auch ben zu rufen. gress in Prag Erfahrungen Ihres Netz- in Italien einen Zivilen Solidaritäts- werks als einer neuen Organisations- pakt (PACS) nach französischem Vor- Was sollte nach Ihrer Meinung die EL form der EL dar. Worum geht es bei Ih- bild, das heißt eine gesetzlich sankti- tun, um Initiativen wie Ihre in Europa rem Netzwerk? onierte alternative Lebensform zur Ehe, breiter zum Tragen zu bringen? Wir haben in Italien seit der Gründung zuzulassen. Die gegenwärtig regieren- Ich nahm erstmals an einem EL-Kon- der EL bereits eine bestimmte Zahl von de Mitte-Links-Koalition hatte dieses gress teil. Da will ich mich mit allge- Einzelmitgliedern dieser Partei. Sie ha- Ziel in ihrem Wahlprogramm, ist aber meinen Ratschlägen zurückhalten. ben vor zwei Jahren beschlossen, sich bisher vor der Macht der Kirche zurück- Aber dieser Kongress hat mich in mei- in einer Assoziation zusammenzu- gewichen und hat dieses Projekt in kei- ner Überzeugung bestärkt, dass die- schließen. Darunter sind bekannte In- ner Weise vorangebracht. Aus Sicht un- se Partei der Europäischen Linken ei- tellektuelle und auch Personen, die ir- serer Mitglieder sollte es Sache der ne ganz wichtige Sache ist. Die Glo- gendwo in der Provinz leben und An- EL sein, sich dieses wichtigen Bürger- balisierung hat tiefgreifende Verände- schluss an die EL suchen. Sie halten rechts anzunehmen. rungen der politischen Strukturen in eine freie Assoziation für die ihnen ge- vielen Ländern mit sich gebracht. Wir mäße Form, um zu gemeinsamen Ent- Sehen Sie Ihr Netzwerk als eine mög- brauchen dringend neue Formen po- scheidungen zu kommen und sich in liche Form an, soziale Bewegungen nä- litischen Handelns – viel breitere und die Aktionen der EL in Italien und dar- her an die EL heranzubringen? differenziertere auf den verschiedenen über hinaus einzubringen. Diese Asso- Durchaus. Um es klar zu sagen: Wir Ebenen. Die EU sehe ich als einen wich- ziation ist Teil unseres Netzwerkes ge- werden bei unserer Arbeit von Rifonda- tigen Raum an, in dem die Linke aktiv worden. zione comunista unterstützt. So bildet sein muss. Heute weist die EU, was das sich eine weitere Kraft – bestehend politische Leben betrifft, eine ganz un- Wie setzt sich Ihr Netzwerk zusammen? aus Assoziationen und Bewegungen, terschiedliche Lage in ihrem westlichen Unser Netzwerk ist nicht nur eine die die Idee der Europäischen Linken und ihrem östlichen Teil auf. Sammlung von EL-Einzelmitgliedern, in Italien trägt. Ich denke, es muss ein ganz wich- sondern es fasst solche Assoziationen Darunter ist zum Beispiel eine Be- tiges Anliegen der EL sein, neue Räu- mit anderen Körperschaften und Bewe- wegung, die sich für die Rechte der klei- me zu schaffen, wo man mehr Men- gungen verschiedener Art zusammen. nen Hausbesitzer einsetzt. Die Arbeit schen zur aktiven Teilnahme am poli- Ich vertrete zum Beispiel eine feministi- des Netzwerkes wird von einem Vor- tischen Leben bewegen kann, gerade, sche Organisation, die Frauen einen öf- stand aus acht Leuten koordiniert, die wenn sich die Lage so zuspitzt. In die- fentlichen Raum bietet, die sich für eine die größten Gruppen vertreten. sem Sinne denke ich, dass unsere Er- laizistische Gesellschaft, das heißt die Wir verstehen uns übrigens auch fahrungen auch für andere europäische strikte Trennung von Kirche und Staat, als ein Teil der Initiative für die Bil- Länder von Interesse sein können und für die Gleichstellung der Geschlechter dung einer neuen linken Formation in dass die EL sie den Linken in anderen und der Lebensformen einsetzen. Dem Italien (»Regenbogen« wurde inzwi- Ländern nahe bringen sollte. Netzwerk Italienische Sektion der EL schen gegründet). Sie wissen sicher, Dabei bin ich mir bewusst, wie gehören insgesamt fünfzehn Assoziati- dass Rifondazione comunista, die Par- schwer es ist, solche neuen Räume zu onen an, die verschiedene progressive tei der Italienischen Kommunisten, der schaffen. Aus meiner Erfahrung als Fe- Ziele verfolgen, darunter eine mit dem Teil der Demokratischen Linken, der ministin weiß ich, dass das nur geht, Namen Sozialismus im 21. Jahrhundert, nicht Walter Veltroni in die neue zen- wenn es weit offene Räume sind, wo eine für Schwule und Lesben, eine von tristische Demokratische Partei gefolgt der freie Meinungsaustausch über Pro- Umweltaktivisten und eine, die sich für ist, und die Grünen den Aufbau einer bleme, Ziele und Visionen im Vorder- die Entwicklung des Mittelmeerraumes Föderation anstreben. Neben unserem grund steht und nicht der Gedanke an einsetzt. Netzwerk sind an dieser Initiative wei- politische Repräsentation. Wenn ich Bisher arbeiten wir vorwiegend mit tere linke Gruppen beteiligt, zum Bei- in europäischen Dimensionen denke, thematischen Treffen. Zum Auftakt un- spiel eine Plurale Linke aus Florenz, die dann ist ein weiteres Hindernis, dass serer Arbeit sind wir im Juni 2007 in linke Persönlichkeiten aus dieser Stadt noch viel zu wenige Menschen sich in Rom zusammengekommen und haben vereinigt. einer anderen Sprache äußern und ih- dort alle organisatorischen Fragen be- Aus alledem können Sie erkennen, re Gedanken darlegen können. Aber sprochen. Danach gab es ein Treffen in dass wir in Italien neue Formen po- grundsätzlich bin ich der Meinung, Genua, das dem Zusammenhang von litischer Teilhabe ausprobieren, um dass unsere Erfahrungen für die EL An- sozialen Rechten (Recht auf Arbeit, auf dem gegenwärtig zu beobachtenden lass sein sollten, ähnliche Prozesse bezahlbaren Wohnraum etc.) und Bür- sehr problematischen Trend im poli- und Formen politischer Arbeit auch auf gerrechten gewidmet war. Letztere sind tischen Leben Italiens etwas entgegen- europäischer Ebene stärker voranzu- in Italien besonders wichtig geworden, zusetzen. Dazu gehören die Gründung bringen. seit die katholische Kirche so eng mit der schon erwähnten Demokratischen der politischen Rechten zusammen- Partei als auch die Absicht Berlusconis, Interview: Helmut Ettinger

EUROPÄISCHE LINKE DISPUT Januar 2008 030 Krieg ist kein Weg Interview mit Abdulraschid Ariyan, Vorsitzender der Nationalpartei Afghanistans

Abdulraschid Ariyan, 61, war seit 1978 Wie sieht die afghanische Parteien- schenrechte und der inneren Sicher- ZK-Mitglied der Demokratischen Volks- landschaft aus? heit ein? partei Afghanistans und nach Macht- Als Folge des Krieges und der Krise Die Präsenz der ISAF-Schutztruppen hat übernahme der DVPA in führenden gibt es momentan fast 90 Parteien. Ei- für die Gewährleistung der inneren Si- Funktionen tätig. Im Oktober 2007 hat- ne solch große Anzahl von Parteien ist cherheit einen positiven Einfl uss. Aber te er politische Gespräche mit allen im nicht im Interesse der Gesellschaft und im Laufe der Operationen wurden wie- Bundestag vertretenen Parteien, dar- der Demokratie. Deshalb ist die Na- derholt Menschenrechte ernsthaft ver- unter mit Vertretern der LINKEN. tionalpartei Afghanistans mit 13 ähn- letzt. Die Wiederholung solcher Taten lichen Parteien zu dem Schluss gekom- muss verhindert werden. Wann und warum wurde Ihre Partei ge- men, sich bis März 2008 zu einer Par- gründet? tei zu vereinen, um für gemeinsame Was tut Ihre Partei, um zu einer Verbes- Die Nationalpartei Afghanistans wur- Ziele zu kämpfen. Die Nationalpartei serung der Situation beizutragen? de im März 2002 in Kabul gegründet. In Afghanistans hat sich außerdem mit Die Nationalpartei bemüht sich um ihr schlossen sich ehemalige Mitglieder zwölf anderen Parteien in der Natio- mehr politischen Einfl uss. Dafür wer- und Aktivisten der DVPA und junge Leu- nal-Demokratischen Front zusammen- den sich die politischen Kräfte in einer te, die im Laufe des Krieges und der Kri- geschlossen. vereinigten Organisation und Partei zu- se geboren wurden und nach der Herr- Während die Nationalpartei Afgha- sammenschließen. Auf diesem Weg ha- schaft der Taliban aufwuchsen, zusam- nistans das jetzige System und die Ver- ben wir Erfolge erzielt. Die Nationalpar- men. Im Gegensatz zu anderen Par- fassung unterstützt, kritisiert sie zu- tei unterstützt Wirtschaftshilfe aus dem teien möchten wir die Interessen der gleich mangelhaftes Handeln der Re- Ausland für den Aufbau des Landes so- gesamten afghanischen Bevölkerung gierung bei der Realisierung der Ge- wie alle Maßnahmen, die Afghanistan vertreten. Die Nationalpartei Afgha- setze, beim Einsammeln der Waffen, in die Lage versetzen, Stabilität und nistans ist entschieden gegen jede Aus- bei der Beseitigung der Korruption und Frieden zu erreichen. Dies geht aber grenzung ethnischer, sprachlicher, re- bei der effektiven Nutzung der großen nicht mit ausländischer militärischer gionaler und religiöser Gruppen. In un- ausländischen Hilfe. Wir kritisieren Intervention, die mehr und mehr als serer Partei sind Leute aus allen Volks- auch die Auseinandersetzungen in der fremde Besatzung empfunden wird. gruppen und Religionen organisiert. Sie Regierung um die Macht und das Ver- ist in allen 34 Provinzen vertreten. hältnis zwischen Regierung und Parla- Wie stehen Sie zur Forderung der LIN- ment. KEN nach einem sofortigen Abzug deut- Was sind Ihre wichtigsten Ziele? Die Menschen sind über die negati- scher Truppen aus Afghanistan? Kurz gesagt: Frieden und Stabilität ve Entwicklung besorgt und wollen ein Krieg ist kein Weg für die Beilegung im Land, Verteidigung der Unabhän- Ende des Krieges und eine politische des Afghanistan-Konfl iktes. Für dauer- gigkeit, nationale Souveränität, ter- Lösung des Konfl iktes. Ein großer Teil haften Frieden müssen Gespräche ge- ritoriale Integrität, nationale Einheit der politischen Hauptakteure, die in führt und Übereinkünfte erzielt wer- und Rechtsstaatlichkeit. Die Macht Dschihad und Krieg aktiv waren, sind den. Unserer Meinung nach ist der Ab- der Zentralregierung muss auf das ge- jetzt an der Staatsmacht beteiligt. Ih- zug der Truppen ohne eine Überein- samte Land erweitert werden. Wichtig re Arbeit konzentriert sich vor allem auf kunft nicht im Interesse Afghanistans sind der Schutz der Menschenrechte, die Schaffung von Konfl ikten für mehr und nicht im Interesse der Länder, die einschließlich der Rechte der Frauen, Macht. in Afghanistan Truppen haben. Bei der Schutz demokratischer Rechte und Eine Lösung kann nur in einem Di- den militärischen Operationen sollte Freiheiten der Bürger und der Schutz alog mit allen politischen Kräften des die Hauptlast auf die nationale Armee der demokratischen Ordnung. Landes entstehen. Die Kabuler Regie- und die Polizei übertragen werden. Da- Unserer Meinung nach muss es für rung muss gezwungen werden, alles zu für müssen sie gestärkt werden, auch den Wiederaufbau ein nationales Pro- tun, um den Weg für den Frieden frei zu durch ausgebildete und erfahrene gramm geben. Wir streben eine ge- machen. Die jetzige Regierung Karsai Personen. Darüber hinaus sollten die mischte Wirtschaft an, in der der Staat signalisiert Dialog- und Verhandlungs- Hilfsleistungen der Geberländer für die die Verantwortung für die Bereitstel- bereitschaft, aber sie knüpft diese an Schaffung und Stärkung der Infrastruk- lung der Infrastruktur, aber auch für Vorbedingungen. Die Nationalpartei tur eingesetzt werden. Damit würden die Entwicklung privater Investitionen fordert Verhandlungen ohne Vorbedin- die Arbeitslosigkeit sinken und Einstel- übernimmt. gungen und unter Einschluss aller poli- lungen von Menschen bei den bewaff- Der Staat muss die Waffen einsam- tischen Kräfte des Landes. Dieser Druck neten Gruppen eingeschränkt werden. meln und bewaffnete Gruppen aufl ö- muss auch gegenüber den Taliban ent- Durch die Unterstützung der genannten sen, um Überfällen, Entführungen und wickelt werden, die ebenfalls Vorbe- Ziele können Sie in Europa einen wich- der Unsicherheit eine Ende zu setzen. dingungen für eine politische Regelung tigen Beitrag für eine friedliche und Entschieden vorgegangen werden muss des Konfl iktes stellen. demokratische Entwicklung in Afgha- gegen Korruption und Bestechung so- nistan leisten. wie gegen Produktion, Schmuggel und Wie schätzen Sie den Erfolg der ISAF- Handel von Drogen. Schutztruppen zur Wahrung der Men- Interview: Mark Belcher

310 DISPUT Januar 2008 INTERNATIONAL Grundsicherung – aber wie? Arbeit, Zwang und Leben. Zwei Zuschriften

»Grundeinkommen, Grundsicherung men sind Adressaten der staatlichen Teilhabe sein. Oder anders gesagt: ...?«, so hatte DISPUT im Aprilheft 2006 Sozialversicherung, eine Finanzierung »Wer nicht arbeitet, der darf auch es- sein umfangreiches Streitgespräch zwi- erfolgt allein durch die arbeitenden sen!« schen Katja Kipping und Harald Werner Menschen unserer Gesellschaft. Er- Adam und Eva im Paradies kann- überschrieben. Seither wurde das The- werbsarbeit und soziale Sicherheit ten keine Arbeit, doch Essen gab es ma wiederholt aufgegriffen, zuletzt er- sind auf das Engste miteinander ver- im Überfl uss. Erst der Sündenfall führ- neut durch Katja Kipping in DISPUT knüpft, soziale Leistungen werden zu te zu einer Verknüpfung von Arbeit und 10/2007. Dazu erreichten die Redaktion »Lohnersatzleistungen«. Dieses Sys- Essen, machte Arbeit zu einer lebens- mehrere Zuschriften. Zwei werden im tem hat es in Zeiten zunehmender In- notwendigen Grundlage. Jahrtausende Folgenden in längeren Auszügen wie- dustrialisierung geschafft, die Rech- lang arbeiteten unsere Vorfahren, um dergegeben. te der Arbeitenden zu stärken, nach ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse dem Zweiten Weltkrieg hat es für stei- zu befriedigen, nicht mehr, aber auch ■ ■ Silke Mahrt: Geht unserer Gesell- genden Wohlstand für alle gesorgt und nicht weniger. Ziel menschlichen Stre- schaft die Arbeit aus? Kommt das be- eine soziale Form des Kapitalismus er- bens war es jedoch immer, möglichst reits in den 80er Jahren diskutierte En- möglicht. Grundlage hierfür waren wirt- wenig oder gar nicht zu arbeiten, an- de der Arbeitsgesellschaft, und wenn schaftliches Wachstum und die Not- dere für sich arbeiten zu lassen und so ja: Was kommt dann? Unsere Gesell- wendigkeit, den Kapitalismus als Alter- den Mehrwert abzuschöpfen. »Nicht ar- schaft hat sich in den letzten Jahren native zum Sozialismus menschlich zu beiten müssen« war das Kennzeichen drastisch verändert. Nach dem Ende gestalten. der privilegierten Oberschicht. Erst das des Kampfes der Systeme durch den Die Grundvoraussetzungen für die- Bürgertum erkannte Arbeit als Quelle Zusammenbruch des real existierenden sen vorsorgenden Sozialstaat haben von Reichtum und Eigentum, erst die Sozialismus änderte sich auch die so- sich geändert. Die Arbeitslosigkeit zunehmende Industrialisierung führte ziale Marktwirtschaft der Bundesre- bleibt trotz Wirtschaftsaufschwungs zur Trennung von Lebenssphären und publik Deutschland. Das Sozialstaats- auf hohem Niveau. Erst ein dauer- zur Schaffung von externen Erwerbsar- prinzip nach Artikel 20 des Grundge- haftes Wirtschaftswachstum von über beitsplätzen. setzes wurde durch Neoliberalismus drei Prozent, so Experten, führt zu po- Erwerbsarbeit wurde eine zentra- und scheinbaren Globalisierungs- sitiven Effekten auf dem Arbeitsmarkt, le Voraussetzung für soziale Anerken- zwang ausgehöhlt. Die alten Rezepte doch die Gefahren eines ungebremsten nung und damit für Identität und ge- halfen ebenso wenig wie neoliberale Wachstums sind seit Langem bekannt. sellschaftliche Teilhabe. In einer Ge- Experimente. Große Teile der Bevölke- Außerdem leben wir nicht mehr in einer sellschaft, die nicht mehr genug Er- rung wurden von der wirtschaftlichen Mangel-, sondern in einer Überfl ussge- werbsarbeit für alle bieten kann, Entwicklung ausgeschlossen, der An- sellschaft. Alle Waren und Güter sind müssen Erwerbstätigkeit und Identität, teil der Armen stieg rapide an, und ei- im Überfl uss vorhanden, allein man- Erwerbstätigkeit und gesellschaftliche ne gesellschaftliche Entsolidarisierung gelndes Einkommen führt zur Armut, Teilhabe wieder getrennt werden. griff um sich. Doch es gibt auch Anzei- nicht der Mangel an gesellschaftlichen Die Würde des Menschen ist unan- chen einer starken neuen sozialen Be- Ressourcen. tastbar. Ein würdevolles Leben in un- wegung, die nicht mehr mit alten Re- Eine zunehmende Globalisierung serer Gesellschaft ist auch ohne Er- zepten, sondern mit starken neuen führt zu einer weltweiten Konkurrenz werbsarbeit und Arbeitszwang mög- Utopien für eine andere, bessere Welt zwischen Arbeitskräften. Auf einem lich. Unser gesellschaftlicher Reichtum streitet. weltweiten Arbeitskräftemarkt können ermöglicht es uns, allen Menschen die Im Mittelpunkt der Diskussion steht wir nicht mithalten. Industrielle Mas- Teilhabe an der Gesellschaft zu ermög- heute, ausgelöst durch eine neue Ar- senproduktion wird von Menschen in lichen. Wir müssen es nur wollen. mutserfahrung, auch die Frage nach anderen Ländern immer günstiger zu den Möglichkeiten eines bedingungs- leisten sein. Trotzdem steigt unser ge- Silke Mahrt ist Diplom-Politologin und losen Grundeinkommens für alle. Die- sellschaftlicher Reichtum immer weiter lebt in Bad Oldesloe. se Diskussion bedeutet gerade in der an. Nicht unser Land verarmt. Wir ha- Bundesrepublik Deutschland eine Ab- ben ein Problem mit der Verteilung des kehr von alt bewährten Konzepten und gesellschaftlich erwirtschafteten Reich- ■ ■ Fred Anton: Katja Kipping schreibt auch Idealen der Arbeiterbewegung. tums. In einer Gesellschaft mit nur 26 treffend, in welcher Hinsicht es pro- Denn noch heute gilt eine Grundver- Millionen sozialversicherungspflich- grammatischen Diskussionsbedarf gibt. einbarung, die Franz Müntefering dann tigen Erwerbstätigen bei rund 83 Mil- Sie schickt zwar voraus, dass es nicht auch ungestraft äußern durfte: »Wer lionen Menschen können Erwerbsar- mehr um ein »bedingungsloses Grund- nicht arbeitet, der soll auch nicht es- beit und Sozialversicherung nicht mehr einkommen« geht, sondern nunmehr sen.« Grundlage des Sozialstaates sein. In ei- um eine »bedarfsorientierte Grundsi- Erwerbsarbeit ist die Grundlage un- ner Gesellschaft, in der es auch zukünf- cherung«. Hierbei wirft sie eher Fragen seres Sozialstaates, wie er sich in der tig nicht mehr ausreichend bezahlte Er- auf, als Lösungsvorschläge zu machen. bismarckschen Sozialgesetzgebung werbsarbeit für alle gibt, darf Erwerbs- Das liegt vornehmlich daran, dass sie ausdrückt. Die Arbeiter, nicht die Ar- arbeit nicht mehr Grundlage sozialer selbst weiterhin für ein bedingungs-

SOZIAL DISPUT Januar 2008 032 loses Grundeinkommen ist. Das ist das zu ermöglichen. Denn es geht nicht Problem bei »demokratischen Mehr- nur um die »fi nanzielle« Grundsiche- Ich abonniere heitslösungen«. Diejenigen, die unter- rung. Es geht für denjenigen, der arbei- liegen, geben zwar vor, die Mehrheits- ten will und kann, auch um seine psy- DISPUT entscheidung mitzutragen – sie sind chische und soziale Grundsicherung. jedoch innerlich gebremst, sie können Arbeit ermöglicht soziale Kontakte, An- nicht gegen die innere Einstellung han- strengung, Entspannung, Erfolgserleb- deln, die Kreativität zur Ausgestaltung nisse, Wertschätzung und ein positives des beschlossenen Weges ist behin- Selbstwertgefühl, Teilhabe an der Ar- dert. Deshalb sollte der Weg der Dis- beitswelt und ihrer Entwicklung. Des- kussion fortgesetzt werden – bis ein halb ist es eine Verpfl ichtung der Po- Name, Vorname Konsens erzielt wird. Hierfür ist es not- litik, jeder und jedem Arbeitsfähigen wendig, dass jeder dem anderen ohne auch die Möglichkeit zur Arbeit zu ge- eigenes Profi lierungsbedürfnis empa- ben. Straße, Hausnummer thisch zuhört und ihn ernst nimmt, die Hier wird nun oft diskutiert, wie die- eigene Einstellung zurücknimmt. ser »dritte Arbeitsmarkt« neben dem

Zur Sache: Man muss eigentlich ei- öffentlichen und dem privaten ausseh- PLZ, Ort nen Schritt zurückgehen, um einen en soll. Meine Meinung: Wir sollten uns Konsens zu erzielen. Die Diskussion darüber Gedanken machen, das Ange- einer Grundsicherung entsteht derzeit bot an aus Steuergeldern bezahlter Ar- Ich bestelle ab sofort Exemplar(e) auf dem Hintergrund von Arbeitslosig- beit zu vergrößern. der Zeitschrift DISPUT im keit und dem (angeblichen) Mangel an Hierbei stellt sich sofort die Frage Arbeitsstellen. Würden wir einen Über- der Finanzierung. Dass es genug Arbeit Halbjahresabonnement zum Preis von fl uss haben an »guter« Arbeit, wenn gäbe, die nachgefragt würde, darüber 12,00 Euro inkl. Versandkosten eine Vollbeschäftigung möglich wäre, sind wir sicher einer Meinung. Das Pro- dann würde sich die Frage der Grund- blem liegt darin, dass die potenziellen Jahresabonnement zum Preis von sicherung nicht mehr für Arbeitsfähige Leistungsempfänger für die Arbeit nicht 21,60 Euro inkl. Versandkosten stellen, sondern nur noch für alle ande- zahlen können, der Staat also keine hö- ren Bedürftigen. heren Einnahmen durch sein Angebot und nutze den vorteilhaften Bankeinzug Im Fall einer möglichen Vollbeschäf- bekäme (Stichwort Altenpflege, Ver- tigung stellt sich die Frage, wie jemand besserung von Bildung und Forschung). von der Gemeinschaft aller fi nanziell Deshalb sollten wir uns zuerst mit der unterstützt werden soll, der trotz ei- Ausweitung staatlich bezahlter Arbeit Geldinstitut ner »guten« Arbeitsmöglichkeit diese beschäftigen, die zu Mehreinnahmen ablehnt. Und vor diesem Hintergrund führen würde. wird deutlich, dass ein solches Verhal- Der hier effektivste Bereich wäre die ten nur von ganz wenigen akzeptiert Verbesserung der Steuereinnahmen Bankleitzahl würde, wenn überhaupt von irgend je- durch lückenlose Steuerprüfungen. mandem. Es besteht meines Erach- Während die Lohnsteuer den Arbeit- tens Konsens, dass nur jemand eine nehmern ausnahmslos vollständig ab- Kontonummer Leistung als »Bedürftiger« von der Ge- gezogen und abgeführt wird, geschieht meinschaft beanspruchen kann, wenn das bei Betrieben und deren Steuerver- oder er wirklich bedürftig ist. Und das heißt, pfl ichtungen nur unvollständig. Schon wenn er nicht in der Lage ist, zum Aus- 2006 wurde die Situation durch die Ge- bitte um Rechnungslegung (gegen gleich einen eigenen ihm möglichen werkschaft ver.di kritisiert, geschehen Gebühr) an meine Adresse. Beitrag zu leisten. ist nichts. Weil für den Fall der Vollbeschäfti- Wenn man sich auf die Zahlen aus gung in der Bevölkerung die einzubrin- 2006 stützt, ergibt sich: Rund 10.000 gende Arbeitsleistung eine Selbstver- Prüfer prüften insgesamt 200.000 Fir- Das Abonnement verlängert sich automatisch um den ständlichkeit ist, macht es auch Sinn, men Es gibt jedoch insgesamt sieben angegebenen Zeitraum zum gültigen Bezugszeitraum, falls ich nicht 15 Tage (Poststempel) vor dessen Ablauf das zunächst als Regel, als Gesetz zu Millionen Firmen. schriftlich kündige. formulieren. Erhebliche Einnamesteigerungen Die nächste Frage stellt sich erst in zwei bis dreistelligen Milliardenbe- dann – nämlich die, wie man den be- trägen sind möglich. Hierauf sollten treffenden »Leitungsverweigerer« zur wir einen Schwerpunkt legen: Einnah- Datum, 1. Unterschrift Annahme einer Arbeit bewegen kann. mesteigerungen durch mehr Steuer- Hier von »Zwang« zu sprechen, unter- gerechtigkeit, danach erst Steuererhö- Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich die Bestellung stellt das Menschenbild eines egozen- hungen und dadurch Ausweitung der innerhalb von 10 Tagen widerrufen kann. trischen, unsozialen, uneinsichtigen staatlichen Arbeitsangebote. Zunächst Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Bürgers. Es ist eine rein hypothetische Erhöhung der Angebote dort, wo Ein- Widerrufs. Situation, die sich erst einstellen wür- nahmen zu erzielen sind, und mit den de, wenn es Vollbeschäftigung gäbe. Mehreinnahmen dann Finanzierung Ich denke, über die Ausgestaltung derjenigen Angebote, die keine Ein- Datum, 2. Unterschrift eines »Zwanges« brauchen wir uns nahmen ermöglichen. Coupon bitte senden an: Parteivorstand DIE LINKE, derzeit keine großen Gedanken zu Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin machen, wir sollten vielmehr uns dar- Dr. Fred Anton ist Trainer und Berater in Bestellungen auch möglich unter: www.die-linke.de auf konzentrieren, Vollbeschäftigung der Weiterbildung und lebt in Hamburg.

330 DISPUT Januar 2008 Bundesweit gibt es mittlerweile 740 »Tafeln«, Tendenz steigend. Eine von ihnen besteht seit mehr als elf Jahren in der Kleinstadt Spremberg in der Lausitz.

»Was der Welt am meisten fehlt, sind Men- schen, die sich mit den Nöten Anderer be- schäftigen.« Diese Worte von Albert Schweit- zer hat sich das Albert-Schweitzer-Famili- enwerk Brandenburg in sein Stammbuch geschrieben. Der gemeinnützige Verein ent- stand im Oktober 1999 aus den Vereinen

»Netzwerk Kinder- und Jugendarbeit/-hilfe« (5) Wehnert © Erich und »Arbeitskreis Gesundheitsförderung Spree-Neiße«. Als seine wichtigste Aufga- be betrachtet er es, Familienhilfe anzubieten. Dafür bereibt er unter anderem ein Familienzentrum mit Beratung, Selbst- hilfezentrum und Sozialakademie sowie Kindertagesstätten und einen Jugendtreff. Und er öffnet »Tafeln« in Spremberg (seit mehr als elf Jahren), in Luckau, Welzow und Cottbus. Dort können Bedürftige für einen symbolischen Obolus Le- bensmittel, Dinge des persönlichen Bedarfs und ein Mitta- gessen erhalten. Es werden immer mehr Bedürftige: Hartz- IV-Bezieher/innen, Sozialhilfeempfänger/innen, Obdachlo- se, Geringverdienende, Frührentner, kinderreiche Familien, Alleinerziehende ... Allein in Spremberg stieg die Zahl der Kunden auf 3.100. In der Ausgabestelle und im »Tafelstüb- chen« in der Petrigasse 9 fi nden sie nicht allein ihr täglich Brot, dazu Konserven, Obst, Babynahrung, Seife ... Hier fi n- den sie vor allem auch Respekt, Hilfe zum Leben und ein we- nig Hilfe zur Selbsthilfe. Unterstützt wird die »Tafel« um Projektleiterin Brigitte Huth durch Lebensmittelhändler und, in der Saison, Klein- gärtner, durch zahlreiche Helferinnen und Helfer beim Trans- port und in der Organisation sowie durch Spenden.

Spremberger Tafel, 03130 Spremberg, Telefon/Fax: (03563) 601436, Kontonummer: 36 10 90 04 90, Sparkasse Spree-Neiße, Bankleitzahl 180 500 00.

SOZIAL DISPUT Januar 2008 034 Viel Mühe geben sich die »Tafel«- Mitarbeiter/innen in der Küche und in der Ausgabestelle.

Täglich Brot von der »Tafel«

35 0 DISPUT Januar 2008 Ohne Sparkasse kein Mittelstand Besonders im Osten sind die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute unerlässlich für Kleinunternehmer und Selbständige Von Roland Etzel

Das Eintreten für Mittelstandsförde- Hessen zusammenzugehen. Die ande- und sie kann das, weil, wie der OSV- rung darf mit Fug und Recht als eine ren vier Länder schlossen seinerzeit ei- Sprecher betont, sie »die dazu erfor- Konstante der Politik der LINKEN gel- nen Staatsvertrag zur Schaffung eines derliche rechtliche Verfasstheit und die ten. Nicht allein deshalb, aber ganz we- einheitlichen Sparkassenverbandes. nötige Unternehmensphilosophie hat, sentlich auch, weil die Sparkassen ein Unter anderem, weil alle gleichartigen weil sie ihre Erträge wieder in ihrer Re- nicht wegzudenkendes Instrument für Herausforderungen in Sparkassenan- gion reinvestiert«. diese Förderung sind, gehört die Erhal- gelegenheiten gegenüberstanden und Um dies dauerhaft zu gewährleisten, tung dieser Kreditinstitute ebenfalls zu nicht zuletzt, weil ein Vierländerver- sitzen gewählte Vor-Ort-Vertreter im den Kernpunkten linker Wirtschaftspo- band einfach kostengünstiger ist als Verwaltungsrat einer Sparkasse, zum litik. »Die Sparkassen sind als Wettbe- ein Verband in jedem Land.« Beispiel Oberbürgermeister, Landräte, werbsfaktor wichtig«, erklärte Herbert Innerhalb der Länder aber hat sich sachkundige Bürger. Ein Verwaltungs- Schui, wirtschaftspolitischer Sprecher die Sparkassenlandschaft in den letz- rat kann zwar nicht im Einzelfall ent- der LINKEN, Anfang vorigen Jahres. »Sie ten Jahren häufi g verändert. Durch die scheiden, aber im Grundsatz die Richt- sorgen als öffentlich-rechtliche Einrich- neue Territorialstruktur in Sachsen-An- linien der Kreditpolitik für seine Regi- tungen für niedrige Zinsspannen, und halt beispielsweise gibt es dort nur on beschließen, er gibt die Richtlinien sie versorgen das Kleingewerbe, an- noch elf Kreise. Damit verringert sich vor, zum Beispiel zur Förderung des ört- ders als die Großbanken, mit günsti- auch die Anzahl der selbständigen lichen Handwerks. Und er entscheidet gen Krediten. Sie sind kompetent und Kreissparkassen von 23 auf 11. Im über die Grundlinien des Sponsorings, bereit, kleine Unternehmen sachkun- OSV-Bereich existieren derzeit 58 von etwa in den Bereichen Kultur, Soziales dig zu beraten.« einst 165 Sparkassen. Die Zahl der Ge- oder Sport. Letztlich entscheidet der Als aufgrund der vom CDU/SPD-Se- schäftsstellen hat sich aber nur unwe- Verwaltungsrat auch – auf Vorschlag nat in Berlin zu verantwortenden Ban- sentlich verringert. des Vorstandes – über Neueröffnungen kenkrise der Stadt die Landesbank Dennoch, mancherorts werden Fili- oder Schließungen von Geschäftsstel- Berlin/Berliner Sparkasse verkauft alen aufgelöst. Zu den Gründen dafür len. All dies ist öffentlich transparent. werden musste und am Ende an den sagt Morales, letztendlich entscheide Man kann es in Zeitungen nachlesen. Deutschen Sparkassen- und Girover- die Zahl der Kunden über Schließung Auch das unterscheidet Sparkassen band (DSGV) ging, sah man das bei der oder Weiterbetrieb. Zum kostendecken- positiv von Privatbanken. LINKEN mit Genugtuung. »Sparkasse den Betrieb einer Filiale seien »ein paar Wie sehen Sparkassen selbst ihre bleibt Sparkasse«, hieß es in einer Er- tausend Kunden« erforderlich. Kämen Bedeutung für klein- und mittelstän- klärung der beiden Bundestags-Frakti- zu wenige, folge zunächst eine Phase dische Unternehmen im Osten? »In Sa- onsvorsitzenden Gregor Gysi und Os- der Beobachtung und von Anpassungs- chen Wirtschaft würde ich es genau an- kar Lafontaine: »Es ist ein Erfolg des maßnahmen. Wenn auch das nicht hilft, dersherum sehen«, sagt Morales. »Die Regierungshandelns der LINKEN in wird eine Schließung in Erwägung ge- Sparkassen sind auf die mittelstän- Berlin, dass eine Privatisierung der öf- zogen. Eine Sparkasse führe aber oft dische Struktur angewiesen. Sie sind fentlich-rechtlichen Sparkasse an eine auch Geschäftsstellen weiter, die sich da, weil es den Mittelstand gibt. In je- Privatbank, einen Heuschreckenfonds zwar nicht mehr tragen, für deren Er- dem Staat gibt es zur jeweiligen Wirt- oder über die Börse verhindert wurde. halt aber gewichtige regionalpolitische schaftsform das passende Banken- Damit ist das Aufbrechen des Sparkas- Gründe sprechen. system. Ostdeutschland ist Kleinun- sensektors gescheitert. Das ist eine Das unterscheidet sie grundsätzlich ternehmerland. Die Sparkassen sind der schwersten Niederlagen neolibe- von Privatbanken, und das macht die strukturell auf den Klein- und Mittel- raler Bestrebungen der letzten Jahre in Sparkassenlandschaft in Deutschland stand sowie auf Privatpersonen spe- Deutschland und Europa.« Es sei eine zu einem ziemlich einzigartigen Phä- zialisiert. Wir sind in diesen Bereichen sehr gute Lösung für alle gefunden wor- nomen in (West)-Europa, für dessen Er- mit Abstand Marktführer.« den – für Berlin, für die Sparkassen in halt die LINKE sich einsetzt: Zwar muss Trotzdem gab es immer wieder Ver- Deutschland, für die Beschäftigten und sich eine Sparkasse selbst refi nanzie- suche, Sparkassen zu privatisieren. So für die Berliner Sparkassenkunden. ren. Das heißt, sie muss Gewinn erzie- sollte vor einigen Jahren auch im Be- Das sieht man beim Ostdeutschen len für Investitionen und die Eigenka- reich des OSV, in Stralsund, eine Spar- Sparkassenverband (OSV) ähnlich, zu pitalerweiterung, aber sie hat einen kasse privatisiert, an eine Privatbank dessen Geschäftsgebiet Berlin aller- öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Der verkauft werden. »Aber gerade der Mit- dings nicht gehört. Der OSV umfasst besteht eben in erster Linie darin, Giro- telstand der Region, dem dies angeb- die vier Länder Brandenburg, Meck- und Sparkonten für jedermann zu füh- lich dienlich sein sollte«, berichtet Mo- lenburg-Vorpommern, Sachsen und ren, als Kreditinstitut für Selbstständi- rales, »forderte, diesen Verkauf nicht Sachsen-Anhalt. Warum eigentlich ge, Klein- und Mittelunternehmer da zu zuzulassen.« nicht Thüringen? »Die Landesregierung sein sowie sich gemeinnützig zu enga- Der Privatisierungsversuch in Stral- in Erfurt«, erklärt Wolfram Morales, Re- gieren, was besonders in den vier ost- sund scheiterte schließlich an der Mo- ferent für Öffentlichkeitsarbeit und deutschen Ländern des OSV von kei- bilisierung der Bevölkerung und des stellvertretender Pressesprecher des nem anderen annähernd ausgefüllt Mittelstandes sowie des Widerstan- OSV, »hat sich 1991 entschieden, mit werden könnte. Die Sparkasse soll das, des von DSGV, OSV und nicht zuletzt

WIRTSCHAFT DISPUT Januar 2008 036 der Kommunal- und Landespolitik. Der sen darauf, dass die verantwortlichen NORMAL? Gesetzgeber, das Land, sprach das ent- Politiker endlich handeln. Es gibt aber scheidende Wort, indem er das Spar- noch ein anderes Feld, wo sich der Ver- kassengesetz präzisierte. »Generell er- band seit Jahren unverstanden fühlt: in leben wir, dass Bürger sich stark mit ih- Brüssel, von wo immer wieder die an- rer Sparkasse identifi zieren und für ih- gebliche Wettbewerbsfeindlichkeit der ren Erhalt auch auf die Straße gehen«, Sparkassen kritisiert wird. »Ich würde so Morales. mir wünschen«, sagt Morales, »dass Befragt nach der politischen Haus- EU-Gremien stärker den Rat des größ- macht der Sparkassen antwortet er: ten europäischen Finanzverbundes, der Wie oft habe ich den Satz im Be- »unsere Kunden«, das heißt etwa 70 Sparkassen-Finanzgruppe, suchten. In kanntenkreis gehört: »Aber die Prozent der Bevölkerung. Auch un- Brüssel hat man offenbar stets das US- NPD ist doch eine zugelassene ter Kunden anderer Banken sei die Er- Wirtschaftssystem als Leitbild vor Au- Partei!« Oder: »Die Forderung kenntnis der Wichtigkeit von Sparkas- gen und bekämpft unsere Sparkassen nach Erhalt der Musikschule ist sen stark verbreitet. Der OSV sei nicht schon deswegen, weil sie keine Aktien- doch vernünftig, warum lehnt ihr parteipolitisch ausgerichtet, er beob- gesellschaften sind und sich auch nicht denn im Stadtrat den Antrag der achte aber, dass alle wichtigen Par- wie solche verhalten. Wir haben den NPD ab?« Martin Schirdewan, ein teien in Deutschland die Rolle von Eindruck, dass in Brüssel das Sparkas- junger Wissenschaftler, antwortet Sparkassen erkannt hätten und für de- senwesen in Deutschland einfach nicht in dem eben erschienenen Heft ren Erhalt einträten. verstanden wird, und sehen zugleich »NPD. Geschichte und Gegenwart Auch DIE LINKE bzw. die PDS, so Mo- eine Aufgabe darin, dies zu ändern. einer rechtsextremen Partei« (er- rales, hat sich immer dafür ausgespro- Wenn man dort ›öffentlich-rechtlich‹ hältlich über den Onlineshop ht- chen, die Sparkassen zu erhalten. hört, denkt man an schlechte Beispiele tps://shop.die-linke.de). Er ant- Nicht wenige Banken stehen der- in Entwicklungsländern und riecht Kor- wortet direkt und ohne erhobenen zeit infolge Fehlspekulationen auf ruption.« Deshalb würden nicht unwe- Zeigefi nger. Er versucht’s mit der dem amerikanischen Immobilienmarkt sentliche Repräsentanten der Europä- Sprache, die im Alltag verstan- ziemlich im Regen. Die Sparkassen ischen Kommission den Verbund der den wird, und verzichtet dafür auf nicht. Morales hat dafür eine einfache deutschen Sparkassen lieber heute Fremdwörter, wissenschaftliches Erklärung. Sparkassen seien solide als morgen abschaffen. »Im Moment Vokabular und politische Phrasen. und tätigten die Geschäfte, die für sie schützt uns die Tatsache, dass Spar- Das ist neu. überschaubar sind. Außerdem seien kassenrecht Landesrecht ist, vor ihrem Schirdewan beginnt mit einer sie grundsätzlich an ihr regionales Ge- direkten Zugriff. Es schade daher nicht, Vorbemerkung, die keinen Zweifel schäftsgebiet gebunden, und das läge wenn die politisch Verantwortlichen in daran lässt, dass er die NPD nicht nun mal nicht in den USA. Deutschland bestimmt und einmütig mag. Seine Absicht ist es, mit je- Entsprechend harmonisch gestal- für den Erhalt der deutschen Sparkas- nen Menschen, die glauben, die tet sich nach Aussage des Pressespre- senlandschaft eintreten.« NPD könne und wolle ihnen ir- chers die Zusammenarbeit zwischen Dies wäre dann ebenso eine Auf- gendwie helfen, ins Gespräch zu Sparkassen und ihrem Verband auf der gaben alle Politiker der LINKEN, so sie kommen. Er benutzt dabei, soviel einen sowie Landesregierungen und sich mit Europa-Politik beschäftigen – Pädagogik musste dann doch sein, Kommunalvertretern auf der anderen ob direkt im Europäischen Parlament, immer wieder das Bild vom Zau- Seite. »Denn das ist doch klar: Wenn im Bundestag oder in den Länderparla- berlehrling. Nach der Antwort auf ich als Kommunalpolitiker eine Bank menten. Damit eine Erkenntnis zum All- die Frage: Woher kommt die NPD? haben will, die Vor-Ort-Aufgaben er- gemeingut wird: Wer Mittelstandsför- buchstabiert Schirdewan deren ledigt, die die regionale Entwicklung derung sagt, muss Sparkassenerhalt Programm und Praxis durch. N befördert, so brauche ich ein Gebil- mitdenken. wie nationaldemokratisch? Wie al- de, das morgen nicht verkauft werden so ist das für die NPD mit der Nati- kann oder abwandert, das regional ver- on und mit der Demokratie? P wie ankert und gebunden ist. Das sind wir, ■ ■ Das OSV-Geschäftsgebiet Partei? Ist die NPD eine »norma- die Sparkassen. Die Sparkassen deut- in Zahlen: le« Partei? Und schließlich: D wie schen Typs und die kommunale Selbst- vier Bundesländer Deutschland? Welche Problemlö- verwaltung gehören zusammen.« 11 Millionen Einwohner sung kann es nur für Deutschland In jüngster Zeit gab es wiederholt 58 Sparkassen geben, was bedeutet der »Antika- Vorwürfe an Kreditinstitute, auch Spar- 1.661 Geschäftsstellen pitalismus« der NPD und was de- kassen, dass sie rechtsextremistischen 24.747 Beschäftigte, darunter ren »Friedenspolitik«? Eine knap- Parteien Konten zur Verfügung stellen. 77 Prozent Frauen pe Zusammenfassung rundet den Dazu sagt der OSV-Vertreter: »Unse- 2.860 Geldautomaten Text ab. re Mitgliedssparkassen und der Ost- 6,3 Millionen Girokonten Rechtsextremismusexperten deutsche Sparkassenverband lehnen 7,5 Millionen Sparkonten und Aktivisten des VVN-BdA und die Führung von Konten von rechts- anderer Vereine werden substan- extremen Organisationen und Parteien ■ ■ Bankstellenangebot ziell nichts Neues fi nden. Für sie grundsätzlich ab. Nur wo wir gericht- im Osten: hat Schirdewan nicht geschrieben. lich dazu gezwungen werden, sieht 1 Sparkassenstelle für Er wollte ein kleines Heft, das man das anders aus. Wir meiden überhaupt 6.323 Einwohner gern dem Nachbarn übern Garten- Kontakte zu diesen Parteien. Letztlich 1 Genossenschaftsbankstelle für zaun reichen kann. Mir kam, als muss aber die Politik Rechtssicherheit 10.856 Einwohner ich dies tat, der Satz: »Lies doch schaffen.« 1 Kreditbankstelle für mal, wird Dich interessieren!« Hier warten also auch die Sparkas- 23.002 Einwohner leicht über die Lippen. H. Pätzolt

370 DISPUT Januar 2008 Tee, Job und ein Zimmer »Hoppenbank« heißt in Bremen eine Anlaufstelle für Strafentlassene, die ohne Hilfe kaum noch eine Chance in unserer Gesellschaft haben Von Sabine Bomeier

Fröhlich und nicht immer leise geht es mal zuhört und manchmal auch einen 60 Menschen für einen nicht begrenz- zu in der Teestube des Bremer Vereins Rat weiß. ten Zeitraum ein Zuhause. Hoppenbank, der so heißt, weil 1971 in So einer ist Jens Koch. Der 28-Jäh- Auch Häftlinge, die bereits in »Lo- der gleichnamigen Straße der Verein rige arbeitet als Peer-Group-Mediator. ckerungen« sind und hin und wieder gegründet wurde. An diesem nasskal- Auch in seinem Leben ist nicht immer mal ein Wochenende außerhalb der ten Freitag im November hilft für zwei alles so gelaufen, wie es hätte sein sol- Anstalt verbringen dürfen, können kos- Euro fünfzig Bratfi sch mit Kräutersoße len. Nachdem die Ehe schief ging, ver- tenlos ein Zimmer oder ein Bett be- und Salat gegen den Hunger, und die lor er den Halt, begann zu trinken und kommen. »Natürlich möchte jeder lie- gemütliche Wärme in den Räumen hilft rutschte in die Kriminalität ab, was ihn ber den Hafturlaub bei der Familie ver- gegen die Kälte draußen, die bis in die schließlich in den Knast brachte. In- bringen, aber über 70 Prozent unserer Knochen zieht, jedenfalls wenn man zwischen ist er wieder »stabil«, wie er Klienten sind ohne Familienanschluss keine Wohnung hat und die meiste Zeit sagt. oder sonstiges soziales Umfeld. Die des Tages auf der Straße lebt. Die Tasse Er ist in der Lage, die Sprache derer wüssten ja sonst gar nicht wohin«, er- guten Kaffees nach dem Essen gibt es zu sprechen, die Hilfe in der Hoppen- klärt die Diplom-Sozialpädagogin die für 40 Cent dazu. Das kann sich jeder bank suchen. Er weiß, was es heißt, vor Notwendigkeit dieser Unterkünfte. leisten. Und genau so soll es sein. dem Nichts zu stehen und alles wieder Ohnehin sieht es bei den meisten, Zwar sind Strafentlassene die Ziel- aufbauen zu müssen. So bekam er den die hier stranden, schlecht aus. Der gruppe des Vereins, aber in die Teestu- Ein-Euro-Job als Peer-Group-Mediator. überwiegende Teil hat keinen Schul- be kann jeder kommen, auch die Nach- Er begleitet Klienten zu Ämtern, besorgt abschluss, von einer Berufsausbildung barn von nebenan oder von weiter weg. die nötigen Formulare und hilft bei ih- ganz zu schweigen. Fast alle schleppen Hartz IV lässt viele den Weg hierher fi n- rem Ausfüllen. Aber nie nimmt er sei- ein erhebliches Suchtproblem mit sich den. »Man ist unter sich und braucht nen Klienten die Arbeit gänzlich ab. Die herum. Einige sind substituiert, ande- sich nicht zu schämen«, meint eine äl- Aufgabe von Jens Koch ist es, dort zu re haben das noch vor sich. Mit diesem tere Frau und umfasst mit beiden Hän- unterstützen, wo der eine oder andere Gepäck stehen die Chancen auf eine den die Tasse heißen Kaffees. alleine nicht weiter »Die Arbeit des Vereins beruht auf kommt. Aber zu kei- drei Prinzipien«, erläutert Stephan ner Zeit will er ihm Quensel, Vorstandsmitglied und Mitin- (oder ihr) die Selbst- itiator des Projektes Hoppenbank. Der bestimmung ab- Professor der Rechtswissenschaften nehmen; er versteht erklärt, dass Strafen mehr schaden als sich als ein »sozi- nutzen, dass nur Hilfe und Unterstüt- ales Korrektiv«. »Es zung Sicherheit für alle verspricht und gibt eben Menschen, dass private Projekte humaner und ef- die es nicht gelernt fi zienter arbeiten als staatlich organi- haben, durchaus sierte Institutionen. Diesen Grundsät- berechtigte Forde- zen folgen heute insgesamt 17 haupt- rungen in einer Form amtliche und 27 weitere Mitarbeiter/ vorzubringen, die innen in den fünf Häusern der Hoppen- andere nicht gleich bank mit einem Gesamtjahresumsatz zusammenzucken von eineinhalb Millionen Euro. lässt«, erklärt er. Hin Ganz unterschiedliche Arbeit wird und wieder greift er in diesen fünf Häusern geleistet, im- dann doch ein, wenn mer demselben Ziel verpfl ichtet, näm- er mit einem Klienten vor einem Sach- Resozialisierung, sprich Wiederein- lich der Hilfe zur Selbstbestimmung bearbeiter sitzt und die Wortwahl all- gliederung in die Gesellschaft schlecht. und Wertschätzung der eigenen Per- zu deftig ausfällt oder von eindeutiger Arbeit, Wohnung? Fehlanzeige! Beate son. »Wer ganz unten angelangt ist, hat Gestik unterstrichen wird. »Ja, viele un- Petsche meint denn auch, dass sie vor allem gelernt, dass andere über ihn serer Klienten haben nicht gelernt, sich eher Sozialisierung als Resozialisie- bestimmen und er selbst in deren Au- mit Worten mitzuteilen, oder sie verlie- rung betreibt. »Wir müssen viele erst gen nichts mehr wert ist. Das müssen ren zu schnell die Geduld, wenn mal et- mal grundsätzlich fi t machen für diese wir erst mal aufbrechen«, sagt Beate was nicht auf Anhieb klappt«, bestätigt Gesellschaft«, sagt sie. Petsche, Sozialpädagogin in der Hop- Beate Petsche. Dazu gehört, dass jeder für sich er- penbank. Außer der Teestube befi nden sich kennen muss, wo er Stärken hat, und Da ist zunächst einmal das Haus Fe- in dem Haus noch Zimmer für Klienten, daraus neues Selbstbewusstsein delhören. Hier gibt es nicht allein für die sonst keine Bleibe haben und erst schöpft. »Wir müssen doch alle lernen, Strafentlassene in der Teeküche an je- mal hier in mehr oder weniger betreu- uns selbst zu mögen und zu uns selbst dem Tag des Jahres eine warme Mahl- ten Wohngemeinschaften Unterschlupf gut zu sein«, ergänzt Albrecht Welch- zeit und immer jemanden, der einfach suchen. Im vergangenen Jahr fanden ner, der Geschäftsführer der Hoppen-

SOZIAL DISPUT Januar 2008 038 bank. Er hat seinen Arbeitsplatz in gearbeitet werden. Das nützt jedem, Die theoretische Diskussion um Sinn einem Haus, in dem auch die AHAB, denn es wird in gemeinnützigen Pro- und Zweck der Ein-Euro-Jobs kann dann die aufsuchende und ambulante Hilfe jekten gearbeitet. später wieder geführt werden. »Besser des Vereins, ihr Quartier hat. Junkies, Nicht nur, dass die Hoppenbank ein Ein-Euro-Job als nach dem Knast auf die aus dem Knast kommen, vielleicht selbst Arbeitsplätze für »Ersatzfreiheits- der Straße stehen«, meint Jens Koch. dort erst gelernt haben, den Alltag mit- strafl er« zur Verfügung stellt, schließ- Um ihrer Klientel räumlich näher zu tels der Droge erträglich zu machen, lich werden immer helfende Hände sein und noch Inhaftierten die Mög- haben es draußen doppelt schwer. Wo gebraucht. Darüber hinaus steht ein lichkeit zu geben, während eines Aus- sollen sie hin? Wer hilft ihnen, den Tag Pool von insgesamt 400 Einsatzstellen gangs Kontakt zur Hoppenbank aufzu- zu strukturieren oder gar erst mal zu zur Verfügung. So konnten insgesamt nehmen, hat der Verein nun in unmit- lernen, wie man ihn gliedert, und wer 19.793 Hafttage im Jahre 2006 »abge- telbarer Nähe der Haftanstalt ein Haus sagt ihnen, was zu tun ist, um zumin- arbeitet« werden. Durchschnittlich wer- angemietet und aufs Feinste renoviert, dest ALG II zu bekommen? Während den dem Staatssäckel auf diese Weise übrigens auch mit Hilfe von Menschen, zwischen eineinhalb die dort betreut werden. Sie können und zweieinhalb also eine Leistung erbringen, die sich Millionen Euro ge- sehen lassen kann. Dort sollen nicht spart. Und der Knast nur die Kräfte gebündelt werden, die braucht fast 80 Haft- in der Stadt für Straffälligenhilfe ver- plätze weniger. Ein antwortlich zeichnen, wie zum Beispiel gutes Geschäft für die Bewährungshilfe. Man hat die Nähe jeden! zur Anstalt auch deshalb gesucht, weil Apropos Job. Die man hoffte, dass ein Ausgang, der nur Hoppenbank unter- wenige Meter vom Eisentor des Knas- hält ein sogenann- tes wegführt, eher genehmigt wird als tes InJOB-Büro. Man einer in die Innenstadt. mag über Ein-Euro- In dem Haus ist auch das Projekt Jobs denken, wie Clean City angesiedelt. Ehemalige Häft- man will. Für viele linge kommen mit Hochdruckreinigern Hartz-IV-Empfänger und reinigen für wenig Geld Wände von sind sie zunächst Graffi ti. Das kommt an bei der Bevöl- einmal die Möglich- kerung. keit, wenigstens ein Last not least fühlen sich die Men- bisschen dazuzu- schen von der Hoppenbank für die Ent- verdienen, und für lassungsvorbereitungen der Häftlinge den, der es auf dem verantwortlich. Eine Aufgabe, die der Arbeitsmarkt ohne- Senator für Justiz wohl auch gerne in ih- hin schwer hat, ist re Hände gelegt hat, entlastet er damit das die Gelegenheit, doch seine Beamten. Die Sozialarbeiter sich überhaupt mal der Hoppenbank nehmen zu den Inhaf- wieder zu beweisen, tierten schon während der Haft Kontakt dass er in der Lage auf, klären im Idealfall die wichtigsten

© Sabine Bomeier (3) © ist, etwas zu leisten. Dinge für den Übergang in das Leben vor den Mauern. Sie kümmern sich um des Strafvollzuges bestimmen Justiz- Helfen bei Hoppenbank: Sozialpädago- Unterkunft, Unterhalt und eventuell nö- angestellte über jede Minute ihres Ta- gin Beate Petsche und Mediator Jens Koch. tige Therapieplätze. ges. Keiner hat ihnen gezeigt, wie sie Der 28-Jährige weiß, was es heißt, vor Viele kleine Schritte sind erforder- alleine zurecht kommen. Den Bediens- dem Nichts zu stehen. Im Haus Fedelhö- lich, um einem Menschen die Chan- teten des Knastes ist nicht einmal ein ren gibt es immer jemanden, der zuhört. ce zu geben, die er vielleicht noch nie Vorwurf zu machen; es ist kein Perso- hatte, aus welchen nal für Derartiges da. Gründen auch im- Aber auch wer an sich gut in der La- mer. Aber es lohnt ge ist, Alltag und Leben zu meistern, sich, denn nur »wer kann in die Fänge der Justiz geraten. In für sich eine Per- minder schwerwiegenden Fällen ver- spektive sieht und hängen Richter eine Geldstrafe oder Er- die eigene Person satzfreiheitsstrafe. Wer Geld hat, kann achten gelernt hat, die bezahlen und geht frohen Mutes kann noch einmal wieder nach Hause. Wer kein Geld hat, von vorne anfangen« muss die entsprechenden Tage im Bau – davon sind die Mit- absitzen. Das hilft eigentlich nieman- arbeiter der Hoppen- dem. Der Delinquent wird aus seinem bank überzeugt. »Zu Umfeld gerissen, Kinder können nicht uns kommen fast im- mehr versorgt, die Miete vielleicht nicht mer die, die woan- weiter gezahlt werden. Und der Steuer- ders wirklich gar kei- zahler kommt für den Haftplatz auf, in ne Chance mehr ha- Bremen mit immerhin 87 Euro pro Tag. ben«, sagt Beate Pet- Ersatzweise kann die Geldstrafe ab- sche.

390 DISPUT Januar 2008 Die Besetzung Vor 75 Jahren: Drei Wochen nach der Machtübergabe an Hitler fi el das Berliner Karl-Liebknecht-Haus in die Hände der SA Von Ronald Friedmann

Ende 1932 setzte sich in der Führung zu sein. Schon deshalb wurde diese beispielsweise gab es geheime Post- der KPD, entgegen anderslautenden Aufgabe nur an wenigen Orten und zu- stellen. Wichtige Akten und andere Un- Vorgaben aus Moskau, die Erkenntnis dem halbherzig in Angriff genommen. terlagen, die der Polizei keinesfalls in durch, dass die Übergabe der Regie- Und tatsächlich sorgten die eingeleitet- die Hände fallen durften, wurden in die rungsgewalt an Hitler und seine Ban- en Schritte an der Parteibasis vor allem Wohnungen zuverlässiger Genossen ge- de nur noch ein Frage der Zeit war. So für Verwirrung und behinderten viel- schafft. Waffenlager gab es im Karl-Lieb- erklärte der Parteivorsitzende Ernst fach das tägliche politische Wirken. knecht-Haus ohnehin nicht. »Die Waffen Thälmann auf einem Bezirkspartei- Anders sah es bei der Arbeit der Par- der KPD«, so berichtete eine Zeitzeugin tag in Hamburg am 4. Dezember 1932, teizentrale aus, die seit Herbst 1926 im viele Jahre später, »lagerten ganz woan- dass die gerade eingesetzte Reichsre- Karl-Liebknecht-Haus in der Nähe des ders: zum großen Teil, gut eingeölt und gierung unter General von Schleicher Berliner Alexanderplatzes ihren Sitz hat- verpackt, in den idyllischen Schreber- nur ein »Übergangskabinett« sei, ein te. Hier war bereits im Sommer 1932, gärten und Lauben treuer Genossen.« 1 »Platzhalterkabinett zur Vorbereitung nachdem es am 12. August zum wie- Nach außen hin bewahrte das Karl- einer Hitlerkoalition beziehungsweise derholten Male zu einer Besetzung und Liebknecht-Haus die gewohnte Ge- Hitlerregierung«. Durchsuchung durch die Polizei gekom- schäftigkeit, doch tatsächlich stand ei- Die KPD hatte zu dieser Zeit knapp men war, systematisch damit begonnen ne große Zahl der Büroräume zum Be- 340.000 Mitglieder, von denen etwa worden, in Berlin und Umgebung Aus- ginn des Winters 1932/1933 bereits zwei Drittel regelmäßig ihren Parteibei- weichmöglichkeiten für die Arbeit unter leer. Mitte Januar 1933 schließlich be- trag bezahlten. Eine so große Organi- den Bedingungen der Illegalität zu schaf- gannen die verbliebenen Mitarbeite- sation auf die Arbeit unter den Bedin- fen. So wurden besonders gesicherte Bü- rinnen und Mitarbeiter der Parteizent- gungen der Illegalität vorzubereiten, ros für die Spitzenfunktionäre der Partei rale damit, auch die restlichen Unterla- ohne in der Öffentlichkeit den unver- in der Potsdamer Straße und in der Pal- gen und notwendigen Arbeitsmittel aus meidlichen Eindruck einer vorzeitigen lasstraße eingerichtet. In einem Klavier- dem Haus zu schaffen und ebenfalls in Kapitulation zu erwecken, erschien von geschäft am Spittelmarkt und in einem Privatwohnungen unterzubringen, oh- vorn herein ein Ding der Unmöglichkeit Kohlengeschäft am Cottbuser Damm ne dass das den stets wachsamen Po-

22. Januar 1933: Naziaufmarsch vor dem Karl-Liebknecht-Haus. Einen Monat später hatte die SA das Haus besetzt. Archiv

GESCHICHTE DISPUT Januar 2008 040 lizisten auf dem Bülowplatz – Ende der le von Nazis »auf Arbeiterhäuser, Par- CHRONIK ‘33 zwanziger Jahre war in der Nachbar- teihäuser, Gewerkschaftshäuser, Ar- schaft eigens eine Polizeikaserne aus- beiterlokale und Wohnungen unserer schließlich zur Überwachung der KPD- Funktionäre« noch von der Notwendig- Zentrale eingerichtet worden – auffi el. keit gesprochen, zu »höheren Formen Am 22. Januar 1933 kam es schließ- der wehrhaften Massennotwehr, der lich zur bis dahin größten Provokation geschlossenen aktiven Verteidigung der Nazis gegen die KPD und ihre Zen- des Arbeiterlebens und Arbeitereigen- trale: An diesem Tag marschierten auf tums« überzugehen. Doch als am 23. dem Bülowplatz, also unmittelbar ne- Februar 1933, nur zwei Wochen später, 30. Januar: Reichspräsident von ben dem Karl-Liebknecht-Haus, meh- die SA, nunmehr mit den Vollmachten Hindenburg beauftragt Hitler mit rere zehntausend SA-Leute unter dem einer Hilfspolizei ausgestattet, das Karl- der Regierungsbildung. Aufruf der massiven Schutz der Polizei auf. Liebknecht-Haus in Berlin überfi el und KPD zum Generalstreik. Drei Tage später, am 25. Januar 1933, besetzte, hatte die KPD keinerlei Mög- 31. Januar: Parteivorstand der SPD antwortete die KPD mit einer der größ- lichkeit der Gegenwehr mehr: Das ge- lehnt Generalstreik mit dem Hin- ten Kundgebungen ihrer Geschichte: samte noch im Haus befi ndliche Ma- weis ab, das Hitlerkabinett sei die Mehr als 130.000 Menschen, unter ih- terial der Partei für den Reichstags- »verfassungsmäßige« Regierung. nen nicht allein Mitglieder und Anhän- wahlkampf wurde beschlagnahmt, der 1. Februar: Aufl ösung des Reichs- ger der KPD, sondern auch zahlreiche Druck der »Roten Fahne«, die dann tags. Sozialdemokraten, versammelten sich am 26./27. Februar 1933 letztmalig 23. Februar: Besetzung und Schlie- bei klirrender Kälte – die Temperatur erschien, wurde verhindert. Das Karl- ßung des Karl-Liebknecht-Hauses. lag bei minus 18 Grad – mehr als vier Liebknecht-Haus wurde als Parteizent- 27. Februar: Reichstagsbrand. Stunden lang vor dem Karl-Liebknecht- rale der KPD endgültig geschlossen. 28. Februar: Notverordnung »Zum Haus. In der Weydingerstraße, dort, wo Am 28. Februar 1933, dem Tag nach Schutz von Volk und Staat«. Die sich heute der »Kleine Buchladen« be- dem Reichstagsbrand, wurde das Karl- bürgerlichen Rechte werden weit- fi ndet, war eine Tribüne aufgebaut wor- Liebknecht-Haus in Horst-Wessel-Haus gehend außer Kraft gesetzt. Die den, von der Ernst Thälmann und ande- umbenannt. Nach einem 1930 von KPD wird in die Illegalität getrie- re Spitzenfunktionäre zu den Demons- Kommunisten getöteten SA-Mann und ben, aber nicht förmlich verboten. tranten sprachen. Zuhälter, der später von den Nazis zum 3. März: Ernst Thälmann verhaftet. Doch auch dieses letzte Aufbäumen »Blutzeugen der Bewegung« stilisiert 5. März: Bei den Reichstagswahlen war vergeblich: Am 30. Januar 1933 er- wurde. Ab dem 8. März 1933 wurden erhält die Nazipartei nicht die ge- teilte Reichspräsident von Hindenburg die Räume der vormaligen KPD-Zentra- wünschte absolute Mehrheit. Die Hitler den Auftrag zur Regierungsbil- le von der Politischen Polizei, aus der 81 Mandate der KPD (12,3 Prozent dung – die Machtübergabe an die Na- im April 1933 die Gestapo hervorging, der Stimmen) werden annulliert. zis und die nachfolgende Errichtung als »Dienststelle der Abteilung IV – Ver- 23. März: Im neuen Reichstag der faschistischen Diktatur in Deutsch- nichtung des Bolschewismus« genutzt. stimmen die 94 anwesenden Ab- land erfolgten nicht als Staatsstreich, In den ersten Wochen und Monaten geordneten der SPD gegen das Er- sondern auf der Grundlage der bürger- war diese »Dienststelle« ein wildes mächtigungsgesetz, das Hitler dik- lichen Weimarer Verfassung. Konzentrationslager – wie auch die be- tatorische Vollmachten verleiht. Bereits am 2. Februar 1933 rückte die nachbarte Polizeikaserne –, in dem Na- 2. Mai: Auflösung der Gewerk- Polizei erneut im Karl-Liebknecht-Haus zigegner und aus rassistischen Grün- schaften, Beschlagnahme ihres ein. Es blieb aber bei einer – ergebnis- den verhaftete Juden aus der unmittel- Vermögens. losen – Durchsuchung. Weder gab es baren Nachbarschaft verhört und miss- 9. Mai: Das Vermögen der SPD Verhaftungen noch wurde Eigentum der handelt wurden. wird beschlagnahmt. KPD beschlagnahmt. Noch, so schien Am 14. März 1933 wurde das Karl- 10. Mai: Bücherverbrennungen. es, konnte die KPD mehr oder weni- Liebknecht-Haus zugunsten des preu- 17. Mai: 65 SPD-Abgeordnete unter ger legal arbeiten. Dennoch fand die ßischen Staates enteignet; der über- der Führung von Paul Löbe stim- Reichsfunktionärskonferenz zur Vor- gab es 1935 der Preußischen Finanz- men im Reichstag dem außenpoli- bereitung der für den 5. März 1933 an- verwaltung. 1937 zog die SA-Führung tischen Programm Hitlers zu. beraumten Reichstagswahlen (sie wur- der Gruppe Berlin-Brandenburg in das 4. bis 6. Juni: Antifaschistischer de in der offi ziellen Geschichtsschrei- Haus ein, im Foyerbereich des Eingangs Arbeiterkongress Europas in Paris. bung der DDR zur »letzten ZK-Sitzung an der Weydinger Straße entstand eine 19. Juni: Die in Deutschland ver- unter Teilnahme von Ernst Thälmann« Ehrenhalle für Horst Wessel. bliebene sogenannte Löbe-Grup- verklärt) nicht im Karl-Liebknecht- Zwölf Jahre lang, bis zur Befreiung pe trennt sich vom emigrierten Haus, sondern unter konspirativen Be- vom Faschismus im Mai 1945, wehte SPD-Vorstand und wählt einen dingungen im Sporthaus Ziegenhals in nun die Hakenkreuzfahne über dem neuen Parteivorstand (Vorsitz: Lö- Niederlehme bei Berlin statt. Auf die- Karl-Liebknecht-Haus. be), dem als Referenz an die Hit- ser Konferenz (7. oder 10. Februar 1933) lerregierung keine jüdischen Mit- wurde deutlich, dass die Führung der Ronald Friedmann ist Mitarbeiter des glieder angehören. KPD – so Ernst Thälmann in seinem Re- Bereiches Öffentlichkeitsarbeit/Wahlen 22. Juni: Durch Erlass des Innen- ferat – noch immer auf einen »Prozess der Bundesgeschäftsstelle. ministers wird der SPD jede po- des Heranreifens der revolutionären [email protected] litische Betätigung untersagt, al- Krise in Deutschland« und »eine stür- le Abgeordnetenmandate werden mische Beschleunigung der revolutio- annulliert, 3.000 Funktionäre ver- nären Entwicklung« hoffte. 1 Margarete Buber-Neumann, haftet. In Ziegenhals hatte Ernst Thälmann Von Potsdam nach Moskau. Stationen 27. Juni bis 6. Juli: Die bürgerlichen in Hinblick auf die zahlreichen Überfäl- eines Irrweges, München 2002, S. 134 Parteien lösen sich selbst auf.

410 DISPUT Januar 2008 BRIEFE

freuen fi nden gabe (nicht nur unsere Aufgabe, son- dern Aufgabe aller demokratisch den- betr.: DISPUT Nr. 12/2007 betr.: DISPUT Nr. 11/2007 »Willkommen kenden Menschen), intensiver auf die »Nachbelichtet« auch mit zwölf« Gefahr von rechts »aufmerksam« zu machen, besser wäre vielleicht: kons- Mit Freude habe ich Ihren Artikel Eigentlich stehen viele wichtige linke truktiv diesen Menschen das Mensch- »Nachbelichtet« im Dezember auf Sei- und vor allem demokratische Themen Sein zu vermitteln. te 27 von Arthur Paul gelesen. Ich bin in diesem Beitrag von Claudia Jobst. Und bitte, was ist Prekarisierung? Schwaaner Genosse und würde diesen Doch ein einzelner Satz zeigt eigent- Wie soll ich das meiner 12-jährigen En- Beitrag gerne den Bürgerinnen und lich schon, in welcher naiven und ver- kelin erklären? In meinem Fremdwör- Bürgern zukommen lassen. In Schwaan drehten Vorstellungswelt Claudia lebt, terlexikon steht diese Wortbildung je- gibt es ein »Schwaaner Anzeigenblatt«, denn der Satz passt weder zu dem vor- denfalls nicht. In Eurem? zu dem wir gute Kontakte haben und her Gesagten noch zu dem hinterher Helmut Baaske, Hamburg das bestimmt diesen Artikel nachdru- Gesagten, aber er musste wohl irgend- cken würde. wo stehen: »Umso fataler ist es, femi- Torsten Schlutow, Schwaan nistisch-emanzipatorisches Handeln überraschen zu verurteilen.« Ich möchte hier nicht psychologisch Mit einer kreativen Idee hat DIE LIN- wünschen oder psychotherapeutisch auf diesen KE in Bonn versucht, deutlich zu ma- Satz eingehen, denn sonst müsste ich chen, dass linke Politik, die den Men- Recht herzlichen Dank für die beiden mich als »mensch« (dieser Begriff ist schen in den Mittelpunkt stellt, keines- Ausgaben unserer Zeitschrift »DISPUT«. sehr gut gewählt, aber nicht zu Ende wegs »von gestern«, sondern vielmehr Ich habe mich nun entschlossen, sie ab gedacht, denn es müsste auch »emen- zukunftsfähig ist. Mit Nikolausmützen dem 1. Januar zu abonnieren. schipatorisch« heißen) outen. verkleidet, wurden in der Bonner In- Noch eine leicht kritische Anmer- Im gleichen Absatz möchte ich nur nenstadt am Nikolaustag Ostereier ver- kung zu den Ausgaben, die ich bis- ein paar Zeilen höher rutschen: emanzi- teilt! Die Verwunderung über Ostereier her studieren konnte. Ich fände es gut, patorischer Jugendverband. In meinem in der Vorweihnachtszeit verwandelte wenn in jeder Ausgabe wenigstens ein Fremdwörter-Duden (1994) finde ich sich bei den Passanten schnell in über- Kreisverband bzw. eine Basisgruppe die »Übersetzung« (aus lat. emanci- raschte Anerkennung. Den meisten vorgestellt würde, die beispielhaft all- patio »Freilassung«): 1. Befreiung aus leuchtete ein, dass eine Partei, die kon- gemein oder im Rahmen einer Kam- dem Zustand der Abhängigkeit, Ver- sequent für soziale Gerechtigkeit strei- pagne pfi ffi ge, für andere Parteigliede- selbständigung; 2. rechtliche und ge- tet, tatsächlich die Konzepte von mor- rungen beispielhafte Aktionen durch- sellschaftliche Gleichstellung (der Frau geführt hat. Wir müssen das Rad nicht mit dem Mann). ständig neu erfi nden und könnten auf Wenn ich zu 1. einen Jugendver- diese Weise eine Menge voneinander band initiiere, der sich emanzipiert, al- lernen. Dies alles wünscht Euch ein so verselbständigt, wozu soll ich al- parteimäßig »junges« Mitglied (seit 1. so einen initiieren? Wenn ich zu 2. ei- September 2007 in der LINKEN), als nen Jugendverband initiiere und dann junger Schriftsetzer in der 60er Jahren an die »zwölf« denke und nur an ei-

politisch in der IG Druck und Papier und ne »intellektuelle Gleichstellung« mit Koch © Anatol der DKP sozialisiert. dem »35. Lebensjahr« einer (vielleicht) Hans-Dietmar Hölscher, Bielefeld Jugendkoordinatorin, dann frage ich gen vertritt und dann auch bei Bürger- mich, warum die Autorin, die sich wohl geschenken der Zeit voraus sein darf. mehr Gedanken um ihre eigene eman- Über hundert bunte Eier und ebenso

Anzeige zipatorische Jugend macht – denn wel- viele Flyer, welche die Aktion erklär- che 12-Jährige beteiligt sich sonst an ten und mit dem neoliberalen Moder- der »Gender- und Geschlechterdebat- nitätsverständnis aufräumten, wur- te« während einer gemeinsamen Kon- den unters Volk gebracht. Neben zahl- ferenz mit der AG Lisa oder verspürt reichen Lachern und Sympathiegewinn den Anreiz, bundesweit arbeiten und für DIE LINKE in Bonn hat die Aktion agieren zu können? –, erstens nicht mit hoffentlich einen kleinen Beitrag da- einem Wort auf die Perspektivlosigkeit zu geleistet, den neoliberalen Mythen Weydingerstraße 14–16 und die Alternativen dazu »auf dem gesellschaftlichen Rückhalt zu entzie- 10178 Berlin platten Lande« eingegangen ist, auf hen: Nicht Sozialabbau ist das Gebot Telefon (030) 24 72 46 83 perspektivische Jugendverbandsarbeit, der Stunde! Für DIE LINKE ist klar: Ge- zweitens nur auf »teilweise Verpasstes« rechtigkeit ist modern! hinweisen musste und auf unsere Auf- Michael Faber, Bonn

DISPUT Januar 2008 042 © Erich Wehnert © Erich

NACHBELICHTET

Von Arthur Paul ■ ■ Dieses Foto zeigt den westdeutschen Autobahnen als herer Geschwindigkeit und einwand- eine leicht übertriebene Liebeserklä- Verkehrshindernis. Und dennoch wur- freier Straßenlage absolviert. Welch rung an die ostdeutsche »Rennpap- de das Fahrzeug zu einem Kultobjekt. ein Triumph! pe«, den PKW Trabant. Sie ist wirklich In den 80er Jahren betrug die Warte- Der Trabant hatte kürzlich seinen nur leicht übertrieben, denn das wurde zeit acht bis zwölf Jahre. Einen gepan- 50. Geburtstag. In vielen Städten gab das einzige Serienauto, das auch nach zerten Mercedes mit Sonderausstat- es Paraden, organisiert von den 130 einem halben Jahrhundert keine Rost- tung bekommt man schneller. Clubs und Vereinen, die dieses Auto fl ecken am Gehäuse hat, weil es einen Aber als vor zehn Jahren der kleins- und sein Andenken pfl egen. Am 7. No- Anzug aus Kunststoff trägt. te Mercedes, die A-Klasse, Schlagzei- vember 1957 begann die Produktion Das Auto ist als kleiner Stinker ver- len machte, da konnte man lesen, dass des Typs P 50 in Zwickau. Bis 1991 wur- schrien, weil es mit seinem Zweitakt- dieses Spitzenfahrzeug beim »Elch- den mit den Nachfolgetypen 3.096.099 motor allerlei Abgase verbreitet. Es test« versagt hatte. Es schlingerte in Stück ausgeliefert. Udo Lindenberg be- galt als Überraschungsei, weil man den den Kurven und musste nachgebessert stellte sich einen Trabi in Gold. Inzwi- Tankinhalt anfangs nur durch das Ein- werden. Daraufhin hat ein Ingenieur schen ist ein Konstrukteurteam dabei, tauchen eines Messstabes abschätzen der Zwickauer Trabantwerke mit einem eine moderne Neuaufl age des »Duro- konnte. Wegen seiner geringen Höchst- dänischen Automobilclub die Teststre- plast-Porsche« zu entwickeln. Die Le- geschwindigkeit gilt dieses Auto auf cke nachgebaut und mit deutlich hö- gende lebt!

43 0 DISPUT Januar 2008 Reederei und reine Leere In Sonderheit gut aufgestellt: das Jahr 2007. Der stillose Rückblick Von Stefan Richter

Alle Jahre wieder: Ein Jahr ging zu Ende der zu geben, es wird ihnen ohnehin beten erteilt werden, man hat die eine – diesmal 2007. bald auf die Füße fallen. Rosemarie Hein oder andere kleine Zankerei mit dem Was zu Ende ging, musste einen An- Koalitionspartner oder dem Innensena- fang gehabt haben. Und was einen An- Flugzeugabschuss: Zypries reicht tor, dann jedoch halten Sie eine Rede fang und was ein Ende gehabt hat, hat- Schäuble den kleinen Finger. und die Frage nach dem Sinn unseres te seine Weile. Mitunter ganz schön Ulla Jelpke Tuns stellt sich nicht mehr. Udo Wolf lange. Denn selbst bei der LINKEN ist ein Parteijahr mehr als ein Partei-Tag. Müntefering hat seine Finger in den DISPUT Nämlich, im Normjahr, 365 Tage. Und Taschen der Renterinnen und Rentner. Dazu machen wir das nächste Mal eine die sind reich an Reden, Lehren und Er- Klaus Ernst Diskussion und eine Debatte. klärungen. Dietmar Bartsch Namen sind Genossin Schall und Finger weg von der Gemeindestruktur- Genosse Rauch, weitgehend, in dieser reform! Helga Paschke Einseitig kann man von beiden Seiten DISPUT-Presseschau. Ansonsten, lasst sein. Rosemarie Hein es uns meistern – 2008, mit einem Tag MENSCH UND TIER mehr! Resozialisierung jugendlicher Straftä- Rote Karte für Müller-Piepenkröter! Zur ter darf kein Papiertiger sein. Forderung ... durch die Justizministerin ICH André Blechschmidt Müller-Pipenkrötter ... Niema Movassat Ich kann lauter schreien als dieser mit einer Stimme nicht ganz gut Versorgte. CO2-Verpressung – Trojanisches Pferd SCHULE FÜRS LEBEN Dietmar Pellmann der Kohlewirtschaft. Eva Bulling-Schröter Bahn muss Schularbeiten nach dem Orkan zügig erledigen. Dorothée Menzner Man braucht gleiche Augenhöhe, auch ZEIT IST GELD um sich gegebenenfalls anbrüllen zu Rückwirkende Beiträge zeitlich befris- Sehen Sie, Sie wissen sogar den Vorna- können. Klaus-Rainer Rupp ten! Frank Kuschel men. Das ist die Halbbildung. Ich weiß den Nachnamen. Peter Porsch Ich habe die normalen Delegierten Wein wird mit zunehmendem Alter im- nach ihrer Meinung gefragt. Ich bin ja mer besser, nicht aber 20 Jahre unge- Ohrfeige für die deutsche Bildungspo- auch Delegierte, aber ich bin nicht nor- löste Stadt-Umland-Probleme. litik. Nele Hirsch mal. Kersten Naumann Uwe-Volkmar Köck Einführung in das kommunistische Die »Bio 2007« in Boston ist – jeden- HOCHTIEF Mainfest, Zeil am Main, 9.–11. 3., Wo- falls, solange ich anwesend war – er- Ablehnung der BAföG-Erhöhung ist ein chenendseminar folgreich verlaufen. Harald Wolf Tiefschlag. Nele Hirsch www.linkspartei-bayern.de

Ich halte nicht viel von politischen Om- Alle Argumente gegen den Transrapid ALLES KLAR nipotenzphantasien. Klaus Lederer werden in den Wind geschlagen und Die Linkspartei.PDS und die FDP for- die Linie der bayerischen Staatsregie- derten u.a. in der Debatte im Landtag Ich bin Tochter einer Mutter. Britta Pietsch rung auf ein weiter so damit zementiert. die gutachterliche Darstellung der Vor- Diese Betonfraktion ... und Nachteile von Einheitsgemeinden, Ja, jetzt weiß ich nicht, wozu ich was sa- Eva-Bulling Schröter Trägergemeinschaftsmodellen und Ver- gen will, äh soll. Wolfgang Methling waltungsgemeinschaften mit eigenem ALLE WETTER Verwaltungsamt. Neben der Darstel- MANN UND FRAU Liebe Genossinnen und Genossen, an- lung der Effi zienzvorteile fordern wir Dabei handelt es sich größtenteils um gesichts der Unwetterwarnungen stelle besonders die Darstellung der demo- Männer, ein Drittel davon etwa sind ich es allen Mitarbeiterinnen und Mit- kratischen Partizipation, des bürger- Frauen. arbeitern frei, das Haus vor Ende der schaftlichen Engagements, der Iden- Vorlage für Parteivorstand üblichen Arbeitszeit zu verlassen. tifi kation und der ortsnahen Entschei- Georg Fehst dungsfi ndung. Gerald Grünert Jedes Rumfummeln an der Geschlech- terdemokratie führt zu Problemen. Offensive für Kinder darf nicht als Sturm Liebe Gäste, Wie Sie Feststellen sind Bodo Ramelow im Wasserglas enden. Rosemarie Hein wir dabei unsere Seiten Komplet neu zu gestallten. HAND UND FUSS. UND FINGER Draußen ist das Wetter schlecht, die www.die linkspartei-hagen-ennepe-ruhr.de Straßenbahn ist bei Rot-Rot in guten halbe Fraktion ist krank, man selbst ist Händen. Jutta Matuschek gesundheitlich auch etwas angeschla- Michael Leutert wird einen Antrag in gen, dann erhält man gute Ratschläge den Deutschen Bundestag einbringen, Ich bitte darum, das Papier in die Län- von Oskar Lafontaine, die meist unge- der das Ziel verfolgt, die Bundesregie-

NACH-SICHT DISPUT Januar 2008 044 rung aufzufordern, der amerikanischen nau eine andere viel besser geeignet, Dazu ist die Organisation ja da. Seite nachdrücklich zu verdeutlichen, die zwar auch gegen Windkraft ist, aber Karl Holluba dass es nicht hinnehmbar ist, dass Par- wenigstens die Fledermäuse an ihrem lamentsabgeordnete sich kein Bild von Herzen hat. Johanna Scheringer-Wright Ab morgen schicken wir die Unterlagen der Lage der Inhaftierten machen kön- zur Urabstimmung auch an die, von de- nen. Michael Leutert An dieser Stelle ... regt sich bei mir – nen wir keine Adressen haben. auch wenn ich es lange zurückhalten Axel Troost GELD ODER LIEBE konnte – langsam Mitleid mit den So- Fiskalische Samtpfötchen gegenüber zialdemokraten ... Wulf Gallert Können Sie sich den Unsinn, den Sie in reichen Erben abstreifen. Barbara Höll der letzten Plenumsitzung erzählt ha- BAU AUF ben, selbst nicht merken, oder warum Der Ehekredit – wohl auch wahltak- Katja Kipping ist ein Scharnier. wollen Sie das heute noch einmal wie- tisch motivierter Tropfen auf den hei- Cornelia Ernst derholen? – Ja, liebe CDU, die Apoka- ßen Stein. Jörg Kubitzki lypse ist nah, die Nudeln werden auch Die Knaggen begrenzen das Abheben. immer teurer, und daran ist nur der Statt Lippenbekenntnisse freie Schulen Doch das Problem ist nicht ein senk- Kommunismus und Oskar Lafontaine ausreichend fi nanzieren. rechtes Abheben der Fassadenriegel, schuld. Udo Wolf Michaele Reimann sondern die Beweglichkeit derselben in der Waagerechten – nach rechts und WICHTIG UND GUT GELD ODER LEBEN links, nach vorn und hinten! Diese Be- Öffentlich, weil es wichtig für alle ist! Kfz-Steuer taugt nicht für Schnellschüs- weglichkeit birgt bei starkem Sturm Ge- Veranstaltung fällt leider wegen einer se. Lutz Heilmann fahren ... Dorothée Menzner krankheitsbedingten Absage ... aus! www.linke-giessen.de Erneuter Todesfall im Justizvollzug be- Fundament für Exzellenz in Sachsen- legt, dass grundsätzliche Problemlö- Anhalt stärken. Hendrik Lange Zum Thema »Gute Arbeit« spricht Mi- sung notwendig ist. Ralf Hauboldt chael Schlecht. Lothar Bisky »Bodo Ramelow wird versuchen, als Todesstrafe stirbt scheibchenweise. Vermittler in Dresden Brücken zu bau- Bewerbung für den letzten Listen- Michael Leutert en.« –»Ich werde den Teufel tun, aus- platz der Landesliste: Meine Voraus- gerechnet in Dresden Brücken zu bau- setzungen sind optimal, ich bin nicht Wir hatten schon einmal eine Mail-Ak- en!« Lothar Bisky, Bodo Ramelow im Landesvorstand (Trennung von Amt tion, und der Rücklauf bei Sterbefällen und Mandat), kein Mitglied der DKP, war gering. Karl Holluba GESUNDHEIT! auch kein Gewerkschaftsfunktionär Ich habe 26 Jahre lang als Chirurg dazu und studiert habe ich auch nicht. MAHLZEIT beigetragen, dass glückliche Raucher Johann Spanier Rentnerinnen und Rentner werden wei- wieder schmerzfrei zum nächsten Ziga- ter abgespeist. Oskar Lafontaine rettenautomaten rollen konnten. Tagesordnungspunkt 22 und Teile des Wolfgang Albers Tagesordnungspunktes 23 können in Fraktion DIE LINKE für den Schutz des die Zählpausen zwischen den Wahl- Aals. Tilo Kummer In diesem Sinne wünsche ich mir: gängen eingestreut werden. Nichtraucher aller Fraktionen, vereinigt Parteitag NRW Die Kreisverbände machen in der Ad- euch! Kerstin Lauterbach ventszeit Stände, bei denen sie um- Wir müssen die Termine besser koordi- sonst Tomatensuppe anbieten, um so Meilenstiefel bei der Rauchfreiheit jetzt nieren für Promis, Semipromis und Ab- in ein Gespräch mit den Passanten zu nicht ausziehen. Martina Bunge geordnete. Patrick Humke-Focks kommen, sich ihre Sorgen und Nöte anhören und wenn möglich politische Die Schnüffelei der Bundesanwalt- Ich werde eine Übersicht vorlegen, wer Konzepte der Partei vermitteln. Da- schaft stinkt zum Himmel. Ulla Jelpke wann und wo gereinigt wird. bei werden Strichlisten angelegt über Gerd Buddin die Anzahl der Besucher der Stände ... nachdem mich bereits gestern Vertre- und welche Sorgen sie bewegen. Die- ter von Wikimedia angerochen haben ... WIR se Strichlisten werden dem Landesvor- Katina Schubert Seit nunmehr drei Legislaturperioden stand zugeschickt, welcher diese aus- – in jeder Bezeichnung, in der mei- wertet und für eine Pressemitteilung NACHTS ne Partei existiert hat, einmal – habe verwendet. Uwe Maag Wir haben die Westfalen-Halle auch ich ... Gudrun Tiedge nachts gemietet. Das ist keine Drohung. GLÜCK Lothar Bisky So viele Mitglieder wie unser Durch- Auch auf anderen Gebieten ist die Poli- schnittsalter ist, haben Sie nicht ein- tik der Althausregierung nicht als glück- Wir planen, diese Nacht nicht in den mal! Peter Porsch lich zu bezeichnen und manchmal so- Betten zuzubringen, sondern in An- gar das ganze Gegenteil davon. tragsräumen. Werner Dreibus Wir sind die einzige Partei, wo die Mit- Knut Korschewsky glieder wachsen. Dietmar Bartsch VERSTAND HERZMAUS Hier ist Sachverstand gefragt, nicht un- Meine Damen und Herren! Wenn ich ... dass ausgerechnet Sie der Umwelt- ser Büro! Georg Fehst nicht so heißen würde, würde ich sa- politische Sprecher Ihrer Fraktion sind, gen: Wer es glaubt, wird selig! ist schon erstaunlich. Da wäre doch ge- Sicher hat es auch Probleme gegeben. Marion Seelig

45 0 DISPUT Januar 2008 BÜCHER

Die dunklen Bald taucht auch Costin, Stefans ner eher fl üchtigen Begegnung verliebt Sohn, in der Geschichte auf. Costins sie sich in Harry, der sie anspricht mit: Seiten des Lebens Weg zum Popstar ist vermutlich für je- »Na, Mausepuppe, wohin geht’s?« Mit den nachvollziehbar, der den Super- allem, was sie hat und ist, klammert sie Eine Familien- und eine Liebesge- starrummel um Dieter Bohlen schon sich an diese Liebe. Auch als sie nach schichte offenbaren Anfang und En- mal zur Kenntnis genommen hat. Cas- und nach erfährt, dass Harry drogen- de großer Gefühle und das Leben, das tings, Auftritte in einer Boygroup, die süchtig, kriminell und HIV-positiv ist. daraus folgt. Gelesen von Ingrid Feix Welt des Fernsehscheins zwischen Pro- Sehr wohl spürend, dass ihre Liebe mis und Möchtegernen – das wird sei- nicht in gleichem Maße erwidert wird, eide Bücher, das sei vorab ange- ne Welt und bleibt es auch, nachdem kommt sie nicht davon los. Harry ist nur merkt, werden hier ausdrücklich der Erfolgsstern verloschen ist. Im Licht auf Bewährung frei und muss sich in- Bzur Lektüre empfohlen, und zwar der Öffentlichkeit gelingt es ihm noch nerhalb eines festen Betreuerkreises nicht, weil sie beide für den Deutschen einmal, als Produzent mit eigenem Mu- einer Therapie unterziehen. Soja stürzt Buchpreis 2007 nominiert waren, son- siklabel erfolgreich zu sein. Einmal Pro- sich in diese hoffnungslose Aufgabe. dern weil sie – jedes auf eigene Wei- mi, immer Promi. Sein extensives Le- Der an Harry gerichtete Monolog fi n- se – Lebensgeschichten erzählen. Sie ben endet frühzeitig mit einem Schlag- det nach seinem Tod statt. Die Autorin, sind iterarisch erzählt, dem Leben ver- anfall im Jahr 2056. Zuvor aber erfährt Jahrgang 1951, hat nicht umsonst schon bunden, hautnah, konkret und aktu- er noch, dass er eine Tochter hat – ir- einen Preis für »grotesken Humor« er- ell, ebenso wie emotional berührend gendwann und irgendwo zwischen sei- halten, denn auch hier – was man bei und zeitlos und sie ragen ganz einfach nen Auftritten gezeugt. Wendy, ihrem dieser Geschichte kaum glauben kann aus der jährlichen Bücherfl ut als Glanz- Vater völlig fremd und er ihr ebenso, – kommt er zum Tragen, bitterböse und lichter heraus. beginnt nach seinem Tod, die Familien- auch melancholisch. Neben dieser ge- Thomas von Steinaecker, Jahrgang geschichte zu recherchieren. Ihr Buch gen alle Vernunft gerichteten Liebesge- beginnt mit: »Günter Wallner beginnt zu fl iegen … Dann markiert sie den Satz Thomas von Steinaecker und sagt: ›LÖSCHEN.‹« Wie der Autor Wallner beginnt gekonnt die ineinander greifenden Bi- zu fl iegen ografi en erzählt, auch sprachlich die Katja Lange-Müller Roman Gefühlswelt zwischen nüchtern sach- Böse Schafe 367 Seiten lich und explosiv überdreht, ist sehr Roman Frankfurter lesenswert. Wie wichtig sind famili- 205 Seiten Verlagsanstalt äre Bindungen, was macht sie aus, wie Kiepenheuer & Witsch

19,80 Euro © Repro wirken sie weiter? Keine visionäre Zu- 16,90 Euro © Repro kunftsgeschichte ist das, eher ein Vor- 1977, gelingt das mit seinem ersten Ro- ausdenken heutiger Lebensentwürfe. schichte, bei der absolut nichts ausge- man. Obwohl der Titel und der Umstand, spart wird, erzählt sie auch in Episoden dass die Handlung bis in die zweite vom Leben in Ost-Berlin, von der Idyl- Hälfte des 21. Jahrhunderts führt, eine twa zur gleichen Zeit, als der bit- le West- im Schatten der Mauer, utopische Geschichte vermuten lässt, terböse Episodenfilm »Schwar- dem Eldorado der Junkies, der heime- ist sie es ganz und gar nicht. »Wall- Eze Schafe« in die Kinos kam, er- ligen Kneipenwelt, sie erzählt schließ- ner beginnt zu fl iegen«, lautet der ers- schien auch Katja Lange-Müllers Buch lich auch vom Fall der Mauer und dem te Satz. Das passiert bei der Vollbrem- »Böse Schafe«. In beidem ist Berlin einziehenden neuen Leben. Allen Ver- sung eines ICE, bei der der 82-jährige der Hintergrund, und es geht um be- mutungen zum Trotz betont Katja Lange- Günter Wallner durchs Abteil fl iegt und sondere Lebenssituationen, keine un- Müller, dass es sich um keinen autobio- an den Folgen der Verletzung stirbt. Mit gewöhnlichen. Irgendwie sind sie ver- grafi schen Roman handelt, wenngleich der Todesnachricht an den Sohn Stefan gleichbar und auch wieder nicht. Das es immer von Vorteil sei, wenn die Ge- beginnt die Geschichte. Zwischen erin- Buch beschreibt eine intensive Liebes- schichten, die man erzählt, »durch die nerten Kindheits- und Jugendepisoden geschichte. Ungewöhnlicherweise in eigene Erfahrung geerdet« sind. Was löst der zunächst erfolgreiche Inhaber romantischer Form, nämlich gewisser- aus ihrer Biografie noch positiv ins einer weltweit agierenden Landma- maßen als Ansprache an den Gelieb- Buch einschlägt, ist ihre Erfahrung als schinenfi rma, der letztlich ausgeboo- ten. Doch von Romantik keine Spur. Schriftsetzerin, die bei schwafl ig lan- tet sich in Nigeria einen neue Aufgabe Eine junge Frau, Soja, kommt Mit- gen Texten immer Rückenschmerzen sucht, den Nachlass seines Vaters auf. te der 1980er Jahre von Ost- nach West- bekam. Konzentriert und sprachlich Zu erfahren ist von dem schwierigen, Berlin, eine »sichere« Existenz, eine prägnant, so erzählt sie und beweist, lust- und leidenschaftslosen Verhält- Mutter in hoher Parteifunktion und ein große Gefühle und Geschichten brau- nis zwischen Vater und Sohn, wobei sie unbefriedigendes Leben zurücklas- chen keinen Wortschwall, nur einen gu- sich vor Günters Tod fast 20 Jahre nicht send, versucht sie mutterseelenallein, ten Erzähler oder, wie in diesem Fall, ei- begegnet sind. im Westen einen Halt zu fi nden. Bei ei- ne gute Erzählerin.

DISPUT Januar 2008 046 icher haben auch Sie in den letz- nach hinten blättern, um diese Passa- ten Tagen die Ereignisse in Kenia ge überhaupt zu fi nden. Und das Wort Smit Sorge verfolgt. Wieder einmal Afrika kommt im Vertragstext gleich gar ist es ein afrikanischer Staat, in dem nicht vor. große Teile der Bevölkerung demokra- Dass es keinesfalls um eine wirk- tische und rechtsstaatliche Prinzipien liche Partnerschaft zwischen Europa verletzt sehen. Wieder einmal ist es und Afrika geht, wird letztlich auch mit Afrika, wo die Spannungen zwischen den EPA-Wirtschaftsabkommen, die Opposition, Regierungsparteien und vom EU-Ministerrat trotz der Kritik aus verschiedenen Ethnien zu Todesopfern, Afrika zum Neujahrstag in Kraft gesetzt Verletzten und Vertriebenen führen. wurden, bestätigt. EPA steht für Econo- Es geht mir keinesfalls darum, einer mic Partnership Agreements, mit denen Einmischung des Westens, oder besser – nach offi zieller Lesart – die Handels- gesagt des Nordens, in die Angelegen- beziehungen zwischen der EU und den heiten anderer Staaten das Wort zu re- Staaten des Südens den Bestimmun- den. Im Gegenteil. Es muss endlich dar- gen der Welthandelsorganisation ange- um gehen, jene Politik in Frage zu stel- passt werden sollen. Kernelement der len, die die Ursachen von Kriegen, Kon- bilateral zu vereinbarenden Freihan- fl ikten und Elend im Süden erhält und delszonen ist ein »gleichberechtigter« immer wieder neu schafft. Die »Ent- und unbeschränkter Marktzugang für wicklungsländer« haben ein unum- beide Seiten. Angesichts der Tatsache, stößliches Recht auf dass Afrikas Bedeutung für Europa vor- eigene und eigen- rangig in der Lieferung von Rohstof- Ungleiche ständige Entwick- fen (zum Beispiel Kaffee, Kakao, Kup- lung und die Gestal- fer, Gold und Metallen für die Elektro- Partnerschaft tung ihres Staatswe- nikindustrie) und als Absatzmarkt für sens. Aber Tatsache veredelte Produkte besteht, ist offen- ist eben, dass nicht sichtlich, wer Gewinner und Verlierer wenige der Probleme, dieser »Einigungen« sein wird, zumal die sich heute in der die EU immer noch nicht bereit ist, ih- Von André Brie »dritten Welt« zeigen, re Märkte umfassend zu öffnen. Letzt- ihre Wurzeln im Kolo- lich geht es darum, die noch vorhande- © Stefan Richter nialsystem haben und durch die prak- nen Schutzmechanismen der Entwick- tisch neokoloniale Politik der vergan- lungsländer vor dem freien Markt mit genen Jahrzehnte verschärft wurden. nur wenigen Ausnahmen komplett zu Daher steht der »Norden« in der Ver- beseitigen. So sollen bis zu 97 Prozent antwortung, nicht allein zur Bekämp- der Zölle auf Importe aus der EU abge- fung von Hunger, Krankheiten und zum schafft werden. Gerade aber diese Ab- wirtschaftlichen Aufbau beizutragen, gaben gehören zu den wichtigsten Ein- sondern auch zu politischer Stabilität, nahmequellen der Entwicklungsländer. zur Entwicklung von Demokratie und Wo das Geld fehlen wird, ist absehbar: zum Schutz der Menschenrechte. Ge- bei der Bekämpfung des Hungers, im rade die EU, in der die meisten ehema- Gesundheitswesen, im Bildungssys- ligen Kolonialmächte Mitglied sind, ist tem, im Umweltschutz. in dieser Hinsicht gefordert. Diese Fixierung der »Zusammenar- Die Realität sieht völlig anders beit« auf ökonomische Interessen des aus. Nach den Unruhen in Kenia be- Nordens ist es auch, die Europa bei De- schränkten sich Brüssel und die EU- mokratieentwicklung und Menschen- Staaten auf die Bekundung ihrer Beun- rechten zum Schweigen bringt. Zumal ruhigung und Aufrufe zum Gewaltende. mit China seit einiger Zeit ein Akteur Überraschen kann das kaum. Denn trotz auf die Bühne getreten ist, der sich bei aller Erklärungen zur Entwicklungszu- seinem Griff nach Afrikas Rohstoffen sammenarbeit und zur Erreichung der ähnlich wenig um solche Fragen schert. sogenannten Millenniumsziele, mit de- Allein im vergangenen Jahr habe Chi- nen die gröbsten Auswirkungen der Un- na mehr als eine Milliarde US-Dollar in terentwicklung beseitigt werden sollen, Afrika investiert, meldete die Nachrich- geht es vorrangig um andere Ziele: Für tenagentur dpa kurz vor dem Lissabon- Europa ist dieser Kontinent noch immer ner EU-Afrika-Gipfel im Dezember 2007. vor allem Rohstoffl ieferant und Absatz- Zwar hat Brüssel mit der 2005 vorge- markt, und für einige der stärksten Mit- nommenen Reformierung der Entwick- gliedsländer der EU ist er zudem auch lungszusammenarbeit eine stärkere Objekt eigener Machtpolitik. Hauptziel Berücksichtigung »gemeinsamer Ziele, der Entwicklungspolitik der EU sei »auf Werte und Grundsätze« betont. Aber in längere Sicht die Beseitigung der Ar- der Praxis spielte dies kaum eine Rol- mut«, heißt es etwas verschwommen le. Mit dem Verweis auf Peking könnten im EU-Reformvertrag von Lissabon. Al- die EU-Staaten nun diese Aspekte noch lerdings muss man schon ziemlich weit weiter in den Hintergrund drängen.

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