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Die hohen und hochsten Werte des Menschenlebens, vor aHem in Wissenschaft, Kunst, Moral und Religion bleiben in ihrem Wesenskern yom Begriff "Energie" unbertihrt; das "geistige Prinzip", das schon ROBERT MAYER neben oder besser tiber den Energiebegriff gesetzt hat, ist jeder Energetik unzuganglich. Es ist, als ob seIber die Zustandigkeits• grenzen des Begriffes "Energie", vor allem hinsichtlich Wertungen, mehr und mehr empfunden hatte. Hat er sich ja in seiner letzten Lebensepoche fast ausschliel3lich der Farbenlehre und der "Schonheit des Gesetzes" (siehe "Lebenslinien" III) gewidmet, und mit dem daselbst herrschenden Begriff der Harmonie die Er• orterung eines Gebietes angeschlagen, in welchem die Begriffe "Energie" und "Aus16sung" nur noch die Rolle untergeordneter dienstbarer Geister zu spielen vermogen. Hier fiihrt die Psyche das Wort, und ein Ausblick eroffnet sich auf eine wahre "Philo• sophie der W erte" . Fassen wir OSTWALDS Aus16sungslehre im ganzen ins Auge, so gilt, daB sie deutlich den Charakter einer bedeutsamen Uber• gangserschein ung zeigt, gekennzeichnet durch die Vorztige und Nachteile einer ausgesprochen energetischen Betrachtungs• weise. Es handelt sich urn einen Ubergang von oberflachlichem Mechanismus zu einem tieferschtirfenden universellen Dynamis• m us, wie ein solcher sich in der abendlandischen Wissenschaft unserer Tage mehr und mehr durchringt. Das neue Weltbild wird dynamische Naturanschauung sein, nicht mechanische. WILHELM WUNDT. Anhang. Einiges zur Gesamtentwicklung des Aus16sungsbegrifles. A. Von den Anfiingen bis zu Wilhelm Ostwald und Friedrich Nietzsche. Schon im alltaglichen Leben macht sich hinsichtlich des Begriffpaares Ursache-Wirkung eine Zwiefaltigkeit geltend, die den Keim fUr die Unter• scheidung von Umsetzungs- oder Erhaltungskausalitat (E.K.) und Aus• losungs- oder AnstoBkausalitat (A.K.), von energetischen Wirkkraften und energetisch mehr oder minder belanglosen Au s los un g s - un d S t e u e• rungskraften bildet. Auf der einen Seite gibt es menschliche Tatigkeiten wie heben, graben, werfen, hacken, schlagen, ziehen, bei denen die GroBe der Wirkung, des Effektes, in einem bestimmten Verhaltnis zur GroBe der Kraftanstrengung und Kraftaufbietung steht. Auf der anderen Seite beob• achten wir Tatigkeiten wie ein Feuer anziinden, eine Schleuse offnen, ein Uhrwerk aufziehen, einen elektrischen Stromkreis schlieBen; hier gibt es kein streng quantitatives Verhaltnis, keine feste Proportionalitat zwischen der GroBe der Endwirkung und der GroBe menschlicher Kraftanwendung.

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Ein kleiner AnstoB kann einen oben auf schiefer Ebene befindlichen Wagen herabroIl en lassen, ein kleiner Funke einen groBen Brand entfesseln. Dazu: Ein gesprochenes Befehlswort, der sich iiuBernde Wille kann GroBes zur Folge haben, ohne -daB der Befehlende und Wollende wesentliche Betriige von "Kraft" ausgibt und somit einbiiBt. Einerseits also: Arbeit leisten; andererseits: Arbeit leisten lassen, sei es durch andere Menschen (auf dem Befehlswege) oder durch Tiere (z. B. das Pferd einspannen) oder auch durch Naturkriifte (mit einem FuB• tritt im verschneiten Hochgebirge eine Lawine auslOsen). Wir bekommen hiernach hinsichtlich aller beobachteten Verursachung folgende Zweiteilung: I. Energetische Kausalitiit, die als Arbeits- oder Umsetzungskausalitiit ein .Aquivalenzverhiiltnis zwischen Ursache und Wirkung zeigt, und darum auch Erhaltungskausalitiit genannt wurde (E.K.). II. Energetisch belanglose AnstoB-, AnlaB- oder AuslOsungskausalitiit ohne das Bestehen fester .Aquivalenzverhiiltnisse (A.K.). AIle wissenschaftlichen Erorterungen und Bestimmungen iiber Kraft, Energie, Arbeit, AuslOsung, Richtunggebung kniipfen so beim Menschen als Urheber an, und auch in den abstraktesten Gestaltungen des Kausal• begriffes bleibt ein anthropomorpher Zug erhalten, der auf den Ursprung des Ursachdenkens in men schlicher Alltagstiitigkeit hinweist. Danach wird auch die Frage nach der "Realitiit" von AuslOse- und Richtkriiften leicht zu beantworten sein: sie sind ebensowenig oder ebensosehr real wie die arbeitleistenden Wirkkriifte der Physik. In bezug auf die geschichtliche Entwicklung ist zu sagen, daB sie fUr die Lehre von den Wirkkriiften hinreichend klar zutage liegt51. Anders auf dem Gebiet der AuslOse- und Richtkriifte, deren geschichtliche Entwicklung bisher erst wenig beachtet worden ist. Seine scharfe Formulierung hat das Problem in der Anmerkung 8 wieder• gegebenen Frage von L. EULER 1773 gefunden. Es ist klar, daB der schein• bare Widerspruch der zwei Kausalsiitze: "Die \Virkung entspricht groBen• miiBig der Ursache" (causa aequat effectum) und "Kleine Ursachen, groBe \Virkungen", erst auf Grund klarer energetischer Erkenntnisse aufgehoben werden konnte, wie diese ROBERT MAYER gelungen sind. Immerhin aber haben sich durch die Jahrhunderte dauernd geistige Bewegungen gezeigt, die jene scheinbare Gegensiitzlichkeit zum Ausgangspunkt eindringlicher Betrachtungen gemacht haben. Es wiire eine besondere Aufgabe, die Keime einer AuslOsungslehre in der alten Philosophie, ja auch in der Mythologie zu suchen. Von befreundeter Seite (Dr. F. BUTTERSACK:) wurden mir zwei alte Namen nahegebracht. Bei AESCHYLOS heiBt es: "Die Gottheit wirkt ohne Kraftaufwand", bei XENOPHON: "Die Gottheit wirkt ohne jede Anstrengung nur durch den Geist in allem." Der Ubergang von der Potenz zum Akt (nach ARISTOTELES) bedarf offenbar eines veranlassenden Agens, das gestaltender Art sein kann. In einer Veroffentlichung des Kaiser-Wilhelm-Institutes fUr Kultur• wissenschaft in Rom: "Die Impetus-Theorie der Scholastik", Wien 1941, hat ANNELISE MAIER geschildert, wie die Aristotelische \Virklehre zu einer Impetuslehre (Anfiinge bei JOHANNES PHILIPONOS im 5. Jahrhundert, Voll• entwicklung durch JOHANNES BURIDANUS - urn 1550 - und MARSILIUS VON INGHEN, den ersten Rektor der Universitiit ) ausgestaltet worden ist, der noch GIORDANO BRUNO anhing. BURIDANUS' "Impetus" erscheint als Ursache einer Bewegung mi t konstanter Gesch windigkei t;

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NICOLAUS VON ORESME dagegen legt den Nachdruck auf die Ursache einer Beschleunigung der Bewegung, und bereitet so den Kraftbegriff von GALl LEI und NEWTON VOr. Bei LEIBNIZ, dem grol3en Vorlaufer der neueren Energetik, findet man deutliche Hinweise auf das Vorhandensein steuernder Richtkrafte in der \Velt. Er kennt Realisierungsantriebe, die in das harmonische Spiel der \Virkkrafte eingreifen und die tote Kraft zur lebendigen Kraft werden lassen. "Aus jeder Tendenz folgt die Aktion, sofern sie nicht ver• hindert wird." Den Wirkursachen stehen Zielursachen gegenliber: ein Entelechieprinzip beherrscht die Ordnungsgesetzlichkeit, in einer "prastabilierten Harmonie" der Abstufung von Monaden, von denen jede in ihrer Art "un miroir vivant perpetuel de l'univers", eine lebende Ab• spiegelung der Welt ist. "Nach LEIBNIZ ist es das Entelechieprinzip, der metaphysische Faktor der causae finales, der mit den causae efficientes, den Wirkursachen das ·Weitall steuert" (ILSE DOHL).

Erste Entwicklungen einer A us18selehre; Philosophischer Occasionalismus ; Lotzes A uslosungsbegriff. Erste genauere Betrachtungen liber Veranlassung und "Auslosung" sind in der philosophischen Bewegung des Occasionalismus zu finden. \Vir sehen hier ab von dem alten universellen occasionalistischen Gedanken, nach welchem bei allem was geschieht, Gott die wirksame Ursache (causa efficiens, causa prima) und das was der Mensch sonst Ursache nennt, nur Anlal3 oder Gelegenheitsursache, causa occasional is ist. Occasionalismus im engeren Sinne betrifft das Verhaltnis von Leib und Seele, das bei mechanistischer Denkweise nach der Art von DESCARTES einen Widerspruch gegen die Idee einer geschlossenen Naturkausalitat aufweist. Darum lehrt MALEBRANCHE, dal3 die leib-seelische Welt nur ein "systema causarum occasionalium" sei 52. Nach CONDILLAC sind korperliche Vorgange "causes occasionelles" der seelischen. Es ist einleuchtend, dal3 Beobachtungen von Erscheinungen wie das Herabgleiten oder Hinunterfallen eines nur leicht unterstlitzten Korpers durch einen geringen Anstol3, vielleicht schon durch einen Anhauch, die empirische Grundlage flir die Vorstellung der causa occasionalis bilden. Ahnlich einem solchen "Anhauch" kann wohl auch die Seele - die ja als feiner Hauch (Pneuma), als atherisches Fluidum vor• gestellt wird - auf den Korper wirken, wobei beachtlich ist, dal3 bereits der leiseste Anstol3 doch immerhin eine gewisse Kraftaul3erung bedeutet! (Von katalytischem Anstol3, der im ganzen genom men nichtarbeitender Art ist, konnte noch keine Rede sein, obwohl der magische Vorl au fer des Kata• lysators: der Stein der Weisen, das Grol3e Elixier, sehr frlih dem Denken vertraut war.) Nach DESCARTES kann die Seele zwar nicht Bewegung erzeugen, weil dies gegen den Satz von der Erhaltung der Bewegungsgrol3e verstiel3e, wohl aber kann sie die Richtung der Bewegung ohne Kraft• aufwand bestimmen. Hiergegen ist eingewendet worden, dal3 auch eine Richtunggebung auf aIle FaIle einen Kraftaufwand verlange. Bis in unsere Zeiten haben sich Erorterungen fortgesetzt, ob ein Ver• anlassen, "Ausli:isen", Richten, Steuern ohne jeglichen energetischen Eingriff geschehen konne. Eine grundsatzliche Losung der Frage hat ROBERT MAYERS Satz von der Erhaltung der Energie ermoglicht, zumal in Verbindung mit dem Prinzip katalytischer AuslOsung. In einem LOTzE-Referat von 1846 (Kleine Schriften, S. 367) findet sich der Ausspruch: "Unsere Tatigkeit gibt zu der Veranderung, durch die der Stoff die beabsichtigte Gestalt annimmt, immer nur den Anstol3; die in

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der Tat durch diesen ausgelOsten Kriifte aber sind die des Stoffes selbst." Hiermit ist der Grundgedanke der AuslOsung klar ausgesprochen. Das Prinzip der AuslOsungskausalitiit ist femer in einem Satze von LOTZEs "Grundzuge der Psychologie" enthalten, wonach es geschehen kann, daB "ein Zustand des Gebildes a fur b die zwingende Veranlassung ist, auf we1che dieses b aus seiner eigenen Natur einen neuen Zustand hervor• bringt". Der Gedanke des Ansprechens und "Antwortens" eines kraft• begabten Gebildes auf empfangenen AnstoB, einer Enthemmung. und Freimachung gebundener virtueller Energie findet hier seinen formalen Ausdruck. Im Zusammenhang mit seinem "Prinzip der Storung" und anschlieBender Wiederherstellung (durch "Ausweichung", s. S. 80), spricht LOTZE wiederholt von Veranlassen, Regulieren, Auslasen. Das Wirkverhiilt• nis zwischen Leib und Seele wird occasionalistisch gedeutet.

Der AuslOsungsbegrifj in der klassischen Mechanik. \Vie aus der Formulierung von L. EULER hervorgeht, ist der AuslOsungs• begriff bereits in der Geschichte der Mechanik gebuhrend beachtet worden. Es handelte sich speziell urn die Frage, ob ohne Kraftaufwand die Richtung einer Bewegung geiindert werden konne (s. auch S. 14). Nach EMIL DU BOIS-REYMOND (1850) liegt es "im Wesen der AuslOsung, daB auslOsende und ausgelOste Kraft voneinander unabhiingig, durch kein Gesetz verknupft sind". Indessen: "So wenig kann die auslOsende Kraft an sich wahrhaft Null sein, daB, soli nicht die AuslOsung versagen, sie nicht einmal unter einem gewissen von den Umstiinden abhiingigen Schwellen• wert sinken darf; und es ist also nicht daran zu denken, mit Hilfe der Aus• lOsung zu erkliiren, wie eine geistige Substanz materielle Anderungen bewirke." In gewissem Gegensatz zu der Auffassung einer Unabhiingigkeit steht die spiitere Behauptung von GEORG HELM (S. 18), daB eine gewisse Koppe• lung (nach HELMHOLTZ) vorhanden sein musse, damit ein Vorgang einen anderen auslOsen konne. Wie E. DU BOIS-REYMOND spiiter in "Sieben Weltriitsel" ausfuhrt (Vor• trag 1880), hatten im 19. J ahrhundert die Mathematiker COURNOT und die Physiker BOUSSINESQ und DE SAINT-VENANT die von DESCARTES vertretene und von LEIBNIZ bestrittene Behauptung, daB Bewegungen ohne Kraft• aufwand gerichtet werden konnen, dadurch mit starkem wissenschaft• lichen Aufwand stiitzen wollen, daB sie "den in der deutschen physiologischen Schule liingst geliiufigen Begriff der AuslOsung (decrochement) einfuhrten. Sie glauben, daB die zur AuslOsung der willkurlichen Bewegungen notige Kraft nicht nur verhiiltnismiiBig sehr klein, sondern Null sein konnte." Zu diesem Zwecke wies z. B. BOUSSINESQ auf bestimmte Differential• gleichungen der Mechanik hin. (Ahnlich (S. 14) Sir OLIVER LODGE: "Len• kung von MatE~rie kann geschehen, ohne daB dabei Arbeit geleistet wird. ") Bei R. MAYER hieB es 1845: "Der Maschinist vermag nur mittelst eines gewissen Kraftaufwandes seinen EinfluB auf die ihm zur Disposition ge• gebenen Apparate geltend zu machen. Dieser Kraftaufwand aber ist, ver• glichen mit der herbeigefuhrten Maschinenleistung, ein verschwindend Kleines und liiBt sich uberhaupt bei wachsender Vervollkommnung des Apparates kleiner als jede gegebene GroBe machen" (M. I, 124). 80 bedeutsam dergleichen Erorterungen fi.ir das Gebiet der Mechanik sein mogen: fur die Frage der Einwirkung des Willens auf die Korper• muskeln (die dauernd im Vordergrund stand) haben sie schon darum nicht das geringste Gewicht, da es sich bei physiologischen Prozessen in erster

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Linie nicht urn Mechanik, sondern urn geordnete chemische Vorgange handelt. Hier aber, und zwar schon in der anorganischen Chemie, ist seit DOBEREINER und BERZELIUS ein ganzes groBes Erscheinungsgebiet bekannt, in we1chem ein Etwas durch bloBe Gegenwart Wirkungen veranlaBt, ohne seIber - im ganzen genommen - irgendwe1che Arbeit zu leisten: die Ka tal yse. Bei allen friiheren allgemeinen Erorterungen, namentlich iiber das VerhiiJtnis von Leib und Seele, ist diese Katalyse als ein "Tatigsein ohne Arbeitleistung" iibersehen worden; ihr Modellcharakter in bezug auf die Willenstatigkeit ist erst in unseren Zeiten deutlich erkannt worden.

Chemische Kontaktwirkung. In den friihen J ahrzehnten des 19. J ahrhunderts ist der AuslOsungs• gedanke gewissermaBen "in Reinkultur" da aufgetreten, wo man sich mit der neuartigen Erscheinung der Hervorru fu ng chemischer Reaktionen durch Fremdstoffe auf dem Wege bloBen Kontaktes, ohne jede Arbeitleistung beschaftigt hat. Die Namen HUMPHRY DAVY, DOBEREINER, THENARD, MITSCHERLICH, BERZELIUS, KUHLMANN, SCHONBEIN u. a. kenn• zeichnen den Beginn der katalytischen \Velle, die sich damals in das Gesamt• gebiet der Chemie ergossen hat. So groB aber das Aufsehen gewesen ist, welches das eigenartige und fremdartige Gebiet der Ka talyse in chemischen Kreisen erregt hat 53: eine weitere Ausstrahlung in das allgemeine Denken der Zeit ist - mit wenigen Ausnahmen, z. B. schon GOETHE - unterblieben. Hatte BERZELIUS 1835 die "katalytische Kraft" in die vVissenschaft eingefiihrt, so hat dann ROBERT MAYER dieser "katalytischen Kraft" ihren festen Platz im Gesamtbereich der Ausli:isungs- und Fiihrungskraft ange• wiesen. Erst ROBERT MAYER hat die groBe Bedeutung des katalytischen Gedankens erkannt; er hat die Katalyse in sein System energetischen Den• kens eingeordnet und sie zu dem einen Pol seines Ausli:isungsbegriffes ge• macht; der andere Pol aber ist: der gleichfalls nichtenergetisch tatige bilanzfreie Impuls "Wille"! Der katalytische Gedanke ist so zum Au slOs ungsgedan ken erwei tert worden. Schaut man sich unter den spateren groBen Denkern des 19. J ahr• hunderts urn, so begegnet man der Katalyse zunachst kaum wieder; LOTZE und FECHNER haben sich mit ihr ebensowenig auseinandergesetzt wie SCHOPENHAUER - obwohl er R. MAYERS Ausli:isungsgedanken sehr nahe• gekommen ist - und EDUARD VON HARTMANN. Tatsachlich ist das Interesse an der Katalyse im 19. Jahrhundert iiber den Kreis der Chemiker nur wenig hinausgedrungen; Manner wie der Physiologe CARL LUDWIG bilden eine riihmliche Ausnahme. (1m Jahre 1852 hat er gesagt: "Es diirfte leicht dahin kommen, daB die physiologische Chemie ein Teil der katalytischen wiirde.") Auch die bedeutenden Fortschritte, die das Gebiet der Katalyse theoretisch und praktisch in den nachsten Jahrzehnten gemacht hat (es seien nur MERcER und PLAYFAIR, DEACON, HORSTMANN genannt), haben daran nichts Wesentliches geandert. Erst urn die Jahrhundertwende, durch den namentlich von OSTWALD vollzogenen Einbau der Katalyse in eine exakte chemische Verwandtschafts- und Reaktionslehre, hat sich das Interesse an katalytischen Dingen weiter ausgebreitet. 1m naturphilosophischen Schrifttum begegnet uns die Katalyse erst bei HANS DRIESCH und WILHELM WUNDT. Fiir DRIESCH wie fUr WUNDT ist in ahnlicher Weise WILHELM OSTWALD sachkundiger Gewahrsmann gewesen, wie fiir JOHANN WOLFGANG GOETHE einst JOHANN WOLFGANG DOBEREINER.

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Physiologische Reizwirkung. Ungleich groBere Beachtung auch in weiteren Kreisen der Wissenschaft hatte im Beginn von ROBERT MAYERs Auftreten (urn 1840) eine andere Teilgestalt des allgemeinen Auslosungsgedankens gewonnen, die durch die Worte "Reiz, Anreiz, Erregung" angedeutet wird, und die dann R. MAYER mittendrein zwischen die "katalytische Wirkung" und die "Willensbestiitigung" stellt. Zum besseren Verstiindnis sei vorausgeschickt: Bei dem Versuch, die Mechanik von GALILEI, NEWTON u. a. auch auf die Erscheinungen der Lebewesen anzuwenden, hatte sich bald gezeigt, daB man mit mechanischen Kriiften allein nicht auskommt. Anderer• seits hatte man nach PARACELSUS den Organismus als ein Betiitigungs• feld chemischer Kriifte zu betrachten und demgemiiB zu behandeln angefangen. Diese in "la trochemie" sich auswirkenden Bestrebungen (BORELLI, SYLVIUS, REIL u. a.) muBten zu dem Verlangen flihren, flir die Unzahl der in einem Organism us sich gleichzeitig und nacheinander ereig• nenden Einzelreaktionen Regeln des Zusammenhanges, ja schlieBlich eine die planmiiBige Zuordnung veranlassende hohere Leitung anzu• nehmen; nur so kann das bestimmte Ziele erreichende und wohlgeordnete ganzheitliche Geschehen im "Mikrokosmos" verstiindlich werden. Urn hier weiter zu gelangen, wurde philosophisch der Begriff der "Lebenskraft" benutzt, wissenschaftlich der Begriff des "Reizes" geschaffen. BORELLI (urn 1680), jUNGIUS und DE TOURNEFORT (1700) hatten Reizungserscheinungen an Pflanzen physikalisch zu erkHiren gesucht. Der groBe Physiologe ALBRECHT VON HALLER (1708-1777) war es dann, der in seinen Forschungen tiber lrri ta bili tii t, Exci ta bili tii t u nd Sensi bili tii t eine eigene Reizphysiologie begrtindete, die von zahlreichen Forschern, vor allem FRANZ XAVER BICHAT (1771-1800) und JOHANNES MULLER (1801 bis 1858) weiter ausgebaut wurde 54• Auch JOHN BROWNS bedeutsame medi• zinische Erregungstheorie gehort hierher. Ausflihrliche Darlegungen tiber Reizung gibt HERMANN LOTZE 1842: "Reizbarkeit ist die Eigenschaft eines Korpers, durch Einwirkung einer Ursache zur Entwicklung einer mechanischen oder chemischen Bewegung veranlaBt zu werden, deren Richtung, Kraft, GroBe, Form und Dauer nicht einfach den einwirkenden Ursachen entspricht. - Die Physiologie hat das Phiinomen der Reizbarkeit aus der bestimmten Art der Kombination mechanischer Prozesse zu erkliiren, we1che diesen inneren Mechanismus des Korpers bildet" (Prinzip der StOrung und der Ausweichung). "Das Leben eines unbebrtiteten Eies gleicht einer vollkommen ausgebildeten, aber nicht aufgezogenen Uhr; es fehlt ihr irgendeine Bedingung, we1che das Spiel seiner Kriifte in AnstoB versetzen mag. 1m lebendigen Leibe ist das Nerven• system einem innerlichen Sternensystem zu vergleichen, indem es durch seine mechanischen Wirkungen die chemischen Veriinderungen nach einem bestimmten Plane lenkt." Seine Aufgabe ist, "die mechanische Sollicitation zur Ausli:isung der regulatorischen Tiitigkeiten zu geben" (s. auch Anm. 10). Derartige Siitze zeigen deutlich, daB LOTZE, seiner vermittelnden Ein• stellung entsprechend, physiologische Reizungsvorgiinge "mechanistisch" erkliiren will, sie jedoch gleichzeitig als im Dienste hoherer Zwecke stehend ansieht. Auch in seinem Werke "Allgemeine Physiologie" 1851 verbreitet sich LOTZE tiber den Reizungsvorgang (mit kurzer Erwiihnung von HELM• HOLTZ' "ErhaJtung der Kraft"). Unter den zahllosen physiologischen Auslosungen als Antworten des Organismus auf empfangene AnstoBe hat schon im 18. jahrhundert eine bestimmte Gruppe besonderes Interesse dadurch erweckt, daB die aus-

- 80- WILHELM OSTWALDS AuslOsungslehre. 81 gelOste Bewegung mehr oder weniger zwangslaufig geschieht. Hier liegt der Ursprung des Reflexbegriffes, dem sich spater noch "Taxien" und "Tropismen" hinzugesellt haben. Einem mechanistischen Zeitalter, das von physiologischer Chemie noch wenig wuBte, muBten die Reflexe ihrer Natur nach als Mechanismen und Au tom a tis men erscheinen; selbst das Ge• hirn ist als "Reflexmaschine" bezeichnet worden 65. Dementsprechend redet MAYERS Freund GRIESINGER im Tone der Zeit von "psychischer Reflexaktion" (M. II, 215), wo MAYER seIber "Willens• auslOsung" sagen wtirde. Stark mechanistisches Geprage zeigen die Ausfiihrungen von E. DU BOIS• REYMOND 1850, in denen die physiologische Auslosung durchaus nach dem Schema der Mechanik behandelt ist und auf diese Weise im Reflexbegriff aufgeht. Der wesentliche Teil des Aufsatzes, der auf ROBERT MAYER an• regend gewirkt haben mag, sei in vollem Wortlaut wiedergegeben: E. DU BOIS-REYMOND, Elektrophysiologie, Karstens Fortschritte der Physik im Jahre 1847, S.392-450 (Berlin 1850). Kritischer Bericht tiber Arbeiten verschiedener Forscher tiber Reizung und elektrische Vor• gange im Organismus (MATTEUCCI, MARSHALL HALL, die Brtider WEBER, RUDOLF WAGNER, J. LIEBIG, PFAFFS "Gesetz der Zuckungen" u. a. m. (S.414-416). "Die Physiologen pflegen zu lehren: es gebe in der Natur drei Arten der Wirkung von Korpern auf Korper. Erstlich die mechanische, wobei sich Bewegungszustande tibertragen; zweitens die chemische, von Ver• anderungen der Qualitat begleitete, zwischen kleinsten Theilen statt• findende; endlich drittens die in der organischen Natur obwaltende, die man mit dem Namen der Reizung zu bezeichnen pflegt. Diese soIl darin bestehen, daB das Ursachliche nur eine Qualitiit des erregten Organischen zur Erscheinung bringt, die dem Wesen nach unabhangig ist von der Art der Ursache. Also ich brenne, quetsche, betupfe mit Kalihydrat, galvanisiere einen Nerven: immer erfolgt Zuckung, immer erfolgt Schmerz. Dies seien Reize, dies eine Wirkungsweise, wozu in der anorganischen Natur kein Seitensttick gefunden werde. Diese Lehre geht nicht auf den Grund der Dinge. Es gibt in der Natur nur eine Art von Veranderung, namlich Bewegung, nur eihe Art der Wirkung von Korper auf Korper, namlich mechanische. An die Stelle des Begriffs der Reizung der Organismen, der so viel Ver• wirrung angestiftet hat, muB fortan in der Wissenschaft treten der Begriff der Auslosung der Mechanismen, die wir Organism en zu nennen p£legen. Es liegen in denselben Theilchen so angeordnet, daB jede Art der Gleichgewichtsstorung nichts vermag als ein Spiel dieser TheiJchen untereinander freizugeben, welches eben deshalb ihm eigene Bahnen einschlagt, unabhangig von der Natur der Ursache, welche es ausgelost hat. Damit fallt abermals ein Unterschied, den man aufrecht zu erhalten bestrebt war zwischen der organischen und der unorganischen Natur. 1ch kann ein Uhrwerk, eine Lokomotive so einrichten, daB ich im Stande bin, sie mit der Hand, mittels des elektrischen Funkens, des Magnets, des Lichts, der chemischen Wirkung, genug auf welche Weise man wolle, in Gang zu setzen. Gleichviel ob ich einen Nerven brenne, quetsche usw., die Folge ist stets ein unbekanntes Spiel seiner Molekeln. welches sich von Querschnitt zu Querschnitt mit groBer Schnelle fort• p£lanzt, im Muskel angelangt aber wieder ein Spiel der Muskelmoleke1n untereinander anregt, dessen Folge die Zusammenziehung ist. Wer sagt aber wohl von dem Lokomotivfiihrer des abfahrenden Zuges, daB er

6 Heidelberger Sitzungsberichte 1951. - 81- 82 ALWIN MITTASCH:

seine Maschine reize? Von der Maultierschelle, deren Klang die Lawine zu Fall bringt, daB sie die Schneemassen reize? Auslosen nennt man diese Akte; und HALLER wird es sich gefallen lassen miissen, daB wir auch diese vage Kategorie, so groBe Dinge sie ihrer Zeit der Wissenschaft geleistet haben mag, jetzt, nach gereifterer Einsicht in den Zusammen• hang der Dinge, gleichfalls zu Grabe tragen. Die Arbeit, die der Muskel verrichtet, war nicht vorher im Nerven durch eine entsprechende Summe von lebendiger Kraft vorgestellt, ja sogar zwischen der lebendigen Kraft, welche der Strom, und der, welche der Bewegung vermittelnde Vorgang im Nerven darstellt, ist an keine Gleichwertigkeit zu denken. Selbst also wenn die Elektricitatsmenge, die in der Zeiteinheit durch den Nerven geht, die Starke der Erregung bedingte, wiirde es doch keinen Sinn haben, zu suchen nach einer festen Beziehung zwischen dem Stoffverbrauch in der erregenden Kette und deren Arbeitsleistung des Muskels. Dies Unternehmen wiirde ebenso thoricht sein, als eine feste Beziehung zu suchen zwischen dem Stoffver• brauch in einer galvanischen Kette, mit der ich eine Dampfmaschine aus1i:ise, und der Arbeit dieser Maschine. Ich hatte mit derselben Kette, bei demselben Stoffverbrauch gar keine Maschine oder eine Maschine von hundertmal mehr Pferdekraften aus1i:isen konnen. Die Kohlen auf dem Rost der Maschine sind es, deren Oxydation die Arbeit der Maschine geliefert hat, und so ist der Stoffverbrauch, der der Arbeit des Muskels entspricht, auch im Muskel seIber zu suchen. HELMHOLTZ hat ihn gesucht, und ist so gliicklich gewesen, Spuren davon aufzufinden." Man erkennt leicht den weiten Abstand, der zwischen der zwar geist- vollen, aber eng mechanistischen Betrachtungsweise von E. DU BOIS• REYMOND und der universellen Art besteht, mit der ROBERT MAYER den Begriff der Aus1i:isung durch das ganze Gebiet des Naturgeschehens ein• schlieBend menschliche Willensbetatigung vortragt. Insbesondere ist R. MAYER der erste gewesen, der die physiologische Reizwirkung in formale Beziehung zu dem Gebiet der chemischen Katalyse gebracht hat; beide werden - samt dem Willen - dem Aus- 1i:isungsbegriff untergeordnet. Anfanglich (1845) ist R. MAYER sogar geneigt gewesen, jede aus1i:isende und anreizende Kraft als "katalytische Kraft" zu bezeichnen: "Kata• lytisch" heiBt eine Kraft, sofern sie mit der gedachten Wirkung in keinerlei GroBenbeziehung steht. Eine Lawine stiirzt in da's Tal; der WindstoB oder der Fliigelschiag eines Vogels ist die katalytische Kraft, welche zum Sturze das Signal gibt und die ausgebreitete Zerstorung bewirkt" (M. I, 102). Diese Satze stehen in der Nahe folgender Ausfiihrungen: "Unverkennbar iiben die festen Teile des Organismus, die GefaBwandungen und unmittelbar die Gewebsteile, insbesondere die Nervenfasern, auf die chemische Meta• morphose des Blutes einen machtigen EinfluB aus - einen EinfluB, durch den im allgemeinen die Energie des Oxydationsprozesses erhoht oder die Affinitat gesteigert wird. Jedermann weiB, daB in zahlreichen Fallen chemische Aktionen von der bloB en Anwesenheit gewisser Stoffe bedingt werden, die fiir sich selbst an der vor sich gehenden Veranderung keinen Anteil nehmen." Auch von physiologischer Regulierung, als einer Sonderform der Aus1i:isung, ist in MAYERs Aufsatz von 1845 die Rede. Vom Riickenmark ausgehende Nerven werden als Regulatoren der Herztatigkeit be• zeichnet (M. I, 113). 1m Fieber sind nach MAYER die Regulierprozesse des Korpers gestort.

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Die Willenskrajt. In der causa tinalis der Scholastik ist angedeutet, daB es neben wir• kender Arbeitskraft auch eine "Veranlassung" gibt, die auf den zielenden Willen zuriickzufiihren ist. Erst bei SCHOPENHAUER gewinnt dieser Ge• danke deutliche Gestalt. ,,1m Motiv ( ... ) hat jene Heterageneitiit zwischen Ursache und Wirkung den hochsten Grad erreicht. -- Der Stein muB ge• stoBen werden; der Mensch gehorcht einem Blick. Der Wille hat Kausalitiit, nicht nur auf das unmittelbare Objekt und so auf die AuBenwelt, sondern auch auf das erkennende Subjekt." DemgemiiB werden von SCHOPENHAUER Willenskraft und Lebens• kraft (bei DRIESCH spiiter = Aristotelische Entelechie) nebeneinander ge• stellt; in beiden Fiillen kann nicht von "mechanischer Kausalitiit" geredet werden, bei welcher "der Grad der Wirkung dem Grade der Ursache genau angemessen" ist. Kommt mithin SCHOPENHAUER ROBERT MAYERs Lehre von der Aus• losungskausalitiit nahe, so beginnt sich in beider Wirklehre der Kreis der Entwicklung zu schlieBen. Von der zielenden und rich tend en Tii tig• keit des Willens nimmt jedes menschliche Ursachdenken seinen Ausgang; mit einer systematischen Einordnung der Willens• kraft in das Schema der Kriifte findet jenes Denken seinen vor• liiufigen AbschluB. AuBer SCHOPENHAUER ist auch LUDWIG NOIRE der Unterscheidung von Aquivalenzursachen und AnlaBursachen, arbeitenden Wirkkriiften und Auslosekriiften, unter besonderer Beachtung der Willenserregung sehr nahegekommen. 1m Jahre 1875, also ein Jahr vor R. MAYERS Auslosungs• aufsatz, trennt er "Bewegungsursache" und "Empfindungsursache"; in die letztere ist der Wille mit eingeschlossen 56. Zu der wichtigen Frage, wie der \Ville Muskelbewegungen hervorrufen konne, hat sich R. MAYER 1845 dahin geiiuBert, daB wahrscheinlich "die Innervation, ohne merklichen Aufwand einer physischen Kraft, ohne eine elektrische Stromung und ohne einen chemischen PrazeB iiberhaupt, ihre Herrschaft auf die Muskelaktion ausiibe" (M. I, 124, im AnschluB an den schon S. 78 wiedergegebenen Satz). BALFOURE STEWART lehrte spiiter: "Die Arbeit, welche den Beginn der Umwandlung bewirkt, niihert sich (in erkenn• baren Fa.!len) der Grenze Null. Nichts verhindert anzunehmen, daB die geheimnisvolle Verbindung des Subjektes mit seinem Organ so festgesetzt ist, daB es ohne mechanische Arbeit den Beginn des Austausches bestimmen kann." Wesentlich ist: Chemische Katalyse, physiologische Reizung oder Er• regung und psychophysische ''''illenswirkung werden zuerst von ROBERT MAYER in Parallele gesetzt und insgesamt schematisch dem Begriff "Aus• lOsung" untergeordnet.

Naturkriijte "hOherer Art": Ganzheits- und Entwicklungskriijte; Frage der Lebenskraft. GOETHEs Scheidung von Erkliirungsarten: "mechanische - chemische• lebenskraftlich chemische", und SCHOPENHAUERS Staffelung der Kriifte in Mechanismus, Chemismus, Reizwirkung und schlieBlich "Motivwirkung bei Tier und Mensch", sowie die Lehren von LOTZE und E. DU BOIS-REYMOND ergeben zusammen den Stand der Anschauungen, wie er sich ROBERT MAYER urn 1840 in naturphilosophischer Hinsicht darbieten muBte. Es war sehr viel von Kriiften geredet worden, und es wurde auch urn 1840

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sehr viel von Kraften geredet; von allgemeinen und besonderen, von an• organischen Naturkriiften und Lebenskraften, von niederen Kriiften der leblosen Natur und hoheren - bis geistigen - Kraften in der Lebewelt. Mit heutigem MaB gemessen, leidet die ganze Kraftlehre urn 1840 noch an groBer Unklarheit und Unscharfe. Das kann nicht wundernehmen, wenn man erwagt, daB in den Naturerscheinungen Wirkursachen und aus• lOsende Ursachen, energetische Krafte und nichtenergetische AnstoB- und Richtkrafte in mannigfacher Weise verkoppelt und verfilzt sind, und daB es eben erst ROBERT MAYERS Genius gelungen ist, eine endgiiltige Scheidung der Kriifte in sich umsetzende und dadurch Arbeit leistende Wirkkriifte einerseits, energetisch ganz oder nahezu belanglose (physikalisch-chemisch nicht beschreibbare) dirigierende AuslOse-, Trieb-, Richt- und Formkriifte andererseits vorzunehmen. Die Vieldeutigkeit des Kraftbegriffes kehrt vor aHem bei der "Le benskraft" wieder, so daB man bei jeder Erorterung LOTZES Mahnung beherzigen muB: "Antworte mir erst, was du darunter verstehen willst!" 1m groBen und ganzen bestehen drei Grundrichtungen alterer "vitalistischer" Auffassungen; doch ist die Scheidung bei der Unscharfe der damaligen Begriffsbildung nicht streng durchzufiihren. 1. Lebenskraft als ein unbestimmtes Etwas, das organisches Leben bedingt und crhalt, nach Schadigung auch wieder herzustellen strebt (Heil• kraft). Dies ist die Physis des HIPPOKRATES, die Entelechie des ARISTOTELES, der Archaus des PARACELSUS, die Anima des G. E. STAHL, der Bildungs• trieb (nisus jormativus) von BLUMENBACH. Nach J. SCHUMACHER bestehen in der anti ken Philosophie (Pytha• goraer, Heraklit) Beziehungen der Lebenskraft zum allwaltenden Feuer, zur Warme (calor vitalis); KEPLER spricht von einer jacultas jormatrix, einer Formungskraft der Erdseele. "Was sich in den GefaBen organischer Korper aus den Grundstoffen bildet, das macht kein Chemiker in Kolben und Schmelztiegel nach" (GREN 1797). . Nach ERASMUS DARWIN (zit. von REIL; s. auch S.92) geschieht das Wachstum und die Erhaltung der organischen Wesen nicht eigentlich nach chemischen Affinitaten, sondern nach "Appetiten". "J eder einzelne Teil hat seinen besonderen Appetit, vermoge dessen er aus dem Strom des Blutes dasjenige Material aufnimmt, dessen er bedarf, und wodurch er An• satz und Wiederansatz bewirkt." (BERZELIUS hat diesen "Appetit" der Korpergewebe als katalytische Kraft erkannt. In gewisser Beziehung ist also die Katalyse tatsachlich, wie PAUL WALDEN bemerkt, "die legitime N achfolgerin der Lebenskraft".) GemaB KANT ist ein organisiertes Wesen nicht bloB Maschine, denn diese hat "lediglich bewegende Kraft", sondern es "besitzt in sich bildende Kraft, und zwar eine soIche, die sie den Materien mitteilt, welche sie nicht haben (sie organisiert): also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, weIche durch das Bewegungsvermogen allein (den Mechanismus) nicht erklart werden kann". "Leben" bedeutet das Vermogen, auf anreizende Krafte zuriickzuwirken; es besteht in einer Fahigkeit, "sich selbst nach Willkiir zu bestimmen". GOETHE sieht im Leben "die rotierende :3ewegung der Monas urn sich selbst" (s. auch S. 94). CHRISTOPH WILHELM HUFELAND (1762-1836) lehrt: "Die Lebenskraft bezeichnet die innere nachste Ursache der Lebenserscheinungen. Wir brauchen ein Wort dafiir, ohnerachtet wir die Sache nicht kennen. - Lebens• kraft heiBt nichts anderes, als das Vermogen eines Korpers, lebende Er• scheinungen hervorzubringen, und der Ausdruck sagt nichts anderes als: er

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lebt! - AIle Krankheitsheilungen werden durch die Natur bewirkt; die Kunst ist ihr Gehilfe und heilt nur durch sie. Sie ists, die alles hervor• bringt, erhalt, erneut. Sie ist unerschopflich, unendlich, ein wahrer ewiger Hauch der Gottheit." "Lebenskraft", in ahnlich unbestimmtem Sinne kehrt wieder bei LIEBIG (Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Patho• logie 1842). Sie erscheint hier als "Fahigkeit der Zunahme an Masse", sowie als Vermogen, "Widerstand gegen auBere Storungen zu leisten", als Schutzkraft des Lebewesens gegen die "Selbstentmischung, der die orga• nischen Teile nach dem Tode entgegengehen" (Formulierung von R. MAYER, M. I, 90)57. 2. Lebenskraft als eine Wirkkraft, die Lebenserscheinungen und Lebens• stoffe e r z e u gt, also z. B. Korpertemperatur schafft und organische Stoffe zauberisch bildet. (LOTZE bemerkt 1842, daB die erzeugende Ursache der tierischen Warme noch unbekannt sei.) Nach BRANDES (1793) sowie J. 'V. RITTER, ist die Lebenskraft mit der Elektrizitat identisch. Es war dies eine naheliegende Anschauung, nach• dem einerseits das Versagen klassischer Mechanik in grundlegenden physio• logischen Fragen, andererseits die Beziehung elektrischer Vorgange zu Lebensprozessen deutlich geworden war. Noch zu Beginn des 19. Jahr• hunderts vertraten verschiedene Naturforscher wie auch die idealistischen Naturphilosophen die Anschauung, daB sowohl die mineralischen Bestand• teile der Pflanzen wie der Phosphor der Knochen und der Kalk der Eier• schalen von der Lebenskraft neu erzeugt werde. In GEHLERS Worterbuch (1832) wird Lebenskraft umschrieben als "die• jenige Kraft, we1che die Erscheinungen des vegetabilischen und tierischen Lebens erzeugt und bedingt". Lebenskraft in diesem schopferischen Sinne faBt in sich, was frtiher mitunter besonderen "Geistern" wie Lebensgeistern, Nervengeistern (etwa als "Fluidum" vom B!ut tiber die Nerven nach dem Gehirn stromend) u. dgl. zugeschrieben worden war. Derartige Vorstellungen tiber Lebens• kraft sind hinfallig geworden, als es im 19. Jahrhundert dem Chemiker mehr und mehr gelang, Kohlenstoffverbindungen des Organismus aus anorgani• schen Stoffen experimentell herzustellen. In dieser Richtung hat vor allem die FRIEDRICH WOHLER gelungene "Harnstoffsynthese" (aus Ammonium• cyanat 1828) umsttirzlerisch gewirkt. Ihr haben sich zahlreiche weitere "Synthesen" angeschlossen, so daB H. KOLBE 1860 sagen konnte: "Die chemisch-organischen Korper sind durchweg Abkommlinge anorganischer Verbindungen und aus diesen, zum Teil direkt, durch wunderbar einfache Substitutionsprozesse entstanden." (Nach VAN'T HOFF 1900 wird der Chemiker mit seinen Synthesen "bis an die Zelle gehen, die als organisierte Substanz dem Biologen zufallt".) Gegen die Auffassung der Lebenskraft als einer geheimnisvoll zauber• haften Wirkursache ist LOTZES Aufsatz "Leben, Lebenskraft" von 1842 gerichtet gewesen. (LOTZE seIber aber spricht von einer Naturheilkraft.) M. J. SCHLEIDEN (1842) glaubt, daB der in allen Gestalten (auch anorgani• schen) vorhandeneoBildungstrieb sich letzthin als bloBe Bewegung erweisen wird. Eine "Lebenskraft" als "Prinzip der faulen Vernunft" sei abzulehnen. Ahnlich haben sich SCHWANN, VIRCHOW, DU BOIS-REYMOND gegen die Lebenskraft als eine Wirkkraft gewendet, und auf diese Auffassung beziehen sich auch R. MAYERS Worte von 1845, daB wir "gegen die Auf• stellung einer besonderen Lebenskraft Protest erheben" (M. I, 95). Tat• sachlich ist durch ROBERT MAYER eine Gleichstellung der Lebenskraft

- 85- 86 ALWIN MITTASCH: mit mechanischer, elektrischer, chemischer Kraft als arbeit• leistenden Wirkkraften endgiiltig beseitigt und zugleich fUr eine vollig veranderte Auffassung der Lebenskraft der Boden bereitet worden. Als besondere Erscheinungsform einer gewissermaBen magischen Lebens• kraft erscheint die Fahigkeit einer Urzeugung lebender Wesen 'aus an• organischem Material, die durch das ganze Mittelalter angenommen worden war. Wurde anfangs z. B. (noch 1560 von GESNER) die Entstehung einer "Baumgans" (Bernickelgans) aus Treibholz ernsthaft fUr moglich gehalten, so beschrankte man sich spater auf die Annahme einer spontanen Ent• stehung von Insekten und Wiirmern (FlOhe aus Urin, Wespen aus Kuhmist, Fliegenmaden aus faulendem Fleisch, Eingeweidewiirmer aus Darmschleim ll. dgl.). Noch GOETHE, SCHOPENHAUER, K. E. VON BAER haben in ge• wissem MaBe an "Urzeugung" geglaubt. Erst durch PASTEURS Forschungen ist der Urzeugungslehre der Boden vollig entzogen worden: Omne vivum ex vivo. Alles Lebendige aus Lebendigem! 58 3. Als eine Verfeinerung von 1. tritt auf die Anschauung: Lebenskraft ist eine rich ten de und regulierende hohere Potenz immaterieller Art, welche die chemische Gesetzlichkeit nicht aufhebt, sondern sie weitgehend beherrscht 59• G. E. STAHL hatte gelehrt, daB die Lebenskraft die physikalischen und chemischen Krafte binden und lOs en konne. F. GMELIN sagte 1817: "Organische Korper sind Produkte der durch Lebenskraft geleiteten Affinitat!" Die gleiche Grundauffassung spricht sich aus in dem organismischen "spiritus rector" des BERZELIUS, ferner bei JOHANNES MULLER, in LIEBIGS spaterer Anschauung sowie in SCHOPEN• HAUERs Satz: "Allerdings wirken im tierischen Organism us physikalische und chemische Krafte; aber was diese zusammenhalt und lenkt, so daB ein zweckmaBiger Organismus daraus wird und besteht - das ist die Lebens• kraft, sie beherrscht demnach jene Krafte und modifiziert ihre Wirkung, die also hier nur eine untergeordnete ist. Alle Erktarungen der Physiologie setzen die Lebenskraft voraus 60." Wenn R. MAYER in seiner graBen Schrift von 1845 (ahnlich wie LOTZE und SCHLEIDEN) den herkommlichen Begriff der Lebenskraft "als Wricht, verderblich" ablehnt, so ist dam it nicht sein letztes Wort gesprachen. In seinen eigenen Schriften wird nicht nur von organismischer "Regulierung" (M.l, 119,401), von Reizbarkeit und von "Herzkraft" (1851) gesprochen, sondern es gelangen schlie13lich ausdriicklich Krafte der Seele, des Geistes, des Willens (als "geistiges Prinzip") zur Anerkennung. Damit ist auch fiir eine Wiedereinsetzung der Lebenskraft die Vorbedingung geschaffen, jedoch einer "Lebenskraft" in dem kritisch gelauterten Sinne einer steuern• den Richtkraft. Die Lebenskraft - recht verstanden - als Organisations- und Ent• wicklungskraft der lebenden Natur, bildet den Ubergang zu hoheren geistigen Kraften, die ebenso wie die Lebenskraft durchweg nicht• energetische Richtkrafte und insofern in hohem MaGe irrational sind. Auf solche hoheren Krafte, wie sie bei BUFFON, CUVIER,GOETHE, HERDER, KIELMEYER, C. G. CARUS, LOTZE, SCHOPENHAUER u. a. vielseitige Erorterung finden, soll hier nur kurz eingegangen werden. Schon bei GOTTLIEB SELLE findet sich nach DIEPGEN "die Uberzeugung von der Stufenfolge der Geschopfe nach verschiedenen Graden" (wie bei BLUMENBACH und KIELMEYER) und "von der Tendenz der Naturkrafte Z\1 einer aufsteigenden Entwicklung". GOETHEs "schopferisches Lebensprinzip"

-86 - WILHELM OSTWALDS Auslasungslehre. 87 umfaJ3t Polaritat und Steigerung und steIlt eine Art "Spiraltendenz" dar. "Nicht nur erhalten wird die lebende Welt, sie wachst und sie verschanert sich", heiJ3t es bei R. MAYER (M. I, 355). Dem Steigerungsbegriff schlieBt sich der Gedanke einer geschicht• lichen En twickl ung an, mit der Frage nach den "dahinterstehenden" Entwicklungs- und Entfaltungskraften. Entwicklung des Einzel• lebewesens (Ontogenesis) und Stammesentwicklung (Phylogenesis), sowie auch die gesamte erdgeschichtliche Entwicklung sind seit dem 17. Jahr• hundert mehr und mehr beachtet worden; Praformationslehre und Epi• genesis haben auf organischem Gebiete gegeneinander gestanden. Wie auf dem gesamten Kraftgebiet ist auch hinsichtlich der Entwicklungskraft eine idealistische und eine mechanistische Richtung zu unterscheiden, mit mannigfachen Ubergangen und Einzelformen. Von hervorragenden Vertretern des Entwicklungsgedankens - nach Anfangen bei CUSANUS und PARACELSUS - seien LEIBNIZ, MALPIGHI, BUFFON, C. F. WOLFF, HUTTON, A. G. WERNER, LAMARCK, CUVIER, HERDER, KANT, GOETHE, ALEXANDER V.HUMBOLDT, SCHLEIDEN, E. v. BAER genannt. "Die Entwicklung ist der wahre Lichttrager fUr Untersuchungen tiber organische Karper" (E. v. BAER 1828). 'Niederholt ist man, zumal in den Kreisen der Romantiker, auch ver• b 0 r g e n e n Nat u r k raft e n verschiedener Art nachgegangen; es sei in dieser Beziehung nur MESMER genannt. Neben der Elektrizitat ist hier auch der Magnetismus zur Erhellung mit herangezogen worden. Wenn es in SCHMIDTS "Philosophischem Warterbuch" 4. Aufl. heiJ3t, die Lebenskraft sei "nichts anderes als die Resultierende aus den chemisch• physikalischen Elementarkriiften der Flementarlebensstoffe", so muJ3 die Frage aufgeworfen werden: 1st es schon je gelungen, aus bekannter che• mischer Gesetzlichkeit die Ordnungsgesetzlichkeit auch nur niederster Lebe• wesen zwingend abzuleiten? "Das Wesen des Lebens ist mit Mathematik und Physik nicht faJ3bar" (K. E. RANKE). Resultanz und Emergenz! Will man jedoch den Anthropomorphismus von Begriffen wie "Lebenskraft", "Willenskraft", "Entwicklungskraft" bemangeln, so ist zn erwidern: Auslasekrafte sind nicht mehr und nicht weniger "anthropomorph" als die Arbeit leistenden Wirkkrafte: im Ur• erlebnis gegeben ist nur das eine unteilbare flieJ3ende Geschehen, das unserem BewuJ3tsein zuganglich ist und yom Denken begrifflich zerteilt und damit geordnet wird. "Man zeige mir doch einen Begriff, der nicht anthropomorph ist!" (JOHANNES REINKE).

Robert Mayers Grofttat. In mannigfacher Weise vorbereitet, tritt ROBERT MAYERS Kraft- und Ausli:isungslehre doch als etwas Neues in die wissenschaftliche Welt, als etwas so Neues und Fortschrittliches - auch gegentiber HUME und KANT-, daJ3 bis heute die Auswirkung noch nicht abgeschlossen. ist. Bei ROBERT MAYER liegt der Ausgangspunkt ftir jede Kausallehre, die auf Allgemeingtiltigkeit ftir das Reich des Anorganischen und Orga• nischen, ftir Physisches und Psychisches, ftir Natur und Geistes• welt Anspruch erhe ben will. So vielerlei auch Gutes und Ntitzliches tiber Ursache und \Virkung, tiber Kraft und Zielhandlung vorher schon gesagt worden ist: erst durch ROBERT MAYER hat das "HUM Esche Pro• blem", wieso eine regelmaJ3ige Zeitfolge das Geprage notwendiger Verursachung tragen kanne, eine bestimmte und endgiiltige Lasung erfahren.

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Mehr und mehr ist sich R. MAYER bewuBt geworden, daB in der Ordnung der N aturkrafte - insbesondere der Richtkrafte - eine Auf stu fun g eine Rangordnung vom Niederen zum Hoheren und schlieBlich zum Hochsten (der einen gottlichen Allkraft) offenbar wird 61• 1m ganzen kann man sagen: Durch ROBERT MAYERS scharfe Definition der arbeitleistenden Wirkkrafte oder Grundkrafte - deren es nur wenige gibt -, und durch die damit ge• gebene Abgrenzung gegen nichtenergetische Auslosungs-, Trieb-, Richt-, Form- und Ordnungskrafte ist die alte Auffassung der Lebenskraft in der Bedeutung zauberischer Wirkung ein flir allemal erledigt. "Lebenskraft" im Sinne eines das Energiegetriebe des Organism us beherrschen• den "Urphanomens", das nicht "erklart" werden kann, wird jedoch durch beliebige Fortschritte der Physiologie ebenso• wenig erschtittert, wie dies dereinst durch WOHLERs Harnstoffsynthese und PASTEURS Erkenntnisse geschehen ist. Der gewaltige wissenschaftliche Fortschritt, den R. MAYERs Kausallehre gegentiber frtiherem dynamischen Denken bedeutet, wird be• sonders deutlich beim Lesen von JOHANN SAMUEL TRAUGOTT GEHLERS "Physikalischem Worterbuch", in 11 Banden (1825-1845, ), neu• bearbeitet von BRANDES, GMELIN, KORNER, MUNCKE, PFAFF; und zwar V. Band, 1. Abteilung 1829, Stichwort "Kraft" S. 956-1019; dazu noch Band VI, 2. Abteilung 1832, tiber Lebenskraft S. 111-123. Beide Aufsatze sind von GEORG WILHELM MUNCKE (1772-1847), Professor in Heidelberg, verfaBt und geben ein deutliches Bild nicht nur von der.Beengtheit damaliger Beurteilung trotz vielseitigen Wissens, sondern auch davon, daB die Unter• scheidung: Wirkkraft mit Xquivalenz zwischen Ursache und Wirkung, oder "nur" Richtkraft mit energetisch bedeutungslosem Eingreifen in das Flecht• werk von Wirkkraften - noch gar nicht geahnt, geschweige erkannt und begriffen war. Der Aufsatz in Band V gliedert sich folgendermaBen: 1. Naturphilosophische Erorterung. 2. Schallwellen. 3. Dauernde und vortibergehende Krafte. 4. Tote und lebendige Krafte. 5. MaB der Kraft (Streit CARTESIUS gegen HUYGHENS-LEIBNIZ). 6. Beschleunigende Krafte. 7. Veranderliche und unveranderliche Krafte. 8. Bewegende Kraft der Maschinen. A. Tierische. Muskelkraft. B. Das Gewicht des Korpers. C. StoBkraft. D. Zentrifugal- oder Schwungkraft. E. Elektrizitat. 9. Unbekannte Krafte. a) Sympathie oder Mitleidenschaft. b) Geheime elektrische und dieser ahnliche Krafte. c) Geheime magnetische Krafte (s. auch Ed. 6, S. 639--1196 tiber Magnetismus: animalischer Magnetismus, Mesmerismus, Magneto-Elektrizitat, tellurischer Magnetismus). Es ist R. MAoYERS groBes Verdienst, daB er mit seinem Begriff der AuslOsung - und zwar Auslosung in energetischem Sinne - den weiten Rahmen gespannt hat, in dem alle physischen und psychischen Richtkrafte ihren Platz finden. Zwischen die "katalytische Kraft" und die "Willenskraft" schaltet sich die "Lebenskraft" ein. "Das Seelische der Natur setzt sich im Seelischen der Kultur fort" (JOHANNES REINKE); der unbewuBte Korperwille findet im bewuBtenDenkwillen des Menschen seine Fortsetzung und Kronung. Vor allem ist bed eutsam , daB in R. MAYERs neue energetische Wirk• lehre die anstoBende und veranlassende Tatigkeit des Willens - von der jedes Kausaldenken seinen Anfang genommen hat - mit eingeschlossen

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wird. Da hoherer Wille ein denkender, wahlender, zielender, planender Wille ist, so steht besonnene Teleologie durchaus nicht auBerhalb von R.MAYERS Kausalsystem (oder gar gegnerisch dazu), sie ist kein st6render Fremdkorper mehr; sondern sie wird von seiner Wirklehre grundsatzlich mit aufgenommen; dasselbe gilt dann folgerichtig auch von Morphologie, Typologie, Plan- und Normenlehre 62• Ein uns unbewuBter, iiberbewuBter kosmischer Wille ist es, der in iiberkiinstlerischer Weise, im Rahmen physi• kalischer und chemischer Ordnungsgesetzlichkeit Ziele setzt, die Fiille orga• nischer Formen schafft und "Sinn verwirklicht" (ALVERDES). Der von ROBERT MAYER geschaffene oder doch vorbereitete dual e Kraftbegriff wird sowohl dem psychologischen Ursprung des Kraft• begriffes wie seinem alltaglichen Gebrauch gerecht, und er bildet zugleich fiir Wissenschaft und Philosophie eine Grundlage, auf der jede Kausal• forsehung widerspruchsfrei weiterbauen kann. Auf diesem Boden sind auch die AuslOsungslehren von NIETZSCHE und WILHELM OSTWALD errichtet. "Kraft" im allgemeinen Sinne ist die Fahigkeit, das Vermogen, Ur-heber oder Ur-sache zu sein, sei es durch eigene Arbeitleistung, sei es durch Aus• lOsung und Steuerung gegebener freier Energien bis zur SelbstauslOsung, Selbstregelung, Selbstbestimmung. Der Kraftbegriff der Mechanik aber ist nur eine Form, in der wir die Naturkraft erfahren und beherrschen.

Friedrich Nietzsches AuslOsungslehre: Reiz, Ajjekt und Wille als Ausloser. Eine umfassende Auslosungslehre zu schaffen, stellt sich als eine Aufgabe dar, die erst im 20. Jahrhundert in Angriff genommen worden ist. Was das ver• gangene Jahrhundert iiber ROBERT MAYER hinausgehend geleistet hat, kniipft im wesentlichen an die N amen FRIEDRICH NIETZSCHE und WILHELM OSTWALD an. Es ist demgemaB noch kurz auf NIETZSCHES AuslOsungslehre einzugehen. Den Dualismus von Umsetzungskausalitat und AuslOsungs- oder An• stoBkausalitat bringt NIETZSCHE im Nachtrag zur "Frohlichen Wissen• schaft" (1887) einwandfrei zum Ausdruck: "Zwei Arten Ursache, die man verwechselt. - Das erscheint mir als einer meiner wesentlichen Schritte und Fortschritte: ich lernte die Ursache des Handelns unterscheiden von der Ursache des So-und-So-Handelns, des In-dieser-Richtung, Auf-dieses-Ziel• hin-Handelns. Die erste Art Ursache ist ein Quantum von aufgestauter Kraft, welches darauf wartet, irgendwie, irgendwozu verbraucht zu werden; die zweite Art ist dagegen etwas, an dieser Kraft gemessen, ganz Unbe• deutendes, ein kleiner Zufall zumeist, gemaB dem jenes Quantum sich nun auf eine und bestimmte Weise ,auslost'; das Streichholz im Verhaltnis zum PulverfaB." Oft aber hat man, wie NIETZSCHE feststellt, die nur "diri• gierende" Kraft und die "treibende Kraft", "den Steuermann und den Dampf verwechselt" (5, 310)*. Von ROBERT MAYERs Hauptformen des AuslOsungsgeschehens fehlt bei NIETZSCHE die Katalyse, das Wort Ferment kommt jedoch bei ihm vor. Um so mehr wird iiber die physiologische, sowie die psychophysische und geschichtliche Auslosung (also die auslOsende Tatigkeit von Gefiihl und Wille) Bedeutsames gesagt. Wir geben einige ausgewahlte Beispiele: Reizung. "Eine Bewegung tritt ein 1. durch einen direkten Reiz, z. B. beim Frosch, dem man die GroBhirnhemisphare ausgeschnitten hat (... ), 2. durch Vorstellung der Bewegung, durch das Bild des Vorganges in uns (... ). Sobald jenes Bild entsteht, entsteht die entsprechende * Die Ziffern bedeuten Band- und Seitenzahl der Leipziger Gesamtaus• gabe von NIETZSCHES Werken.

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Bewegung, das Bild dient als auslosender Reiz" (12, 151). "Ein Bild, innerlich auftauchend, wirkt schon als Bewegung der Glieder• eine gewisse Willensaushangung" (16,239). "Damit ein Reiz wirklich auslOsend wirkt, muB er starker sein als der Gegenreiz, der immer auch da ist, z. B. die Lust der Ruhe, die Tragheit muB aufgehoben werden" (12, 152). "Es muB eine Auslosung im Gehirn fiir jeden Zustand geben" (11,342). "Es ist etwas Aktives daran, daB wir einen Reiz annehmen, und daB wir ihn als solchen Reiz annehmen (... ). So entsteht unsere Welt, unsere ganze Welt" (14, 51). "DaB unsere Vorstellungen als auslOsende Reize wirken, kommt daher, daB wir viele Vorstellungen immer als das Gleiche vorstellen und empfinden" (12,36). "Wir messen alles nach der Explosion, die ein Reiz in uns hervorruft, als graB, klein usw." (12,192). ,,1m kleinsten Organismus bildet sich fortwahrend Kraft und muB sich dann auslOsen: entweder von sich aus, wenn die Fiille da ist, oder es kommt ein Reiz von au Ben" (12,148). Wie schon aus den angefiihrten AuBerungen hervorgeht, betrachtet NIETZSCHE aIle "psychophysische \Vechselwirkung", alles leib-seelische Ver• halten unter dem Gesichtspunkt der AuslOsung. "Man spricht von den Ursachen der Affekte und meint ihre Gelegenheiten" (12,304). "Verstim• mung als verhinderte Auslosung" (12, 92). "Viele unserer Triebe finden ihre AuslOsung in einer mechanischen starken Tatigkeit, die zweckmaBig gewahlt sein kann: ohne dies gibt es verderbliche und schadliche Aus• losung. HaB, Zorn, Geschlechtstrieb usw. konnten an die Maschine gestellt werden und niitzlich arbeiten lemen, z. B. Holz hacken oder Briefe tragen oder den Pflug fiihren. Man muB seine Triebe umarbeiten" (12, 169) 63. "Gliick ware das Gleichgewicht der auslosenden Tatigkeiten allerTriebe" (12, 257). Fiir den Kiinstler besteht "ein Bediirfnis, sich gleichsam loszu• werden durch Zeichen und Gebarden; Fahigkeit, von sich durch hundert Sprachmittel zu reden - ein explosiver Zustand" (16, 239). Uber die auslOsende Wirkung, we1che der Wille in Handlungen - eigenen oder fremden - mit sich bringt, lesen wir unter anderem: "Der Mensch iibt nur Reize auf andere Menschen aus, es kommt darauf an, was im anderen Menschen vorhanden ist, daB das Pulver explodiert oder daB der Reiz fast nichts ausmacht" (12, 192). "GroBe Manner sind wie groBe Zeiten Explosivstoffe, in denen eine ungeheure Kraft aufgehauft ist (... ). 1st die Spannung in der Masse zu graB geworden, so geniigt der zufalligste Reiz, das Genie, die Tat, das groBe Schicksal in die Welt zu rufen" (8, 155). "Der machtigste neue Gedanke schafft neue Bewegungsgesetze, aber keine neue Kraft" (12,65). Wirkung. "Der Reiz, den einer ausiibt, die AuslOsung, die er gibt, bei der andere ihre Krafte auslOsen (z. B. der Religionsstifter), ist gewohnlich mit der Wirkung verwechselt worden: man schlieBt aus groBen Kraft• auslOsungen auf groBe U rsachen. Falsch! Es konnen unbedeutende Reize und Menschen sein, aber die Kraft war angesammelt und der Weg zur Explosion bereit: Blick auf die Weltgeschichte!" (12, 192). Es lage nahe, NIETZSCHES AuslOsungslehre mit derjenigen von WILHELM OSTWALD in Vergleich zu bringen. Hier mag es geniigen festzusteIlen, daB beide Manner auf ROBERT MAYERS Boden stehen. ·Wahrend aber bei OST• WALD das Erscheinungsgebiet der Katalyse den Ausgangspunkt bildet, wendet sich NIETZSCHes Hauptinteresse sogleich den biologischen und psychologischen Auslosungen zu, und zwar bleibt katim ein Teil• gebiet so1cher AuslOsungen unbeachtet, von einfachen reflektorischen Reiz• wirkungen bis zu explosiven Willenswirkungen in der Weltgeschichte.

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B. Verschiedene iiltere Ausspriiche iiber Verursachung und Kraft. Es leuchtet ohne weiteres ein, daB vor der Aufstellung des universellen Gesetzes der Erhaltung der Energie durch ROBERT MAYER und HELMHOLTZ aIle Ausspriiche iiber Ursache und Kraft mehr oder minder unbestimmt bleiben muBten. Insbesondere kann eine klare Scheidung von arbeitenden 'VirkkriiJten wie Elektrizitat und mechanische Kraft und energetisch mehr oder minder belanglosen Richtkraften nach Art des Willens in .AuBerungen aus alterer Zeit nicht erwartet werden. Die hoheren Ordnungskrafte, von den en namentlich in dem philosophischen Schrifttum vielfach die Rede ist, umfassen regelmaBig sowohl Elemente der Energieumsetzung wie der AuslOsung solcher U msetzungen. (Siehe auch A. MITTASCH, J. ROBERT MA YERs Kausalbegriff S. 63 bis 64.) Die Benediktinerin HILDEGARDIS VON BINGEN (1100--1179), Natur• forscherin und .Arztin, schreibt zu Beginn ihrer Physica: "Von den Heil• kraften, welche den Pflanzen, Gesteinen und Fischen, den Vog-eln, Sauge• tieren und Reptilien innewohnen, will ich, die demiitige Tochter des heiligen Rupertus Hildegardis, erzahlen. Vier gewaltige Krafte hat die Luft. Sie entsendet den Tau, der das Griin erweckt, sie bewegt den Hauch des Windes, der die Bliiten hervorlockt, sie verbreitet Warme, durch die sie alles reifen laBt, wie sie selbst iiber vier Himmelsrichtungen sich verteilt. Niemals aber empfangt die Luft eine Mehrung, sondern sie bleibt, wie sie war, von An• beg inn der ·Welt. Nichts geht verloren im ungeheuren Raum, den Gottes Hand schuf, niehts kommt hinzu. Alles bleibt in dem Zustande, in dem es war am ersten Tage der Welt. Nur die schwache Form wird zerschlagen und unterliegt dem Wechsel." LEONARDO DA VINCI: "Kraft ist eine geistige Wesenheit (essentia) , welche durch auBerliche Gewalt sich den Korpern, die von ihrem natiirlichen Ver• langen gezogen werden, verbindet. Kraft ist eine Macht, geistig, unkorper• lich, ungreifbar." "Kraft ist die Ursache der Bewegung, und Bewegung ist die Ursache der Kraft." Von Physikern, Chemikern und Physiologen neuerer Zeit seien folgende .AuBerungen wiedergegeben: MAUPERTUIS: "Der Begriff Kraft ist nur ein Deckmantel fiir unsere U nwissenheit. " Nach D'ALEMBERT ist Kraft (wie bei HUME) nur ein Ausdruck fiir be• stimmte quantitative Beziehungen der Physik; eine Kraft muB meBbar sein. - LAGRANGE: "Kraft ist die Ursache, welche einem Korper eine Bewegung erteilt oder zu erteilen strebt." JOSEPH BOSCOVICH (1711-1779): "Die Materie besteht aus vollkommen vereinzelten, unteilbaren, unausgedehnten und wechselseitig durch Abstande getrennten Punkten, von denen jeder einzelne die Kraft der Tragheit und auBerdem eine aktive Kraft der 'Vechselwirkung besitzt, welche von der Entfernung abhangt, und zwar so, daB, wenn die Entfernung gegeben ist, auch die GroBe und Richtung der Kraft selbst gegeben ist." (1758; wieder• gegeben in FR. ZOLLNER, Wissenschaftl. Abhandl. I, 1878, S. 60.) Ein Atom ist danach nur der Schnittpunkt derjenigen Kraftlinien des Raumes, die auf jene Stelle hinfiihren. "Pater BOSCOVICH war der erste, der iiber NEWTON hinausgehend ein System der Central kraft schuf. Er hat NEWTONs mathe• matisch-mechanische Prinzipien als erster zu einer umfassenden eigent• lichen Dynamik ausgestaltet" (OSWALD SPENGLER). W. R. GROVE: "Alles, was wir wissen oder sehen, ist die Wirkung; die Kraft selbst sehen wir nicht - wir nehmen Bewegung oder sich bewegende

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Materie wahr. Ich verstehe unter Kraft das von del" Materie unzertrennliche Tatigkeitsprinzip, von dem man annimmt, daf3 es der Grund der verschie• denen Veranderungen ist." Hierzu einige von ROBERT MAYER angefiihrte altere Definitionen: In einem Briefe an BAUR vom 6. August 1842 (M. II, 142) wird zitiert BAUM• GARTNER (Naturlehre, 5. Aufl.): Kraft als "eine dem Wesen nach ganz unbekannte Ursache einer Erscheinung". Ferner wird angefiihrt LAME, Cours de physique, 2. Aufl., Paris 1840, S. 18 u. 23: «On donne Ie nom de force a toute cause qui peut faire passer un corps de ['etat de repos a celui de mouvement, ou produire l'effet inverse. Les forces sont proportionnelles aux vitesses qU'elles imprimeraient a une meme masse etc.» In BlOTS Experimental• physik, iibersetzt von FECHNER, Band 1, S. 28, wird jede Ursache, welche die Materie vom Zustande der Ruhe in den der Bewegung oder umgekehrt zu versetzen vermag, Kraft genannt. In einem weiteren Briefe an BAUR vom 27. November 1844 (M. II, 166) wird ein Ausspruch aus BOHNEN• BERGER, Astronomie, Tiibingen 1811 zitiert: "Hierbei muf3 man aber nie• rna Is vergessen, daf3 die Worte Gravitation, Attraktion usw. blof3 das Phanomen bezeichnen, nieht die physische Ursache desselben, welche uns ganzlieh unbekannt ist, angeben sollen." CARL FRIEDRICH VON KIELMEYER (1765-1844), der sich vor allem dem Studium der organischen Krafte, d. h. der Formungs- und Ent• wieklungskrafte gewidmet hat, unterscheidet: 1. Sensibilitat, 2. Irritabilitat, 3. Reproduktionskraft, 4. Sekretionskraft, 4. Propulsionskraft. Allgemein wird "durch eine einige Kraft, die hier, wie das Licht, in verschiedene Strahlen gespalten erscheint, und deren Strahlen dort in unendlich ver• schiedenen Verhaltnissen gemischt wurden, das kleinste Organ bis hin zur zusammengesetzten ungeheuren Maschine in Bewegung gesetzt durch eine Kraft, welche vielleicht vom Lichte urspriinglich geweckt wurde, so wie sie noch jetzt dessen tagliche Unterstiitzung genief3t. - So ist also auch hier eine Ahnlichkeit der Gesetze, nach denen sich die organischen Krafte, und die Krafte des menschlichen Geistes, in ihren Verhaltnissen abandern, bemerklich. - Ihr werdet gestehen miissen, daf3 jene Verkettung Wirkung und Ursache doch so aussieht (... ) wie eine Verkettung von Mittel und Absicht bei euch, und ihr werdet es eurer Vernunft ( ... ) sehr zutraglich finden, eine solche Verkettung anzunehmen." JOHANN CHRISTIAN REIL (1759-1813, Professor der Medizin in Halle und Berlin): "Kraft ist ein subjektiver Begriff, die Form, nach welcher wir uns die Verbindung zwischen Ursache und Wirkung denken. Wir sind geneigt, die Kraft als etwas von der Materie Verschiedenes zu denken und die Materie gleichsam als Vehikel der Kraft anzusehen, obgleich die Er• scheinungen von ihr unzertrennlieh und Resultate ihrer Eigenschaften sind. Die Materie ist niehts anderes als eine Kraft, ihre Accidenzen sind die Wir• kungen, ihr Dasein ist Wirkung." 1m einzelnen unterscheidet REIL: 1. Phvsische Kraft. 2. Lebenskraft, anscheinend von "einer einzigen Materie" ahhangend, "so wie die Expan• sibil it at aller Naturkorper von dem Warmestoff abhangt". ("Auch das Licht, die auf3erst subtile Materie, scheint ein Bestandteil des tierischen Korpers zu sein.") 3. Vegetative Kraft d~r Pflanzen. 4. Animalische Kraft. 5. Das Vernunftsvermogen. (Von dieser Lehre sagt DIEPGEN: "Ein gesunder Vitalismus, der die Lebenskraft an den Stoff band und von seiner Zusammen• setzung aile in abha:ngig machte. ") In bezug auf die "physisch-chemische Wirkungsart der Reize" meint REIL, "daf3 zwischen dem Korper, der reizt, und dem, der gereizt wird, eine

-92- WILHELM OSTWALDS Auslosungslehre. 93

wechselseitige Mitteilung eines feinen Stoffes stattfindet. Vielleicht wird auch durch den Reiz an den verbundenen Organen schnell zu dem gereizten Organ eine feine Materie zugeleitet." (Dal3 diese "feine Materie" in Wirk• lichkeit eine "elektrische Stromung" ist, hat eine spatere EJektrophysiologie messend aufgewiesen: E. DU Bors-REYMOND u a. m.). Auch hier, gleichwie gegenuber GEHLERS Worterbuch, ist der gewaltige Fortschritt, den R.MAYERS klares und tiefes Denken in der Auffassung der "Kraft" gebracht hat: Wirkkraft oder AuslOsekraft, deutlich zu erkennen! MICHAEL F ARADA Y: "In allen Erscheinungen der Schopfung kennen und erkennen wir nur die Krafte - abstrakte Materie nicht in einem einzigen Falle" (1844). "Es sind die Krafte der Atom-Centren, we1che alle Korper durchdringen (und konstituieren) und ebenso den Raum" (1846). "Jedes Atom dehnt sich sozusagen durch unser ganzes Sonnensystem aus, aber bewahrt stets sein eigenes Kraftzentrum" (1844). (FARADAYS "Kraft• linien" sind nach seinem eigenen Ausspruch "imaginar", nur "Reprasen• tanten der Kraft", nach FR. ZOLLNER "in ihrer geometrischen Bedeutung nichts anderes als die Normalen zu den LAPLAcE~GAussschen Potential• flachen".) ALEXANDER VON HUMBOLDT: "Es ist die Ein~icht in den Zusammenhang der lebendigen Krafte des Weltalls als die edle Frucht der menschlichen Kultur, als das Streben nach dem hochsten Gipfel, we1chen die Vervoll• kommnung und Ausbildung der Intelligenz erreichen kann, zu betrachten." KARL ERNST VON BAER 1837: "In der Wirklichkeit besteht kein Stoff ohne Eigenschaften (Krafte), so wie wir keine Kraft kennen, die nicht aus Stoffen wirkte. Beide aber sind veranderlich, und die Naturgesetze sind die bleibenden Notwendigkeiten, nach denen sie sich verandem." FRIEDRICH MOHR: "Was eine Kraft aufheben will, mul3 seIber eine Kraft sein." JAKOB BERZELIUS: "Was eine Kraft ist, wissen wir nicht anders als durch ihre Wirkungen." E. DU Bors-REYMOND: "Die Kraft ist das Mal3, nicht die Ursache der Bewegung." JUSTUS LIEBIG (in "Tierchemie" 1842): "Die Kultur ist die Okonomie der Kraft; die Wissenschaft lehrt uns die einfachsten Mittel erkennen, urn mit dem geringsten Aufwand von Kraft den grol3ten Effekt zu erzielen und mit gegebenen Mitteln ein Maximum von Kraft hervorzubringen. Eine jede unnutze Kraftaul3erung, eine jede Kraftverschwendung in der Agri• kultur, in der Industrie und der Wissenschaft, sowie im Staate, charak• terisiert die Rohheit oder den Mangel an Kultur." (Anklang an OSTWALDs energetischen Imperativ!) HELMHOLTZ: "Das Gesetz der Erscheinungen finden, heil3t begreifen. So tritt uns das Gesetz als eine objektive Macht entgegen, und demgemal3 nennen wir es Kraft. Nur wo es Gesetze gibt, gibt es Krafte; denn Krafte sind objektivierte Gesetze. Insofern wir das Gesetz als ein unsere Wahr• nehmung und den Ablauf der Naturprozesse Zwingendes, als eine unserem Willen gleichwertige Macht anerkennen, nennen wir es Kraft."

A Usspl'uche von Philosophen und Dichtel'n. LEIBNIZ: "Denn ich bin der Ansicht, dal3 ein Korper nicht ohne Kraft sein kann. Die Substanz der Dinge besteht in der Kraft zu handeln und zu leiden." An MALEBRANCHE 1698: "Alles ist bestimmt in den Dingen, entweder von quasi geometrischen Grunden der Notwendigkeit oder von quasi moralischen Grunden der hochsten Vollkommenheit." HUME: "Kraft und Ursache sind Beziehungsbegriffe."

- 93- 94 ALWIN MITTASCH:

IMMANUEL KANT: "Die Wirkung einer Materie auf andere aul3er der Beruhrung ist die Wirkung in die Ferne (actio in distans). - Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine unmittelbare Wirkung der• selben auf andere durch den leeren Raum. - Materie ist die Substanz nach ihrem Dasein, Kraft ist die Substanz nach ihrem Wirken aufgefal3t. Kraft ist die Fiihigkeit, den inneren Zustand anderer Substanzen zu iindern"; sie ist "die Ursache der Bewegung", die "Kausalitiit der Substanz". Fur den Organismus gilt: "Das dirigierende Prinzip ist immateriell, das Leben geht von einem Archeus aus." J. G. HERDER: "In der Schopfung unserer Erde herrscht eine Reihe aufsteigender Formen und Kriifte. Keine Kraft der Natur ist ohne Organ, das Organ ist aber nie die Kraft selbst, die mittelst jenem wirkt. Das Reich der Menschenorganisation ist ein System geistiger Kriifte. Die genetische Kraft ist die Mutter aller Bildungen auf der Erde. Aile zerstorenden Kriifte in der Natur mussen den erhaltenden Kriiften mit der Zeitenfolge nicht nur unterliegen, sondern auch selbst zuletzt zur Ausbildung des Ganzen dienen. Bei jedem lebenden Geschopf scheint der Zirkel organischer Kriifte ganz und vollkommen, nur ist er bei jedem anders modifiziert und ver• teilt." Die Seele eines Geschopfes ist "die Summe und das Resultat aller in einer Organisation wirkenden lebendigen Kriifte. - Ins inn ere Reich der Kraft schau en wir nicht. - Vom Stein zum Kristall, vom Kristall zu den Metallen, von diesen zur Pflanzenschopfung, von den Pflanzen zum Tier, von diesem zum Menschen sahen wir die Form des Organischen steigen und mit ihr auch die Kriifte und Triebe der Geschopfe vielartiger werden und sich endlich in der Gestalt des Menschen, sofern dieser sie fassen konnte, vereinen. Mit dem Menschen schliel3t die Reihe irdischer Organismen. Er stellt also zwei Welten auf einmal dar, und das macht die anscheinende Duplizitiit seines Wesens." J. G. HAMANN: "Keine Kraft geht unter. Das Sein offenbart sich durch Kraft. Die Natur ist ein Buch, ein Brief, eine Fabel. 1ch halte mich an den Buchstaben und an das Sichtbare und Materielle, wie an den Zeiger einer Uhr; aber was hinter dem Zifferblatt ist, da findet sich die Kunst des Werkmeisters, Riider und Triebfedern. Die ganze sichtbare Natur ist nichts als das Zifferblatt und der Zeiger, das ganze Riiderwerk und das rechte Gewicht sind Steine, Winde und Feuerflammen." NOVALIS: "Aile Kraft wirkt in infinitum. Das Universum ist im Zu• stan de einer gespannten Feder. Materie ist das Schema der Kraft." Wie leicht in iilterer idealistischer Naturphilosophie der Kraft• begriff ins N ebelhafte zerflol3, bezeugen folgende Ausspruche: SCHELLING: Kraft ist "Extensitiit, bestimmt durch Intensitiit"; oder: "der immanente Grund von Realitiit aus dem Begriff". Die Intensitiit einer Kraft "kann nur gemessen werden durch den Raum, in dem sie sich ausbreiten kann, ohne = 0 zu werden". Daneben aber auch: "Kraft allein ist das Nichtsinnliche an den Objekten. - Die Materie ist selbst Kraft." STEFFENS: "Kraft ist die Identitiit der Intensitiit und Extensitiit." (Bemerkenswerter• weise finden sich Ankliinge an derartige Spekulation in ROBERT MAYERs Erstlingsaufsatz von 1841!) JOHANN WOLFGANG GOETHE: "Grol3e, von Ewigkeit her oder in der Zeit entwickelte ursprungliche Kriifte wirken unaufhaltsam; ob nutzend oder schadend, das ist zufiillig." (Maximen und Reflexionen; Kunst und Altertum.)

-94 - WILHELM OSTWALDS Auslosungslehre. 95

,,1m verschlossenen HaB die Elemente tosend Und Kraft an Kraften widrig sich stoBend ... 1m lebend wirkenden Ebengesang, Sich tate Kraft in Kraft verzehren, Sich tate Kraft in Kraft vermehren, Und auf und ab sich rollend schwang." (Satyros, V. Akt.) ,,1st es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es soUte stehn: 1m Anfang war die Kraft!" (Faust I, 1.) "Nur aIle Menschen machen die Menschheit aus, nur aIle Krafte zu• sammengenommen die Welt. Diese sind unter sich oft im Widerstreit, und indem sie sich zu zerstoren suchen, halt sie die Natur zusammen und bringt sie wieder hervor." (Wilhelm Meisters Lehrjahre.) "Was wir von Natur sehen, ist Kraft, die Kraft verschlingt." (Uber SULZERs "Schone Ktinste".) "Der Mensch sieht nur die Wirkungen; die Ursachen, selbst die nach• sten, sind ihm unbekannt; nur sehr wenige, tiefer Dringende, Erfahrene, Aufmerkende werden ebenfalls gewahr, woher die Wirkung entspringe." (Zur Farbenlehre, Geschichte.) "ja, einen AniaB muB man doch zu allem haben." (In Gesprachen.) Uber Lebenskraft: Zur Morphologie I (1817), Bildungstrieb: "Denn an einer organischen Materie, und wenn sie noch so lebendig gedacht wird, bleibt immer etwas Stoffartiges kleben. Das Wort Kraft bezeichnet zunachst etwas nur Physiscnes, sogar Mechanisches; und das, was sich aus jener Materie organisieren soll, bleibt uns ein dunkler unbe• greiflicher Punkt. Nun gewann BLUMENBACH das Hochste und Letzte des Ausdrucks, er anthropomorphisierte das Wort des Rathsels und nannte das, wovon die Rede war, einen nisus jormativus, einen Trieb, eine heftige Tatig• keit, wodurch die Bildung bewirkt werden sollte. ( ... ) Zum SchluB ein Schema, urn weiteres Nachdenken aufzuregen: Stoff Vermogen Kraft Gewalt Leben." Streben Trieb Form "Es hat sich auch in dem wissenschaftlichen Menschen zu allen Zeiten ein Trieb hervorgetan, die lebendigen Bildungen als solche zu erkennen, ihre auBeren sichtbaren, greiflichen Teile im Zusammenhange zu erfassen, sie als Andeutungen des Innem aufzunehmen und so das Ganze in der Anschauung gewissermaBen zu beherrschen. Wie nahe dieses wissen• schaftliche Verlangen mit dem Kunst- und Nachahmungstriebe zusammen• hange, braucht wohl nicht umstandlich dargelegt zu werden." (Bildung und Umbildung organischer Naturen, 1817.) "Uber geistige Krafte: .Und tiberaIl! was konnen wir denn unser Eigenes nennen, als die Energie, die Kraft, das Wollen!" (Uber MOLIERE zu ECKERMANN, 12. Mai 1825.)

- 95- 96 ALWIN MITTASCH:

"Vermach tnis. Kein \Vesen kann zu Nichts zerfallen! Das Ew'ge regt sich fort in allen, Am Sein erhalte dich begliickt. Das Sein ist ewig; denn Gesetze Bewahren die lebend'gen Schatze, Mit welchen sich das All geschmiickt. " ARTHUR SCHOPENHAUER (Welt als Wille und Vorstellung, 1819): "Wer also das Gesetz der Kausalitat erkannt hat, der hat eben damit das ganze \Vesen der Materie als solcher erkannt, denn diese ist durch und durch nichts als Kausalitat. - Ihr Sein namlich ist ihr Wirken, kein anderes Sein derselben ist auch nur zu den ken moglich. Nur als wirkend fliIlt sie den Raum, fiillt sie die Zeit. - Ursache und Wirkung ist also das ganze Wesen der Materie; ihr Sein ist ihr Wirken. - Hochst treffend ist daher im Deutschen der Inbegriff alles Materiellen Wi r k I i c h k e i t genannt; mithin wei gewirkt wird, ist Materie, und das Materielle ist das Wirkende iiberhaupt. - Denn was nicht wirkt, das ist auch nicht. - Die Quantitat einer gegebenen Materie kann iiberhaupt nur nach ihrer Kraft geschatzt und diese nur an ihrer AuBerung erkannt werden. - Die Naturwissenschaft nun hat die Materie als Problem und das Gesetz der Kausalitat als Organon. Die Kraft selbst ( ... ) bleibt ihr ewig ein Geheimnis ( ... ), das inn ere Wesen der also erscheinenden Krafte bleibt stets unerkHirt." In Gesprachen hat SCHOPENHAUER LEIBNIZ' "Philosophie der Kraft" als Vorgangerin seiner "Philosophie des Willens" bezeichnet: "Der Wille ist die Kraft." Schon im Unorganischen ist "die allgemeine Naturkraft ( ... ), an sich mit dem Willen identisch, hier gleichsam die See Ie eines sehr kurzen Quasi-Lebens". Den Naturkraften, "selbst den untersten", muO man eine "Aeternitat und Ubiquiti-tt unmitte1bar zuerkennen, an welcher uns die Verganglichkeit ihrer fliichtigen Erscheinungen keinen Augenblick irre macht. - Ding an sich ist allein der Wille." HERMANN LOTZE 1843: "Die Dinge wirken nicht, wei! sie Krafte haben, sondern sie haben dann scheinbare Krafte, wenn'sie etwas bewirken." GUSTAV THEODOR FECHNER: "Kraft ist in der Physik we iter nichts als ein Hilfsmittel zur Darstellung der Gesetze des Gleichgewichts und der Bewegung. - Krafte sind Relationsbegriffe." BERNARD BOLZANO: "Solche Beschaffenheiten einer Substanz, welche die Ursache sind, daB sie gewisse Wirkungen hervorbringt, nennen wir Krafte. " HERMANN LOTZE: "Kraft ist die Fahigkeit und die Notigung zu einer nach Art und GroBe bestimmten zukiinftigen Leistung, die allemal ein• treten wird, sobald eine bestimmte Bedingung realisiert sein wird. Nur in Beziehung aufeinander haben die Korper Krafte." WILHELM WUNDT: "Kraft ist die an die Substanz gebundene Kausalitat." ERNST MACH: "Nach U rsachen zu fragen haben wir im allgemeinen nur ein Bediirfnis, wo eine ungewohnliche Anderung eintritt, analog denen, welche durch unseren Willen eingeleitet werden."

c. Zur neuesten Entwicklung der Ausliisungslehre. Es wiirde eine besondere Aufgabe sein, die Weiterbildung des Aus• IOsungsbegriffes seit \VILHELM OSTWALD und FRIEDRICH NIETZSCHE bis in unsere Zeit zu verfolgen, und zwar sowohl in den Einzelwissenschaften wie in der Philosophie 84• Vieles fiillt noch in WILHELM OSTWALDS Lebenszeit;

- 96- \VILHELM OSTWALDs AuslOsungslehre. 97 elmges, wie das staunenswerte Vordringen unserer Kenntnisse tiber "Aus• losung" mittels Entfesselung der gewaltigen inneratomaren oder sub• atomaren Energien, we1che in der Materie schlummern, ist erst das Ergebnis der letzten Jahre. Auf physikalischem Gebiet sei die Theorie der Verstarkerwirkung hervorgehoben, wie sie neuerdings PASCUAL JORDAN entwickelt hat. 1m physiologischen Bereiche haben Methodik und Theorie der Reizlehre gewaltige Fortschritte gemacht. Als "eigentliches Gebiet" der AuslOsung erscheint nach E. v. LIPPMANN "das der organ is chen und vor allem das der geistigen \Velt, bei deren A.uJ3erungen das Fehlen der sonst gewohnten Kausalitats- und A.quivalenzverhaltnisse handgreiflich zutage tritt". Von der rna thema tischen Seite hat zuerst A. v. OETTINGEN die Aus• lOsung erortert. AuslOsung bedeutet danach "einen IntegralprozeJ3, dessen letztes Glied allein als DifferentialprozeJ3 den Beginn eines Vorganges an• ktindigt, daher allein wesentlich ist". Bei THEODOR GROSS heiJ3t es: "Die Veranlassung in der Physik ist die AuslOsung. AuslOsend wirkt eine Energie auf ein Korpersystem, wenn sie darin innere Energie freimacht, wie z. B. die Energie, die ein gehobenes Gewicht zum Fall bringt." Nach PFEFFER ist Reizwirkung "nicht Aufdrangung von Bewegungen, sondern AuslOsung". "Die kleinsten Reize konnen die groJ3ten Krafte ent• fesseln (AUGUST BIER). "Alles Lebendige reagiert auf Reize" (RUBNER). Die Bedeutung induzierender Reize als "Organisatoren" bei embryonaler Formentwicklung der Lebewesen haben in den letzten Jahrzehnten zahl• reiche Forscher wie vor allem HANS SPEMANN dargelegt. \VILHELM \VUNDT und HANS DRIESCH haben dem AuslOsungsbegriff sowohl auf katalytischem wie auf biologischem Gebiete ihre Aufmerksamkeit gewidmet; DRIESCHs "Suspendieren" (als einer Fahigkeit der Entelechie) ist das negative Gegensttick der positiven Auslosung. "Die Ursache ist AuslOsung, wenn das Quantum der Wirkung groJ3er ist als ihr Quantum." Naturfaktoren gelten als "auslOsende Ursachen" (DRIESCH). Die Lebens• kraft im Keime nennt MAUTHNER "eine auslOsende Kraft". "Kausalitat stellt auch mit Annahme von Richtkraften eine ltickenlose Reihe dar" (H. HERZ 1906). "Die Richtung ist das geschichtliche Element des Seelenlebens wie des Naturlebens" (HARALD HOFFDING). Es gibt "eine V era n I ass u n g psychischer Erregung d urch physische U rsachen" (L. BUSSE). Nach HEINRICH RICKERT kommt demgemaJ3 flir die \Vechselwirkung von Physischem und Psychischem der AuslOsungsbegriff in Frage (5. auch LOTZE, S.77). Auf die Bedeutung des AuslOsungsbegriffes flir die Weltgeschichte hat neben NIETZSCHE auch ALOYS RIEHL nachdrticklich hingewiesen. "Vielleicht, daJ3 die exakte Erforschung der Kontakteinfliisse und AuslOsungen einen \Veg eroffnet, auch das rein Tatsachliche, das Historische in der Zusammen• ordnung und dem Verlauf der Dinge einem Gesetzesbegriff unterzuordnen." In Ubereinstimmung mit R. MAYER sagt RIEHL: "Der \Ville bewegt nicht selbst, er richtet nur die Bewegung. - Ein Motiv wirkt so gesetzlich wie ein StoJ3." SIGWART erwagt, wie weit ein Willensimpuls "bloJ3 als aus• IOsender Vorgang gegentiber einer disponiblen Energie zu betrachten sei, analog dem SchlieJ3en eines elektrischen Stromes - der eine Mine entztindet". Und ahnlich E. BECHER: "Die psychischen Vorgange im Organismus len ken den Lanf physischer Vorgange, ohne Energie zu produzieren." "Das Motiv ist die feinste Art der Auslosung, die letzte Gelegenheits• ursache zur Betatigung des Individualwillens, der AnlaJ3 zum Handeln oder

Heidelberger Sitzungsberichte 1951. - 97- 98 ALWIN MITTASCH:

die letzte bis dahin noch fehlende Bedingung, deren Hinzutritt die vorhandene Summe der iibrigen Bedingungen zur zureichenden Ursache der Handlung vervollstiindigt" (E. v. HARTMANN, Kategorienlehre). Wie stark OSTWALDS Katalyse-Lehre auf WILHELM WUNDT und HANS DRIESCH eingewirkt hat, wurde bereits an anderen Stellen beriihrt. Ais Beispiel mag noch folgender Satz dienen: "Der Organismus, auch der Mensch, ist den chemischen Stoffen gegeniiber ein Katalysator groBen Stiles, zusam• mengesetzt aus einer unziihligen Menge elementarer Katalysen, die er selbst erzeugt" (WILHELM WUNDT 1914). Neuerdings werden zunehmend die Worte Katalyse, Katalysator auch in iibertragenem bildlichen Sinne, gleichbedeutend mit Veranlassung, Befehlgebung, Steuerung verwendet. OSTWALD seiber hat schon von einer "katalytischen Wirkung der Kunst", sowie iiber eine katalytische Betiiti• gung der Denker und Politiker (S. 37 und 57) gesprochen. Bei heutigen Autoren lesen wir: "Kierkegaard, der groBe Katalysator." - "Sicher wiirde die Grenzsperre . . . nur ein Katalysator im N ervenkrieg sein sollen." - "Nachdem der im Sinne von Schdanows Parole unternommene VorstoB im Weltgewerkschaftsbund als Katalysator gewirkt hat" ... "Politik ist der Katalysator der Geschichte." - "Es gibt katalysatorisch veranlagte Menschen" (BLENDINGER). Gefragt wird, ob wohl "der Krieg als Katalysator im Volkerleben anzusehen" sei (ERNST BERL). - "Die ehrwiirdige Mensch• heitserziihlung der Orestie wird mit dem Katalysator der Seelenlehre SIGMUND FREUDS in Beziehung gebracht" (eine Besprechung von "Trauer muB Elektra tragen"). - "DARWINS Gedanke wirkte wie ein Katalysator" (FRIEDRICH DEICH). Von dem besiegten Frankreich von 1814, auf dem Wiener KongreB durch Talleyrand vertreten, wird gesagt (HUBENER): "Chemisch gesprochen wirkte es als Katalysator, der die schwierige Verbindung so verschieden• artiger Elemente herbeifiihrte" (russisch-preuBischer gegen osterreichisch• englischen Standpunkt). DOROTHY L. SAYERS sagt von Wilhelm dem Eroberer, er habe "like as a catalyst" die unsichere Mischung des Siidostteils von Britannien in das stabile und felsenfeste Gebilde umgewandelt, das wir he ute England nennen. Ein adoptiertes fremdes Kind kann nach RUDOLF BILZ fiir eine un• fruchtbare Frau "gleichsam einen Katalysator der Wandlung" bilden. - "Alles, was in der Magie ,Signatur' und ,bewirkendes Bild' heiBt, bedeutet zugleich Katalyse." Man kann leicht sehen, daB in obigen Ausspriichen das Wort "kata• lysieren" nicht durchweg ganz sinnhaft gebraucht ist. Immerhin geht auch aus der fortschreitenden Aufnahme des Wortes "Katalyse" in den allge• meinen Sprachgebrauch deutlich hervor, daB der katalytische Gedanke als Auslosungs- und Lenkungsgedanke seit DOBEREINER und BERZELIUS und verstarkt seit VVILHELM OSTWALDS Tagen mehr und mehr Eingang gefunden hat.

Anmerkungen.

1 Siehe hierzu R. EISLERS Handworterbuch philosophischer Begriffe, IV. Auflage Bd. I 1927; Stichworte Kraft, Arbeit, Energetik, Energie. - FRITZ MAUTHNER, Worterbuch der Philosophie 1910; Stichworte Energie, Kraft, Ursache, Bedingung. Unter "Energie" gibt MAUTHNER eine eingehende Be• sprechung von OSTWALDS Energetik. ]ede Arbeit setzt etwas Entgegen• stehendes voraus, das iiberwunden werden soll (Wider-stand =Gegen-stand).

- 98- \VILHELM OSTWALDs Auslosungslehre. 99

In scharfer - sicher allzu scharfer - \Veise hat OSTWALD in seinem Vortrage von 1887 den Energiebegriff yom Kraftbegriff abgehoben. Es heiBt da, "daB die Realitat nur der Energie zukommt, und die Krafte nur eine mathematische Fiktion sind. In der Chemie insbesondere hat der Kraftbegriff nur Schaden angerichtet. Solange man chemische Krafte zu messen suchte, wollte die Verwandtschaftslehre keine Fortschritte machen." Uber die geschichtliche Entwicklung seiner Energetik, ihre wissenschaft• liche Bedeutung und philosophische Konsequenzen berichtet OSTWALD ab• schlieBend in "Lebenslinien" II, S. 149-188, sowie S. 316-319: EinfUhrung der Energetik in das philosophische Denken. ROBERT MAYER und ERNST MACH sind diejenigen Forscher, die nach OSTW ALDs eigener Aussage sein wissenschaftliches Denken am starksten beeinfluBt haben. 2 Nach FRIEDRICH DESSAUER kann tatsachlich "die VV'arme-Energie (wie jede Energieform) als aus zwei konstitutiven Faktoren aufgebaut betrachtet werden: einem quantitativen oder kapazitativen (auch extensiv wird er ge• nannt) ... und einem qualitativen oder intensiven". Das Entropiegesetz lal3t sich dann angenahert verstehen "als eine Tendenz, den kapazitativen Faktor der Energie auf Kosten des intensiven zu vermehren!" (Mensch und Kosmos 1948). U nd wie ist es bei Strahlungsenergie? 3 Es gibt eine Tagebucheintragung OSTWALDS Anfang September 1908: "Durch mein Studium der Kolloidfrage etc. bin ich zum Atomismus bekehrt worden: dazu kam ARRHENIUS, Kosmische Physik und die genauere Kennt• nisnahme von THOMSON-WILSON. Habe in diesem Sinne den SchluB des ,Grundril3' geschrieben." (Ubermittelt von VV' ALTER OSTWALD 1949.) Aul3er dem genannten Grundril3 der allgemeinen Chemie 4. Aufl. 1909 kommt unter anderem in Betracht ein Referat iiber THE SVEDBERG: Z. physik. Chern. 59 (1908). Genau besehen handelt es sich bei OSTWALDS spaterer voller Zustimmung zur Atomtheorie nicht urn eine "Bekehrung", sondern urn eine "Zuriick• kehrung" zu friiherer Denkart. In seiner Schrift "In Sachen der modernen Chemie. Offener Brief an Herrn ALBRECHT RAU", Riga 1884, verteidigt er die Strukturchemie, die iiber BERZELIUS hinausgehend noch den Begriff der Sattigungskapazitat oder Valenz entwickelt hatte. Auch die Atom• hypothese besteht zu Recht: "Isomere konnen sich nur durch raumliche Anordnung und Geschwindigkeit der Elementaratcme unterscheiden." In Lebenslinien II, 179 bezeugt OSTWALD, dal3 er friiher "iiberzeugter Anhanger der kinetischen Atomlehre" gewesen sei. Von denjenigen Mannern, die im 19. Jahrhundert dem herkommlichen Atombegriff kritisch gegeniiberstanden, vorzugsweise unter dynamischem Gesichtspunkte, seien noch genannt ROBERT MAYER, CHRISTIAN FRIEDRICH SCHONBEIN, GUSTAV THEODOR FECHNER (Physikalische und philosophische Atomenlehre 1855), sowie SCHOPENHAUER und NIETZSCHE. 4 Wie sehr OSTWALD mit seiner Bevorzugung des Energiebegriffes grundsatzlich im Rechte geblieben ist, zeigt die Tatsache, dal3 es nach heutiger Auffassung fUr die "Innenstruktur" des Atoms keine adaquate "geometrische" Landkarte, sondern nur eine energetische (mit Energie• termen) gibt. 5 Zu "Aus16sung" allgemein siehe A. MITTASCH, Uber die Reichweite des Auslosungsbegriffes. Blatter fiir deutsche Philosophie 17 (1943) 298. "Die Verwandlung oder Metamorphose der Energieformen scheint mir die vorlaufig letzte Fassung des Ratsels zu sein, das als Kausalitat sowohl HUME als KANT beschaftigte. Aus der Summe der Bedingungen, von welch en eine notwendige \"Iirkung abhangt, wird diejenige Bedingung die

7* - 99- 100 ALWIN MITTASCH:

U rsache genannt, der wir eine auslOsende Kraft beilegen. - Die ausge• zeichnete Bedingung oder die unmittelbare Ursache ist der Umstand, der die Wirkung au s lOs t, fUr unseie Aufmerksamkeit auslOst." (FRITZ MAUTHNER in ,,\Vorterbuch der Philosophie" 1910.) (Sogar "Zaubern" konnte als eine Form der AuslOsung gedacht werden: Entbindung verbor• gener Kri-ifte durch Magie des \Vortes und der Handlung.) 6 ROBERT MAYER Kleinere Schriften und Briefe 1893. (Bd. II von J. WEYRAUCHS Herausgabe der \Verke ROBERT MAYERS; Bd. I = Mechanik der \Varme, 3. Auflage; beide Bande werden zitiert unter M. I u. M. II.) 7 Hier hatte auch die in MAYERS groBer Schrift von 1845 enthaltene Stelle (M. I, 102) angefUhrt werden konnen: "Will man voraussetzungslos einer konstatierten Tatsache einen Namen geben, so kann man die Rolle, welche bei solchen Vorgangen die unverandert bleibende Materie spielt, mit dem Namen ,KontakteinfluB' bezeichnen; sonst pflegt man wohl auch bekanntlich von ,katalytischer Kraft' und ,katalytischer \Virkung' zu sprechen; wenn aber unter Kraft nur ,die einer meBbaren \Virkung pro• portionale, meBbare Ursache' verstanden werden soli, so darf aus be• greiflichen Grunden der fraglichen Erscheinung eine spezifische Kraft nicht unterschoben werden." (Hierzu die auf S.82 angefUhrte FuBnote mit Definition der katalytischen Kraft.) Ahnlich wichtig erscheint eine andere Stelle bei R. MAYER M. I, 87: "Dem Willen des Steuermanns und des Maschinisten gehorchen die Be• wegungen des Dampfbootes. Der geistige EinfluB aber, ohne welchen das Schiff sich nicht in Gang setzen, oder am nachsten Riffe zerschellen wtirde, er lenkt, aber er bewegt nicht; zur Fortbewegung bedarf es einer physischen Kraft, der Steinkohlen, und ohne diese bleibt das Schiff auch beim starksten \Villen seiner Lenker tot." 8 Von LEONHARD EULER war 1773 gefragt worden: "Wenn die Wirkung proportional der Ursache ist, nnd die Quantitat der Bewegung und der Kraft nicht vermehrt werden kann, wie kann dann aus dem kleinsten Funken der groBte Brand entstehen?" 9 Das \Vort "Veranlassung" neben "AuslOsung" ist auch in R. MAYERs AuslOsungsaufsatz von 1876 enthalten (s. S.13). 10 M. II, S.440-446. \Venn OSTWALD bemerkt: "Inzwischen waren fUr derartige Beziehungen, bei welchen kein quantitatives Verhaltnis zwischen Ursache und Wirkung besteht, der Name ,Auslosung' in Gebrauch ge• kommen, so ist in dieser Beziehung vor allem DU Bors-REYMOND zu nennen. Bereits in "Karstens Fortschritte in der Physik im Jahre 1847" (erschienen 1850) hatte dieser eingehend tiber Auslosung gesprochen (siehe Anhang S.81). Das Fehlen strenger mathematischer Beziehungen bei AuslOsungs• prozessen ist schon von LOTZE behauptet worden. Es heiBt bei ihm (1842) : "Der Ie ben de Korper als Mechanismus betrachtet, unterscheidet sich von allen anderen Mechanismen dadurch, daB in ihm ein Prinzip immanenter Storungen aufgenommen ist, die durchaus keinem mathematischen Gesetze ihrer Starke und \Viederkehr folgen." (Was LOTZE alseinen Zustand immanenter Storungen bezeichnet, nennt heute L. v. BERTALANFFY "orga• nismisches FlieBgleichgewicht": eine Art Scheu vor Totalgleichgewicht, das organismischen Tod bedeutet!) Auch DU BOIS-REYMOND behauptet, auf Mechanik sich stlitzend: "Die auslOsende Kraft kann nicht gleich Null werden." DRIESCH lehrt (1904): "Energetisch muB sich ein Katalysator beteiligen, wenn er wirklich Ge• schehen ermoglicht." Bei ALOYS \VENZL heiBt es: "Auch eine auslOsende

- 100- WILHELM OSTW ALDS Ausli:isungslehre. 101

Kraft wiirde doch Arbeit leisten." Dazu jedoch K. SAPPER: "Schon physi• kalisch ist die Moglichkeit richtungbestimmender Krafte ohne Anderung des Energiegesetzes gegeben." Neuerdings (in "Materie und Leben" 1949, S. 86) betont auch WENZL, daB schon die Physik "bestirnmte Wirkungen ohne Energieverbrauch" kenne. 11 Indem ROBERT MAYER in seinen physiologischen Schriften vielfach von "Regulierung" spricht, erkennt er quantitativ abgestufte Auslosung tatsachlich an. Es kann als sicher gelten, daB, wenn bei langerem Leben sein Plan zur Ausfiihrung gelangt ware, den aphoristischen Auslosungsaufsatz zu einer systematischen Preisbewerbungsschrift auszugestalten, auch diese bemessene Auslosung ihren Platz gefunden haben wiirde. 12 Zu GEORG HELMS extremem Energetismus (1887 und 1898) siehe A. MITTASCH, Julius Robert Mayers Kausalitatsbegriff 1940, S. 97 und 127. 13 Nur Ungleichgewichte, insbesondere stationare Zustande, labile oder rnetastabile Gleichgewiehtszustande konnen von auBen oder von innen "Aus• li:isung" erfahren; stabiles Gleichgewicht aber bleibt unverandert, wird es doeh, zurnal im Anorganischen, durch den Ausli:isungsvorgang erstrebt und her beigefiihrt. ROBERT MAYER hatte den zweiten Hauptsatz zwar gekannt, in seinem AuslOsungsaufsatz aber hierauf keine Riicksicht genom men ; der ,,\Varme• tod der Erde" als vermeintliche Konsequenz jenes Satzes hat ihm (ebenso wie spater NIETZSCHE) eine gewisse Abneigung gegen die Formulierung des Entropiesatzes gegeben. So war auch die Bedeutung des II. Hauptsatzes fiir das chemische Geschehen ROBERT MAYER nicht aufgegangen. Thermo• dynamik, Massenwirkungsgesetz, verschiebbares chernisches Gleiehgewicht sind Begriffsgebiete, die erst HORSTMANN, HELMHOLTZ, GULDBERG und \VAAGE, LE CHATELIER, W. GIBBS, VAN'T HOFF, NERNST u. a. eroffnet haben. DaB OSTWALD den exakten Sinn des II. Hauptsatzes genau wieder• gegeben habe, wird neuerdings bezweifelt: G. KORTUM, Von der Thermo• dynarnik zur Quantentheorie. Angew. Chern. 41 (1949) 125; auf aIle FaIlE; aber ist er dessen philosophischen Konsequenzen weitgehend gerecht ge• worden. Die Bedeutung des Gesetzes der Dissipation der Energie, und zwar nicht nur fiir die Naturwissenschaft, sondern auch fiir die objektive Grund• legung einer \Vert- und Zwecklehre des kultureIlen Lebens hebt OSTWALD im Vorwort seiner "Philosophie der Werte" hervor. 14 Die heutige Theorie geht iiber OSTWALDS Darlegungen hinaus, indem sie die zuerst von beobachtete Erscheinung der Ketten• reaktion und ihrer Verzweigung in explosiver Reaktion zur Erklarung heranzieht. AIlgemein ist durch die elektronische Beschreibung chemischer Vorgange auch fiir Flammen und Explosionen eine vertiefte Auffassung erzielt worden. Durch seine Beziehungen zu der ZentralsteIle fiir chemisch-technische Untersuchungen in Neu-Babelsberg hatte OSTWALD Anregung zu eingehender Beschaftigung mit dem \Vesen explosiver Vorgange erhalten. Verfasser, damals Assistent im Ostwald-Institut, war in diesem Zusammenhange zu einer Untersuchung iiber die langsame Zersetzung von Schief3baumwoIle veranlaBt worden; s. Z. angew. Chern. 16 (1903) 929. 15 Hier schlieBt OSTWALD an die im 19. Jahrhundert zu hoher Aus• bildung gelangte Physiologie der Nerven- und Muskelreizung an. (EMIL DU BOIS-REYMOND, HERMANN HELMHOLTZ u. a. m.) 16 Schon ROBERT MAYER hatte von HELMHOLTZ' Ermittlung der Fort• pflanzungsgesehwindigkeit der Nervenreizung (gegen 30 m/sec) Kenntnis

- 101 - 102 ALWIN MITTASCH: genommen. Eine elektrochemisch fundierte Theorie der Reizfortpflanzung hat WALTHER NERNST gegeben. Eine quantenchemische Zuriickfiihrung dieser Fortpflanzung auf eine Art Kette von Kippvorgangen versuchte OTTO SCHMIDT: Naturwiss. 1942, 644. 17 WILHELM OSTWALDS willkiirliche Annahme besonderer Energieform in Muskel und Nerv ist in heutiger Reizphysiologie gegenstandslos geworden. In der Aufstellung von Energiearten ist OSTWALD mitunter allzu freigebig gewesen: "Nervenenergie", "psychische Energie" sind ohne jede Moglichkeit einer Feststellung genauer Aquivalenzbeziehungen zu bekannten Energie• formen nur leere Worte. Oder aber: das \Vort "Energie" darf hier nicht im strengen Sinn physikalischer Definition verstanden werden. 18 Der Begriff der "Energietransformation" an Reizpunkten wird von OSTWALD durchweg festgehalten und hat sich auch in der spateren \Vissen• schaft - bis zu heutigen Annahmen iiber Energiewanderung - bewahrt. Wie schon OSTWALD vermutete, kommen bei der Ubertragung Yom Nerv auf den Muskel nach heutiger Kenntnis spezifische Rei z s t 0 ff e in Betracht, die an den Endpunkten von Nerven gebildet werden (z. B. Adrenalin und Acety1cholin) . 19 "Es fehlt ganz der Maschinencharakter in aHem Lebendigen" (KIETZ• SCHE). "Der Organismus selbst ist Reizgestalter" (V. VON WEIZSACKER). Etwas der physiologischen Reizwirkung einigermaJ3en Entsprechendes (ein "Prinzip der Storung und Ausweichung" nach LOTZE) gibt es dennoch auch auf anorganisch-chemischem Gebiet. Ein im chemischen Gleichgewicht stehendes System, z. B. aus Stickoxyd, Stick stoff und Sauerstoff bei 3000°, werde durch von auJ3en kommende Anderung der Systembedingungen, d. h. vor allem durch Herabsetzen der Temperatur auf 2000° gestort. Es zeigt sich dann eine gewisse "Finalitat" in dem "Bestreben" des Systems, nach der dieser neuen Temperatur entsprechenden Gleichgewichtslage zu gelangen (d. h. partielle Zersetzung bis zur Erreichung eines bestimmten Konzen• trationsverhaltnisses mit weniger Stickoxyd, dafiir mehr Stickstoff und Sauerstoff): Prinzip des beweglichen Gleichgewichts, der Flucht vor dem Zwange, nach LE CHATELIER-BRAUN. (Fur reaktionstrage Systeme dienen Katalysatoren einer Beschleunigung jeweiliger Gleichgewichtseinstellung.) Die im lebenden Organismus vor der Storung bestehenden und die nach der Storung neu erstrebten und erreichten "Gleichgewichte" sind jedoch durchweg nur bedingter und partieller, nicht totaler Art: ein wesentliches Kennzeichen des Lebendigen (FlieJ3gleichgewicht nach L. v. BERTALANFFV). 20 Die analoge Eigenkeimwirkung behandelt Osnv ALD zuerst in den "Studien iiber die Bildung und Umwandlung fester Korper 1. Ubersattigung und Uberkaltung 1897". Schon 0,00001 mg festes Salol kann eine iiberkaltete Schmelze des gleichen Stoffes zum Erstarren bringen (s. auch S. 30). Als ein im Ostwald-Institut untersuchter Fall von Zuwachskatalyse im heterogenen System sei die beschleunigte Zersetzung von Nicke1carhonyl an vorhandenen Nickelkeimen (A. MITTASCH 1902) genannt. Siehe auch "Uber Autokatalyse in Chemie und Biologie". Chem.-Ztg. 60 (1936) 193. 21 Nach heutigen Kenntnissen spielt auch Fremd- oder Allokatalyse mit hinein, indem aus dem Plasma freiwerdendes (oder auch zufallig hinein• geratenes) Eisen die Oxydationsgeschwindigkeit erhoht. Die Autokatalyse gibt eine Andeutung, wie Selbstaus16sung zu Selbst• vermehrung und Selbststeigerung werden kann. Siehe hierzu A. MITTASCH, Selbstaus16sung, Selbstregelung, Selbstbestimmung. Die Tatwelt 18 (1942) 7· 22 EWALD HERING: Uber das Gedachtnis als eine allgemeine Funktion der organischen Materie, Vortrag \\'ien 1870.

- 102 -- VVILHELM OSTWALDs Ausliisungslehre. 103

In verdienstvoUer vVeise stellt OSTWALD wiederholt den ModeUcharakter bestimmter experimentell zuganglicher chemischer Reaktionen gegeniiber physiologischen Vorgangen fest. (Siehe hierzu S.43 sowie Veriiffent• lichungen von K. BONHOEFFER.) DaB Analogie nicht "innere Verwandt• schaft" bedeutet (geschweige Identitat), muB indessen festgehalten werden. Das "Erinnerungsvermiigen der festen Materie" auBert sich nach HUTTIG und KUNDA z. B. in folgender Weise: "Ein Bariumoxyd, das durch Gliihen aus Bariumhydroxyd entstanden ist, verbindet sich mit Wasser• dampf rascher als ein Bariumoxyd, das

- 103- 104 ALWIN MITTASCH:

Reaktion beschleunigt wird" (MICHAELIS). Enzyme sind "chemische Verbin• dungen, welche chemische Reaktionen ermoglichen, die in ihrer Abwesenheit entweder gar nicht oder sehr langsam geschehen wiirden" (DRIESCH 1904). 27 DaJ3 der Katalysator in bezug auf Reaktion und Gegenreaktion tat• sachlich zweiseitig orientiert ist, konnte vielfach experiment ell bestatigt werden. Scheinbare Ausnahmen im heterogenen System riihren in der Regel daher, daJ3 die "Formierung" des Katalysators nicht durchweg von beiden Seiten her gleich leicht vonstatten geht. Uber "einseitige Katalyse" hat E. BAUR wertvolle Aufschliisse gegeben. 28 .Ahnlich wie BERZELIUS hat OSTWALD der Zwischenreaktionstheorie gegeniiber zunachst eine gewisse Zuriickhaltung gezeigt; doch wird 1904 zugestanden, daJ3 "die Theorie der Zwischenreaktionen in der Tat ein sehr weites Anwendungsgebiet zu haben scheint". 1m Nobelpreis-Vortrag 1909 heiJ3t es dann: "Ich habe bereits betont, daJ3 man keinen entscheidenden Grund hat anzunehmen, daJ3 aIle Katalysen sich auf solche Zwischenreaktionen werden zuriickfUhren lassen; zugestanden aber muJ3 werden, daJ3 ein anderes Prinzip von gleicher Leistungsfahig• keit bisher in der Lehre von der Katalyse noch nicht ausfindig gemacht worden ist." 29 Bereits im Jahre 1783 hat JOSEPH PRIESTLEY beim Leiten von Alkoholdampf durch ein erhitztes Tabakpfeifenrohr .Athylen erhalten (De• hydratation); M. VAN MARUM beobachtete 1796 an gliihendem Kupferdraht mit gleichem Alkoholdampf kleine Mengen Acetaldehyd (Dehydrierung). REISET und MILLON haben 1843 aus Harnstoffnitrat mit Platinschwamm als Kontakt andere Zersetzungsprodukte bekommen als ohne Katalysator ("influence speciale" neben "influence acceteratrice"). 30 \Venn mitunter gegen die Zwischenreaktionshypothese eingewendet wurde, es sei nicht einzusehen, weshalb ein VerIauf iiber Zwischenstufen rascher vonstatten gehen solle als der direkte Weg, so ist zu bemerken: Erstens ist, wie schon SCHONBEIN gelehrt hat, auch der "direkte Weg" in vVahrheit ein Weg iiber Zwischenstufen; und zweitens gilt, daJ3 eben nur dann, wenn die ZufUgung eines Fremdstoffes einen bequemeren neuen Weg .eroffnet, Katalyse konstatiert werden kann! Katalyse ist immer eine Ausnahme, gewissermaJ3en Mangelware, die Seltenheitswert besitzt; die Auf• findung eines geeigneten oder gar des leistungsfahigsten Katalysators ist oftmals miihsam genug - oder auch Gliickssache! 31 BERZELIUS hatte 1835 als Beispiele fUr die katalytische Kraft im Reich des Organischen vor allem die VVirkung der Diastase auf Starke und die Vergarung des Zuckers zu Alkohol durch Hefe angefUhrt. Siehe auch A. MITTASCH: Die Bedeutung der Biokatalyse. Universitas 2 (1947) 1263. 32 Der Auslosungshegriff ist zu OSTW ALDS Zeiten sowohl von Biologen mechanistischer Stellungnahme wie auch von "Neovitalisten" angewandt worden. DRIESCHs Annahme, die Entelechie wirke "suspendierend" - in spateren J ahren: inserierend - auf das chemische Geschehen, fallt in den AuslOsungsrahmen. In OSTWALDs "Annalen der Naturphilosophie" wird die biologische AuslOsung, vor allem in der Form der Richtunggebung, von verschiedenen Autoren wiederholt erortert (s. Anm. 35 und 38). 33 Zu Uberheilung siehe Neue Freie Presse, vVien, Beilage vom 18. Ok• tober 1925; Forsch. u. Fortschr. 6 (1930) Nr. 22, 23, 25; auch die Schrift: Zur biologischen Grundlegung der Inneren Medizin 1926. Uber OSTWALDs Analogien zu Nervenvorgangen, die von HEATHCOTE, LILLIE u. a. weiter verfolgt wurden, sagt K. F. BONHOEFFER (Studium Gene• rale I, 143), daJ3 das Modell "in erstaunlicher Weise die Eigenschaften der

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Reizbarkeit und Reizleitung des Nerven nachahmt, obwohl es seiner che• mischen Zusammensetzung nach yom N erv total verschieden ist". Siehe auch BONHOEFFER: Z. Elektrochem. 52 (1948) 30 und Angew. Chem. 41 (1 949) 324, sowie: Uber physikalisch -chemische Modelle von Lebensvorgangen. Berlin 1948. 34 Die Dissipation oder Zerstreuung und Entwertung der Energie als Verallgemeinerung des II. Hauptsatzes der Thermodynamik spielt bei OST• WALD immer wieder eine groBe Rolle; das Dissipationsgesetz bildet die Grundlage seiner "Philosophie der Werte". Siehe auch SVEDBERG: Die Dekadenz der Arbeit, deutsch 1923. AUERBACHS Begriff der Ektropie als einer flir die Organismen gliltigen Umkehrung des Satzes von der Entropievermehrung wird von OSTWALD mit Recht abgelehnt. "Flir die Annahme, daB die Organismen hinsichtlich des Entropiesatzes eine Ausnahmestellung einnehmen, liegt nicht der min• deste AnlaB vor" [Ann. Naturphil. 9 (1910) 210J. (Ahnlich spater F. G. DONNAN.) Die Anschauung, daB die Organismenwelt physikalisch nur eine Ver• zogerung der Energieentwertung, nicht aber eine Umkehrung in sich schlieBt, ist heute herrschend geworden. Siehe hierzu J. N. HUMMEL: Der natiirliche Ablauf der Entropievermehrung und die Lebenserscheinungen 1942. Hier wird jedoch miBverstandlich "die Erzielung eines moglichst hohen Integralwertes der Energieentwertung liber Raum und Zeit" als "Sinn des Le bens" bezeichnet. Eingehend erortert wird der Gegenstand von L. v. BERTALANFFY im AnschluB an seine Theorie der "Biologischen FlieB• gleichgewichte (Weltbild der Biologie 1949). 35 O. BUTSCHLI (siehe Schrifttum) erortert bei seinen Ausfiihrungen liber Kausalitat den Reiz als AuslOsungsursache. HERTZOG spricht liber "Energie und Richtkrafte". R. GOLDSCHEID verbreitet sich liber den Richtungs• beg riff, dessen Klarung "ein brennendes Desiderat der gesamten Forschung" sei. Siehe hierzu A. MITTASCH: Julius Robert Mayers Kausalbegriff 1940, S. 129. \Vesentlich ist, daB ein Reiz irgendwie zunachst in ein naheres oder ferneres Zentrum vorstoBt, von dem aus die Gegenwirkung veranlaBt wird: Impression und Expression: 36 Diese Satze berlihren sich eng mit ROBERT MAYERs AuBerung: "Der Physiologe muB wissen, was denn die Krafte der toten Natur sind; sonst bleibt er vorweg in betreff der Krafte, von denen er sprechen muB, in trostJoser Finsternis" (an KARL BAUR, 6. August 1842). 37 Dieser Forderung dlirfte Genlige geschehen, wenn man mit dem Ver• fasser "Entelechie" (oder Archaeus, groBe Vernunft des Leibes, Lebenskraft, Bildekraft u. dgl.) als den Inbegriff der in einem Lebewesen feststellbaren und liber physikalische und chemische Beschreibbarkeit hinausgehenden AuslOse-, Richt-, Form- und Heilkrafte bezeichnet. Diese Richtkrafte erheben sich auf der Grundlage des "Gedachtnisses der organischen Materie" (nach EWALD HERING); sie fiihren zu einem "Reagieren auf historischer Reak tionsbasis" (HANS DRIESCH), in sich schlieBend Entwicklung, Nachahmen, Uben, Lemen usw. Das "Biofeld" eines Organismus (nach GURWITSCH und PAUL \VEISS) faBt das energetische Wirkfeld und das determinierende Richt• oder Lenkfeld (K. HERBST) in sich. Einlibung ist fortgesetzte \Viederholung von ~achahmung, die durch einen apperzipierten Vorgang als Vorbild ausgelost wird. Nach MAUTHNER konnte der Begriff "Einlibung" als Hilfsbegriff zum Brlickenschlagen von "Energie" zu "Gedachtnis" als dem Hauptmerkmal des Seelisch-Geistigen dienen.

- 105- 106 ALWIN MITTASCH:

38 Bei R. GOLDSCHEID heiBt es: "Die ungeheure Gewalt dessen, was die Wissenschaft Auslosungsursache nennt, ist nichts anderes als der lebendige Ausdruck des Einflusses des unendlich Kleinen auf das unendlich GroBe, der in der Mehrzahl der FaIle nur zu unsichtbarer, nicht zu sichtbarer Wirkung gelangt. - Der menschliche Geist seiber besitzt die Fahigkeit, als Ausli:isungsfaktor tatig zu sein." 39 In der Psychologie, ahnlich wie in der Physiologie, gibt es vor allem Auslosungsketten und Auslosungsverfilzungen bedeutsamster Art. Der Schrei des Vogels, der durch den Anblick drohender Gefahr ausgelost wird, dient zugleich als auslosender Warnruf flir anwesende Artgenossen; ein gesprochenes Wort des Menschen als Ausdruck seines Innenlebens kann die geistige Tatigkeit von Tausenden in Bewegung setzen. Das Aus• geloste wird zum Ausloser - in unabsehbarer Verwicklung. In Wort• reihen wie: gespannt sein - erwarten - begehren - verlangen - fordern - zwingen pragt sich der Ubergang yom Ausgeli:istwerden zur eigenen Aus• li:isetatigkeit deutlich aus. Oft gibt es zeitliche Verzogerung, Induktions- und Inkubationsperioden der Ausli:isung ("Reizverzug" nach A. BIER). Es wirkt dann (nach BUTTER• SACK) das auslosende und treibende Agens "nicht unmittelbar wie ein Feuerfunke auf die in einer Flasche voll Benzin komprimierten Energien, sondern mittelbar, wie etwa ein \Vort, ein Gedanke erst viele Gehirne passieren muB, ehe es zlindet". Uber die Bedeutung von Auslose- und Richtkraften flir das menschliche Geistesleben und die Kulturentwicklung siehe F. BUTTERSACK: Triebkrafte des Lebens (Auslosung und Kraftspeicherung bei den Individuen, Ge• schlechtern, Volkern) 1929. Hinsichtlich OSTWALDS \Villensiehre siehe auch einige Aufsatze liber ,,¥V'illen" und "Willensfreiheit" in Monist. Sonntags• predigten 1911 und 1914. 40 OSTWALDS Vortrag "Uber das Gllick" findet sich in seinen Annalen der Naturphilosophie Ed. IV (1905). BOLTZMANNS Entgegnung (in er• weiterter Form) ist in seinen "Popularen Schriften" 1905, S. 364-378 ent• halten. In allgemeiner Beziehung bemerkt BOLTZMANN, daB der gleiche Ausdruck "Energie" flir ganz ungleiche Sachverhalte auf physischem und psychischem Gebiet leicht verlocken kann, auch sachliche Ubereinstimmung anzunehmen. OSTWALDS Vorgehen bedeute "einen Rlickfall in das Wohl• gefallen am rein Formalen, in die flir den Fortschritt so verderbliche Methode der sog. Philosophen, Lehrgebaude aus bloBen \Vorten und Phrasen zu konstruieren ... ". 41 Schon bei LOTZE findet sich eine Andeutung hinsichtlich einer be• sonderen "psychischen Energie". In seiner "Medizinischen Psychologie" 1852 halt er es "flir moglich und sogar flir notwendig anzunehmen, daB ein Teil der physischen BewegungsgroBe, in welcher die Erregung der Organe besteht, direkt durch Ubergang in innere Zustande der Seele absorbiert werde". (Siehe auch MAX \VENTSCHER, LOTZE 1913.) Oder noch in Streit• schriften I (1857, S. 196): "Nun mag ein Teil der lebendigen Kraft, mit welcher der Nerv auf die Seele wirkt, dadurch absorbiert werden, daB er ein Aquivalent geistiger Tatigkeit hervorruft." Es ist lehrreich zu sehen. welche Flut "psychischer Energetik" OSTWALDs Vorgehen entfesselt hat. Seine Annalen der Naturphilosophie (ab 1902) bilden eine Fundgrube verschiedenartigster Beitrage zu einer energetischen Psychologie - bis ins Abenteuerliche und vollig Verfehlte ; Versuche, flir we1che aber OSTWALD sclber nicht ohne weiteres verantwortlich gemacht werden soli (s. Anm. 48). Nach SOLOWIEW ist der \Ville als Trager

-- 106 - WILHELM OSTWALDs Auslosungslehre. 107 potentieller Energien anzusehen. NICOLAS V. GROT stellt den Begriff der psychischen Energie in den Mittelpunkt seiner Psychologie. Eine kurze Zusammenfassung liber derartige spekulative Energetik habe ich in "ROBERT MAYERS Kausalbegriff" 1940, S. 103ff. gegeben. Angesichts solcher Uber• steigerungen wird man an MAUTHNERs \Varnung vor dem Fehler erinnert, "daJ3 wir darum wieder einmal das Ding an sich entdeckt zu haben glauben, wenn wir es eine Energieform nennen". Siehe auch A. MITTASCH, "ROBERT MAYERS Anschauungen liber das Leib-Seele-Verhaltnis" in der Berliner Robert-Ma yer-Gedenkschrift 1942. In welcher \Veise den erlebten und gewollten psychischen Auslosungen und Hemmungen physische Auslbsungen (chemischer, elektrischer, mecha• nischer Art) und deren Hemmungen zugeordnet sind, zeigt zusammenfassend RALPH \Y. GERARD in Scientific Monthly, deutsch in Amer. Rundschau JanuarjFebruar 1947: Die Mechanik der Phantasie (besser hieJ3e es: Kausalik). 42 Auf diese AuJ3erung von LIEBIG hat auch E. v. LIPPMANN zustimmend hingewiesen. Uber Auslbsung wird von ihm gesagt: "Ihr eigentliches Gebiet ist das der organischen und vor allem das der geistigen Welt, bei deren AUJ3erungen das Fehlen der sonst gewohnten Kausalitats- 1md Aquivalenz• verhaltnisse handgreiflich zutage tritt. Hier gibt es keine Urn wan d• I u ngen in geistige Tatigkeit und "Gedankenenergie; sonst mliJ3te es (nach LIEBIG 1858) auch umgekehrt gelingen ...". 43 \Vie weit der Auslosungsbegriff etwa in OSTWALDS Farbenlehre zur Geltung und Anwendung kommt, mag einer Darstellung durch Berufenere liberlassen bleiben. 44 Eine solche "Kerzenuhr" hat z. B. Karl dem GroJ3en zur Stunden- messung gedient. . 45 Das Postulat einer moglichst okonomischen Nutzung der Energie be• herrscht weitgehend OSTWALDS spatere Naturphilosophie, wie sie zuletzt in der "Philosophie der \Verte" ausfUhrlich dargelegt wird. Dabei zeigt sich allerdings, wie der Energiebegriff im Gebiet hoherer \Verte bald seine Schrank en findet. 46 Ahnlich sagt ARNOLD SOMMERFELD in einem Vortrage liber das \Verk BOLTZMANNS (Wiener Chemiker-Zeitung 1944, 25): "Die allgemeine Mechanik kennt nur reversible Vorgange, wahrend wir doch schon im taglichen Leben dauernd von irreversiblen Ausgleichungsvorgangen umgeben sind. \Yie ist diese Vorzugsrichtung der Naturvorgange, die im zweiten Hauptsatz ihre endgliltige Formulierung findet, mit der Mechanik in Einklang zu bringen ?" Siehe hierzu R. SEELIGER, Studium Generale 1 (1948) S. 133--134: "Es handelt sich hier also in der Tat urn eine grundsatzliche Schwierigkeit fUr aile mechanisch-deterministischen Analogien." (Statistischer Charakter des abbildenden Schemas nach BOLTZMANN.) In "Mlihle des Lebens" betont OSTWALD, daJ3 die Regelmaf3igkeit des Naturlaufs in einer Vereinigung und Durchdringung von Kreisprozessen und fortschreitenden Prozessen bestehe. (Ahnlich neuerdings J. N. HUMMEL.) 47 Das Zeitgesetz der Attraktion (Gravitation) hat GALILEI in seinen Fallgesetzen zu ermitteln begonnen; fUr das Strahlungsgebiet (Elektro• dynamik im weitesten Sinne) hat die Lichtkonstante c universelle Bedeutung. erlangt. Flir radioaktive Elemente gibt es bestimmte Zerfallsgeschwindig• keiten. Auf chemischem Gebiete existieren, der Unendlichkeit stofflicher Bildungen entsprechend, unzahlige miteinander in Zusammenhang stehende Geschwindigkeitskonstanten. Erst in unserer Zeit - beginnend mit Arbeiten von SVANTE ARRHENIUS und MAX TRAUTZ -- zeigen sich Moglichkeiten ciner deduktiven Ableitung chemischer Zeitwerte auf atomphysikalischer,

- 107- 108 ALWIN MITTASCH: quantentheoretischer Grundlage. "Grundsatzlich mul3 eine Berechnung der Absolutgeschwindigkeit einer Katalyse bei bekannter Aktivierungsenergie moglich sein ... " (GEORG-MARIA SCHWAB). 48 Zur Kennzeichnung wesentlich weitergehender Ubersteigerung seitens anderer Forscher seien folgende Beispiele aus den "Annalen der Naturphilo• sophie" angefiihrt: KURT LASSWITZ will als Faktoren der "psychophysischen Energie" aufstellen: Empfindung und "Empathic". Nach W. FICK ist das Leben "eine Funktion, deren erster Differentialquotient die Endoenergetik bildet; der Intensitatsfaktor der psychischen Energie ist der Wille". Gemal3 H. JAEGER entsteht LustgefUhl, wenn aufgespeicherte psychische Energie zur Entladung gelangt, Unlust, wenn auch noch Formenergie in Anspruch genommen wird. J. \V ALDAPFEL unterscheidet physische, intellektuelle und moralische Energie. 49 Siehe hierzu A. MITTASCH: Friedrich Nietzsches Stellung zu Robert Mayer. Blatter fUr Deutsche Philosophie 16 (1942) 13. Fr. Nietzsches Beschaftigung mit der Naturwissenschaft und Naturphilosophie seiner Zeit. Forsch. u. Fortschr. 20 (1944) 226. Fr. Nietzsches Naturbeflissenheit. Sitzungsber. Heidelberger Akademie der \Vissenschaften. 1950. 50 "Uber AuslOsung ist fiir mich das Wertvollste und Niitzlichste in MAYERs Buch": Dieser Ausspruch von NIETZSCHE (1881) wiirde bei OST• WALD guten Widerhall gefunden haben. Gemal3 OSTW ALDscher Familien• tradition hat sich WILHELM OSTWALD iiber NIETZSCHES "Frohliche Wissen• schaft" anerkennend geaul3ert; von dem ganzen Reichtum der Naturphilo• sophie FRIEDRICH NIETZSCHES hat er kaum Kenntnis erlangen konnen. 51 Eine Ubersicht gibt in der Berliner Robert-Mayer-Gedenkschrift 1942, S. 97 A. SCHIMANK: Die geschichtliche Entwicklung des Kraftbegriffes bis zum Aufkommen der Energetik. 52 Hierzu SCHOPENHAUER: "Allerdings hat MALEBRANCHE recht: jede natiirliche Ursache ist nur Gelegenheitsursache, gibt nur Gelegenheit, Anlal3 zur Erscheinung jenes einen unteilbaren Willens, der das An-sich aller Dinge ist." Der menschliche Geist erscheint, occasionalistisch gesehen, gewisser• mal3en als der "Kontrollstand" des leitenden Ingenieurs, von dem aus im \\'illensanstol3 ohne eigene Kraftbetatigung auf die Korpermuskeln einge• wirkt wird. 53 Schon der erste Systematiker der Katalyse, JAKOB BERZELIUS, hat die Erscheinung der Katalyse zu den Vorgangen im lebenden Korper in enge Beziehung gebracht; ja er ist sogar von physiologischen Problem en aus• gegangen (s. S. 27 sowie A. MITTASCH, BERZELIUS und die Katalyse 1935). 54 Das \\'ort "reizen" hangt sprachgeschichtlich zusammen mit reil3en, ritzen und hat allmahlich die Bedeutung "erregen" (irritare, incitare, provo• care) angenommen. Reiz ist ein "die Sinne erregender Einflul3" (SANDERS; siehe auch GRIMMs \Vorterbuch). Uber den Reiz sagt HERDER: "Tiefer konnen wir wohl die Empfindung in ihrem Werden nicht hinabbegleiten, als zu dem sonderbaren Phanomen, das HALLER Reiz genannt hat. Das gereizte Faserchen zieht sich zusammen und breitet sich wieder aus; vielleicht ein stamen (ein Anfang), das erste glimmernde Fiinkchen zur Empfindung, zu dem sich die tote Materie durch viele Gange und Stufen des Mechanismus und der Organisation hinauf gelautert.' , Eine bemerkenswerte (aber nach heutigen Erkenntnissen unhaltbare) Beziehung der Nervenreizung zur Katalyse stellt \VUNDT her, indem er erklart, der Nervenreiz bestehe "in der durch individuelle Konstitution der Nervensubstanz bedingten Bereitschaft zur Umwandlung disponibler in

- 108- \VILHELM OSTWALDs AuslOsungslehre. 109 aktuelle Energie, infolge irgendwelcher AuslOsungen, die wahrscheinlich die katalytische \Virkung der in der Nervenmasse enthaltenen Enzyme momen• tan steigern" (Grundziige der physiologischen Psychologie). Diese kata• lytische Auslegung der Nervenreizung hat "VUNDT sichtlich von W. OST• WALD iibernommen. 55 "Ein solcher Mechanismus, in dem jeder am sensiblen Ende eintretende Reiz mit verschiedenartiger Sicherheit eine Reaktion am Erfolgsende her• vorruft, ist ein Reflexbogen" (VERWORN). Erst in unserer Zeit hat man erkannt, daB auch sog. mechanische Reflexe oder Automatismen entwicklungsgeschichtlich als sehr komplizierte Ganzheitskausalismen anzusehen sind, die, urn in den Dienst hoherer Ziele treten zu konnen, allmahlich eine gewisse Erstarrung und Festlegung (Ein• zwangung in Geleise) erfahren haben. 56 Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob wohl der Willensimpuls als "seelischer Katalysator" aufzufassen sei. \Venn diese Frage vom Autor verneint wird, so ist zu beachten, daB ihm von einer rich tenden Betatigung der Katalyse neben der beschleunigenden und einfach auslOsenden wohl noch nichts bekannt sein konnte. 57 In seiner Schrift von 1845 hat R. MAYER eine langere Polemik gegen die Auffassung von LIEBIG gebracht (M. 1,132-134). Irrtiimlich sei die Auffassung, daB Lebenskraft tierische Bewegung erzeuge und das Lebewesen gegen Schadigungen schiitze. Entgegengehalten wird vor allem eine "In• fektion der Saftemasse des kraftigsten Mannes, durch ein Gran faulender J auche zum "todlichen Faulfieber". "Wo bleibt hier die Lebenskraft? Wo das Vermogen: Widerstand zu leisten gegen auBere Ursachen von Storungen? Hie Rhodus, hie salta I" (M. I, 92). In der Gesamtausgabe "Mechanik der Warme" (1867) hat R. MAYER die scharfsten Angriffe gestrichen, da, wie er sagt, LIEBIG mittlerweilen jene Ansichten ,,langst hat fallen gelassen" (M. II, 412). In seinen "Chemischen Briefen" sagt LIEBIG: "Das \Vort ,Lebenskraft' bezeichnet nach dem jetzigen Zustand der \Vissenschaft keine Kraft fiir sich, wie man sich etwa die Elektrizitat, den Magnetismus denken kann, sondern es ist ein Kollektivname, welcher aIle die Ursachen in sich begreift, von denen die vitalen Eigenschaften abhangig sind. In dies em Sinne ist der Name ,Lebenskraft' ebenso richtig und gerechtfertigt, wie der Name und Begriff des \Vortes ,Verwandtschaftskraft', womit man die Ursachen der chemischen Erscheinungen bezeichnet, von der wir aber nicht im ge• ringsten mehr wissen, als von den Ursachen, welche die vitalen Erschei• nungen bedingen." Hiermit hat der spatere LIEBIG recht behalten, trotz E. DU BOIS-REYMOND, L. BUCHNER und anderen "Mechanisten". Recht be• halten hat er aber auch mit dem weiteren Ausspruch: "Die Lebenskraft der Naturphilosophie ist der horror vaeui, der spiritus rector der Unwissenheit. Es ist kein anderer \Veg denkbar. eine Einsicht in das \Vesen der Lebenskraft zu gewinnen, als der Weg der Naturforschung." 58 Zur Geschichte der Lehre von der Urzeugung siehe E. VON LIPPMANN: Urzeugung und Lebenskraft 1933. 59 ALEXANDER VON HUMBOLDTS Anschauungen sind schwankend, mit zeitlichem Fortschritt zu groBerer Klarheit. "Lebenskraft als die unbekannte Ursache, welche die Elemente hindert, ihren urspriinglichen Ziehkraften zu folgen" (1793). 1m folgenden Jahre bezeichnet er Lebenskraft als "diejenige innere Kraft, welche die Bande der chemischen Verwandtschaft auflost und die freie Verbindung der Elemente in den Korpern hindert." 1795: "Lebens• kraft kiimmert sich nicht urn Demokritische Freundschaft und Feindschaft der Atome; sie vereinigt Stoffe, die in der unbelebten Natur sich ewig fliehen,

- 109- 110 ALWIN MITTASCH: und trennt, was in diesen sich unaufhaltsam sucht." 1m "Kosmos" (1845) werden dann Anschauungen vertreten, die dem heutigen Vitalismus nahe• kommen. ] OHANNES MULLER nahm eine einheitliche Lebenskraft an, "die, obwohl von den physikalischen und chemischen Kraften verschieden, doch mit ihnen in Konflikt gerate und in den Organismen als Ursache und oberster Ordner aller Erscheinungen nach einem bestimmten Plane wirke. ,,1m Keirn kann die Lebenskraft lange schlummem, urn gelegentlich unter dem EinfluB der Lebensreize die Entwicklung einzuleiten" (nach DU BOIS-REYMOND 1850, mit der Bemerkung, daB eine so1che Annahme unstatthaft sei. Auch LIEBIGS ahnliche Einstellung wird von ihm - und zwar allzu scharf - bekampft). 60 Dazu noch die temperamentvolle AuBerung: "Wer die Lebenskraft leugnet, leugnet im Grunde sein eigenes Dasein, kann sich also rtihmen, den hochsten Gipfel der Absurditat erreicht zu haben." Zu der Lebenskraft (vis vitalis) in diesem Sinne, als Trieb-, Richt-, Formungs- und Ordnungs• kraft, als Wille in der Natur, BLUMENBACHs Bildekraft (nisus jormativus) stehen in inniger Beziehung: LIEBIGS (spateres) formbildendes Prinzip in und mit den chemischen Kraften, CLAUDE BERNARDs" influence vital" als eine jorce ligislative, nicht executive, "plan organique" (ahnlich schon BUFFON, CUVIER), BICHATS und SPENCERS Integrationstendenz. E. VON HARTMANNs und BILLROTHs Oberkrafte, ]OH. REINKEs "Dominanten" oder diaphysische Krafte, NIETZSCHEs "groBe Vernunft des Leibes". Hierzu kommen die "ganz• machende" Entelechie nach HANS DRIESCH, organismische "schopferische Aktivitat und Spontaneitat" mit bilanzfreien Impulsen (R. WOLTERECK), tiberindividuelle seelische Ftihrung (E. BECHER, A. \VENZL), der "innere Schopfer" (LIEK), das Biofeld "als immaterielles Ftihrungsfeld alles organis• mischen Geschehens". 61 Der Chemiker kennt keine "Elementarlebensstoffe", geschweige daB er imstande ware, aus GesetzmaBigkeiten der beherrschten chemischen Ver• bindungen physiologische und biologische Gesetzlichkeit des Protoplasmas und seiner Bildungen logisch zu folgem! "Das Leben wird riur angeschaut, nicht begriffen" (JEAN PAUL). Begegnet schon eine physikalisch-chemlsche Deduktion der Uberfiille an organismischen Formen untiberwindlichen Schwierigkeiten, so noch mehr eine zwingende Ableitung der mit den Formen verbundenen jeweiligen spezifischen Le bens fun k t ion e n sowie der entsprechenden innerlichen psy• chischen Charaktere von Arten und Individuen. Siehe auch A. MITTASCH: Uber katalytische 'Verursachung im biologischen Geschehen 1936, S. 81, 62 Mit Recht hat also GOLD SCHEID 1907 die Richtungskausalitat als Bindeglied zwischen Kausalitat und Teleologie bezeichnet. Der ehrwtirdige Begriff der "Entelechie" konnte sein Daseinsrecht wohl gemaB folgender Definition behaupten: "Entelechie" nicht als eine Art bestandiges "ganz• machendes" Ding, wie sie bei DRIESCH erscheint, sondern als der logische Inbegriff der in den Organismen tatigen Ausli:ise-, Richt-, Trieb• und Entwicklungskrafte, als einer Gruppe von physikalisch und che• misch nicht beschreibbaren Kraften, we1che nicht weniger, aber auch nicht mehr "Realitat" sind als die arbeitleistenden energetischen Wirkkrafte von der Art der Gravitation, des Chemismus, des Elektrismus, der Strahlung usw. Unmittelbar wirklich, primar real sind ja nur unsere Erlebnisse, Tunisse und Erleidnisse; alles weitere ist Vorstellung, Begriffbildung, Symbolik. 63 Derartige Satze klingen an MAYERS Ausftihrungen tiber die Ausli:isung von Affekten an; z. B.: ,,'''lie die Trauer ein passiver, so ist der Zorn ein aktiver Seelenschmerz, der die Auslosungstendenz, und zwar vor allem die

_. 110 \VILHELM OSTWALDs Ausli:isungslehre. 111 der Zunge, gewaltig steigert und sich dadurch Luft macht, womit aber nicht notwendig gegeben ist, daJ3 die in ira begangenen Handlungen un• zweckmaJ3ig und zerstorend sein mussen. VVenn der Ungeduldige z. B. seinen Zorn an einem Scheite Brennholz auslaJ3t, das er zersagt und zer• spaltet, so begeht er, wahrend er sich Luft macht, auch noch eine auJ3erlich zweckmaJ3ige Handlung." In welch hohem MaJ3e NIETZSCHEs Wirken seIber durch unwiderstehliche Antriebe aus dem UnbewuJ3ten, der Tiefenperson bedingt, also eine "Aus• li:isung" war, zeigt z. B. ein Ausspruch uber die Entstehung seines Zara• thustra 1. Teil: "Ich Ierne eigentlich jetzt erst Zarathustra kennen. Seine Entstehung war eine Art AderlaJ3, ich verdanke ihm, daJ3 ich nicht erstickt bin. Es war etwas Platzli<;:hes, die Sache von zehn Tagen." (An Peter Gast 17. April 1883.) 64 Ein AbriJ3 ist gegeben in A. MITTASCH: Julius Robert Mayers Kausalbegriff 1940, S.134ft. Siehe auch Katalyse und Determinismus 1938. Uber die Reichweite des Ausli:isungsbegriftes. Bl. f. Dtsch. Philos. 17 (1943) 298. Selbstausli:isung, Selbstregelung, Selbstbestimmung. Die Tat• welt 18 (1942) 7. Letzte Worte uber Ursache und Kraft. 32. Jahrb. d. Schopenhauer-Ges. 1948, 88.

Literatur. Wilhelm-Ostwald-Schriften, insbesondere zu Ausliisung. 1884 In Sachen der modernen Chemie. Oftener Brief. Riga 1884. 1887 Die Energie und ihre Wandlungen. (Antrittsvorlesung Leipzig. In Abhandlungen und Vortrage.) 1890 Autokatalyse. Ber. Sachs. Ges. Wiss. Leipzig, Math.-Histor. Kl. 42. 1891 Chemische Fernewirkung. Naturwiss. Rdsch. 6, Nr. 35. 1891 Uber Autokatalyse. Naturwiss. Rdsch. 6, Nr. 3. 1892 Studien zur Energetik. Naturwiss. Rdsch. 7, Nr. 10. 1893 Uber chemische Energie. (Vortrag auf der Naturforschertagung Nurn• berg. In Abhandlungen und Vortrage.) 1894 Chemische Theorie der Willensfreiheit. Ber. Sachs. Ges. Wiss. Leipzig, Math.-Histor. Kl. 46. j 894 Besprechung Stohmann (Katalyse). Z. physik. Chern. 15, 705. 1895 Uber das Wesen der katalytischen Vorgange. Naturwiss. Rdsch. 10, Nr.41. 1895 Chemische Betrachtungen. Z. Aula. 1895 Die Uberwindung des wissenschaftlichen Materialismus. Vortrag auf Naturforschervers. Lubeck. Leipzig. 1896 Zur Energetik. Ann. Phys. u. Chern., N. F. 58. 1897 Studien uber Bildung und Umwandlung fester Karper. 1. 1898 Altere Geschichte der Lehre von den Beruhrungswirkungen. Dekanats- schrift Leipzig. 1898 Das Problem der Zeit. (Rede. In Abhandlungen und Vortrage.) 1899 Besprechung DUCLAUX, Microbiologie 1899. Z. physik. Chern. 29, 190. 1901 Uber Katalyse. (Vortrag auf der Naturforschertagung Hamburg. In Abhandlungen und Vortrage.) 1902 Vorlesungen uber Naturphilosophie, 3. Aufl., 1905. Leipzig. 1902 Besprechung K. DRIESCH, Organische Regulationen 1901. Ann. Natur• phil. I, 95. 1903 BiologieundChemie. (BERKELEv-Vortrag. In Abhandlungen und Vor• trage.)

111- 112 ALWIN MITTASCH:

1904 Abhandlungen und Vortrage von 1887-1903, Leipzig. 2. Aufl. 1915. Enthalt Aufsatze iiber allgemeine und physikalische Chemie, Elektro• chemie, Energetik und Philosophie, Technik und Volkswirtschaft, Bio• graphien. 1904 Elemente und Verbindungen (FARADAy-Lecture). Ann. Naturphil. 3, 355. 1905 Besprechung C. OPPENHEIMER, Die Fermente und ihre Wirkungen. Z. physik. Chern. 47, 122. 1905 Energetische Theorie des Gliicks (Vortrag). Ann. Naturphil. 4, 459. 1906 Besprechung HARALD HOFFDING, Moderne Philosophie. Ann. Natur- phil. 5, 262. 1906 Besprechung von DRIESCHs Vitalismus. Ann. Naturphil. 5, 400. 1907 Naturphilosophie. In Kultur der Gegenwart, 1. Jahrg. Nr. 6. 1907 Zur modernen Energetik. Riv. Sci. I, Nr. 1. 1908 Grundrif3 der Naturphilosophie. Leipzig. (Neue Auflagen 1913, 1919.) 1908 Die Energie. Wissen und Konnen, Bd. I. 2. Aufl. 1912. Leipzig. 1909 Uber Katalyse. Nobelpreisvortrag. Stockholm 1910. 2. Aufl. 1911. Leipzig. 1910 Besprechung Sir OLIVER LODGE, Leben und Materie 1908. Ann. N atur- phil. 9, 103. 1910 Besprechung AUERBACH, Ektropismus. Ann. Naturphil. 9, 210. 1911 Die wissenschaftliche Stellung der Energetik. Ann. N aturphil. 10, 1. 1911 Der Wille und seine physische Grundlegung. Scientia 9, 364. 1911 Monistische Sonntagspredigten. Reihe 1, enthaltend "Das Giitever• haltnis. Der energetische Imperativ." Leipzig. 1911 Die Miihle des Lebens. Leipzig. 1912 Der energetische Imperativ. Leipzig. Hierzu auch Ann. Naturphil. 10, 113 (1911). 1912 Monistische Sonntagspredigten. Reihe 2. 1913 Monistische Sonntagspredigten. Reihe 3, enthaltend Stoff, Kraft, Geist und Energie. 1913 Die Philosophie der Werte. Leipzig. 1916 Abhandlungen und Vortrage. Neue Ausgabe. Leipzig. 1920 WILHELM OSTWALD, Selbstbiographie (Philos. der Gegenwart in Selbst• darstellungen). Leipzig. 1921 Besprechung BRUHL, Johannes Miillers spezifische Sinnesenergie. Ann. Naturphil. 14, 4. 1926 Uberheilung. Medizinische und biologische Schriftenreihe I. Auch in Umschau 1926, Forsch. u. Fortschr. 1930. 1926 und 1927 Lebenslinien, 3 Bde. (insbes. Bd. II, Kap. 8, Die Energetik, Kap. 11, Die Katalyse, Kap. 13, Naturphilosophie). Berlin. 1931 Platin als weltgeschichtlicher Faktor (Festschrift Platinschmelze, Siebert, Hanau). Ungedruckt, im Ostwald-Arch iv, Grof3bothen: Das Wesen des Lebens. Handschriftlich 5 Seiten (Einleitung). Zur Energetik der Psyche, Handschriftlich (1913). JULIUS ROBERT MAYER liber AuslOsung (1914), Schreibmaschinenschrift 45 Seiten, mit dem Schluf3motto: "Dich im Unendlichen zu finden, Muf3t unterscheiden, und dann verbinden." Zu OSTWALDS katalytischem \i\Terk: MITTASCH, A.: Uber Katalyse und Katalysatoren in Chemie und Bio• logie. 1936. - Kurze Geschichte der Katalyse, S. 89 ff. 1939. Begriff und

- 112- WILHELM OSTW ALDs A uslOsungslehre. 113 vVesen der Katalyse. In Handbuch der Katalyse, Bd. I, S. 1-51. 1941.• Philosophisches in der Katalyse, Katalytisches in der Philosophie. Z. physik. Chern. A 189,44-62 (1941). - Bemerkungen zurBiokatalyse. Universitas 2, 1263 (1947). Siehe ferner PAUL WALDEN, Wilhelm Ostwald. Leipzig 1904, sowie zahlreiche OSTwALD-Nachrufe 1932-1933: PAUL GUNTHER, ROBERT LUTHER PAUL WALDEN u. a. m.

Sonstige Literatur (altere Schriften). ACKERMANN, J. F. (1765-1815): Versuch einer physischen Darstellung der Lebenskrafte organischer Korper, 2 Bde. 1797-1800. BAim, K. E. v.: Entwicklungsgeschichte der Tiere. 1828. Reden und Aufsatze. 1864. --- Studien auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. 1874. - Uber die Lehre Darwins. 1876. BLUMENBACH, JOHANN FRIEDRICH: Uber den Bildungstrieb, 3. Auf!. 1791. DU BOIS-REYMOND, E: Untersuchungen tiber tierische Elektrizitat, 2 Bde. 1848-1849. Elektrophysiologie, in KARSTENS "Fortschritte der Physik" im Jahre 1847, S.392-450. Berlin 1850. Uber die Lebenskraft (Vorrede 1848). In Reden und Vortrage, Bd. I. Uber tierische Bewegung. 1851. In Reden und Vortrage, Bd. I. Gedachtnisrede auf JOHANNES MULLER. 1858. In Reden und Vortrage, Bd.I. Die sieben Weltratsel. Vortrag 1880, zusammen mit: Uber die Grenzen des Naturerkennens, 3. Auf!., 1891; auch in Reden und Vortrage, Bd. I, S. 183 (enthalt alteres Schrifttum tiber Occasionalismus, AuslOsung usw.). BOLZANO, BERNARD: Versuch einer objektiven Begrtindung der Lehre von der Zusammensetzung der Krafte. Prag 1842. -- Paradoxien des Unendlichen. (Aus dem Nachlaf3.) 1851. BRANDIS, J.: Versuch tiber die Lebenskraft. Hannover 1795. BRUCKE, ERNST v.: Uber Gravitation und Erhaltung der Kraft. 1857. BUCHNER, LUDWIG: Kraft und Stoff. 1855. BUNGE, GUSTAV v.: Lehrbuch der physiologischen und medizinischen Chemie, 2. Auf!. 1889. CARUS, C. G.: Natur und Idee. 1861. CZERMAK, J. N.: Die Prinzipien der mechanischen Naturauffassung. DREHER, EUGEN: Uber den Begriff der Kraft. 1885. DUHRING, EUGEN: Kritische Geschichte der allgemeinen Prinzipien der Mechanik. 1872. ENGEL, JOH. JAK. (1741-1802): Uber den Ursprung des Begriffes der Kraft, S.209-257. (Philosoph. Schrifttum II.) Berlin 1805. FECHNER, TH.: Uber die physikalische und philosophische Atomenlehre. 1855. ~ Elemente der Psychophysik, 2 Teile. 1860. FICK, ADOLF (erschien anonym): Ursache und Wirkung: Gottingen 1867. 2. Auf!. Kassel 1882. GEHLER: Physikalisches Worterbuch. Neubearbeitung 1825-1845. Bd. V. Leipzig 1829. Bd. VI. Leipzig 1832. GROVE, W. R.: Verwandtschaft der Naturkriifte, nach einer Vorlesung von 1842; deutsche Ausgabe nach der 5. Auf!. des englischen 6riginals. Braunschweig 1871.

Heidelberger Sitzungsberichle 1951. -113 - 114 ALWIN MITTASCH:

HALLER, ALBRECHT V.: De partibus irritabiIibus, iibersetzt von SUDHOFF in Klassiker der Medizin (SUDHOFF). - Elementa physiologiae corporis humani, Bd.1-8. 1757-1766. - GrundriB der Physiologie. 1747. HELM, GEORG: Die Lehre von der Energie. 1887. - Die Energetik nach ihrer geschichtlichen Entwicklung. 1898. HUFNER, G.: Uber die Entwicklung des Begriffes Lebenskraft. 1873. HUFELAND, CHRIST. WILlI.: Mein Begriff von der Lebenskraft. Journal der praktischen Heilkunde, 6 Bde., 4. Stiick. 1798. HUMBOLDT, ALEXANDER v.: Kosmos, Bd.5 (Register: Kraft). Uber die Gesetze der Entwicklung der menschlichen Krafte, Bruchstiicke 1791. Gesammelte Schriften Ed. Leitzmann I, S. 83-96. Berlin 1803. Die Lebenskraft oder der Rhodische Genius II, S.297-308. KANT, IMMAN.UEL: Gedanken von der wahren Schatzung der lebendigen Krafte. Konigsberg 1746. KIELMEYER, G. FR. v.: Natur und Kraft. Gesammelte Schriften, neu her• . ausgeg. von W. KEIPER und F. H. HALLER. Berlin 1938. KOENIG, E.: Die Entwicklung des Kausalproblems. 1878-1880. LAAS, ERNST: Idealismus und Positivismus, 3 Bde. 1878. - Die Kausalitat des Ich. 1880. LANGE, FRIEDR. ALBERT: Geschichte des Materialismus, 1. Aufl. 1866. LIEBI<;X, JUSTUS: Die organische Chemie und ihre Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig 1842. LOTZE, HERMANN: Leben, Lebenskraft. In WAGNERs Handworterbu.ch der Physiologie 1842 (wiedergegeben in "Kleine Schriften"). - Allgemeine Physiologie. 1851. - Streitschriften 1. 1857. MACH, ERNST: Die Geschichte und die Wurzel des Satzes von der Erhaltung der Arbeit. 1872. MAYER, ROBERT: Uber AuslOsung. 1876. MEDICUS: Abhandlungen tiber Lebenskraft und Seele. 1774-1803. MOHR, KARL FRIEDR.: Uber die.Natur der Warme. L. BAUMGARTNERS und tJ:olgers Z. Physik u. verw. Wissenschaft 5, 419 (1837). Abgedruckt in "Allgemeine Theorie der Bewegung und Kraft" Braunschweig 1869. MOLESCHOTT, JAKOB: Der Kreislauf des Lebens, 1. Aufl. 1852. MULLER, H.: Uber die Entstehung der Warme durch Reibung nebst Folge• rung flir die Theorie beider Phanomene, urn 1800. In Schellings Neue Z. f. spekulative Physik ., 1-66. 1802. JOHANNES: Handbuch der Physiologie des Menschen. 1833-1840. NAEGELI, K. W. v.: Die Schranken der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. 18n. NOIRE, LUDWIG: Die Doppelnatur der Kausalitat. 1875. OKEN, L.: Lehrbuch des Systems der Naturphilosophie, 3 Teile. 1809-1811. PESCHEL, OSKAR: Einheit und Unzerstorbarkeit der Krafte. Ausland 4. (1867). PLANCK, KARL CHRISTIAN: Grundlinien einer Wissenschaft der Natur. 1869. - MAX: Das Prinzip der Erhaltung der Energie. 1887. PkIHOUSKY: Atomenlehre des sel. Bolzano. 1857 . .REIL, JOH. CHRIST.: Von der Lebenskraft. Arch. Physiol. 1796, 8-162. Neu herausgeg. in SUDHOFFS Klassiker .der Medizip, Bd.2. 1910. REUSCHLE, C. G.: Philosophie und Naturwissenschaft. 1874. Roux, WILHELM: Die Entwicklungsmechanik der Organismen. 1890. SCHELLING, FRIEDR. WILH.: Uber die erste Kraft der Natur. Hamburg 1791.

-114 - WILHELM OSTWALDS AuslOsungslehre. 115

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Neuere Literatur (ab 1900). ACHELIS, J. D.: Die Ernahrungsphysiologie des 17. Jahrhunderts. Sitzgs- ber. Heidelberg. Akad. Wiss., Math.-naturwiss. Kl. 1938. BECHER, ERICH: N aturphilosophie. 1914. BECHTEREW, W. v.: Die Energie des lebenden Organismus. 1902. BERGMANN, R.: Der Kampf urn das Kausalgesetz. 1932. . BERINGER, CARL CHRISTOPH: Das Werden des erdgeschichtlichen Welt- bildes. 1939. BERLINER, A.: Pionierarbeit der Mediziner flir das Energieprinzip im An- schluB an L. V. HALLER. Z. physik. u. chern. Unterricht 1940, 66. BERNY, A.: Entelechie und Ektropie. Ann. Naturphil. 13, 179 (1917). BERTALANFFY, LUDWIG V.: Das Gefiige des Lebens. 1931. - Das biologische Weltbild, Bd. I. 1949. BLEULER, E.: Mechanismus, Vitalism us, Mnemismus. 1931. BOLTZMANN, LUDWIG: Populare Schriften. 1905. BONCKE: Goethes Weltanschauung auf historischer Grundlage, ein Beitrag zur Geschichte der dynamischen Denkrichtung und Gegensatzlehre. 1907. BRAUNIG, KARL: Mechanismus und Vitalismus in der Biologie des 19. Jahr• hunderts. BUTSCHLI, 0.: Begriffsbildung und einige Grundbegriffe. Ann. Naturphil. J, 125 (1904) (u. a. Reiz als AuslOsungsursache). BUSSE, L.: Die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele und das Gesetz der Erhaltung der Energie. SIGWART-Festschrift 1900, S.91. BUTTERSACK, F.: Triebkrafte des Lebens. AuslOsung und Kraftspeichernng bei den Individuen, Geschlechtern, V61kern. 1929. CHRISTMANN, FR.: Biologische Kausalitat. 1928. DEMOLL, REINHARD: Der Wandel der biologischen Anschauungen in den letzten hundert Jahren. Mlinchner Universitatsreden 1932. DIEPGEN, PAUL: Das physikalische Denken in der Geschichte der Medizin. 1939. - Vorromantische Medizin. Forschgn. u. Fortschr. 1942, 101. DINGLER, HUGo: Geschichte der Naturphilosophie. 1932. DITTLER, R.: Energetik der Organismen. In Handworterbuch der Natur- wissenschaften, Bd. III. 1933. DRIESCH, HANS: Naturbegriffe und Natururteile. 1904. - Das Leben und der II. Hauptsatz. Ann. Naturphil. 7, 193 (1908). FICK, W.: Beziehungen zwischen Biologie und Energetik. Ann. Naturphil. 14, 159 (1926). s· -115 - 116 ALWIN MITTASCH:

FLECHSIG, P.: Hirnphysiologie und Willenstheoric. Ann. Naturphil. 4, 470 (1905). GERLACH, WALTER: Hundert Jahre Gesetz der Erhaltung der Energie. Z. VDI 86, 561 (1942). GOLDSCHEID, R: Der Richtungsbegriff. Ann. Naturphil. 6, 58 (1907). GOLDSCHMIDT, V.: Zur Mechanik des organischen Lebens. Ann. Naturphil. 12, 138 (1913). GROT, NIKOLAUS v.: Der Begriff der Seele und der psychischen Energie in der Psychologie. Arch. system. Philos. 4, 290 (1898). GROTE, L. R, M. HARTMANN, E. HEIDEBROOK U. E. MADELUNG: Das Welt• bild der N aturwissenschaften. 1931. GRUNEWALD, J.: Zur Energetik des Lebens. Ann. Naturphil. 9,237 (1910). HAAS, A. E.: Begriindung der Energetik durch Leibniz. Ann. Naturphil. 7, 373 (1908), HABER, FRITZ: Aus Leben und Beruf. 1937. (Mit Vortrag: Uber die Grenz• gebiete der Chemie.1926.) HAERING, THEOD.: Die philosophische Bedeutung der physikalischen GroB- tat Robert Mayers. Bl. Dtsch. Philos. 16, 228 (1942). HERTZOG, H.: Energie und Richtkrafte. Ann. Naturphil. 5, 409 (1906). HOFFDING, H.: Kategorien. Ann. Naturphil. 7, 121 (1908). HUMMEL, J. N.: Der natiirliche Ablauf der Entropievermehrung. 1942. HUND, F.: Zur Geschichte des Energiegesetzes. Naturwiss. 1942, 497. JAEGER, H.: Lust und Unlust in energetischer Betrachtung. Ann. Natur- phil. II, 157 (1912). KRAINSKY: Energetische Psychologie. Ann. Naturphil. 8, 371, 413 (1909); 9, 26 (1910). LIPPMANN, E. V.: Urzeugung und Lebenskraft. 1933. MAIER, ANNELIESE: Die Impulstheorie der Scholastik. 1941. MARX, ERNST: Die Entwicklung der Reflexlehre von Albrecht von Haller bis in die 2. Halfte des 19. Jahrhunderts. Sitzgsber. Heidelberg. Akad. Wiss., Math.-naturwiss. Kl. 1939. MAY, EDUARD: Einfiihrung in die Naturphilosophie. 1949. MEYER-ABICH, ADOLF: Naturphilosophie auf neuen Wegen. 1949. MITTASCH, A.: Robert Mayers Begriff der Naturkausalitat, mit Beziehung auf Arthur Schopenhauers Kausallehre. Naturwiss. 28, 193 (1940). - Kraft-Leben-Ceist (R MAYER-LESE). R MAYER-Festschrift der Deut• schen Akademie der Naturforscher. 1942. - Der Kraftbegriff beiLeibniz, RobertMayer, Nietzsche. RMAYER-Gedenk• schrift des Proteus 1942. - R MAYER, Kraft ist Alles. 1943. - FRIEDRICH NIETZSCHES Verhaltnis zu Robert Mayer. Bl. Dtsch. Philos. 16, 139 (1942). - Uber Kausalitat in der Chemie. Studium Generale I, 366 (1948). - Von der Chemie zur Philosophie. Ausgewahlte Schriften 1948. (Ins- besondere Aufsatze: Katalytische Kraft, Lebenskraft, Willenskraft. Zur Vorgeschichte von Robert Mayers AuslOsungsbegriff.) (Siehe auch An• merkung 64.) - Lebensproblem und Katalyse 1947. - DOBEREINER und GOETHE und die Katalyse 1951. NERNST, WALTHER: Das Weltgebaude im Lichte der neueren Forschung. 1921. NIEWEN, HELMUTH: Rechtfertigung des Begriffes der Kausalitat. Ann. Naturphil. 13, 113 (1917). OETTINGEN, ARTHUR V.: Das Kausalgesetz. Ann. Naturphil. 6,459 (1907).

-116 - "VILHELM OSTWALDS Aus16sungslehre. 117

OSTWALD, WALTER: Julius Robert Mayers Sendung. Stahl u. Eisen 62, 725 (1942). - WOLFGANG: Uber die Bildung wissenschaftlicher Begriffe. Ann. N aturphil. I, 385 (1902). PLANCK, MAX: Der Kausalbegriff in der Physik, 2. Auf!. 1937. PLANK, R: Julius Robert Mayer. Naturwiss. 1942, 285. RABEL, GABRIELE: Goethe und Kant, 2 Bde. 1927. REIN, W.: Die Physiologie als Ausgang und Auswirkungsgebiet des ).Mayer• schen Energiegesetzes. Nova Acta Leopoldina, N. F. II (Heft 77) 1942. RICKERT, H.: Psychophysische Kausalitat. SIGWART-Festschrift 1900, S. 61. RIEHL, A.: Robert Mayers Entdeckung und Beweis des Energieprinzips. SIGW ART-Festschrift 1900, S. 161. ' - Der philosophische Kritizismus und seine Bedeutung fiir die positive Wissenschaft, 2 Bde. ab 1876. RIGNANO: Das biologische Gedachtnis in der Energetik. Ann. Naturphi!. 8, 333 (1909). RUSSELL, E. S.: Lenkende Krafte des Organischen. Deutsch Betn 1945. SCHIMANK, HANS: Julius Robert Mayer und die Entwicklung des Prinzips von der Erhaltung der Energie. Dtsch. Technik 10, 406 (1942). SCHLEGEL, E.: Energetik und BewuBtsein. Ann. Naturphi!. 10,415 (1911). SCHRODINGER, E.: Was ist Leben? Deutsch Bern 1946. SCHWEITZER, R.: Die Energie und Entropie der Naturkrafte. 1903. SIEGEL, C.: Geschichte der Naturphilosophie. 1913. STOHR, ADOLF: Zur Philosophie der Uratome und des energetischen Welt• bildes. 1904. UNGERER, EMIL: Die Erkenntnisgrundlagen der Biologie, ihre Geschichte und ihr gegenwartiger Stand. Eingangs-Abhandlung des Handbuches der Biologie (v. BERTALANFFY) ab 1942. WALDAPFEL: Personliche Energie. Ann. Naturphi!. 5, 309 (1906). WENZL, ALOYS: Hans Driesch. Personlichkeit und Bedeutung. 1951. WOLFF, GUSTAV: Harnstoffsynthese und Vitalismusfrage. Nova Acta Leo- pold., N, F. I (1933). - Leben und Erkennen. 1932.

Festschrift Julius Robert Mayer. Berlin 1942. Herausgeg. von ERICH PIETSCH und HANS SCHIMANK. (Verschiedene Autoren.) Weitere einschlagige Literatur siehe in A. MITTASCH: Julius Robert Mayers Kausalbegriff. 1942, S. 269ff.

- 1.17 - Personenverzelchnls.

Abderhalden 42. Biitschli 105. Galilei 77. 80. 107. Aischylos 76 .. Buffon 86. 87. 110. Gauss 5. 93. d'Alembert 9t. Bunge 17. Gehler 85. 88. Alverdes 89. Buridanus 76. Gerard 107. Aristoteles 83. 84. Busse 97. Gesner 86. Arrhenius 99. 107. Buttersack 76. 106. Gibbs 6. 101. Auerbach 105. Gmelin. E. 86. Cabanis 73. Goethe 73. 79. 84. 86. 94. v. Baer 63. 86. 87. 93. Caruso C. G. 86. Goldscheid 105. 110. Ba.umgartner 92. Caspari 74. Gren 84. Baur. E. 104. Le Chatelier 10t. Griesinger 10. 8t. Baur. Carl 92. 105. Clausius 5. 20. 65. Gross. Th. 97. Becher. E. 97. 110. Comte 73. v. Grot 107. Berl 98. Condillac 77. Grove 91. Bernard 110. Cornelius 73. Guldberg 10t. v. Bertalanffy 100. 102. Cournot 78. Gurwitsch 105. 105. Curie 9. Berzelius 21. 31. 34. 39. Cusanus 87. Hall. M. 8t. 79. 84. 86. 93. 104. Cuvier 86. 87. 110. v. Haller 44. 80. 108. Bichat 80. 110. Hamann 94. Bier. A. 97. 106. Darwin Ch. 98. v. Hartmann. E. 74. 79. Billroth 110. Darwin. E. 84. 98. 110 .. Bilz. R. 98. Davy. H. 79. Heathcote 104. Biot 92. Deacon 79. Helm. G. 6. 18. 78. 101. Blendinger 98. Deich 98. Helmholtz 9. 18. 65. 78. Blumenbach 84. 86. 95. Demokrit 47. 93. 101. 110. Descartes 78. Henri 42. Bodenstein 35. 10t. Dessauer. Fr. 99. Heraklit 84. Bohnenberger 92. Diepgen 92. Herbst 43. 105. du Bois-Reymond. E. 46. Dobereiner 34. 79. Herder 86. 87. 94. 108. 49. 78. 81. 85. 93. 100. Dohl n. Hering. E. 28. 42. 58. 102. 105. . Boltzmann 9. 53. 57. 106. Donnan 48. 105. Driesch 48. 66. 79. 83. 97. Bolzano 96. Hertz 5. 9. 104. 110. BonhoeHer 103. 104. Hertzog 105. Borelli 80. Duclaux 39. 42. Herz 97. Boscovich 9t. Hildegardis v. Bingen 91. Bothe 103. Einstein 8. Hippokrates 84. Boussinesq 78. Eisler 98. Hoffding 46. 54. 97. Brandes 85. 88. Euler. L. 76. 78. 100. van't Hoff 33. 85. 101. Braun 102. 103. Bredig 35. Faraday 93. Horstmann 26. 79. 101. de Broglie 8. Fechner 45.74. 79.96.99. Hiibener 98. Brown 80. Feuerbach 73. Hiittig 43. 103. Briihl 15. 50. Fick. W. 108. Hufeland 84. Bruno. G. 76. Fischer. E. 37. v. Humboldt 87. 93. 109. Biichner 73. 109. Freud 50. 98. Hume 87. 91. 93. 99· - 118 Personenverzeichnis. 119

Hummel 105. 107. Mill 73- Schonbein 79. 99. Hutton 87. Millon 104. Schopenhauer 47. 58. 67. Mitscherlich 79. 71. 83. 86. Jaeger. H. 108. Mittasch 91. 102. 108. Schumacher. J. 84. Jean Paul 110. Mohr 93. Schwab 108. Jordan. P. 97. Moleschott 73. Schwann 85. Jungius 80. Muller. Johannes 44. 50. Seeliger 107. 80. 86. 110. Selle 86. Kant 63. 84. 87. 94. 99· Muncke 88. Sigwart 97. Kepler 84. Slater 36. Kielmeyer 86. 92. Nernst 42. 101. 103. Solowiew 106. Korner 88. Newton 63. 77. 80. Sommerfeld 107. Kolbe 85. Nicolaus v.Oresme 77. Spemann 97. Kortum 101. Nietzsche 72. 89. 96. 102. Spencer 110. Kuhlmann 79. Noire 83. Spengler 91. Kunda 103. Novalis 94. Stahl. G. E. 84. 86. Staudinger 42. Laas 73. v. Oettingen. A. 97. Steffens 94. Lagrange 91. Oppenheimer 41. Stewart 83. Lamarck 87. Ostwald. Walter 99. Stohmann 32. Lame 92. Ostwald. Wolfgang 37. Svedberg 99. Lange. Fr. A. 56. Sylvius 80. Laplace 93. Paracelsus 61. 80. 84. Lasswitz 108. Pasteur 86. Thenard 79. Leibniz 73. 78. 87. 93. 96. Perrin 9. Thomson. J. J. 9· Leonardo da Vinci 91. Pfaff 81. 88. Thomson. W. 20. 58. 66. Liebig 41. 56. 81. 85. 93. Pfeffer 97. de Tournefort 80. 107. 109. Philiponos 76. Trautz 107. Liek 110. Planck 9. Verworn 109. Lillie 104. Playfair 79. Virchow 85. v. Lippmann 97. 107. 109· Popoff 42. Vogt 73. Lodge 14. 78. Priestley 104. Loeb. J. 47. Pythagoras 84. Waage 101. Lotze 74. 78. 80. 85. 97. Wagner. Rudolf 81. 100. 106. Ranke. K. E. 87. Waldapfel 108. Ludwig. Carl 79. Rau 99. Walden. P. 84. Reil 80. 84. 92. Weber. E. H. 45. 81. Mach 7. 73. 96. Reinke. J. 59. 66. 72. 87. Weber. W. 5. 81. Maier. A. 76. 88. Weiss. P. 105. Malebranche 77. 93. 108. Reiset 104. v. Weizsacker. V. 102. Malpighi 87. Rickert 9. 97. Wenzl. A. 100. 110. Marsilius 76. Riehl. A. 10. 97. 103. Werner. A. G. 'fI,7. van Marum 104. Ritter. J. W. 85. Willstatter103. Matteucci 81. Rontgen 8. Woehler. Fr. 85. Maupertuis 91. Rubner 97. Wolff. C. F. 87. Mauthner 4. 60. 97. 105. Woltereck. R. 35. 59. 110. Maxwell 5. de Saint-Venant 78. Wundt. W. 4. 7. 57. 61. Mayer. R. 4 ff. Sapper 101. 75. 79. 96. 98. 108. Mercer 79. Schelling 94. Mesmer 87. Schimank 108. Xenophon 76. Meyer-Abich 48. Schleiden 85. 86. Michaelis 104. Schmidt. Otto 102. Zollner. Fr. 74. 91. 93. Hierzu die alphabetisch geordneten Namen S. 113-117.

- 119 - Jahrgang 1940. 1. F. EICHIIOLTZ und W. SERTEL. Weitere Untersuchungen zur Chemic und Pharma• kologie der Heidelberger Radiumsole. DM 2.20. 2. H. MAASS. Uber Gruppen von hyperabelEchen Transformationen. DM 1.20. :3. K. FREUDENBERG, H. WALCH, H. GRIESHABER und A. SCHEFFER. Uber die gruppen- spezifische Substanz A (5. Mitteilung iiber die Blutgruppe A des Menschen). DM 0.60. 4. W. SOERGEL. Zur biologischen Beurteilung diluvialer Saugetierfaunen. DM 1.-. ii. Annulliert. ' 6. M. STECK. Ein unbekannter Brief von Gottlob Frege iiber Hilbert's erste Vorlesung iiber die Grundlagen der Geometrie. DM 0.60. 7. C. OEHME. Der Energiehaushalt unter Einwirkung von Aminosauren bei verschie• dener Ernahrung. I. Der EinfluB des GIykokolis bei Hund und Ratte. DM 5.60. 8. A. SEYBOLD. Zur Physiologie des Chlorophylls. .11M 0.60. 9. K. FREUDENBERG, H. MOLTER und H. W AWH. Uber die gruppenspezifische Sub· stanz A (6. Mitteilung iiber die Blutgruppe A des Menschen). DM 0.60. 10. TH. PLOETZ. BeitragI' zur Kenntnis des Baues der verholzten Faser. DM 2.- Jahrgang 1941. I. Beitrage zur Petrographie des Odenwaldes. I. O. H. ERDMANNSDORFFER. Schollen und Mischgesteine im Schriesheimer Granit. DM 1.-. 2. M. STECK. Unbekannte Briefe Frege's iiber die Grundlagen der Geometrie und Ant• wortbrief Hilbert's an Frege. DM 1.-. 3. Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. XII. W. KLEBER. Uber das Amphi• bolitvorkommen vom Bannstein bei Haslach im Kinzigtal. DM 1.60. 4. W. SOERGEL. Der Klimacharakter der als nordiEch geltenden Saugetiere des Eis· zeitalters. DM lAO. Jahrgang 1942. 1. E. GOTSCHLICH. Hygiene in der modernen Tiirkei. DM 0.60. 2. ~tudien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. XIII. O. H. ERDMANNSDORFFER. Uber Granitstrukturen. DM 1.60. 3. J. D. ACHELIS. Die Uberwindung der Alchemie in der paracelsischen Medizin. DM lAO. 4. A. BENNINGHOFF. Die biologische Feldtheorie. DM 1.-. Jahrgang 1943. 1. A. BECKER. Zur Bewertung inkonstanter ex-Strahlenquellen. DM 1.-. 2. W. BLASCHKE. Nicht·Euklidische Mechanik. DM 0.80. Jahrgang 1944. 1. C. OEHME. Uber Altern und Tod. DM 1.-. 1945, 1946 und 1947 sind keine Sitzungsberichte erschienen.

Ab Jahrgang 1948 erscheinen die "Sitzungsberichte" im Springer· Verlag. Inhalt des Jahrgangs1948: 1. P. CHRISTIAN und R. HAAS. Uber ein Farbenphanomen. DM 1.50. 2. W. BLASCHKE. Zur Bewegungsgeometrie auf der Kugel. DM 1.-. 3. P. UHLENHUTH. Entwicklung und Ergebnisse der Chemotherapie. DM 2.-. 4. P. CHRISTIAN. Die Willkiirbewegung im Umgang mit beweglichen Mechanismen. DM 1.50. 5. W. BOTHE. Der Streufehler bei der Ausmessung von Ncbelkammerbahnen im Magnetfeld. DM 1.-. G. W. TROLL. Urhild und Ursache in der Biologic. DM 1.50. 7. H. WENDT. Die JANSEN-H,AYLEIGHSche Naherung zur Bercchnung von Unterschall· striimungen. DM 2040. 8. K. H. SCHUBERT. Uber die Entwicklung zulassiger Funktionen nach den Eigen• funktionen bei definiten, selbstadjungierten Eigenwertaufgaben. DM 1.80. 9. W. SCHAAFF. Biegung mit ErJ;t.altung konjugierter Systeme. DM 1.80. 10. A. SEYBOLD und H. MEHNER. Uber den Gehalt von Vitamin C in Pflanzen. DM 9.60.