Bericht Der Enquetekommission „Chancen Und Risiken Der Gentechnologie“
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SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 14/2373(neu) 14. Wahlperiode 99-09-08 Bericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ Landtagsbeschluß vom 26. September 1996 Drucksachen 14/223, 14/266 und 14/272 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/2373 (neu) A. Einleitung 1. Einsetzung, Auftrag und Arbeitsweise der Kommission 1.1. Zusammensetzung Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat in seiner Sitzung vom 26. September 1996 auf Antrag der Fraktion der SPD vom 23. August 1996 - Drucksache 14/223 - und ergänzt durch einen Änderungsantrag der F.D.P. – Drucksache 14/266 - mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und SSW die Einsetzung einer Enquetekommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie" beschlossen, ”die die Chancen und Risiken der Gentechnologie durch eine kritische Bestandsaufnahme der Debatte über ethische Grundsätze und Grundlagen dieser Technologie und der Darstellung ihrer aktuellen Entwicklung unter ökologischen, ökonomischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und Sicherheitsgesichtspunkten aufzeigen soll. Es ist Aufgabe der Kommission, daraus Empfehlungen für die künftige Entscheidungen des Landtages zu erarbeiten.” Den Vorsitz der aus 13 Mitgliedern bestehenden Enquetekommission übernahm der Abgeordnete Jürgen Weber (SPD). Als weitere Mitglieder wurden von den Fraktionen benannt und vom Präsidenten berufen: Abg. Frauke Walhorn (SPD), bis 19.10.97 Abg. Dr. Jürgen Hinz (SPD), seit 20.10.97 Abg. Gero Storjohann (CDU) Abg. Dr. Adelheid Winking-Nikolay (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), bis 24.3.99 Abg. Irene Fröhlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), seit 25.3.99 Abg. Dr. Christel Happach-Kasan (F.D.P.) Abg. Anke Spoorendonk (SSW) Dr. Martin Frauen, Norddeutsche Pflanzenzucht, Hans-Georg Lembke KG Prof. Dr. Wolfgang Hanneforth, Fachhochschule Hamburg Dr. Anita Idel, Tierärztin, Barsbek Prof. Dr. Christian Jung, Universität Kiel Prof. Dr. Regine Kollek, Universität Hamburg Dr. Jochen Peters, Universität Kiel Prof. Dr. Brigitte Schlegelberger, Universität Kiel Dr. Jochen Wilkens, Geschäftsführer, Verband der Chemischen Industrie Hannover. Die Mitglieder der Kommission wählten Prof. Dr. Christian Jung zum stellvertretenden Vorsitzenden. 1.2. Auftrag Mit dem Beschluß des Landtags war ein detaillierter Arbeitsauftrag verbunden. Danach wurden Aussagen und Empfehlungen zu folgenden Fragestellungen erwartet: Wie stellen sich Chancen und Risiken der Gentechnologie vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlichen, rechtlichen und, und gesellschaftlichen Diskussion dar und wie bilden sie sich in der staatlichen und privaten Forschungslandschaft, der rechtlichen Rahmensetzung und in der Anwendung im Bereich der Humanmedizin, des Umweltschutzes und der Landwirtschaft ab? Ist die gentechnologische Forschung und ihr Ausbau, ihre Anwendung im Bereich der medizinischen Diagnostik und Therapie, der Pharmazie, Landwirtschaft, der Medizin- und Umwelttechnik ethisch zu vertreten, wissenschaftlich zu verantworten, sozial, ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll? Welche Position nimmt Schleswig-Holstein im internationalen Geflecht der Gentechnologieforschung und -anwendung ein? Wie funktioniert die gesellschaftliche Beteiligung und Kontrolle bei der Entwicklung und Umsetzung gentechnologischer Verfahren? Welche Veränderungen hin zu mehr demokratischer Mitbestimmung sind notwendig? Welche Formen der Informationspolitik sind für die Bevölkerung und die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung notwendig? Wie kann Technologiefolgenabschätzung in Schleswig-Holstein organisiert werden? 3 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/2373 (neu) Unter welchen Bedingungen kann die Position eines einzelnen Bundeslandes zur Anwendung der Gentechnik überregionale Bedeutung gewinnen? Welche Position sollte Schleswig-Holstein im internationalen Geflecht der Gentechnologieforschung und -anwendung einnehmen? Wie sind die jetzige Praxis der Anwendung des Gentechnikgesetzes und der Umsetzung durch die Behörden zu bewerten? Ist eine intensivere Information der Bevölkerung und der Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung notwendig; und wie ist diese zu organisieren? Ist im Bereich der Gentechnik eine Erweiterung demokratischer Mitbestimmungsmöglichkeiten erforderlich? Wie kann Technikfolgenabschätzung im Bereich der Gentechnik in Schleswig-Holstein organisiert werden? Welche Kriterien für die Grenzen der Forschung und Anwendung der Gentechnologie müssen gesetzt werden? Zum letztgenannten Punkt wurde der Auftrag dahingehend präzisiert, insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen: - den Bedarf, gentechnisch veränderte Organismen oder Teile derselben zu erforschen und zu produzieren, - die Aufgabenstellung und Entwicklung der Grundlagenforschung im Bereich der Gentechnologie, - die Bewertung gentechnologischer Forschung in Schleswig-Holstein im Bereich der Humanmedizin, Umwelttechnik und der Agrarwissenschaft und ihrer Anwendung, - die Bewertung und Anwendung dieser Technologie im Bereich der medizinischen Diagnostik und Therapie, - die Bewertung ökologischer, ökonomischer und gesundheitlicher Auswirkungen der gewollten oder ungewollten Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in Schleswig-Holstein, - die Bewertung der rechtlichen Rahmensetzungen (Bioethikkonventionen, Embryonenschutz- und Gentechnikgesetzgebung, Genehmigungsverfahren, Kennzeichnung, Patentierung u. a.) auf europäischer, auf Bundes- und Landesebene, - die Bewertung des Sicherheitsstandards im Bereich der gentechnologischen Forschung und Anwendung, - die Perspektiven für einen Ausbau der biomedizinischen Forschung, - die Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein durch den Ausbau der gentechnologischen Forschung sowie die Nutzung dieser Technologie in der Landwirtschaft, der Medizintechnik, der Pharmazie und anderen Branchen, - die Verbesserung der Vermittlung von Wissen und die Verbreitung von Informationen über ethische Grundlagen, Folgenabschätzung, Sicherheitsstandards, Methodik, Verfahren, Anwendung, Chancen und Risiken der Gentechnologie, und - die gesetzlichen Möglichkeiten zur Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommission. 1.3. Arbeitsweise Die Enquetekommission ist am 18.3.1997 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten und hat ihre Arbeit nach 23 Sitzungen am 27.8.1999 beendet. Im Rahmen ihrer Arbeit hat die Enquetekommission zahlreiche Berichte eingeholt und auf 12 Anhörungen insgesamt 40 Experten gehört. Dabei kamen Fachleute aus Universitäten, Behörden und Privatunternehmen sowie Vertreter von Verbänden und die Landesregierung zu Wort (s. Anhang 1 und 2). Zu den einzelnen Themenkomplexen wurden jeweils Berichterstatter aus den Reihen der Kommissionsmitglieder ernannt und mit der Anfertigung schriftlicher Sachstandsberichte sowie der Abfassung von daraus abgeleiteten Empfehlungen an den Landtag bzw. die Landesregierung beauftragt. Da über die vorgelegten Sachstandsberichte und die daraus abzuleitenden Empfehlung in der Kommission trotz intensiver Diskussionen keine Einigung erzielt werden konnte, wurde in den Sitzungen am 23. April 1999 und am 25. Juni 1999 beschlossen, alle Positionen, die bei der Beschreibung und Bewertung eines Sachstands eine 4 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/2373 (neu) Rolle spielten, im Abschlußbericht der Enquetekommission zu dokumentieren und dabei gegebenenfalls deutlich zu machen, welche Texte einvernehmlich und welche nicht einvernehmlich in den Abschlußbericht aufgenommen wurden. Die Kommissionsmitglieder Abg. Fröhlich, Abg. Dr. Hinz, Abg. Spoorendonk, Abg. Weber, Prof. Dr. Hanneforth, Dr. Idel und Prof. Dr. Kollek nahmen die Berichte ohne ein ausdrücklich erklärtes Votum zur Kenntnis. Über die Empfehlungen wurde einzeln abgestimmt. Die Abstimmungsergebnisse über die jeweiligen Empfehlungen sowie ggf. Minderheitsvoten sind ebenfalls im Abschlußbericht dokumentiert. 5 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/2373 (neu) B. Berichte und Empfehlungen 1. Themenkomplex Gesundheit 1.1. Humangenetik Berichterstatterin: Prof. Dr. Brigitte Schlegelberger 1.1.1. Präambel Durch die vollständige Sequenzanalyse des gesamten menschlichen Genoms wird spätestens bis zum Jahr 2005 das menschliche Erbmaterial entschlüsselt sein. Das wichtigste Ziel ist dabei, innerhalb der ca. 3 Milliarden Basenpaare die etwa 80.000 bis 100.000 menschlichen Gene zu identifizieren und in ihrer Struktur und Funktion aufzuklären. Eine wichtige Hilfestellung bietet dabei der Vergleich mit Genomen anderer Spezies wie z. B. der Maus oder Modellorganismen wie der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, des Spulwurms Caenorhabditis elegans oder der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Durch die Identifizierung krankheitsassoziierter Gene eröffnen sich völlig neuartige Chancen für das Verständnis, für die Diagnostik und später auch für die kausale Therapie genetisch bedingter oder mit bedingter Erkrankungen. Bisher sind ca. 5.000 Erbkrankheiten bekannt, die durch Veränderungen in einem einzigen Gen verursacht werden. 1 Darüber hinaus spielt die genetische Prädisposition eine wichtige Rolle für häufige Erkrankungen wie z. B. Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, Allergien und Tumorerkrankungen. 1.1.2. Genomanalyse 1991 wurde in den USA das Humane Genomprojekt (Human Genome Project) initiiert, um innerhalb von 15 Jahren das gesamte menschliche Genom zu sequenzieren. Inzwischen hat sich das Humane Genomprojekt zu einem internationalen Forschungsprogramm unter