„… something new – something extraordinary and beautiful and simple + intricately patterned“ Fitzgeralds The Great Gatsby in zwei deutschen Übersetzungen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Nina Elisabeth PUCHER

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachterin: Univ.-Prof. Dr. Heike van Lawick Brozio Graz, 2015

Inhalt

Einleitung ...... 1

1 Descriptive Translation Studies ...... 3

2 Zu den Konzepten der Domestizierung und Verfremdung ...... 7

2.1 Friedrich Schleiermachers „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“ ...... 8

2.2 Foreignization und domestication bei Lawrence Venuti ...... 13

2.3 Foreignisation und kulturelle Asymmetrie bei Piotr Kwieciński ...... 18

2.4 Covert und overt translation bei Juliane House ...... 20

2.5 Kaisa Koskinen: Foreignization und die Bedeutung von affect ...... 22

2.6 Die retranslation hypothesis: Ein kurzer Einblick ...... 23

2.7 Zusammenfassung der dargelegten Konzepte ...... 26

3 F. Scott Fitzgerald ...... 29

3.1 Eine kurze Biographie ...... 29

3.2 Posthumer Erfolg ...... 33

4 Der Roman The Great Gatsby (1925) ...... 36

4.1 Inhalt des Romans ...... 36

4.2 Charakteristik und Themen des Romans ...... 38

4.3 Reaktionen auf den Roman in den USA ...... 42

5 Die deutschen Übersetzungen ...... 45

5.1 Übersetzung 1: Der große Gatsby (1953) ...... 46

5.1.1 Der Übersetzer Walter Schürenberg ...... 46

5.1.2 Der Blanvalet Verlag ...... 48

5.2 Übersetzung 2: Der große Gatsby (2006) ...... 49

5.2.1 Die Übersetzerin Barbara Abarbanell ...... 49

5.2.2 Der Verlag Diogenes ...... 51

6 Analyse ...... 52

6.1 Methodische Grundlagen ...... 52 6.1.1 Das Normenkonzept von Gideon Toury ...... 54

6.1.2 Das Normenkonzept von Andrew Chesterman ...... 56

6.1.3 Andrew Chestermans translation strategies ...... 60

Syntactic strategies ...... 61

Semantic strategies ...... 63

Pragmatic strategies ...... 64

6.2 Vergleich ausgewählter Textpassagen ...... 66

6.2.1 Beschreibung der Figuren ...... 67

6.2.2 Beschreibung von Orten und Szenen ...... 78

6.2.3 Dialoge und Beschreibung der Beziehungen zwischen den Figuren ...... 92

6.3 Zusammenfassung der Analyseergebnisse unter Miteinbeziehung der Normenkonzepte . 99

7 Zusammenfassung: Domestizierung und Verfremdung in den Übersetzungen ...... 106

Literaturverzeichnis ...... 108

Anhang ...... 118

Einleitung

„I want to write something new – something extraordinary and beautiful and simple + intricately patterned“ (Bruccoli/Duggan 1980:112, zit. n. Lanahan/Bruccoli/Lanahan 1999; Hervorh. im Orig.) – so beschrieb F. Scott Fitzgerald jenes Buch, das er mit The Great Gatsby schreiben wollte. Fitzgerald schrieb diese Worte bevor er den Roman verfasst hatte und lange Zeit bevor ihn auch die Literaturkritik und Öffentlichkeit als herausragend wahrnahm, dennoch sollten sie sich als wahr erweisen: Der Roman The Great Gatsby überzeugte durch genau die Eigenschaften, die ihm Fitzgerald vorhergesagt hatte: durch den außergewöhnlichen Stil, seine Schönheit, seine Einfachheit und die Sorgfalt, mit der arrangiert wurde. The Great Gatsby gilt heute als moderner amerikanischer Klassiker und wurde seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1925 in dutzende Sprachen übersetzt; schon allein in deutscher Sprache liegen heute acht Übersetzungen vor. Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit zwei dieser deutschen Übersetzungen: der Übersetzung, die von Walter Schürenberg angefertigt wurde und im Jahr 1953 erschien, und der Neuübersetzung von Bettina Abarbanell aus dem Jahr 2006. Bei Schürenbergs Text handelt es sich um jene Übersetzung, die der Großteil der deutschsprachigen LeserInnenschaft als Der große Gatsby kennt, da sie für lange Zeit im Handel erhältlich war und über ein halbes Jahrhundert lang „der maßgebliche Text“ (Ingendaay 2011) war. Diese Übersetzung wurde im Jahr 2006 durch Abarbanells Version ersetzt, die zum Ziel hatte, The Great Gatsby originalgetreu und „flüssig“ (Zanovello 2015) wiederzugeben. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage, ob sich in den beiden Übersetzungen Tendenzen zu Domestizierung bzw. zur Verfremdung beobachten lassen und inwiefern diese Tendenzen mit den jeweils geltenden Normen der Zielkultur zusammenhängen können. Dazu sollen die Unterschiede zwischen den Übersetzungen aufgezeigt werden und es soll festgestellt werden, in welchen Bereichen diese Unterschiede auftauchen. Des Weiteren soll herausgefunden werden, wie der Übersetzer Walter Schürenberg und die Übersetzerin Bettina Abarbanell mit F. Scott Fitzgeralds außergewöhnlichem Still umgehen.

Schon bei der oberflächlichen Lektüre der beiden Texte zeigte sich, dass sich die beiden Übersetzungen in gewissen Passagen stark voneinander unterscheiden. Eine kurze Gegenüberstellung der beiden Übersetzungen unter Miteinbeziehung des Originals gab Anlass zu der Hypothese, dass sich der Übersetzer von Übersetzung 1 (1953), Walter Schürenberg, weiter vom Original entfernt und in seiner Interpretation von Fitzgeralds Sprache weiter als die Übersetzerin von Übersetzung 2 (2006), Bettina Abarbanell, geht. 1

Es wird angenommen, dass Schürenberg versucht, den Text für seine Leserinnen und Leser fassbarer, verständlicher und lesbarer zu machen als dies im Original der Fall ist, und insgesamt eher LeserInnen-orientiert übersetzt. Abarbanells Priorität liegt darauf, in ihrer Neuübersetzung die Strukturen, die Satzgefüge und den Stil Fitzgeralds möglichst nah am Original wiederzugeben.

Kapitel 1 beschäftigt sich mit den Descriptive Translation Studies, die den Ausgangspunkt dieser deskriptiv orientierten Arbeit bilden. In Kapitel 2 werden Domestizierung bzw. Einbürgerung und Verfremdung in der Übersetzung näher betrachtet, da es sich bei diesen Begriffen um durchaus komplexe Konzepte handelt, die einer näheren Erläuterung bedürfen. Im dritten und vierten Kapitel werden der Autor F. Scott Fitzgerald und sein Roman The Great Gatsby vorgestellt und auf das Leben und Gesamtwerk des Autors sowie auf den Inhalt, die Charakteristika und die Rezeption seines bekanntesten Romans eingegangen. Im fünften Kapitel stehen die beiden deutschen Übersetzungen, die einer Analyse unterzogen werden, der Übersetzer Walter Schürenberg und die Übersetzerin Bettina Abarbanell sowie die Verlage Blanvalet und Diogenes im Mittelpunkt. In Kapitel 6 werden die methodischen Grundlagen für die Analyse dargelegt und sodann die Analyse der Textpassagen durchgeführt. Kapitel 7 fasst die Arbeit und ihre wichtigsten Ergebnisse zusammen und versucht Tendenzen in Richtung Domestizierung bzw. Verfremdung sichtbar zu machen.

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1 Descriptive Translation Studies

In diesem Kapitel sollen die Descriptive Translation Studies (DTS) vorgestellt werden, da sie eine empirische und wertfreie Betrachtung von literarischen Übersetzungen unter Miteinbeziehung ihrer gesellschaftlichen Kontexte ermöglichen, auf der diese Masterarbeit fußt. Unter dem Begriff Descriptive Translation Studies können nach Prunč prinzipiell alle Strömungen innerhalb der Translationswissenschaft verstanden werden, die sich mit der Beschreibung von Translation beschäftigen. Enger gefasst bezeichnet die DTS aber eine Strömung, die sich auf die Literaturwissenschaft stützt und deren Ansätze auf den russischen Formalismus und den Prager Strukturalismus zurückgehen. Die DTS nahmen ihre Anfänge in 1970er Jahren in Belgien und in den Niederlanden und erlebten in den 1990er Jahren einen Aufschwung. Auch in bildete sich eine ähnliche Strömung heraus (Prunč 2012:229f.).

Als Grundstein für die Herausbildung der DTS kann jener Vortrag, den James S. Holmes beim internationalen Kongress für Angewandte Sprachwissenschaft in Kopenhagen im Jahr 1972 gab, gesehen werden. In „The Name and Nature of Translation Studies“ spricht er sich für eine eigenständige Disziplin zur Untersuchung von Translation aus, und schlägt „Translation Studies“ als Namen für eine solche Disziplin vor (ibid.:231). Für Holmes ist die Translationswissenschaft ohne Zweifel eine „empirical discipline“ (Holmes 1988:71), die sowohl die Beschreibung von Übersetzungen und des Übersetzungsprozesses, als auch die Schaffung von „general principles“ (ibid.) zur Erklärung und Prognose von Übersetzungen zum Ziel hat (ibid.). Gleichzeitig unternahm Holmes auch einen Versuch der Aufteilung dieser neuen Disziplin in unterschiedliche Gebiete, einer Definition des Untersuchungsgegenstandes und des methodologischen Instrumentariums (Hermans 1991:155).

Der nächste große Schritt in Richtung einer deskriptiv orientierten Translationswissenschaft war die Zusammenarbeit zwischen den israelischen Forschern Itamar Even-Zohar und Gideon Toury und flämischen wie José Lambert, Raymond van den Broeck und André Lefevere, die in den 1970er Jahren begann. Es folgten drei Konferenzen (in Löwen, Tel Aviv und Antwerpen), die maßgeblich zur Theoriebildung beitrugen (Hermans 1999:11f.). Der „große Durchbruch […], der den Paradigmenwechsel zur deskriptiven Translationswissenschaft mit der entsprechenden Resonanz vollzog“ (Prunč 2012:232), wurde dann beim zweiten Kongress in Löwen erreicht (ibid.).

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Der im Zuge des Kongresses entstandene Sammelband The Manipulation of Literature. Studies in Literary Translation beinhaltet Beiträge von Gideon Toury, José Lambert, Hendrik van Gorp, Raymond van den Broeck, André Lefevere, Susan Bassnett-MacGuire, Maria Tymocko und weiteren wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der DTS. In seinem Vorwort legt der Herausgeber Theo Hermans die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Sammelbandes dominierende Auffassung von literarischen Übersetzungen und die Zugänge zu ihrer Untersuchung dar. Hermans kritisiert den Umstand, dass Translation in der Literaturwissenschaft lediglich eine marginale Rolle einnimmt und meist gar völlig ausgeklammert wird. Die Gründe dafür seien letztendlich in „certain influential views on the nature of literature and of the relation between language and literature“ (Hermans 1985:7) zu finden, in der Annahme, dass das Original in seiner Genialität und Kreativität einmalig sei, sowie in einer eingeschränkten Sichtweise auf Nationalliteratur. Die Wahrnehmung eines Autors bzw. einer Autorin als Genie und Meister bzw. Meisterin im Umgang mit seiner bzw. ihrer Sprache bewirke, dass seine bzw. ihre Werke als unnachahmlich gesehen würden. Werde die Sprache zusätzlich als eng mit der Nation selbst verknüpft wahrgenommen, nehme die Nationalliteratur einer Nation ebenfalls eine „aura of sacred untouchability“ (ibid.) an und jeder Versuch einer Übersetzung erscheine als waghalsig und „barely permissible“ (ibid.). Übersetzungen nähmen somit in der Literaturwissenschaft eine periphere Position ein und reihten sich mit anderen „products of ‘minor significance’“ (ibid.:8), wie beispielsweise Parodien, Bühnen- und Filmadaptionen oder Kinderliteratur ein. Der Ausgangspunkt der Beschäftigung mit literarischen Übersetzungen sei die Annahme, dass diese „not only second-hand, but also generally second-rate“ (ibid.) seien, und ihnen demnach keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Werde die grundsätzliche Überlegenheit des Originals als gegeben gesehen, dienten Übersetzungen nur dazu, die Qualität des Originals zu betonen und die Unzulänglichkeiten des übersetzten Textes aufzuzeigen. Dies führe zu einer Herangehensweise, die sich ausschließlich am Ausgangstext orientiere und „repetitive, predictable and prescriptive“ (ibid.:9) werde.

Nach Hermans hatte die Untersuchung von literarischen Übersetzungen in ihrer Entwicklung zu diesem Zeitpunkt einen Stillstand erreicht. Genau diesen Stillstand versuchten die Vertreterinnen und Vertreter der DTS zu überwinden und ein neues Paradigma für die Untersuchung von literarischen Übersetzungen zu schaffen. Die Forscherinnen und Forscher hatten zwar durchaus unterschiedliche Interessensgebiete, dennoch teilten sie 4

[…] a view of literature as a complex and dynamic system; a conviction that there should be a continual interplay between theo-retical models and practical case studies; an approach to literary translation which is descriptive, target-oriented, functional and systemic; and an interest in the norms and constraints and reception of translations, in the relation between translation and other types of text proces-sing, and in the interaction between literatures. (Ibid.:10f.) Der Text als historisches Objekt in der Zielkultur bildet in den DTS den Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen, die den Kontext der Übersetzungen miteinbeziehen (Stolze 1997:156). Als Übersetzungen gelten hier alle Texte, die von der jeweiligen Kultur zum jeweiligen Zeitpunkt als Übersetzungen wahrgenommen werden (Hermans 1985:13). Die Untersuchung ist rein beschreibender Natur und entbehrt jeglicher Aussagen über die Korrektheit der Übersetzung (Stolze 1997:156).

Von besonderer Bedeutung für den neuen Zugang zur Erforschung von literarischen Übersetzungen war der israelische Forscher Itamar Even-Zohar, der ausgehend vom russischen Formalismus und tschechischen Strukturalismus Literatur als Polysystem konzeptualisierte. Even-Zohars Polysystem besteht aus mehreren unterschiedlichen Systemen und ist durch „internal oppositions and continual shifts“ (Hermans 1985:11) charakterisiert. Gegensätze zwischen innovativen und konservativen Elementen im System erzeugten eine Dynamik und sorgten für stetigen Wandel. Literarische Übersetzungen befänden sich ebenfalls im Polysystem und seien an dem Kampf um die Vorherrschaft beteiligt. Innerhalb des Polysystems könnten sie aber unterschiedliche Positionen einnehmen: Sie könnten ein eigenes Subsystem darin darstellen oder vollständig integriert sein, sich im umkämpften Zentrum des jeweiligen Systems oder eher im Randbereich befinden, sie könnten die vorherrschenden Konventionen anfechten, oder sie unterstützen (ibid.).

Nach Hermans eignet sich die Polysystemtheorie als theoretische Grundlage für die systematische Untersuchung von literarischen Übersetzungen und bietet im Gegensatz zu den in der Zeit ihrer Entstehung vorherrschenden Herangehensweisen einen Zugang zu übersetzter Literatur, der nicht präskriptiver Natur ist: „[T]he descriptive method takes the translated text as it is and tries to determine the various factors that may account for its particular nature“ (ibid.:13). Dieser neue deskriptive Ansatz berücksichtigt nach Hermans zwei grundlegende Aspekte: Der erste betrifft die textuelle Ausformung der Übersetzung selbst, wobei hier die Normen und Einschränkungen, die die Übersetzung beeinflusst haben, im Mittelpunkt stehen. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Art und Weise, wie Übersetzungen in der Zielkultur funktionieren und im Besonderen, welche Wirkung sie in dieser Zielkultur haben (ibid.). Dieser zweite Punkt macht deutlich, dass sich die 5

Auffassung über die Rolle von Übersetzungen verändert hatte: „Die Übersetzung wird nicht mehr nur als ein ‚produziertes‘, sondern auch als ein ‚produzierendes’ Objekt gesehen“ (Stolze 1997:141) und kann durch ihre fremden Elemente auch eine Erneuerung in der Literatur bedeuten (ibid.).

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2 Zu den Konzepten der Domestizierung und Verfremdung

Der Gegensatz zwischen freier und wörtlicher Übersetzung ist das „vermutlich […] älteste Kriterium“ (Albrecht 2005:40) zur Einordnung von übersetzten Texten und bereits Horaz, Cicero, Hieronymus und weitere waren sich dieses grundsätzlichen Unterscheidungsmerkmals bewusst. Nach Albrecht kann das Gegensatzpaar des verfremdenden und domestizierenden Übersetzens als eine Variante des oberen gesehen werden, in welcher nicht allein auf die Sprache Bezug genommen wird, sondern auf den „Grad an AS-Text-Gebundenheit im Hinblick auf mutmaßliche Kenntnisse und Erwartungen“ (ibid.; Hervorh. im. Orig.) der Leserinnen und Leser. Die Unterschiede zwischen den Kategorisierungen „freie oder wörtliche Übersetzung“ und „domestizierende oder verfremdende Übersetzung“ liegen nach Albrecht darin, dass ersteres auf eine rein sprachliche Ebene bei einzelnen Textstellen anwendbar ist, während sich letzteres auf ganze Texte sowie Textsorten und -gattungen bezieht; kulturelle Aspekte rücken hier in den Vordergrund. Gilt eine Übersetzung als „wörtlich“, heiße das dennoch nicht, dass sie gezwungenermaßen auch „verfremdend“ ist, bei den Attributen „frei“ und „domestizierend“ verhalte es sich ebenso (ibid.:41f.).

Die Begriffe der Domestizierung/Einbürgerung und Verfremdung (im Englischen wurden meist die Termini domestication und foreignization verwendet) wurden innerhalb der Translationswissenschaft wiederholt angewendet, jedoch häufig auch ohne eine exakte Definition der Termini selbst. Als Grund dafür kann nach Kemppanen/Jänis/Belikova ihre vermeintlich einfache Verständlichkeit gesehen werden sowie der Umstand, dass es sich dabei um eine dem Menschen vertraute Sichtweise auf die eigene Stellung im eigenen Umfeld und die Beziehung zu einem fremden Umfeld handelt (Kemppanen/Jänis/Belikova 2012:7f.). Die beiden Konzepte waren in der Translationswissenschaft insofern von Nutzen, da mit ihrer Hilfe die wesentlichsten Faktoren in der Übersetzung, wie beispielsweise der Beziehung zwischen Original und Übersetzung, die Entscheidungen der Übersetzerinnen und Übersetzer, die Reaktion der Leserinnen und Leser sowie die Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen untersucht werden konnten (ibid.).

Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch schnell, dass die Begriffe der Verfremdung und Einbürgerung bzw. Domestizierung nicht als „convenient catchwords“ (Koskinen 2012:14) dienen können und weit vielschichtiger sind, als auf den ersten Blick scheint. Um sie in ihrer gesamten Komplexität fassen zu können, ist es notwendig, sie von unterschiedlichen Gesichtspunkten mitsamt ihrer Bedeutung für die Translationswissenschaft zu beleuchten. 7

Ausgehend von Friedrich Schleiermachers maßgeblicher Abhandlung im Jahr 1813 sollen in diesem Kapitel die relevantesten Ansätze hinsichtlich verfremdender und domestizierender Übersetzungsmethoden präsentiert werden.

2.1 Friedrich Schleiermachers „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“

Die deutsche Romantik und ihre großen Vordenker wie Herder, Schlegel, Goethe, Schleiermacher oder Humboldt waren von enormer Bedeutung für die Entwicklung der Idee eines verfremdenden Übersetzens und ihrer theoretischen Konzeptualisierung (Kwieciński 2001:35). Die nach Kwieciński bei Weitem wichtigste Schrift der deutschen Romantik zum Thema Übersetzung ist Friedrich Schleiermachers Abhandlung „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“, die den einzigen „systematic and methodical approach to translation of that period in Germany“ (ibid.:39) darstellte. Der Prediger, Theologe und Reformer Friedrich Schleiermacher, der aus heutiger Sicht in der Translationswissenschaft einen besonderen Stellenwert einnimmt, da er sich für die Übersetzungswissenschaft als eigene Disziplin innerhalb des Wissenschaftsbetriebes aussprach, präsentierte seine Abhandlung bereits im Jahr 1813 in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und formulierte darin seine Ideen und Ansichten zum Thema verfremdendes bzw. domestizierendes Übersetzen (Snell-Hornby 2004:333).

Schleiermacher unterscheidet in seiner Abhandlung zwischen dem Dolmetschen und dem Übersetzen, indem er ersteres eher dem Geschäftsleben zuordnet, letzteres eher der Wissenschaft und Kunst. Nach Schleiermacher handelt es sich beim Dolmetschen um ein „mechanisches Geschäft“ (Schleiermacher 1963/1838:42), denn es gehe darum, rein Gegenständliches zu übertragen, während beim Übersetzen von Wissenschaft und Kunst Ideen und Gefühlsregungen vermittelt werden müssten. Das Übersetzen von Texten, in denen der Autor bzw. die Autorin stärker sichtbar wird, sieht Schleiermacher als Kunst, die besonderes Geschick und Verständnis für die Sprache des Autors bzw. der Autorin erfordert (ibid.:40f.). Schleiermachers Ausführungen, die das Dolmetschen im geschäftlichen Bereich im Vergleich zum Übersetzen in Kunst und Wissenschaft als weniger anspruchsvoll darstellen (ibid.:39ff.), sind aus heutiger Sicht ohne Zweifel infrage zu stellen; da dies aber nicht mit dem Thema dieser Arbeit vereinbar ist, kann hier nicht näher darauf eingegangen werden. Von größerer Bedeutung für diese Arbeit sind jedoch die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die sich beim Übersetzen von

8 wissenschaftlichen und künstlerischen Texten ergeben, und die verschiedenen Methoden, die bei dieser Art von Übersetzung angewendet werden können.

Die Herausforderung des Übersetzens beruht nach Schleiermacher auf zwei Faktoren. Der erste betrifft die Andersartigkeit von Sprachen, da kein Wort in einer Sprache sein exaktes Äquivalent in einer anderen Sprache hat:

[W]enn nämlich in zwei Sprachen jedem Worte der einen ein Wort der andern genau entspräche, denselben Begriff in demselben Umfang ausdrükkend; wenn ihre Beugungen dieselben Verhältnisse darstellten, und ihre Verbindungsweisen in einander aufgingen, so daß die Sprachen in der That nur für das Ohr verschieden wären (Ibid.:42) dann wäre auch das Übersetzen in Kunst und Wissenschaft ein rein mechanischer Prozess. Die Leserinnen und Leser der Übersetzung stünden dann in derselben Beziehung zum Text und seiner Verfasserin bzw. seinem Verfasser wie die Leserinnen und Leser des Originals. Die Ungleichheit von Sprachen im Allgemeinen betrifft grundsätzlich auch den Geschäftsbereich und somit auch das Dolmetschen, hier jedoch sind die verwendeten Begriffe nach Schleiermacher meist vereinheitlicht, sodass dieser Faktor kaum ins Gewicht fällt (ibid.). Der zweite bedeutende Faktor ist damit verbunden, dass die Sprache, die ein Mensch als Muttersprache erlernt hat, Einfluss auf alles Gedachte und Gesprochene dieses Menschen hat; das Denken ist durch die eigene Sprache geformt. Von anderer Seite aus betrachtet formen die Sprecherinnen und Sprecher aber auch ihre Sprache, denn so kam es zu ihrer Entstehung und Herausbildung (ibid.:43f.). Um Gesagtes oder Geschriebenes vollkommen zu begreifen, müssen also zwei Aspekte berücksichtigt werden: die Natur der Sprache, in der es ausgedrückt wurde, und die Denkweise und Empfindungen der Person, die es ausdrückte. Ein vollkommenes Verstehen sei demnach schon in ein und derselben Sprache nicht einfach, weil es ein „genaues und tiefes Eindringen in den Geist der Sprache und in die Eigenthümlichkeit des Schriftstellers in sich schließt“ (ibid.:44). Umso komplexer wird die Aufgabe, wenn es sich um Texte aus einer fremden Sprache handelt (ibid.).

Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer sehe sich hier mit der Frage konfrontiert, ob versucht werden soll, die Autorin bzw. den Autor zu den Leserinnen und Lesern des übersetzten Textes in dieselbe Relation zueinander zu setzen wie die von Autorin bzw. Autor und den Leserinnen und Lesern des Originals; oder, ob versucht werden soll, den Rezipientinnen und Rezipienten der Übersetzung dasselbe Vergnügen beim Lesen zu ermöglichen, das auch die Übersetzerin bzw. der Übersetzer beim Lesen empfindet, welches auch die Wahrnehmung des Fremden einschließt (ibid.:45). Um ein Werk ganz zu verstehen, 9 müssten sich die Leserinnen und Leser in die Sprache der Autorin bzw. des Autors hineindenken können, sie müssten die Ideen der Autorin bzw. des Autors fassen können. Um dies zu erreichen, habe die Übersetzerin bzw. der Übersetzer lediglich ein Werkzeug: die eigene Sprache. Nach Schleiermacher haben sich aus diesen Schwierigkeiten des Übersetzens in der Kunst und Wissenschaft zwei Möglichkeiten, um fremdsprachige Werke im eigenen Sprachraum bekannt zu machen, entwickelt: „die Paraphrase und die Nachbildung“ (ibid.). Beide stimmen jedoch nicht mit seiner Idee des Übersetzens überein. Bei der Paraphrase wird nach Schleiermacher versucht, die Andersartigkeit der Sprachen zu überbrücken, indem in der Zielsprache nicht existente Wörter durch zusätzliche Beschreibungen erweitert oder eingeschränkt werden, um die Bedeutung des originalsprachlichen Wortes möglichst exakt wiederzugeben. Auf diese Weise werde zwar der Inhalt übersetzt, aber die Wirkung des Werkes werde dabei vernachlässigt und die LeserInnenschaft könne weder die eigene, noch die fremde Sprache im Werk erkennen (ibid.:46). Durch das Paraphrasieren „[verliert] ein Kunstwerk […] seinen Ton, seinen Glanz, seinen ganzen Kunstgehalt“ (ibid.:47). Die Nachbildung hingegen erkenne die Andersartigkeit der Sprachen, und allem, was damit verbunden ist, an und strebe danach, auf ihre Leserinnen und Leser eine ähnliche Wirkung zu haben, wie das Original auf seine LeserInnenschaft, dabei gehe jedoch die Identität des Textes verloren. Während die Paraphrase eher in der Wissenschaft zum Einsatz komme, finde die Nachbildung eher in der Kunst Anwendung. Diese beiden Möglichkeiten, die der Paraphrasierung und der Nachbildung, können jedoch nach Schleiermacher nicht zufriedenstellend für jene sein, die anderen eine Autorin bzw. einen Autor und ihr bzw. sein Werk tatsächlich vermitteln möchten, und er grenzt diese beiden Verfahren von dem des eigentlichen Übersetzens ab (ibid.:46f.).

Für die Übersetzenden, deren Ziel es ist, die Autorin bzw. den Autor und die LeserInnenschaft zusammenzubringen, ergeben sich für Schleiermacher zwei mögliche Strategien und er kommt zu dieser prägnanten, vielfach zitierten Schlussfolgerung:

Entweder der Uebersetzer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen. (Ibid.:47) Somit stellt sich die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entweder auf die Seite der Autorin bzw. des Autors, oder auf die Seite der LeserInnenschaft. Wird die erste dieser beiden Strategien verfolgt, versucht die Übersetzerin bzw. der Übersetzer das Unwissen der Leserinnen und Leser über die Ausgangssprache der Autorin bzw. des Autors

10 auszugleichen und ihr das (durch die Beherrschung der fremden Sprache) gewonnene Bild des Werkes näherzubringen. Die entgegengesetzte Strategie wird angewendet, wenn versucht wird, die Autorin bzw. den Autor in das Umfeld der LeserInnenschaft zu holen und sie bzw. ihn als Teil dieses Umfelds erscheinen zu lassen (ibid.:48). Diese beiden Methoden und ihre Auswirkungen und Schwierigkeiten sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

Bei der Übersetzung im Bereich der Kunst spricht Schleiermacher eine Schwierigkeit bei der Übertragung in eine andere Sprache an, die auf die stilistischen Besonderheiten eines Textes bzw. die individuelle Ausdrucksweise der Autorin oder des Autors zurückgeht. Existierten im Ausgangstext nämlich Elemente, die die Leserin bzw. der Leser der Originalsprache „als eigenthümlich als absichtlich als wirksam auf Ton und Stimmung des Gemüthes, als entscheidend für die mimische oder musikalische Begleitung der Rede“ (ibid.:53) wahrnimmt, müssten diese auch von der Übersetzerin bzw. von dem Übersetzer berücksichtigt werden. Zu beachten sei, dass in einem solchen Text die Rhythmik und Melodik nahezu immer einen Gegenpol zur Dialektik und Grammatik darstellen. Dies berge für die Übersetzerin bzw. für den Übersetzer die Gefahr, sich von den eigenen Vorlieben zugunsten entweder des Inhalts oder der Form leiten zu lassen, und somit das jeweils andere Element zu vernachlässigen (ibid.:54). Diese Dichotomie, die sich aus den Polen Inhalt und Form ergibt, war in der Geschichte der Übersetzung stets präsent. Schleiermacher spricht sich zwar eindeutig für die verfremdende Methode aus, lehnt aber keine der beiden Vorgehensweisen strikt ab, sondern sieht Übersetzen als Entscheidungsprozess; die Gegensätzlichkeit der beiden Pole bleibt jedoch bestehen (Snell-Hornby 2004:334f.).

Beim Lesen eines Werkes in einer anderen Sprache bleibe auch für diejenigen, die über umfangreiche Kenntnisse dieser Sprache verfügen, immer das Element des Fremden. Eine weitere Herausforderung für die Übersetzerin bzw. den Übersetzer sieht Schleiermacher darin, dieses Fremde den Leserinnen und Lesern eines übersetzten Textes zu vermitteln, obwohl sie diesen in ihrer Muttersprache lesen. Die Verfahrensweise, die hier oft angewendet wird, möglichst die Formulierungen des Originals zu übertragen, verlangt jedoch nach Schleiermacher von der Übersetzerin bzw. dem Übersetzer großes Geschick und Abwägung, da sie weder auf Kosten der Sprache noch auf Kosten der Übersetzerin bzw. des Übersetzers selbst angewendet werden darf. Oft stehe die Übersetzerin bzw. der Übersetzer nämlich in der Kritik, eine umständliche Sprache zu produzieren, wenn sie

11 bzw. er versucht, das Fremde zu übertragen (Schleiermacher 1963/1838:54ff.). Nach Schleiermacher ist das oberste Bestreben hier, dass die Leserinnen und Leser in der Zielkultur beginnen, „neben dem Geist der Sprache auch den eigenthümlichen Geist des Verfassers in dem Werk zu ahnden“ (ibid.:57). Dies sei aber nur möglich, wenn dem Lesepublikum nicht nur einzelne, sondern eine große Menge an Texten zugänglich gemacht wird (ibid.). Schleiermacher geht davon aus, dass verschiedenartige Übersetzungen desselben Textes bestehen können, die zwar dieselbe Methode des Übersetzens verfolgen, jedoch, dass in manchen eher eine „Annäherung an die Ursprache“ (ibid.:58), in anderen wiederum eine „Schonung der eigenen [Sprache]“ (ibid.) zu erkennen ist. Keine der Tendenzen innerhalb dieser Methode sei jedoch, objektiv und in ihrer Gesamtheit gesehen, höher zu bewerten (ibid.).

Die zweite Methode, die konträr zu der vorher beschriebenen ist, bezeichnet Schleiermacher als eine Verfahrensweise, die

ihrem Leser gar keine Mühe und Anstrengung zumuthend, ihm den fremden Verfasser in seine unmittelbare Gegenwart hineinzaubern, und das Werk so zeigen will, wie es sein würde, wenn der Verfasser selbst es ursprünglich in des Lesers Sprache geschrieben hätte. (Ibid.:58f.) Wird diese Methode verfolgt, wird die Sprache der Übersetzerin bzw. des Übersetzers eher nicht infrage gestellt, weil nur jene Formulierungen verwendet werden, die in der Zielsprache als eigene akzeptiert werden. Hier sehe die Übersetzerin bzw. der Übersetzer ihre bzw. seine Aufgabe darin, in der Zielsprache so zu formulieren, dass sich für die Leserinnen und Leser das Bild ergibt, die Autorin bzw. der Autor habe in deren eigener Muttersprache formuliert (ibid.:59). Dieses Bestreben, einen Text so übersetzen zu wollen, wie ihn die Autorin bzw. der Autor verfasst hätte, wäre die Zielsprache ihre bzw. seine Muttersprache, ist nicht nur unmöglich, sondern auch „in sich nichtig und leer“ (ibid.:60) argumentiert Schleiermacher, denn die Sprache und ihre Sprecherin bzw. ihr Sprecher sind, wie oben bereits erwähnt wurde, untrennbar miteinander verbunden (ibid.). Schleiermacher sieht das Werk einer Autorin bzw. eines Autors als das Produkt ihrer bzw. seiner Ideen, welches eine Verbindung mit ihrer bzw. seiner Muttersprache eingeht. Somit sei diese zweite von ihm beschriebene Methode in Bezug auf die Übersetzung nahezu nicht anwendbar, unter anderem weil kein Wort der einen Sprache mit derselben Wirkung exakt ausdrückt, was ein Wort in der anderen Sprache bedeutet; vor allem bei philosophischen Texten sei dies nicht denkbar und ein Versuch dahingehend würde entweder zu einem Paraphrasieren des Textes, zu einer Nachbildung oder zu einer Mischform aus Übersetzung und Nachbildung führen, die den Leserinnen und Lesern keinerlei Nutzen bringe 12

(ibid.:65ff.). Das eigentliche Ziel des Übersetzens, den Lesenden einen „möglichst unverfälschte[n] Genuß“ (ibid.:67) eines fremden Werkes zu ermöglichen, könne nicht verwirklicht werden, wenn versucht werde, ihm „ganz und gar den Geist einer ihm fremden Sprache ein[zu]hauchen“ (ibid.). Im Gegensatz dazu fühle sich die Übersetzerin bzw. der Übersetzer bei der ersten oben beschriebenen Methode nicht dazu angehalten, den Text auf eigene Initiative zu verändern, weil hier der LeserInnenschaft das Fremde im Text stets bewusst sein soll (ibid.). Für Schleiermacher profitiert die deutsche Sprache durch eine Hinzufügung von ihr fremden Elementen und er sieht es als erstrebenswert an, die Erkenntnisse, die in anderen Sprachen gewonnen wurden, mit den eigenen in der deutschen Sprache zu verbinden, weswegen er sich in seiner Abhandlung für die erste Methode ausspricht (ibid.:69). Diese Auffassung ist charakteristisch für die romantische Übersetzungstheorie (Albrecht 2005:41). Die Probleme und Herausforderungen, die ein verfremdendes Übersetzen mit sich bringt, müssen nach Schleiermacher mit Geschick überwunden werden. Er argumentiert weiter, dass in der Übersetzung auch Formulierungen toleriert werden müssen, die an anderer Stelle nicht vorkommen dürfen, denn die Sprache reguliere sich selbst und alles, was nicht mit ihr vereinbar sei, werde sich nicht durchsetzen. Die Bedeutung des Übersetzens für eine Sprache sei nicht zu unterschätzen, da es dadurch zu Erneuerungen komme und „viel schönes und kräftiges in der Sprache sich erst durch das Uebersetzen theils entwikkelt“ (Schleiermacher 1963/1838:70) habe.

Der US-amerikanische Literaturübersetzer und -professor Lawrence Venuti baut seine Konzepte der foreignization und domestication auf Schleiermachers Dichotomie auf, zeigte sich im Hinblick auf gewisse Aspekte in Schleiermachers Abhandlung aber äußerst kritisch (Venuti 1991). Aus diesem Grund wird im nächsten Kapitel Venutis Auffassung von foreignization und domestication und ihre Implikationen für die Entwicklung von Kulturen und die Situation von Übersetzerinnen und Übersetzer dargelegt.

2.2 Foreignization und domestication bei Lawrence Venuti

Lawrence Venuti ist jener Translationswissenschafter, der meist in Verbindung mit den Konzepten der foreignization und domestication Erwähnung findet (Koskinen 2012:14). Seine Überlegungen zum verfremdenden und domestizierenden Übersetzen aus ethischer Sicht prägten die weitere Diskussion der Konzepte innerhalb der Translationswissenschaft stark.

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Venuti beschreibt Übersetzen als eine „invisible practice“ (Venuti 1992:1), die zwar in unserer Gesellschaft in fast jedem Bereich gegenwärtig sei, jedoch selten gewürdigt werde. Dabei ist es für ihn wichtig anzumerken, dass Übersetzerinnen und Übersetzer ihre unsichtbare Position selbst mitverursachen: „[…] translators themselves are among the agents of their shadowy existence“ (ibid.). Von größter Bedeutung für viele Übersetzerinnen und Übersetzer ist es laut Venuti, am laufenden Band Übersetzungen zu produzieren; methodologischen Überlegungen zum Übersetzen selbst werde meist keine Aufmerksamkeit zuteil, was dazu führe, dass sie nicht als Akteurinnen und Akteure, die sich den kulturellen und gesellschaftlichen Aspekten ihrer Arbeit bewusst sind, auftreten. Diese Praxis, die von vielen Übersetzerinnen und Übersetzern betrieben werde, mache sie für die Allgemeinheit nicht sichtbarer und erhalte die Anschauung aufrecht, dass es sich beim Übersetzen um eine rein praxisbezogene Arbeit handelt, die von Theoriebildung und Methodologie abzugrenzen ist. Außerdem trage eine solche Praxis dazu bei, dass Übersetzen eher als ein Handwerk und nicht als eine intellektuelle Tätigkeit gesehen wird (ibid.:1f.). Nach Venuti mindern sowohl die Gesetzeslage in den USA oder im Vereinigten Königreich beispielsweise, als auch die „essentially romantic conception of authorship“ (ibid.:3), die verbreitete Ansicht, dass das Original allein von literarischem Wert ist, den Status von Übersetzungen zusätzlich (ibid.).

Übersetzungen werden nach Venuti dann als gelungen angesehen, wenn sie einfach lesbar sind, und nicht als übersetzte, sondern als originalsprachliche Texte wahrgenommen werden, in welchen die Autorin bzw. der Autor, der Zweck und die Botschaft des Textes erkannt werden können (Venuti 1992:4 und Venuti 1991:126). Diese „fluent translation strategies“ (Venuti 1992:4), die in der aktuellen Übersetzungspraxis dominieren (Venuti 1991:126), weisen nach Venuti jedoch stets die folgenden für sie charakteristischen Strukturen auf:

[T]hey pursue linear syntax, univocal meaning or controlled ambiguity, current usage, linguistic consistency, conversational rhythms; they eschew unidiomatic constructions, polysemy, archaism, jargon, abrupt shifts in tone or diction, pronounced rhythmic regularity or sound repetitions. (Venuti 1992:4) Wird diese fluent strategy (Venuti 1992:4) erfolgreich angewendet, wird nach Venuti eine Transparenz erreicht, und die Übersetzung wird mit dem Original gleichgesetzt. Der Umstand, dass es sich bei dem Text um eine Übersetzung handelt, werde in einem solchen Fall verschleiert, und die Arbeit der Übersetzerin bzw. des Übersetzers werde von der LeserInnenschaft nicht mehr wahrgenommen. All dies fördere die marginalisierte und größtenteils wirtschaftlich nachteilige Position von Übersetzerinnen und Übersetzern in der 14 heutigen Gesellschaft (Venuti 1992:4f. und Venuti 1991:126). Neben den bereits erwähnten Folgen spricht Venuti auch eine weitere Auswirkung dieser Strategie an: die Auslöschung der sprachlichen und kulturellen Unterschiede im Text. Diese Unterschiede würden durch die fluent strategies in den Diskurs der Zielkultur gestellt und würden somit mit den Werten und Ideologien der Zielkultur verknüpft (Venuti 1992:4f.). Es finde eine Anpassung statt, die das Original domestiziere, um es für die Leserin und den Leser der Zielkultur verständlich zu machen und als bekannt erscheinen zu lassen; diese Anpassung lasse die Leserin bzw. den Leser die eigene Kultur in einer fremden sehen, in Venutis Worten verschafft sie ihr bzw. ihm somit „the narcissistic experience of recognizing his or her culture in a cultural other“ (ibid.:5). Eine Übersetzung, die in dieser Weise domestiziert wurde, kann laut Koskinen als Leserinnen- und Leser-orientiert gesehen werden. Eine solche Übersetzung stelle für die Leserinnen und Leser keine Herausforderung dar und bewirke zudem keinerlei Innovation in der Literaturtradition (Koskinen 2012:15): „Domesticating in this sense, is taking the easy way out, not taking risks“ (ibid.). Fluent strategies führten außerdem dazu, dass das vorherrschende kulturelle und wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten der dominierenden Kulturen aufrechterhalten werde (Venuti 1992:5).

Eine Strategie, die den fluent strategies entgegengesetzt und nach Venuti zu favorisieren ist, ist jene der „resistant translation“ (ibid.:12); diese sei nicht auf Transparenz in der Übersetzung ausgerichtet und könne dadurch zwei Ziele erreichen: Erstens diene sie dazu, Übersetzerin bzw. den Übersetzer sichtbar zu machen und ihre bzw. seine bereits erwähnte untergeordnete Rolle zu verändern. Zweitens trage die Produktion von Übersetzungen, die „strange and estranging“ (ibid.:13) sind, dazu bei, die sprachliche und kulturelle Vielfalt zu erhalten, und vermeide, dass die fremde Kultur von den vorherrschenden Werten der Zielkultur vereinnahmt wird (ibid.:12f.). Venuti unterstreicht die Relevanz verfremdender Strategien für die Unterminierung der anglo-amerikanischen kulturellen Hegemonie in The Translator’s Invisibilitiy. A History of Translation (2004) mit durchaus drastischen Worten:

[f]oreignizing translation seeks to restrain the ethnocentric violence of translation, it is highly desirable today, a strategic cultural intervention in the current state of world affairs, pitched against the hegemonic English-language nations and the unequal cultural exchanges in which they engage their global others. (Venuti 2004:20) Hier wird der politische Einfluss, den Venuti der Übersetzung zuerkennt, sichtbar. Mit ihren verschiedenen Teilbereichen (unter anderem der Auswahl von Texten und Übersetzungsstrategien oder Lehre) hat Übersetzung „enormous power in the construction 15 of national identities and hence can play an important geopolitical role“ (Venuti 1992:13). Aus diesem Grund sei es notwendig, die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen voranzutreiben, auf deren Basis Übersetzung als „locus of difference“ (ibid.) gesehen, betrieben und untersucht werden könne.

Obwohl Venuti die Arbeit Schleiermachers als wegweisend für die weitere Entwicklung der Übersetzungstheorie sieht (Venuti 1991:146), kritisiert er, dass Schleiermacher in seiner Abhandlung „the authentic translator’s ‘aim’ in ethical terms“ (ibid.:129) nicht mit einschließe und seine Betrachtung von Übersetzung sich nur auf eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe, die gebildete Elite, beziehe. Schleiermachers Bevorzugung der verfremdenden Methode zeige laut Venuti, dass er sich für jene Diskurse ausspricht, die in der gesellschaftlichen Elite vorherrschen, und dieser Gruppe Autorität über die Kulturentwicklung einräume (ibid.:130f.). Diese Präferenz sei so in Verbindung mit einem kulturpolitischen Plan zu sehen, in welchem die gebildete Oberschicht „the formation of a national culture by refining its language through foreignizing translations“ (ibid.:131) steuere. Nach Venuti beinhaltet Schleiermachers Abhandlung eine nationalistische Ideologie, die sich gegen die Vorherrschaft Frankreichs richtet (ibid.:135f.); die verfremdende Übersetzung bei Schleiermacher könne als „anti-French“ (ibid.:136) gesehen werden, da sie konträr zur einbürgernden Methode sei, die zu jener Zeit in Frankreich vorherrschte (ibid.:136ff.).

Nach Venuti schafft Schleiermacher den theoretischen Rahmen für eine Auflehnung gegen die fluent strategies in der modernen Übersetzung. Gleichzeitig werde dabei ersichtlich, dass Fremdes in einer Übersetzung nie frei von Ethnozentrismus wiedergegeben werden könne: „Every step in the translation process […] is mediated by the heterogenous cultural values that circulate in the target language, always in some hierarchical order“ (Venuti 1991:146). Auf Basis dieser Erkenntnis blieben für die Übersetzerin oder den Übersetzer jedoch wie bei Schleiermacher zwei Möglichkeiten. Die erste sei, den Text an die Zielkultur anzugleichen, die sprachlichen und kulturellen Elemente einzubürgern und einem „cultural narcissism“ (ibid.) zu folgen, der „imperialistic abroad and conservative, even reactionary, in maintaining canons at home“ (ibid.) sei. Andererseits könne sie bzw. er Widerstand gegen diese Strategie leisten, indem sie bzw. er die sprachlichen und kulturellen Unterschiede durch verfremdendes Übersetzen hervorhebt und kulturelle Vielfalt fördert. Diese Strategie des Widerstands könne jedoch auch imperialistisch sein, wenn sie für die Durchsetzung eigener kulturpolitischer Ziele eingesetzt wird.

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Schleiermachers verfremdendes Übersetzen leistete Widerstand gegen die Vormachtstellung, die Frankreich im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert innehatte. Seine elitäre, nationalistische und individualistische Auffassung von Literatur muss nach Venuti allerdings außer Acht gelassen werden, wenn es darum geht, das verfremdende Übersetzen in der modernen Übersetzungspraxis wieder aufleben zu lassen (ibid.:146f.).

Venutis Konzeptualisierung beeinflusste die weitere Beschäftigung mit diesem Thema innerhalb der Translationswissenschaft wesentlich, erfuhr aber auch von verschiedenen Seiten starke Kritik. Auf die Kritikpunkte zweier TranslationswissenschafterInnen, Anthony Pym und Mary Snell-Hornby, soll hier genauer eingegangen werden.

In Mary Snell-Hornbys Aufsatz „Venutis ‘foreignization’: Das Erbe von Friedrich Schleiermacher in der Translationswissenschaft?“ (2004) nimmt sie Bezug auf Venutis Begriffe der foreignization und domestication und seine Auffassung von Schleiermacher. Venuti las Schleiermacher in einer Übersetzung ins Englische, die von André Lefevere angefertigt wurde, und nahm diese als Ausgangspunkt für seine Argumentation und Konzeption der Begriffe foreignization und domestication (Snell-Hornby 2004:336). Venuti spricht in Bezug auf Schleiermacher vor allem den Ethnozentrismus bei der Übersetzung an, der aber bei Schleiermacher nicht explizit erwähnt werde und „auch sinngemäß nicht erkennbar“ (ibid.:337) sei, sondern eher „der Sprache eines US- amerikanischen Intellektuellen des ausgehenden 20. Jahrhunderts zugeordnet werden kann“ (ibid.). Somit deutet Venuti Schleiermachers Abhandlung nach Snell-Hornby auf die heutigen Gegebenheiten um und stellt die foreignization als die einzig richtige Methode des Übersetzens dar, da die Methode der domestication der Ausgangskultur schade. Venutis Ansatzpunkt ist für Snell-Hornby insofern verständlich, als sein Bestreben ist, die Übersetzung sowie Übersetzerinnen und Übersetzer durch eine Forcierung von foreignizing strategies sichtbar zu machen. Kritisiert wird von ihr jedoch, dass Venuti diesen Anspruch, der sich in erster Linie auf den anglo-amerikanischen Raum und die englische Vorherrschaft bezieht, als allgemeingültig darstellt (ibid.:337f.). Nach Snell- Hornby hat Venuti „die Begriffe Schleiermachers einer ethnozentristischen Reduktion unterzogen und […] ‘domestiziert’“ (ibid.:343), da er sie auf die heutige Dominanz der englischen Sprache und Kultur bezieht. Sie sieht Venutis foreignization zwar als „Teil Schleiermachers Erbe“ (ibid.), jedoch lediglich als Teil und womöglich auch nicht als den Teil, der von größter Bedeutung ist (ibid.).

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In seiner Rezension „Venuti’s Visibility“ (1996) kritisiert Antony Pym einige der Punkte, die Venuti in The Translator’s Invisibility. A History of Translation vorbringt. Pym äußert Bedenken daran, dass jene Faktoren, die Venuti als maßgeblich für die Erhaltung des kulturellen Ungleichgewichts ansieht (die fluent strategies in der anglo-amerikanischen Kultur, die gegenwärtige Copyright-Situation, der geringe Prozentteil an Übersetzungen ins Englische sowie die kulturelle Dominanz der anglo-amerikanischen Kultur), tatsächlich in kausaler Beziehung zueinander stehen. Eine Änderung eines dieser Faktoren könne wohl kaum zu einer Veränderung der restlichen Faktoren und somit der gesamten Situation führen (Pym 1996:165f.). Ebenso stoßen die Statistiken, mittels welcher Venuti das prozentuelle Ungleichgewicht von Übersetzungen ins Englische und in andere Sprachen zu demonstrieren versucht, bei Pym auf Unverständnis, da er solche Vergleiche aufgrund der verschieden großen Textproduktion unterschiedlicher Sprachen als sinnlos sieht (ibid.:168). Venutis Fokussierung auf die anglo-amerikanischen Kultur und ihre fluent strategies entgegnet Pym mit dem Beispiel Brasiliens, wo ebenso domestizierende Strategien favorisiert, jedoch die anderen oben genannten Faktoren nicht zutreffen würden. Auch Frankreich und Spanien könnten als Beispiele für eine solche Situation genannt werden (ibid.:171f.). An der Bevorzugung von domestizierenden Methoden sei also entgegen Venutis Auffassung „nothing ‘radically English’“ (ibid.:171).

2.3 Foreignisation und kulturelle Asymmetrie bei Piotr Kwieciński

Ausgehend von Venutis Konzeptualisierung beschäftigte sich auch Piotr Kwieciński in seiner Dissertation Disturbing Strangeness (2001) mit domestication und foreignisation (Kwieciński verwendet die britische Schreibweise). Wie oben bereits erwähnt wurde, wurden diese beiden Begriffe in der Translationswissenschaft oft relativ ungenau beschrieben und auf unterschiedliche Faktoren bezogen, was nach Kwieciński zu „terminological gaps and inconsistencies“ (Kwieciński 2001:13) führt. Daher sieht er es als unumgänglich, Venutis Begriffe der foreignization und domestication genauer zu definieren bzw. die Terminologie zu erweitern. Kwieciński fasst domestication weiter als Venuti, nämlich als „the accomodation [sic] of the target text to the established TL/TC concepts, norms and conventions“ (ibid.; Hervorh. im Orig.). Diese Normen und Konventionen können sich auf Übersetzungen beziehen; in diesem Fall wird von „non- illusionistic domestication“ (ibid.:14; Hervorh. im Orig.) gesprochen. Beziehen sich die Normen und Konventionen auf originalsprachliche Texte, bezeichnet Kwieciński dies als „illusionistic domestication“ (ibid.; Hervorh. im Orig.). Foreignisation beschreibt 18

Kwieciński als „the introduction into the target text of concepts and language forms that are alien to and/or obscure in the target language and culture“ (ibid.; Hervorh. im Orig.); diese Auffassung steht im Einklang mit Venutis foreignization (ibid.).

Foreignisation und domestication werden bei Kwieciński nicht als zwei voneinander abgegrenzte Pole wahrgenommen, sondern stellen vielmehr ein Spektrum an Möglichkeiten dar, die auf verschiedenen Ebenen im Text sichtbar werden (ibid.:14f.). Neben dem Spektrum der foreignisation und domestication verwendet Kwieciński zwei weitere Begriffe, die wiederum die äußersten Punkte eines eigenständigen Spektrums bilden: „exoticism“ (ibid.:15; Hervorh. im Orig.) und „assimilation“ (ibid.; Hervorh. im Orig.). Dieses Spektrum sei eine Kategorisierung der lexikalischen Möglichkeiten, die für die Vermittlung kultureller und sprachlicher Unterschiede zur Verfügung stehen; es umfasse exotisierende sowie assimilierende Strategien.

Kwieciński geht davon aus, dass Fremdheit nicht allein vom exoticism der Übersetzungsstrategie bestimmt wird, da sich der Eindruck von Fremdheit aus verschiedenen intersubjektiven Merkmalen wie „transparency/opacity, intelligibility, recoverability/resistancy, and (reduced) coherence“ (Kwieciński 2001:15) zusammensetzt. Jedoch seien die Elemente des Fremden und des Exotischen oft gleichgesetzt worden und die Verwendung exotisierender Strategien, die in bestimmten Genres und Situationen den Konventionen der Zielkultur aber entsprechen, wurde als foreignisation gesehen. In Kwiecińskis Konzeptualisierung stellen solche Methoden eine Unterart der domestication dar, die er als „intelligible (transparent) exoticism“ (ibid.:15; Hervorh. im Orig.) bezeichnet. Auch werde die Anwendung von Strategien (wie zum Beispiel die der Substitution fremder kultureller Elemente durch eigene), die in Richtung assimilation gehen, mit einer allgemeinen domestication gleichgesetzt, während Kwieciński für eine solche Methode den enger gefassten Begriff „naturalisation“ (ibid.; Hervorh. im Orig.) vorsieht. Kwiecińskis „estrangement“ (ibid.:15; Hervorh. im Orig.) stellt im Gegensatz zur naturalisation einen konkreten Fall der foreignisation dar, in welchem exotisierende Strategien auf der Ebene der Lexik eingesetzt werden, die die Verständlichkeit des Textes beeinträchtigen bzw. die Normen der Zielsprache verletzen (ibid.). Eine Unterscheidung zwischen diesen eigenständigen Konzepten kann nach Kwieciński dazu führen, ein „richer and less polarised picture of this conceptual field“ (ibid.:255) zu erhalten. In seiner umfangreichen Erarbeitung der Begriffe der foreignisation und domestication, die auch einen geschichtlichen Überblick mit einschließt, kommt Kwieciński zu dem Schluss, dass

19 eine klare Beziehung zwischen dem soziokulturellen sowie politischen Kontext, den vorherrschenden Ideologien, die unter anderem kultureller, nationalistischer oder religiöser Natur sein können, und der favorisierten Übersetzungsstrategie zu erkennen ist (ibid.).

Der Schwerpunkt in Kwiecińskis Dissertation liegt auf der Untersuchung der Asymmetrie zwischen den Sprachen Englisch und Polnisch sowie der anglo-amerikanischen und polnischen Kultur. Polen befand sich in den 1990er Jahren in einer Phase des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs (ibid.:100). Der Zusammenbruch der sozialistischen Volksrepublik habe auch Auswirkungen auf die kulturelle Entwicklung gehabt und „brought a new vulnerability to the global domination of English“ (Venuti 1998:137), die eine starke Beeinflussung der polnischen durch die anglo-amerikanische Kultur zur Folge gehabt habe. Diese untergeordnete Position verglichen mit der anglo- amerikanischen Kultur werde sichtbar und auch messbar, wenn Übersetzungsflüsse und sprachliche Veränderungen allgemein, wie zum Beispiel Lehnwörter, betrachtet würden (Kwieciński 2001:100).

Aus Kwiecińskis quantitativer Analyse eines Korpus mit Übersetzungen von Zeitungsartikeln und Situationskomödien (ibid.:169) wird ersichtlich, dass sich die schwächere Stellung der polnischen Kultur durch fremde Elemente in den Übersetzungen aus dem Englischen ins Polnische äußert (ibid.:227). Zudem trat ein wichtiger Aspekt in den Vordergrund: Die Richtung des Übersetzungsflusses hat entscheidenden Einfluss darauf, ob verfremdende Strategien die Dominanz der stärkeren Kultur und somit die kulturelle Asymmetrie herausfordern oder aufrechterhalten (Kwieciński 1998:188). Bei Übersetzungen ins Polnische wurden verstärkt verfremdende Strategien bevorzugt; in diesem Kontext, in dem von einer dominanten in eine dominierte Kultur übersetzt wird, die sich in einer Phase des Umbruchs befand, verstärkten verfremdende Strategien die kulturelle Dominanz der stärkeren Kultur. Die Anwendung von domestizierenden Strategien hingegen könne hier dazu beitragen, der kulturellen Asymmetrie entgegenzuwirken und a „‘strategic intervention’ against cultural domination“ (ibid.:203) sein.

2.4 Covert und overt translation bei Juliane House

Juliane House entwickelte ein Modell zur Evaluierung von Übersetzungen und ging dabei von der Prämisse aus, dass in einer Übersetzung stets versucht wird,

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die semantische, pragmatische und textuelle Bedeutung einer sprachlichen Einheit, eines Textes, beim Überwechseln von einem sprachlichen Code in einen anderen äquivalent zu halten. (House 2002:102f.) Mit der Bezeichnung „äquivalent“ bezieht sich House jedoch in erster Linie auf die Textfunktion und meint damit eine „Gleichwertigkeit“ (ibid.:103) der Textfunktion im zielsprachlichen Umfeld (ibid.). Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit ist Juliane Houses Unterscheidung zwischen covert und overt translation, die auf Schleiermachers Dichotomie zurückgeht (House 2001:249), und auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll.

Unter overt translation versteht House eine Übersetzung, die als solche erkenntlich ist und nicht als originalsprachlicher Text wahrgenommen wird. Eine solche Übersetzung „bettet den Text in ein neues soziales Ereignis ein, gibt ihm einen neuen Rahmen und lässt ihn in einer neuen Diskurswelt operieren“ (House 2002:106). Sie sei mit der Kultur des Originals stark verbunden und richte sich an Rezipientinnen und Rezipienten innerhalb der Ausgangskultur, sei aber „of potential general human interest“ (House 1997:66) und auch für andere Kulturen wertvoll: „Source texts that call for an overt translation have an established worth or status in the source language community and potentially in other communities“ (ibid.; Hervorh. im Orig.). Die Aufgabe der Übersetzerin bzw. des Übersetzers im Fall von overt translation ist nach House von großer Bedeutung, da sein bzw. ihr Handeln für die Rezipientinnen und Rezipienten wahrnehmbar ist:

Since it is the translator’s task to allow persons in the target culture to gain access to the source text and its cultural impact on source culture persons, the translator puts target culture members in a position to observe, be worked upon and evaluate the original text’s function as a member of the target culture. (Ibid.:112) House nennt zwei Gruppen von Ausgangstexten, die nach overt translation verlangen: Zur ersten Gruppe gehören Texte, die in Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis in der Geschichte stehen, wie beispielsweise eine Rede, die anlässlich eines historischen Ereignisses gehalten wurde (ibid.:66). Die Übersetzung einer solchen Rede und das Original „müssen zwar auf den Ebenen Sprache / Text, Register und Genre äquivalent sein, die individuelle Textfunktion dagegen kann nur »versetzt« äquivalent sein“ (House 2002:106; Hervorh. im Orig.). Die zweite Gruppe beinhaltet Texte, die von House als „overt timeless“ (House 1997:66; Hervorh. im Orig.) und als „transcending as works of art and aesthetic creations a distinct historical meaning“ (ibid.) beschrieben werden, jedoch auch immer von der Kultur ihrer Entstehungszeit geprägt sind. Auch bei einer solchen Übersetzung könne die Funktion nie dieselbe wie beim Original sein. Nach House bestehen zwei Gründe, aus denen dies nicht möglich ist: Entweder ist der Ausgangstext mit 21 einem geschichtlichen Ereignis verknüpft, das nicht wiederholt werden kann, oder, der Ausgangstext hat einen besonderen literarischen Status in der Ausgangskultur (ibid.:67).

Den Gegensatz zu overt translation bildet covert translation. Eine covert translation werde in der Zielkultur als Original wahrgenommen und nicht als Übersetzung gekennzeichnet. Der Ausgangstext einer solchen Übersetzung sei nicht speziell an Rezipientinnen und Rezipienten einer bestimmten Kultur gerichtet und weise keine starke Verbindung zu seiner Ausgangskultur auf. Die Rezipientinnen und Rezipienten des Ausgangstextes sowie Rezipientinnen und Rezipienten des Zieltextes stünden in derselben Beziehung zum Text und der Zweck sei äquivalent: „In the case of covert translation texts, it is thus both possible and desirable to keep the function of the source text equivalent in the translation text” (ibid.:69; Hervorh. im Orig.). Als Beispiele für diese Art von Übersetzungen nennt House unter anderem journalistische, touristische oder wirtschaftliche Texte. House weist im Besonderen auf die Schwierigkeiten von covert translation hin, die sie darin sieht, dass die Übersetzerin bzw. der Übersetzer die unterschiedlichen kulturellen Begebenheiten berücksichtigen muss. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer müsse einen cultural filter zwischen den Ausgangstext und die Übersetzung setzen: „The translator has, as it were, to view the source text through the glasses of a target culture member” (ibid.:70). Houses Unterscheidung wird in Kapitel 6.1.2 nochmals aufgegriffen, da sie von Andrew Chesterman in Verbindung mit den translation norms verwendet wird.

2.5 Kaisa Koskinen: Foreignization und die Bedeutung von affect

Es wurden nun bereits einige der relevantesten Ansätze zum Thema Verfremdung und Domestizierung vorgestellt. In diesem Kapitel soll jedoch noch ein weiterer interessanter Aspekt präsentiert werden, um den Kaisa Koskinen die Diskussion erweitert hat.

Für Koskinen ist das Bild, welches von Schleiermacher geprägt und als Veranschaulichung für das verfremdende und einbürgernde Übersetzen oft verwendet wird (in welchem entweder die Autorin bzw. der Autor zu den Leserinnen und Lesern gebracht wird oder umgekehrt) nicht ganz zutreffend, da es eine physische Distanz suggeriert. Vielmehr handele es sich aber um unterschiedliche Stufen emotionaler Affinität, daher sei es angebrachter, die beiden Konzepte mit Begriffen wie „affinity versus estrangement, familiarity versus strangeness, or naturalness versus unnaturalness, […] affection versus aversion“ (Koskinen 2012:17) zu umschreiben. Koskinen nähert sich dem Thema also von einer Seite, die zwar die geographische und kulturelle Distanz miteinbezieht, jedoch in

22 erster Linie dem „affect“ (ibid.), also der Gefühlsreaktion, Bedeutung zuschreibt. Bei einer Übersetzung sei es essenziell, bei den Leserinnen und Lesern eine Gefühlreaktion zu bewirken, da sie sich sonst nicht emotional mit dem Text verbunden fühlen könnten und das Interesse verlören: „Translators might be well advised to strive for affectability, the capacity to affect“ (ibid.:20). Domestizierende Strategien könnten das Interesse wecken, weil sie das Unbekannte mit dem Bekannten verknüpften, Formulierungen beinhalteten, die den ästhetischen Vorstellungen des Lesepublikums entsprächen und so eher selten einen negativen affect auslösten. Bei verfremdenden Strategien sei diese Gefahr zwar größer, jedoch sei es hier sehr unwahrscheinlich, dass sie die Leserinnen und Leser völlig unberührt (unaffected) lassen. Koskinen geht von der Annahme aus, dass Übersetzungen entweder als „affectively positive“ (ibid.:21), als bekannt und schön, oder als „affectively negative“ (ibid.), als fremd, verwirrend und nicht ansprechend gesehen werden, ohne sie vorher als domestizierend oder verfremdend zu bewerten (ibid.). Sie argumentiert, dass Übersetzungsstrategien allein nicht dafür ausschlaggebend sind, ob die Rezipientinnen und Rezipienten einen Text als fremd oder vertraut erleben. Die Reaktion auf einen Text ist nach Koskinen ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Der Text selbst, der Kontext, persönliche und kulturelle Faktoren, eigene Neigungen und Gemütszustand und auch Erfahrungen und Erinnerungen spielten eine wichtige Rolle (ibid.:26).

2.6 Die retranslation hypothesis: Ein kurzer Einblick

Da in dieser Arbeit zwei Übersetzungen ein und desselben Werkes verglichen werden sollen, ist es notwendig, an dieser Stelle die retranslation hypothesis anzusprechen, in welcher die Konzepte der foreignization und domestication von Bedeutung sind.

Die Anfänge der retranslation hypothesis gehen auf Goethe zurück, welcher in jeder erneuten Übersetzung eine Verbesserung im Vergleich zur vorhergehenden sah. Neuübersetzungen wurden von ihm als Möglichkeit wahrgenommen, den Leserinnen und Lesern das „wahre“ Original näherzubringen. In einer Ausgabe der französischen Zeitschrift Palimpestes im Jahr 1990, die sich speziell dem Thema Neuübersetzungen widmete (Deane-Cox 2014:3), konzentrierten sich Paul Bensimon und Antoine Berman auf die Unterschiede zwischen Erstübersetzungen und Neuübersetzungen. In der Einleitung zur Ausgabe argumentiert Bensimon, dass Erstübersetzungen dazu dienen, einen Text einer neuen LeserInnenschaft zuzuführen und für eine positive Reaktion auf den Text zu sorgen. Neuübersetzungen hätten diese Aufgabe nicht und müssten demnach der Zielkultur nicht

23 so stark angepasst werden, „they can, instead, maintain the cultural distance“ (Paloposki/Koskinen 2004:27).

Berman geht davon aus, dass Übersetzungen altern, das Original jedoch nicht, denn die Übersetzung stehe im Gegensatz zum Original in zweierlei Abhängigkeit: Einerseits sei sie durch das Original selbst, andererseits durch die Normen der Zielsprache bedingt (Deane- Cox 2014:6). Das wiederholte Übersetzen ein und desselben Textes wird von Berman als ein „process of improvement“ (Brownlie 2006:147) gesehen. Erstübersetzungen sind nach Berman durch Unzulänglichkeiten gekennzeichnet, die erst durch eine abermalige Übersetzung, welche über „restorative, corrective and illuminating properties“ (Deane-Cox 2014:3) verfügt, ausgemerzt werden können. Der Weg zu einer großartigen Übersetzung verläuft somit nach Berman über Neuübersetzungen (Brownlie 2006:148). Goethes und später auch Bermans Auffassung bilden die Grundlage für die retranslation hypothesis (Deane-Cox 2014:4). Die Hypothese geht von der Idee aus, dass bei Erstübersetzungen eine starke Anpassung der Texte an die Zielkultur vorgenommen wird, was bewirkt, dass eine erneute Übersetzung, die sich eher an der Ausgangskultur orientiert, notwendig wird (Paloposki/Koskinen 2010:30). Eine wiederholte und damit auch verbesserte Übersetzung bringe dieser Auffassung nach das wahre Original mit all seinen sprachlichen und kulturellen Besonderheiten zum Vorschein (Deane-Cox 2014:4). Hier ist allerdings zu erwähnen, dass sich die retranslation hypothesis nicht auf empirische Ergebnisse, sondern auf subjektives Empfinden stützt (Paloposki/Koskinen 2004:28).

Neuübersetzungen stellten seither ein beliebtes Forschungsgebiet in der Translationswissenschaft dar und zahlreiche Translationwissenschafterinnen und Translationswissenschafter, wie zum Beispiel Lefevere, Du-Nour, Kujamäki, Tymoczko oder Oittinen, haben sich diesem Thema in ihren Untersuchungen gewidmet, wobei die retranslation hypothesis oftmals nicht gezielt überprüft worden sei (ibid). Genauer mit der Hypothese beschäftigten sich Outi Paloposki und Kaisa Koskinen, auf deren Untersuchung an dieser Stelle kurz eingegangen werden soll.

Nach Paloposki und Koskinen stellen sich bei der Beschäftigung mit Neuübersetzungen zwei grundlegende Fragen: 1. Was sind die Gründe für eine Neuübersetzung, und 2. Ist der Grad der foreignization bei Neuübersetzungen tatsächlich höher als bei Erstübersetzungen? Ihre Untersuchungen von Übersetzungen ins Finnische zeigten, dass die retranslation hypothesis zutreffen kann, wenn sich die Literatur der Zielkultur in einer frühen Phase in ihrer Entwicklung befindet (ibid.:28f.). Domestizierende Strategien in Erstübersetzungen

24 könnten demnach eher mit einer bestimmten Phase einer Literatur als mit der Tatsache, dass es sich um eine Erstübersetzung handelt, verknüpft werden (ibid.:31). Paloposki und Koskinen stellen fest, dass zwar einige Beispiele die retranslation hypothesis unterstützen, jedoch ebenso Beispiele existieren, die sie widerlegen. Bei anderen Beispielen von Erst- und Neuübersetzungen zeigte sich eine Untersuchung hinsichtlich ihrer verfremdenden oder domestizierenden Tendenzen wiederum ergebnislos. Ein erneutes Übersetzen eines Textes selbst bewirke demnach nicht, dass eine im Vergleich zu einer früheren Übersetzung eher verfremdende Übersetzungsstrategie angewendet wird. Als möglichen Grund für die Entstehung der retranslation hypothesis kann nach Paloposki und Koskinen die Position des bzw. der Untersuchenden selbst gesehen werden, denn die Auffassung darüber, was als akkurat und treu dem Ausgangstext gegenüber gesehen wird, ändere sich im Laufe der Geschichte (ibid.:35f.). So sei es durchaus möglich, dass ein anderer Zeitpunkt in der Geschichte oder eine andere Zielgruppe es erforderlich machen, dass Neuübersetzungen sich wieder mehr an der Zielkultur orientieren (Paloposki/Koskinen 2010:30). In der Ansicht, dass Neuübersetzungen automatisch Weiterentwicklungen oder Verbesserungen der früheren Übersetzungen sind, orten Paloposki und Koskinen ein „disquieting tinge of hubris and a questionable tendency to reduce historical development into straightforward evolution or linear process“ (Paloposki/Koskinen 2004:36). Dies zeige, dass eine generelle Überlegenheit gegenüber den Vorgängerinnen und Vorgängern und deren Interpretation des Textes angenommen wird (ibid.).

Siobhan Brownlie, die einen Textkorpus von fünf britischen Übersetzungen des Romans Nana von Émile Zola untersuchte, kam in Bezug auf die retranslation hypothesis zu ähnlichen Ergebnissen wie Paloposki und Koskinen. Nach Brownlie handelt es sich bei Neuübersetzungen um narrative Versionen, die von bestimmten Bedingungen gelenkt werden. Diese Bedingungen umfassen Ideologien, sprachliche, literarische und translatorische Normen sowie den Kontext, in dem die Übersetzung produziert wird, und die Übersetzerin bzw. den Übersetzer und ihre bzw. seine Entscheidungen und Vorlieben. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Übersetzungen desselben Textes seien auf diese Bedingungen zurückzuführen (Brownlie 2006:167f.). Nach Brownlie existieren demnach „multiple sources of explanation for what is going on in retranslation“ (Brownlie 2006:167).

Zwischen Paloposki/Koskinen und Brownlie herrscht Konsens darüber, dass der lokale Kontext, in dem Neuübersetzungen entstehen, oft eine entscheidende Rolle in ihrer

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Ausformung spielt. In der Untersuchung von Neuübersetzungen müsse außerdem den beteiligten Akteurinnen und Akteure größere Aufmerksamkeit eingeräumt werden (Paloposki/Koskinen 2010:46). Die retranslation hypothesis stellt ohne Zweifel einen interessanten Ansatz für die Untersuchung von Neuübersetzungen dar, die empirischen Daten, die von Paloposki und Koskinen sowie von Brownlie gesammelt wurden, zeigen jedoch, dass die Reihenfolge der Erscheinung allein nicht ausschlaggebend ist:

Time and order of appearance cannot be seen as a single monolithic entity or causal factor behind retranslations – there are always different tendencies and multiple orientations at work at any one specific time, just as there are different audiences and translators. (Ibid.:33f.) Neuübersetzungen sind als äußerst komplexes Phänomen zu sehen, welches von unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst wird. Obwohl die retranslation hypothesis durch diese Erkenntnis als zu einschränkend und nicht allgemeingültig enttarnt wurde, gab sie dennoch den Anstoß für diese Untersuchungen und kann auch in Zukunft ein Ausgangspunkt für weitere empirische Studien sein.

2.7 Zusammenfassung der dargelegten Konzepte

Ausgehend von Schleiermacher, der seine Idee zweier unterschiedlicher Übersetzungsmethoden bereits 1813 präsentierte, wurden verschiedene Konzeptualisierungen und Aspekte der Verfremdung und Domestizierung vorgestellt. Dieses Kapitel dient dazu, die vorgestellten Konzepte einander gegenüber zu stellen und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede aufzudecken.

Bei Schleiermacher stellen die Methoden des verfremdenden und domestizierenden Übersetzens zwei grundsätzlich unterschiedliche Übersetzungsstrategien und einander entgegengesetzte Pole dar. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entscheidet sich für die eine und damit gleichzeitig gegen die andere Methode. Schleiermacher bevorzugt das verfremdende Übersetzen, was vor allem durch die aus Schleiermachers Sicht positiven Auswirkungen auf die Entwicklung der deutschen Sprache begründet wird. Gleichzeitig bedeutet verfremdendes Übersetzen in diesem Kontext auch eine Abgrenzung von der französischen Sprache, ihren Normen und der französischen Kultur sowie Widerstand gegen die französische Vormachtstellung. Venuti erkennt die Bedeutung der Ideen Schleiermachers an, kritisiert jedoch, dass Schleiermacher sich in seiner Abhandlung lediglich auf die gebildete Elite und die von ihr unterstützen Diskurse konzentriert. Der

26 hier wahrzunehmende Elitismus und Nationalismus könne nicht mit der von Venuti geforderten ethischen Agenda von Übersetzung verbunden werden.

Bei Venuti und Schleiermacher lassen sich jedoch zwei wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen: Venuti konzipiert seine Termini der foreignization und domestication ebenfalls als konträr und stellt die Übersetzerin bzw. den Übersetzer vor die Entscheidung für eine Strategie. Außerdem ist Venuti wie Schleiermacher ein Verfechter des verfremdenden Übersetzens, da er in dieser Strategie eine Auflehnung gegen die Hegemonie der anglo- amerikanischen Kultur, den unausgeglichenen Kulturaustausch und die ungünstige gesellschaftliche und wirtschaftliche Position von Übersetzerinnen und Übersetzern sieht. Snell-Hornby erkennt zwar Venutis Ziel der Sichtbarmachung von Übersetzerinnen und Übersetzer an, sie sieht jedoch seine Umdeutung von Schleiermachers Abhandlung als problematisch und sogar domestizierend. Pym sieht zwischen Venutis ausschlaggebenden Faktoren für die Vormachtstellung der anglo-amerikanischen Kultur keine kausale Beziehung. Sowohl Snell-Hornby als auch Pym kritisieren Venutis Ausführungen, weil sie sich allein mit der Dominanz der anglo-amerikanischen Kultur auseinandersetzen.

Kwieciński geht in seiner Erarbeitung der Konzepte von Venutis Terminologie aus, erweitert diese aber für seine Untersuchung um weitere Begriffe und schafft somit ein differenzierteres Bild. Kwiecińskis Untersuchung liefert einen wichtigen Beitrag zur Diskussion, da sie den Faktor der Übersetzungsrichtung miteinbezieht. Er macht darauf aufmerksam, dass verfremdende Strategien nicht in jedem Umfeld dieselben Auswirkungen haben. Am Beispiel Polens als einer von anglo-amerikanischen Einflüssen dominierten Kultur wird ersichtlich, dass verfremdende Elemente in Übersetzungen die Vormachtstellung der dominierenden Kultur noch weiter ausbauen können. Somit zeigte Kwieciński, dass in einem solchen Fall die Verwendung verfremdender Strategien einen Effekt hervorrufen kann, der Venutis Bestrebungen entgegengesetzt ist. Domestizierende Strategien hingegen könnten der Dominanz der englischen Sprache und Kultur entgegenwirken.

Koskinen lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt, der in den anderen hier vorgestellten Konzepten nicht berücksichtigt wird: den affect, also die Gefühlsreaktion auf das Gelesene. Sie sieht affect als wesentliche Eigenschaft von Übersetzungen. Bliebe die Leserinnen und Leser einer Übersetzung unaffected, führe dies zu einem Verlust an Interesse und die Übersetzung sei nicht erfolgreich. Sowohl domestizierende als auch verfremdende Strategien könnten bei den Leserinnen und Lesern einen positiven affect

27 auslösen, jedoch hänge dies nicht allein mit den Übersetzungsstrategien zusammen, sondern mit den Leserinnen und Lesern als Individuen und als gesellschaftliche Gruppe, ihren Vorlieben und Erinnerungen.

Die retranslation hypothesis beinhaltet – ebenso wie die anderen hier vorgestellten Konzepte – eine Unterscheidung zwischen Zielkultur-orientiertem und Ausgangskultur- orientiertem Übersetzen. Die Annahme, dass eine Folgeübersetzung im Vergleich zur vorhergehenden Übersetzung immer eher Elemente der Ausgangskultur beibehält, mag zwar in vielen Fällen zutreffen, wie Paloposki/Koskinen und Brownlie zeigten, hat sie jedoch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Aus diesem zweiten Kapitel ging hervor, dass es sich bei Verfremdung und Domestizierung bzw. foreignization und domestication um überaus komplexe Konzepte handelt, die in der Geschichte der Übersetzung eine lange Tradition haben. Unterschiedliche Ansätze, Ansichten und Schwerpunkte in der Beschäftigung mit den Konzepten sorgten für eine lebhafte Diskussion innerhalb der Translationswissenschaft, die bezeugt, dass dieses Thema nicht an Brisanz verloren hat. Untersuchungen dazu werden die moderne Translationswissenschaft wohl auch in Zukunft begleiten.

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3 F. Scott Fitzgerald

Dieses Kapitel dient dazu, den Autor F. Scott Fitzgerald und sein Werk vorzustellen. Fitzgeralds Leben und Schaffen sind eng miteinander verwoben (Prigozy 2007:1), weswegen seine Lebensgeschichte und wichtigsten Veröffentlichungen hier nicht in zwei separaten Kapiteln, sondern als ein zusammenhängendes vorgestellt werden. Es ist notwendig, hier zu erwähnen, dass Fitzgerald im Laufe seiner Karriere eine Vielzahl an Kurzgeschichten, Artikeln und Aufsätzen verfasste und insgesamt elf Romane und Kurzgeschichtenbände veröffentlichte (Mizener 1951:351). Aufgrund dieser großen Anzahl an Werken kann hier nicht auf alle Texte des Autors Bezug genommen werden. Es finden jene Werke Erwähnung, denen eine besondere Bedeutung in Fitzgeralds Leben zugemessen wird, zahlreiche andere bleiben unerwähnt. Im Anschluss daran steht der posthume Erfolg Fitzgeralds im Fokus, der für die Betrachtung seines Schaffens aus heutiger Sicht besonders relevant ist.

3.1 Eine kurze Biographie

Francis Scott Key Fitzgerald wurde am 24. September 1896 in St. Paul in Minnesota geboren (Eble 1963:13). Seine Eltern, Mary (geborene McQuillan) und Edward Fitzgerald, hatten noch vier weitere Kinder, drei von ihnen verstarben jedoch gleich nach der Geburt oder in sehr jungen Jahren (ibid.:19f.). Fitzgeralds Mutter stammte aus einer wohlhabenden irisch-stämmigen Familie, sein Vater Edward war ein entfernter Verwandter von Francis Scott Key, dem Dichter der US-amerikanischen Nationalhymne, nach welchem F. Scott Fitzgerald benannt wurde (Bruccoli 1994).

Im Jahr 1909 wurde Fitzgeralds erste Geschichte „Now and Then“ im Schulmagazin seiner Schule in St. Paul veröffentlicht. Ab 1911 besuchte er für zwei Jahre die Newman Academy in Hackensack im Bundesstaat New Jersey (Eble 1963:21). 1913 schrieb sich Fitzgerald in Princeton ein, bedingt durch Krankheit und schlechte Noten verließ er das College aber zwei Jahre später und kehrte nach St. Paul zurück. Im September 1916 ging er wieder nach Princeton (ibid.:13). Während seiner Zeit dort schrieb er Drehbücher und Liedtexte für die Theatergruppe der Schule und verfasste Beiträge für den Princeton Tiger und das Nassau Literary Magazine (Bruccoli 1994).

1917 wurde Fitzgerald einberufen und brach nach Fort Leavenworth, Kansas, auf. Zu diesem Augenblick hatte er bereits den Romanentwurf The Romantic Egotist verfasst. Das

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Buch wurde vom Verlag Scribner’s abgelehnt, jedoch mit der Aufforderung, es zu überarbeiten und erneut einzureichen. 1918 wechselte er nach Camp Sheridan, bei Montgomery (Eble 1963:13), wo er auch seine zukünftige Frau, Zelda Sayre, die Tochter eines Richters des Alabama Supreme Court, kennenlernte (Bruccoli 1994).

Als er im Februar 1919 zurück nach New York kam, hatte er vor, als Journalist tätig zu werden und nachts an seinen Kurzgeschichten zu schreiben. Die Zeitungen in New York hatten jedoch vorerst kein Interesse an ihm und er begann als Texter für eine Werbeagentur zu arbeiten. Die Kurzgeschichten, die er in dieser Zeit schrieb, wurden stets abgelehnt (Eble 1963:53). Bereits im Juli 1919 kündigte Fitzgerald seinen Job wieder und begab sich nach St. Paul, um an dem Buch This Side of Paradise zu arbeiten (ibid.:13), welches auf The Romantic Egotist basierte (Bruccoli 1994). Im September 1919 wurde der Roman von Scribner’s akzeptiert (Eble 1963:13) und auch Fitzgeralds Karriere als Autor von Kurzgeschichten für verschiedene Boulevardzeitungen nahm ihren Anfang (Bruccoli 1994). Nach Eble hatte dies wesentlichen Einfluss auf den Erfolg von This Side of Paradise:

What made This Side of Paradise stand out was Fitzgerald’s simultaneous development as a writer of popular magazine fiction who was apparently living the very life he described. (Eble 1963:154) Diese Ereignisse änderten Fitzgeralds Situation schlagartig. Innerhalb kürzester Zeit wurde aus dem Laien, der lediglich eine Veröffentlichung in einem College Magazin vorzuweisen hatte, ein Schriftsteller, der neben einem Dutzend Kurzgeschichten, die entweder schon erschienen waren oder bereits akzeptiert worden waren, auch einen Roman bereit für die Veröffentlichung hatte. Bis zum Jahr 1920 hatte er bereits über 19 000 US-Dollar durch den Verkauf von Kurzgeschichten und der Filmrechte einer Geschichte verdient. Diese frühen Geschichten vor und nach dem Erscheinen von This Side of Paradise wurden in den Sammlungen Flappers and Philosopers (1920) und Tales of the Jazz Age (1922) veröffentlicht. Der Aufschwung in Fitzgeralds Karriere hatte aber auch Auswirkungen auf sein Privatleben: Nun, da er als Schriftsteller erfolgreich war, war auch Zelda Sayre plötzlich erreichbar (Eble 1963:52ff.). This Side of Paradise wurde im März 1920 bei Scribner’s veröffentlicht, eine Woche später heiratete Fitzgerald Zelda Sayre in New York (Bruccoli 1994). Sein nächster Roman, The Beautiful and Damned, erschien bereits zwei Jahre später. Die Jahre nach der Veröffentlichung von This Side of Paradise waren geprägt von Leichtfertigkeit, Sorglosigkeit, Partys und Alkohol (Eble 1963:69f.). Noch im selben Jahr zogen die Fitzgeralds von Westport, Connecticut, nach New York. 1921 reisten sie

30 durch Europa und ließen sich dann in St. Paul nieder, wo ihre Tochter Frances Scott geboren wurde (N.N. 2007:xviii). 1922 mietete die Familie ein Haus in Great Neck, New York (Eble 1963:70). In New York waren die Fitzgeralds „an immediate and brilliant success“ (Mizener 1951:115). This Side of Paradise hatte den Zeitgeist der Jugend getroffen, die sich und den Lebensstil, nach dem sie sich sehnte, in dem Roman wiederfand; Fitzgerald wurde zu einem „hero to his generation“ (ibid.:115). F. Scott Fitzgerald und Zelda wurden zu Ikonen der Populärkultur der 1920er Jahre (Prigozy 2007:2) und gehörten nach Bryer während der 1920er und frühen 1930er Jahren zu den berühmtesten Paaren der Welt (Bryer 2007:210). Die Fitzgeralds genossen ihre Popularität und „went about New York spending money and ‘doing what they had always wanted to do’“ (Mizener 1951:115ff.).

Fitzgerald hatte sich seit langer Zeit für Singspiele begeistert und der Broadway übte eine große Faszination auf ihn aus (Prigozy 2007:11). Für das Theater zu schreiben erschien ihm attraktiver als für Magazine, außerdem war ihm bewusst, dass ihn ein erfolgreiches Theaterstück finanziell absichern konnte (Eble 1963:82). Das von ihm darauf verfasste Stück The Vegetable, or From President to Postman, blieb jedoch erfolglos (Bruccoli 1994). Bis April 1924 schrieb er zahlreiche weitere Geschichten für verschiedene Magazine (Eble 1963:14), um somit die Schulden, die unter anderem durch den Misserfolg von The Vegetable entstanden waren, abzubauen. Der Verkauf dieser Geschichten ermöglichte es der Familie auch, nach St. Raphaël in Frankreich zu ziehen, wo Fitzgerald an The Great Gatsby arbeitete (ibid.:86). Im November sendete Fitzgerald erstmals ein Manuskript von The Great Gatsby an Scribner’s (ibid.:101); im April 1925 wurde der Roman veröffentlicht (ibid.:14). Der erhoffte Erfolg blieb zunächst aus, jedoch lösten eine Film- sowie Bühnenadaption des Romans Fitzgeralds unmittelbaren finanziellen Probleme. Die Fitzgeralds lebten noch einige weitere Monate in Europa, unter anderem in Paris und Antibes (ibid.:101ff.). 1925 machte er in Paris Bekanntschaft mit , aus welcher sich eine Freundschaft entwickelte, die auf Fitzgeralds Bewunderung für Hemingway basierte (Bruccoli 1994).

In Europa schrieb Fitzgerald an seinem vierten Roman, der von amerikanischen Auswanderern in Frankreich handelte, jedoch kam er nur sehr langsam voran. Indessen wurde Zeldas Verhalten immer extremer und exaltierter (ibid.). Im Dezember 1926 kehrten sie zurück in die USA, 1927 bekam Fitzgerald seinen ersten kurzen Auftrag in der Filmbranche; noch im selben Jahr zog die Familie in ein Anwesen in der Nähe von

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Wilmington, Delaware (Eble 1963:14). In den folgenden Jahren entwickelte Zelda eine übertriebene Leidenschaft für das Tanzen, welche von Eble als ein „first certain sign of her mental disorder“ (ibid.:111) gesehen wird. Im April 1930 erlitt Zelda einen Nervenzusammenbruch und wurde auf Schizophrenie diagnostiziert (ibid.:112). Sie wurde in einer Klinik in der Schweiz behandelt. Die Arbeit an Fitzgeralds neuem Roman wurde wieder verlangsamt, da er in dieser Zeit Kurzgeschichten schrieb, um die Behandlungskosten bezahlen zu können. Im Herbst 1931 kehrten die Fitzgeralds in die USA zurück und zogen nach Montgomery, darauf folgte ein weiterer erfolgloser Versuch, in Hollywood Fuß zu fassen. 1932 erlitt Zelda einen zweiten Zusammenbruch und wurde in ein Krankenhaus in Baltimore eingewiesen. Dort schrieb sie ihren autobiographischen Roman Save Me the Waltz. Fitzgerald mietete ein Haus in der Nähe von Baltimore und vollendete dort seinen vierten Roman Tender Is the Night (1934) (Bruccoli 1994).

Die Zeit nach der endgültigen Rückkehr nach Amerika bis zu Fitzgeralds Tod war von privaten und finanziellen Schwierigkeiten geprägt; Zeldas Krankheit, Fitzgeralds Alkoholismus und der Druck, das Leben seiner Familie zu regeln, waren nahezu allgegenwärtig. Diese schwierigen Umstände sind sowohl in Tender Is the Night, als auch in Zeldas Roman Save Me the Waltz (1932) zu erkennen (Eble 1963:132f.). Tender Is the Night erwies sich nicht als Erfolg (die Verkaufszahlen waren niedriger als bei jedem anderen Roman Fitzgeralds) und vermochte es nicht, Fitzgeralds Ansehen als Autor wiederherzustellen. Fitzgerald hörte jedoch nicht auf, zu schreiben und begann bereits kurze Zeit später, an dem historischen Roman The Count of Darkness zu schreiben, welcher in vier Teilen im Frauenmagazin Redbook veröffentlicht wurde. Er stellte ebenfalls den Kurzgeschichtenband Taps at Reveille fertig, der 1935 veröffentlicht wurde und nur wenig Beachtung fand. Seine Schulden, eine Leberzirrhose, der ständige Kampf mit dem Alkohol und eine Tuberkulose zehrten weiter an Fitzgerald (ibid.:139f.) und er versuchte zweimal, Selbstmord zu begehen (ibid.:145). In den darauffolgenden Jahren lebte Zelda im Highland Sanatorium bei Asheville, North Carolina; Fitzgerald lebte in verschiedenen Hotels in der Umgebung (Bruccoli 1994).

1937 unterschrieb Fitzgerald einen Vertrag mit Metro-Goldwyn-Mayer für sechs Monate, welcher dann um zwölf Monate verlängert wurde (Eble 1963:15). In dieser Zeit wirkte er an zahlreichen Drehbüchern mit, wie beispielsweise Three Comrades, A Yank at Oxford, Infidelity, The Women oder Gone with the Wind (ibid.:146). In Kalifornien verliebte er sich in die Kolumnistin Sheila Graham und ging eine Beziehung mit ihr ein, die bis zu seinem

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Tod andauern sollte. Ab Ende 1938, als der Vertrag mit Metro-Goldwyn-Mayer ausgelaufen war, war Fitzgerald als freischaffender Drehbuchautor tätig und schrieb Kurzgeschichten für das Magazin Esquire. 1939 begann er, an seinem Roman The Last Tycoon zu schreiben, den er jedoch nicht mehr vollenden konnte. Am 21. Dezember 1940 verstarb Fitzgerald an einem Herzinfarkt. Zelda kam 1948 in einem Feuer im Highland Sanatorium in Asheville ums Leben (Bruccoli 1994).

Fitzgeralds Karriere und damit auch sein Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad hatte viele Höhen und Tiefen. Bereits in den 1930er Jahren fanden F. Scott Fitzgerald und Zelda nur mehr wenig Erwähnung in den Medien (Prigozy 2007:14). Fitzgerald wusste, „that he was no longer a literary or public celebrity” (ibid.:13) und er sehnte sich nach der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die er zehn Jahre zuvor genossen hatte (ibid.). Zwanzig Jahre nachdem Fitzgeralds Erfolg seinen Anfang genommen hatte und ihm durch seinen Bestseller This Side of Paradise großes Ansehen zuteilwurde, war er beinahe vollständig in Vergessenheit geraten (Bryer 2007:209) und „died believing himself a failure” (Bruccoli 1994). Erst nach seinem Tod stieg das wissenschaftliche und öffentliche Interesse an ihm und seiner Arbeit wieder; dies soll im nächsten Kapitel illustriert werden.

3.2 Posthumer Erfolg

Kurz vor seinem Tod hatten Fitzgeralds Popularität und Ansehen den Tiefpunkt erreicht, doch dies änderte sich innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als zehn Jahren grundlegend und der Autor „and his greatest work were to be established in the canon of American literature“ (Donaldson 1984:3). Heute gilt Fitzgerald als einer der wichtigsten Schriftstellerinnen und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und wurde zu einer der anerkanntesten Persönlichkeiten der amerikanischen Literatur- und Kulturgeschichte (Prigozy 2007:1).

Bereits kurz nach Fitzgeralds Tod 1940 erschienen Artikel über sein Ableben in Zeitungen in den USA und in Europa. Angesehene Schriftsteller wie John Peale Bishop, Malcolm Cowley, John Dos Passos oder John O’Hara zeigten ihre Wertschätzung in Beiträgen für das Magazin New Republic (Bryer 2007:209f.). Im Oktober 1941 wurde ein Band veröffentlicht, der The Great Gatsby, vier von Fitzgeralds besten Kurzgeschichten und den unvollendeten Roman The Last Tycoon enthielt und seitens der Kritikerinnen und Kritiker großen Zuspruch erhielt (ibid.:211).

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Im Jahr 1945 erschienen zwei Bücher, die für die Wiederherstellung von Fitzgeralds Ansehen von großer Bedeutung waren: The Crack-up, eine Sammlung, die Aufsätze, Tagebucheinträge und Briefe, sowie auch kritische Aufsätze über Fitzgerald enthält, und The Portable F. Scott Fitzgerald, welches die zwei Romane The Great Gatsby und Tender Is the Night umfasst. Diese beiden Veröffentlichungen veranlassten einige der angesehensten Literatinnen und Literaten der USA, unter anderen J. Donald Adams oder Alfred Kazin, dazu, sich mit Fitzgerald, seiner Karriere und seiner Bedeutung für die amerikanische Literatur zu beschäftigen. Infolge begannen auch weitere Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Kritikerinnen und Kritiker und Akademikerinnen und Akademiker, sich Fitzgerald und seinem Werk zu widmen. In den späten 1940er Jahren veröffentlichte Arthur Mizener zahlreiche Artikel über Fitzgerald. Es folgte die erste umfassende Sammlung von Fitzgeralds Kurzgeschichten, sowie die erste Sammlung kritischer Aufsätze. 1951 erschien Arthur Mizeners Biographie The Far Side of Paradise, die bemerkenswert hohe Verkaufszahlen erreichte und zusammen mit den vorhergenannten Publikationen eine weitere Welle an Rezensionen von Fitzgeralds Werken auslöste (ibid.:211-213.).

Nach Prigozy leiteten zwei maßgebliche Werke das sogenannte „Fitzgerald Revival“ der 1950er Jahre ein: einerseits die bereits erwähnte Biographie von Mizener; andererseits Budd Schulbergs Roman The Disentchanted, der 1950 erschien. Das Buch handelt von einem ehemals erfolgreichen Autor, der sich an der Produktion eines Drehbuchs an einem College beteiligt. Die Ähnlichkeiten zu F. Scott Fitzgeralds Leben waren nach Prigozy klar erkennbar (Prigozy 2007:15ff.). The Disentchanted wurde ein Bestseller und „brought Fitzgerald’s name back into the arena of popular culture“ (ibid.:17). 1958 wurde der Roman für den Broadway adaptiert und Fitzgeralds Lebensgeschichte erlangte erneut die Aufmerksamkeit der Medien. Beide Werke, sowohl der Roman von Schulberg als auch die Biographie von Mizener, konzentrierten sich auf Fitzgeralds Erfolge und Misserfolge und regten andere Journalistinnen und Journalisten sowie Wissenschafterinnen und Wissenschafter an, über Erfolg und Versagen im Amerika der 1950er Jahre nachzudenken. „The words ‘success’ and ‘failure’ in the 1950s would become associated with Fitzgerald as with no other American writer” (ibid.:16). Schulberg und Mizener trugen dazu bei, dass die Fitzgeralds zu Legenden der Populärkultur wurden und die Details über Zelda Fitzgeralds Krankheit und Tod, die in Mizeners Biographie aufgedeckt wurden, sorgten dafür, dass ihre Geschichte nicht vergessen wurde und verstärkte den Mythos um

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Fitzgeralds Erfolge, Versagen und die Wiederentdeckung seiner Werke nach seinem Tod (Prigozy 2007:16ff.).

Gegen Ende der 1950er Jahre wurde The Fictional Technique of Scott Fitzgerald von James E. Miller, das erste eigenständige Buch, welches sich mit Fitzgeralds literarischen Einflüssen und Techniken beschäftigte, sowie Beloved Infidel, die Biographie von Sheila Graham, Fitzgeralds Geliebten, veröffentlicht (Bryer 2007:214). Die Biographie wurde ein Bestseller und bereits ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung verfilmt (Prigozy 2007:19). Ebenso erschienen neue Kurzgeschichtensammlungen, Neuauflagen bereits erschienener Sammlungen sowie Neuauflagen der Romane The Beautiful and Damned und The Last Tycoon. Dies zog weitere Rezensionen nach sich und steigerte den Verkauf von Fitzgeralds Werken erheblich. Zudem rief Matthew J. Bruccoli den vierteljährlich erscheinenden Fitzgerald Newsletter ins Leben. In den folgenden Jahrzehnten riss das Interesse an F. Scott Fitzgerald nicht ab und die intensive Beschäftigung mit seiner Person und seinem Schaffen wurde fortgesetzt. Es erschienen zahlreiche bibliographische und biographische Werke, detaillierte Studien zu seinen Romanen, kritische Aufsätze und Buchkapitel, Neuauflagen bereits veröffentlichter Romane und Kurzgeschichtenbände, aber auch Bände mit bis dahin unbekannten Kurzgeschichten. Auch persönliche Dokumente, Briefe und Manuskripte wurden veröffentlicht. 1969 gründete Matthew J. Bruccoli den Fitzgerald/Hemingway Annual, 1996 wurde die F. Scott Fitzgerald Society, die vier internationale Konferenzen unterstützte, ins Leben gerufen (Bryer 2007:214-226). Seit 1940 erschienen tausende Publikationen zu Fitzgerald, Übersetzungen seiner Texte wurden in zahlreichen Sprachen weltweit veröffentlicht. Neben der großen Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten findet Fitzgeralds Leben, seine Texte und ihre Protagonistinnen und Protagonisten in unterschiedlichsten Medien, angefangen von Comics, Filmen oder Magazinen bis hin zu Bars und Restaurants bis heute Erwähnung (Bryer/Prigozy/Stern 2003:1f.). Ein Ende der Begeisterung für Fitzgerald und sein Werk ist nach Bryer/Prigozy/Stern nicht in Sicht:

With Fitzgerald, as with Hawthorne, Melville, Twain, Whitman, Dickinson, Faulkner, or any other American author of lasting international stature, there will not be an end to new insights, new appreciations, new arguments. Because the work of great writers is what it is, there will continue to be fresh responses to it as long as people continue to read and come anew to it through time. (Ibid.:2f.)

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4 Der Roman The Great Gatsby (1925)

Heute, 75 Jahre nach seinem Tod, ist Fitzgerald vor allem als Autor von The Great Gatsby bekannt. Dieses Kapitel dient einer genaueren Betrachtung des Originals. Zunächst wird kurz der Inhalt des Romans beschrieben, im Anschluss daran folgt eine Darstellung seiner Charakteristik und relevantesten Themen. Kapitel 4.3 beschäftigt sich mit der Reaktion auf den Roman in den USA.

4.1 Inhalt des Romans

Die Handlung des Romans spielt in den USA der 1920er Jahre. Nick Carraway, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, zieht 1922 vom mittleren Westen nach Long Island, New York, um ins Börsengeschäft einzusteigen. Er bezieht ein kleines, direkt am Meer gelegenes Haus in West Egg. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich ein herrschaftliches Anwesen, wo häufig luxuriöse Partys stattfinden und die Stars und Persönlichkeiten von New York ein und aus gehen. Dieses Anwesen gehört Jay Gatsby, „the man who gives his name to the book“ (Fitzgerald 1953:2), dem Nick jedoch zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte noch nicht begegnet ist.

Nick Carraway, der sonst in New York auf sich allein gestellt ist, hat Beziehungen zu Tom und Daisy Buchanan, einem wohlhabenden, jungen Ehepaar, das auf der anderen Seite der Bucht im vornehmen East Egg wohnt. Tom Buchanan, der als grob, muskulös und arrogant beschrieben wird, kennt Nick noch von seiner Zeit auf dem College. Die charmante und schöne Daisy ist eine entfernte Verwandte von Nick. Die Buchanans zogen in den vorhergehenden Jahren von einem Ort zum nächsten und „drifted here and there unrestfully wherever people played polo and were rich together“ (ibid.:6). Dieses Mal haben sie jedoch vor, in East Egg zu bleiben. Eines Abends wird Nick Carraway in ihre Villa eingeladen. Dort lernt er die Golferin Jordan Baker kennen, mit welcher er im Laufe des Romans eine romantische Beziehung eingeht. Bei diesem Treffen erfährt Nick von Jordan, dass Tom eine Geliebte hat. Nicht lange nach der Einladung bei den Buchanans trifft Nick Tom im Zug auf dem Weg nach New York. Tom überredet Nick, in einem Industriegebiet auf der Strecke nach New York auszusteigen, und seine Geliebte, Myrtle Wilson, kennenzulernen. Myrtle ist, im Gegensatz zu Tom, nicht wohlhabend; sie ist die Frau eines Automechanikers und wird von Nick als laute, unangenehme und grobe Person beschrieben. Myrtles Mann kennt Tom zwar und möchte Geschäfte mit ihm machen, weiß jedoch nichts über seine Affäre mit Myrtle. Tom, Myrtle und Nick begeben sich auf den 36

Weg nach New York, wo Tom für sich und seine Geliebte eine Wohnung gemietet hat. Nick und weitere Freunde von Myrtle und Tom werden in die Wohnung eingeladen und das Zusammentreffen wird mit viel Alkohol gefeiert. Myrtle, die wie alle anderen bereits angetrunken ist, beginnt über Daisy zu sprechen. Tom verliert die Kontrolle und bricht Myrtle mit einem Schlag ins Gesicht die Nase.

Einige Zeit später erhält auch Nick Carraway schließlich eine Einladung zu einer von Gatsbys Partys. Dort trifft er – neben einigen verwunderlichen Charakteren – auch Jordan wieder. Ebenso macht er die Bekanntschaft von Jay Gatsby. Nick beschreibt Gatsby als „elegant young rough-neck“ (ibid.:48), der seine Worte stets mit Bedacht wählt. Gatsby umgibt eine geheimnisvolle Aura, da ihn niemand näher kennt oder weiß, wie er zu seinem Reichtum kam. Es kursieren Gerüchte, er sei ein Mörder, Schmuggler oder Ähnliches. In Wahrheit trägt Jay Gatsby den Namen James Gatz und stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Bereits in jungen Jahren ließ er seine wahre Identität hinter sich und baute sich ein neues, erfolgreiches Leben auf.

Jay Gatsby bittet Jordan unter vier Augen, mit Nick zu sprechen und ihn um einen Gefallen zu bitten. Es kommt ans Licht, dass Jay Gatsby Daisy Buchanan von früher kennt und (obwohl er sie seit Jahren nicht gesehen hat) unsterblich in sie verliebt ist. Sein Anwesen, welches sich direkt gegenüber dem der Buchanans befindet, hat er nur gekauft, um Daisy nah zu sein. Sein extravaganter Lebensstil sollte sie beeindrucken und insgeheim hatte er gehofft, dass sie eines Tages auf einer seiner Partys auftauchen würde. Als Jay Gatsby erfährt, dass Nick Daisy kennt, sieht er dies als seine Chance, sie wieder zu treffen. Nick willigt ein, Jay Gatsby zu helfen und lädt Daisy zum Tee in sein Haus ein. Jay Gatsby und Daisy treffen sich nach Jahren das erste Mal wieder und kommen sich näher.

Daisy lädt Gatsby, Nick und Jordan in ihre Villa in East Egg ein. Bereits nach kurzer Zeit wird Tom misstrauisch und vermutet eine Affäre zwischen Gatsby und Daisy. Die Stimmung ist angespannt, dennoch fahren sie weiter nach New York, um etwas zu unternehmen. In einem Hotel in New York kippt die Stimmung schließlich endgültig und Tom reagiert aggressiv. Er beschuldigt Gatsby illegaler Geschäfte und behauptet, dass Gatsby ihm nichts anhaben kann und Daisy zu ihm gehört. Er schickt Daisy und Gatsby gemeinsam in einem Auto zurück nach East Egg, um zu zeigen, dass er Gatsby nicht als Rivalen sieht. Als Nick, Tom und Jordan nach Hause fahren, kommen sie zu einer Unfallstelle. Sie erfahren, dass Gatsby und Daisy Myrtle überfahren haben. Myrtle ist dabei ums Leben gekommen. Nick fährt nach Hause und findet heraus, dass Daisy den

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Wagen gelenkt hat, Gatsby jedoch die Schuld auf sich nehmen will. Tom erzählt Myrtles Mann am nächsten Tag, dass Gatsby schuld an Myrtles Tod ist. Da Myrtle auf das Auto direkt zu gerannt ist, geht Myrtles Mann davon aus, dass Gatsby Myrtles Geliebter war. Er schleicht sich auf Gatsbys Anwesen und erschießt zunächst ihn und dann sich selbst. Nick organisiert Gatsbys Begräbnis, zu welchem aber nur wenige Menschen erscheinen. Tom und Daisy ziehen weg, ohne eine Kontaktadresse zu hinterlassen. Nick wird die Rücksichtslosigkeit der beiden bewusst:

[…] they smashed up things and creatures and then retreated back into their money or their vast carelessness, or whatever it was that kept them together, and let other people clean up the mess they had made… (Ibid.:180f.) Angewidert von dem, was er an der Ostküste erlebt hat, kehrt Nick in seine Heimat zurück.

Nachdem nun der Inhalt des Romans kurz dargestellt wurde, werden im nächsten Kapitel die Charakteristik und Themen des Romans ausgearbeitet. Der Fokus liegt hier auf der Struktur des Romans und seinen stilistischen Besonderheiten.

4.2 Charakteristik und Themen des Romans

„I want to write something new – something extraordinary and beautiful and simple + intricately patterned“ (Bruccoli/Duggan 1980:112, zit. n. Lanahan/Bruccoli/Lanahan 1999; Hervorh. im Orig.). Mit diesen Worten beschrieb Fitzgerald seinem Lektor Maxwell Perkins den Roman, den er im Begriff war zu schreiben. Nach Fertigstellung des Romans drückte er auch dem Literaturkritiker Edmund Wilson gegenüber seine Begeisterung über den Roman aus und schrieb: „My BOOK is wonderful […]“ (Turnbull 1963:341; Hervorh. im Orig.).

Fitzgerald selbst war offensichtlich von der Qualität seines jüngsten Werkes überzeugt, bis aber auch die breite Öffentlichkeit dem Roman Tribut zollte, sollten noch einige Jahre vergehen. Aus heutiger Sicht wird deutlich: Jene Qualitäten des Romans, die Fitzgerald zuvor mit new, extraordinary, beautiful, simple und intricately patterned beschrieben hatte, machten The Great Gatsby zu etwas Besonderem. Der Roman entwickelte sich bis heute nicht nur zum populärsten Roman Fitzgeralds, gemeinhin wird er auch als sein gelungenster angesehen und von Kritikerinnen und Kritikern sogar als „the best novel of Fitzgerald’s generation“ (Eble 1963:88) betitelt. Vor allem die sorgfältige Planung und Struktur des Romans, Fitzgeralds stilistischer Feinschliff, sowie das Zusammenwirken seiner einzelnen Teile als ein Ganzes werden gepriesen:

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No one can read The Great Gatsby without being aware that one has a little jewel of a novel, beautifully shaped and polished with a sureness of craftsmanship which renders each page and each paragraph into a contribution to the whole. (Holmes Pearson 1984/1962:22) Auch die sorgfältige Auswahl der Szenen, die Kontrolle von Ton und Blickwinkel sowie auch die gelungene Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit und die Verwendung von Symbolen werden von Kritikerinnen und Kritikern lobend erwähnt (Langman 1984/1973:31). Nach Eble sind als grundlegende Eigenschaften des Romans seine Direktheit und Einfachheit zu nennen (Eble 1963:89). Bryer stellt die sprachliche Präzision des Romans in den Mittelpunkt, durch welche es Fitzgerald gelinge, Stil und Bedeutung miteinander zu verschmelzen (Bryer 1984:127f.).

Nach Langman ist in The Great Gatsby im Vergleich zu Fitzgeralds früheren Werken eine gewisse Disziplin und Zurückhaltung und dadurch eine vollständige Konzentration auf das Wesentliche, das Erzählen der Geschichte, wahrnehmbar. Die Erzählweise sei durchaus verdichtet und zügig; durch die sorgfältige Konstruktion und Wortwahl werde Vieles lediglich impliziert. Die Charaktere des Romans werden effizient und einfach vorgestellt, wobei bei jeder Figur eine für sie charakteristische Eigenschaft in den Vordergrund tritt. Ihre Darstellung erfolgt allerdings lediglich von außen und es bleibt den Leserinnen und Lesern überlassen, ihr Gefühlsleben zu erschließen. Im Laufe des Romans gewinnen die Figuren nicht an Tiefe, viel eher werden ihre charakteristischen Eigenschaften verstärkt oder der Leserin bzw. dem Leser durch Wiederholung in Erinnerung gerufen (Langman 1984/1973:33f.). Trotz dieser relativ einfachen Darstellung der Figuren ist der Roman „radiant with feeling, various, subtle, delicate and tender” (ibid.:34). Die Gefühle der Protagonistinnen und Protagonisten werden jedoch nicht direkt durch die Worte und Taten der Figuren ausgedrückt, vielmehr werden sie indirekt durch Beschreibungen, Erzählungen oder Symbole vermittelt. Die wichtigste Aufgabe des Erzählers Nick Carraway (der gleichzeitig auch Handelnder ist) ist nach Langman, die Gefühle der Figuren auf diese besondere Art und Weise aufzuzeigen. Nick Carraways Charakter sei untrennbar mit dem Stil des Romans verbunden, jedoch trete er in seiner Rolle als Erzähler an manchen Stellen stärker in den Vordergrund, an anderen Stellen werde er weniger wahrgenommen. Er wirke als Medium, durch welches die Geschichte erlebt und erzählt wird, „a style through which events are rendered with an appropriate colouring of emotion“ (ibid.:35). Alles, was die Leserinnen und Leser erfahren, werde so durch Carraways Persönlichkeit, Ansichten und Erfahrungen gefiltert (Gross/Gross 1998:2).

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Nach Eble beruht die Geschichte in The Great Gatsby zu einem wesentlichen Teil auf früheren Texten von Fitzgerald. Wie in anderen Werken des Autors entwickelt sich der Handlungsverlauf langsam „toward a violently dramatic incident and an ironical conclusion“ (Eble 1963:88). Im Roman ist ein Muster von Bewegung bzw. Dynamik und Unterbrechung erkennbar. Während die erste Hälfte des Romans eher statisch wirkt, gewinnt die Erzählweise in der zweiten Hälfte an Geschwindigkeit (ibid.:91). In der exakten Mitte des Buches befindet sich das Treffen zwischen Daisy Buchanan und Jay Gatsby, eine Szene, die fast bewegungslos und „by design, timeless“ (ibid.:90) erscheint. Die Anordnung der Ereignisse in der Geschichte, die für die Wirkung des Romans auf die Leserinnen und Leser eine wichtige Rolle spielt, stand nach Eble erst nach zahlreichen Überarbeitungen fest. Im Zuge dieser wurden einerseits größere Veränderungen, wie die Umstellung und Anpassung ganzer Textpassagen, vorgenommen. Andererseits veränderte Fitzgerald seinen Text kontinuierlich in einem kleineren Ausmaß, indem er einzelne Wörter austauschte, Passagen kürzte, Dialoge straffte oder explizite Aussagen strich. Durch diese zahlreichen Überarbeitungen entstand ein Roman, dessen Stil von Eble als „highly polished“ (ibid.:92) bezeichnet wird.

The Great Gatsby besteht aus zwei Handlungssträngen. Der erste stellt Gatsbys Bestreben dar, Daisy zurück zu erobern und die Zeit zurückzudrehen, der zweite Handlungsstrang konzentriert sich auf Toms Affäre mit Myrtle Wilson. Obwohl diese beiden Geschichten getrennt voneinander erzählt werden und erst bei Myrtles Tod aufeinandertreffen, werden nach Langman immer wieder Parallelen sichtbar. Die einzelnen Episoden des Romans sowie auch die Motive und Handlungen der Figuren ähneln sich stark und scheinen sich zu wiederholen (Langman 1984/1973:48-52). Auch auf sprachlicher Ebene lassen Muster erkennen und Phrasen sowie Wörter ausmachen, die im gesamten Buch präsent sind (Bryer 1984:43). Beispiele dafür sind die immer wieder auftauchenden Wörter „restless“ und „drift“ (Harvey 1984/1957:79ff.). Viele der Figuren im Roman sind von einer gewissen Ruhelosigkeit betroffen: „[I]t expresses the discontent and unfulfilment, the waste and frustration of energies, the lack of satisfying ideas, beliefs, goals, which plague almost every person in the book“ (Langman 1984/1973:43). Auch weitere Elemente tauchen im Roman immer wieder auf, wie beispielsweise Rosen, die Farbe Weiß, Boote (ibid.:43f.) oder die Themen Reichtum und Geld (ibid.:47). Bei einer näheren Betrachtung der individuellen Wortwahl und der Wahl der Phrasen in The Great Gatsby wird ersichtlich, dass auch diese einem Muster folgen. Unterschiedliche Elemente haben gemein, dass sie „marvelously descriptive and evocative“ (Bryer 1984:124) sind, durch ihre Originalität 40 bestechen und die Leserinnen und Leser in ihren Bann ziehen und gleichzeitig auf der Textebene die Bedeutung des Romans in seiner Gesamtheit einfangen. In der Verwendung von Adjektiven und Adjektivphrasen lasse sich Ambivalenz und Oxymora erkennen, die für die thematische Ambivalenz und die Gegensätze im gesamten Roman stehen:

„[T]here is an element of wit and ‘newness’-words not normally paired in description are linked-along with an aptness which denotes as well the jarring ambivalences and contradictions in the novel” (Ibid.:125). In Bezug auf die Charakteristik des Romans sind seine humoristischen Elemente nicht außer Acht zu lassen. Obwohl viele kritische Diskussionen diesen Aspekt des Buches nicht erwähnen, ist Humor nach Langman eine wesentliche Eigenschaft des Buches (Langman 1984/1973:37). Dieser Humor wird nach Bryer meist durch die ironische, originelle und unerwartete Kombination oder Gegenüberstellung von Textelementen bzw. durch ungewöhnliche Verben erzeugt. Fitzgerald gelinge es, „witty satire“ (Bryer 1984:127) und „bitter commentary on the world [the book] portrays“ (ibid.) zu kombinieren. Stil und Bedeutung sind eng miteinander verknüpft (ibid.:128). Die Darstellung der Gesellschaft im Roman ist nach Eble stets ironisch und er argumentiert auch, dass bereits das Wort „great“ im Titel des Buches diese Ironie zum Ausdruck bringt (Eble 1963:98).

Eines der offensichtlichsten Themen des Romans ist Gatsbys romantische Liebe für Daisy, die in der Geschichte bitter enttäuscht wird (Gross/Gross 1998:XII). Auch Geld spielt eine zentrale Rolle im Roman: Nick Carraway kommt nach New York, um Geld zu verdienen, Daisy und Tom Buchanan können nur aufgrund ihres Reichtums ein solch rücksichtsloses Leben führen und Jay Gatsby versucht Daisy durch sein Vermögen zu beeindrucken (Hoover 2013). Nach Gross/Gross verliert in The Great Gatsby „The American Dream“, der zwar Wohlstand bedeutete, jedoch gleichzeitig auch für Erfolg, Selbsterfüllung und Ehrenhaftigkeit stand, seine Bedeutung (Gross/Gross 1998:9). Die Geschichte des Jay Gatsby veranschauliche, dass sich der amerikanische Traum aus Fitzgeralds Sicht in ein reines Streben nach materiellem Besitz verwandelt hatte: „The American Dream, one of the finest fruits of Western culture, has become dead (and deadly) materialism“ (ibid.:11). Jene, die über Reichtum und Luxus verfügen, werden von Fitzgerald als gelangweilte, oberflächliche und unglückliche Menschen porträtiert und die Bedeutungslosigkeit des Lebens in einer modernen westlichen Gesellschaft sowie deren fehlende Werte werden impliziert (ibid.:9f). Der deutsche Literaturkritiker Paul Ingendaay fasst die Themen, die Tragik des Romans und seine Wirkung auf die Leserinnen und Leser treffend zusammen:

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Am Ende haben wir Aufstieg und Fall eines unermesslich reichen und moralisch dubiosen Mannes erlebt, Jay Gatsby, dessen eigentliches Ziel, die Eroberung seiner Jugendliebe, an einer korrupten Welt zerbricht und uns mit einem sonderbaren Gefühl von Untröstlichkeit zurücklässt. (Ingendaay 2011)

4.3 Reaktionen auf den Roman in den USA

Die Art und Weise, wie Fitzgerald von der breiten Öffentlichkeit, aber auch von Seiten der Literaturkritik und Literaturwissenschaft wahrgenommen wurde, veränderte sich im Laufe der Zeit sehr stark. Die hierzu in Kapitel 3.2 geschilderten Entwicklungen haben ohne Zweifel auch großen Einfluss auf die Rezeption von The Great Gatsby.

Nach zahlreichen Überarbeitungen sah Fitzgerald der Veröffentlichung von The Great Gatsby erwartungsvoll entgegen, die Verkaufszahlen waren dann jedoch ernüchternd. Bis zu Fitzgeralds Tod wurden weniger als 24 000 Exemplare in der Auflage von Scribner‘s verkauft. Zwar verkaufte sich der Roman etwas besser als das im Jahr 1934 veröffentlichte Tender is the Night, erzielte aber bei Weitem nicht die Verkaufszahlen der beiden Romane This Side of Paradise (1920) und The Beautiful and the Damned (1922). Die erste Reaktion auf den Roman seitens Literaturkritikerinnen und Literaturkritikern war gemischt. In anfänglichen Rezensionen, erschienen in The New York World, The Saturday Review und New York Herald Tribune Book Review, wurde The Great Gatsby als belanglos dargestellt. Auch H. L. Mencken, den Fitzgerald sehr schätzte, erwähnte in seiner Rezension für die Baltimore Evening Sun zwar die Sprache Fitzgeralds lobend, fand jedoch für die Handlung nur negative Worte. Auf der anderen Seite erschienen auch Rezensionen, die Fitzgeralds literarisches Talent anerkannten (Donaldson 1984:1f.). Vor allem Schriftstellerinnen und Schriftsteller, wie beispielsweise Edith Wharton, Willa Cather und T. S. Eliot, erkannten das Potenzial des Buches und brachten ihre Begeisterung für The Great Gatsby in Briefen an Fitzgerald zum Ausdruck. Obwohl diese Anerkennung Fitzgerald viel bedeutete, ersetzte sie nicht die Wertschätzung des Werkes durch die Öffentlichkeit, nach der er sich sehnte (Mizener 1960). Es waren meist die negativen Rezensionen, die die breite Öffentlichkeit erreichten (Eble 1963:101). Die erfolgreiche Bühnenadaption 1926 von Owen Davis und die Verfilmung von Paramount noch im selben Jahr sicherten zwar Fitzgeralds Einkommen, brachten ihm aber keine Anerkennung als seriöser Schriftsteller. 1934 erreichte Fitzgerald eine Neuauflage von The Great Gatsby mit 5 000 Exemplaren in dem populären Imprint Modern Library von Random House (Donaldson 1984:2f.), die sich jedoch nicht als erfolgreich erwies (Mizener 1960). Auch wenn die Öffentlichkeit The Great Gatsby zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend

42 ignorierte, hatte der Roman auch weiterhin eine nicht unbekannte „underground audience“ (ibid.) vorzuweisen: Zu diesem Publikum gehörten unter anderem J. D. Salinger, der eine seiner Figuren Bezug auf den Roman nehmen ließ, John O’Hara, Edward Newhouse oder Budd Schulberg, die begannen, sich für das Werk zu interessieren. Ende der 1930er Jahre „faint echoes of this underground option were being heard on the surface“ (ibid.) und bereits kurz nach Fitzgeralds Tod 1940 drückten immer mehr Kritikerinnen und Kritiker ihre Bewunderung für The Great Gatsby aus (ibid.). 1945 erschien der Roman in Paperback bei Bantam (Donaldson 1984:4). Die Reaktion auf den Roman kurz nach seiner Erscheinung unterscheidet sich stark von seiner späteren Bewertung. Nach Jackson R. Bryer ist dies ein Hinweis darauf, dass die Generation der 1920er Jahre in dem Roman nur ein Porträt ihrer Zeit sah; erst durch eine größere zeitliche Distanz zu den Roaring Twenties war es möglich, dem Roman eine größere Bedeutung zuzuordnen (Bryer 1967:xvi). Obwohl die anfängliche Wahrnehmung des Buches als ein historisches Zeugnis der 1920er Jahre in vereinzelten Rezensionen noch präsent war, erkannte der Großteil der Kritikerinnen und Kritiker den literarischen Wert des Buches (Mizener 1960). 1951 wurde, wie bereits in Kapitel 3.2 erwähnt, Budd Schulbergs The Disentchanted veröffentlicht, und Fitzgeralds Ansehen „skyrocketed“ (Donaldson 1984:4).

Allein im Jahr 1960 wurden 50 000 Exemplare von The Great Gatsby verkauft und Mizener bezeichnete den Roman als „classic of twentieth-century American fiction” (Mizener 1960). Die Begeisterung für den Roman nahm auch in den folgenden Jahrzehnten nicht ab: Bis zum Jahr 1980 waren 8 Millionen Exemplare von The Great Gatsby verkauft worden (Gross/Gross 1998:XII).

Neben dem bereits erwähnten Film aus dem Jahr 1926 wurde The Great Gatsby bis heute drei weitere Male für das Kino verfilmt. Im 1949 erschienenen Schwarz-Weiß-Film spielten Alan Ladd und Betty Field die Hauptrollen und 1974 verkörperten Robert Redford und Mia Farrow Gatsby und Daisy in einer aufwendigen Darstellung der luxuriösen Welt der 1920er Jahre (ibid.:XI). Regisseur Baz Luhrmanns neuste Verfilmung aus dem Jahr 2013 mit Leonardo DiCaprio, Carey Mulligan und Tobey Maguire spielte in den USA knapp 145 Millionen US-Dollar ein (Box Office Mojo [o.J.]). Die Geschichte des Jay Gatsby war ebenfalls Ausgangspunkt für zahlreiche Bühnenproduktionen, eine Oper in der New York Met und ein Computerspiel (Norman 2012).

Durch Luhrmanns Verfilmung erlebte auch der Roman The Great Gatsby 2013 erneut einen Aufschwung und besetzte Platz 2 der meistverkauften Bücher in den Vereinigten

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Staaten. Bis zu diesem Zeitpunkt war er weltweit insgesamt 25 Millionen Mal verkauft und in 42 Sprachen übersetzt worden (Donahue 2013). Im Februar 2015, 90 Jahre nach seinem Erscheinen, besetzte das Buch Platz 105 der meistverkauften Bücher in den USA (USA Today 2015).

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5 Die deutschen Übersetzungen

Bis heute wurde F. Scott Fitzgeralds The Great Gatsby insgesamt acht Mal ins Deutsche übersetzt (DNB [o.J.a]). Die erste Übersetzung wurde von Maria Lazar angefertigt und erschien bereits 1928 bei Th. Knaur Nachfolger (DNB [o.J.b]). 25 Jahre später, im Jahr 1953, erschien Walter Schürenbergs Übersetzung bei Blanvalet (DNB [o.J.c]). 2006 erschien erstmals Barbara Abarbanells Neuübersetzung bei Diogenes (DNB [o.J.d]). 2011 folgte eine zweisprachige Ausgabe bei Anaconda, die Übersetzung wurde von Kai Kilian angefertigt (DNB [o.J.e]). Noch im selben Jahr brachten der Deutsche Taschenbuch Verlag DTV eine Übersetzung von Lutz-W. Wolff (DNB [o.J.f]) und der Insel-Verlag eine Übersetzung von Reinhard Kaiser heraus (DNB [o.J.g]); der Nikol Verlag veröffentlichte eine Übersetzung von Johanna Ellsworth (DNB [o.J.h]). 2012 folgte eine Übersetzung von Hans-Christian Oeser bei Reclam (DNB [o.J.i]). Das Auslaufen des Urheberrechts für den Roman im Jahr 2010 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Grund für die große Anzahl an Neuübersetzungen. Nach Ingendaay war aber nicht nur dieser Faktor ausschlaggebend, dass allein im Jahr 2011 vier neue Übersetzungen veröffentlicht wurden, und eine weitere im Jahr 2012 erschien:

Dass wir diesen Roman noch heute lesen, beruht auf seiner Dichte, Spannung, poetischen Qualität und der reflektierten Ausgestaltung seiner Motive. Nur in dieser Form konnte der Gatsby-Stoff sein Leben bewahren und symptomatisch für seine (und unsere) Zeit werden. (Ingendaay 2011) Dem deutschen Lesepublikum stehen also heute zahlreiche verschiedene Übersetzungen von durchaus namhaften Verlagen zur Auswahl (ibid.). Untersuchungsgegenstand dieser Masterarbeit bilden die Übersetzungen von Walter Schürenberg aus dem Jahr 1953 (erstmals erschienen bei Blanvalet) und von Bettina Abarbanell aus dem Jahr 2006 (erschienen bei Diogenes). Schürenbergs Übersetzung (die im Folgenden als Übersetzung 1 bezeichnet wird) war für sehr lange Zeit im Handel erhältlich und jener Text, der von den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern mit Fitzgeralds The Great Gatsby verbunden wurde. Die Veröffentlichung von Abarbnells Version (die im Folgenden als Übersetzung 2 bezeichnet wird) stellt den Versuch dar, dies zu ändern: Vor der Veröffentlichung von Übersetzung 2 hatte der Verlag Diogenes zunächst ab dem Jahr 1974 Schürenbergs Text im Programm (DNB o.J.j). Nach dem Erscheinen der Neuübersetzung (die auch gleichzeitig die erste Neuübersetzung nach dem Auslaufen des Urheberrechts war) wurde Schürenbergs Text jedoch nicht mehr verlegt (DNB o.J.a) und somit durch Abarbanells Text ersetzt (Hermann 2013).

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5.1 Übersetzung 1: Der große Gatsby (1953)

Die erste deutsche Übersetzung von The Great Gatsby von Maria Lazar erschien bereits 1928, es war jedoch die zweite, von Walter Schürenberg im Jahr 1953 angefertigte, die „die nächsten fünfzig Jahre der maßgebliche Text“ (Ingendaay 2011) blieb. Schürenbergs Übersetzung ist jene Version, die im deutschsprachigen Raum als Der große Gatsby verbreitet war (Hermann 2013) und somit jener Text, durch welchen die deutschsprachigen Leserinnen und Leser den Autor F. Scott Fitzgerald und The Great Gatsby kennenlernten. Schürenbergs Übersetzung wurde auch von der Literaturkritik durchaus positiv bewertet:

Der deutschen Uebersetzung eines amerikanischen Romans zu begegnen, die in der Sprache so schön, im Erfassen des Sinnes so ausgezeichnet ist, daß die Lektüre zu einem ebenso großen Genuß wird wie die des Originals, ist leider eine Seltenheit. Bei Schürenbergs Uebertragung von "The Great Gatsby" tritt sie ein, und das ist um so wichtiger, als es gerade in diesem Buch - so sehr es von wilder Dramatik und Leidenschaft erfüllt ist - auf die Nuancen ankommt, auf das merkwürdige Umschlagen der Stimmungen, auf all das, was ungesagt bleibt und doch hintergründig das eigentliche Wesen der Geschichte ausmacht. (Frankfurter Allgemeine Zeitung 1953) Dass die Übersetzung gut aufgenommen wurde, hat auch mit dem gesellschaftlichen Kontext zu tun: Die Bedingungen für die Aufnahme amerikanischer Literatur waren nach Haas zu jener Zeit optimal und westdeutsche Leserinnen und Leser zeigten sich als äußerst offen für Literatur aus Amerika. Ein Großteil Westdeutschlands wurde von den USA besetzt, was die Verbreitung von Literatur vereinfachte, die Amerika-Häuser dienten als „Verteilerstellen“ (Haas 1973:20) für amerikanische Romane und die Leserinnen und Leser hatten ein verstärktes Interesse für amerikanische Prosaepik. Die während des Krieges bestehende „Informations- und Lektürelücke“ (ibid.) erhöhte die Nachfrage zusätzlich. Der amerikanische Roman diente für die deutschen Leserinnen und Leser „als Informationsquelle, als Spannungsträger, als epischer Wirklichkeitsersatz“ (ibid.:46).

Aber auch nach der Erscheinung von Abarbanells Übersetzung im Jahr 2006 wurde Schürenbergs Übersetzung von Wieland Freund positiv beurteilt: Sie sei im Vergleich zur Neuübersetzung die charmantere Übersetzung (Freund 2006).

5.1.1 Der Übersetzer Walter Schürenberg

Dr. phil. Walter Schürenberg wurde am 20. September 1907 in Mönchengladbach geboren und verstarb am 11. August 1996 in Berlin (Kalliope 2010). Seine Dissertation, die den Titel Apollonius von Tyrland: Fabulistik u. Stilwille bei Heinrich von Neustadt trägt, legte

46 er in Göttingen vor (DNB [o.J.k]). Er war als Übersetzer, Lektor, Schriftsteller und Rundfunkredakteur in Berlin tätig (DNB [o.J.l]).

Schürenberg übersetzte im Laufe seiner Karriere zahlreiche Romane aus dem Englischen, wie beispielsweise Ansichten des Romans (1949) von Edward Morgan Forster, Nie siegreich, nie geschlagen (1954) von Taylor Caldwell, Ums nackte Leben (1955) von Horace McCoy, Die Herren der öffentlichen Meinung (1955) und Saturn im Wappen (1966) von Charles Wertenbaker, Diese Frau… (1956) von Edwin Lanham, Der Wind ist mein Kleid (1957) von Suyin Han, Clea (1961) von Lawrence Durrell, Die ungleichen Brüder (1959) von Frank Norris, Der Magus (1971) von John Fowles, Ein Ire an der Sonnenküste (1979) von Aiden Higgins, Männer und Frauen (1987) von Ivy Compton- Burnett, Der Butler (1988) und Blindsein (1991) von Henry Green sowie in Zusammenarbeit mit Michael Stone Liebe, Sexualität und Tod (1964) von Leslie A. Fiedler. Zudem übersetzte Schürenberg auch Joseph Conrads Sieg. Eine Inselgeschichte (1962) (DNB [o.J.l]) und Der goldene Pfeil. Eine Geschichte zwischen zwei Bemerkungen (S. Fischer Verlag 2013). Auch die Kinderbücher Ajax, mein Lebensretter (1953) und Meine Tiere und ich. Abenteuer im australischen Busch (1995) von Mary Elwyn Patchett wurden von Schürenberg übersetzt (DNB [o.J.l]).

Schürenberg übersetzte aber auch aus dem Französischen, wenn auch seltener. Er übertrug beispielsweise die Romane Sonne (1968) von Carlo Coccioli, Unruhige Vaterschaft (1968) von Jean Schlumberger und Der Mann, der den Zügen nachsah (1981) von Georges Simenon (ibid.) sowie die Villa Triste (1977), und die Pariser Trilogie (1981) von Patrick Modiano (welcher 2014 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde) ins Deutsche (Nobelprize.org 2014).

Ein Jahr nach Der große Gatsby veröffentlichte Blanvalet Fitzgeralds Kurzgeschichtensammlung Die besten Stories (1954), die ebenfalls von Schürenberg übersetzt worden waren. In weiterer Folge übertrug Schürenberg zahlreiche Geschichten von Fitzgerald ins Deutsche, die unter anderem in den Erzählbänden Ein Diamant, so groß wie das Ritz (1972), Der Knacks (1984), Der Rest von Glück (1989), Der gefangene Schatten (1991) oder Junger Mann aus reichem Haus (2008) veröffentlicht wurden (DNB [o.J.l]). Nach Der große Gatsby übersetzte Schürenberg noch einen weiteren Roman von Fitzgerald: Der letzte Taikun (1962) (DNB [o.J.l]).

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5.1.2 Der Blanvalet Verlag

Der Verlag Blanvalet wurde im Jahr 1935 von Lothar Blanvalet (geboren am 12. August 1910 in Berlin) gegründet (Verlagsgruppe Random House o.J.a). Im Zweiten Weltkrieg musste der Verlag seine Arbeit auf Anordnung des nationalsozialistischen Regimes einstellen, doch schon 1946 erwirkte Lothar Blanvalet eine Verlagslizenz von den US- amerikanischen, französischen und britischen Besatzungsmächten. Diese Verlagslizenz „nutzte er wie kein Zweiter“ (ibid.). In den darauffolgenden Jahren konzentrierte sich Blanvalet auf Belletristik, Kunst und Politik (Literra 2015). Neben Fitzgeralds Texten wurden auch Werke von anderen bekannten Schriftstellern wie Walt Whitman und Klaus Mann (Verlagsgruppe Random House o.J.a) oder Erik Reger (Literra 2015) veröffentlicht. Von besonderer Bedeutung für den Verlag war die Veröffentlichung des historischen Romans Angelique von Anne Golons im Jahr 1956 (ibid.). Als erster Verlag veröffentlichte er den erfolgreichen Roman und seine zwölf Bände (Verlagsgruppe Random House o.J.a). Anfang der 1970er Jahre verkaufte Blanvalet die Taschenbuchlizenzen seiner erfolgreichsten Bücher. 1974 zog Lothar Blanvalet sich schließlich vom Verlagsgeschäft zurück und übergab den Blanvalet Verlag an Bertelsmann. Heute gehört Blanvalet zur Verlagsgruppe Random House. Im Jahr 1979 starb Lothar Blanvalet (ibid.)

Blanvalet veröffentlicht hauptsächlich Unterhaltungsliteratur. Im Verlagsprogramm sind unter anderem Thriller, Frauenliteratur, romantische Komödien, historische Romane oder auch Familiensagas zu finden. Zu den bekanntesten Autorinnen und Autoren des Blanvalet Verlags heute gehören Karin Slaughter, Tess Gerritsen, Sandra Brown, Markus Zusak oder Nora Roberts. Neben diesen internationalen Schriftstellerinnen und Schriftstellern erscheinen bei Blanvalet aber auch zahlreiche Werke deutscher Autorinnen und Autoren, wie beispielsweise von Charlotte Link oder Marc Elsberg. Auch Bücher aus dem Fantasy- Bereich finden sich im Verlagsprogramm, bekanntester Autor in diesem Segment ist George R.R. Martin (Verlagsgruppe Random House o.J.b).

Nach Nicola Bartels, seit 2011 Geschäftsführerin des Verlages, ist der Leitgedanke des Blanvalet Verlages seit seiner Gründung durch Lothar Blanvalet gleichgeblieben: Hauptziel ist es, den Leserinnen und Lesern anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur zu bieten (ibid.).

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5.2 Übersetzung 2: Der große Gatsby (2006)

Übersetzung 2 wurde von Bettina Abarbanell angefertigt und erschien erstmals im Jahr 2006 beim Verlag Diogenes. Wie bereits erwähnt, hatte Diogenes ab dem Jahr 1974 auch Schürenbergs Übersetzung veröffentlicht (DNB [o.J.j]), die dann durch Abarbanells Neuübersetzung des Klassikers abgelöst wurde (Hermann 2013). Abarbanells neue Version stieß ebenfalls auf positive Kritik:

In der Übertragung durch Bettina Ababarnell [sic] ist Fitzgeralds Sprache dagegen wieder so schön, dass man darüber die Handlung immer wieder vergisst. Man überlässt sich der Perfektion des sprachlichen Klangs, die ganz der traurigen Raffinesse entspricht, mit der Jay Gatsby seine Lebenslügen inszeniert. Und man überlässt sich der anmutigen Höflichkeit, die Fitzgeralds Beschreibung korrupter Seelen auszeichnet. Wie sie wetteifert mit seiner glasklaren Präzision! (Jähner 2006) Der nach Diez „amerikanischste aller Romane“ (Diez 2006) gilt mittlerweile als „Jahrhundertklassiker der amerikanischen Literatur“ (Ingendaay 2011). Der Zerfall des amerikanischen Traums wurde laut Christian Bommarius „nie […] besser beschrieben“ (Bommarius 2006) und „nie […] besser übersetzt“ (ibid.) als von Abarbanell.

5.2.1 Die Übersetzerin Barbara Abarbanell

Bettina Abarbanell wurde 1961 in Hamburg geboren (DNB [o.J.m]). Nach ihrem Studium der Anglistik und Romanistik war sie für einige Zeit in Verlagen tätig und fertigte auch Übersetzungen (von F. Scott Fitzgerald und Martin Luther King) für die Reihe dtv zweisprachig an (Abarbanell/rowohlt 2014). Heute ist sie als Übersetzerin in Potsdam tätig (DNB [o.J.m]).

Abarbanell übersetzt hauptsächlich Romane aus dem Englischen, wie zum Beispiel Ein Abend mit Persephone (1998) von Patricia Storace, Die Liebe zu den Wolken (1999) von Delia Falconer, Die Entdeckung des Glücks. Fast ein Roman (1999) von Phyllis Rose, Nixenkuss (2006) von Samantha Hunt, Das entfernte Ufer (2008) von Matthew Eck, Blauwasser (2008) von Manette Ansay, Versteckspiel (2013) von Elizabeth Taylor oder Sieben Minuten nach Mitternacht (2011) von Patrick Ness und Siobhan Dowd und Mehr als das (2014) von Patrick Ness sowie den Roman Eis essen mit Che (2010) und die Kurzgeschichtensammlung Kurze Berührungen mit dem Feind (2014) von Saïd Sayrafiezadeh. In Zusammenarbeit mit anderen LiteraturübersetzerInnen (wie Fritz Mergel oder Robin Detje) oder alleine übersetzte zahlreiche Romane des amerikanischen Schriftstellers Denis Johnson, darunter Schon tot (2000), Engel (2001), Train Dreams (2004), In der Hölle. Blicke in den Abgrund der Welt (2006), Ein gerader Rauch (2008)

49 und Keine Bewegung! (2010). Zu den vermutlich bekanntesten von Abarbanell übersetzten Romanen gehören Jonathan Franzens Romane Die Korrekturen (2002) und Freiheit (2010); letzteres übersetzte sie in Zusammenarbeit mit Eike Schönfeld (DNB [o.J.m]). Abarbanell übersetzt auch aus dem Französischen, jedoch eher sporadisch (Abarbanell/Henneberg 2012). Von Fitzgerald übertrug Abarbanell zahlreiche Geschichten ins Deutsche, die in den Kurzgeschichtensammlungen Manhattan, Baltimore, Paris: Erzählungen aus den zwanziger und dreißiger Jahren (1993), Die letzte Schöne des Südens (2012), Wiedersehen mit Babylon (2012), Winterträume (2012) und in dem Band Junger Mann aus reichem Haus (2008) veröffentlicht wurden (DNB [o.J.n]).

Im Jahr 2014 erhielt Abarbanell im Rahmen der Frankfurter Buchmesse den mit 15 000 Euro dotierten Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis für ihre Übersetzungen aus der englischen Sprache. Speziell erwähnt wurden die Übersetzungen von Werken von Jonathan Franzen und Denis Johnson, „die bei höchstem Genauigkeitsgrad und sprachlichen Raffinement von bestechender Lesbarkeit sind“ (Ledig-Rowohlt-Stiftung 2014).

In einem Interview mit Tina Henneberg von RBB gibt Abarbanell einen kleinen Einblick in ihre Auffassung darüber, welche Faktoren Übersetzerinnen und Übersetzer besonders beachten müssen und nennt dabei „stilistische Besonderheiten, Sprachrhythmus, Klang, die Zeit, in der das Buch geschrieben wurde und die, von der es handelt“ (Abarbanell/Henneberg 2012). Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer solle immer das Ziel vor Augen haben, das Original in der Zielsprache möglichst genau wiederzugeben (ibid.). In einem Gespräch mit Dirk Becker schwärmt Abarbanell für die Leichtigkeit von Fitzgeralds Sprache. Abarbanell habe zunächst angenommen, dass sich die Übersetzung von The Great Gatsby eben genau aufgrund dieser Leichtigkeit und Einfachheit als unproblematisch darstellen würde. Jedoch sei ihr bald bewusst geworden, dass Fitzgeralds Wortwahl und die Platzierung der Wörter im Text sehr durchdacht und auf keinen Fall zufällig sei, weswegen sie versuchte „so nah wie möglich an das Original heranzukommen“ (Becker 2008). Dabei sei es notwendig gewesen, die Sätze mehrmals zu verändern, Wörter durch andere zu ersetzen, bis sie „das Gefühl hatte, dem Klang von Fitzgeralds Englisch auch im Deutschen gerecht zu werden“ (ibid.). Abarbanells Bestreben war es, dass der Stil und Klang der Übersetzung dem englischen Original gleicht. Abarbanell führt fort, dass sie Schürenbergs Übersetzung erst gelesen habe, nachdem sie ihre eigene Übersetzung angefertigt hatte. Dabei habe sie große Unterschiede festgestellt.

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Abarbanell erwähnt diesbezüglich auch „gelegentliche[…] Ausschweifungen“ (ibid.) Schürenbergs, enthält sich aber einer Bewertung (ibid.).

5.2.2 Der Verlag Diogenes

Der Schweizer Diogenes Verlag wurde 1952 von Daniel Keel gegründet. Zwei Jahre nach der Gründung wurde Rudolf C. Bettschart Geschäftspartner, der auch heute noch für Diogenes tätig ist. Im Jahr 2012 rückte Philipp Keel an die Stelle seines Vaters Daniel Keel und übernahm gemeinsam mit Winfried Stephan, Stefan Fritsch, Ruth Geiger, Katharina Erna und Rudolf C. Bettschart die Geschäftsführung (Diogenes o.J.). Heute ist der Verlag „eines der wichtigsten Häuser für deutschsprachige Literatur“ (Weyandt 2011) und insgesamt veröffentlichte der Verlag 6.756 Titel, die Gesamtauflage beträgt 200 Millionen Exemplare (Diogenes o.J.).

Diogenes veröffentlicht in erster Linie Belletristik und ist eigenen Aussagen nach „de[r] größte[…] belletristische[…] Verlag Europas“ (Diogenes o.J.). Großen Stellenwert nimmt bei Diogenes die Veröffentlichung von Klassikern der Weltliteratur ein, wie beispielsweise Werke von William Shakespeare, Molière, Honoré de Balzac, Charles Dickens, Leo Tolstoi, William Falkner oder George Orwell. Im AutorInnenverzeichnis findet sich auch eine beachtliche Anzahl moderner Bestseller-Autorinnen und -Autoren, wie John Irving, Paolo Coelho oder Donna Leon und auch Bücher bekannter deutschsprachiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Ingrid Noll, Martin Suter oder Patrick Süskind erscheinen bei Diogenes, des Weiteren auch Kunstbände, Cartoons und Kinderbücher (ibid.). Das Verlagsprogramm vereint ernste und Unterhaltungsliteratur (Weyandt 2011).

Zu den Gründen für die Neuübersetzung von The Great Gatsby äußert sich Lektorin Silvia Zanovello von Diogenes in persönlicher Korrespondenz wie folgt: „Die Übersetzung von Walter Schürenberg liest sich über weite Strecken sehr gut. Doch hat er zum Teil ein wenig geglättet, außerdem waren da und dort Fehler zu finden“ (Zanovello 2015). Zudem ging der Verlag Diogenes, der seit langer Zeit die Rechte an der Übersetzung besaß, davon aus, dass nach dem Auslaufen des Urheberrechtes zahlreiche Verlage Übersetzungen des Buches auf den Markt bringen würden. Der Vorteil, im Jahr 2006 die Rechte an dem Buch zu haben, sollte also noch ausgenutzt werden, bevor diese Übersetzungen erschienen. Bettina Abarbanells Übersetzung sollte nach Zanovello zwei Kriterien erfüllen: „Die Neuübersetzung sollte wortgetreu sein und sich flüssig lesen“ (ibid.).

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6 Analyse

In diesem Kapitel werden ausgewählte Textpassagen aus The Great Gatsby und aus seinen Übersetzungen aus den Jahren 1953 und 2006 analysiert. Zuvor sollen jedoch die methodischen Grundlagen, die die Basis der Analyse bilden, beschrieben werden. So wird zunächst auf Normen in der Translation, im Speziellen auf Tourys und Chestermans tranlation norms eingegangen und darauf folgt eine Vorstellung von Chestermans translation strategies, die ebenfalls zur Analyse herangezogen werden. Kapitel 6.3 beinhaltet eine Zusammenfassung der Analyseergebnisse und nimmt Bezug auf das Konzept der translation norms.

6.1 Methodische Grundlagen

Ein Konzept, welches sich in den DTS zu einem „key concept and handy instrument“ (Hermans 1999:73) entwickelt hat, ist jenes der Normen. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass der deskriptive Zugang auch in Bezug auf Normen keinerlei Vorschriften vorsieht, sondern sich lediglich auf ihre Beschreibung und Wirkung auf die Übersetzung konzentriert:

The descriptive perspective looks at norms as objects of study. It sets out to theorize and analyze their nature and operation as these affect the practice of translation, but does not itself seek to lay down rules, norms or guidelines for how translators should proceed. (Ibid.) Jede Gesellschaft verfügt über ein gemeinsames Wissen (welches auch Wissen über das kommunikative Verhalten miteinschließt) darüber, was richtig oder angemessen ist. Dieses Wissen tritt in Form von Normen in Erscheinung (Schäffner 1999:1). Normen spielen in der menschlichen Interaktion eine wesentliche Rolle und sind Bestandteil der Sozialisierung (Hermans 1996:26). Sie haben – wie auch Konventionen – eine regulierende Funktion und ermöglichen ein geordnetes Zusammenleben:

[C]onventions and norms help regulate our lives so as to develop a sustainable form of coexistence. In particular, they solve coordination problems among members of a group […]. (Hermans 1999:72) Im Gegensatz zu Konventionen haben Normen aber verbindlichen Charakter und eine Verletzung „usually arouses disapproval of some kind among the community concerned“ (Schäffner 1999:2). Normen schränken das Verhalten eines Individuums ein, indem sie gewisse Möglichkeiten des Handelns ausschließen, andere Möglichkeiten wiederum nahelegen. Von der Gesellschaft ausgehende Anreize oder Sanktionen bzw. die Einstellung des Individuums selbst in Bezug auf die Norm bestimmen ihre normative Kraft (Hermans 52

1996:30f.). Normen bringen die Absichten, Handlungen und Entscheidungen einer Einzelnen bzw. eines Einzelnen in Einklang mit den gemeinsamen Werten und Ansichten der Gesellschaft (ibid.:26). In Prunčs Worten handelt es sich bei Normen daher um die „in Verhaltensvorschriften gegossenen Wert- und Zielvorstellungen einer Gesellschaft“ (Prunč 2012:244).

Der tschechische Forscher Jiŕi Levý war vermutlich derjenige, der sich als erstes dem Konzept der Normen in der Translation annäherte, indem er Übersetzen als Prozess beschrieb, der kontinuierlich Entscheidungen erfordert. Der erste, der das Normenkonzept als Instrumentarium für eine deskriptive Untersuchung von Übersetzungen anwendete, war jedoch Gideon Toury (Hermans 1996:25), dessen Arbeit in Kapitel 6.1.1 präsentiert werden soll. Neben Toury trug auch Theo Hermans maßgeblich zur Entwicklung eines Normenkonzepts in der Translationswissenschaft bei (Schäffner 1999:1).

Das Konzept der Normen ist für die Translationswissenschaft sowie für die Translationspraxis als sozialer und kommunikativer Prozess von immenser Bedeutung. Der ständige Entscheidungsprozess, der mit dem Übersetzen einhergeht, wird von Normen bestimmt. Wäre dies nicht der Fall, wären Übersetzerinnen und Übersetzer nicht imstande, sich zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zu entscheiden und fänden sich in einer ausweglosen Situation wieder, oder sie müssten dem Zufall die Entscheidung überlassen (Hermans 1996:28 und Hermans 1991:165). Nur durch Übersetzungsnormen könne die Übersetzerin bzw. der Übersetzer zwischen den unzähligen Möglichkeiten, die sich ihr bzw. ihm bieten, entscheiden und zu einer Übersetzung gelangen, die als legitim betrachtet wird:

[N]orms allow the translator who is faced with a contingent, unpredictable and potentially destabilizing input – the Source Text – to reduce the number of potential solutions for this array of translational problems by adopting only those solutions suggested by the norm as being likely to result in a Target Text that accords with a given model, and thus with a certain notion of correctness, and hence with the values and attitudes that lie behind these models and correctness notions. (Hermans 1991:164f.) Hält sich die Übersetzerin bzw. der Übersetzer an die in der Gesellschaft vorherrschenden Normen, wird die Übersetzung höchstwahrscheinlich in dieser Gesellschaft als „korrekt“ angesehen (Hermans 1996:37), das heißt also: „when translators do what ist expected of them, they will be seen to have done well“ (Hermans 1991:166). Normen wirken jedoch nicht nur auf das Übersetzen selbst, sondern auf jeden Schritt im Import von Kulturprodukten. Dem eigentlichen Prozess des Übersetzens gehen bereits wichtige Entscheidungen voraus, wie beispielsweise ob ein Produkt überhaupt importiert werden 53 soll, in welcher Form es importiert werden soll und, letztendlich, wie es übersetzt werden soll (Hermans 1996:24f.).

6.1.1 Das Normenkonzept von Gideon Toury

Gideon Toury arbeitete in Israel mit Itamar Even-Zohar zusammen und untersuchte zunächst die textexternen Faktoren, die die Übersetzung ins Hebräische beeinflussen, widmete sich dann aber der Entwicklung einer allgemeinen Übersetzungstheorie (Munday 2001:111). Toury, dessen Arbeit auf Levý und Popovič basiert, bewirkte, dass das Normenkonzept fest in die Translationswissenschaft integriert wurde, und erarbeitete Methoden, um Normen zu identifizieren und klassifizieren (Hermans 1996:75). In seinen Untersuchungen zum normengeregelten Verhalten beim Übersetzen versuchte er Folgendes zu erreichen:

to distinguish trends of translation behaviour, to make generalizations regarding the decision-making processes of the translator and then to ‘reconstruct’ the norms that have been in operation in the translation. (Munday 2001:113) Die Handlung des Übersetzens werde von Faktoren eingeschränkt, die jedoch über die Einschränkungen, die durch den Ausgangstext, die verschiedenen Sprachsysteme, Texttraditionen oder die kognitiven Möglichkeiten der Übersetzerin bzw. des Übersetzers bedingt sind, hinausgingen und gesellschaftlicher und kultureller Natur seien. Diese Einschränkungen stellen nach Toury Normen dar, die jedoch unterschiedlich strikt sein können und sich zwischen den beiden Polen „Regel“ und „Idiosynkrasie“ befinden (Toury 1995:54). Nach Toury bedeuten Normen aber immer auch Sanktionen, die „actual or potential, negative as well as positive“ (ibid.:55) sein können. Zu übersetzen heiße demnach, eine bestimmte Funktion innerhalb einer Gesellschaft zu erfüllen, in einer Art und Weise, die als angemessen angesehen wird. Um in der Lage zu sein, dies zu tun, sei das Wissen um gewisse Normen eine Voraussetzung (ibid.:53).

Ebenso wie bei allen anderen Handlungen, sei es auch im Bereich des Übersetzens möglich, nicht normenkonform zu agieren. Die Folgen für ein solches Verhalten könnten minimal oder drastisch für das Individuum sein. In gewissen Situationen könne Verhalten, das nicht der Norm entspricht, aber auch Veränderungen im gesamten System herbeiführen. Normen sind nach Toury aber nicht immer konstant, sondern können sich – langsam oder auch schnell – verändern. Ebenso können konkurrierende Normen parallel in einer Gesellschaft existieren. Die Normen, die dominieren, seien im Zentrum des Systems anzusiedeln, im Randbereich könnten jedoch auch Normen bestehen, die in der

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Vergangenheit dominiert haben oder in Zukunft oberste Priorität haben werden (Toury 1995:62ff.).

Toury unterscheidet drei Gruppen von Normen: die initial norms, die preliminary norms und die operational norms. Mit dem Begriff initial norm bezeichnet er die grundlegende Entscheidung der Übersetzerin bzw. des Übersetzers, sich an die Normen des Originals und dadurch auch an die Normen der Ausgangssprache und -kultur zu halten, oder den Normen, die in der Zielkultur vorherrschen, den Vortritt zu geben. Je nachdem, wie sich die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entscheidet, spricht Toury von adequacy bzw. acceptability:

Thus, whereas adherence to source norms determines a translation’s adequacy as compared to the source text, subscription to norms originating in the target culture determines its acceptability. (Ibid.:56f.) Zu beachten ist jedoch hier, dass eine Übersetzung immer eine gewisse Abweichung vom Ausgangstext beinhaltet. Die initial norms erhielten ihre Bezeichnung von Toury aufgrund der Tatsache, dass sie den anderen von ihm definierten Normen, die auf einem spezifischeren Level operieren, übergeordnet sind. Sei auf dem Makrolevel keine Tendenz in Richtung adequacy bzw. acceptability ersichtlich, könnten Elemente auf dem Mikrolevel jedoch dennoch einer der beiden Tendenzen zugeordnet werden. Gleichzeitig bedeute eine Tendenz auf dem Makrolevel nicht, dass alle Entscheidungen auf dem Mikrolevel mit dieser übereistimmen müssten (ibid.:57). Auch wenn Übersetzungsentscheidungen nicht immer eindeutig einer der beiden Richtungen zugeordnet werden könnten, sieht Toury es als sinnvoll, adequacy und acceptability einander entgegengesetzt zu konzipieren:

Actual translation decisions […] will necessarily involve some ad hoc combination of, or comprise between the two extremes implied by the initial norm. Still, for theoretical and methodological reasons, it seems wiser to retain the opposition and treat the two poles as distinct in principle. (Ibid.) Eine nächste Gruppe von Normen, die Toury definiert, sind die preliminary norms. Diese beziehen sich auf Entscheidungen, die vor dem eigentlichen Übersetzungsprozess getroffen werden. Diese sind zum Beispiel, welche Texttypen oder Texte übersetzt werden sollen und somit zu einem bestimmten Zeitpunkt in eine bestimmte Zielkultur importiert werden (translation policy), oder ob ein Text aus seiner Originalsprache oder über den Umweg einer bereits bestehenden Übersetzung übertragen werden soll (directness of translation). Es stellten sich hier ebenfalls die Fragen, ob eine Übersetzung aus einer anderen als der

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Originalsprache überhaupt erlaubt sei bzw. akzeptiert würde, und, falls ja, für welche Sprachen dies zutreffe und ob dieser Umstand verschleiert werden würde.

Operational norms benennt Toury jene Normen, die die Entscheidungen im Übersetzungsprozess selbst steuern. Zu diesen operational norms zählen die matricial norms und die textual-linguistic norms. Die matricial norms beziehen sich darauf, ob zielsprachliches Material, welches das ausgangssprachliche Material ersetzen soll, in der Übersetzung überhaupt vorhanden ist, seine Position im Text und die Aufteilung des Textes und schließen Auslassungen, Hinzufügungen und Umstellungen im Text mit ein (Toury 1995:58f.). Die matricial norms beziehen sich somit auf die Vollständigkeit der Übersetzung, aber auch auf ihre Einteilung in Kapitel, Absätze und dergleichen (Hermans 1996:76). Die textual-linguistic norms „govern the selection of material to formulate the target text in, or replace the original textual material with“ (Toury 1995:59). Sie operieren auf dem Mikrolevel und beeinflussen die Satzstruktur, Wortwahl oder Hervorhebungen im Text, wie beispielsweise Groß- oder Kursivschreibung (Hermans 1996:76).

Nicht Normen selbst, sondern das durch sie gesteuerte Verhalten bzw. die Produkte des durch sie gesteuerten Verhaltens seien wahrnehmbar. Um Übersetzungsnormen rekonstruieren zu können, stünden zwei Arten von Informationsquellen zur Verfügung: Die erste Quelle sei der Text als Produkt des normenorientierten Handelns selbst, die zweite Quelle sei jedoch extratextuell und schließe beispielsweise Aussagen von Übersetzerinnen und Übersetzern, Herausgeberinnen und Herausgebern oder anderen Beteiligten mit ein. Während jedoch die Texte als direkte Repräsentationen eines durch Normen geregelten Verhaltens gesehen werden könnten, seien Aussagen von Beteiligten immer kritisch zu betrachten, da sie voreingenommen oder beeinflussend sein könnten. So sei es unter Umständen möglich, dass die extratextuellen Quellen mit den textuellen in Widerspruch stehen (Toury 1995:65f.).

6.1.2 Das Normenkonzept von Andrew Chesterman

Ein weiterer Vertreter der DTS, der neben Toury und Hermans maßgeblich für die Weiterentwicklung des Normenkonzeptes in der Translationswissenschaft war, war Andrew Chesterman. Nach Chesterman ermöglicht die Untersuchung von Normen in der Translation auf der einen Seite „a way of escape from the tradition of prescriptive studies“ (Chesterman 1999:91), da Translationswissenschafterinnen und Translationswissenschafter jene Normen, die zu einer gewissen Zeit in einer gewissen Kultur gültig waren, beschreiben könnten, ohne präskriptiv vorzugehen. Auf der anderen Seite böten Normen „a 56 way of describing why translations have the form they do“ (ibid.; Hervorh. im Orig.), da davon ausgegangen werden könne, dass sie und ihre Wirkung auf die Übersetzerin bzw. den Übersetzer bestimmte Eigenschaften einer Übersetzung bewirkt hätten (ibid.).

Chesterman nimmt in seinen Ausführungen Bezug auf die sozialen, ethischen und fachlichen Normen in der Übersetzung (Hermans 1996:77). Er thematisiert jedoch nicht jene Normen, die Toury unter der Bezeichnung preliminary norms zusammenfasst, sondern konzentriert sich auf die Normen, die die Arbeit der Übersetzerin bzw. des Übersetzers bestimmen, vom Zeitpunkt der Auftragserteilung der Übersetzung weg (Chesterman 2000:63). Nach Chesterman wird der Übersetzungsprozess von zwei Arten von Normen geregelt: einerseits von product norms, die von Chesterman als expectancy norms bezeichnet werden, und andererseits von process norms, für die er die Bezeichnung professional norms wählt. Auf diese beiden Arten von Übersetzungsnormen und ihre Besonderheiten wird im Folgenden eingegangen.

Die expectancy norms stellen die Erwartungen der Leserinnen und Leser in der Zielkultur dahingehend dar, wie eine Übersetzung auszusehen hat. Diese Erwartungen seien von verschiedenen Faktoren abhängig: von der gängigen Übersetzungstradition, von Paralleltexten in der Zielsprache, aber auch von wirtschaftlichen oder ideologischen Faktoren, sowie den Machtbeziehungen in der Kultur und im Verhältnis zu anderen Kulturen (ibid.:64). Expectancy norms seien aber nicht statisch, sondern könnten sich verändern (ibid.:67) und außerdem äußerst vielfältig und verschiedenartig sein:

Readers […] may have expectations about text-type and discourse conventions, about style and register, about the appropriate degree of grammaticality, about the statistical distribution of text features of all kinds, about collocations, lexical choice, and so on. (Ibid.:64) Chesterman stimmt mit Hermans Ausführungen zur „Korrektheit“ von Übersetzungen überein, unterstreicht jedoch, dass es nicht nur „einen richtigen Weg“ gibt, sondern, dass Übersetzerinnen und Übersetzer eine „korrekte“ Übersetzung auf unterschiedliche Weise produzieren können. Er folgert weiter, dass die expectancy norms auch evaluierende Aussagen zu einer Übersetzung möglich machen. Manche Übersetzungen seien eher, manche weniger mit den expectancy norms im Einklang.

Hinsichtlich der Erwartungen der Leserinnen und Leser greift Chesterman auf die Unterscheidung zwischen covert und overt translations zurück, die von Juliane House formuliert und in Kapitel 2.4 beschrieben wurde. Handele es sich um eine covert translation, erwarteten die Leserinnen und Leser einer bestimmten Kultur zu einer

57 bestimmten Zeit, dass sich diese nicht von originalsprachlichen Texten in der Zielkultur unterscheidet. Eine covert translation, die von den Leserinnen und Lesern als andersartig wahrgenommen würde, entspreche demnach nicht den Erwartungen des Lesepublikums. Bei overt translations könnten sich diese Erwartungen anders gestalten. Overt translations könnten einer anderen Kategorie im Polysystem der Zielkultur zugeordnet werden, die speziell Übersetzungen umfasst. Bei Übersetzungen dieser Art (zu der auch Literaturübersetzungen gehören) werde erwartet, dass die Ursprungskultur des Textes sichtbar wird. Neben dem Texttyp hätten auch die Kulturtradition und die Übersetzungstradition der Zielkultur Einfluss darauf, ob seitens der Leserinnen und Leser eine covert oder overt translation erwartet werde. Die Existenz dieser Erwartungen bzw. der expectancy norms allein bestätige ihre Gültigkeit. In manchen Fällen erlangten sie ihre Gültigkeit jedoch auch durch eine Normautorität oder eine Gruppe von Menschen, denen von der restlichen Gesellschaft ein ExpertInnenstatus zugeschrieben wird, wie beispielsweise Literaturkritikerinnen und Literaturkritikern. Dennoch könnten die Meinungen dieser ExpertInnengruppe und der übrigen Gesellschaft auseinandergehen. Des Weiteren führt Chesterman aus, dass es auch Situationen gibt, in denen Übersetzerinnen und Übersetzer argumentieren, die expectancy norms absichtlich verletzt zu haben. Der Grund für ein solches Verhalten sei, dass die Übersetzerin bzw. der Übersetzer anderen Gesichtspunkten – wie zum Beispiel der Loyalität gegenüber einem Aspekt im Ausgangstext, einer gewissen Ideologie hinsichtlich der Darstellung der Ursprungskultur des Textes oder dem Bestreben, einen „besseren“ Text zu produzieren – einen größeren Stellenwert einräume (ibid.:64ff.).

Process norms, die den Übersetzungsprozess selbst bestimmen, bilden nach Chesterman die zweite große Gruppe von Normen. Diese Normen seien den expectancy norms untergeordnet, da letztere bestimmten, wie die Übersetzung aussehen solle und somit Einfluss auf den Übersetzungsprozess hätten. Kompetente Übersetzerinnen und Übersetzer trügen maßgeblich zur Entstehung der expectancy norms bei, da ihre Übersetzungen als Maßstab für die Bewertung zukünftiger Übersetzungen dienten: „Their translation behaviour, in other words, is accepted to be norm-setting“ (ibid.:67). Wenn auf der anderen Seite eine Übersetzung als normenkonform gesehen werde, gelte ihr Übersetzer bzw. ihre Übersetzerin als „kompetent“. Es existiere also eine Gruppe kompetenter Übersetzerinnen und Übersetzer, aus deren Verhalten die process norms entstünden, weswegen Chesterman diese Normen auch professional norms nennt (ibid.:67f.).

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Die professional norms lassen sich nach Chesterman in drei Gruppen aufteilen: die accountability norm, die communication norm und die relation norm. Diese Normen werden von Chesterman zwar als separate Gruppen beschrieben, dennoch weist er darauf hin, dass Übersetzungen auch „balancing acts between priorities“ (ibid.:68) bedeuten können.

Die accountability norm bezieht sich auf die Loyalität der Übersetzerin bzw. des Übersetzers gegenüber der Autorin bzw. dem Autor des Originals, der Auftraggeberin bzw. dem Auftraggeber, den Leserinnen und Lesern der Übersetzung und anderen involvierten Personen, sowie auf die Loyalität der Übersetzerin bzw. des Übersetzers sich selbst gegenüber. Sie wird von Chesterman als ethische Norm beschrieben, die das Verhalten der Übersetzerin bzw. den Übersetzer in Bezug auf Professionalität, Integrität und Sorgfalt bestimmt. Hier ist wichtig anzumerken, dass diese Norm dem Übersetzer bzw. der Übersetzerin Raum lässt, in Situationen, in denen sich zwischen den Loyalitäten Widersprüchlichkeiten ergeben, einer Loyalität den Vorzug zu geben. Bei der communication norm handele es sich um eine soziale Norm, die vorgibt, dass eine Übersetzerin bzw. ein Übersetzer zwischen den Beteiligten immer die bestmögliche Kommunikation ermöglichen soll (ibid.:68f.).

Während die accountability norm und die communication norm auch in anderen Bereichen der Kommunikation präsent seien, sei die relation norm speziell bei der Übersetzung relevant. Die relation norm besagt, dass die Übersetzerin bzw. der Übersetzer für „an appropriate relation of relevant similarity“ (ibid.:69) zwischen Ausgangs- und Zieltext zu sorgen hat. Wie diese Ähnlichkeitsbeziehung aussieht, werde von der Übersetzerin bzw. dem Übersetzer entschieden, und sei durch den Texttyp, die Erwartungen der Auftraggeberin bzw. des Auftraggebers und des Lesepublikums bedingt. In manchen Fällen sei eine formale Ähnlichkeit notwendig, wie beispielsweise bei Rechtstexten, in anderen stehe die semantische Ähnlichkeitsbeziehung im Vordergrund, wie zum Beispiel bei wissenschaftlichen Texten. Wie die expectancy norms erlangten auch die professional norms ihre Gültigkeit teilweise durch Normautoritäten (wie professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer, Lehrerinnen und Lehrer oder Kritikerinnen und Kritiker), gleichzeitig seien sie jedoch wieder allein aufgrund ihrer Existenz gültig. Während Verhalten, das sich diesen Normen widersetzt, üblicherweise Kritik erfahre (Chesterman 2000:68ff.), trage Verhalten, das im Einklang mit den gültigen Normen ist, zu ihrer Festigung und ihrem Fortbestand bei (Chesterman 1999:91).

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6.1.3 Andrew Chestermans translation strategies

Das Verhalten von Übersetzerinnen und Übersetzern und ihre Entscheidungen sind von folgenden unterschiedlichen Motivationen gelenkt:

1. Desire to conform to the expectancy norms of the target-language community. 2. Desire to conform to the accountability norm. 3. Desire to conform to the communication norm. 4. Desire to conform to the relation norm. (Chesterman 2000:113) Übersetzungsstrategien stellen für Übersetzerinnen und Übersetzer Möglichkeiten dar, diese Normen auch einzuhalten: Sie sind „ways in which translators seek to conform to norms” (ibid.:88). Eine genauere Betrachtung und Analyse dieser Strategien sei demnach „a necessary first stage towards further research that would dig deeper into the reasons why particular translators choose particular strategies under particular circumstances“ (ibid.:93). Im Sinne Chestermans sind diese Strategien „forms of explicitly textual manipulation“ (ibid.:89; Hervorh. im Orig.), die bei einem Vergleich zwischen Original und Übersetzung sichtbar werden. Nach Chesterman ist es wahrscheinlich, dass bestimmte Übersetzungsstrategien dann vermehrt angewendet werden, wenn sich Übersetzerinnen und Übersetzer mit für sie problematischen Textstellen konfrontiert sehen (ibid.:89f.). Chesterman (wie auch zuvor Jääskeläinen und Séguinot) sieht eine Unterscheidung zwischen zwei Ebenen als sinnvoll: Zunächst gebe es die global strategies, die sich auf die grundsätzliche Entscheidung der Übersetzerin bzw. des Übersetzers dahingehend beziehen, wie das Verhältnis zwischen Original und Übersetzung aussehen soll. Anders formuliert gehe es bei dieser Entscheidung unter anderem darum, „how freely“ (Chesterman 2000:90) übersetzt werden soll (ibid.). Auf einer spezifischeren Ebene operierten die local strategies, die auf die Übersetzung einzelner Textelemente angewendet würden. Diese local strategies, genauer gesagt, jene local strategies, die die Produktion von übersetzten Texten betreffen (production strategies), definiert Chesterman genauer. Allen dieser production strategies liege aber nach Chesterman eine Strategie zugrunde, die in den folgenden zwei Wörtern zusammengefasst werden könne: „Change something“ (ibid.:92). Er führt weiter aus:

[I]f you are not satisfied with the target version that comes immediately to mind – because it seems ungrammatical, or semantically odd, or pragmatically weak, or whatever – then change something in it. (Ibid.) Dieser Ausgangspunkt beinhaltet, dass sich Strategien im Text als Veränderungen bemerkbar machen. Die Übertragung von Material aus einer Sprache in eine andere

60 bedeute zwar per se schon Veränderung, Chesterman konzentriert sich aber auf die Veränderungen, die darüber hinausgehen und „a choice between possibilities“ (ibid.) darstellen und somit nicht auf die grundsätzlichen Unterschiede in den verschiedenen Sprachsystemen zurückzuführen sind. Diese Veränderungen bei der Übersetzung wurden von Chesterman klassifiziert.

Chesterman sieht drei verschiedene Kategorien von Strategien vor: überwiegend syntaktische bzw. grammatische, überwiegend semantische und überwiegend pragmatische Strategien. Eine Überlappung der Kategorien sei jedoch durchaus möglich. Im Folgenden werden diese drei Kategorien näher erläutert; aufgrund der großen Anzahl der Subkategorien wird versucht, die wichtigsten Punkte möglichst kurz zu vermitteln und größtenteils auf konkrete Beispiele zu verzichten, es sei denn, in gewissen Fällen ist ein Beispiel für das Verständnis unbedingt notwendig.

Syntactic strategies

Wie der Name bereits besagt, beziehen sich diese Strategien auf syntaktische Veränderungen im Text. Hierbei unterscheidet Chesterman zehn Arten, auf die nun näher eingegangen werden soll.

Literal translation: Bie dieser Strategie versucht die Übersetzerin bzw. der Übersetzer, so nah wie möglich am Ausgangstext zu formulieren. Dennoch bleibt die grammatikalische Richtigkeit im Zieltext gewahrt.

Loan, calque: Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entscheidet sich bewusst dafür, einzelne Begriffe oder auch Syntagmen aus der Ausgangssprache zu entlehnen.

Transposition: Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer verändert die Wortart und wandelt beispielsweise ein Adjektiv in ein Adverb oder ein Verb in ein Substantiv um. Diese Strategie verändert oft auch die gesamte Struktur einer Textpassage.

Unit shift: Als units gelten zum Beispiel einzelne Wörter, Morpheme, Phrasen, Sätze, etc. Es handelt sich um unit shift, wenn eine Einheit der Ausgangssprache als eine unterschiedliche Einheit in der Zielsprache übersetzt wird, wenn also beispielsweise aus einem einzelnen Satz in der Ausgangssprache zwei Sätze in der Zielsprache werden, wenn ein Wort in der Ausgangssprache in der Übersetzung durch eine Phrase, oder auch wenn ein ganzer Satz als Phrase wiedergegeben wird (ibid.:94ff.).

Phrase structure change: Diese Art von Strategie wird angewendet, wenn es auf Ebene der Phrasen zu Veränderungen kommt, und schließt „number, definiteness and modification in 61 the noun phrase, and person, tense and mood in the verb phrase“ (ibid.:96) mit ein. Dies ist der Fall, wenn eine Zieltextphrase immer noch der Ausgangstextphrase entspricht, es aber beispielsweise im Numerus oder anderen Elementen innerhalb der Phrase zu Veränderungen kommt.

Clause structure change: Diese Strategie bezieht sich auf Veränderungen von Satzgliedern hinsichtlich ihrer Konstituenten. Chesterman ordnet dieser Gruppe beispielsweise Änderungen in der Reihenfolge der Konstituenten, Wechsel von Aktiv- zu Passivkonstruktionen, von infiniten zu finiten Formen und umgekehrt zu.

Sentence structure change: Hierbei geht es um Veränderungen der Struktur auf der Satzebene, wenn der Satz aus über- und untergeordneten Nebensätzen besteht. Eine Umwandlung eines Hauptsatzes in einen Nebensatz oder eine Umwandlung eines bestimmten Typen von Nebensatzes in einen anderen fallen in diese Kategorie.

Cohesion change: Dies betrifft Veränderungen hinsichtlich intratextueller Verweise, Ellipsen, Substitution, Pronominalisierung, der Wiederholung von Elementen im Text oder Veränderungen hinsichtlich der verwendeten Konnektoren (ibid.:96-99).

Level shift: Chesterman bezieht sich hier auf die Ebenen der Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexik. Bei einem level shift ändert sich die Ebene eines gewissen Elementes. Die beteiligten Sprachen haben bedeutenden Einfluss auf diese Art von Veränderung. Als Beispiel für einen level shift führt Chesterman das folgende an: „ST: Wir … ersuchen Sie, … anzukreuzen. TT: Please mark …“ (ibid.:99; Hervorh. im Orig.). Im Deutschen würde diese höfliche Aufforderung durch ein bestimmtes Verb, im Englischen durch Hinzufügung des Wortes „please“ gekennzeichnet.

Scheme change: Ein scheme change findet statt, wenn rhetorische Schemata wie beispielsweise Parallelismus, Wiederholung, Alliteration oder ein metrischer Rhythmus in der Übersetzung verändert werden. In Bezug auf diese Kategorie unterscheidet Chesterman zwischen drei Möglichkeiten, die der Übersetzerin bzw. dem Übersetzer zur Verfügung stehen: 1. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer sieht ein gewisses Schema als wichtig für die Übersetzung an und übernimmt es, sofern dies möglich ist, in den Zieltext; hierbei tritt im Grunde keine Veränderung ein. 2. Ein Schema wird durch ein anderes in der Zielsprache ausgetauscht, mit dem Ziel, dieselbe Wirkung zu erzeugen. 3. Das rhetorische Mittel wird im Zieltext ganz weggelassen. Zusätzlich zu diesen drei Möglichkeiten erwähnt Chesterman aber noch eine vierte: Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer kann aus

62 eigenem Antrieb ein solches rhetorisches Mittel in den Zieltext einbauen, ohne dass der Ausgangstext Anlass dazu gegeben hat (ibid.:99ff.).

Semantic strategies

Bei den semantic strategies bezieht sich Chesterman in erster Linie auf die lexikalische Semantik, schließt jedoch beispielsweise auch Veränderungen in der Betonung mit ein. Auch diese Veränderungen teilt Chesterman in zehn Gruppen ein.

Synonymy: Anstatt dem naheliegendsten Äquivalent entscheidet sich die Übersetzerin bzw. der Übersetzer für ein Synonym. Anlass für eine solche Vorgehensweise kann sein, dass die Übersetzerin bzw. der Übersetzer ein vorher bereits verwendetes Wort nicht wiederholen möchte.

Antonymy: Bei dieser Strategie greift die Übersetzerin zu einem Antonym und verbindet es mit einer negativen Aussage, sodass der Sinn des Ausgangstextes erhalten bleibt.

Hyponymy: Diese häufig angewendete Strategie hat drei Untergruppen: 1. Ein übergeordneter Begriff im Original wird zu einem ihm untergeordneten im Zieltext. 2. Ein untergeordneter Begriff im Original wird zu einem ihm übergeordneten im Zieltext. 3. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entscheidet sich dazu, ein anderes Hyponym als jenes im Ausgangstext zu verwenden.

Converses: Gemeint sind hier Veränderungen, die auf einen Wechsel der Perspektive zurückgehen. Converses sind Wortpaare, die eine Handlung von zwei verschiedenen Ausgangspunkten betrachten, wie zum Beispiel „kaufen“ und „verkaufen“ (ibid.:101ff.).

Abstraction change: Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entscheidet sich für eine Lösung, die auf einer anderen Abstraktionsebene anzusiedeln ist als das ausgangssprachliche Element und verwendet entweder einen konkreteren oder abstrakteren Begriff.

Distribution change: Hier werden dieselben semantischen Inhalte auf eine größere oder eine kleinere Anzahl von Einheiten aufgeteilt und es kommt dadurch zu einer Erweiterung (expansion) oder Verdichtung (compression).

Emphasis change: Bei dieser Strategie wird die Betonung oder der Fokus verstärkt, abgeschwächt oder verändert (ibid.:103f.).

Paraphrase: Bei dieser Strategie entsteht eine Übersetzung, die laut Chesterman als „loose, free, in some context even undertranslated“ (ibid.:104) beschrieben werden kann. Hier

63 wird der pragmatischen Funktion ein höherer Stellenwert als der Semantik auf lexikalischer Ebene zugeordnet. Besonders häufig findet diese Strategie bei der Übersetzung von Idiomen, für die kein entsprechendes Idiom in der Zielsprache existiert, Verwendung. Chesterman greift zur Erklärung dieser Strategie auf folgendes Beispiel zurück: „ST: Wenn Sie sich entschließen, die Vorteile zu nutzen … TT: If you decide to become a member of the scheme…“ (ibid.).

Trope change: Diese Strategie bezieht sich auf die Übersetzung von rhetorischen Tropen, wie beispielsweise figurative Ausdrücke. Chesterman unterscheidet hier (wie beim scheme change) verschiedene Gruppen: 1. Eine Trope, zum Beispiel eine Metapher, taucht auch als solche im Zieltext auf. Hierbei gibt es erstens die Möglichkeit, dass die Trope in Bezug auf Lexik und Semantik in beiden Sprachen dieselbe ist. Zweitens kann die Trope in der Übersetzung vom gleichen Typus wie die Trope im Original sein, sich semantisch jedoch von ihr unterscheiden. In einem solchen Fall stammt „the image […] from the same source, the same general area of experience“ (ibid.:105). Die dritte Möglichkeit besteht darin, eine Trope vom selben Typus in der Übersetzung zu verwenden, die aber in Bezug auf die Lexik nicht mit der Trope des Originals verwandt ist, wenn also „the source of the image“ (ibid.:106) eine andere ist. 2. Eine Trope wird im Zieltext zu einer anderen umgemünzt. Die figurative Verwendung bleibt erhalten, jedoch wird sie auf andere Art und Weise umgesetzt. 3. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer entschließt sich dazu, das figurative Element wegzulassen. Ähnlich wie bei dem scheme change steht Übersetzerinnen und Übersetzern aber auch hier die Möglichkeit frei, in den Zieltext eine Trope einzubauen, die im Ausgangstext nicht vorhanden war.

Neben den beschriebenen neun semantic strategies existieren nach Chesterman noch weitere, die er unter other semantic strategies zusammenfasst. Beispiele dafür sind beispielsweise Änderungen, die die Deixis betreffen (ibid.:105ff.).

Pragmatic strategies

Bei den pragmatic strategies bezieht sich Chesterman vor allem auf die Wahl des Materials aus dem Original, das in den Zieltext übertragen wird. Diese Wahl sei abhängig von jenem Bild, das die Übersetzerin bzw. der Übersetzer von den zukünftigen Leserinnen und Lesern des Textes habe. Pragmatic strategies hätten meist größere Auswirkungen auf den Text und schlössen oft sowohl semantic als auch syntactic strategies mit ein. Chesterman beschreibt sie wie folgt:

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If syntactic strategies manipulate form, and semantic strategies manipulate meaning, pragmatic strategies can be said to manipulate the message itself. These strategies are often the result of a translator’s global decisions concerning the appropriate way to translate the text as a whole. (Ibid.:107) Cultural filtering: Diese Art von Veränderung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Konzepten der naturalization, domestication und weiteren, die bereits in Kapitel 2 vorgestellt wurden. Die Übersetzerin bzw. der Übersetzer kann Elemente der Ausgangssprache bzw. -kultur so übersetzen, dass sie im Zieltext dieselbe Funktion erfüllen und an die Normen der Zielkultur angepasst sind, oder, sie bzw. er entscheidet sich für die entgegengesetzte Strategie der exotication, foreignization bzw. estrangement.

Explicitness change: Bei dieser Strategie wird die Übersetzung entweder expliziter (explicitation) oder impliziter (implicitation) als das Original. Änderungen in Richtung größerer Explizitheit sind ein häufiges Phänomen im Bereich der Übersetzung, da Übersetzerinnen und Übersetzer tendenziell dazu neigen, explizit auszudrücken, was im Original nur impliziert wird. Dennoch kann auch die umgekehrte Strategie angewendet werden, indem die Übersetzerin bzw. der Übersetzer davon ausgeht, dass die Leserinnen und Leser gewisse Informationen erschließen können.

Information change: Hier ist auf der einen Seite das Hinzufügen von Informationen gemeint, die für die Leserinnen und Leser der Übersetzung von Bedeutung sein könnte, und auf der anderen Seite das Weglassen von Informationen, die von der Übersetzerin bzw. dem Übersetzer als unbedeutend gesehen werden. Auch eine Zusammenfassung von Inhalten fällt in diesen Bereich. Das Weglassen von Informationen unterscheidet sich von der implicitation dadurch, dass die Leserinnen und Lesern die weggelassenen Informationen nicht erschließen können (ibid.:107-110).

Interpersonal change: Bei dieser Strategie kommt es zu Veränderungen, die den Stil des Textes auf verschiedenen Ebenen verändern. Sie verändert

the formality level, the degree of emotiveness and involvement, the level of technical lexis and the like: anything that involves a change in the relationship between text/author and reader. (Ibid.:110) Als Beispiel für interpersonal change führt Chesterman folgendes Beispiel an: „ST: Sehr geehrte Fluggäste! TT: Dear passengers“ (ibid.). Im Deutschen drückt die Anrede der Gäste hohe Wertschätzung aus, während der Fokus im Englischen eher auf Solidarität zwischen Autorin bzw. Autor und den Rezipientinnen und Rezipienten liegt.

Illocutionary change: Es handelt sich hierbei um Veränderungen des Sprechaktes, die meist in Verbindung mit anderen Veränderungen auftauchen. Beispielsweise kann ein 65

Wechsel des Verbmodus von indikativ zu imperativ im Zuge der oben beschriebenen Strategie phrase structure change gleichzeitig auch illocutionary change von einer Aussage zu einer Bitte bedeuten. Illocutionary changes beinhalten auch die Verwendung von rhetorischen Fragen oder Ausrufen.

Coherence change: Diese Strategie betrifft die Anordnung von Material im Text und schließt beispielsweise eine Änderung in der Einteilung der Absätze mit ein.

Partial translation: Diese Strategie bezieht sich auf „partial translation, such as summary translation, transcription, translation of the sounds only, and the like“ (ibid.:111).

Visibility change: Visibility change bezieht sich auf die Sichtbarkeit der Autorin bzw. des Autors oder der Übersetzerin bzw. des Übersetzers im Text. Fußnoten oder Kommentare der Übersetzerin bzw. des Übersetzers steigern ebendiese Sichtbarkeit im Text.

Transediting: Hierbei sind Veränderungen größeren Ausmaßes gemeint, die Übersetzerinnen und Übersetzer am Text vornehmen, um ihn zu verbessern.

Zur zehnten Gruppe, die Chesterman unter other pragmatic changes zusammenfasst, gehören zum Beispiel Veränderungen des Layouts (ibid.:110ff.).

6.2 Vergleich ausgewählter Textpassagen

In der nachfolgenden Analyse wird versucht festzustellen, ob in den beiden Übersetzungen Tendenzen zu Domestizierung bzw. Verfremdung erkennbar sind. Die Unterschiede zwischen den Übersetzungen sollen herausgearbeitet werden und es soll ersichtlich werden, in welchen Bereichen diese Unterschiede auftauchen. Zudem soll aufgezeigt werden, wie die die Übersetzerin Bettina Abarbanell und der Übersetzer Wolfgang Schürenberg mit F. Scott Fitzgeralds außergewöhnlichem Stil umgehen. An dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass die Analyse der Textpassagen dazu dient, die Übersetzungen zu vergleichen, nicht jedoch zu bewerten. Zudem soll noch einmal festgehalten werden, dass sich die in der Analyse angesprochenen Veränderungen stets auf Veränderungen im Sinne Chestermans beziehen, die in Kapitel 6.1.3 erläutert wurden.

The Great Gatsby, wie auch seine beiden deutschen Übersetzungen, die im Zuge dieser Arbeit analysiert werden, sind heute in zahlreichen Auflagen erhältlich. Bei den beiden Übersetzungen war es möglich, für die Analyse die Erstauflagen jeweils aus den Jahren 1953 und 2006 zu verwenden, beim englischsprachigen Original handelt es sich um eine Ausgabe aus dem Jahr 1953.

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Die Textpassagen wurden in folgende Themenbereiche gegliedert: 1. Beschreibung der Figuren, 2. Beschreibung von Orten und Szenen und 3. Dialoge und Beschreibung der Beziehungen zwischen den Figuren. Diese Themenbereiche wurden ausgewählt, weil sich bei der Lektüre des Originals herausstellte, dass Fitzgeralds außergewöhnlicher Stil, der in Kapitel 4.2 genauer betrachtet wurde, in diesen Bereichen besonders stark hervortritt. Die Analyse soll zeigen, inwiefern dieser Stil und die verwendeten literarischen Mittel in den deutschen Übersetzungen sichtbar werden. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, musste die Anzahl der Textbeispiele auf insgesamt 23 reduziert werden.

In der hier durchgeführten Analyse wird allerdings nicht auf alle Einzelheiten und Veränderungen im Sinne Chestermans eingegangen. Im Fokus stehen jene Aspekte, die in direktem Zusammenhang mit der zu überprüfenden Hypothese stehen und deren Betrachtung somit dem Zweck dieser Arbeit dienlich ist. Die Analyse ist nicht erschöpfend, sondern exemplarisch. Es wurde versucht, jene Passagen als Textbeispiele zu wählen, in denen einerseits Fitzgeralds Stil deutlich sichtbar wird, und die andererseits die Unterschiede zwischen den Übersetzungen gut illustrieren. Hier ist zu erwähnen, dass es nicht möglich war, diese Kategorien streng voneinander zu trennen. So könnten einzelne Beispiele auch zwei oder drei Kategorien zugeordnet werden.

Um die Lesbarkeit zu erhöhen, wurden die Textbeispiele in eine Tabelle eingefügt, wobei in der ersten Spalte das Original, in der zweiten Spalte die Übersetzung von Schürenberg aus dem Jahr 1953 und in der dritten Spalte die Übersetzung von Abarbanell aus dem Jahr 2006 zu finden ist. Zusätzlich werden auch die jeweiligen Seitenzahlen angegeben. Vor jedem Textbeispiel wird eine kurze Erläuterung zur Situation und zum Verlauf der Handlung gegeben, da die Textpassagen immer in ihrem Kontext betrachtet werden müssen. Innerhalb der Textbeispiele sind jene Stellen, die detailliert analysiert werden, zur besseren Übersicht unterstrichen, andere typographische Kennzeichnungen wurden aus den zu untersuchenden Texten übernommen.

6.2.1 Beschreibung der Figuren

Die Beschreibung der Figuren im Roman ist ein Aspekt, in dem Fitzgeralds Stil sehr gut sichtbar wird. Alle Figuren werden, wie bereits in Kapitel 4.2 geschildert, durch die Augen des Erzählers Nick gesehen und oftmals auch einer indirekten Wertung unterzogen. Eine Besonderheit in diesem Bereich ist, dass die Beobachtungen und Einschätzungen des Erzählers nicht immer eindeutig sind, sondern häufig eine gewisse Ambiguität und gemischte Gefühle zum Ausdruck bringen, die der Erzähler Nick für die Personen, die er 67 im Laufe der Geschichte kennenlernt, empfindet. Eine Analyse dieses Themenbereichs soll zeigen, ob die Charakteristika des Romans in Bezug auf die Beschreibung der Figuren auch in den Übersetzungen sichtbar werden.

Textbeispiel 1 Die Handlung hat erst begonnen und Nick ist zum ersten Mal zu Besuch bei den Buchanans. Daisy ist mit ihm verwandt, er steht ihr jedoch nicht allzu nahe. Ihren Mann Tom kennt er vom College. Nick hat die beiden seit langer Zeit nicht gesehen und beschreibt sie in einer Art und Weise, die nicht vermuten lässt, dass er sie gut kennt.

O (S.9) Ü1 (S.18f.) Ü2 (S.20) The other girl, Daisy, made an Die andere junge Dame – es Das andere Mädchen, Daisy, attempt to rise – she leaned war Daisy – machte einen machte Anstalten, sich zu slightly forward with a schwachen Versuch, sich zu erheben – sie beugte sich mit conscientious expression – erheben. Sie beugte sich ein gewissenhafter Miene ein then she laughed, an absurd, wenig vor, wobei sie sich wenig vor –, dann lachte sie, charming little laugh, and I bemühte, sehr gewissenhaft ein absurdes, reizendes kleines laughed too and came forward auszusehen. Dann lachte sie – Lachen, und ich lachte auch into the room. ein irres, aber entzückendes und trat ein paar Schritte ins kleines Lachen. Auch ich Zimmer hinein. lachte und trat näher. Zunächst fällt auf, dass schon die ersten Worte des Satzes in den Übersetzungen unterschiedlich sind. Während Abarbanell in Ü2 „girl“ nahe am Original als „Mädchen“ übersetzt, verwendet Schürenberg die Worte „junge Dame“ und fügt dabei einen Bedeutungsaspekt hinzu. Im Gegensatz zu dem Wort „Mädchen“ erweckt „Dame“ den Anschein, dass es sich um eine vornehme, elegante Person handelt. Das englische Original enthält keinerlei solcher Hinweise.

Bei der Textstelle „then she laughed, an absurd, charming little laugh“ wird eine Besonderheit in Fitzgeralds Stil sichtbar, die bereits in Kapitel 4.2 erwähnt wurde. Ein positives Adjektiv folgt direkt auf ein negativ zu wertendes und schafft somit einen Widerspruch, dem aber ansonsten in keiner Weise Aufmerksamkeit geschenkt wird. Da sich sowohl das positive „charming“ als auch das negative „absurd“ auf dasselbe Lachen beziehen, würden die Leserinnen und Leser erwarten, dass der Widerspruch in irgendeiner Art ausgedrückt wird. Fitzgerald verzichtet aber darauf, Nicks widersprüchliche Wahrnehmung näher zu erklären. Abarbanell bleibt hier nahe am Ausgangstext und übersetzt „dann lachte sie, ein absurdes, reizendes kleines Lachen“ (literal translation). Schürenberg hielt es für notwendig, den Gegensatz durch ein „aber“ auch auf lexikalischer Ebene sichtbar zu machen: „ein irres, aber entzückendes kleines Lachen“. In Chestermans 68

Kategorisierung entspricht dies einem cohesion change. Diese Strategie bewirkt in diesem Fall, dass die Textstelle nicht mehr so ungewöhnlich erscheint wie das Original und diese stilistische Besonderheit nicht wiedergegeben wird. Zudem beschreibt Schürenberg Daisys Lachen nicht als „absurd“, wie Abarbanell, die sich auch in dieser Hinsicht stark an das Original hält, sondern als „irr“, was eine nicht unbedeutende Veränderung darstellt. Während Daisys Lachen im Original und in Ü2 zwar als hinreißend, aber eher als dümmlich dargestellt wird, fügt Schürenberg hier den Bedeutungsaspekt des Wahnsinnigen, Unberechenbaren hinzu (emphasis change).

Zu einer weiteren Veränderung auf semantischer Ebene kommt es bei Schürenbergs Übersetzung der Textstelle „she leaned slightly forward with a conscientious expression“. Schürenberg übersetzt „Sie beugte sich ein wenig vor, wobei sie sich bemühte, sehr gewissenhaft auszusehen“ und verändert den Inhalt der Aussage dahingehend, dass Daisys Gewissenhaftigkeit in dieser Version als nur gespielt gesehen wird (information change).

Beide Übersetzungen sind in etwa gleich lang und sowohl Schürenberg als auch Abarbanell entschieden sich dazu, Gedankenstriche (die, wie nachstehende Textbeispiele zeigen werden, eine von Fitzgerald häufig verwendete Möglichkeit darstellen, um Sätze zu unterteilen) zu verwenden. Jedoch setzen die ÜbersetzerInnen den Gedankenstrich an unterschiedlicher Stelle ein. Während Abarbanell in Ü2 mit „sie beugte sich mit gewissenhafter Miene ein wenig vor“ dieselbe Stelle wie im Original durch Gedankenstriche vom Rest des Satzes abhebt und somit die Strategie literal translation anwendet, setzte Schürenberg „es war Daisy“ zwischen zwei Gedankenstriche und es kommt zu einem sentence structure change.

Textbeispiel 2 Diese Beschreibung von Daisy folgt nur kurz auf das vorhergehende Textbeispiel, der Kontext hat sich somit nicht wesentlich verändert und Nick und Jordan sind immer noch zu Besuch bei den Buchanans.

O (S.9f.) Ü1 (S.20) Ü2 (S.21) Her face was sad and lovely Ihr Gesicht hatte einen Daisy hatte ein trauriges, with bright things in it, bright rührenden Liebreiz und hübsches Gesicht, in dem es eyes and a bright passionate leuchtete aus sich – es leuchtete – leuchtende Augen mouth, but there was an leuchteten die Augen, und es und einen leuchtenden, excitement in her voice that leuchtete der leidenschaftlich sinnlichen Mund; in ihrer men who had cared for her geschwungene Mund; in ihrer Stimme aber schwang eine found difficult to forget […]. Stimme aber war etwas Erregung mit, die jeder Mann, Erregendes, das Männer, die dem sie einmal etwas bedeutet 69

sie einmal geliebt hatten, nur hatte, schwer zu vergessen schwer vergaßen […]. fand […]. In diesem Textbeispiel findet sich in der Formulierung „her face was sad and lovely“ wieder ein Gegensatz. Dieser Gegensatz spiegelt Daisys Situation wider: Sie ist einerseits behütet, wohlhabend und hat scheinbar alles, was ein Mensch begehren kann, andererseits sehnt sie sich aber nach einem anderen, glücklicheren Leben. In Ü2 wird dieser Gegensatz von Abarbanell wiedergegeben und die Formulierung „Daisy hatte ein trauriges, hübsches Gesicht“ unterscheidet sich zwar vom Original dadurch, dass anstatt des Personalpronomens Daisys Name verwendet wird, und dass zwischen „traurig“ und „hübsch“ kein verbindendes „und“ (cohesion changes) steht, dennoch bleibt die Aussage des Originals erhalten. Schürenberg hingegen interpretiert die Stelle anders und stellt eine stärkere Verbindung zwischen den Worten „sad“ und „lovely“ her. Seine sehr freie Übersetzung „Ihr Gesicht hatte einen rührenden Liebreiz“ bewirkt eine große inhaltliche Veränderung, denn hier ist es Daisys Aussehen, das die Beobachterin bzw. den Beobachter bewegt. Diese Veränderung ist als paraphrase zu sehen.

Schürenbergs Übersetzung von „a bright passionate mouth“ als „es leuchtete der leidenschaftlich geschwungene Mund“ beinhaltet sowohl ein sentence structure change als auch die Strategie transposition, da das Adjektiv „bright“ als Verb („leuchten“) wiedergegeben wird. Die Hinzufügung von „geschwungen[…]“ kommt einem information change gleich.

Im darauffolgenden Teil des Satzes wird Daisys Stimme erwähnt. Diese wird den Leserinnen und Lesern des Romans immer wieder aufs Neue beschrieben und vor allem ihre betörenden Eigenschaften werden hervorgehoben. Nick ist sogar der Meinung, dass Daisys Stimme das ist, was Gatsby so an sie bindet (Fitzgerald 1953:97). Die Textstelle „men who had cared for her“ wird von Schürenberg mit „Männer, die sie einmal geliebt hatten“ übersetzt. Mit dieser Übertragung entfernt sich Schürenberg wieder etwas vom Original, da er „care for“ als „lieben“ interpretiert und somit die Aussage verstärkt (emphasis change). Abarbanell hingegen bleibt bei der Beschreibung der Gefühle, die Verflossene für Daisy hegten, auf derselben Ebene wie Fitzgerald im Original.

Textbeispiel 3 Nick spricht in dieser Szene zum ersten Mal mit Gatsby. Sie treffen sich auf einer von Gatsbys Partys und Nick weiß zunächst nicht, wen er vor sich hat und drückt seine

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Verwunderung über den Gastgeber der Party aus, der ihn allzu förmlich zur Party eingeladen, sich aber noch nicht vorgestellt hat. Gatsby stellt sich vor und Nick entschuldigt sich. Gatsby reagiert darauf aber nicht verärgert, sondern lächelt auf eine besondere Art und Weise, die Nick folgendermaßen beschreibt:

O (S.48) Ü1 (S.73) Ü2 (S.65) He smiled understandingly – Er lächelte verständnisvoll – ja Er lächelte verständnisvoll – ja much more than geradezu verständnissinnig. Es mehr als verständnisvoll. Es understandingly. It was one of war ein Lächeln, das einen war ein so besonderes Lächeln, those rare smiles with a quality endgültig beruhigte und wie es einem vielleicht vier- of eternal reassurance in it, that begütigte; ein Lächeln von oder fünfmal im Leben zuteil you may come across four or jener seltenen Art, wie man es werden mag, ein Lächeln, das five times in your life. It faced nur vier- oder fünfmal im einem für alle Ewigkeit Mut – or seemed to face – the Leben antrifft. Es umfaßte – zusprach. Es nahm – so schien whole external world for an zumindest schien es so – für es wenigstens – für einen instant, and then concentrated einen Augenblick die Welt als Moment die gesamte äußere on you with an irresistible ein Ganzes und Ewiges, um Welt in den Blick und prejudice in your favor. sich dann mit grenzenloser konzentrierte sich dann mit Zuversicht dem Menschen unwiderstehlicher zuzuwenden. Voreingenommenheit ganz und gar auf einen selbst. Im ersten Satz wird ersichtlich, dass wieder beide ÜbersetzerInnen den Gedankenstrich aus dem Original in ihre Übersetzung übernehmen. Ein Unterschied ist jedoch in der Übertragung von „much more than understandingly“ zu erkennen. Abarbanell produzierte hier mit „ja mehr als verständnisvoll“ beinahe eine literal translation; bei Ü1 ist ein scheme change erkennbar, da die Wiederholung des Wortes aus dem ersten Satzteil in der Übersetzung nicht gegeben ist. Stattdessen ersetzt Schürenberg „much more than understandigly“ durch das stärkere „ja geradezu verständnissinnig“ (emphasis change).

Bei der Übersetzung des Satzes „It was one of those rare smiles with a quality of eternal reassurance in it, that you may come across four or five times in your life” werden mehrere Veränderungen sichtbar. Sowohl Schürenberg als auch Abarbanell verändern die Reihenfolge der Informationen im Satz, ein sentence structure change ist in beiden Fällen die Folge. Die Übersetzung des Segmentes „with a quality of eternal reassurance in it“ als „das einen endgültig beruhigte und begütigte“ in Ü1 beinhaltet ebenfalls die Strategie transposition, da Schürenberg hier Adjektiv und Substantiv als Adjektiv (in adverbialer Verwendung) und Verb wiedergibt. Die Übertragung von „reassurance“ als „beruhigte und begütigte“ kann unter Umständen gleichzeitig auch als distribution change bezeichnet werden, da Schürenberg die Bedeutung des Wortes auf mehrere Elemente aufteilt (expansion). Schürenbergs Übersetzung beinhaltet ebenfalls ein trope change, da Gatsbys Lächeln personifiziert wird. Auch in Abarbanells Übersetzung „das einem für alle

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Ewigkeit Mut zusprach“ kommt es zu einer Personifizierung des Lächelns und somit zusätzlich zu den Veränderungen auf syntaktischer Ebene ebenfalls zu einem trope change.

Im nächsten Satz hielten sich beide ÜbersetzerInnen zunächst an die Satzstruktur des Originals und setzten ihre Übersetzungen von „or seemed to face“ zwischen zwei Gedankenstriche. Größere Veränderungen in diesem Satz werden aber bei Schürenbergs Übersetzung von „the whole external world for an instant“ sichtbar: Mit „für einen Augenblick die Welt als ein Ganzes und Ewiges“ entfernt er sich weit vom Ausgangstext und fügt das Element „Ewiges“ hinzu, welches im Ausgangstext nicht vorkommt (information change). Schürenbergs Übersetzung dieses Textsegments kann als paraphrase gewertet werden, da er die Funktion der Passage – die in diesem Fall die stimmungsvolle Beschreibung des Lächelns und des Gefühls, das es bei Nick hervorruft, ist – über die semantische und lexikalische Ähnlichkeit stellt.

In Abarbanells Übersetzung kommt es zu keiner vergleichbaren Veränderung. Ein kleiner Unterschied, der ausgemacht werden kann, ist die Verwendung der Phrase „in den Blick nehmen“ für das Verb „to face“, die einem unit shift entspricht. Auch auf lexikalischer Ebene wird in diesem Beispiel Abarbanells Strategie, so nah wie möglich am Original zu formulieren, sichtbar: Die Segmente bzw. Wörter „the whole external world“, „concentrated“, „irresistible prejudice“ werden mit „die gesamte äußere Welt“, „konzentrierte sich“ und „unwiderstehlicher Voreingenommenheit“ übersetzt. Schürenberg übersetzt „with an irresistible prejudice“ hingegen mit „mit grenzenloser Zuversicht“ und verändert damit die inhaltliche Aussage dieses Segments gänzlich (paraphrase). Bei der Übersetzung von „in your favor“ verwendeten beide ÜbersetzerInnen Versionen, die in direktem Vergleich mit dem Ausgangstext eine Veränderung darstellen. Abarbanell entschied sich für „auf einen selbst“, während Schürenberg mit dem Element „dem Menschen“ eine eher generelle Aussage macht (abstraction change).

Textbeispiel 4 Zu Gatsbys Partys erscheinen Berühmtheiten und Wohlhabende aus New York. Nick erinnert sich an die Gäste, die zu Gatsbys Partys kamen und ein so anderes Leben als er selbst führten, zurück, zählt einige von ihnen auf und beschreibt sie.

O (S.61f.) Ü1 (S.91f.) Ü2 (S.80f.) From West Egg, then, came Von East Egg also kamen die Aus East Egg also kamen die the Chester Beckers and the Chester Beckers herüber, dann Chester Beckers, die Leeches, Leeches, and a man named die Leeches und ein gewisser ein Mann namens Bunsen, den 72

Bunsen, whom I knew at Yale, Bunsen, den ich aus Yale ich aus Yale kannte, und and Doctor Webster Civet, kannte, und Dr. Webster Civet, Doktor Webster Civet, der who was drowned last summer der vorigen Sommer oben in vorigen Sommer oben in up in Maine. And the Maine ertrank. Dann die Maine ertrank; und die Hornbeams and the Willie Hornbeams und die Willie Hornbeams, die Willie Voltaires, and a whole clan Voltaires und eine ganze Sippe Voltaires sowie ein ganzer named Blackbuck, who always namens Blackbuck, die immer Klan von Leuten namens gathered in a corner and in einem Winkel Blackbuck, die sich jedesmal flipped up their noses like zusammenhockten wie eine in einer Ecke versammelten goats at whosoever came near. Gänseschar und jedesmal und die Nasen hochreckten wie hochmütig die Nase hoben, Ziegen, egal, wer in ihre Nähe wenn nur irgendwer in ihre kam. Nähe kam. Hinsichtlich der Satzstruktur kommt es in Abarbanells Übersetzung zu einer geringfügigen Veränderung: Während das Textbeispiel im Original zwei Sätze umfasst, verbindet sie den Text mittels Strichpunkt – es kommt zu einem unit shift. Schürenberg hingegen bleibt dem Original in Bezug auf diesen Aspekt treu.

Schürenberg entschied sich dazu, „and a whole clan named Blackbuck“ als „eine ganze Sippe namens Blackbuck“ zu übersetzen. Dies schafft durch die Verwendung des sehr negativ behafteten „Sippe“ einen weitaus negativeren Eindruck dieser Menschen, als das im Original der Fall ist. Das darauf folgende Segment „in einem Winkel zusammenhockten“ verstärkt diesen Eindruck noch um ein Wesentliches. Abarbanell bleibt in ihrer Übersetzung eher neutral und verwendet die deutsche Entsprechung „Klan“ und die Formulierung „in einer Ecke versammelten“, die ebenfalls weitaus neutraler ist als Schürenbergs Übersetzung und dem Original „gathered in a corner“ eher entspricht. Schürenbergs Übersetzung dieser Textpassage beinhaltet ein emphasis change, da hier der negative Eindruck der Personen im Fokus steht.

Im Folgenden lässt sich ein weiterer großer Unterschied zwischen den beiden Übersetzungen feststellen. Zunächst fällt auf, dass das Wort „goats“ sehr unterschiedlich übersetzt wird. Schürenberg verwendet „Gänseschar“ für seine Übersetzung, zusätzlich fügt er das Wort „hochmütig“, das im Original nicht vorkommt, hinzu. Beim Lesen des Originals entsteht im Kopf der Leserin bzw. des Lesers ein Bild, das jeder Mensch kennt, der schon einmal auf Ziegen zugegangen ist: Sie strecken den Kopf auf eine ganz eigene Art und Weise in die Luft. Welche Bedeutung Fitzgerald dieser Bewegung zuschrieb, lässt sich heute nicht feststellen, es kann jedoch gesagt werden, dass dieses typische Verhalten auch als Neugierde interpretiert werden kann. In Schürenbergs Übersetzung fällt dieser Bedeutungsaspekt ganz weg und durch den Vergleich der Gäste mit einer „Gänseschar“ sowie die Hinzufügung von „hochmütig“ (information change) verändert sich die Lesart:

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Der Fokus wird auf die Hochnäsigkeit der Gäste gesetzt, es kommt wieder zu einem emphasis change. Zudem kommt es in Schürenberg bei der Übersetzung von „goats“ zu einem trope change: Es wird zwar ein figuratives Element eingesetzt, jedoch handelt es sich nicht um dasselbe wie im Originaltext. Während Schürenberg durch seine Übersetzungslösungen und Hinzufügungen in seiner Interpretation des Textes weiter geht, übersetzt Abarbanell nah am Original und lässt im Kopf der Leserin bzw. des Lesers ein vergleichbares Bild entstehen, wie es beim Lesen des Originals der Fall ist. Durch diese Vorgehensweise überlässt sie es den Leserinnen und Lesern, die Szene zu interpretieren.

Textbeispiel 5 Daisy kommt zum ersten Mal zu einer von Gatsbys Partys. Gatsby ist deswegen äußerst nervös und will um alles in der Welt, dass es ihr bei ihm gefällt und sie beeindruckt ist. Der Abend geht zu Ende und Gatsby beschleicht langsam das Gefühl, dass Daisy nicht gerade begeistert von seiner Party war. Gatsby hat Nick gebeten, nicht heimzugehen, ehe er mit ihm gesprochen hat. Also wartet Nick, bis Gatsby endlich Zeit für ein Gespräch hat.

O (S.110) Ü1 (S.163) Ü2 (S.139) When he came down the steps Als Gatsby dann endlich die Als er endlich die Treppe at last the tanned skin was Treppe herabkam, merkte man herunterkam, spannte sich die drawn unusually tight on his seinem Gesicht mit der straffer gebräunte Haut ungewöhnlich face, and his eyes were bright als sonst gespannten Haut und straff über seinem Gesicht, und and tired. dem flackernden Blick an, daß seine müden Augen glänzten. er müde und überanstrengt war. Die Beschreibung im Original „the tanned skin was drawn unusually tight on his face, and his eyes were bright and tired” stellt eine Aneinanderreihung von Beobachtungen dar. Dies ist eine typische Art und Weise, wie Fitzgerald Figuren und Situationen beschreibt und seine Leserinnen und Leser selbst Zusammenhänge herstellen, bzw. ihnen Raum für ihre eigene Interpretation des Geschriebenen lässt. Schürenberg führt Gatsby verändertes Aussehen allein auf seine Müdigkeit zurück: „merkte man seinem Gesicht […] an, daß er müde und überanstrengt war“. Diese Formulierung und vor allem die Verwendung der Konjunktion „daß“ lässt eine kausale Verbindung zwischen Gatsbys Aussehen und seiner Müdigkeit entstehen, die im Original nicht besteht (cohesion change). Zusätzlich übersetzt Schürenberg „bright“ mit „flackernd“ und fügt das Wort „überanstrengt“ hinzu (information change). Diese Veränderungen führen dazu, dass nur die Müdigkeit im Vordergrund steht (emphasis change) und der Leserin bzw. dem Leser als Grund für

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Gatsbys Aussehen präsentiert wird. Mit seiner Übersetzung dieser Textpassage greift Schürenberg interpretierend in den Text ein, da im Original „tired“ zwar verwendet wird, lediglich aber als eine von mehreren Beobachtungen von Nick, die nicht unbedingt Auslöser der Veränderung von Gatsbys äußerer Erscheinung sein muss, denn auch Gatsbys Anspannung und Aufgeregtheit über Daisys Besuch könnte Grund dafür sein. Zusätzlich ist bei der Beschreibung von Gatsbys Augen ein leichter Widerspruch erkennen, da Fitzgerald sie gleichzeitig als „bright“1 und „tired“ bezeichnet. Dieser Widerspruch geht in Schürenbergs Übersetzung verloren, da auch hier nur die Müdigkeit im Mittelpunkt steht.

Abarbanell weicht mit ihrer Übersetzung „seine müden Augen glänzten“ zwar ebenfalls leicht vom Original ab, da sie den Inhalt des Adjektivs „bright“ durch das Verb „glänzen“ wiedergibt (transposition) und „müde“ attributiv verwendet, lässt den Leserinnen und Lesern jedoch Spielraum für ihre eigene Interpretation der Szene, wie dies im Original der Fall ist.

Textbeispiel 6 Die folgende Szene spielt sich ab, nachdem sich Nick, Jordan, Tom, Daisy und Gatsby bei den Buchanans getroffen haben. Die Stimmung bei diesem Treffen ist angespannt, denn Tom spürt bereits, dass Daisy und Gatsby Gefühle für einander haben. Um dieser Situation zu entfliehen, machen sich alle auf den Weg nach New York. Während Gatsby und Daisy in Toms Wagen fahren, sind Nick, Jordan und Tom in Gatsbys gelbem Wagen unterwegs. Auf der Fahrt nach New York halten die drei an Wilsons Werkstatt, um zu tanken. Dieser Zwischenstopp bleibt nicht unbemerkt: Myrtle Wilson beobachtet alles vom Fenster über der Werkstatt.

O (S.125) Ü1 (S.184) Ü2 (S.156) So engrossed was she that she Sie war von dem, was sie sah, Gebannt, wie sie war, bekam had no consciousness of being so in Anspruch genommen, sie gar nicht mit, daß sie selber observed, and one emotion daß sie nicht einmal merkte, gesehen wurde, und die after another crept into her face wie ich sie beobachtete. Wie Gefühle stahlen sich eins nach like objects into a slowly auf einem Foto, das man dem anderen in ihr Gesicht wie developing picture. Her entwickelt, ein Objekt nach Gegenstände in ein sich expression was curiously dem anderen deutlich wird, so langsam entwickelndes Foto. familiar ˗ it was an expression erschien auf ihrem Gesicht eine Ihr Ausdruck war seltsam I had often seen of women’s Gefühlsregung nach der vertraut – es war ein Ausdruck, faces, but on Myrtle Wilson’s anderen ˗ eine Ausdrucksskala, wie ich ihn auf face it seemed purposeless and die mir seltsam vertraut war. Frauengesichtern schon oft inexplicable until I realized Ich hatte sie oft auf gesehen hatte, doch auf Myrtle that her eyes, wide with jealous Frauengesichtern gesehen, Wilsons Gesicht schien er

1 Im MacMillan Dictionary findet sich die Definition „happy and lively“ (MacMillan Dictionary [o.J.a]). 75 terror, were fixed not on Tom, doch bei Myrtle Wilson grundlos und unerklärlich, bis but on Jordan Baker, whom erschien mir das grundlos und ich erkannte, daß ihre vor she took to be his wife. unverständlich, bis mir eifersüchtigem Entsetzen There is no confusion like the klarwurde, daß ihre in geweiteten Augen nicht Tom, confusion of a simple mind, eifersüchtigem Entsetzen weit sondern Jordan Baker fixierten, and as we drove away Tom aufgerissenen Augen sich nicht die sie für seine Frau hielt. was feeling the hot whips of auf Tom hefteten, sondern auf Keine Verwirrung gleicht panic. Jordan Baker, die sie für seine derjenigen eines schlichten Frau hielt. Gemüts, und als wir Keine Bestürzung kommt der davonfuhren, verspürte Tom gleich, die ein einfaches Gemüt die heißen Peitschenhiebe der befällt. Als wir abfuhren, Panik. schien Tom wie von Angst gepeitscht. Schürenberg übersetzt Fitzgerald ziemlich kurzes „So engrossed was she“ mit „Sie war von dem, was sie sah, so in Anspruch genommen“ und fügt damit Informationen darüber hinzu, wovon sie so in den Bann gezogen wird, die im Original auf diese Weise nicht ausgedrückt werden. Die Leserin bzw. der Leser des Originals erschließt diese Informationen beim Lesen, weswegen Schürenbergs Strategie ein expliciteness change, genauer, explicitation darstellt. Bei Abarbanell wird „engrossed“ mit „gebannt“ übersetzt und keine weiteren Informationen über den Grund ihrer Konzentriertheit werden gegeben. Obwohl Abarbanells Version hier im Vergleich zu Schürenbergs dem Original sehr nahe ist, kann bei „Gebannt, wie sie war“ nicht von einer hundertprozentigen literal translation gesprochen werden, da es auf syntaktischer Eben zu kleinen Veränderungen kommt: der Konsekutivsatz mit „that“ im Original wird nicht als solcher wiedergegeben, stattdessen fügt Abarbanell den Nebensatz „wie sie war“ als Vergleich ein (sentence structure change).

Wird das gesamte Textbeispiel betrachtet, wird ersichtlich, dass Schürenberg den ersten Satz dieses Textbeispiels in zwei Sätze aufteilt (unit shift) und gleichzeitig auch die Anordnung der Elemente im ersten Satz verändert. Abarbanell entschied sich dazu, alle Informationen wie im Original in einem Satz zu verpacken und auch die Reihenfolge der Informationen wie im Original zu belassen. Mit Ausnahme von Abarbanells Übersetzung von „one emotion after another“ als „die Gefühle […] eins nach dem anderen“ (phrase structure change) kann der Rest dieses Satzes als literal translation gesehen werden („die Gefühle stahlen sich eins nach dem anderen in ihr Gesicht wie Gegenstände in ein sich langsam entwickelndes Foto“). Genau diese Stelle macht Abarbanells Orientierung an Fitzgeralds Stil auch in Bezug auf die Wahl des Verbs sichtbar: Bei der Verwendung von „stehlen“ für „creep“ bleibt sie nah am Original, da beide Verben in übertragener Bedeutung verwendet werden, wenn es darum geht, das Erscheinen einer Emotion im 76

Gesicht eines Menschen zu beschreiben.2 In Abarbanells Übersetzung wird das Verb „stehlen“ sowohl für die Gefühle als auch für die Gegenstände verwendet (literal translation). Schürenberg entschied sich dazu, zwei unterschiedliche Formulierungen zu verwenden, nämlich „deutlich werden“ (für die Objekte) und „erscheinen“ (für Myrtles Gefühlsregungen), die in diesem Fall als Synonyme für „creep“ gewertet werden können (synonymy). Die inhaltliche Aussage des Textes wird durch diese Eingriffe zwar nicht verändert, jedoch wirken sie sich auf die Lektüre dieser Textpassage aus: Abarbanells Übersetzung dieser Passage spiegelt Fitzgeralds Stil im Gegensatz zu Schürenbergs Version eher wider.

Bei der nächsten unterstrichenen Passage geht es um die Übertragung der Wörter „purposeless“ und „inexplicable“. Sowohl Schürenberg als auch Abarbanell übersetzten ersteres als „grundlos“. Das Wort „inexplicable“3 wird von Schürenberg mit „unverständlich“ übersetzt. Hier kommt es zu einer Änderung in der Perspektive (converses), die in Ü2 nicht vorkommt.

Fitzgeralds Satz „There is no confusion like the confusion of a simple mind, and as we drove away Tom was feeling the hot whips of panic” wird von Schürenberg in zwei Sätze aufgeteilt (unit shift), während Abarbanell ihn als einen Satz ins Deutsche überträgt. Bei diesem Satz fällt zunächst auf, dass das Wort „confusion“ unterschiedlich übersetzt wird. Während Abarbanells Übertragung („Verwirrung“) dem Original näher ist, verstärkt Schürenberg durch die Verwendung von „Bestürzung“ die Aussage und erweitert sie, da „Bestürzung“ ein gewisses Entsetzen und eine gewisse Erschütterung beinhaltet (emphasis change). In diesem Satz ist noch etwas Interessantes festzustellen: Fitzgerald erzeugt mit der Textstelle „Tom was feeling hot whips of panic“ einen sehr plastisches Bild. Schürenberg lässt in seiner Übersetzung „Als wir abfuhren, schien Tom wie von Angst gepeitscht“ das „hot“ weg und ersetzt das stärkere „panic“ durch „Angst“, wodurch er erreicht, dass die Aussage insgesamt schwächer wird. Ein emphasis change ist wieder die Folge. Abarbanell versucht mit „als wir davonfuhren, verspürte Tom die heißen Peitschenhiebe der Panik“ das plastische Bild Fitzgerald mit all seiner Drastik wiederzugeben und ihre Übersetzung kann als literal translation gewertet werden.

2 Das MacMillan Dictionary gibt für „creep“ in dieser Verwendung folgende Definition: “if an expression or colour creeps into someone’s face, it gradually appears there” (MacMillan Dictionary [o.J.b]). Die vergleichbare Definition von „stehlen“ im Duden lautet: „»in übertragener Bedeutung«: (gehoben) ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht (erschien auf ihrem Gesicht)“ (Duden [o.J.a]): 3 Das MacMillan Dictionary definiert „inexplicable“ als „impossible to explain“ (MacMillan Dictionary [o.J.c]). 77

6.2.2 Beschreibung von Orten und Szenen

Auch in der Beschreibung von Orten und Szenen kommt Fitzgeralds Stil deutlich heraus, da die Bilder, die in den Köpfen seiner Leserinnen und Leser entstehen, durch ein Zusammenwirken vieler kleiner Einzelheiten erzeugt werden. Gleichzeitig wird Vieles nicht explizit ausgedrückt, was der Leserin bzw. dem Leser Raum für ihre bzw. seine eigene Interpretation des Gelesenen lässt. Im Folgenden soll festgestellt werden, ob und wie Fitzgeralds unerwarteten, überraschenden Vergleiche, Gegensätze, Wiederholungen, Wortkombinationen und weitere stilistische Besonderheiten in die Übersetzungen übernommen wurden.

Textbeispiel 7 Diese Szene spielt sich wieder gegen Anfang des Romas ab, als Nick und Jordan zu Besuch bei den Buchanans sind. Es ist Zeit für das Abendessen und alle nehmen am Tisch Platz.

O (S.12) Ü1 (S.23) Ü2 (S.24) “We ought to plan something”, »Wir sollten etwas »Wir sollten etwas yawned Miss Baker, sitting unternehmen«, gähnte Miss unternehmen«, gähnte Miss down at the table as if she were Baker; sie ließ sich so müde Baker und setzte sich an den getting into bed. am Tisch nieder als ginge sie Tisch, als ginge sie zu Bett. zu Bett. Bei diesem Textsegment handelt es sich zwar um ein sehr kurzes Beispiel, es illustriert die Unterschiede zwischen Ü1 und Ü2 dennoch gut. Im Original drückt Fitzgerald mit „sitting down at the table as if she were going into bed“ nicht explizit aus, in welcher Weise sich Jordan an den Tisch setzt, es bleibt der Leserin bzw. dem Leser überlassen, die Passage zu interpretieren. Genau darin liegt das Ungewöhnliche dieses Satzes. Schürenberg lässt durch die Hinzufügung von „müde“ keinerlei Spielraum für Interpretation. Nach Chesterman kann Schürenbergs Strategie auf zwei unterschiedliche Arten gesehen werden: einerseits als explicitation, wenn davon ausgegangen wird, dass auch Fitzgerald allein die Müdigkeit impliziert, andererseits aber auch als information change, da eine Information hinzugefügt wird, die im Original nicht vorhanden ist. Abarbanell greift hier nicht weiter in den Text ein und übersetzt die Stelle so, dass der Informationsgehalt gleich wie im Original bleibt. Es wird erkenntlich, dass Schürenberg seine Interpretation des Originals hier stärker in seine Übersetzung einfließen lässt als Abarbanell.

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Textbeispiel 8 Dieses Beispiel schließt nahezu an das vorhergehende an. Tom, Daisy, Jordan und Nick sitzen vor dem Haus, es wird Abend. Der Szene gehen einerseits leichte Plaudereien voraus, dann jedoch folgt ein Gespräch über ein ernstes Thema, den von Tom befürchteten Untergang der Zivilisation. Daisy möchte jedoch nicht weiter über dieses ernste Thema sprechen und lenkt ab, indem sie Witze über die Nase des Butlers macht.

O (S.14) Ü1 (S.26) Ü2 (S.27) For a moment the last sunshine Ein letzter Sonnenstrahl Einen Moment lang fielen die fell with romantic affection verklärte für einen Augenblick letzten Sonnenstrahlen mit upon her glowing face; her romantisch ihr Gesicht; ihre romantischer Hingabe auf ihr voice compelled me forward Stimme zwang mit atemlos glühendes Gesicht; ihre breathlessly as I listened – then lauschend zu ihr. Dann Stimme zwang mich beim the glow faded, each light verblaßte das Glühen; ein Zuhören atemlos immer weiter deserting her with lingering Lichtstrahl nach dem anderen nach vorn – dann erlosch das regret, like children leaving a wich von ihr, zögernd und Glühen, und zögernd und pleasant street at dusk. ungern wie Kinder, die im betrübt wich alles Licht von Abenddämmer ihr ihr, wie Kinder in der Straßenparadies verlassen Abenddämmerung eine belebte müssen. Straße verlassen. Während Schürenberg in Ü1 sich dazu entscheidet, den Beginn des Satzes mit ein „Ein letzter Sonnenstrahl verklärte für einen Augenblick romantisch ihr Gesicht“ zu übersetzen und somit die Reihenfolge der Elemente geringfügig verändert, bleibt Abarbanell in Ü2 dem Original sowohl was die Anordnung der Elemente im betreffenden Satzteil betrifft, als auch hinsichtlich der lexikalischen Umsetzung treu und verwendet die Wörter „Moment“, „fielen“ und „glühendes“, die ihren englischen Äquivalenten auch lautlich sehr ähnlich sind. Einen Satz später kommt das „Glühen“ als Substantiv (wie auch im Original) wieder vor. Schürenberg lässt in seiner Übersetzung das Wort „glowing“ in Bezug auf Daisys Gesicht zunächst weg („[…] verklärte für einen Augenblick romantisch ihr Gesicht“), erst als das Licht weicht, beschreibt er das „Glühen“. Hier kommt es zu einem scheme change, da Fitzgeralds Wiederholung dieses Elementes in Ü1 nicht wiedergegeben wird.

Die Textpassage „then the glow faded, each light deserting her with lingering regret, like children leaving a pleasant street at dusk“ ist eine jener Stellen, in denen Fitzgeralds Neigung zu zunächst ungewöhnlich erscheinenden, aber bildhaften und treffenden Vergleichen deutlich wird. Das Element „pleasant street“ wurde von den ÜbersetzerInnen unterschiedlich behandelt, jedoch hielten es beide für notwendig, eine eher freiere Übersetzung zu wählen. Während Schürenberg den Neologismus „Straßenparadies“ verwendet und somit die Aussage verstärkt, indem er die Straße mit einem Paradies in

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Zusammenhang bringt (emphasis change), wird dieser Bedeutungsaspekt in Ü2 nicht zum Ausdruck gebracht, da Abarbanell „pleasant“ durch „belebt“ ersetzt (information change).

Bei Fitzgerald wird durch „with lingering regret“ sichtbar, dass die Kinder die Straße und das Licht Daisys Gesicht nicht freiwillig verlassen, jedoch verstärkt Schürenberg diesen Aspekt zusätzlich durch das „müssen“ am Schluss (emphasis change). In Abarbanells Übersetzung kommt dieses Modalverb – wie auch im Original – nicht vor.

Bei diesem Textbeispiel ist es wichtig, auch die darauffolgenden Ereignisse zu betrachten. Im nächsten Satz betritt der Butler wieder den Raum und flüstert Tom etwas ins Ohr, was der Leserin bzw. dem Leser nicht mitgeteilt wird. Aus den nächsten Zeilen geht jedoch hervor, dass Toms Geliebte am Telefon ist, was Daisy aufregt und die Stimmung des gesamten Abends ins Negative beeinflusst. Die Sonnenstrahlen, die Daisys Gesicht verlassen, sind in Verbindung mit diesen Ereignissen zu sehen, stehen für eine Trübung der Stimmung und werfen einen Schatten auf das zu diesem Zeitpunkt noch scheinbar glückliche Eheleben von Tom und Daisy.

Textbeispiel 9 Nick kommt von dem Treffen mit Tom, Daisy und Jordan bei den Buchanans nach Hause. Bevor er in sein Haus geht, wartet er noch einen Moment ab und lässt die sommerliche Nacht noch etwas auf sich wirken.

O (S.21f.) Ü1 (S.35f.) Ü2 (S.34f.) The wind had blown off, Der Wind war ganz abgeflaut. Der Wind war abgeflaut und leaving a loud, bright night, Man hörte jetzt die Geräusche einer lauten, hellen Nacht with wings beating in the trees der hellen Sommernacht, das gewichen, erfüllt vom and a persistent organ sound as Flügelschlagen im Gezweig Flügelschlagen in den Bäumen the full bellows of the earth und den anhaltenden Orgelton und einem anhaltenden blew the frogs full of life. The der Frösche, als blase die Erde Orgelton aus dem Blasebalg silhouette of a moving cat selbst mit tiefem Dröhnen der Erde, der den Fröschen wavered across the moonlight, ihnen neues Leben ein. Die Leben einblies. and turning my head to watch Silhouette einer Katze geisterte Die Silhouette einer Katze it, I saw that I was not alone – im Mondschein, und als ich huschte über das Mondlicht, fifty feet away a figure had den Kopf wandte, um sie zu und als ich den Kopf wandte, emerged standing with his beobachten, bemerkte ich, daß um ihr mit den Augen zu hands in his pockets regarding ich nicht allein war. Zwanzig folgen, entdeckte ich, daß ich the silver pepper of the stars. Meter entfernt war eine Gestalt nicht allein war – kaum aus dem Schatten des zwanzig Meter von mir Nachbarhauses aufgetaucht entfernt war eine Gestalt aus und stand, Hände in den der Nachbarvilla getreten und Taschen, in die Betrachtung betrachtete, Hände in den des silbern gesprenkelten Hosentaschen, den silbernen Sternenhimmels versunken. Sternenpfeffer.

80

Beim ersten Satz in diesem Textbeispiel wird bereits ersichtlich, dass es in Ü1 zu einem unit shift kommt, da Schürenberg Fitzgeralds eher langen Satz in zwei Sätze aufteilt, während es in dieser Hinsicht in Ü2 keine Veränderungen gibt.

Zu einem größeren Eingriff in den Text kommt es in der Übersetzung von „a loud, bright night“: Schürenberg übersetzt dieses Element mit der paraphrase „Man hörte jetzt die Geräusche der hellen Sommernacht“. Gleichzeitig kann diese Übertragung aber auch als eine Art explicitiation gesehen werden, da Schürenberg es für notwendig hielt, den Leserinnen und Lesern genauer zu schildern, in welcher Hinsicht die Nacht „loud“ ist. Abarbanell verwendet bei der Übersetzung dieses Segmentes wieder die Strategie literal translation. Bei der Übersetzung von „wings beating in the trees“ fällt in Ü1 auf, dass „trees“ mit „Gezweig“ übersetzt wurde (synonymy); Abarbanell wählte hier das naheliegende Äquivalent „Bäume“.

Bei der Übersetzung des Textsegmentes „as the full bellows of the earth blew the frogs full of life” wird in Ü1 eine wesentliche Veränderung sichtbar. Im Original liegt eine der Besonderheiten dieses Textsegments darin, dass dies nicht wie ein erdachter, sondern wie ein tatsächlicher Vorgang beschrieben wird. Durch die Verwendung von „als“ und des Konjunktivs „blase“ („als blase die Erde selbst mit tiefem Dröhnen neues Leben ein“) wird aus der Beschreibung eines wahrhaftigen Vorgangs im Original in Schürenbergs Version ein Vergleich. Des Weiteren wird „full bellows“4 nicht übersetzt, bzw. „mit tiefem Dröhnen“ verwendet, was als paraphrase gewertet werden kann.

Im nächsten Satz („The silhouette of a moving cat […]“) sind die Veränderungen auf syntaktischer Ebene ähnlich wie im ersten Teil dieses Beispiels. Im Original und in Ü2 wird ein einziger langer Satz durch Beistriche und einen Gedankenstrich in Sinneinheiten unterteilt, während in Ü1 zwei Sätze verwendet werden (unit shift). Bei beiden Übersetzungen kommt es in diesem Textbeispiel zu einem cultural filtering: Schürenberg und Abarbanell hielten es für notwendig, die Längenangabe „fifty feet“ in die in Europa gebräuchlich Maßeinheit Meter umzuwandeln.

In Schürenbergs Übersetzung von „regarding“ mit „in die Betrachtung […] versunken“ kommen die Strategien unit shift und transposition zum Einsatz. Gleichzeitig bewirkt die Übersetzung ein emphasis change auf semantischer Ebene, da Gatsbys Konzentration auf

4 Das Substantiv „bellows“ wird im MacMillan Dictionary definiert als „a part of a musical instrument that blows air into the instrument to produce sound” (MacMillan [o.J.d]). 81 das, was er sieht, in Ü1 stärker dargestellt wird. Im selben Satz kommt es bei der Übersetzung von „the silver pepper of the stars“ zu einer Veränderung. In Ü1 ist Fitzgeralds origineller Vergleich der Sterne mit Pfeffer nicht zu finden, stattdessen umschreibt Schürenberg die Formulierung aus dem Original mit „silbern gesprenkelte[r] Sternenhimmel“, und wendet somit die Strategie trope change an, da die Trope vom Original nicht in die Übersetzung übernommen wird. Abarbanell hingegen überträgt mit ihrer Übersetzung „silberne[r] Sternenpfeffer“ Fitzgeralds Trope ins Deutsche.

Textbeispiel 10 Nick fährt gemeinsam mit Tom mit dem Zug nach New York und Tom möchte unbedingt, dass Nick seine Geliebte Myrtle kennenlernt. Myrtle und Tom bringen Nick dazu, mit ihnen in eine Wohnung in New York zu kommen, die Tom dem Anschein nach für sich und Myrtle mietet.

O (S.29) Ü1 (S.45) Ü2 (S.43) The living-room was crowded Das Wohnzimmer war bis an Das Wohnzimmer war bis an to the doors with a set of die Türen vollgestellt mit einer die Türen mit einer Garnitur tapestried furniture entirely too Garnitur viel zu großer viel zu großer Polstermöbel large for it, so that to move Polstermöbel mit vollgestellt, so daß man auf about was to stumble Gobelinmuster, so daß man Schritt und Tritt über Szenen continually over scenes of sich nicht im Raum bewegen mit schaukelnden Damen im ladies swinging in the gardens konnte, ohne andauernd über Park von Versailles stolperte. of Versailles. Rokokoszenen mit schaukelnden Damen im Park von Versailles zu stolpern. Auffällig bei diesen Textbeispielen ist der Unterschied hinsichtlich der Länge. Dieser Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass Schürenberg Informationen für die Leserinnen und Leser hinzufügt. Im englischen Original werden die Muster der Polstermöbel nicht näher definiert, Schürenberg hingegen fügt sowohl „mit Gobelinmuster“,5 als auch „Rokokoszenen“ hinzu. Es kommt deutlicher als im Original zum Ausdruck, dass bei den „schaukelnden Damen im Park von Versailles“ der Druck der Polstermöbel gemeint ist. Da Schürenberg hier einerseits Informationen hinzufügt, andererseits aber verbalisiert, was von den Leserinnen und Lesern des Originals erschlossen werden muss, kommt es hier sowohl zu einem information change als auch zu explicitation. In Ü2 sowie im Original wird es der Leserin bzw. dem Leser im Vergleich zu Ü1 schwerer gemacht, die Verbindung zwischen den Polstermöbeln und den „schaukelnden Damen“ herzustellen.

5 Der Duden definiert „Gobelin“ als „Wandteppich mit eingewirkten Bildern“ (Duden [o.J.b]) 82

Durch die Hinzufügungen und Veränderungen in Ü1 wirkt Ü2 im direkten Vergleich eher prägnant, eine Eigenschaft, die auch dem Original zugeschrieben werden kann.

Aus dem Textsegment „so that to move about was to stumble continually over scenes of ladies swinging in the gardens of Versailles” wurde bei Schürenberg eine verneinende Aussage („so daß man sich nicht im Raum bewegen konnte, ohne […]“). Diese Übersetzung hat gleichzeitig wieder erklärenden Charakter. Auch bei Ü2 kann in Bezug auf diese Passage nicht von literal translation gesprochen werden: „continually“ wird mit „auf Schritt und Tritt“ übersetzt (unit shift) und durch die Verwendung der Konjunktion „so daß“ verändert sich die Satzstruktur geringfügig.

Textbeispiel 11 Nick ist auch bei diesem Beispiel noch gemeinsam mit Tom und weiteren Gästen in der Toms Wohnung in New York. Die Gesellschaft trinkt Alkohol und für Nick, der in seinem Leben selten Alkohol konsumiert hat, wirkt die Situation unwirklich und er hat das Bedürfnis, nach Hause zu gehen, da er sich in dieser Situation und in Gesellschaft dieser Menschen nicht wohl fühlt. Zunächst spricht er noch mit Myrtles Schwester, doch plötzlich fällt ihm der Himmel draußen vor dem Fenster auf.

O (S.34) Ü1 (S.52f.) Ü2 (S.) The late afternoon sky Für einen Augenblick stand Einen Augenblick lang bloomed in the window for a der abendliche Himmel im leuchtete der moment like the blue honey of Fenster wie der Azur des Spätnachmittagshimmel wie the Mediterranean – then the Mittelmeers – dann rief mich der blaue Honig des shrill voice of Mrs. McKee das schrille Organ von Mrs. Mittelmeers im Fenster – dann called me back into the room. McKee in die Wirklichkeit des rief mich die schrille Stimme Raumes zurück. Mrs. McKees ins Zimmer zurück. Sowohl Schürenberg als auch Abarbanell entschlossen sich dazu, Änderungen in der Reihenfolge vorzunehmen und den Satz mit „Für einen Augenblick“ bzw. „Einen Augenblick lang zu beginnen“. Diese kleine Veränderung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Rezeption des Textes. Zu einer inhaltlichen Veränderung kommt es jedoch in Ü1 an der Stelle „der abendlichen Himmel“, da im Original „late afternoon sky“ verwendet wird. Diese Übersetzungslösung kann der Kategorie information change zugeordnet werden, da sie sehr weit vom Original abweicht und nicht der gesamte Inhalt des originalsprachlichen Segmentes wiedergegeben wird. Abarbanells transposition „Spätnachmittagshimmel“ wirkt zwar beim Lesen länger als seine englische Entsprechung,

83 gibt aber den Inhalt des Originals adäquat wieder.

Bei der nächsten unterstrichenen Stelle wird Fitzgeralds Stil wieder besonders gut deutlich: Er vergleicht den Himmel mit „blue honey of the Mediterranean“, ein Vergleich der erstens inmitten des Gesprächs zwischen Nick und Myrtles Schwester sehr abrupt kommt, und zweitens durch das Wort „honey“ sehr ungewöhnlich ist. In Ü2 wird der Vergleich in gleicher Art und Weise wie im Original wiedergegeben, in Ü1 jedoch kommt es mit „Azur des Mittelmeers“ zu einem trope change. Schürenberg lässt Fitzgeralds außergewöhnliches „blue honey“ als bildhafte Beschreibung für das Mittelmeer weg und verwendet stattdessen „Azur“ als Farbe. Dieser trope change gehört demnach zur dritten von Chesterman beschriebenen Art.

Nick fühlt sich in seiner Situation nicht wohl und seine Gedanken schweifen ab. Abarbanells Übersetzung „dann rief mich die schrille Stimme Mrs. McKees ins Zimmer zurück“ entspricht dem Original „then the shrill voice of Mrs. McKee called me back into the room” gänzlich und Abarbanells Tendenz zur Strategie literal translation wird abermals deutlich. Schürenberg entschloss sich dazu, die Textpassage „in die Wirklichkeit des Raumes“ hinzuzufügen. Dies könnte als information change gesehen werden, da er den Satz um diese Passage erweitert. Gleichzeitig kann bei dieser Veränderung aber auch argumentiert werden, dass es sich um explicitation handelt, da Nicks Abschweifen, sein „Abtauchen“ in die Welt vor dem Fenster der Leserin bzw. dem Leser von Ü1 durch Schürenbergs Zusatz verdeutlicht wird. Im Original und in Ü2 wird auf dieses erklärende Element verzichtet und die Leserin bzw. der Leser muss eher erschließen, dass Nick völlig in Gedanken versunken ist.

Textbeispiel 12 In diesem Textbeispiel wird zum ersten Mal im Roman eine von Gatsbys Partys beschrieben.

O (S.40) Ü1 (S.60f.) Ü2 (S.55) The last swimmers have come Mittlerweile sind die letzten Inzwischen sind auch die in from the beach now and are Schwimmer vom Strand herein letzten Schwimmer vom Strand dressing up-stairs; the cars und oben beim Umkleiden. zurück und machen sich im from New York are parked Auf dem Vorplatz parken, in oberen Stockwerk zurecht; die five deep in the drive, and fünf Reihen gestaffelt, die Wagen aus New York parken already the halls and salons Wagen aus New York. Und in Fünferreihen vor dem Haus, and verandas are gaudy with schon wogt es in grellbunter und schon leuchten die Säle primary colors, and hair shorn Farbenskala durch die Hallen, und Salons und Veranden vor in strange new ways, and Salons und Veranden. Man satten Farben und seltsamen 84 shawls beyond the dreams of sieht neuartig gestutzte neuen Haarschnitten und Castile. Bubiköpfe und spanische Schals, von denen man in Schals, vor denen alle Träume Kastilien nur träumt. Kastiliens verblassen. Das gesamte Textbeispiel besteht im Original und in Ü2 aus nur einem Satz, der durch einen Strichpunkt und einen Beistrich unterteilt ist. In Ü1 hingegen wird dieselbe Textpassage in drei Sätzen wiedergegeben (unit shift).

Eine Besonderheit in diesem Textbeispiel ist die von Fitzgerald gewählte Art der Aufzählung, die in „and already the halls and salons and verandas“ sichtbar wird. Die Verwendung von mehreren „and“ bei Aufzählungen ist unüblich und betont, dass viele verschiedene Räumlichkeiten aufgezählt werden. Abarbanell folgt Fitzgeralds Original in dieser Hinsicht. Schürenberg lässt in seiner Übersetzung ein „and“ weg (cohesion change), was ein emphasis change zur Folge hat, da die besondere Hervorhebung der großen Anzahl der Räumlichkeiten und damit des luxuriösen Anwesens wegfällt.

Bei der Übersetzung des Textsegments „The last swimmers have come in from the beach now and are dressing up-stairs” fügten beide ÜbersetzerInnen ein „mittlerweile“ bzw. „inzwischen“ hinzu, um den Satz in seine Umgebung einzugliedern (cohesion change). Im Folgenden entfernt sich Ü2 leicht vom Original, da das Verb „to dress“ mit „zurechtmachen“ übersetzt wird (synonymy).

Bei der Übersetzung des Wortes „gaudy“6 kommt es ebenfalls zu Veränderungen. Während Schürenberg mit seiner Übersetzung „grellbunt[…]“ auch ansatzweise das Negative, das das englischen Wort ausdrückt, wiedergibt, wird diesem Aspekt in Abarbanells Übersetzung („satte[…] Farben“) keine Aufmerksamkeit geschenkt (information change). Im Original werden die Beobachtungen von Nick folgendermaßen dargestellt: „[…] verandas are gaudy with primary colors, and hair shorn in strange new ways, and shawls“, wobei „gaudy with“ sich hier sowohl auf die Farben als auch auf die Frisuren und Schals bezieht. In Ü1 wird diese Stelle unterteilt und der zweite Teil des Satzes mit „Man sieht neuartig gestutzte Bubiköpfe und spanische Schals“ übersetzt. Dieser bereits erwähnte unit shift und die Hinzufügung von „Man sieht“ (explicitation) bewirken, dass sich diese Textstelle in Ü1 nicht mehr so ungewöhnlich liest wie im Original. Schürenbergs Hinzufügung des Adjektivs „spanische“, die als explicitation gewertet werden kann, macht es der Leserin bzw. dem Leser leichter, eine Verbindung

6 Das MacMillan Dictionary definiert „gaudy“ folgendermaßen: „brightly coloured and ugly, or of bad quality” (MacMillan Dictionary [o.J.e]) 85 zwischen den Schals und Spanien herzustellen.

In Ü1 kommt es bei diesem Beispiel zu einer weiteren nicht unbedeutenden Veränderung: Das Textsegment „hair shorn in strange new ways“ wird mit „neuartig gestutzte Bubiköpfe“ übersetzt. Schürenberg hielt es hier für notwendig, die deutschen Leserinnen und Leser aufzuklären, um welche Art von Frisur es sich handelt (explicitation). Dadurch ruft er den Leserinnen und Lesern vermutlich gleichzeitig in Erinnerung, dass sich die Geschichte des Romans in den 1920er Jahren in den USA abspielt, da der Bubikopf als typischer Damenhaarschnitt dieser Zeit Bekanntheit erlang (Breuss 2009). Das Original und Ü2 überlassen es den Leserinnen und Lesern zu erschließen, auf welche Frisur mit „hair shorn in strange new ways“ bzw. „seltsamen neuen Haarschnitten“ angespielt wird.

Bei der Beschreibung der Schals, die in Fitzgeralds Original als „beyond the dreams of Castile“ bezeichnet werden, sind in den Übersetzungen ebenfalls Veränderungen zu entdecken. Beide ÜbersetzerInnen entscheiden sich für eher freie Übersetzung, wobei in beiden Versionen die Referenz „Traum“ erhalten bleibt.

Textbeispiel 13 Nick ist noch immer auf Gatsbys Party. Einen Moment lang jedoch zieht er sich von dem Trubel zurück und lässt seinen Blick über das Meer schweifen.

O (S.47) Ü1 (S.71) Ü2 (S.63) The moon had risen higher, Der Mond war höher gestiegen Der Mond war höher and floating in the Sound was a und warf sein silbrig geklettert, und auf dem Sund triangle of silver scales, glitzerndes Gitterdreieck auf trieb ein Dreieck aus silbernen trembling a little to the stiff, den Sund, das leise erbebte, Schuppen und zitterte leise zu tinny drip of banjos on the law. wenn der eigensinnige dem steifen, blechernen blechernen Ton der Banjos auf Getröpfel der Banjos auf dem dem Rasen darüberhin Rasen. tröpfelte. Dass es sich bei dem „triangle of silver scales“, das auf dem Sund treibt, um den Schein des Mondes handelt, wird im Original nicht explizit ausgedrückt. Das Steigen des Mondes und das Dreieck sind zwei voneinander unabhängige Beobachtungen, die die Leserinnen und Leser erst miteinander verknüpfen müssen. In Ü2 wird diese Besonderheit des Satzes auf gleiche Art und Weise wiedergegeben, während sie in Ü1 durch die Übersetzung „der Mond […] warf sein silbrig glitzerndes Gitterdreieck auf den Sund“ nicht sichtbar ist. Schürenberg wählte hier die Strategie explicitation. In Ü1 wird außerdem die Bezeichnung „Gitterdreieck“ verwendet und die „scales“ werden nicht erwähnt. Die Formulierung „ein

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Dreieck aus silbernen Schuppen“ in Ü2 zeigt, dass versucht wurde, das Syntagma „a triangle of silver scales“ (literal translation) möglichst gleichwertig ins Deutsche zu übertragen. Dieselbe Strategie wurde im letzten Teil des Textbeispiels angewendet: „zu dem steifen, blechernen Getröpfel der Banjos auf dem Rasen“. In Ü1 kommt es an dieser Stelle zu einem transposition, da das Substantiv „drip“ im Deutschen als „tröpfelte“ wiedergegeben wird.

Textbeispiel 14 Gatsby fährt in seinem auffälligen Wagen zu Nick, um ihn zu einem Mittagessen in New York abholen. Nick kann seinen Blick nicht von dem Wagen lösen, worauf Gatsby ihn fragt, ob er den Wagen noch nicht gesehen habe.

O (S.64) Ü1 (S.95f.) Ü2 (S.84) I’d seen it. Everybody had Natürlich kannte ich ihn. Wer Doch, das hatte ich. Alle hatten seen it. It was a rich cream hätte ihn nicht gekannt! Es war es gesehen. Es war satt color, bright with nickel, ein pompöser, cremefarben mit glänzenden swollen here and there in its elfenbeinfarbiger Wagen mit Nickelteilen, an dieser und monstrous length with glänzenden Nickelbeschlägen; jener Stelle seiner monströsen triumphant hat-boxes and ein Monstrum an Länge, Länge von triumphalen supper-boxes and tool-boxes, mannigfach ausgebuchtet durch Hutfächern und and terraced with a labyrinth Hutkoffer, Picknickkoffer, Proviantfächern und of wind-shields that mirrored a Werkzeugkoffer und mit einem Werkzeugfächern geschwellt dozen suns. Sitting down gläsernen Labyrinth von und mit einem Labyrinth aus behind many layers of glass in Windschutzscheiben, in denen Windschutzscheiben versehen, a sort of green leather sich die Sonne dutzendfach in denen sich ein Dutzend conservatory, we started to spiegelte. Wir nahmen hinter Sonnen spiegelten. Wir setzten town. den vielen Glaswänden in einer uns hinter vielen Wänden aus Art von grünem Lederfutteral Glas in eine Art grünen Leder- Platz und starteten zu unserer Wintergarten und machten uns Fahrt in die Stadt. auf den Weg in die Stadt. Dem Wagen wird sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet und aus dem englischen Original geht besonders hervor, dass es sich um ein sehr auffälliges Auto handelt. Dies ist für den weiteren Verlauf der Geschichte insofern wichtig, als Myrtles Mann Gatsby nur ausfindig machen kann, weil dieses Auto am Unfallort gesehen wurde. Die Textpassage betont einerseits Gatsbys Reichtum und den Luxus, den er sich leisten kann, andererseits regt sie die Leserinnen und Leser dazu an, sich den Wagen, der später in der Geschichte so wichtig wird, bildlich vorzustellen und zeigt Fitzgeralds Sorgfalt in der Planung des Romans.

Bereits bei den ersten beiden Sätzen der Textpassage weisen die Übersetzungen Unterschiede auf. „I’d seen it“ ist die Antwort auf Gatsbys Frage „Haven’t you ever seen it before“ und durch ihre Kürze und Prägnanz hebt sie sich von dem sie umgebenden Text

87 hervor und gewinnt an Nachdruck. Diese Aussage wir sowohl in Ü1 (durch „natürlich“) als auch in Ü2 (durch „doch“) eher in den umgebenden Text eingefügt und wirkt nicht mehr so isoliert. Beim nächsten Satz „Everybody had seen it“ entschloss sich Schürenberg dazu, ihn in einen Ausruf umzuwandeln, was ein illocutionary change bedeutet. Abarbanell produzierte hier eine literal translation.

Bei der Beschreibung der Farbe des Wagens ist ein Unterschied erkennbar. Im Original bezieht sich das „rich“ in „It was a rich cream color“ auf die Farbe des Wagens. Durch Schürenbergs Formulierung „Es war ein pompöser, elfenbeinfarbiger Wagen“, in der sich „pompös“ auf das Auto selbst bezieht, wird die Aussage des Satzes verändert. Wieder ist Ü2 mit „Es war satt cremefarben“ näher am Original.

Bei „triumphant hat-boxes“ handelt es sich um eine äußerst ungewöhnliche Verbindung von Adjektiv und Substantiv, die als durchaus typisch für Fitzgerald bezeichnet werden kann. Abarbanell entschloss sich dazu, Fitzgeralds eigenwillige Kombination im Deutschen als „triumphale[…] Hutfächer[…]“ zu übersetzen und bleibt dabei sehr nahe am Original (literal translation). Schürenberg hingegen lässt in seiner Übersetzung das „triumphant“ weg (information change). Zudem greift Schürenberg auch bei der Stelle „that mirrored a dozen suns“ in den Text ein. Wird Schürenbergs „in denen sich die Sonne dutzendfach spiegelte“ direkt mit Abarbanells „in denen sich ein Dutzend Sonnen spiegeln“ verglichen, wird abermals ersichtlich, dass Ü2 näher am Original ist. In ersterem Fall ist es eine Sonne, die mehrmals reflektiert wird, im zweiten Fall sind es viele Sonnen, die sich auf der Scheibe des Autos spiegeln, es kommt somit zu einem phrase structure change. Bei der Übersetzung von „a sort of green leather conservatory“7 entschied sich Abarbanell für „eine Art grüne[r] Leder-Wintergarten“ (literal translation) und es kommt zu keinen größeren Veränderungen. Durch Schürenbergs Ausweichen auf „Lederfutteral“ erzeugt die Textstelle nicht dasselbe Bild wie das Original bei den Leserinnen und Lesern. Die Formulierung, die Schürenberg verwendet, ist als eher neutral und unauffällig zu bezeichnen, während Fitzgeralds „green leather conservatory“ ungewöhnlich für die Beschreibung des Innenraums eines Autos und deswegen sehr überraschend ist. Bei Schürenbergs Übersetzung kommt es zu einem information change, da „conservatory“ gar nicht übertragen wird. Grundsätzlich kann diese Übersetzung aber auch als paraphrase gewertet werden, da sie als sehr frei und in Chestermans Worten als „undertranslated“

7 Im MacMillan Dictionary wird „conservatory“ wie folgt definiert: „ a room with glass walls and a glass roof, built next to a house and used for relaxing in or for growing plants” (MacMillan [o.J.f]) 88

(Chesterman 2000:104) bezeichnet werden kann.

Textbeispiel 15 Jordan, die Daisy schon seit ihrer gemeinsamen Kindheit kenn, erzählt Nick von dem Tag, an dem das Hochzeitsdiner von Daisy und Tom stattfand.

O (S.77) Ü1 (S.113) Ü2 (S.98) I came into her room half an Eine halbe Stunde vor dem Als ich eine halbe Stunde vor hour before the bridal dinner, Hochzeitsdiner kam ich in ihr dem Hochzeitsdiner in ihr and found her lying on her bed Zimmer und fand sie auf dem Zimmer kam, lag sie in ihrem as lovely as the June night in Bett liegend, traumhaft schön geblümten Kleid auf dem Bett, her flowered dress – and drunk in ihrem blumenübersäten schön wie die Juninacht – und as a monkey. Brautkleid – und sinnlos blau wie eine Strandhaubitze. betrunken. Schürenberg stellt „eine halbe Stunde“ an den Anfang des Satzes, orientiert sich aber ansonsten stark an der Satzstruktur des Originals („fand sie auf dem Bett liegend“). Ebenfalls behält er den Gedankenstrich gegen Ende des Satzes bei. In Ü2 hingegen kommt es auf syntaktischer Ebene zu kleineren Veränderungen, da hier ein Hauptsatz zu einem Nebensatz wird (sentence structure change).

Unabhängig davon kommt es in Ü1 auf inhaltlicher Ebene zu größeren Veränderungen. Fitzgeralds Vergleich „as lovely as the June night“ wird von Schürenberg vereinfacht als „traumhaft schön“ übersetzt. Diese Übertragung kommt einer paraphrase gleich, da sie eine sehr freie Interpretation des Originals darstellt. Abarbanell entscheidet sich hier wieder für die Strategie literal translation. Eine weitere Veränderung lässt sich bei Schürenbergs Übersetzung von “dress” erkennen. Er geht davon aus, dass es sich hier um Daisys Brautkleid handelt. Aus dem Original ist dies allerdings nicht herauszulesen und durch Schürenbergs Annahme kommt es zu einem information change.

Besonders ins Auge sticht der Unterschied bei der Übersetzung von „drunk as a monkey“. Schürenberg übersetzt dieses Segment eher neutral mit „sinnlos betrunken“. Abarbanell tauscht die englische Redewendung gegen eine deutsche Entsprechung aus („blau wie eine Strandhaubitze“). In beiden Fällen handelt sich es um ein trope change, jedoch unterschiedlicher Art. Während in Abarbanells Übersetzung das figurative Element erhalten bleibt, jedoch anders als im Original realisiert wird, fällt es in Ü1 ganz weg.

In Verbindung mit diesem trope change wird auch ein scheme change sichtbar: Beim Lesen des Originals kommt der Parallelismus „lovely as the June night […] – drunk as a monkey“ stark zur Geltung. Während dieses Schema von Abarbanell in sehr ähnlicher Art 89 und Weise übertragen wird („schön wie die Juninacht – und blau wie eine Strandhaubitze“), ist es in Ü1 nicht erkennbar.

Textbeispiel 16 Jordan hat Nick erzählt, wie Daisy und Gatsby sich in ihrer Jugend kennengelernt haben. Es ist eine romantische Geschichte, und es wird deutlich, dass die Umstände der damaligen Zeit verhindert haben, dass Gatsby und Daisy ein Paar werden. Nick erinnert sich an den Moment zurück, als er Gatsby zum ersten Mal gesehen hat: Gatsby stand am Ufer vor seinem Haus und streckte die Arme voller Sehnsucht nach oben. Nun sieht Nick den Grund für dieses Verhalten.

O (S.79) Ü1 (S.117) Ü2 (S.101) Then it had not been merely Also hatte er in jener Juninacht, Dann waren es also nicht nur the stars to which he had als ich ihn zuerst sah, doch die Sterne gewesen, nach aspired on that June night. He nicht seine Hände sehnsüchtig denen er in jener Juninacht came alive to me, delivered zu den Sternen erhoben. Er gegriffen hatte. Er wurde suddenly from the womb of his stand mir jetzt ganz deutlich plötzlich lebendig für mich, purposeless splendor. vor Augen, befreit von dem aus dem Schoß seines Nimbus sinnloser sinnlosen Reichtums Prachtentfaltung. entbunden. Nick erkennt in diesem Moment, dass Gatsby sich nicht nach der Sternennacht, sondern nach Daisy gesehnt hat, die auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht lebt. Auf der Ebene der Syntax kommt es in Ü2 zu keiner Veränderung: Abarbanell überträgt die Satzstruktur des Originals soweit, wie es in der deutschen Sprache möglich ist. In Ü1 wird die Satzstruktur verändert, indem unter anderem die Anordnung der Informationen im Satz geändert wird. Schürenberg erweitert seine Übersetzung von „aspired on“8 mit einem „sehnsüchtig“ um die Bedeutung vollständig wiederzugeben. Diese Vorgehensweise kann als distribution change bezeichnet werden, da Schürenberg die Bedeutung auf mehrere Elemente aufteilt. Zudem fügt Schürenberg bei diesem Satz „als ich ihn zuerst sah“ hinzu und weist damit explizit auf das erste Mal hin, als Nick Gatsby vor seinem Haus erblickte. Der Hinweis auf dieses Ereignis (welches im Buch über 50 Seiten vorher beschrieben wird) wird im Original und in Ü2 nur durch die Demonstrativpronomen „that“ in „on that June night“ bzw. „jener“ in „in jener Juninacht“ ausgedrückt. Schürenberg hielt es hier also für notwendig, die Strategie explicitation anzuwenden.

8 Im MacMillan lautet die Definition von „aspire“ folgendermaßen: “to want to achieve something or to be successful, especially in your career” (MacMillan Dictionary [o.J.g]); bei Cambridge Dictionaries Online liegt der Fokus eher auf dem Wunsch, etwas zu besitzen: “to have a strong wish or hope to do or have something” (Cambridge Dictionaries Online [o.J.]). 90

Die Passage „He came alive to me“ wurde von Abarbanell in Ü2 mit „Er wurde plötzlich lebendig für mich“ wieder sehr nah am Original übersetzt, sie fügt lediglich ein „plötzlich“ hinzu, das im Ausgangstext an dieser Stelle nicht vorhanden ist. Das Partikel „suddenly“ kommt im Original erst im zweiten Satzteil vor. Durch Abarbanells Vorziehen dieses Elementes verändert sich hier zwar unter genauer Betrachtung der Fokus geringfügig, die Aussage des gesamten Satzes bleibt aber erhalten, sodass kaum oder nur begrenzt von einem emphasis change gesprochen werden kann. In Ü1 hingegen kommt es zu einer größeren Veränderung: Schürenberg übersetzt den ersten Teil dieses Satzes mit „Er stand mir jetzt deutlich vor Augen“, eine Übersetzung, die als paraphrase zu bezeichnen ist, da diese Passage sehr frei interpretiert wird. Auch im zweiten Teil dieses Satzes weicht Schürenberg stark vom Original ab. Das Bild, das Fitzgerald mit „delivered suddenly from the womb of his purposeless splendor” erzeugt, wird nicht als solches übertragen, sondern im Rahmen der Strategie paraphrase neu geschrieben.

Bei Abarbanell kommt es bei dieser Stelle zu einem trope change, jedoch bleibt Fitzgeralds Trope in ihrer Übersetzung erhalten und wird lediglich leicht verändert. Mit der Übersetzung „aus dem Schoß […] entbunden“ greift sie trotz Veränderungen auf der Ebene der Lexik auf dasselbe Bild, auf dasselbe „source of image“ (Chesterman 2000:106) zurück. Die semantische Verbindung, die im Original zwischen dem ersten Teil des Satzes „He became alive to me“ und „delivered suddenly from the womb of his purposeless splendor“ besteht und das Bild „Geburt“ hervorruft, bleibt in Ü2 erhalten.

Textbeispiel 17 Es ist das erste Treffen zwischen Gatsby und Daisy, nachdem sie sich jahrelang nicht gesehen haben. Nick hat Daisy auf Gatsbys Wunsch zum Tee zu sich eingeladen, zu dem dann auch Gatsby kommt. Gatsby ist im Vorhinein schon sehr nervös und trifft aufwändige Vorbereitungen. Als Daisy dann da ist, ist die Situation zunächst beklemmend und weder Daisy noch Gatsby oder Nick wissen, was sie sagen sollen. Diese unangenehme Situation spiegelt sich auch in Nicks Gesicht wieder.

O (S.87) Ü1 (S.128) Ü2 (S.111) My own face had now Mein Gesicht hatte inzwischen Mein Gesicht hatte inzwischen assumed a deep tropical burn. eine tiefdunkle Röte die Farbe eines tropischen angenommen. Sonnenbrands angenommen.

In diesem kurzen Textbeispiel wird ein Unterschied zwischen den Übersetzungen sofort

91 deutlich: Während in Ü2 den „tropischen Sonnenbrand“ aus dem Original übernommen wurde, griff Schürenberg in Ü1 zu der Beschreibung „tiefdunkle Röte“. Hier kommt es einerseits auf der Ebene der pragmatic strategies zu einem information change, da der „Sonnenbrand“ in dieser Version keine Erwähnung findet, gleichzeitig auf der Ebene der semantic strategies auch zu einem trope change, da ebendieses figurative Element ausgelassen wird.

Doch auch Abarbanell hielt es für notwendig, Fitzgeralds Satz in ihrer Übersetzung leicht zu verändern, indem sie „die Farbe eines tropischen Sonnenbrands“ verwendet und somit ausdrückt, dass sich der Vergleich auf die Farbe des Gesichts bzw. des Sonnenbrands bezieht. Auf diese Weise wurde die Strategie explicitation anwendet.

6.2.3 Dialoge und Beschreibung der Beziehungen zwischen den Figuren

Wie bereits aus Kapitel 4 hervorging, handelt es sich bei The Great Gatsby um einen Roman, in denen Gefühle – vor allem jene, die Gatsby für Daisy hegt – aber auch Beziehungen zwischen weiteren Figuren eine wesentliche Rolle spielen. Dieses Kapitel dient dazu, zu untersuchen, wie diese Gefühle und Beziehungen in den Übersetzungen wiedergegeben werden.

Textbeispiel 18 Dieses Textbeispiel befindet sich noch relativ weit am Anfang des Romans. Nick ist eben erst nach New York gezogen und kennt außer Tom und Daisy Buchanan fast niemanden in der Stadt. An dieser Stelle wird bereits auf Tom und Daisys Leben, ihren Wohlstand und ihr Umhertreiben von einem Ort zum anderen eingegangen. Nun haben sie sich in New York niedergelassen und Nick zum Essen eingeladen.

O (S.6) Ü1 (S.15) Ü2 (S.17f.) And so it happened that on a An einem warmen und Und so kam es, daß ich eines warm windy evening I drove windigen Tag fuhr ich also warmen windigen Abends nach over to East Egg to see two old gegen Abend hinüber nach East Egg hinüberfuhr, um zwei friends whom I scarcely knew East Egg, um die beiden zu alte Freunde zu besuchen, die at all. besuchen. Wir waren alte ich eigentlich kaum kannte. Freunde, und doch kannten wir uns im Grunde kaum. Dies ist der Moment, mit dem die ganze Geschichte beginnt und von Anfang an macht Nick durch diese Aussage seine Position gegenüber den Protagonistinnen und Protagonisten deutlich: Er sieht sich nicht als Teil dieser Gesellschaft, sondern hat

92 lediglich die Rolle eines Beobachters. Dieser Abstand, der zwischen ihm und den anderen Figuren geschaffen wird, bleibt im Laufe der gesamten Geschichte erhalten.

Bei diesem Textbeispiel lassen sich in der Satzstruktur Veränderungen feststellen. Während Abarbanell mit ihrem Anfang „Und so kam es, daß“ dem Satzbau des Orginals folgt, verzichtet Schürenberg auf die Übertragung dieses Segmentes und stellt die Verbindung zum Vorhergegangenen durch ein einfaches „also“ her (cohesion change). Eine weitere Veränderung in Ü1 ist die Aufteilung des Satzes in zwei (unit shift). Dieser unit shift hat in Verbindung mit der Hinzufügung von „wir waren [alte Freunde]“ auch weitere Auswirkungen: Die im Original durch den Relativsatz „whom I scarcely knew at all“ bedingte Prägnanz dieser Passage wird nicht in die Übersetzung übertragen.

Textbeispiel 19 Nick ist zu Besuch bei den Buchanans und hat dort Jordans Bekanntschaft gemacht, die sich aber bereits schlafen gelegt hat. Daisy scherzt, dass sie Nick und Jordan verkuppeln will, damit Jordan jemanden hat, der auf sie achtet. Nick ist die Situation etwas unangenehm.

O (S. 20) Ü1 (S.33) Ü2 (S.33) “Is she from New York?” I „Ist sie aus New York?“ fragte „Kommt sie aus New York?“ asked quickly. ich rasch. fragte ich schnell. “From Louisville. Our white „Aus Louisville. Dort „Aus Louisville. Wir haben girlhood was passed together verbrachten wir unsere dort unsere weiße Kindheit there. Our beautiful white ––“ Jungmädchenzeit, unsere zusammen verbracht. Unsere herrliche Jung-“ schöne weiße ˗“ In diesem Textbeispiel ist der auffallendste Unterschied zwischen Ü1 und Ü2 in der Übersetzung von „white girlhood“ zu finden. Wie in Kapitel 4.2 bereits erwähnt wurde, findet sich die Farbe Weiß immer wieder in Fitzgeralds Beschreibungen. Vor allem in Bezug auf Daisy wird die Farbe auffallend häufig erwähnt und auf diese Weise ihre Reinheit, Unschuld und ihr Wohlstand zum Ausdruck gebracht (Samkanashvili [2013]:32). Schürenberg verzichtet in Ü1 darauf, die Farbe Weiß als Beschreibung für Daisys und Jordans Kindheit zu verwenden (information change). Abarbanell hingegen verwendet die Farbe in ihrer Übersetzung in gleicher Art und Weise wie Fitzgerald im Original. Auch bei der Übersetzung von „girlhood“ gehen die ÜbersetzerInnen unterschiedlich vor. Während die Bedeutung des Wortes bei Schürenberg vollständig übertragen wird, lässt Abarbanell hier die Referenz auf die „Mädchenzeit“ weg (information change).

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Auf der Ebene der syntactic strategies nehmen beide ÜbersetzerInnen eine ähnliche Veränderung vor: Aus dem Passivsatz im Original wird in beiden Übersetzungen ein aktiver Satz (clause structure change).

Textbeispiel 20 Diese Textpassage folgt auf das erste Wiedersehen von Daisy und Gatsby. Nachdem sie sich bei Nick getroffen haben, will Gatsby Daisy sein Anwesen zeigen. Er führt sie zunächst durch das Haus, darauf bittet Gatsby jenen Partygast, der inzwischen schon bei ihm eingezogen ist, Klavier zu spielen. Gatsby, Nick und Daisy hören ihm zu und als Nick schlussendlich beschließt, sich zu verabschieden und nach Hause zu gehen, erkennt er in Gatsbys Gesicht Verwirrung, aber auch Glück.

O (S. 97) Ü1 (S.142) Ü2 (S.122) Almost five years! There must Nahezu fünf Jahre! Schon an Nahezu fünf Jahre! Selbst an have been moments even on diesem ersten Nachmittag jenem Nachmittag muß es that afternoon when Daisy mußte es Augenblicke gegeben Augenblicke gegeben haben, in tumbled short of his dreams – haben, in denen Daisy hinter denen Daisy hinter seine not through her own fault, but dem Wunschbild seiner Träume zurückfiel – nicht because of the colossal vitality Träume zurückblieb – nicht durch ihre Schuld, sondern of his illusion. It had gone durch ihre Schuld, sondern weil seine Illusion so kolossal beyond her, beyond lediglich im Verhältnis zu der lebendig gewesen war. Sie everything. He had thrown gewaltigen Spannkraft seiner ging über Daisy, ja eigentlich himself into it with a creative Illusion, die ihn über sie über alles hinaus. Er hatte sich passion, adding to it all the hinausgetragen hatte, ja alles ihr voll schöpferischer time decking it out with every menschliche Maß überstieg. Er Leidenschaft anheimgegeben bright feather that drifted his hatte sich mit einer und immer noch etwas way. No amount of fire or schöpferischen Leidenschaft in hinzugefügt, sie mit jeder freshness can challenge what a diese Illusion gestürzt, hatte leuchtenden Feder man will store up in his immer neue Züge ausgeschmückt, die ihm über ghostly heart. hineingedeutet und ihre Zier den Weg schwebte. Kein Feuer mit jedem bunten Federchen und kein noch so frischer Wind erhöht, das ihm zugeflogen vermag es mit dem war. Alle Glut und lebendige aufzunehmen, was ein Mann in Frische reichten nicht aus, es seinem gespenstischen Herzen mit den himmelstürmenden bewahrt. Traumgebilden aufzunehmen, deren ein Männerherz fähig ist. In Ü1 werden der zweite und dritte Satz des Textbeispiels im Original als ein Satz wiedergegeben (unit shift). Abarbanell folgt in dieser Hinsicht dem Original und übersetzt „It had gone beyond her, beyond everything“ als eigenständigen Satz („Sie ging über Daisy, ja eigentlich über alles hinaus“).

Bei der Übersetzung von „Daisy tumbled short of his dreams“ kommt es bei Schürenberg zu einer Hinzufügung: Er überträgt den Satz als „[…] Daisy hinter dem Wunschbild seiner

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Träume zurückblieb“, was in diesem Fall der Strategie explicitation zugeordnet werden kann, die den Leserinnen und Lesern noch einmal verdeutlicht, dass Gatsby eine Idealvorstellung von Daisy hat, die nicht der Wahrheit entspricht.

Die Textstelle „but because of the colossal vitality of his illusion” wird in Abarbanells Übersetzung folgendermaßen wiedergegeben: „sondern weil seine Illusion so kolossal lebendig gewesen war“. Feststellbar ist hier einerseits ein transposition („colossal vitality“, wurde zu „kolossal lebendig“), andererseits ein unit shift, da eine Nominalphrase als Nebensatz übersetzt wurde. Zu beachten ist hier, dass sich hinsichtlich der syntactic strategies Veränderungen ergeben, der Inhalt jedoch vollständig wiedergegeben wird. Durch die Verwendung des Wortes „kolossal“, verstärkt sich der Eindruck, dass sich Abarbanell bewusst stark an dem Original orientiert hat. Anders ist dies in Ü1: Schürenbergs Übersetzung „sondern lediglich im Verhältnis zu der gewaltigen Spannkraft seiner Illusion“ kommt einem paraphrase gleich, in der er sein Verständnis des Originals wiedergibt und dabei weit von Original abweicht.

Die Übersetzung des Satzes „It had gone beyond her, beyond everything” zeigt weitere Veränderungen auf. Neben dem bereits erwähnten unit shift kommt es in Ü1 mit „die ihn über sie hinausgetragen hatte, ja alles menschliche Maß überstieg“ abermals zu einem paraphrase. In Ü2 wird der Satz mit „Sie ging über Daisy, ja eigentlich über alles hinaus“ übersetzt und beinhaltet somit ein cohesion change, da anstatt des Personalpronomens „Daisy“ verwendet wird sowie ein emphasis change, da durch die Hinzufügung von „ja eigentlich“ die Aussage abgeschwächt wird.

Im darauffolgenden Satz “He had thrown himself into it with a creative passion, adding to it all the time decking it out with every bright feather that drifted his way” wird das Pronomen „it“ in Ü1 durch „Illusion“ ersetzt, was zu einem cohesion change führt, der den Leserinnen und Lesern verdeutlicht, dass sich die Aussagen immer noch auf Gatsbys Vorstellung beziehen. In Ü2 wird, wie im Original, das Pronomen verwendet.

Auch bei der Übertragung des Satzes “No amount of fire or freshness can challenge what a man will store up in his ghostly heart” werden große Unterschiede deutlich. Bei der Übersetzung des ersten Teils des Satzes verneint Schürenberg das Verb, während in Ü2 und im Original die Substantive am Anfang des Satzes negiert werden. Wird die Syntax dieses Satzes genauer betrachtet, lässt sich weiter feststellen, dass Ü2 der Anordnung der Informationen im Original folgt und Fitzgeralds Satzstruktur beibehält.

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Zu erwähnen ist hier ebenfalls, dass Schürenberg „fire“ mit „Glut“ (synonymy) und „freshness“ mit „lebendige Frische“ (information change) übersetzt. Bei der Übersetzung von „freshness“ kommt es auch in Ü2 zu einer Veränderung: Abarbanell übersetzt dieses Element mit „frischer Wind“ konkreter als das Original (abstraction change).

Besonders auffallend in diesem Textbeispiel sind die „himmelstürmenden Traumgebilde[…]“ (information change), die Schürenberg verwendet, um Gatsbys Hoffnungen und Vorstellungen auszudrücken. Diese werden im Original und in Ü2 nicht als solche beschrieben, bzw. wird auf sie durch das Pronomen „what“ bzw. „was“ referenziert. In weiterer Folge wird in Ü1 „store up in his ghostly heart“ zu „deren ein Männerherz fähig ist“ (paraphrase). Während Abarbanell mit ihrer Übersetzung von „ghostly heart“ als „gespenstische[…] Herz“ das Original wortgetreu wiedergibt, kommt „ghostly” in Schürenbergs Übersetzung nicht vor (information change).

Textbeispiel 21 Gatsby und Nick sind bei den Buchanans zu Gast. Es ist jener Nachmittag, an dem Gatsby Tom von sich und Daisy erzählen will. Tom betritt den Raum und begrüßt die Gäste.

O (S.116) Ü1 (S.172) Ü2 (S.146) “Mr. Gatsby!“ He put out his „Mr. Gatsby!” Er streckte ihm „Mr. Gatsby!“ Mit gut broad, flat hand with well- mit gut geheuchelter verhohlener Abneigung concealed dislike. “I’m glad to Freundlichkeit seine große, streckte er seine breite Hand see you, sir… Nick…” breite Hand hin. „Sehr erfreut, aus. „Es freut mich, Sie zu Sie zu sehen … Tag Nick …“ sehen, Sir … Nick…“ In Bezug auf die Satzstruktur kommt es in beiden Übersetzungen zu einer kleinen Veränderung, da sowohl Schürenberg als auch Abarbanell „mit gut geheuchelter Freundlichkeit“ (Ü1) bzw. „Mit gut verhohlener Abneigung“ (Ü2) im Satz vorziehen (clause structure change).

Eine größere Veränderung stellt jedoch Schürenbergs Übersetzung von „with well- concealed dislike“ als „gut geheuchelt[…] Freundlichkeit“, da dies eine Veränderung auf semantischer Ebene bedeutet. Im Original wird hier sehr deutlich ausgedrückt, dass Tom Gatsby nicht leiden kann, sich aber trotz der Abneigung gegen ihn zu benehmen weiß. In Ü1 spielt Tom seinem Gegenüber Freundlichkeit vor, was nicht unbedingt bedeuten muss, dass er Gatsby nicht ausstehen kann. Schürenbergs Übersetzung wirkt durch seine Umformulierung dieses Segmentes und durch das Weglassen von „dislike“ schwächer als das Original (emphasis change). Abarbanell hingegen folgt mit ihrer Übersetzung „Mit gut

96 verhohlener Abneigung“ dem Original und Toms Ressentiment gegen Gatsby ist spürbar.

An der Stelle, wo Tom Nick begrüßt, lässt Schürenberg „sir“ weg, hält es jedoch für notwendig ein „Tag“ einzufügen (information changes). Diese Veränderung erleichtert es den Leserinnen und Lesern, Toms Erwähnung von Nicks Namen als Begrüßung zu erkennen.

Textbeispiel 22 Diese Szene spielt sich gegen Ende des Romans ab. Es ist der Morgen nach der Nacht, in der der Unfall passierte. Gatsby hat die ganze Nacht vor Daisys Haus verbracht, um sie vor Tom zu beschützen. In den Morgenstunden kommt er nach Hause und Nick leistet ihm in seinem großen Haus Gesellschaft, bis es für ihn Zeit ist, zur Arbeit zu fahren.

O (S.154.) Ü1 (S.227) Ü2 (S.190f.) Just before I reached the hedge Doch ehe ich am Zaun war, fiel Kurz bevor ich bei der Hecke I remembered something and mir etwas ein und ich wandte angekommen war, fiel mir turned around. mich rasch um. etwas ein, und ich drehte mich “They’re a rotten crowd,” I „Eine ganz korrupte um. shouted across the lawn. Gesellschaft!“, rief ich ihm „Das ist ein übles Pack“, rief “You’re worth the whole damn quer über den Rasen zu. „Sie ich ihm über den Rasen bunch put together.” sind mehr wert als die ganze hinweg zu. „Sie sind mehr Bande zusammengenommen.“ wert als die ganze verfluchte Bande zusammen.“ Eine kleine Veränderung, die zwar sofort auffällt, den Inhalt des Satzes jedoch nicht weiter verändert, ist Schürenbergs Verwendung von „Zaun“ für „hedge“. Abarbanell verwendet hier „Hecke“ und entscheidet sich damit für das nächstliegende Äquivalent.

In diesem Textbeispiel verwendet Fitzgerald eine durchaus rohe Sprache, um Nicks Abneigung gegen Tom und Daisy auszudrücken. Schürenbergs Übersetzung von „They’re a rotten crowd“ mit „Eine ganz korrupte Gesellschaft“ stellt einerseits durch das Weglassen von „They’re“ eine Änderung auf syntaktischer Ebene dar (cohesion change), andererseits aber auch auf semantischer Ebene, da Schürenberg die Aussage durch seine Wortwahl abschwächt. Durch die Verwendung von „Gesellschaft“ für „crowd“ verschiebt sich außerdem der Fokus und der Satz wirkt eher so, als sei die gesamte wohlhabende Oberschicht und nicht nur Daisy, Tom und Jordan gemeint (abstraction change). Fitzgerald lässt in seinem Text offen, wer als „rotten crowd“ bezeichnet wird. Der Eindruck, dass sich Schürenberg bewusst für eine abschwächende Übersetzung entschied, verstärkt sich im nächsten Satz; in seiner Übersetzung von „You’re worth the wohle damn bunch together“ lässt er „damn“ weg (information change) und bewirkt damit ein emphasis 97 change. In Ü2 wird dieses Element beibehalten mit der Übersetzung „Sie sind mehr wert als die ganze verfluchte Bande zusammen“ wird Nicks Aussage mit derselben Intensität wie im Original wiedergegeben.

Textbeispiel 23 Nicks Geschichte von seinen Erlebnissen im Osten ist bei diesem Textbeispiel bereits erzählt und kurz bevor er in seine Heimat zurückkehrt, fasst er den Eindruck, den er von Daisy und Tom bekommen hat, zusammen.

O (S.180f.) Ü1 (S.265) Ü2 (S.222) They were careless people, Sie waren eben leichtfertige Sie waren leichtfertige Tom and Daisy – they smashed Menschen, Tom und Daisy – Menschen, Tom und Daisy – up things and creatures and sie zerschlugen gedankenlos, sie zerstörten Dinge und then retreated back into their was ihnen unter die Finger Lebewesen, und dann zogen money or their vast kam, totes und lebendes sie sich wieder in ihr Geld oder carelessness, or whatever it Inventar, und zogen sich dann ihre grenzenlose was that kept them together, einfach zurück auf ihren Leichtfertigkeit zurück oder and let other people clean up Mammon oder ihre was immer es war, das sie the mess they had made … grenzenlose Nonchalance, oder zusammenhielt, und ließen was auch immer das andere das Chaos beseitigen, gemeinsame Band sein mochte, das sie angerichtet hatten… das sie so unverbrüchlich zusammenhielt, und überließen es anderen, den Aufwasch zu besorgen… In Schürenbergs Übersetzung „zerschlagen“ Tom und Daisy alles, was in ihre Nähe kommt. Durch diese Wortwahl wird die Brutalität, mit der Tom und Daisy – natürlich im übertragenen Sinn – vorgehen, betont, die auch durch die Verwendung des Partikelverbs „to smash up“9 im Original deutlich wird. Abarbanell hingegen verwendet auf das in diesem Fall schwächere „zerstören“, das zwar denselben Inhalt wiedergibt, jedoch nicht in derselben Intensität (emphasis change).

Fitzgeralds „things and creatures“ wird von Abarbanell wörtlich als „Dinge und Lebewesen“ wiedergeben (literal translation). Schürenberg hingegen verwendet hier mit „totes und lebendes Inventar“ eine ungewöhnlichere Formulierung, die gleichzeitig abstrakter als Fitzgeralds Formulierung ist (abstraction change).

Abarbanells „dann zogen sie sich wieder in ihr Geld oder ihre grenzenlose Leichtfertigkeit zurück“ folgt wieder der Strategie der literal translation. Ebenso wie Fitzgerald, der das

9 Das MacMillan Dictionary definiert “to smash up” folgendermaßen: „to destroy something completely by violently breaking it into many pieces” (MacMillan Dictionary [o.J.h]). 98

„careless“ aus dem ersten Teil des Satzes weiter unten als Substantiv „carelessness“ wiederholt, verwendet auch Abarbanell an dieser Stelle wieder „Leichtfertigkeit“. Schürenberg wiederholt das „leichtfertig“ hingegen nicht, sondern verwendet das Synonym „Nonchalance“ (synonymy). Die Verwendung eines Synonyms zieht hier ein scheme change nach sich, da Fitzgeralds Wiederholung in der Übersetzung nicht übertragen wird. Schürenberg übersetzt „money“ mit „Mammon“,10 und wählt hier wieder anstatt des naheliegenden Äquivalents ein Synonym (synonymy), das den negativen Eindruck leicht verstärkt (emphasis change).

Bei diesem Textbeispiel fällt auf, dass Ü1 wesentlich länger als Ü2 ist. Dieser Unterschied ergibt sich aus den Hinzufügungen von Passagen wie „was ihnen unter die Finger kam“, „das gemeinsame Band“ und „unverbrüchlich“. Diese Elemente sind für das Verständnis des Textes nicht notwendig und stellen auch keine expliciteness changes, sondern information changes dar, da sie im Original nicht aufzufinden sind. Durch diese Veränderung wird die gesamte Aussage verstärkt und ein emphasis change ist die Folge.

Die Übersetzung des Textsegmentes „let other people clean up the mess they had made“ als „überließen es anderen, den Aufwasch zu besorgen“ beinhaltet ein trope change, da Schürenberg hier den Inhalt mittels eines figurativen Ausdrucks wiedergibt, der mit dem im Original verwendeten verwandt ist. In Abarbanells Version kommt es durch die Übersetzung von „mess“ als „Chaos“ und „clean up“ als „beseitigen“ ebenfalls zu einem trope change, wobei auch hier die Basis der Trope dieselbe ist.

6.3 Zusammenfassung der Analyseergebnisse unter Miteinbeziehung der Normenkonzepte

Aus der Analyse geht hervor, dass es sich bei den Veränderungen, die in den Übersetzungen sichtbar werden, nicht um große, die Aussage des gesamten Textes verändernde Eingriffe der ÜbersetzerInnen handelt, sondern um kleine Veränderungen, die jedoch in ihrer Gesamtheit eine generelle Tendenz der ÜbersetzerInnen im Umgang mit Fitzgeralds Roman und seinem Stil aufdecken. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Analyse in Chestermans Kategorien syntactic, semantic und pragmatic strategies zusammengefasst.

10 Der Duden definiert Mammon als „Geld als [leidige] materielle Voraussetzung für etwas, zur Erfüllung luxuriöser Bedürfnisse o. Ä.“ (Duden [o.J.c]). 99

In Bezug auf die syntactic strategies wurde deutlich, dass beide ÜbersetzerInnen dem Original weitestgehend folgten und die Satzstruktur der ausgangssprachlichen Textpassagen nach Möglichkeit beibehielten. In Schürenbergs Übersetzung konnte in den Textbeispielen 6, 9, 12, 18 und 20 jedoch eine Tendenz dahingehend festgestellt werden, Fitzgeralds Sätze entweder in mehrere Sätze aufzuteilen, oder in einem Fall auch zwei Sätze in der Zielsprache als ein Satz wiederzugeben (unit shift), eine Strategie, die von Abarbanell lediglich einmal angewendet wurde (Textbeispiel 4). Veränderungen, die in die Kategorie cohesion change fallen, wurden in beiden Übersetzungen sichtbar. Besonders zu erwähnen sind hier jedoch jene Veränderungen, die Einfluss auf die Übertragung von Fitzgeralds Stil haben und vor allem in Ü1 auftauchen, wie beispielsweise die Sichtbarmachung des Gegensatzes durch die Hinzufügung der Konjunktion („ein irres, aber entzückendes kleines Lachen“) in Textbeispiel 1, die Herstellung einer kausalen Verbindung zwischen zwei Beobachtungen in Textbeispiel 5, die im Original nicht besteht („merkte man […] an, daß er müde und überanstrengt war“), oder die Verwendung des Substantivs in der Übersetzung anstatt des Pronomens in Textbeispiel 20, um zu verdeutlichen, worauf im Satz referenziert wird („Illusion“). In den Textbeispielen 3, 8 und 23 kommt es in Ü1 zu Veränderungen, die als scheme change kategorisiert werden können: In allen drei Fällen verzichtet Schürenberg darauf, eine Wiederholung eines Wortes aus dem Original in seine Übersetzung zu übernehmen. Zu einem weiteren scheme change kommt es in Schürenbergs Übersetzung in Textbeispiel 15, da er Fitzgeralds Parallelismus („lovely as the June night […] – and drunk as a monkey“) nicht als solchen wiedergibt. In Abarbanells Übersetzung wurde im Rahmen dieser Analyse kein scheme change erkennbar und die häufige Verwendung der Strategie literal translation macht Abarbanells Streben danach deutlich, sich in Bezug auf die Syntax so weit wie möglich am Original zu orientieren.

Im Bereich der semantic strategies ist nicht zu übersehen, dass es in Ü1 häufig zur Anwendung der Strategie emphasis change kommt. In den Textbeispielen 2, 3 und 23 wird die Aussage des Originals unter anderem durch die Übersetzung von „to care for“ als „lieben“, von „understandingly“ als „verständnissinnig“ und von „money“ als „Mammon“ leicht verstärkt, während in Textbeispiel 6, in welchem „Tom was feeling the hot whips of panic“ von Schürenberg mit „[…] wie von Angst gepeitscht“ übersetzt wurde, in Textbeispiel 21, in welchem „dislike“ nicht wiedergegeben wurde, sowie in Textbeispiel 22 durch die Weglassung von „damn“ eine leichte Abschwächung des Originals erkennbar ist. In den Textbeispielen 4 und 5 wurde der Fokus im Vergleich zum Original verändert. 100

Auch in Ü2 konnte die Strategie emphasis change festgestellt werden: In den Textbeispielen 20 und 23 wird die Aussage des Originals leicht abgeschwächt: in Beispiel 20 durch die Hinzufügung von „ja eigentlich“ und in Beispiel 23 durch die Übersetzung von „smash up“ mit „zerstören“.

Die Analyse zeigt ebenfalls, dass die Strategie paraphrase in Ü1 häufig angewendet wird. In Textbeispiel 9 übersetzt Schürenberg beispielsweise „a loud, bright night“ mit „Man hörte jetzt die Geräusche der hellen Sommernacht“ (was allerdings auch als explicitation gedeutet werden kann), in Textbeispiel 20 die Passage „but because of the colossal vitality of his illusion“ mit „sondern lediglich im Verhältnis zu der gewaltigen Spannkraft seiner Illusion“ oder in Textbeispiel 15 „as lovely as the June night“ als „traumhaft schön“. Die Strategie trope change kommt in unterschiedlichen Ausprägungen in beiden Übersetzungen mehrmals zur Anwendung. Während in Ü1 eine Tendenz dahingehend sichtbar wird, Fitzgeralds ungewöhnliche Tropen wegzulassen (siehe Textbeispiele 9, 11, 15 oder 17), versucht Abarbanell, sie in ihre Übersetzung zu übertragen. Einerseits geschieht dies durch die Verwendung von Tropen, die als gleichwertig mit jenen im Original angesehen werden können (wie beispielsweise mit ihrer Übersetzung von „silver pepper of the stars“ als „silberne[r] Sternenpfeffer“), andererseits durch Übersetzungen, die nicht dieselben Tropen verwenden, jedoch ebenfalls bildhaft sind (wie beispielsweise Abarbanells Übersetzung von „delivered suddenly from the womb of his purposeless splendor“ als „aus dem Schoß seines sinnlosen Reichtums entbunden“). Die Strategie, eine ausgangstextsprachliche Trope im Zieltext zu verändern, wird von Schürenberg in Textbeispiel 4 angewendet, indem er „goats“ als „Gänseschar“ überträgt.

Die Strategie explicitation auf der Ebene der pragmatic strategies ist ebenfalls in beiden Übersetzungen zu finden, wobei sie in Ü1 weitaus häufiger vorkommt, wie beispielsweise in Textbeispiel 12, in dem Schürenberg es für notwendig hält, das Textsegment „hair shorn in strange new ways“ aus dem Original in seiner Übersetzung deutlicher mit „neuartig gestutzte Bubiköpfe“ zu beschreiben, oder in Textbeispiel 13, in welchem er durch die Übersetzung „der Mond […] warf sein silbrig glitzerndes Gitterdreieck auf den Sund“ explizit ausdrückt, woher das Dreieck auf dem Wasser kommt (im Gegensatz zu Fitzgeralds „floating in the Sound was a triangle of silver scales“). In Bezug auf die Strategie explicitation ist zu erwähnen, dass die Grenze zwischen information change bzw. paraphrase und explicitation in gewissen Fällen nicht einfach zu ziehen ist, da nicht immer eindeutig bestimmt werden kann, welche Informationen von den Leserinnen und Lesern

101 erschlossen werden können (siehe Textbeispiele 7 und 9). In Ü2 wurde die Strategie explicitation einmal, in Textbeispiel 17, sichtbar, da Abarbanell mit „die Farbe eines tropischen Sonnenbrands“ deutlich macht, dass die Gesichtsfarbe mit der eines Sonnenbrandes verglichen wird („My own face had now assumed a deep tropical burn“). Die Strategie information change, die der Kategorie pragmatic strategies zugeordnet wird, wird von Schürenberg sehr häufig eingesetzt. So kommt es beispielsweise in den Textbeispielen 1, 4, 5, 14, 17 zu Hinzufügungen, während in den Textbeispielen 15, 19, 20, 22 Informationen aus dem Original nicht in die Übersetzung übernommen werden. In Ü2 wird diese Strategie seltener verwendet (lediglich in Beispiel 12 und 19 kommt es zu Auslassungen).

Sowohl auf syntaktischer als auch auf semantischer und pragmatischer Ebene konnten in Ü1 zahlreichere und größere Veränderungen festgestellt werden als in Ü2. Wird nun das Augenmerk darauf gerichtet, in welchen Bereichen es in den Übersetzungen zu größeren Veränderungen im Sinne Chestermans kommt, wird deutlich, dass Schürenbergs Übersetzung vor allem in jenen Textpassagen Veränderungen aufweist, in denen die Außergewöhnlichkeit von Fitzgeralds Stil sichtbar wird. Schürenberg tendiert an diesen Stellen dazu, ambiguose Passagen eindeutiger darzustellen, ungewöhnliche Vergleiche zu verändern, erklärende Elemente hinzuzufügen, lange Sätze aufzuspalten und zwischen Elementen, die im Original voneinander unabhängig dargestellt werden, Kausalität herzustellen.

Nachdem nun die wichtigsten Ergebnisse der Analyse zusammengefasst wurden, soll versucht werden, anhand dieser nähere Erkenntnisse in Bezug auf die Normen, die auf die Übersetzungen gewirkt haben, zu erhalten. Wie bereits in Kapitel 6 beschrieben wurde, sind Translationsnormen ein hilfreiches Instrument, um auch die äußeren Einflüsse auf Übersetzungen sichtbar zu machen, ohne auf eine Bewertung der Qualität der Übersetzung abzuzielen. Eine erschöpfende Analyse der Normen, die die Produktion einer Übersetzung beeinflussen, gestaltet sich jedoch als schwierig, da neben den Übersetzungen und dem Original als Untersuchungsgegenstand auch die vorherrschende Literatur- und Übersetzungstradition, die Person der Übersetzerin bzw. des Übersetzers, der Status des Werkes in seiner Ausgangs- und Zielkultur und viele weitere Faktoren berücksichtigt werden müssten, die diese Arbeit bei Weitem sprengen würden. Aus diesem Grund können im Folgenden lediglich Tendenzen festgestellt und keine generellen Aussagen gemacht werden.

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Hinsichtlich Tourys preliminary norms, die vor dem eigentlichen Prozess der Übersetzung wirken, kann festgestellt werden, dass die Ausgangssituation der beiden Übersetzungen eine völlig andere war: Während Ü1 im Jahr 1953 auf Initiative von Lothar Blanvalet veröffentlicht wurde und erst im deutschen Sprachraum Bekanntheit erlangen musste, wurde Abarbanells Übersetzung zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als Der Große Gatsby (durch Schürenbergs Übersetzung) im deutschsprachigen Raum schon eine große Zahl an Leserinnen und Lesern gewonnen hatte und als amerikanischer Klassiker wahrgenommen wurde. In Bezug auf die translation policy ist zu erwähnen, dass der Zeitpunkt der Übersetzung von The Great Gatsby durch Schürenberg mit jener Zeit in der deutschen Geschichte zusammenfiel, als in der westdeutschen Gesellschaft eine Tendenz zur Amerikanisierung deutlich wurde, was sich positiv auf die Aufnahme des Romans auswirkte. Hinsichtlich der preliminary norms haben auch immer wirtschaftliche Faktoren Bedeutung. So spielten diese nach Zanovello (2015) bei der Veröffentlichung von Ü2 auch eine Rolle, da der Verlag Diogenes, der die Rechte an der Übersetzung besaß, diese Gelegenheit noch nutzen wollte, ehe auch Konkurrenten die Möglichkeit hatten, eine Übersetzung von The Great Gatsby zu veröffentlichen. Die möglichst genaue Wiedergabe des Originals als Argument für eine Neuübersetzung, die sich eben genau dadurch von der vorhergehenden und von zukünftigen Übersetzungen (von deren Erscheinen durch das Auslaufen des Urheberrechts auszugehen war) unterscheidet, war aus wirtschaftlicher Perspektive sinnvoll. Es ist anzunehmen, dass auch für Blanvalet im Jahr 1953 in erster Linie wirtschaftliche Faktoren die Veröffentlichung von Der große Gatsby lenkten. Dennoch zeigte Lothar Blanvalet durch die Veröffentlichung anderer Werke, dass er auch bereit war, das Risiko einzugehen, neue und im deutschen Sprachraum nicht bekannte Bücher zu veröffentlichen und sie den Leserinnen und Lesern bekannt zu machen.

Chesterman legt den Fokus in seiner Beschäftigung mit Translationsnormen auf jene Normen, auf den Übersetzungsprozess einwirken. Wie bereits in Kapitel 6.1.3 erwähnt, werden die Entscheidungen der Übersetzerin bzw. des Übersetzers für oder auch gegen gewisse Strategien von unterschiedlichen Motivationen gelenkt. Im Folgenden wird versucht, anhand der Übersetzungsentscheidungen die Motivationen von Schürenberg und Abarbanell bei der Übersetzung von The Great Gatsby zu erkennen.

Chestermans expectancy norms stellen die Erwartungen der Leserinnen und Leser des Zieltextes dar (Chesterman 2000:64). In Bezug auf Juliane Houses Unterscheidung zwischen overt und covert translations kann argumentiert werden, dass sowohl die

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Übersetzung von The Great Gatsby aus dem Jahr 1953 als auch jene aus dem Jahr 2006 als overt translations bezeichnet werden können. Im Fall von Übersetzung 1 war, wie in Kapitel 5.1 beschrieben, ein gesteigertes Interesse an Literatur aus den USA wahrnehmbar; zur Zeit der Erscheinung von Übersetzung 2 hatte sich Der große Gatsby bereits in der deutschen Literaturlandschaft als amerikanischer Klassiker etabliert. Dies deutet darauf hin, dass die Leserinnen und Leser der Übersetzungen in beiden Fällen erwarteten, dass die Ausgangskultur in den Texten sichtbar wird. Eine Übersetzung, die alle kulturellen Referenzen im Text umgeht, wäre im Fall von The Great Gatsby beinahe unmöglich, da der Roman sehr stark mit seiner Ursprungskultur verbunden ist.

Den expectancy norms untergeordnet sind die professional norms, die sich in accountability norm, communication norm und relation norm aufspalten (Chesterman 2000:67f.). Die accountability norm bezieht sich auf die Loyalität der Übersetzerin bzw. des Übersetzers gegenüber dem Autor bzw. der Autorin, anderen Beteiligten und auch sich selbst gegenüber (ibid.:68f.). Wie die Analyse ausgewählter Textpassagen gezeigt hat, verwendete Abarbanell häufig die Strategie literal translation und auch auf semantischer und pragmatischer Ebene wurden lediglich kleine Veränderungen sichtbar. Dies zeigt bereits, dass für Abarbanell Priorität hatte, sich loyal gegenüber dem Autor F. Scott Fitzgerald zu verhalten; durch ihre Aussage im Interview mit Dirk Becker wird nochmals deutlich, dass ihr Ziel eine möglichst originalgetreue Übertragung des Klassikers ins Deutsche war (Becker 2008). Gleichzeitig verhielt sie sich mit dieser Vorgehensweise aber auch gegenüber ihrem Auftraggeber, dem Verlag Diogenes, loyal, wie die Aussagen von Zanovello bestätigen: Das Ziel des Verlags war es, eine „wortgetreu[e]“ (Zanovello 2015) Übersetzung zu veröffentlichen.

Schürenberg hingegen veränderte Fitzgeralds Text dahingehend, dass er versuchte, Unklarheiten, Ambiguitäten aus dem Weg zu räumen und implizite Informationen deutlicher zu auszudrücken. Durch diese Vorgehensweise versuchte er, den Leserinnen und Lesern Fitzgeralds Text verständlich zu machen und folgte in der Übersetzung tendenziell stärker der communication norm. Hinsichtlich der relation norm, die die Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Ausgangs- und Zieltext betreffen, kann festgestellt werden, dass beide ÜbersetzerInnen dieser Norm folgen, wobei die Ähnlichkeit zwischen Abarbanells Übersetzung und dem Original als größer einzustufen ist, da Abarbanells Übersetzungsstrategien zu weniger Veränderungen führten als jene von Schürenberg. Wichtig zu betonen ist hier, dass keine der beiden ÜbersetzerInnen nur einer Norm folgen,

104 denn der Prozess des Übersetzens wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst und bedeutet für die Übersetzerinnen und Übersetzer stets abzuwägen, welche Vorgehensweise in einer bestimmten Situation anzuwenden ist.

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7 Zusammenfassung: Domestizierung und Verfremdung in den Übersetzungen

Ziel dieser Arbeit war es, festzustellen, ob von den beiden deutschen ÜbersetzerInnen von The Great Gatsby, Walter Schürenberg und Bettina Abarbanell, tendenziell domestizierende bzw. verfremdende Übersetzungsstrategien angewendet wurden und inwiefern diese mit den Normen der Zielkultur in Verbindung gebracht werden können. Mithilfe von Andrew Chestermans translation norms wurden Unterschiede zwischen den beiden Übersetzungen aufgezeigt und es wurde festgestellt, dass die Übersetzerin Abarbanell und der Übersetzer Schürenberg in gewissen Bereichen zu sehr unterschiedlichen Übersetzungsstrategien tendierten. Besondere Aufmerksamkeit wurde hier Fitzgeralds Stil und den angewendeten Strategien zur Übertragung seiner charakteristischen Merkmale gewidmet.

Zunächst wurden die Descriptive Translation Studies, die das theoretische Fundament dieser Arbeit bilden, näher betrachtet, bevor auf die Begriffe Domestizierung bzw. Einbürgerung und Verfremdung eingegangen wurde. Hierbei wurde deutlich, dass eine Darstellung der beiden komplexen Konzepte als zwei einfach definierbare, einander entgegengesetzte Übersetzungsstrategien nicht sinnvoll bzw. nicht möglich ist. Schon die Übersetzung eines einzelnen Satzes erfordert von der Übersetzerin bzw. vom Übersetzer Entscheidungen, die von verschiedenen Intentionen gelenkt werden. Aus diesem Grund ist es meines Erachtens nicht möglich, eine definitive Strategie für eine bestimmte Übersetzung festzulegen; dennoch kann versucht werden, aufgrund der in der Analyse gewonnenen Ergebnisse Tendenzen und Orientierungen aufzuzeigen.

Besonders interessant bei der Betrachtung von The Great Gatsby sind Schleiermachers Ausführungen in Bezug auf Besonderheiten im zu übersetzenden Text. So fordert die Arbeit der Übersetzerin bzw. des Übersetzers nach Schleiermacher dann großes Können, wenn die Autorin bzw. der Autor beim Lesen des Originals besonders gut wahrnehmbar ist (Schleiermacher 1963/1838:40f.). In einem solchen Fall bedeutet Übersetzen ein „genaues und tiefes Eindringen in den Geist der Sprache und in die Eigenthümlichkeit des Schriftstellers“ (ibid.:44), und jene Elemente, die als „eigenthümlich als absichtlich als wirksam auf Ton und Stimmung des Gemüthes, als entscheidend für die mimische oder musikalische Begleitung der Rede“ (ibid.:53) erscheinen, müssen auf diese Weise im Zieltext erkennbar sein (ibid.). Diese Vorgehensweise, die Schleiermacher als verfremdend beschreibt, wird in Abarbanells Übersetzung gut sichtbar. In Bezug auf Venutis 106

Unterscheidung zwischen foreignization und domestication kann festgestellt werden, dass die Tatsache, dass es sich bei Schürenbergs Version um eine Übersetzung handelt, keineswegs verschleiert wird, da sie voller Referenzen ist, die ihre Ursprungskultur und die Zeit ihrer Entstehung in der Übersetzung stark wahrnehmbar machen. Dennoch kann argumentiert werden, dass in einem direkten Vergleich von Ü1 und Ü2 erstere tendenziell eher jener Strategie folgt, die Venuti als fluent bezeichnet, während Ü2 tendenziell zu einer resistant strategy und somit einer foreignization neigt, da die sprachlichen Besonderheiten und fremdartigen Elemente von The Great Gatsby in Ü2 stärker hervortreten.

Bei Schürenbergs Übersetzung handelte es sich um den Text, den die deutschsprachige LeserInnenschaft als Der große Gatsby kannte und der über 50 Jahre lang auch diesen Status beibehielt. Abarbanells Übersetzungsstrategie, näher am Original zu übersetzen und fremdartige Elemente beizubehalten, deckt sich mit der in Kapitel 2.6 angesprochenen retranslation hypothesis. So bleibt zu sagen, dass die vorliegende Untersuchung zu jenen Beispielen zu zählen ist, die ihre Gültigkeit unterstützen, ohne jedoch für ihre Allgemeingültigkeit zu argumentieren.

Werden die Konzepte der Verfremdung und Einbürgerung in Anlehnung an Kwieciński als zwei Endpunkte auf einer Skala gesehen, ist Schürenbergs Übersetzung näher am Punkt der Einbürgerung anzusiedeln als Abarbanells, die wiederum eine stärkere Tendenz in Richtung Verfremdung als Schürenbergs Text aufweist: Es konnte festgestellt werden, dass es in Walter Schürenbergs Übersetzung aus dem Jahr 1953 wesentlich häufiger zu Veränderungen im Sinne Chestermans kam. In seiner Übersetzung ist eine Tendenz dahingehend erkennbar, Elemente des Fremden, die vor allem in Fitzgeralds außergewöhnlichem Stil begründet sind, zu reduzieren, was dazu führt, dass Fitzgeralds Stil nicht so deutlich hervortritt wie in Bettina Abarbanells Übersetzung. Schürenberg nutzte den Freiraum, über den er als Übersetzer verfügte, um Fitzgeralds Text für die deutschsprachigen Leserinnen und Leser fassbarer und verständlicher zu machen, indem er ihnen seine Interpretation desselben präsentierte. Abarbanell hingegen forderte von den Leserinnen und Lesern mehr, da sie versuchte, alle außergewöhnlichen Merkmale, durch die sich Fitzgeralds Stil auszeichnet, ins Deutsche zu übertragen.

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Literaturverzeichnis

Primärquellen:

Fitzgerald, F. Scott (1953) The Great Gatsby. New York: Charles Scribner’s Sons.

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Anhang

AW: WG: Informationen zu Der große Gatsby Silvia Zanovello [[email protected]] Gesendet: Mittwoch, 11. März 2015 09:37 An: Pucher, Nina (0813xxx)

Sehr geehrte Frau Pucher,

hier meine (sehr kurze) Antwort auf Ihre Fragen:

1) Die Übersetzung von Walter Schürenberg liest sich über weite Strecken sehr gut. Doch hat er zum Teil ein wenig geglättet, außerdem waren da und dort Fehler zu finden. Und da wir wussten, dass die Rechte an Fitzgeralds Werk 2011 frei werden würden und dass ab dann jeder Verlag seine eigene Übersetzung anfertigen würde, wollten wir als langjährige Fitzgerald-Rechteinhaber rechtzeitig mit einer Neuübersetzung da sein.

2) Die Neuübersetzung sollte wortgetreu sein und sich flüssig lesen.

Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben, und wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrer Diplomarbeit – ist ja ein interessantes Thema!

Mit freundlichen Grüßen

Silvia Zanovello Lektorat

Diogenes Verlag AG Sprecherstrasse 8 8032 Zürich Schweiz Tel. +41 44 254 85 68 Fax +41 44 254 84 07 [email protected] www.diogenes.ch

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