Pfalz Wandern
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Wandern Pfalz Pfälzer Wald Im Herbst dreht sich an der Südlichen Wein- straße fast alles um den Wein. Und um die Kastanie. Denn auch die „Keschde“ ist den Pfälzern eine Herzensangelegenheit. Text & Fotos: Wolfgang Stelljes 48 06|20 06|20 49 Kaldenkirchen Brüggen Sommersitz des Malers Max Slevogt: Wandern Leinsweiler an der Südlichen Weinstraße. Pfalz Trier bis hin zum beheizbaren Handtuchhalter. üblichen Park, die Landschaft war ja schön Alle, die mal an einer Führung mit Wil- genug, und ließ stattdessen über 25.000 Ess- fried Vetter teilgenommen haben, erinnern kastanien pflanzen. Und weil die immer wie- Neustadt sich an die Küche, mit Grill für das halbe der aussamen und die Eichhörnchen noch Schwein und dem „Delikatessenherd“ für ein bisschen nachhelfen, haben die Pfälzer kleine Speisen. Nur, dass der nicht allzu heute den größten zusammenhängenden oft angeheizt wurde. „Ludwig I. war ganze Kastanienwald Deutschlands vor ihrer Haus- Deutschland Landau acht Mal hier“, sagt Vetter, es klingt fast ein tür. Und im Herbst doppelten Grund zum Rheinland- wenig vorwurfsvoll. Alle zwei Jahre reiste Feiern, denn der Wein ist gekeltert, und die Pfalz der Bayernkönig mit seinem Gefolge an Kastanien sind reif. Pfälzer Wald und feierte am 25. August seinen Geburts- tag im Schloss. Seine Gäste konnten aus Unterwegs auf dem dem Speisesaal ins Tal schauen. Und die „Keschdeweg“ vielen Bilderbuch-Dörfer am Wegesrand. Bewohner der umliegenden Orte konn- Der Herbst ist auch die schönste Zeit für Kaum hat man sich in Maikammer an Burgruine auf einem Bergrücken bei Annweiler, So mochte es der bayerische König: in Nachbarschaft zur berühmten Burg Trifels. Schloss Villa Ludwigshöhe. ten sehen, „wie es bei Königs so zugeht“. eine Tour auf dem „Keschdeweg“. 60 Kilome- den barocken Fassaden und schmucken Manchmal wurde ihnen auch ein Stück ter, das schafft man locker an drei oder vier Wirtshaus-Schildern sattgesehen und in Kuchen oder Obst gereicht. Die Villa wird Tagen, denkt sich der ambitionierte Wan- Sankt Martin ein erstes Kastanieneis ge- er Wein- und Kastanien- und dann zu Weihnachten mit dem Gänse- immer: Seit 1816 gehörte Bayern zur Pfalz.“ gerade saniert, ab 2022 dürfen Besucher derer. Aber von wegen! Für Geschichte darf nossen, schon nähert man sich der nächs- markt in Edenkoben nä- braten serviert. Man konnte sie aber auch Munter plaudert Vetter bei seinen Führungen wieder in Puschen über das edle Holz- man sich schon mal gar nicht interessieren, ten Perle: Rhodt unter Rietburg mit seinen hert sich seinem Ende, einfach mit Schale in Salzwasser kochen aus der bayerisch-pfälzischen Beziehungsge- parkett schlurfen. Aber auch von außen wie sonst soll man vorbeikommen am Ham- blumengeschmückten Fensterbänken und Ddie Sonne versinkt gerade im Pfälzer und dann in einer großen Schüssel auf schichte. Sind Bayern unter seinen Gästen, lohnt auf jeden Fall ein Blick. Zurück zu den bacher Schloss, der Wiege der deutschen den weinumrankten Torbögen, darin Wald, da hebt rechts vom Bierstand den Tisch stellen. Jeder schälte selbst. Und beobachtet er mit Freuden deren Reaktio- Kastanien. Auch sie sind ein Erbe von Lud- Demokratie? Oder an Burg Trifels, der selbstgemachte Marmeladen im Außer- noch einmal Gesang an. Nicht, dass sie die Erwachsenen genossen dazu ein Glas nen: „Das müssen Sie erleben.“ Der Mann, wig I., denn der verzichtete auf den sonst Reichsburg der Staufer? Und dann erst die Haus-Verkauf. „Schatzkästle“ in der zu tief ins Weinglas geschaut hätten, nein, Wein. Mit einem Wort: „Keschdlich.“ der von sich selbst sagt, dass er sich noch heute haben sie doch tatsächlich eher dem Beides, den Wein und die Kastanie, haben nicht einmal eine Telefonnummer merken Bier zugesprochen. Zum einen braucht es sie den Römern zu verdanken. Es gab Zeiten, kann, ist ein wandelndes Lexikon. Die Daten, nicht viel, um einen Pfälzer in gute Laune da war die Kastanie ein Zubrot in Hunger- Fakten und Anekdötchen purzeln nur so aus zu versetzen, und zum anderen handelt es jahren, ein Ersatz auch für Fleisch. Da muss- seinem Mund. Ein Schloss, ausgerechnet sich nicht um ein normales Bier, sondern ten die Kinder mit in den Wald und sam- hier? Nun denn, schon 1826 wünschte der um ein Kastanien-Bier, „unser Renner“, meln. Heute zieht die Familie freiwillig los, König eine Villa italienischer Art, „nur für sagt Agron Imami, der Mann am Zapfhahn. ausgestattet mit Rucksack oder Jutetasche, die warme Jahreszeit am schönsten Platz Es ist ein Bockbier, etwas schwerer und eine Art pfälzisches Sonntagsvergnügen. des Landes“. Gut zweieinhalb Jahrzehnte recht süß, dank des Kastanienmehls. „Die später war alles fertig und vom Feinsten, Pfälzer fahren so auf Kastanie ab“, freut Königliche Sommerresidenz sich Imami und füllt das nächste Glas. Ein beliebtes Ziel solcher Ausflüge ist Schloss Weiß, wie man an das Nicht nur die Pfälzer. Auf dem Markt Villa Ludwigshöhe oberhalb von Edenkoben, Innenleben waren auch viele „Kalumas“, Tagesaus- direkt an der Grenze von Wald und Wein- einer flügler aus Karlsruhe, Ludwigshafen und berg. Hier findet nicht nur der Wein- und stacheligen Mannheim. Mit Brot, Bonbons und anderen Kastanienmarkt statt, hier führt auch der Kastanie kommt: die leckeren Dingen, die man aus Kastanien „Pälzer Keschdeweg“ vorbei, der deutsche Natur- und machen kann, treten sie die Heimreise an. Wanderweg schlechthin in Sachen Kasta- Landschafts- Und der Tischtennis-Verein 04 Edenkoben nie. Der Prachtbau ist eine der wichtigsten führerin Ute Seitz. verkauft noch schnell seine letzten Kasta- Stationen und auch gar nicht zu übersehen. nien-Saumägen und -Bratwürste, sage und Ludwig I. ließ ihn errichten, zu Zei- schreibe 450 Kilo sind an diesem schönen ten, als die Pfalz noch zum Oktobertag über den Tresen gegangen. bayerischen Königreich „Vor 20 Jahren hätten Sie hier noch gehörte. Wobei das keinen Kastanien-Saumagen gekriegt“, für einen gestandenen sagt Maria Bergold, die das Tourismus- pfälzischen Gästefüh- Büro im nahen Maikammer leitet. Als Kind rer wie Wilfried Vetter hat sie mit ihrer Oma Kastanien gesam- eher eine Frage der melt. Die wurden geschält und getrocknet Perspektive ist: „Ich sage 50 06|20 Wandern Pfalz nur am Wochenende geöffnet haben und ansonsten nur noch am Mittwoch, weil dann die Ärzte zuhaben, ist echtes Insider- wissen. Und dass die Bewohner einer Industriestadt wie Ludwigshafen schon vor gut 100 Jahren in den Wald fuhren, „um gute Luft zu schnaufen“, ist auch nicht un- Gute Adressen: bedingt Gemeingut. Seitz lenkt den Blick das Weingut Graf auf eine Kuhle – Wildschweine haben sie von Weyher (links), Ein Tag auf dem bei der Suche nach Kastanien hinterlassen. die Weinstube Brand Keschdeweg in Frankweiler Die Früchte sind nahrhaft, aber auch ein Typ: Streckenwanderweg (oben rechts) und wenig unnahbar, jedenfalls für uns Länge: knapp 20 km die Kügler Mühle Dauer: rund 6 Stunden Menschen, denn ihre Stacheln piksen be- in Siebeldingen. Schwierigkeitsgrad: mittel kanntlich sehr. Um an das glatte, braune Markierung: braune Kastanie mit Innen leben zu kommen, nutzt Seitz zwei hellgrüner Hülle auf weißem Grund Techniken: Mit dem Fingernagel hinter die Beste Wanderzeit: Frühjahr bis Herbst stachlige Hülle kommen und dann abpellen Start: Ortsmitte Maikammer oder unter dem Fuß rollen. Zuzubereiten Ziel: Ortsmitte Siebeldingen Pfalz wird der Ort auch gerne genannt, noch persönlich zum Kunden gefahren – sind sie relativ einfach: Man röstet sie im Wegequalität: Ein Mix aus Natur- nicht zuletzt wegen der Theresienstraße, längst vergangene Zeiten. Heute füllen Ofen oder gart sie in kochendem Salzwasser. und Schotterwegen sowie Wald- pfaden, selten Asphalt der vielleicht schönsten Kastanien-Allee sie 150.000 Flaschen im Jahr ab und ex- Dass sich aus Kastanien auch andere überhaupt. Ob der „Rhodter Rosengarten“ portieren in alle Welt. Wobei es für eine „Keschdlichkeiten“ zaubern lassen und die wirklich der älteste Weinberg der Welt Weinprobe keinen besseren Ort gibt als Pfälzer Küche weit mehr ist als Saumagen, ist, ist eine Frage für die Gelehrten. Er ist diesen, mit Blick auf die Reben. Doch Bratwurst, Leberknödel und Sauerkraut, auf jeden Fall der älteste in der Pfalz, der irgendwann ist es auch hier so weit: Man davon kann man sich in zahlreichen Res- Von Maikammer nach Siebeldingen noch Reben trägt. Seit 400 Jahren liefert muss aufstehen. Und weiter. taurants überzeugen, etwa im „s’Reiwerle“ er einen guten Tropfen, Gewürztraminer in Annweiler. Küchenmeister Tobias Fink vor allem. Überall möchte man verweilen. Weit mehr als nur Saumagen schüttet gerade zwei Flaschen Dornfelder in 2020 Und manchmal gar nicht wieder aufste- Wer ganz genau wissen möchte, was er einen großen Topf, in dem diverse Zutaten Hart an der Haardt lang hen. Schon gar nicht nach dem Genuss unterwegs so sieht und trinkt, sollte sich für eine braune Jus vor sich hinköcheln – an Haardt, so nennt sich der Ostrand des Pfälzer Waldes. einer Pfälzer Schlachtplatte wie der beim von Ute Seitz begleiten lassen. Die Wein- der Sauce erkennt man eine gute Küche. Auf dem „Keschdeweg“ kann man ihn der Länge nach „Graf von Weyher“, einem Weingut nur Expertin ist zugleich Natur- und Land- In der Pfalz isst man auch gern deftig. Aber durchqueren. Immer wieder gibt der Wald den Blick frei ein Dorf weiter. Man hockt sich auf Stroh- schaftsführerin, kennt also nicht nur da es von Annweiler bis Hauenstein, der auf die Rebenlandschaft in der weiten Rheinebene. ballen oder auf die Terrasse, greift zu Blut- etliche der über tausend Winzer an der letzten Station auf dem Keschdeweg, noch wurst und Schwartenmagen, verschmäht Südlichen Weinstraße, sondern ist auch ein gutes Stück ist, muss man sich hier Ludwigshöhe 4 auch die Käsesorten nicht und umspült vertraut mit den Gewohnheiten der Pfälzer auch nicht zurückhalten. Machen die Pfäl- Maikammer ist eine traditions- , der kleine reiche Weinbaugemeinde mit Abstecher zu diesem Prachtbau alles mit einem guten Wein. Und hört, wie und den Besonderheiten der Region. zer schließlich auch nicht, jedenfalls barocker Saalkirche, schmucken ist Pflicht, nicht nur für Kunst- kundige Menschen schwärmen von einem Dass zum Beispiel die Wanderhütten nicht beim „Esse und Dringge“. Wirtshäusern und dem Geburts- freunde.