No. 11/2012

Im Blickpunkt:

EURO 2012, 50 Jahre & Fußball bei Olympia 2 INHALT

EDITORIAL Vor 50 Jahren entstand der Olympia 1912: „Gentleman- VON : bis heute perfekte Doppelpass – Stürmer“ Gottfried Fuchs und Nationalteam/Bundesliga: seine 10 Tore gegen Russland: Auf geht’s zum Gute Freunde kann Beispiellose Leistung. Zusammensein am Main! 4 niemand trennen 16 Einzigartiges Schicksal. 25

AKTUELL IM BLICKPUNKT

5. CdN-Mitgliedertreffen am 15. August beim Länder- spiel gegen Argentinien in der Commerzbank-Arena: Lockruf zum Wiedersehen: Lionel Messi in 6

IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA Die glanzvolle Erfolgs- Die begeisternde geschichte des DDR-Fußballs DFB-Mission 1988 in Seoul: bei Olympischen Spielen: Als Bronze wie Gold Gold, Silber, Bronze – erstrahlte 20 und ein bitteres Ende 26

Nationalteam nach der EURO – die Zukunft kann kommen: Erfolgsformeln von gestern – Maßstäbe für morgen 10 3

Reinhard Häfner machte AKTUELL IM BLICKPUNKT Niersbach und Höfl-Riesch den Olympiasieg der DDR 1976 befürworten Organspende 41 in Montreal perfekt: Immer mehr Fußball- Ein Solo in das Legenden unterstützen Geschichtsbuch 30 DFB-Fußballmuseum: Müllers Weltmeister- Trikot, Timos Ring, Raúls 400. Tor 38

Fußball-Nationalspieler früher mit kürzerem Leben 41 FUSSBALL-HISTORIE: DIE BRESLAU-ELF Thomas Müllers Einsatz für geistig behinderte Sportler 42 WM-Qualifikation 2012 – Erinnerungen an die mythische Breslau-Elf vor 75 Jahren: DIAGONALPÄSSE Hingerissen von Spielkunst, zerstört von Deutsche Nationalspieler höheren Mächten 32 weiterhin gut versichert 40

Ausstellung dokumentiert Treue der DDR-Fußballfans 40

Der „Kaiser“ als Russlands Ausstellung zum 100. Geburtstag weltweiter Sportbotschafter 42 der Torjäger-Legende: Waldhof-Fans erinnerten Bundesliga abermals an 35 mit Zuschauerrekord 43

Asamoah und Assauer in Schalkes „Ehrenkabine“ 43

JUBILÄEN/ RUNDE GEBURTSTAGE 44

IMPRESSUM 47 4 EDITORIAL

Auf geht’s zum Zusammensein am Main!

Liebe Freunde,

am 5. April 2008, am Tag, als vor genau 100 Jahren das erste deutsche Fußball-Länderspiel stattfand, ist auf Initiative des damaligen DFB-General- sekretärs und heutigen Präsidenten Wolfgang Niersbach unser Club der Nationalspieler (CdN) gegründet worden. Ich freue mich sehr, dass wir jetzt bereits ein Jubiläum, wenn auch ein winzig kleines, feiern können.

In Frankfurt am Main findet am Zudem wird es vor allem an Ge- Zwar wette ich grundsätzlich 15. August die 5. Mitgliederver- sprächsstoff nicht fehlen, wenn nicht. Doch wenn ich mich diesmal sammlung des CdN statt. Dies und unsere Nationalmannschaft in dazu hätte hinreißen lassen, hätte die Tatsache, dass beispielsweise Frankfurt in die neue Länderspiel- mich dies viel Geld gekostet, so im Vorjahr mit mehr als 220 Mit- saison startet. Gleich danach sicher war ich mir über die großen gliedern beim Jahrestreffen in stehen ja schon die ersten Quali- Qualitäten unserer Mannschaft, Stuttgart ein Teilnahmerekord fikationsspiele für die WM 2014 in vor allem auch nach ihrem sou- verzeichnet wurde und wir auch Brasilien an, wo unsere Mann- veränen Marsch durch die Vor- in diesem Jahr mit weit mehr als schaft einen neuen Anlauf zum runde und dem starken Auftritt im 200 Kollegen rechnen, beweisen, lang ersehnten Titelgewinn unter- Viertelfinale gegen Griechenland. dass die Gründung unseres Clubs nehmen will. Leider aber fanden einige unserer keineswegs eine Eintagsfliege Jungs gegen Italien insgesamt war, dass unser Club der National- Gerade erst wenige Wochen ist nicht zu ihrer Topform. spieler lebt. die EURO 2012 Vergangenheit. Als Mitglied der DFB-Delegation Trotzdem sehe ich die nächste Flankiert von dem Länderspiel ge- war ich vor Ort dabei bei unseren Zukunft unserer Nationalmann- gen Argentinien mit dem Weltstar Spielen. Die Enttäuschung nach schaft sehr positiv. Dieses Halb- Lionel Messi wird auch das dies- der Niederlage im Halbfinale ge- finale war ein Lernprozess, jährige Zusammensein zu einem gen Italien war, vor allem direkt der für die Entwicklung dieses großen Erfolg. Dafür wird unter nach dem Abpfiff, bei uns allen und jungen Teams sehr hilfreich sein anderem unser Veranstaltungsort ganz speziell auch bei mir sehr wird. Wenn man das absolute Ziel in der schönen Commerzbank- groß. Ich war felsenfest davon erreichen will, dann gehört zu- Arena mit ihrer herrlichen Ter- überzeugt, dass wir ins Endspiel künftig nicht nur das gute Spiel rasse die Voraussetzung schaffen. kommen. dazu. Vielmehr muss man in 5

entscheidenden Momenten auch im Vorfeld des CdN-Jahres- Beide Institutionen befruchten bereit sein, mit voller Willenskraft treffens in Frankfurt. Am 28. Juli und beflügeln sich seitdem zum und Leidenschaft die Zweikämpfe war es vor genau 50 Jahren, als gegenseitigen Wohl. Oskar Beck, anzunehmen und zuzupacken. 1962 beim DFB-Bundestag im ein vielfach mit Medien-Preisen Goldsaal der Dortmunder Westfa- ausgezeichneter Autor, beschreibt In dieser Ausgabe unseres CdN- lenhalle die Gründung der Bundes- in diesem Heft den vielleicht perfek- Magazins haben wir einen sehr liga beschlossen wurde. Ich selbst testen Doppelpass des deutschen lesenswerten Beitrag des Gast- und etliche andere unserer CdN- Fußballs in einem ebenso interes- autors Roland Zorn. In seiner EM- Mitglieder haben diesen Wechsel santen wie amüsanten Artikel. Analyse aus deutscher Sicht ver- von der -Zeit in die Ära des weist der langjährige Fußballchef Profitums noch aktiv miterlebt. Viel Spaß bei der Lektüre und auf der Frankfurter Allgemeinen Zei- Doch auch die jüngeren Kollegen Wiedersehen in Frankfurt tung beim Blick nach vorne vor unter uns wissen oder sollten sich allem auf die großen und dennoch immer bewusst sein, was sie im so unterschiedlichen Qualitäten Blick auf ihre Karriere der Bundes- Euer unserer drei Europameister-Teams liga und deren damaligen Vor- von 1972, 1980 und 1996 und ver- kämpfern um , weist darauf, wie sich das aktuelle Hermann Neuberger und den sei- Nationalteam davon bei seinem nerzeitigen Kölner Präsidenten neuen Anlauf zum großen Ziel Franz Kremer zu verdanken haben. inspirieren lassen könnte. Durch die Einführung der Bundes- liga wurde aber auch ein ungemein Uwe Seeler Ein ganz besonderes Datum für positives Wechselspiel mit der Vorsitzender des unseren Fußball liegt unmittelbar Nationalmannschaft ausgelöst. Clubs der Nationalspieler 6 AKTUELL IM BLICKPUNKT

5. CdN-Mitgliedertreffen am 15. August beim Länderspiel gegen Argentinien in der Commerzbank-Arena

Lockruf zum Wiedersehen: Lionel Messi in Frankfurt

Auf ein Neues! Nur sechs Wochen nach der Euro 2012 in Polen und der Ukraine startet unsere Nationalmannschaft in die neue Länderspielsaison. Mit einem Klassiker des Weltfußballs am 15. August in Frankfurt am Main. Deutschland gegen Argentinien! Da es traditionell guter Brauch ist, das Mitgliedertreffen des Clubs der Nationalspieler im Rahmen eines attraktiven Länderspiels zu veranstalten, liegt es auf der Hand, den Auftritt des argentinischen Weltfußballers Lionel Messi in Frankfurt mit dem nunmehr schon 5. CdN-Jahrestreffen zu verbinden.

Da in der Länderspielsaison 2012/ Jahrestreffen angemeldet haben. Nicht nur zahlreich, sondern auch 2013 bereits die ersten Qualifika- Mit dabei sein werden nach dem hochkarätig besetzt wird auch tionsspiele zur Fußball-Weltmeis- bisherigen Stand der Anmeldun- diesmal die Abordnung der ehe- terschaft 2014 in Brasilien auf dem gen aber auch die Weltmeister maligen DDR-Auswahlspieler sein. Programm stehen, ist der Auftakt , Jürgen Kohler Neben Ikonen wie Rekordspieler mit dem Freundschaftsspiel gegen und sowie die und Rekordtorschütze Joachim die Argentinier bereits eine Ein- Vize-Weltmeister Karlheinz Förs- Streich, und stimmung auf den Fußball Süd- ter und Hans-Peter Briegel, für haben sich die amerikas. Zuletzt standen sich die die diesmalige Partie gegen Goldmedaillen-Größen von 1976 beide Mannschaften ja im Viertel- Argentinien eine Art Neuauflage in Montreal, Jürgen Croy, Dixie finale der WM 2010 in Südafrika der WM-Endspiele gegen die Dörner, und Lothar gegenüber, als dem Team von Maradona-Teams von 1990 (1:0) Kurbjuweit, sowie weitere Medaillen- Joachim Löw ein denkwürdiger und 1986 (2:3) sein wird. Gewinner aus den erfolgreichen 4:0-Sieg gelang. DDR-Olympiateams wie Jürgen In , Andy Möller, Frank Nöldner oder Nicht minder erinnerungswürdig Mill und Günter Hermann haben angekündigt. ist sicherlich das dramatische sich zudem weitere Weltmeister Viertelfinale bei der WM 2006 von 1990 angekündigt. Die WM- Übrigens: Aus Anlass der vom in Deutschland, als es in Berlin Champions von 1974 werden durch 27. Juli bis 11. August in London nach 120 Minuten 1:1 stand, da- die Frankfurter Endspiel-Flügel- stattfindenden Olympischen Spiele nach Neuville, Ballack, Podolski zange Jürgen Graboswki und ist der deutsche Fußball bei Olym- und Borowski im Elfmeterschie- Bernd Hölzenbein sowie unter an- pia, auch wenn er sich diesmal hier- ßen erfolgreich waren, vor allem derem durch Bernd Cullmann ver- für nicht qualifizieren konnte, ein aber mit zwei ab- treten. Namhaft repräsentiert sind Thema in diesem Heft – in Verbin- gewehrten Elfmetern der Argen- daneben die drei EM-Siegerteams dung mit historischen Rückblicken tinier das Vordringen ins Halbfinale von 1972 mit Erwin Kremers und und bemerkenswerten Porträts. sicherte. Jürgen Grabowski, von 1980 durch Hansi Müller, Hans-Peter Briegel Nach Brasilien im Vorjahr beim Jens Lehmann zählt denn auch zu und Karlheinz Förster sowie von CdN-Mitgliedertreffen in Stuttgart den knapp 200 CdN-Mitgliedern, 1996 mit , Jürgen wird diesmal auch in Frankfurt am die sich bereits bis Mitte Juli zum Kohler und Andreas Möller. Main südamerikanischer Fußball- 7

Noch in bester Erinnerung: der deutsche 4:0-Sieg gegen die Südamerikaner bei der WM 2010. flair, personifiziert in Lionel Messi, dige Begegnung mit den „Gauchos“ das Jahrestreffen umwehen. Auch zurückdenken. Bei der WM 1974 Hotelempfehlungen zum Jahrestreffen diesmal verbunden mit der Hoff- erzielte er zwar im letzten Spiel am 15. August in Frankfurt/Main nung auf eine ähnlich großartige der zweiten Finalrunde in Gelsen- Vorstellung unserer National- kirchen den Führungstreffer schon Lindner Hotel und Sports Academy (fußläufig zum Stadion) mannschaft wie im Vorjahr beim in der 14. Minute. Doch nur sechs Otto-Fleck-Schneise 8 3:2-Sieg über die Brasilianer und Minuten später verhinderte René D-60528 Frankfurt/Main eine Verbesserung der negativen Houseman mit dem Ausgleich eine Einzelzimmer inkl. Frühstück 109,– € Länderspielbilanz. Acht Nieder- weitere große Überraschung der Doppelzimmer inkl. Frühstück 139,– € lagen gegen die Argentinier stehen DDR-Auswahl bei diesem WM-Tur- nämlich fünf Unentschieden und nier. Am 15. August in Frankfurt Steigenberger Airport Hotel Frankfurt nur sechs Siege gegenüber. Er- wird dies aber auf jeden Fall Ge- Unterschweinstiege 16 staunlicherweise liest sich die sprächsstoff sein für Croy, Kurb- D-60549 Frankfurt/Main Einzelzimmer inkl. Frühstück 147,– € Bilanz der Pflichtspiele deutlich juweit, Weise, Gerd Kische, Streich Doppelzimmer inkl. Frühstück 167,– € besser, konnte die DFB-Auswahl und Eberhard Vogel, die alle an bei Weltmeisterschaften bei sechs jenem Abend des 3. Juli 1974 auf Begegnungen viermal gewinnen Schalke im Einsatz waren. Buchung direkt an: und ein Unentschieden erreichen. Vanessa Wurdak Den ersten Sieg gab es dabei schon Neben der Vorfreude auf das all- Projektleiterin/Project Manager gleich beim ersten Aufeinander- jährliche Wiedersehen gibt es also Gruppen- und Incentivereisen treffen überhaupt, 1958 bei der viele gute Gründe, auch zum dies- Euro Lloyd DFB Reisebüro GmbH WM in Schweden. Uwe Seeler, jährigen Mitgliedertreffen anzurei- Das offizielle Reisebüro der heutige CdN-Vorsitzende, wird sen. Rund 220 ehemalige National- des Deutschen Fußball-Bundes sich sehr gerne daran erinnern, spieler sorgten im vergangenen Otto-Fleck-Schneise 6a erzielte er doch neben dem zwei- Jahr in Stuttgart für eine Rekord- D-60528 Frankfurt/Main fachen Torschützen Helmut Rahn beteiligung. Frankfurt am Main, Telefon: 069/677207-17 einen Treffer zum damaligen zumal als zentraler Veranstaltungs- Telefax: 069/677207-29 E-Mail: [email protected] 3:1-Sieg in Malmö. ort, sollte seine Anziehungskraft Internet: www.eurolloyd-dfb.de auf die Internationalen aus Ost Mit eher gemischten Gefühlen wird und West nicht verfehlen. Zur Buchung ist die Rechnungsanschrift erforderlich. an eine denkwür- Wolfgang Tobien Energisch, dynamisch, entschlossen: auf richtigem Weg zum neuen Ziel! 10 AKTUELL IM BLICKPUNKT

Nationalteam nach der EURO: Die Zukunft kann kommen

1954. 1974. 1990. Oder: 1972. 1980. 1996. Das waren Lichterketten, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Gestalt seiner besten Nationalmannschaften einst gebildet hat. Über allen Welt- und Europameistern von gestern funkelten die „Zweiundsiebziger“, die „Jahrhundertmannschaft“, das Ramba-Zamba-Ensemble, das vor vierzig Jahren Europa faszinierte mit seiner Fähigkeit, das Spiel von jetzt auf gleich zu beschleunigen.

Dieser hellste Glanz, den je ein zeichnete die deutschen Fußball- stimmte und nach neuen Formen deutsches Nationalteam ausstrahl- Expeditionen mit dem Trainer und des Zusammenlebens und Zusam- te, bleibt unvergänglich. Umso Klinsmann-Nachfolger Löw an der menspielens suchende Gruppie- mehr, je länger es her ist, dass die Spitze. rungen. Eine kreative, belebende Titeljäger mit dem Adler auf der Epoche, in der alte Gewissheiten in Trikotbrust fette Beute gemacht Beim Blick voraus auf die WM Frage gestellt und neue Möglich- haben. 2014, bei der der nächste Anlauf keiten für gemeinsame Anstren- unternommen werden soll, ganz gungen erprobt wurden. In dieser Zuletzt standen die Chiffren 2006, oben zu stehen, lohnt auch ein Zeit bestimmten der nach steter 2008, 2010 und 2012 für den Blick zurück auf die deutschen Effizienz und manchmal kühler ehrenwerten und oft genug höchst Europameister der Vergangenheit. Perfektion strebende FC Bayern ansehnlichen Versuch, alte Zeiten Sie haben zumindest 1972, ange- München mit dem Fußball-„Kaiser“ wiederaufleben zu lassen. Doch führt von den Fußball-Majestäten an der Spitze die Krönung blieb den Fußball- Franz Beckenbauer und Günter und die stürmische Künstlerkolo- Reformern und Stilbildnern Jür- Netzer und veredelt durch die nie des VfL Borussia Mönchen- gen Klinsmann und Joachim Löw Treffsicherheit des Ausnahme- gladbach unter dem Dirigat des bisher versagt. Zweite und dritte stürmers Gerd Müller, internati- Günter Netzer den Gang der Dinge Plätze, zuletzt im Juni 2012 ein onale Maßstäbe gesetzt – fast so im deutschen Vereinsfußball. Ende aller schönen Träume im EM- bezwingend und betörend wie seit Halbfinale, beschildern einen ver- vier Jahren Spaniens exquisite und Auch Bundestrainer Helmut Schön heißungsvollen Weg, der bisher unschlagbar anmutende Selección. machte sich den kreativen Schub, nicht zum höchsten Ziel geführt hat. der von diesen beiden Klubs aus- Es waren die Jahre des „acht- ging, zueigen und setzte bei der Knapp unterhalb des Gipfels: undsechziger“ Aufbruchs in der EM 1972 auf Blockbildung. Sechs Dieses Signum der noch nicht er- Gesellschaft wie im Fußball, ge- Bayern-Stars (, Becken- reichten Vollkommenheit kenn- prägt durch eigenwillige, selbstbe- bauer, Hans-Georg Schwarzen- „Gut gemacht“: Marco Reus krönte seine hervorragende Leistung gegen Griechenland mit seinem zweiten Länderspieltor. EM-Entdeckung: Der Dortmunder Mats Hummels, hier im Zweikampf mit dem Portugiesen Helder Postiga. 13

Unumstrittene Chefs auf dem Platz bei der EM 1972: Günter Netzer und Franz Beckenbauer.

beck, , Uli Hoeneß, deutschen Fußballblüte, die zwei ohne aufzuschauen. So etwas ha- Gerd Müller) und drei Borussen Jahre später im eigenen Land in be ich in meiner späteren Karriere (Netzer, Herbert Wimmer, Jupp die Eroberung des zweiten WM- als Fußballer nicht mehr erlebt.“ Heynckes), dazu der Schalker Er- Titels münden sollte – zwanzig win Kremers und der Bremer Jahre nach dem „Wunder von Bern“. Diese Mischung zwischen ausge- Horst-Dieter Höttges standen in reifter Klasse und immer wieder der Startelf, die am 18. Juni in 1972, das war auch die Erfolgsge- frischer Neugier war letztlich der Brüssel das belgische Mini-Turnier schichte starker Charaktere, de- Schlüssel zum Erfolg. mit vier Mannschaften triumphal nen Bundestrainer Schön viele gewann. Freiheiten gewährte, deren Ent- Das Potenzial, ähnlich zu glänzen wicklung der sächsische Feingeist und zu zaubern wie damals Beim 3:0 über die Sowjetunion förderte. „Günter Netzer und ich“, Beckenbauer, Netzer und Müller, nach Treffern von Müller (zwei) erinnert sich Beckenbauer, „haben besitzen auch die Stars von heute. und Wimmer stellte sich die Frage uns in der Mitte ideal ergänzt, und Schweinsteiger, Khedira (bester nach Siegern und Besiegten schon vorne wirbelte Gerd Müller alles deutscher Spieler bei der EM), kurz nach dem Anpfiff nicht mehr, durcheinander.“ Der „Kaiser“ und Özil, die in die Startelf drängenden so dominant zogen die Deutschen der König der Spielmacher, zwei Götze, Reus und Schürrle, dazu ihr jederzeit bewegtes, laufinten- Alphatiere in ihren Klubmann- der trotz seines Schnitzers gegen sives und passgenaues Spiel auf. schaften, setzten gemeinsam die Italien zum Abwehrchef prädes- Der 3:1-Erfolg im Viertelfinal- massenhaft bewunderten Ak- tinierte Hummels, das sind Profis hinspiel gegen England im Wem- zente. „Der Günter“, staunte so- von Rang, denen bei ihrem pol- bleystadion, der erste Sieg über- gar der Alleskönner Beckenbauer, nisch-ukrainischen Anlauf in den haupt im Mutterland des Fußballs, „hat das ganze Spiel voraus- Worten Beckenbauers aber noch war der Beginn dieser schönsten gedacht. Wir verstanden uns, „irgendetwas“ fehlte. 14 AKTUELL IM BLICKPUNKT

Regie führte , ge- rade mal 20 Jahre alt und damit ein Jahr älter als der erstmals zu einem großen Turnier mitgenom- mene spätere Rekordnationalspie- ler Lothar Matthäus. Der damals noch für den 1. FC Köln kickende Schuster zelebrierte in Italien mit Grandezza und dem Blick für den freien Raum ein frühes Meister- werk – und das, obwohl er bis zur EM nur sieben Länderspiele be- stritten hatte. Schusters Spiel- kunst und der frische Tatendrang einer Mannschaft voller Aben- teuertum mehrten Deutschlands Turnierruhm.

„Die meisten standen ganz am Anfang ihrer Länderspielkarriere, die Hierarchie in der Mannschaft war eher flach“, sagt , heute Vorsitzender der Geschäfts- führung bei Werder , über Derwalls gelungenes Experiment, aus jugendlichem Tatendrang Funken zu schlagen. „Wir waren bei der EM nicht Favorit“, sagt Rummenigge beim Blick zurück, „und das war ganz gut. Wir muss- ten nicht gewinnen und konnten Mittelfeldregisseur beim Titelgewinn 1980: der 20-jährige Bernd Schuster. frei aufspielen.“

Diese große Freiheit hatte Löws bestes Aufgebot in Polen und der Ukraine nicht. Der Titel war überall Vielleicht war es die Unbeschwert- Markenzeichen der Derwall-Ära der Maßstab. Eine Sichtweise, die heit der Europameister von 1980. wurde. Und sie hatten ein „Unge- sich millionenfach im Publikum Sie genossen in Italien als jüngste heuer“ namens in spiegelte, das auch aus dieser Eu- Turniermannschaft mit einem ihren Reihen, der die beiden End- ropameisterschaft ein Event für Altersdurchschnitt von 24,2 Jah- spieltore, das erste per Fuß, das alle, für das ganze Land machte – ren ihre Unerfahrenheit und nutz- zweite per Kopf, zum 2:1-Sieg Risiken und Nebenwirkungen inbe- ten ihre Talentprobe gleich mal zu über Belgien am 22. Juni in Rom griffen. So stand die National- einem Meisterstück. An der so- erzielte. Die Reise nach Italien mannschaft, mit 24,4 Jahren im genannten langen Leine geführt trat eine bunt gemischte Truppe Durchschnitt wie die Vorgänger vom Bundestrainer , mit 21 Spielern aus zehn Klubs 1980 jüngste des Turniers, von ließen sich die Spieler, von denen an – von Blockbildung wie noch vornherein unter starkem Erfolgs- fünfzehn noch nie bei einem der acht Jahre zuvor konnte keine druck. großen Turniere dabei waren, Rede mehr sein, als Derwalls durch nichts und niemand er- Rasselbande die anderen Mann- Was Kraft und Willen bewegen schrecken. Basierend auf einem schaften bei der EM aufzumischen können, das hat der deutsche exzellenten Teamgeist nutzten begann. Mit Protagonisten wie Europameisterjahrgang 1996 vor- die Deutschen bei dieser erst- Schumacher, , Karl- gemacht. Gebeutelt durch eine mals unter acht Mannschaften heinz Förster, Hans-Peter Briegel, Vielzahl von schweren Verletzun- ausgespielten EM ihr Momentum. Hansi Müller, Karl-Heinz Rumme- gen und mittelschweren Bles- Schließlich waren sie mittendrin in nigge, Klaus Allofs (schoss beim suren, hielt dieses Team des Bun- einer Serie von 23 ungeschlagenen 3:2 über Holland alle drei Tore und destrainers Berti, genannt „der Spielen, die in der Zeit des Schön- wurde damit EM-Schützenkönig) Terrier“, Vogts durch und dagegen Nachfolgers (1978 bis 1984) zum oder Hrubesch. in diesem erstmals mit 16 Mann- 15

schaften ausgetragenen Turnier. Mannschaft“; Sammer, ihr An- den und deshalb eine geschlos- Das 0:0 gegen Italien im Gruppen- führer, widersprach: „1996 hatten sene Mannschaft bildeten.“ Dieser spiel: ein Kraftakt; das 2:1 gegen wir unglaubliche Persönlichkeits- bis heute letzte große Erfolg bei Kroatien im Viertelfinale: eine rohe profile in unserem Kader“ – vom einer EM war das Werk erwach- Auseinandersetzung; das 7:6 (6:5) Ruhepol Andreas Köpke im Tor sener Profis, die sich auch in den nach Elfmeterschießen im Halb- über die Cheforganisatoren Sam- Momenten größter Not zu helfen finale gegen England: eine Nerven- mer und Helmer, den Abräumer wussten. probe; das 2:1 gegen Tschechien und Vorkämpfer , die im Endspiel nach 0:1-Rückstand Künstlernaturen Thomas Häßler Wenn die Nationalmannschaft von zum Triumph vergoldet durch Bier- und Andreas Möller bis zu Klins- heute, die Fußball-Ästheten mit hoffs Golden Goal: auch Gedulds- mann, dem Chef der Abteilung ihrer spielerischen Klasse immer sache. Attacke, und dem finalen Helden wieder mal zu begeistern weiß, Bierhoff. das auch noch mehr beherrschte, Diese Mannschaft, angeführt von wäre der Weg nach ganz oben Persönlichkeiten wie Matthias „“, lobt Sammer noch 2014 frei – gäbe es da nicht auch Sammer, und heute seinen Trainer von damals, noch die Spanier, Italiener, Por- Jürgen Klinsmann, beseitigte alle „hat das hervorragend gemacht, er tugiesen, Brasilianer, Argentinier Hindernisse mit ihrer Charakter- hat in das Team reingehorcht und und etliche andere, die ganz nach stärke, ihrer individuellen Klasse uns Verantwortung übertragen. oben wollen. und ihrem Gemeinschaftsgeist. Unser Erfolgsgeheimnis war, dass Vogts pries sein Aufgebot mit der diese Individualisten sich sportlich Standardfloskel, „der Star ist die und menschlich sehr gut verstan- Roland Zorn

Schlussjubel: Der EM-Triumph 1996 basierte auf Kämpfern wie Helmer, Sammer und Babbel (von links). 16 AKTUELL IM BLICKPUNKT

Vor 50 Jahren entstand der bis heute perfekte Doppelpass: Nationalteam/Bundesliga

Gute Freunde kann niemand trennen

Von wegen altes Ehepaar: Die Bundesliga geht in ihre 50. Saison, und die Nationalmannschaft steht als feuriger Liebhaber klatschend Spalier – nach Kaiser Franz und Bomber Müller feiert der deutsche Fußball die zweite Erfolgsgeschichte des perfekten Doppelpasses.

Die Geschichte des Doppelpasses Das ging damals so: Mit dem den Schenkel, die Schulter oder ist gespickt mit Traumduos. Adam scharfen Auge des Liberos hat sich den Allerwertesten. So geht der und Eva. Maria und Josef. Fix und Franz Beckenbauer hinten lässig perfekte Doppelpass. Foxi. Hänsel und Gretel. Simon und die Kugel geangelt, ist einer inne- Garfunkel. Pat und Patachon. Dick ren Stimme folgend instinktiv aus- Und so ist es auch, wenn die Nati- und Doof. Romeo und Julia. Asterix gebrochen aus den Fesseln der onalmannschaft den Klubs den und Obelix. Starsky und Hutch. Abwehr und mit dem Ball am Fuß Ball zuspielt, oder umgekehrt. Als Max und Moritz – im deutschen nach vorne getanzt; notfalls Haken Christian Seifert, der Chef der Fußball sind der Max die National- schlagend hat er die Tiefe des Deutschen Fußball-Liga (DFL), mannschaft und der Moritz die Raums überbrückt, spätestens auf seine letzten Jahreszahlen ver- Bundesliga. Höhe des Anspielkreises ging ein öffentlich hat, war von 42.000 Zu- Raunen durchs Stadion, die Gegner schauern pro Spiel die Rede, was bis Nein, keine Angst, wir erzählen wischten sich den Panikschweiß auf die NFL im American Football hier jetzt keine Bubengeschichte in von der Stirn, die Radioreporter jede andere Liga der Welt vor Neid sieben Streichen, sondern ein wirk- sprangen im Rahmen der Kon- erschrecken lässt – und Seifert liches Erfolgsmärchen. Der freudi- ferenzschaltung elektrisiert auf sieht die Fortsetzung des Booms ge Anlass ist die 50. Saison, in die („Sofort nach München, der Kaiser gewährleistet. Er sagt: „Die Bun- die Bundesliga geht – und die Nati- überschreitet die Mittellinie!“), ein desliga ist bei Fans, Sponsoren und onalmannschaft steht klatschend kurzes Doppelpässchen noch mit Medienpartnern so populär wie nie.“ Spalier und tanzt ausgelassen mit. dem Müller, und der Franz krönte Es ist eine Party für zwei. den Vorstoß mit einem unnach- Also so populär wie die National- ahmlichen Außenristschlenzer ins mannschaft, die zuletzt bei der EM Bevor wir fortfahren, klären wir Lattenkreuz oder schob, an seinen in Polen und der Ukraine für Re- erst mal die Frage, was ein Doppel- besonders perfiden Tagen, den kordeinschaltquoten im Fernsehen pass ist – und zwar am bisher glor- Ball noch mal quer zum mitgelau- und Massenandrang beim Public reichsten Beispiel: dem Kaiser und fenen Gerd – und der hat dann voll- Viewing in Deutschlands Städten dem Bomber. ends den Innenrist hingehalten, sorgte. 17

Startschuss: Die „ersten Bundesliga-Punkte“ und der erste Torschütze, der kürzlich verstorbene Friedhelm „Timo“ Konietzka.

Die Nationalmannschaft, sie war Das war vor genau 50 Jahren. Und gehend wichtiger als der feine zuerst da, hat dann aber im ei- das war gut so, denn der damals Außenrist Beckenbauers – dass genen Interesse tatkräftig mit- beschlossene Doppelpass macht unter den Sündern auch noch, geholfen, dass dies nicht so blieb. seither frei nach Grönemeyer die sogar auf Plakatsäulen, gefeierte Sepp Herberger, der weise Alte, Gegner nass – und wenn es mal WM-Helden von 1970 waren, der Vater der 54er-Helden von nicht so lief, half gegen jede Affäre machte den Schaden nicht kleiner. Bern, war in jenem Frühsommer oder Krise der Bibelvers: Einer 1962 als Bundestrainer ganz üb- trage des anderen Last (Galater 6, 2). Vertrauensschwund. Zuschauer- ler Laune. Das frühe Scheitern bei schwund. Der Tiefpunkt war die der WM in Chile lag ihm im Magen, Für den ersten Skandal sorgte, Saison 1972/73: Schnitt 16.372. auf lange Sicht, spürte er, war im jugendlichen Leichtsinn, die Die Nationalmannschaft hat das allein mit dem Geist von Spiez neue Liga. Nach der Saison Schlimmste damals verhindert. oder den deutschen Tugenden 1970/71 versank sie fast im trüben Es musste allerdings schon die gegen die längst in Profiligen Gewässer der Korruption, in der beste sein, die wir je hatten, die organisierte Konkurrenz nichts Schieber und Betrüger nach Sie- Europameister von 1972. „Ramba- mehr auszurichten, zu groß war gen und Schmiergeld fischten – Zamba“ jubelte „Bild“. Ramba das Leistungsgefälle in den bun- ausgerechnet in jenen Pionier- war Beckenbauer und Zamba war desweit verstreuten Oberligen. zeiten, die eh holprig genug waren. Netzer. Günter Netzer, der Playboy, Es galt also, die Kräfte zu bündeln Die Stadien waren noch keine also Spielmacher, stand für ein und zu konzentrieren. „Eine Bun- Schmuckkästchen mit integrierter neues Fußball- und Lebensgefühl, desliga muss her“, forderte der Arschbackenheizung, sondern er fuhr Ferrari, flankierte schöne Bundestrainer wie schon etliche kalte Schuppen und alte Kampf- Frauen, schlug mit flatternden Male in den Jahren zuvor. Am bahnen ohne Komfort, und die Federn hemmungslose Steilpässe, 28. Juli 1962 erfüllte ihm der DFB- Zuschauerzahlen entsprechend und aus dem unwiderstehlichen Bundestag im Goldsaal der Dort- labil. Und nun auch noch das. Der Solo, das er beim Viertelfinal-3:1 munder Westfalenhalle seinen eiserne Besen des Chefanklägers gegen die Engländer in Wembley Wunsch. Hans Kindermann war vorüber- aus der Tiefe des Raumes hinlegte, 18 AKTUELL IM BLICKPUNKT

Das Schlimmste verhindert: Erfolg und Spielweise der 72er-Europameister überdeckten die Folgen des Bundesliga-Skandals 1971.

würde man heute einen Videoclip der vizeweltmeisterliche, aber auf den Weg zur Party, und die basteln, unterlegt mit fetziger doch insgesamt minimale Fuß- Bundesliga läuft seither wie von Rockmusik. ball bei der WM 1986 half nicht selbst. weiter – mit wesentlich erreg- Netzer war der erste Popstar des terem Herzen raste der deutsche Dass die Nationalmannschaft um deutschen Fußballs. Dass er aber Sportsfreund zu Boris Becker und die Jahrtausendwende vorüber- zu Real Madrid auswanderte, tat Steffi Graf, mit über die Anhänger- gehend ins tiefe Tal der Tränen und der Attraktivität der Bundesliga kupplung gestülpten Tennisbällen. des Talentmangels stürzte, hielt und ihren Besucherzahlen nicht den galoppierenden Trend nicht gut. Gold wert war da dringend Doch plötzlich, im Rückenwind mehr auf, im Gegenteil – selbst das die WM 1974, mit neuen, wärmeren des WM-Triumphs 1990, wedelten unvergessene Nullnull auf Island Stadien – und dem Finalsieg in die ersten schwarz-rot-goldenen war beste Samstagabendunter- München. Fähnchen aus den Autos. Und der haltung. So furios hat der Team- EM-Sieg 1996 war vollends Trend- chef damals nach dem Abpfiff vor Die 80er-Jahre wurden dann noch bruch und Wende: Kanzler Kohl dem TV-Standgericht den Delling mal zum langen, tapferen Kampf. schickte tags darauf vier Tornados als Kässchwätzer, den Netzer als Der Abgang diverser Lichtge- los, als Empfangskomitee für die Standfußballer und den Hartmann stalten ins wärmere Südeuropa – heimkehrenden Wembley-Helden, als Weizenbier-Waldi umgemäht, Rummenigge, Schuster, Hansi und der TV-Intendant Fritz Pleit- dass ihm seither der ewige Trink- Müller, Briegel, Matthäus, Brehme, gen sprach im Kampf um die Über- spruch des Volkes gilt („Es gibt nur Klinsmann – tat weh. Kaiser Franz tragungsrechte vom „Menschen- ein Rudi Völler!“). Das Ende dieses ging von Bord, Bomber Müller war recht“ – das war der Durchbruch hundsmiserablen Grottenkicks ist weg, die Bundesliga war wie aus- des Fußballfiebers. in den Stein gemeißelt als die gebombt, und die WM 1982 endete aufregendste dritte Halbzeit der auch noch als Schuss ins Knie: Die TV-Quoten waren fortan toll, und deutschen Länderspielgeschichte. Schlucksee, Nichtangriffspakt in die Stadien voll. „Jetzt“, wusste Gijon, Battiston. Dürre 17.000 Zu- Schalkes Manager Aus dem Trauma jener Durst- schauer verliefen sich danach pro sofort, „ist es egal, wer als Gegner strecke haben jedenfalls alle das Spiel in die Bundesliga, und auch kommt.“ Der Fußball machte sich Beste gemacht. Der damalige 19

Initialzündung: Die Begeisterung über den WM-Gewinn 1990 schuf die Basis für den bis heute anhaltenden Zuschauerboom in der Fußball-Bundesliga.

DFB-Präsident Gerhard Mayer- wie in jeder guten Ehe wird auch ball mit Schwung, es dürfen sogar Vorfelder blies zur radikalen Nach- mal gemeckert. Zuweilen sehen Hüftschwünge sein à la Marilyn wuchsoffensive, die Bundesliga hat die Klubs nicht ein, dass sie für Monroe in „Manche mögen’s heiß“. mitgezogen, in die Talentförderung Testspiele der Nationalelf gegen investiert – und spätestens seit die, sagen wir einmal, Äußere Sexy Fußball. Feuriger Fußball. dem Sommermärchen 2006 ist Walachei oder Hintere Mandschu- Und wie feurige Liebhaber und gar alles konfetti, paletti und perfetti, rei ihre Stars abstellen müssen, nicht wie ein altes Ehepaar kom- Stimmung, Stadien und Fußball. die dann schlimmstenfalls zurück- men passend dazu die National- kehren als Invalide. Andererseits mannschaft und die Bundesliga Die Nationalmannschaft macht aber ist beispielsweise Miro Klose, vor deren 50. Saison jetzt daher. jedes Länderspiel zum Festtag, die wenn der kriselte, von Bundes- Sie ergänzen sich im Rahmen des Bundesliga meldet ständig neue trainer Joachim Löw gerne mal Ramba-Zambas, ziehen an einem Bestmarken und ist derart im grü- kostenlos wieder aufgebaut und Strang, gehen durch dick und nen Bereich, dass Joschka Fischer wie ein neugeborener Torjäger zu dünn, und zur musikalischen Unter- irgendwann meinte: „Fußball ist des seinem Klub heimgeschickt wor- malung der nahenden Goldenen Mannes zweitgrößtes Glück.“ Was den. Es ist ein Geben und Nehmen. Hochzeit müssen unbedingt Franz der Macho ganz vergessen hat, sind Beckenbauer und Gerd Müller die Frauen. Sie bringen als wach- Was zählt, ist das große Ganze. ran – denn schon in jenen 60ern, sende Zielgruppe auf den Tribünen Das Zusammenleben zweier Or- als alles begann, haben der Kaiser immer mehr Farbe ins Spiel, wie ganisationen zum gegenseitigen und der Bomber das Rezept für zuletzt wieder die Kanzlerin als Nutzen heißt Symbiose, und die den perfekten Doppelpass mit Blickfang bei der EM – mit „Hallo Nationalmannschaft und die Bun- ihren Erfolgsschlagern besungen: Mama!“ wird sie auf den Trans- desliga sind sich einig, bis hin zur „Gute Freunde kann niemand tren- parenten schon begrüßt, als Mas- Art des Spiels. Der attraktive nen“ und „Dann macht es bumm“. kottchen von Deutschlands liebs- Fußball der Marke frisch, flink und tem Kind, der Nationalmannschaft. vorwärts, der der Liga vorschwebt, Oder Boom – um es in der Sprache deckt sich weitgehend mit dem des deutschen Fußballs zu sagen. Da kann man als Bundesliga mit- von Özil & Co. auf dem Höhepunkt unter fast neidisch werden, und der WM 2010 praktizierten Fuß- Oskar Beck 20 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Fußball bei Olympia: die begeisternde DFB-Mission 1988 in Seoul

Erst war die Euro. Dann ist Olympia. So geschah und geschieht es seit mehr als einem halben Jahrhundert, seit der ersten EM-Endrunde 1960, als die Sowjetunion sich mit dem 2:1-Sieg im Finale gegen Jugoslawien in Paris als erster Europa- meister feiern lassen konnte, und Jugoslawien wenige Wochen später in Rom mit dem 3:1 im Endspiel gegen Dänemark die Goldmedaille gewann.

Und so geschieht es auch jetzt nicht, bei der U 21-EM 2011 in Mal noch vor Beginn der meisten wieder, da nach dem Gewinn des Dänemark einen der drei Plätze europäischen Ligen endet. EM-Titels durch Spanien nur wenig zu erobern, die zur Olympia-Teil- später vom 27. Juli bis 11. August nahme berechtigen. So sind neben Ganz anders war dies 1988, als 2012 das Fußballturnier im Rah- dem als Gastgeber automatisch sich die bundesdeutsche Olympia- men der 30. Olympischen Sommer- qualifizierten britischen Team Auswahl nach 32 Jahren mal wie- spiele in London ausgetragen wird. Spanien, die Schweiz und Weiß- der direkt für „die Spiele“ quali- russland für Europa bei Olympia fiziert hatte. Vier Jahre zuvor war 16 U 23-Mannschaften, die maxi- am Ball. sie lediglich wegen des Olympia- mal mit bis zu drei älteren Spielern Boykotts der Ostblock-Staaten verstärkt werden können, haben So schade es ist, dass die deutsche durch die Hintertür nach Los sich bei den Männern qualifiziert. Mannschaft 2011 in der Olympia- Angeles gekommen. 1988 bestand 12 Teams gehen, ohne Alters- Qualifikation gescheitert ist, die das große Problem, dass die Olym- begrenzung, bei den Frauen an Diskussion über eine eventuell pischen Spiele im südkoreanischen den Start. Weder im einen noch gestörte Saison-Vorbereitung der Seoul von Mitte September bis im anderen Wettbewerb ist eine durch die Abstellung ihrer Spieler Anfang Oktober, also mitten wäh- deutsche Auswahl vertreten. betroffenen Vereine kam dadurch rend der Bundesliga-Vorrunde, gar nicht erst in Gang. Eine Termin- stattfanden. Die Frauen-Nationalmannschaft kollision mit dem Verlauf der verpasste die Olympia-Qualifika- am 24. August startenden neuen Als das erste Qualifikationsspiel tion wegen des Aus im Viertel- Bundesliga-Saison hätte es frei- im April 1987 mit 0:1 in Rumänien finale bei der WM 2011 im eigenen lich ohnehin nicht gegeben, da das verloren ging, dachte so mancher Land. Den Männern gelang es olympische Fußballturnier dieses Vereinsverantwortliche, das Thema Freude über die Bronzemedaille 1988 in Seoul: , Jürgen Klinsmann und schultern Trainer Hannes Löhr. 22 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Akrobatische Flugeinlage: Jürgen Klinsmann und sein brasilianischer Gegenspieler im Halbfinale bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul.

Olympia würde sich von selbst geschnitten. So flog das Löhr- in Thomas Häßler, erledigen. Doch die von Trainer Team erst am 14. September von und Karl-Heinz Riedle drei weitere Hannes Löhr mit großer Über- Frankfurt nach Seoul, nachdem am Newcomer aus jenem Team ab, zeugungsarbeit gegenüber dem Tag zuvor noch der letzte Bundes- mit dem er sich auf den Weg zur Profifußball aufgebaute und mit liga-Spieltag vor der Olympia-Pause WM 1990 in Italien machte. Ein viel Herzblut betreute Mannschaft durchgeführt worden war. Trio, das zwei Wochen vor der steigerte sich und ihren Stellenwert Abreise nach Korea noch beim ge- in der Öffentlichkeit mit immer Die Mannschaft erreichte am lungenen WM-Qualifikationsstart stärker werdenden Leistungen und 16. September ihren Spielort in Finnland (4:0) debütiert hatte. kontinuierlichen Erfolgen gegen Busan, wo bereits am nächsten Griechenland, Dänemark sowie Tag das erste Gruppenspiel gegen So geriet, was ursprünglich als Polen und schaffte mit einem China, das sich drei Monate lang unwägbares Abenteuer erschien, 3:0-Sieg beim letzten Qualifika- auf dieses Turnier vorbereitet zur erfolgreichsten Olympia- tionsspiel gegen Rumänien in Dort- hatte, stattfand. Mission des Deutschen Fußball- mund den Sprung nach Korea. Bundes. Im Gegensatz zum Deut- In Franz Beckenbauer, dem Team- schen Fußball-Verband der DDR, Die Situation war da: Beim DFB chef der A-Nationalmannschaft, für den die olympischen Fußball- musste ein Kompromiss mit der hatte Löhr, wie schließlich auch turniere die absoluten Highlights Bundesliga gefunden werden. Er bei den meisten Bundesligisten, seiner Geschichte waren (siehe wurde gefunden: Die höchste deut- einen verständnisvollen Kollegen. Seiten 26 bis 31) liest sich die sche Spielklasse machte während Mit Jürgen Klinsmann, Olympia-Historie des DFB, sofern des Olympia-Turniers Pause. und überließ er man sich überhaupt qualifiziert Löhr drei Spieler aus dem EM- hatte, nicht gerade eindrucksvoll. Zwar gab es vor dem Abflug nach Aufgebot, das drei Monate zuvor Bei der ersten Teilnahme vor genau Seoul noch einige Absagen von bei der Euro in Deutschland das 100 Jahren in Stockholm gab es Stammspielern. Außerdem war Halbfinale gegen die Niederlande zwar beim 16:0 gegen Russland der Terminplan ungemein eng zu- (1:2) erreicht hatte. Dazu stellte er den bisher höchsten Sieg der deut- 23

Olympisches Fußballturnier 1972 in München: Uli Hoeneß flankt. schen Länderspielgeschichte, wo- Nationalstürmers und WM-Teil- Jürgen Klinsmann traf zu allem bei in dem zehnfachen Torschüt- nehmers 1970, Hannes Löhr, schon Unglück nur den Pfosten. zen Gottfried Fuchs (siehe Story in der Qualifikation begeisternde auf Seite 25) der bis heute un- Spiele hingelegt hatte, setzte sie in „Bronze“, die erste Olympia-Me- übertroffene Rekord-Torjäger der Südkorea noch einen drauf. China daille für den DFB überhaupt, Nationalmannschaft in Erschei- wurde mit Toren von Kapitän Mill, „strahlt wie Gold“, so die Schlag- nung trat. Das Aus in der Vorrunde Klinsmann und Wuttke 3:0 besiegt, zeile im kicker, nach dem 3:0-Sieg mit Niederlagen gegen Österreich gegen Schweden gab es zwar beim gegen Italien im Spiel um Platz 3. (1:5) und Ungarn (1:3) konnte 1:2 einen Rückschlag, doch zwei Kamps (Borussia Mönchenglad- dennoch nicht verhindert werden. 4:0-Siege gegen Tunesien und bach) – Hörster (Bayer Uerdingen) mit dem dreifachen Torschützen – W. Funkel (Uerdingen), Schulz Danach war 1928 in Amsterdam Klinsmann im Viertelfinale gegen (1. FC Kaiserslautern), Kleppinger ebenso in der Zwischenrunde Sambia machten den Weg frei fürs (Uerdingen) – Sievers (Eintracht Schluss wie 1936 bei Olympia in Halbfinale. Frankfurt)/86. Bommer (Viktoria Berlin. 1952 reichte es immerhin Aschaffenburg), Häßler (1. FC zum vierten Platz in Helsinki, ehe In einer dramatischen Begegnung Köln), Wuttke (Kaiserslautern)/ bei den folgenden Turnieren 1956 mit Brasilien brachte Fach die 63. Schreier (Bayer Leverkusen), in Melbourne in der Vorrunde, DFB-Auswahl in Führung, die Grahammer (Bayern München) – 1972 in München bei der Zwischen- Romario ausglich, ehe vier Fehl- Klinsmann (VfB Stuttgart) und runde und 1984 in Los Angeles schüsse vom Elfmeterpunkt den Mill () hatten im Viertelfinale Endstation war. Weg Richtung Goldmedaille ver- sie am 30. September 1988 bauten. Zunächst scheiterte Wolf- vor 60.000 Zuschauern in Seoul 1988 aber wurde Olympia endlich gang Funkel mit einem Foulelfme- erkämpft. auch mal im Fußball zu einem ter kurz vor Ende der 90 Minuten die deutschen Fans ungemein po- an Taffarel, der im Elfmeterschie- Eine anfangs zunächst ungeliebte sitiv bewegenden Ereignis. Nach- ßen auch noch gegen Olaf Janssen Notelf hatte sich über zwei Jahre dem die Mannschaft des früheren und Wolfram Wuttke glänzte. in die Herzen der Fans gespielt 24 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Shakehands nach dem 2:3 der bundesdeutschen Auswahl gegen die DDR-Auswahl bei Olympia 1972 in München: Konrad Weise und .

und war zu einer Fundgrube und Tackling ein Vorkämpfer der be- bung für den deutschen Fußball.“ Bewährungsstelle für die A-Nati- sonderen Art war, wurde Olympia Und Hannes Löhr, der als Kumpel- onalmannschaft geworden. Klins- 1988 zum Ausgangspunkt einer typ und große Respektperson zu- mann, Häßler, Riedle und Mill glänzenden Profikarriere mit dem gleich mit dem nötigen Händchen waren zwei Jahre später beim Aufstieg zum A-Nationalspieler in nicht gerade einfache Spieler wie WM-Triumph 1990 in Italien dabei. der Ära von Berti Vogts. Wolfram Wuttke oder Frank Mill Fach sollte auf dem Weg zur WM zu integrieren verstand, sagt heute eine feste Größe als Libero wer- , der als damaliger im Rückblick: „Das war schon eine den. Und für Michael Schulz, der Trainer des FC Bayern München ganz besondere Mannschaft.“ Eine 16 Monate zuvor noch für den VfB aus seiner Sicht verständlicher- Mannschaft, die nächstes Jahr das Oldenburg in der Amateur-Ober- weise die Olympia-Auswahl an- 25. Jubiläum des Bronze-Gewinns liga gespielt hatte, in Südkorea fangs mit Skepsis beobachtet von Seoul feiern kann. aber mit seiner Ballsicherheit, hatte, lobte am Ende: „Diese Kopfballstärke und sauberem Mannschaft war eine echte Wer- Wolfgang Tobien 25

Olympia 1912: „Gentleman-Stürmer“ Gottfried Fuchs und seine 10 Tore gegen Russland Beispiellose Leistung. Einzigartiges Schicksal.

Sein Rekord ist einzigartig, sein Schicksal ist es auch. Gottfried Fuchs ist der deutsche Nationalspieler, der GOTTFRIED FUCHS die meisten Tore in einem Länderspiel schoss. Und er * 3. Mai 1889 war der einzige Nationalspieler, der aus Deutschland † 25. Februar 1972 floh, um sein Leben zu retten. Position:

Fuchs, der 1972 mit 82 Jahren in Montreal/Kanada Angriff starb, war Jude. 1912 schoss er bei den Olympischen Aktiv bei: Spielen in Stockholm beim Rekordsieg (16:0) über Russland zehn Treffer, was kein Gerd Müller, Uwe Düsseldorfer SC 99 Seeler oder Rudi Völler je erreicht haben. Tore waren Karlsruher FV sein Markenzeichen. Seine Torquote – 13 Treffer in 6 Länderspiele: nur sechs Einsätzen sind 2,16 pro Spiel – ist beispiel- los in 104 Jahren Länderspiel-Historie. 1911 – 1913

Auch auf Vereinsebene war der schlaksige dunkel- haarige Mann erfolgreich. 1907 wurde der gebürtige Chroniken jener dunklen Tage eierten die Journa- Karlsruher Westdeutscher Meister mit dem Düssel- listen herum. Da war dann etwa zu lesen: „Der Halb- dorfer FC 1899, damals war der gerade 18-Jährige linke ließ wieder das Feuerwerk seiner Schießkunst beruflich am Rhein tätig. Danach ging der Kauf- steigen.“ Das Ergebnis musste ja trotzdem stimmen. mannssohn sogar ein Jahr nach England, worüber wenig bekannt ist. 1909 kehrte er in die Heimat Während Gottfried Fuchs mit Familie 1937 in die zurück, arbeitete in der väterlichen Holzhandlung Schweiz floh und 1940 nach Kanada auswanderte, und schloss sich dem Karlsruher FV an, mit dem er blieb im Land seiner Väter. 1943 wurde 1910 auf Anhieb Deutscher Meister wurde. Im Finale er nach Auschwitz deportiert und kam nie zurück. gegen (1:0) ging er allerdings leer aus. Auch Fuchs kam nie zurück, aber er lebte noch lange. Dafür punktete der „Gentleman-Stürmer“ auf dem Bankett. Den erst in der Verlängerung unterlegenen Nach dem Krieg erinnerte man sich endlich seiner. Kielern überreichte er elf Zweige aus dem Lorbeer- Sepp Herberger, der Fuchs schon als Kind spielen sah kranz, die er eigenhändig abtrennte. Verbürgt ist und ihn und seine Kameraden Fritz Förderer, Max auch die Geschichte, dass er in einem Spiel gegen Breunig oder Julius Hirsch schier verehrte, ließ 1955 Wiesbaden auf einen Foul-Elfmeter für den KFV anlässlich des ersten Länderspiels in Russland die verzichtete und dem Schiedsrichter gestand: „Ich Nationalspieler eine Grußkarte an ihn unterschrei- bin über die eigenen Beine gestolpert.“ 1920 beendete ben. Er spornte seine Weltmeister an: „Ihm müsst er seine durch den Krieg ohnehin unterbrochene ihr’s nachmachen, er hat zehn Tore gegen Russland Laufbahn. geschossen.“ Die Karte steckte er in einen Brief- umschlag, steuerte noch ein paar persönliche Zeilen Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, zählten seine dazu. Godfrey E. Fochs, wie er sich nannte, antwor- Verdienste nichts mehr. Weder seine Tore noch seine tete: „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich Auszeichnungen im Weltkrieg, in dessen Verlauf er ihr natürlicher und herzlicher Brief gerührt hat.“ viermal verwundet worden war. Es durfte nicht sein, dass Juden in Deutschland Rekorde hielten. Und so Eine frühe Ehrung soll nicht unerwähnt bleiben: 1912 kam es zu einer bizarren Anordnung von ganz oben: hatte ihm der preußische Kronprinz Wilhelm einen Die Tore und Einsätze der beiden jüdischen National- Silberpokal überreicht für seinen Tore-Rekord. Ein spieler Fuchs und Julius Hirsch, die gemeinsam beim Rekord, der am 1. Juli 2012 genau 100 Jahre alt wurde. KFV stürmten, wurden aus den DFB-Statistiken ge- Es ist einer für die Ewigkeit. strichen. Offiziell hatten sie nie gespielt, und in den Udo Muras 26 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Die glanzvolle Erfolgsgeschichte des DDR-Fußballs bei Olympischen Spielen

Gold, Silber, Bronze – und ein bitteres Ende

Bei Welt- und Europameisterschaften scheiterten die DDR-Fußballer fast immer äußerst knapp in der Qualifikation. Abgesehen vom Weg zu und bei der WM-Endrunde 1974, wo es in zum spektakulären 1:0-Sieg im innerdeutschen Duell und zum Vordringen in die 2. Finalrunde kam. Bei Olympischen Spielen aber sorgte die DDR-Auswahl für Furore, holte in der Geschichte der Turniere von 1964 bis 1980 Bronze, Silber und Gold.

Der Anfang dieser Geschichte ist lichkeit ausgeschlossen war. Die Eine neue Generation war also ebenfalls von einem deutsch- DFB-Auswahl, obwohl nur mit Ama- gefragt für Olympia 1964 in Tokio. deutschen Duell geprägt. Da das teuren besetzt, gewann im Sep- Sie ging einen erfolgreichen Weg. IOC bis 1964 nur eine gesamt- tember 1959 gegen die erste Zunächst in der Qualifikation mit deutsche Olympiamannschaft zu- Garnitur der DDR beide Spiele mit dem sensationellen 4:1-Erfolg ge- ließ, musste geklärt werden, 2:0 und 2:1, scheiterte dann aber in gen die Sowjetunion im Entschei- welche Mannschaft für die Olym- der Olympia-Qualifikation mit zwei dungsspiel in Warschau, nachdem pischen Spiele nominiert werden Niederlagen gegen Polen. es zuvor in und Moskau sollte. Zunächst hatte der Fußball- jeweils 1:1 gelautet hatte. Beim Verband der DDR darauf verzich- Vier Jahre später „revanchierte“ Olympia-Turnier selbst marschier- tet, Spieler in die gesamtdeutsche sich die DDR, diesmal mit Zu- te die Mannschaft, die unter dem Mannschaft für das Olympia-Tur- schauerbeteiligung. Vor 30.000 Namen Deutschland geführt wur- nier 1956 in Melbourne zu entsen- Zuschauern in gab es de, souverän durch die Vorrunde den. Vier Jahre später einigten sich einen 3:0-Sieg. Die 1:2-Niederlage und schaltete im Viertelfinale die beiden deutschen Verbände vor 15.000 Zuschauern in Hannover Jugoslawien, den Olympiasieger nach langwierigen Verhandlungen schmerzte deshalb nicht sonder- von 1960, mit 1:0 aus. darauf, zwei innerdeutsche Duelle lich. Seit dem Sommer 1963 hatte auszutragen. Der Sieger sollte sich der ungarische Trainer Karoly Danach aber war das Team vom auf den Weg machen zu den Olym- Soos an der Olympiamannschaft Pech verfolgt. Im Halbfinale pischen Spielen 1960 in Rom. gebastelt. Nach einem Beschluss schied Klaus Urbanczyk, der Ka- der FIFA waren Nationalspieler, pitän und Abwehrspieler, nach Die Begegnungen in Berlin und die zuvor an Qualifikationsspielen 30 Minuten mit einem Kreuzband- Düsseldorf wurden jedoch zu zur Weltmeisterschaft aufgeboten riss aus. So musste mit zehn Ak- „Geisterspielen“, weil die Öffent- waren, gesperrt. teuren weitergespielt werden, denn Der erste Schritt zum Glück: erzielt den Führungstreffer für die DDR- Auswahl. Links im Bild: .

Die DDR-Auswahl ist Olympiasieger 1976: Jürgen Croy, , Hans-Jürgen Dörner, Konrad Weise, , Reinhard Lauck (von links). 28 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Im Vorfeld von Olympia 1964 in Tokio: die DDR-Auswahl mit Trainer Karoly Soos (stehend, 2. von rechts).

Auswechseln war damals noch Der Sprung nach Mexiko gelang lage gegen Ungarn im „Kleinen nicht erlaubt. In der Schluss- allerdings nicht, denn gegen Bul- Finale“ auf die UdSSR. minute erzielte die CSSR das 2:1. garien gab es in Stara Zagora eine „Das Spiel hätten wir mit voller deftige 1:4-Niederlage. „Das wäre Kurios war dabei, dass nach dem Kapelle niemals verloren“, resü- unter Karoly Soos nicht passiert“, neuen FIFA-Reglement bei einem mierte später Urbanczyk. ist sich Fußball-Idol Otto Fräßdorf Unentschieden nach 90 Minuten bis heute sicher. Der Ungar war je- beide Mannschaften die Bronze- , der beim 3:1-Sieg doch nach den Rumänien-Spielen medaillen erhielten. So herrschte gegen Ägypten im Spiel um Platz dem Ruf der Heimat als Ungarns nach Eberhard Vogels Ausgleich in drei vertreten hatte, schenkte dem Nationaltrainer gefolgt. Sein Nach- der 78. Minute zum 2:2 nahezu Hallenser die Bronzemedaille, weil folger Harald Seeger hatte kein „Waffenstillstand“ auf dem Platz. seinerzeit nur Spieler, die auf glückliches Händchen. „Die letzten Minuten gingen in dem Feld standen, das Edelmetall einem Pfeifkonzert unter“, erinnert erhielten. Es war zugleich die erste Dagegen gab es in der Qualifika- sich der Torschütze an den zweiten olympische Medaille für deutsche tion für München 1972 gegen die Gewinn der olympischen Bronze- Fußballer. Amateure Italiens und Jugosla- medaille für die DDR. wiens keine Probleme. In Mün- Für Olympia in Mexiko 1968 stellte chen kam es dann in der Zwischen- In Montreal 1976 gab es dann end- die DDR erstmals eine eigene runde erneut zum innerdeutschen lich Gold. Dabei hatte das Turnier Mannschaft. Innerdeutsche Duel- Duell – die Elite der DDR gegen nicht gerade erfolgreich begonnen, le entfielen also in allen Sport- die Amateure der Bundesrepublik, denn gegen die brasilianischen arten. In der Qualifikation schal- von denen lediglich Uli Hoeneß Amateure reichte es nur zu einem tete die DDR Rumänien mit zwei Länderspiel-Erfahrung besaß. Erst torlosen Remis. Danach wurde 1:0 Siegen aus. Beide Partien zähl- später rückten Jürgen Kalb, Bernd kolportiert, dass DDR-Sportchef ten durch eine Vereinbarung beider Nickel, Klaus Wunder, Ronald Manfred Ewald die Mannschaft gar Verbände als Länderspiele. Später Worm, Rudolf Seliger, Ottmar aus dem Turnier zurückziehen und wurden sie wie alle Olympia- Hitzfeld, neben Uli Hoeneß der nach Hause schicken wollte. „Ganz Begegnungen aus der offiziellen Torschütze der Westdeutschen, so schlimm war es nicht, aber FIFA-Liste gestrichen, doch der DFV Hermann Bitz und andere ins uns wurde gehörig der Kopf ge- und später der DFB führen sie Rampenlicht. Die DDR gewann mit waschen. Und es hat gefruchtet“, weiterhin als offizielle Länderspiele. 3:2 und traf nach der 0:2-Nieder- erzählt Konrad Weise, der alle 29

Qualifikations- und Endrunden- Gegentreffer des heutigen pol- Lenin-Stadion eine 0:1-Niederlage spiele bestritt. nischen Fußballpräsidenten Lato. gegen die CSSR, die sechs Wochen Und damit war dann auch Ewald zuvor in fast gleicher Besetzung Frankreichs Amateure waren im endlich zufrieden. das Spiel um Platz drei gegen Viertelfinale kein ernsthafter Geg- Italien bei der EM gewonnen hatte. ner (4:0), obwohl in ihren Reihen Den ersten Olympiasieg einer immerhin Platini, Battiston, Fer- deutschen Mannschaft errang die Äußerst bitter und schmerzhaft nandez standen. Erst 1984 fasste DDR-Auswahl mit folgender For- ging die insgesamt so erfolgreiche das IOC den Beschluss, dass mation: Jürgen Croy – Hans-Jür- Olympia-Historie der DDR 1984 auch Profis, sofern sie jünger als gen Dörner – Gerd Kische, Konrad zu Ende. Die Qualifikation für Los 23 Jahre waren, bei Olympia mit- Weise, Lothar Kurbjuweit – Rein- Angeles wurde geschafft, doch die spielen durften. Damit sollte ein hard Häfner, Reinhard Lauck, Hart- sozialistischen Länder des Ost- Ausgleich geschaffen werden, weil mut Schade – Wolfram Löwe blocks sprachen sich für einen die Mannschaften aus dem Ost- (68. Wilfried Gröbner), Hans-Jür- Boykott der Spiele in den USA aus, block mit ihren offiziellen Staats- gen Riediger (86. ), nachdem viele westliche Nationen amateuren (fast) immer ihre besten Martin Hoffmann. Trainer: Georg vier Jahre zuvor die Olympischen Spieler aufbieten konnten. Buschner. Spiele in Moskau boykottiert hat- ten. „Der Olympia-Boykott 1984 Im Halbfinale gewann die DDR ge- Als Titelverteidiger holte die DDR- hat unserer damaligen Generation gen die Sowjetunion mit Toren von Auswahl in Moskau 1980 noch ein- in ihrer Entwicklung riesig gescha- „Dixie“ Dörner und Lothar Kurb- mal Silber, obwohl sie diesmal mit det“, sagt René Müller, der in jenem juweit 2:1. Und schließlich der einem eigens gebildeten Olympia- Jahr seine insgesamt 46 Länder- 3:1-Erfolg gegen den WM-Dritten team praktisch nur mit der zweiten spiele umfassende Karriere als von 1972, Polen. Schade hatte den Reihe agierte. Nach dem souve- Torwart der DDR-Auswahl begann, polnischen Torhüter Jan Toma- ränen Gruppensieg sowie Erfolgen im Rückblick. Der Traum so vieler szewski schon nach sieben Minu- im Viertelfinale gegen Irak (4:0) junger Spieler zerplatzte in jenen ten erstmals überwunden. Hoff- und im Halbfinale gegen Gastgeber Jahren, in Ost und West, durch die mann und Häfner waren die UdSSR (1:0) gab es im Finale vor Politik. weiteren Torschützen bei einem 70.000 Zuschauern im Moskauer Jürgen Nöldner

Olympische Spiele 1980 in Moskau: Frank Baum (links) und Matthias Liebers freuen sich über den Finaleinzug der DDR-Auswahl. 30 IM BLICKPUNKT: FUSSBALL BEI OLYMPIA

Reinhard Häfner machte den Olympiasieg der DDR 1976 in Montreal perfekt

Ein Solo in das Geschichtsbuch

Immer und immer wieder wurde es im DDR-Fernsehen wiederholt, das Solo von Reinhard Häfner im olympischen Finale von Montreal 1976 gegen Polen. Der Dresdner Mittelfeldspieler sorgte damit sechs Minuten vor dem Abpfiff für die Entscheidung zum 3:1-Sieg. Die DDR-Auswahl gewann die Goldmedaille. Häfner war bei zehn der elf Qualifikations- und Endrundenspiele dabei.

„Daran kann ich mich gar nicht „Ja, der Sieg und das Gold danach sicherheit wurde er zum wichtigen mehr erinnern, das ist ja schon so waren mein größter Moment. Mosaikstein im Dresdner Technik- lange her“, lacht Reinhard Häfner, Schon das Ereignis war faszinie- Kreisel. der im Februar seinen 60. Geburts- rend, dazu lief es eben sportlich tag feierte. „Nein, Spaß beiseite. bestens.“ In 58 Länderspielen trug er das Nach einem Pressschlag im Mittel- Auswahl-Trikot. Bis heute grämt feld bekam ich den Ball und habe Im thüringischen Sonneberg be- ihn allerdings, dass er die Welt- dieses Solo über rund 40 Meter gann die Karriere des Filigran- meisterschaft 1974 verpasste. gestartet, obwohl ich eigentlich fix technikers. Über die Nachwuchs- „Ich hatte mir zuvor bei einer und fertig war. Als ich den Atem auswahl des damaligen Bezirks Südamerikareise eine schwere des Polen Zmuda schon im Nacken Suhl kam er zum FC Rot-Weiß Bronchitis eingefangen. Mir lief die spürte, habe ich das Leder über Erfurt, für den der Fußballästhet Zeit davon. Und Auswahl-Trainer den herausstürzenden Torwart in 1970 in der Oberliga debütierte. Buschner setzt auf die Magde- die Ecke geschlenzt.“ Der Rest Als die Erfurter am Ende der Sai- burger, die gerade gegen den ging im Jubel unter. Nach einem son abstiegen, musste und wollte AC Mailand den Europapokal der Alleingang ins Geschichtsbuch Häfner, inzwischen zum Kader Pokalsieger gewonnen hatten. So des DDR-Fußballs. der DDR-Nationalmannschaft ge- musste ich ebenso wie Dixie hörend, wechseln. Möglichst ins Dörner zu Hause bleiben.“ REINHARD HÄFNER nahe gelegene . Doch das * 2. Februar 1952 genehmigte der Fußballverband Mit 391 Oberligaspielen, 366 für nicht. Dynamo und 25 für Er- Position: furt, belegt Häfner Platz fünf in Mittelfeld „Carl Zeiss war in der Zeit unter der Liste der DDR-Dauerbrenner. bärenstark, die 1988 beendete er seine Karriere Aktiv bei: Oberen wollten Dresden stärken. als Spieler. Motor Sonneberg Sie drohten mir mit der Armee- Rot-Weiß Erfurt Einberufung in die Provinz, wenn Reinhard Häfner hatte bereits ich mich widersetze. Am Ende 1981 sein Trainerdiplom erworben passte ich sogar besser nach und wurde unmittelbar nach dem 58 Länderspiele: Dresden.“ Mit seinem Fintenreich- Ende seiner aktiven Laufbahn As- 1971 – 1984 tum, seiner Schnelligkeit mit dem sistenztrainer unter . Ball und seiner Kombinations- Als Geyer im April 1990, mit nur 31

einem Punkt Rückstand noch gut amtierenden Präsidenten Hans- Ich kenne viele aus leitenden im Titel-Rennen liegend, entlassen Jürgen Otto aus Frankfurt am Funktionen, die dabei gescheitert wurde, übernahm Häfner das Amt Main hatte er keine Zukunft mehr. sind.“ In seinem neuen Job als des Cheftrainers und führte Dy- „Er rief mich in sein Zimmer und Sporttherapeut in einem Dresdner namo Dresden zum letzten DDR- sagte mir, dass er mit Kommu- Reha-Zentrum findet er jetzt seine Meistertitel. Der Pokalendspiel- nisten nicht zusammenarbeite und Lebensaufgabe. „Ich arbeite mit sieg gegen PSV Schwerin (2:1) ich mir einen neuen Job suchen Menschen, die ein künstliches bescherte ihm sogar das Double. solle“, erinnert sich Häfner. Da- Hüft- oder Kniegelenk bekamen, nach folgten unter anderem Trai- aber auch mit Querschnittsge- Noch wichtiger war, dass er ein nerstationen beim Zweitligisten lähmten oder Beinamputierten. Jahr später die Dynamos als Zwei- Chemnitzer FC und beim - Das erweitert den eigenen Hori- ter in der NOFV-Oberliga (hinter schen FC. zont enorm.“ Hansa unter Uwe Rein- ders) in die Bundesliga brachte. Die Entlassungen gingen nicht Vom Fußball aber kann er nicht „Am vorletzten Spieltag in Leipzig spurlos an dem schon als Spieler lassen. Er trainiert den Kreis- haben wir es gegen Lok perfekt sehr sensiblen Reinhard Häfner ligisten 1. FC Radebeul 1994. „Das gemacht. Das letzte Spiel gegen vorüber. „Ich fühlte mich un- macht mir Spaß. Wir wollen in der Eisenhüttenstadt vor eigenem Pub- gerecht behandelt, weil ich ja nie kommenden Saison in die Kreis- likum war nur noch Schaulaufen.“ abgestiegen war, sondern ganz im oberliga zurückkehren. Das meiste Doch die Freude hielt nicht lange Gegenteil. Ich ging den falschen kann ich den Spielern noch vor- vor, denn zusammen mit seinem Weg, flüchtete mich in den Al- machen.“ Kein Wunder, trainiert er Assistenten Hartmut Schade wur- kohol. Zudem brach bei mir eine doch noch mit den Dynamo-Oldies de er wegen angeblich ungenü- manische Depression aus, die und kommt auf 15 Traditionsspiele gender Leistungen entlassen. Der seit jeher in mir steckte. Was die im Jahr. „Wir werden immer älter, Wahrheit näher kam wohl, dass die Depression betrifft, nehme ich aber die Leute wollen noch immer Dynamo-Verantwortlichen Häfner Medikamente und bin nach wie Dörner, Schade, Häfner & Co. nicht zutrauten, im Neuland Bun- vor in ärztlicher Betreuung“, er- sehen.“ desliga zu bestehen und lieber auf zählt er offen. einen Trainer aus dem Westen, auf Das neue Leben des Reinhard , setzten. Vor fünf Jahren unterzog er Häfner. „Es geht mir gut, sehr gut sich einer Entziehungskur. „Seit- sogar. Ich habe wieder ein lebens- Bis 1993 wirkte Häfner noch als dem bin ich trocken und stolz wertes Leben.“ Manager. Doch beim damals neu darauf, es geschafft zu haben. Jürgen Nöldner

Olympia-Finale 1976 zwischen der DDR und Polen: Reinhard Häfner im Zweikampf mit Zygmunt Maszczyk und Henryk Kasperczak. 32 FUSSBALL-HISTORIE: DIE BRESLAU-ELF

WM-Qualifikation 2012: Erinnerungen an die mythische Breslau-Elf vor 75 Jahren

Hingerissen von Spielkunst, zerstört von höheren Mächten

Nach der EM ist vor der WM. Am 7. September beginnt die Qualifikation zur Welt meisterschaft 2014 in Brasilien – mit dem ersten Spiel gegen Färöer in Hannover. Und natürlich will Deutschland dabei sein im Land am Zuckerhut, wie immer wenn sich eine DFB-Auswahl auf den Weg zu einer WM gemacht hat. Aus diesem Anlass werden beim Blick in die Historie der deutschen Nationalmannschaft Erinnerungen wach. Leben Gedanken und das Gedenken wieder an jene Elf auf, die besonders souverän durch die damalige WM-Qualifikation marschiert war und die im Mai 2012 Jubiläum feierte – die mythische Breslau-Elf wurde 75.

Nach der erfolgreichen Qualifika- Noch saß der Schock tief, den bald ganz abzulösen. Und wenn tion galt sie als Top-Favorit auf Deutschlands Fußballer ihren sich der „Chef“ etwas in den Kopf den Titel 1938 in Frankreich. Und Anhängern bei den Olympischen gesetzt hatte, geschah es. vielleicht hätte Deutschland nicht Spielen von Berlin bereitet hat- bis 1954 warten müssen, ehe ten – damals, im August 1936, Schon dreieinhalb Monate später „wir“ erstmals Weltmeister wurden. als „der Führer“ beim 0:2 gegen war Herberger am Ziel. Er führte Doch es kam leider ganz anders Norwegen zum ersten und ein- die Nationalmannschaft auf den mit einer der besten National- zigen Mal ein Spiel gesehen und Gipfel ihres Könnens. Am 16. Mai mannschaften aller Zeiten. enttäuscht das Stadion verlassen 1937, als Dänemark mit 8:0 über- hatte. Vorzeitig. rannt und besiegt wurde. Am Tag Am letzten Januarabend des von Breslau, wo die Nationalmann- Jahres 1937 saß der kleine, große Gute Leichtathleten waren die schaft den vorletzten Test vor Sepp Herberger in einem Düssel- Nationalspieler von Reichstrainer Beginn der Qualifikation für die dorfer Hotel und schrieb in sein gewesen, die ein Sturm- WM 1938 absolvierte. „Über die Tagebuch: „Es ist mein unabän- bannführer jeden Morgen von große Leistung der deutschen derlicher Wille, mit dem starren, sieben bis neun geschliffen hatte. Mannschaft ist kein Wort zu ver- exerziermäßig eingedrillten Spiel Aber „eindeutig übertrainiert“, wie lieren!“, schrieb die Deutsche All- unserer Mannschaft zu brechen.“ Herberger notierte, der Nerz zur gemeine Zeitung (DAZ) damals. Aus gutem Grund. Seite gestellt worden war, um ihn Heute umso mehr. 33

Die deutsche Mannschaft 1938 vor dem Länderspiel gegen Portugal in Frankfurt/Main: Josef Fath, , , Otto Siffling, , Ludwig Goldbrunner, , Reinhold Münzenberg, Rudolf Gellesch, , (von links).

Diese Elf blieb 1937 in allen elf Die Breslau-Elf unterlag einer Mannschaft – gleich in der ersten Spielen ungeschlagen, gewann Macht, mit der sich der Sport Runde, am ersten Gegner. Umso davon zehn. Mit dem Highlight in niemals messen kann – der Politik. mehr glorifizierte dies die von hö- Breslau beim 8:0. Vor dem Krieg heren Mächten zerstörte Breslau- hat Deutschland keine bessere Nur Hitler konnte sie stoppen. Elf, deren Geburtsstunde ebenso Fußball-Auswahl gehabt. unsicher ist wie die Vaterschaft. Drei Monate vor dem Start der Was häufiger vorkommt, wenn der Und keines ihrer Nachfolger-Teams WM 1938 holte der Diktator sein Erfolg da ist. hatte jemals eine glänzendere Heimatland Österreich hand- Jahresbilanz aufzuweisen als die streichartig „heim ins Reich“, und Schon im Oktober 1936 riss „Breslau-Elf“. Herberger, nunmehr Reichstrainer, Deutschland im Glasgower Hamp- wurde gezwungen, mit sechs den-Park das schottische Publi- Warum sie heute dennoch weit- Deutschen und fünf Österreichern kum zu Beifallsstürmen hin, trotz gehend vergessen ist? Sie hat (oder umgekehrt) zu spielen. So einer 0:2-Niederlage. Neun der elf eben nie ein Turnier gewonnen, platzte der WM-Traum. „Breslauer“ standen da bereits auf was fatal ist in einem Land mit je dem Platz, aber der Reichstrainer drei Weltmeister- und Europa- Die „großdeutsche Elf“ scheiterte war offiziell noch der umstrittene meister-Mannschaften – und sie bei der WM 1938 in Frankreich so Dr. Otto Nerz. Viele Historiker nahm ein jähes Ende. früh wie sonst keine deutsche schreiben ihm das Verdienst zu, 34 FUSSBALL-HISTORIE: DIE BRESLAU-ELF

Spielfreude statt militärischem Drill: Sepp Herberger (links) übernahm 1936 von Otto Nerz (rechts) das Amt des Reichstrainers und schuf das taktische Konzept der „Breslau-Elf“.

der „spiritus rector“ der Breslau- Fußballtrainer sein Leben derart überrascht: „Na, wen denn?“ Siffling: Elf gewesen zu sein. Er hatte das lückenlos dokumentiert hat. Er „Nehmen sie mich!“ britische WM-System etabliert hat Nerz in seinem Nachlass etwas und offenbar die richtigen Spieler spöttisch als „Großvater“ der Diese Antwort wollte Herberger gefunden. Breslau-Elf bezeichnet und seine hören, er hatte schon auf der Bus- Rolle so skizziert: „Die Breslau- fahrt ins Hotel Sifflings Aufstel- Doch die Umsetzung auf dem Platz Elf spielte nach meinem Konzept!“ lung für das nächste Länderspiel ist nicht Nerz zuzuordnen. „Er Seinen in 361 Leitz-Ordner ge- zwei Wochen später gegen Däne- übersah und überging: die Spiel- pressten Notizen verdankt die mark in Breslau beschlossen. kunst!“, bemängelte Herberger, Nachwelt interessante Details – Beim Bankett nach dem Schweiz- der die paramilitärischen Übungen auch über die Breslau-Elf. Etwa Spiel in Zürich reichte er pflicht- abschaffte, sobald er auf dem wie er am 2. Mai 1937 in Zürich den schuldig seinem Vorgesetzten Trainingsplatz das Sagen hatte. Mannheimer Stürmer Otto Siffling Nerz den Zettel mit der Auf- in sein Zimmer im Züricher Hotel stellung rüber, und als dieser sie Doch er war ehrlich genug, sich St. Gotthard bat und ihn schein- abnickte, stand die Breslau-Elf. den Lorbeer nicht selbst anzu- heilig um Hilfe fragte: „Ottl, wie Otto Siffling machte am 16. Mai heften und stellte fest, dass die ist es, wissen Sie keinen Mittel- das Spiel seines schon zwei Jahre spielerische Fortentwicklung noch stürmer für mich?“ Siffling, da- später endenden Lebens. Als hän- vor Beginn seiner Ära eingesetzt mals beim 1:0-Sieg über die gende Spitze erzielte er fünf Tore habe. „Sie wurde – so glaube ich – Schweiz nur Reservist, verwan- zum grandiosen 8:0. in erster Linie von den Spielern delte die Steilvorlage für eine selbst angebahnt“, schrieb Her- große Karriere direkt: „Ich wüsste Wie war das damals, was geschah berger, der wie kein zweiter einen, Herr Herberger.“ Der tat an jenem Pfingstsonntag 1937? 35

Ausstellung zum 100. Geburtstag der Torjäger-Legende Waldhof-Fans erinnerten an Otto Siffling

Er war der Kanonier von Breslau: Fünf Tore schoss Otto Siffling beim 8:0 gegen die Dänen. Insgesamt kam der Stürmer von Waldhof auf 31 Länderspiele, in denen er 17 Mal traf. Als Reservist nahm er an der WM 1938 in Frankreich teil. Am 3. August wäre der am 20. Oktober 1939 wegen einer schweren Erkrankung im Alter von 27 Jahren viel zu früh verstorbene Siffling 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass fand in Mannheim vom 1. bis 13. Juni eine Ausstellung statt unter dem Motto „Otto Siffling – Eine Fußball-Legende wird 100“.

Sie wurde mit einer Festveranstaltung, an der auch Zeitzeugen Sifflings teilnahmen, vor über 400 Be suchern eröffnet. Veranstalter war der Waldhof-Fan-Klub „DoppelPass – SV Waldhof Mannheim-Fans gegen Gewalt und Rassismus e.V.“.

Die Veranstalter begannen mit der Recherche bereits 2005 und trugen Hunderte von Exponaten aus dem Leben Sifflings zusammen. Selbst sein Reisekoffer wurde aufgetrieben. Die Familie des Breslau-Mitspielers Reinhold Münzenberg trug mit zahlreichen Leihgaben, darunter eine Postkarte mit allen Unterschriften der Spieler, zum Erfolg der Ausstellung bei. Bernd Dietrich von DoppelPass zog als Fazit:

„Es kamen weit über 1.500 Besucher in die Aus stellung. Teilweise hielten sich die Leute ein bis zwei Stunden in der Aus- stellung auf. Viele ältere Herrschaften, die Siffling noch haben spielen sehen, fanden den Weg zu uns. Zu den Besuchern, zählten auch Bürgermeister Lothar Quast, , Günter Sebert und viele frühere Waldhof-Spieler.“ 36 FUSSBALL-HISTORIE: DIE BRESLAU-ELF

Mannschaftskapitän und große Spielerpersönlichkeit der „Breslau-Elf“: Fritz Szepan, hier vor einem Länderspiel gegen die Tschechoslowakei im Jahr 1934.

Seit vier Jahren schon sind die Sportfelds einlaufen, müssen läufern Andreas Kupfer und Albin braunen Demagogen am Werk und durch ein Tor gehen. Über dem Kitzinger sowie den Schalker Halb- verströmen ihr schleichendes Gift. Eingang steht: „Deutsche Jugend stürmern Fritz Szepan und Rudi Am Vortag des Länderspiels geht werde einig treu stark und hart“. Gellesch; im Angriff Ernst Lehner, in München der zweite Jahrestag Otto Siffling und . der Forschungsabteilung „Juden- Es ist ein schöner Tag, beinahe frage“ zu Ende, Wissenschaftler schon zu warm. Optimismus Fünf Spieler kommen aus Bayern, aller Couleur haben dort in drei herrscht, seit vier Spielen gibt es fünf aus dem Westen und der Tagen „die unheilvolle Rolle des immer nur deutsche Siege. Die Waldhofer Siffling aus Herbergers Judentums in eingehenden Vor- „Berliner Morgenpost“ prophezeit Heimatklub. Kapitän Szepan ist trägen dargelegt“, liest man in der ein 4:1, denn „Deutschland kann mit 29 Jahren der Älteste. Doch DAZ. In Düsseldorf läuft die im Augenblick keine stärkere so alt wie die Dänen kann er sich Ausstellung „Schaffendes Volk“, Ländermannschaft auf die Beine gar nicht fühlen. Es wird ein sehr ein Politiker beklagt in einer Rede, bringen“. einseitiges Spiel und doch ein die Deutschen seien „ein Volk ohne Spektakel. Das Publikum ist hin- Raum“. Die Namen kennt nach dem Abpfiff gerissen von bis dahin nie gesehe- jedes Kind: Hans Jakob im Tor; ner deutscher Spielkunst. „Unsere Auch und gerade der Sport wird Paul Janes, Reinhold Münzenberg Mannschaft spielte wie aus einem benutzt. Die 40.000 Zuschauer, und Ludwig Goldbrunner in der Guss, der Ball lief, dass es eine die in die Schlesier-Kampfbahn Abwehr; das „magische Viereck“ wahre Freude war“, jubelte der des renovierten Hermann-Göring- mit den Schweinfurter Außen- „Kicker“. 37

Olympische Sommerspiele 1936 in Berlin: Otto Siffling (rechts) im Kreis der Nationalspieler Stanislaus Kobierski, Ludwig Goldbrunner, Paul Janes und Rudolf Gellesch (von links).

Nur Torwart Jakob, der lange aus, ein Tor des großen Regisseurs chester City 3:2 siegen zu sehen. Regensburger, langweilt sich ent- hat sich die Menge schon lange Doch wer auf dem Gipfel steht, setzlich, nach 15 Minuten berührt gewünscht“, schreibt die „Fußball- kann nur noch bergab gehen. Das er erstmals den Ball – eine Rück- Woche“. Der Abpfiff sei den Dänen, galt auch für die Breslauer, die gabe. Da steht es schon 1:0 durch so das Blatt, „wie der schrille Ton noch ein halbes Dutzend Mal in Lehner. Es folgen fünf Tore hinter- der Trompete, der zum jüngsten dieser Formation spielten und einander von Siffling in 32 Minu- Gericht ruft“, vorgekommen. dabei ein furioses 5:0 über Schwe- ten, ein nie da gewesenes Ereig- den im letzten der drei Qualifika- nis. Nach dem 6:0 lassen es die So war das damals – am Pfingst- tionsspiele erreichten. Dann kam Deutschen etwas lässiger ange- sonntag 1937. der „Anschluss“. hen, schon eilt Herberger an den Spielfeldrand und macht ihnen Die Resonanz war enorm. Gleich Kurz vor der WM 1938 wurde Beine. sieben Deutsche wurden in die Herberger aufgetragen, in Berlin Westeuropa-Auswahl berufen, gegen England ein letztes Mal So kommen noch zwei Schalker zu Jakob, Kitzinger und Lehner die Breslau-Elf aufzustellen, weil Torehren. Urban markiert das 7:0, tatsächlich eingesetzt. In Berlin sonst Zuschauereinbußen be- und dann bemühen sich alle, stürmten 60.000 Menschen an fürchtet wurden. Sie verlor mit Kapitän Fritz Szepan zu bedienen. einem Mittwochabend, drei Tage 3:6. Ihren Mythos hat sie sich be- Mit Erfolg. „Als zwölf Minuten vor nach dem 8:0, das Olympia-Sta- wahrt. dem Ende Szepan sein Tor schießt, dion, um die Breslau-Elf trotz bricht große Freude im Stadion starker Veränderungen gegen Man- Udo Muras 38 AKTUELL IM BLICKPUNKT

Immer mehr Fußball-Legenden unterstützen DFB-Fußballmuseum

Müllers Weltmeister-Trikot, Timos Ring, Raúls 400. Tor

Das legendäre Trikot des „Bombers“ kehrt nach Deutschland zurück. Von 2014 an wird das originale Endspieltrikot, das Gerd Müller 1974 beim WM-Triumph trug und in dem er in der 43. Minute den Siegtreffer zum 2:1 gegen die Niederlande erzielte, im DFB-Fußballmuseum in Dortmund zu sehen sein.

Das weiße Jersey, das sich Müllers DFB-Fußballmuseum. So stellte Tore in der Dortmunder Innen- damaliger Gegenspieler Wim Rijs- , vor zwei Jahr- stadt für das Publikum öffnen bergen nach dem Abpfiff gesichert zehnten gefeierter Stürmer bei wird, bittet ganz besonders auch und dem holländischen Fußball- Borussia Dortmund und dem 1. FC die Mitglieder im Club der Nati- museum zur Verfügung gestellt Köln, sein Trikot zur Verfügung, in onalspieler um Mithilfe bei der hatte, war am 20. Mai im Rah- dem er 1992 mit Dänemarks Nati- Zusammenstellung einer hoch- men des Freundschaftsspiels zwi- onalmannschaft im Endspiel von karätigen Sammlung, die das schen Bayern München und der Göteborg gegen Deutschland den DFB-Fußballmuseum zu einem niederländischen Nationalmann- EM-Titel gewann. einzigartigen Erinnerungs- und schaft vom holländischen Muse- Erlebnisort machen wird. umsdirektor Paul Martens an Gerd Oder auch Raúl! Dieser Tage über- Müller zurückgegeben worden. reichte der spanische Superstar „Alle Gegenstände und Elemente, von Schalke 04 sein blaues Origi- die zur historischen Aufarbeitung Wie der einstige „Bomber der Nation“, naltrikot mit der Nummer 7, in dem des Fußballs in Deutschland ge- so unterstützen immer mehr Stars er am 19. Februar 2012 gegen den eignet sind und die Ausstellung be- in ihrer Vorfreude auf das DFB-Fuß- VfL Wolfsburg das 400. Pflichtspiel- reichern, sind hochwillkommen. ballmuseum den derzeit entstehen- tor seiner Karriere erzielt hatte, Sei es als dauerhaftes Exponat den großen Erinnerungstempel des zusammen mit dem Spielball aus oder als Leihgabe“, betont Manuel deutschen Fußballs mit tollen Sou- jener Begegnung an Museumsge- Neukirchner. veniers aus ihrer aktiven Zeit. So schäftsführer Manuel Neukirchner. hatte bereits der kürzlich verstorbe- „Alle diese Ausstellungsstücke Wer also einen wichtigen Beitrag ne Schütze des ersten Bun desliga- erinnern an große Ereignisse der zum Gelingen der faszinierenden tores, Timo Konietzka, bereits im Fußballhistorie. Ihre Übergabe ist Ausstellung beitragen und sich von Februar 2011 seinen Meisterring eine tolle Geste gegenüber dem deut- dem einen oder anderen Erinne- von Borussia Dortmund aus dem schen Fußball“, sagt Neukirchner. rungsstück seiner Fußballkarriere Jahr 1963 als wertvolle Dauerleih- trennen will, wird um Kontakt- gabe zur Verfügung gestellt. CdN-Mitglieder können aufnahme mit dem DFB-Fußball- wertvolle Mithilfe leisten museum (Telefon 0231-4764660) Aber auch ausländische Bundes- gebeten. ligastars, ehemalige und aktuelle, Der Geschäftsführer des DFB- bereichern mit ihren Gaben das Fußballmuseums, das 2014 seine Wolfgang Tobien

40 DIAGONALPÄSSE

Deutsche Nationalspieler weiterhin gut versichert

Für den DFB bleibt die gesundheitliche Absicherung seiner Nationalspieler wei- terhin ein großes Bedürfnis. Um im Fall einer Verletzung oder Erkrankung eines Nationalspielers auch zukünftig eine umfangreiche Absicherung zu gewähr- leisten, hat das DFB-Präsidium kürzlich beschlossen, an seiner Versicherung für die Klubs – parallel und ergänzend zum Schutz- und Entschädigungsprogramm der FIFA – festzuhalten. So deckt das Versicherungspaket des DFB Einsätze und Maßnahmen der A-Nationalmann- schaft und der U 21 noch über das auf dem letzten FIFA-Kongress im Mai 2012 beschlossene Schutzprogramm hinaus ab. „In Kombination mit dem FIFA-Pro- gramm stellen wir eine umfangreiche Absicherung für die Vereine und Spieler sicher“, verweist DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock auf den umfassenden Leistungskatalog, in dem unter ande- rem sichergestellt ist, dass die Leistun- gen vom ersten Tag des Versicherungs- falles greifen und ein Betrag von bis zu Begeisterter Empfang mit bitterem Nachgeschmack: Fans aus der DDR begrüßen die maximal 1,5 Millionen Euro geregelt ist. Mannschaft um Kapitän Franz Beckenbauer zum EM-Qualifikationsspiel 1971 in Warschau. Sandrock: „Für uns ist der optimale Schutz unserer Spitzenfußballer zentra- Tag und maximal bis zu 9,7 Millionen Ausstellung dokumentiert les Anliegen und Verpflichtung zu- Dollar pro Jahr. Berücksichtigt wird bei Treue der DDR-Fußballfans gleich.“ Dem kürzlich von der FIFA be- den Leistungen, für die der Welt verband schlossenen Schutzprogramm zufolge vom 1. September an insgesamt 75 Mil- Rund 6.000 Fußballfans unterstützten erhält ein Profi, der sich bei einem lionen Dollar an Versicherungsprämien am 10. Oktober 1971 die deutsche Nati- Länderspiel verletzt, von der Versiche- zahlt, nur das Grundgehalt des betrof- onalmannschaft um Kapitän Franz rung maximal bis zu 27.000 Dollar pro fenen Spielers. Beckenbauer und den zweifachen Tor- schützen Gerd Müller beim 3:1-Sieg im EM-Qua lifikationsspiel gegen Polen in Warschau – und wurden danach von der Stasi überwacht und schikaniert. Dies dokumentiert unter anderem die Wanderausstellung „Tor für Europa“, die während der diesjährigen EM und danach bis zum 8. Juli 2012 im polnischen Spielort Danzig gastierte und demnächst in Berlin, und München zu sehen sein wird. Die Schau bringt unter anderem die Treue der ostdeutschen Fußball- fans, deren Reisen zu DDR-Zeiten auf den Ostblock beschränkt waren, zu den DFB-Teams zum Ausdruck. So hatte die bundesdeutsche National- mannschaft bei Spielen in Osteuropa immer auch Tausende DDR-Fans auf ihrer Seite, selbst wenn diese da- nach Probleme mit der Staats sicherheit Zentrales Anliegen des DFB: die gesundheitliche Absicherung seiner Nationalspieler. bekamen. 41

Niersbach und Höfl-Riesch befürworten Organspende

Fanziska van Almsick, Rosi Mittermaier und Franz Beckenbauer gehen seit Jahren mit gutem Beispiel voran und machen sich für Organspenden stark. Seit kurzem sind nun auch DFB-Prä- sident Wolfgang Niersbach und Dop - pel-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch Mitglieder im Verein „Sportler für Or- ganspende“ (VSO). „Das Wichtigste im Sport ist das Miteinander. Bei den Sport- lern für Organspende ist man sogar in einem Team von Lebensrettern“, er- klärte Niersbach seine Mitgliedschaft Engagiert sich für Organspende: Doppel-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch. im VSO, dem Anfang dieses Jahres auch Christian Seifert, der Vorsitzende der Diese Feststellung ist das Resultat einer neration der Nationalspieler um Lahm, Geschäftsführung der Deutschen Fuß- umfangreichen Studie von Wissen- Klose, Schweinsteiger & Co. kann ball Liga beigetreten ist. Im 1998 ge- schaftlern der Martin-Luther-Univer si- freilich beruhigt sein. Wie aus der Stu- gründeten VSO motivieren und veran- tät Halle-Wittenberg. In dieser Untersu- die hervorgeht, lag die Lebenserwar- lassen mehr als 100 Olympiasieger, chung sind die Geburts- und Sterbedaten tung der Sportler vor allem zu Beginn Welt- und Europameister andere Men- sowie der Tag des ersten und letzten des knapp 100 Jahre umfassenden Un- schen dazu, einen Organspendeausweis Länderspiels aller 847 Nationalspieler tersuchungszeitraums niedriger. Eine mit sich zu tragen. erfasst, die von 1908 bis 2006 für den Ursache könnte die damals schlechtere DFB bei einem Länderspiel zum Einsatz medizinische Versorgung sein. Gegen kamen. „Die Lebenserwartung der Nati- Ende des Beobachtungszeitraums ver- Fußball-Nationalspieler onalspieler lag um 1,9 Jahre unter dem ringerte sich der Unterschied bei der früher mit kürzerem Leben erwarteten Durchschnittswert der Be- Lebenserwartung zwischen National- völkerung“, stellte Dr. Oliver Kuss fest, spielern und Normalbevölkerung deut- Heute ist das zwar nicht mehr so. Früher dessen Wissenschaftlergruppe zudem lich. Inzwischen kann man, so die jedoch galt: Eine erfolgreiche Fußball- herausfand: Je jünger ein Nationalspie- Studie, davon ausgehen, dass die ak- karriere mündete in ein kürzeres Leben ler bei seinem ersten Länderspiel war, tuellen Nationalspieler etwa genauso als beim Durchschnitt der Bevölkerung. desto jünger starb er. Die heutige Ge- lange leben wie ein Durchschnittsbürger.

Normale Lebenserwartung durch gute medizinische Versorgung: Den heutigen Profis droht nicht das Schicksal früherer Spielergenerationen. 42 DIAGONALPÄSSE

Soziales Engagement ist Ehrensache: Nationalspieler Thomas Müller, Top-Torschütze der letzten Fußball-WM.

Thomas Müllers Einsatz für Russland zur Verfügung. Als „Sportbot- liche Großereignisse in Russland wer- geistig behinderte Sportler schafter“ wird der „Kaiser“ künftig im ben. Dazu zählen bekanntlich die Olym- Auftrag des Staatskonzerns Gazprom, pischen Winterspiele 2014 in Sotschi Einen prominenten Fürsprecher mehr der in der Bundesliga beispielsweise sowie unter anderem die Ausrichtung haben die Sportlerinnen und Sportler Schalke 04 sponsert, weltweit für sport- der Fußball-Weltmeisterschaft 2018. mit geistiger Behinderung gefunden. Thomas Müller, Nationalspieler in Diensten des deutschen Rekordmeis- ters Bayern München, setzt sich seit kurzem als Fußballrepräsentant von Special Olympics Deutschland ein. Der 22-jährige Stürmer will helfen, dass die Leistungen geistig behinderter Sportler und Sportlerinnen stärker wahrge- nommen und anerkannt werden. „Man vergisst zu leicht, dass es auch den Sport abseits der großen Öffentlich- keit gibt“, begründet Thomas Müller sein Engagement, mit dem er vor- wiegend in die Kommunikationsarbeit von Special Olympics Deutschland ein- gebunden ist.

Der „Kaiser“ als Russlands weltweiter Sportbotschafter

Seine Reputation als Ikone des Welt- fußballs und die Erfahrung als Chef- organisator der WM 2006 in Deutschland stellt Franz Beckenbauer nunmehr auch Neuer Sportbotschafter für Russland: „Kaiser“ Franz Beckenbauer. 43

Ungebrochener Zuschauer-Boom: 18,8 Millionen Zuschauer verfolgten die Spiele der beiden Bundesligen in der abgelaufenen Spielzeit.

Bundesliga abermals einstimmig in Schalkes „Ehrenkabine“ Er krankung hat uns alle erschreckt und mit Zuschauerrekord gewählt wurden. „Unglaubliche Ver- traurig gemacht. Er trägt die Krankheit dienste für Schalke 04“, so begründe- mit Würde“, sagte Ehrenpräsident Ger- Diese Zahl ist unübertroffen: 18,8 Milli- te Aufsichtsratsvorsitzender Clemens hard Rehberg. In die 2008 gegründete onen Tickets haben die 36 Profivereine Tönnies die Ehrung der beiden S04- „Ehrenkabine“, die königsblaue Hall of der Bundesliga und der 2. Bundesliga in Ikonen. Während Publikumsliebling Fame, werden jährlich von der Haupt- der vergangenen Saison verkauft und Asamoah, mit 43 Länderspielen Schal- versammlung zwei Persönlichkeiten, damit den bisher höchsten Zuschauer- kes Rekordnationalspieler, mit Jubel- vorwiegend Trainer oder Spieler, be- zuspruch verzeichnet. Die Bundes liga chören empfangen wurde, musste der rufen. Den Anfang machten 2008 Edi weist dabei den höchsten Zuschauer- an Alzheimer schwer erkrankte frü- Frühwirth, der Trainer der Meisterelf durchschnitt in ihrer Geschichte auf: here langjährige Manager Rudi As- von 1958, und , Schalkes 44.293 Besucher kamen durchschnitt- sauer der Veranstaltung aus gesund- zweitbester Torschütze der Bundesliga- lich zu den Begegnungen, 5,2 Prozent heitlichen Gründen fernbleiben. „Rudis Geschichte. mehr als in der Saison zuvor 2010/2011. Eine höchst erfreuliche Zuwachsrate hat in der dieser Tage veröffentlichten DFL-Statistik auch die 2. Bundesliga zu verzeichnen. Dort stieg der Schnitt so- gar um 18 Prozent von 14.539 auf 17.196 Zuschauer.

Asamoah und Assauer in Schalkes „Ehrenkabine“

Standing Ovations für Gerald Asamoah, aber auch nachdenkliche Töne im Zu- sammenhang mit Rudi Assauer – sie prägten die Stimmung, als die beiden königsblauen Symbolfiguren bei der Jahreshauptversammlung Anfang Juni In Schalkes „Ehrenkabine“ gewählt: Rudi Assauer und Gerald Asamoah. 44 JUBILÄEN/RUNDE GEBURTSTAGE

Jubiläen (Spieler mit mehr als 5 Länderspielen)

Debütantenball vor 40 Jahren (1972):

ULI HOENESS (insgesamt 35 Länder- spiele, Alter und Verein beim 1. Länder- spiel: 20 Jahre, Bayern München) am 29. März gegen Ungarn (2:0); (53, 20 Jahre, Borussia

Klaus Fischer

Debütantenball vor 30 Jahren (1982): Abschiedsspiel vor 30 Jahren (1982):

MATTHIAS DÖSCHNER (40, 24 Jahre, DIETER STROZNIAK (insgesamt 6 Län- Dynamo Dresden) am 26. Januar gegen derspiele, Alter und Verein beim letzten Brasilien (1:3); JÜRGEN RAAB (20, 23 Länderspiel: 27 Jahre, FC Chemie Halle) Jahre, FC Carl Zeiss Jena) am 10. Februar am 26. Januar gegen Brasilien (0:1); gegen Griechenland (1:0); DIRK STAH- (7, 34 Jahre, Eintracht MANN (46, 23 Jahre, 1. FC Magdeburg) Braunschweig) am 12. Mai gegen am 2. März gegen Irak (0:0); STEPHAN Norwegen (4:2); PAUL BREITNER (48, ENGELS (8, 21 Jahre, 1. FC Köln) am 30 Jahre, Real Madrid) am 11. Juli Rainer Bonhof 21. März gegen Brasilien (0:1); UWE gegen Italien (1:3); ZÖTZSCHE (38, 21 Jahre, 1. FC Lok (45, 32 Jahre, 1. FC Köln) am 11. Juli Mönchengladbach) am 26. Mai gegen Leipzig) am 14. April gegen Italien gegen Italien (1:3); HORST HRUBESCH Sowjetunion (4:1); ERWIN KREMERS (1:0); HANS-UWE PILZ (35, 23 Jahre, (21, 31 Jahre, Hamburger SV) am 11. Juli (15, 23 Jahre, FC Schalke 04) am 26. Mai gegen Italien (1:3); LOTHAR HAUSE gegen Sowjetunion (4:1); WOLFGANG (9, 26 Jahre, FC Vorwärts Frankfurt/Oder) SEGUIN (21, 26 Jahre, 1. FC Magdeburg) am 22. September gegen Bulgarien (2:2); am 27. Mai gegen Uruguay (1:0); JÜRGEN MARTIN TROCHA (8, 24 Jahre, FC Carl POMMERENKE (57, 20 Jahre, 1. FC Mag- Zeiss Jena) am 22. September gegen deburg) am 31. Mai gegen Uruguay (0:0; Bulgarien (2:2); SIEGMAR WÄTZLICH (24, 24 Jahre, (8, 25 Jahre, Borussia Mönchengladbach) Dynamo Dresden) am 28. August gegen am 22. September gegen Belgien (0:0; Ghana (4:0). HANS-JÜRGEN RIEDIGER (41, 26 Jahre, FC Dynamo Berlin) am 13. Oktober ge- gen Schottland (0:2).

Hans-Uwe Pilz

Dynamo Dresden) am 9. September ge- gen Island (1:0); RONALD KREER (65, 22 Jahre, 1. FC Lok Leipzig) am 22. Sep- tember gegen Bulgarien (2:2); (16, 24 Jahre, Werder Bremen) am 13. Oktober gegen England (2:1); GERD STRACK (10, 27 Jahre, 1. FC Köln) am 13. Oktober gegen England (2:1); HANS RICHTER (15, 23 Jahre, FC Karl-Marx-Stadt) am 17. November gegen Rumänien (4:1); RUDI VÖLLER (90, 22 Jahre, Werder Bremen) am Jürgen Pommerenke 17. November gegen Nordirland (0:1). Bernd Franke 45

Runde Geburtstage (In Klammern Anzahl der Länderspiele)

75 Jahre:

HANS-DIETER KRAMPE (28) am 6. Januar; (3) am 17. Februar; HELMUT MÜLLER (13) am 17. März; RUDOLF STEINER (1) am 7. April; HANS CIESLARCZYK (7)

Otto Fräßdorf

70 Jahre:

OTTO FRÄSSDORF (33) am 5. Februar; HANNES LÖHR (20) am 5. Juli; SIGGI (1) am 24. Februar; HELD (41) am 7. August; GERD BACK- JÜRGEN WERNER (1) am 31. März; HAUS (3) am 8. September; HELMUT HENNING FRENZEL (56) am 3. Mai; STEIN (22) am 9. November; KLAUS (13) am 8. Juni; SAMMER (17) am 5. Dezember. Hans Cieslarczyk am 3. Mai; BERNHARD STEFFEN (2) am 1. Juni; (16) am 31. Juli; (15) am 9. August; WILLI GIESEMANN (14) am

Bernd Rupp Hannes Löhr

Willi Giesemann

2. September; WALDEMAR MÜHL- BÄCHER (17) am 25. September; HEINZ HORNIG (7) am 28. September. Horst Wolter

Ältere diesjährige Jubiläen und Geburtstage im CdN-Magazin Nr. 10 8JSTFIOšVOTBN"VHVTU JO'SBOLGVSUBN.BJO IMPRESSUM

Herausgeber: Verantwortlich Gastautoren: Deutscher Fußball-Bund für den Inhalt: Oskar Beck, Udo Muras, Otto-Fleck-Schneise 6 Ralf Köttker Roland Zorn 60528 Frankfurt/Main (DFB-Direktor Kommunikation Telefon: (0 69) 67 88-0 und Öffentlichkeitsarbeit) Bildquellen: Telefax: (0 69) 67 88-2 04 Getty Images, Imago, dpa E-Mail: [email protected] Chefredaktion/Konzeption: www.dfb.de Wolfgang Tobien (c/o DFB) Gesamtherstellung: Braun & Sohn Projektleiter Redaktionelle Mitarbeit: Druckerei GmbH & Co. KG Club der Nationalspieler: Klaus Koltzenburg, Am Kreuzstein 85 Michael Kirchner (c/o DFB) Jürgen Nöldner 63477 Maintal www.dfb.de | www.nationalspieler.dfb.de