Die Schuchs Eine Künstlerfamilie in Die Schuchs Eine Künstlerfamilie in Dresden in Künstlerfamilie Eine Inhalt Die Schuchs Eine Künstlerfamilie in Dresden Erika Eschebach Vorwort 4

Christian Thielemann Zum Geleit 7

Martina Damm Ernst von Schuch – Eine Biographie in Bildern 9

Justus H. Ulbricht »Aus dem alten Europa« – Abschiedsvorstellung 86

Matthias Herrmann Ernst von Schuch – Der »Virtuose, Musikant, Theatermann« von Dresden 98 Herausgegeben von

Bernt-Christoph Lämmel Erika Eschebach und Andrea Rudolph Gehörtes und Erlebtes – Zu Ernst von Schuch und seiner Tochter Liesel von Schuch-Ganzel 114 Stadtmuseum Dresden Andrea Rudolph Verzeichnis des Schuch-Nachlasses 118

Bildnachweis · Leihgeber 126

Impressum 128 Sandstein Verlag · Dresden 8 Ernst von Schuch 9 Eine Biographie in Bildern von Martina Damm »Es ist nicht meine Art, stehen zu bleiben.«

Familie von Schuch im Garten der Schuch-Villa Atelier Hahn Nachfolger, Dresden · 1912 10 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 11 Sturm und Drang | 1846–1872 Das Elternhaus von Ernst Schuch in Taufschein für Ernst Schuch Der Vater von Ernst Schuch: Die Mutter von Ernst Schuch: Ernst Schuch mit seinem älteren Bruder Kolorierte Fotografie · 19. Jahrhundert Abschrift des Taufeintrags von 1846 aus dem Franz Josef Schuch · um 1830 Wilhelmine Schuch, geb. Diefenbach · Friedrich Wilhelm Geburts- und Taufprotokoll des Pfarramts um 1830 Atelier Leopold Bude, Graz · um 1865 St. Johann Baptist am Graben in Graz · 1887

1846 fine für den abwesenden Arzt Carl Jager. Tochter des Georg Edler von Diefenbach, zunächst die militärische Laufbahn ein­ Friedrich Wilhelm kümmerte sich um Ernst von Schuch kam als Ernest Gottfried Sein Vater, Franz Josef Schuch (1797 – 1857), seines Zeichens »k. k. Hofkriegsagent[. . .]«2, geschlagen und wurde kaiserlich könig­ den jüngeren Bruder, vor allem nach dem Schuch am 23. November 1846 um 9 Uhr war »k. k. Rechnungsofficial der k. k. Staats- und der Josefa Freiin von Cremsloe-Rohr. licher Offizier in Venedig. Er heiratete dort Tod des Vaters. Häufig beglich er seine abends in Graz/Steiermark im Graben Haus buchhaltung«1, ein Verwaltungs­beamter in Ernst war der zweite Sohn von Franz Josef Therese Geier, eine Venezianerin, mit der Geldschulden. In späteren Jahren verla- Nr. 1060 auf die Welt. Er wurde einen Tag Graz. Er hatte im Jahr 1829 Wilhelmine und Wilhelmine. Sein Bruder Friedrich er einen Sohn namens Ludovico hatte. gerte sich der Kontakt auf persönliche später, am 24. November 1846, getauft. Die Diefenbach (1807 – 1871) geheiratet, eine Wilhelm (1839 – 1919), Landesoberbuch­ Mit Fanny Wall, seiner zweiten Frau, hatte Korrespondenz. Gegenseitige Besuche Patenstelle vertrat seine Großmutter Jose- sehr musische, zeichnerisch begabte Frau, halter für die Steiermark in Graz, hatte er die beiden Kinder Julius und Elsa.3 fanden selten statt. 12 Abb. 6 13 Ernst Schuchs erster Vertrag als Dirigent am Breslauer Theater · 1868

1846 – 1867 ausbilden sowie in Wien bei dem damals einem kleinen Zettel: »Allererstes Dirigieren grüße einer seiner ersten Bewunderinnen, Schuch am 13. Juli 1868 die »Chorprobe Ernst wuchs in Graz und auf Gut Friedrichs- bekannten Dirigenten und Komponisten in Graz Zampaouverture Lindaarie (Marion) der Pianistin Pauline Fichtner, begleiteten Wilhelm Tell« geleitet hatte, dirigierte er hof auf, einem Gut, welches die Eltern . Während dieser Zeit [. . .] 1 Chorprobe 1. Aufführung [. . .]« 5. Im ihn. »Mit der innigsten Liebe und Verehrung am »1 August. [die] Vorstellung Wilhelm außerhalb von Graz besaßen und auf das durfte er gelegentlich Johann Strauß als Grazer Anzeigenblatt vom 20. März 1868 ist werde ich stets Ihrer gedenken und bitte Tell« 9 sowie im September Giacomo Meyer- sich seine Mutter im Verlauf zunehmender Geiger vertreten und machte seine Sache vermerkt, dass Schuch durch »jugendlichen nur, dass auch Sie mich in freundlicher beers Oper Robert der Teufel und im Dezem- Entfremdung von ihrem Ehemann zurück- so gut, dass dieser in ihm nachgerade einen Elan« mit seiner »Dirigierkunst Eindruck Erinnerung behalten! Dann ist der ber Jacques Offenbachs Oper Pariser Leben. zog. Er besuchte Schulen in Graz und Mar- Konkurrenten heranwachsen sah. Nachdem macht«6. sehnlichste Wunsch erfüllt Ihrer Ihnen Als Schuch sein Engagement in Breslau burg an der Drau, spielte Klavier und erhielt der junge Student Ernst Schuch den Meis- Während eines Aufenthaltes in Wien, als er ganz ergebenen, dankschuldigen Pauline beendete, verabschiedete sich eine der als »Zögling der Violinschule«4 im Steier- ter Johann Strauß in Wien einmal sogar mit im Gasthaus Zum Weißen Ross eine junge Fichtner«.7 Sängerinnen auf ihrer Fotografie mit den märkischen Musikverein in Graz zusätzlich großem Erfolg als Dirigent vertreten hatte, Sängerin bei der Ozean-Arie aus der Obe- Zum 1. September 1868 wurde er für eine Worten: »Meinem verehrtesten Kapellmeis- Geigenunterricht. Ernst galt schon früh als ließ ihn Strauß’ Ehefrau Jetty sogleich ron-Ouvertüre von Carl Maria von Weber Monatsgage von 30 Talern, zahlbar »am 1. ter rufe ich ein recht baldiges Wiedersehen Wunderkind und trat ab seinem siebten ausbezahlen und nach Hause schicken. am Klavier begleitete, hörte ihn zufällig und 16. jedes folgenden Monates« 8, von entgegen, Marie Erfurt.«10 Lebensjahr in öffentlichen Konzerten auf. Johann Strauß gab ihm schon bald eine Theaterdirektor Theodor Lobe aus Breslau Theaterdirektor Lobe als Chor- und Zweiter Im Anschluss an die Verpflichtung in Bres- Als er elf Jahre alt war, verstarb sein Vater. erste Empfehlung an das Theater in Baden- (heute: Wrocław, Polen). Er war von der Musikdirektor für ein Jahr in Breslau enga- lau stellte im Juli 1869 die Direktion Mussik Nach Beendigung des Gymnasiums stu- Baden mit auf den Weg. genialischen Musikbegabung des jungen giert. Zuvor hatte er bei Lobe gemäß Ver- in Eger-Franzensbad (heute: Cheb und dierte Ernst, dem Wunsch seiner Eltern Mannes fasziniert und bot ihm an, nach trag für sechs Wochen unentgeltlich eine Františkovy Lázně, Tschechien) Kapellmeis- entsprechend, Rechtswissenschaften in 1868 – 1871 Breslau an sein Theater zu kommen. Ernst Probezeit abzuleisten, nach welcher die ter Schuch für eine monatliche Gage von Breslau, Graz und Wien. Das Studium soll er Im März des Jahres 1868 kam es schließlich Schuch nahm das Angebot an. Ohne Ab- Entscheidung über seinen Verbleib fallen Auf einem kleinen Zettel notierte Schuch 50 Gulden an. Dazu erhielt er noch Reise- 1867 mit dem Referendariat abgeschlossen in Graz zum ersten Dirigat Schuchs in der schied von seiner Mutter genommen zu sollte. Bei Zuwiderhandlungen drohte eine handschriftlich die ersten Dirigate in Bres- geld in Höhe von 13 Gulden für die Anreise haben. Öffentlichkeit. Im Deutschen Akademischen haben, verließ er im Juli des Jahres 1868 mit Konventionalstrafe von 200 Talern. Davon lau. Es kamen unter anderen Franz von von Wien aus.11 Am Palmsonntag (10. April) Neben dem Studium nahm er musiktheore- Gesangverein zu Graz, dessen Leitung er 21 Jahren seine Heimatstadt Graz, um sein abgesehen mussten monatlich fünf Prozent Suppés neue Operette Zehn Mädchen und 1870 begann bereits sein Engagement als tischen Unterricht und ließ sich in Graz in übernommen hatte, begann er seine Diri- erstes Engagement in Breslau als Musik­ der Gage an die Vermittlungsagentur kein Mann und Giuseppe Verdis Oper Der Kapellmeister bei Theaterdirektor Hahn in der Kunst des Dirigierens bei Eduard Stolz gentenlaufbahn. Für sich notierte er auf direktor anzutreten. Liebevolle Abschieds- Sachse in Wien gezahlt werden. Troubadour zur Aufführung. Nachdem Graz für 70 Gulden im Monat.12 Weitere 42 Abb. 35 Abb. 36 Abb. 37 43 Hans Schuch mit Kindermädchen Ernst von Schuch mit seinen Söhnen Ernst, Fritz und Werbeblatt für Hans von Schuch – Fotografie aus einem Album Hans und dem Familienhund im Garten in Radebeul Cellovirtuos und Hochschullehrer der Familie Schuch · um 1887 Atelier Hahn Nachfolger, Dresden · 1912 um 1930

1886 der Sonderkonzerte spielte am 10. März tete Valeria Koslerova, eine Balletttänzerin Das Jahr begann am 20. Februar mit der Johannes Brahms unter der Leitung Ernst aus dem königlich sächsischen Ballett­ Uraufführung von Wilhelm Kienzls Oper Schuchs sein eigenes Konzert Nr. 2 B-Dur für ensemble. Sie entstammte einer angesehe- Urvasi. Wilhelm Kienzl, anfangs noch unbe- Klavier und Orchester. nen Prager Familie. Ihre Schwester Klara kannt, in späteren Jahren ein renommierter Am 19. Juni 1886 kam Ernst und Clementi- heiratete Klaus Pringsheim, den Bruder von österreichischer Komponist und Dirigent, nes viertes Kind, ihr dritter Sohn namens Katja Pringsheim, die mit Thomas Mann bemühte sich schon seit Längerem, Ernst Hans, in Kötzschenbroda zur Welt. Hans litt verheiratet war und so Kontakte zur Mann- Schuchs Aufmerksamkeit für seine Komposi- lebenslang unter einer körperlichen Behin- Familie ermöglichte. tionen zu gewinnen. In zahlreichen Bittbrie- derung, die ihm ständig zunehmende Aus der Ehe Hans Schuchs mit Valeria ging fen hatte er dem »geehrten Herrn« 85 seine schmerzhafte Beschwerden beim Laufen Tochter Clementine hervor. Im Zweiten Werke zur Aufführung angeboten, ja sogar bereitete. Aus diesem Grund kam für ihn die Weltkrieg wurde das Haus, in dem die gebeten, ihm eine Stelle als Kapellmeister zu Kadettenschule, die seine älteren Brüder Familie wohnte, durch Bomben zerstört, verschaffen. Mit der Uraufführung seiner besuchten, nicht in Betracht. Vielmehr ging sodass Hans wie schon sein Bruder Fritz mit ersten Oper Urvasi durch Ernst Schuch – er in Radebeul zur Schule. Hans verfügte Frau und Tochter bei der jüngsten Schwes- 1887 1896 sollte noch die Dresdner Erstauffüh- Zeit seines Lebens über ausgesprochen viel ter Liesel Unterschlupf suchen musste. Nachdem Ernst Schuch in der ersten Jahres- rung des Evangelimann folgen, eine Oper, die Charme, dank dessen es ihm regelmäßig Während Ehefrau Valeria und Tochter Cle- hälfte bereits die Opern Junker Heinz von danach im deutschsprachigen Raum viel- gelang, Menschen für sich einzunehmen. mentine, die eine Gesangskarriere einschla- Karl Freiherr von Perfall und Merlin von Karl mals aufgeführt wurde – ging ein sehnlicher Trotz seines Gebrechens war er ein lebens- gen sollte, später nach gingen, blieb Goldmark in Dresden erstaufgeführt hatte, Wunsch in Erfüllung. Kienzl blieb Ernst Gesangverein vor, in dem Ernst Schuch seine froher Mensch. Nach dem Wunsch des Cellist angestellt. Nach dem Ausscheiden Hans bei seiner Schwester wohnen und plante er Ende des Jahres, eine weitere Schuch, den er für genial hielt, bis zu dessen ersten Dirigate absolviert hatte. Vaters sollte er Musiker werden. Hans aus der Kapelle im Jahr 1915 konzertierte er heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau Sinfonie von Felix Draeseke, einem der Tod in herzlicher Freundschaft verbunden. Nur wenige Wochen nach der Urauffüh- wurde deshalb von Solisten an der Hofoper regelmäßig mit seinen Schwestern Käte und kurz vor dem eigenen Ableben noch seine ersten »Neuerer« der früheren Kapellkon- Er pflegte enge Kontakte zur Familie Schuch rung der Kienzl-Oper dirigierte Schuch eine zum Cellisten ausgebildet und noch zu Liesel und arbeitete als Cello-Lehrer am langjährige Freundin Johanna Beck. Hans zertprogramme, aufzuführen. Er sah sich in Graz und stand dort dem Akademischen weitere besondere Aufführung. In der Reihe Lebzeiten seines Vaters in der Hofkapelle als Musikkonservatorium in Dresden. Er heira- starb am 24. November 1963 in Dresden. der Bitte des neugierigen Komponisten 44 Abb. 38 45 Ernst von Schuch auf seiner hauseigenen Kegelbahn im Garten der Schuch-Villa Fotografie aus dem Familienalbum der Schuchs · um 1900

ausgesetzt, schon bei den Proben vor der Leitung Ernst Schuchs dargeboten worden Dresdner Erstaufführung der Oper Die drei tionen dem Dresdner Publikum nahezu- Vollmachten mit künstlerischen und admi- Generalprobe dabei sein zu dürfen. Kurz vor war. Er wäre zu Tränen gerührt gewesen, Pintos von Carl Maria von Weber in der bringen, und begann in den folgenden nistrativen Fähigkeiten. Er bekleidete die dem Jahreswechsel schrieb Felix Draeseke, wertete die Aufführung als Glanzvorstel- Bearbeitung von Gustav Mahler. Der gleich- Jahren systematisch Werke von Gustav Position des alleinigen musikalischen Lei- von welch hohem Wert es ihm wäre, dass lung und drückte Clementine seine tiefe namige Enkel Carl Maria von Webers äu- Mahler aufzuführen. ters, der nur noch dem Intendanten der Schuch das Einstudieren seines Werkes Bewunderung und Verehrung aus.87 ßerte sich nicht begeistert über diese neu- königlichen Hofoper unterstellt war. Adolf übernommen hätte. Zudem hätte ihn das Ebenso voll Lobes für Clementine Schuch modische Bearbeitung des Werkes. Ernst 1889 Hagen war ihm nachgeordnet und auf die Orchester von seinem Können überzeugt, war Graf von Platen nur wenige Monate Schuch aber war fasziniert von der Musika- Zur Mitte des Jahres, am 21. Juni 1889, Leitung von Kirchenmusik und Konservato- sodass er wegen seiner Komposition beru- später, im Mai des Jahres 1888. Obwohl lität Mahlers. Der junge österreichische veranlasste König Albert von Sachsen per rium beschränkt. higt wäre und einem musikalischen Genuss gerade ihr Vater Vincenz Prohaska in Öden- Dirigent und Komponist war zum Zeitpunkt Dekret die Verleihung des Titels »General- Der Intendant der Oper, Direktor der könig- entgegensähe.86 Ernst Schuch entschied burg verstorben war, nahm Clementine der Dresdner Aufführung noch in Leipzig Musikdirektor der musikalischen Kapelle« lichen Theater, der Entdecker und Förderer sich anders. Letztendlich kam es nicht mehr Schuch mit innerer Haltung und dem engagiert, wechselte aber noch im selben an Kapellmeister Ernst Schuch und wür- Ernst Schuchs, Graf von Platen-Hallermund, zur Aufführung weiterer sinfonischer Werke Dienst an der Kunst verpflichtet ihre Aufga- Jahr an die Philharmonie in Budapest. Er digte damit dessen hervorragende Leistun- erlag am 1. September 1889 einem Schlag- von Felix Draeseke unter der Leitung Ernst ben an der Oper wahr und trat am 10. Mai hatte im Auftrag des Weber-Enkels die gen als Orchesterdirigent.89 Schuch trug anfall. Interimistischer Nachfolger wurde Schuchs. auf der Bühne auf. In seinem Kondolenz- Neufassung bzw. Fertigstellung der unvoll- nunmehr auch nach außen hin die Verant- der Wirkliche Geheime Rat Immanuel Bär. schreiben vom 11. Mai zollte ihr Graf von endeten Oper erarbeitet und sich dabei in wortung für die Kapelle, er hatte die künst- 1888 Platen in Vertretung der Generaldirektion die Ehefrau seines Auftraggebers, Marion lerische und musikalische Leitung des 1890 Am 22. Februar bedankte sich Dr. Franz der Königlich sächsischen musikalischen von Weber, verliebt. Orchesters inne und als Operndirektor die Im Sommer nahm Ernst Schuch weitere Koppel-Ellfeld, Redakteur der Dresdner Kapelle und des Hoftheaters größten Res- Mahlers Begabung und Leidenschaft galt gesamtverantwortliche Geschäftsführung Umbaumaßnahmen auf seinem Grund- im Freundeskreis die »Kegelabende«, Nachrichten, bei Clementine Schuch, der pekt für diese Leistung und sprach ihr den jedoch weniger der Oper als der sinfoni- der Dresdner Oper. Er kümmerte sich um stück in der Lößnitz vor. Er ließ eine geneh- vergnügte, bis in die Morgenstunden »lieben Freundin und vor allem, großen verdienten Dank für ihren Einsatz aus.88 schen Orchestermusik und der Liedkunst. den Inhalt der (weltlichen) Konzertpro- migungsfreie Kegelbahn bauen, eine of- dauernde Feste, an denen auch Sänger, Künstlerin!« Er äußerte sich begeistert und Die Aufführung, die Clementine Schuch am Ernst Schuch bewunderte Mahler und seine gramme, den Opernspielplan, die Sänger- fene, etwas vertiefte Asphaltbahn, die befreundete Komponisten wie Richard entzückt von der Leistung der Sängerin als 10. Mai 1888 so pflichtbewusst bestritten provozierende musikalische Originalität. Er besetzung, die Operninszenierungen sowie jeweils an den Enden über eine halboffene Strauss, Leo Blech und Edmund Kretschmer Violetta in La Traviata, die am Vortag unter hatte, war die von ihrem Mann dirigierte versuchte immer wieder, Mahlers Komposi- um das Ballett. Er vereinte organisatorische Holzlaube verfügte. Beliebt waren danach sowie Literaten wie Karl May teilnahmen. 46 Abb. 39 Abb. 40 Abb. 41 47 Künstlerpostkarte von Liesel Schuch als Kind Käte und Liesel im Garten der Schuch-Villa mit Widmung für Ernst von Schuch · 1907 Atelier Klinkhardt & Eyssen, Atelier Chr. Fr. Petz, Niederlößnitz · 1898 Dresden · um 1893

1891 Festprogramm zu dirigieren.91 Ernst Schuch zur Schule, wurde allerdings nach einem Am 16. Januar 1891 wurde unter der Leitung folgte damit nach und setzte Unfall, den ihr Vater im Jahr 1900 erlitten Ernst Schuchs erstmals in Dresden die Oper die Tradition dieser Dirigate fort. hatte und der offenbar auch Liesel in bis- Sizilianische Bauernehre (Cavalleria rusti- Im Sommer ließ Ernst Schuch weitere An- lang ungeklärter Form beeinflusst hatte93, cana) von Pietro Mascagni aufgeführt. In und Umbauten am Wohngebäude in der daheim unterrichtet. Seit ihrem 14. Lebens- der Rolle der Lola erlebte Clementine Lößnitz vornehmen. Durch die Firma Eisold jahr besuchte sie wie schon ihre Schwester Schuch nochmals einen grandiosen Erfolg, wurden eine russische Esse sowie Kohlen- Käte das Luisenstift in Radebeul. Früh zeigte ebenso wie ihre Kollegen Therese Malten, schuppen und Veranda errichtet. sich ihre außergewöhnliche Gesangsbega- Irene von Chavanne, Karl Scheidemantel Am 12. Dezember kam das fünfte Kind von bung, welche in der Tonlage derjenigen der und Georg Anthes. Noch Jahrzehnte später Ernst und Clementine Schuch, ihre zweite Mutter entsprach. Von dieser erhielt sie berichtete der General-Anzeiger Kötzschen- Tochter Elisabeth Franziska, in Radebeul zur bereits als Kind Unterricht in Gesang und broda von den ekstatischen Ovationen für Welt. Laut Gerüchten, die in der Stadt Dres- Rollenspiel. Als Jugendliche absolvierte sie den Kapellmeister und den herausragenden den kursierten, hatte sich Ernst Schuch so eine Gesangsausbildung bei der Dresdner orchestralen und dramatischen Vortrag.90 sehr in Liebesbande mit der Hofopernsän- Stimmpädagogin Adelina de Paschalis- Das Ehepaar Schuch erlebte gemeinsam gerin Irene von Chavanne verstrickt, dass er Souvestre; außerdem erhielt sie von ihrer nochmals eine unvergessliche Sternstunde seine Frau Clementine um »Freilassung aus Mutter viele praktische Aufführungsrat- auf der Dresdner Opernbühne und verhalf der Ehe«92 gebeten hatte. Diese weigerte schläge. dadurch dem Komponisten Pietro Mascagni sich jedoch, in eine Scheidung einzuwilligen. Solange der Vater lebte, nahm Liesel eine zu einem dauerhaften Erfolg seines Erst- Tochter Elisabeth, genannt »Liesel«, galt als Vermittlerrolle zwischen den Eltern ein. Sie Ernst Schuchs wurden von seiner Tochter an erledigte seine Post, sie organisierte den lingswerkes. Unterpfand der Versöhnung. begleitete ihren Vater in der Zeit zwischen seine Frau schriftlich übermittelt. Mit Alltag und passte auf, dass er beim Glücks- Mit Brief vom 2. Februar 1891 bestätigte Das Nesthäkchen Liesel, 15 Jahre jünger als 1910 und 1914 häufig auf Reisen und über- zunehmendem Alter bedurfte der »Vatter« spiel in Monte Carlo nicht zu viel Geld das Komitee des Niederrheinischen Musik- ihr ältester Bruder Ernst, durfte zu Hause nahm es, an seiner Stelle an »die Mama« zu der jüngsten Tochter immer mehr, sobald er verlor. Sie beruhigte ihn, wenn er sich über festes Aachen die Zusage Ernst Schuchs, das aufwachsen. Sie ging zunächst in Radebeul schreiben. Auch Geburtstagsgrüße seitens auf Konzertreisen oder zur Kur ging. Sie die »schlamperten«94 Musiker in fremden 84 Essays 85 von Justus H. Ulbricht, Matthias Herrmann und Bernt-Christoph Lämmel

Ernst von Schuch beim Studieren einer Partitur Atelier Hahn Nachfolger, Dresden · 1912 86 Postkarte mit den Dresdner Kapellmeistern Friedrich »Wir sind im Gleichnishaften dort am tiefsten befangen, »Aus dem alten Europa« – Abschiedsvorstellung | Justus H. Ulbricht 87 von Schreiner, Ernst von Schuch und Adolf Hagen wo wir es am mindesten ahnen.« Fotomontage von Martin Herzfeld, Dresden · um 1910 Hugo von Hofmannsthal, Aufzeichnungen aus dem Nachlass · 1903

Zwischenspiel auf dem Theater

Am 25. Januar 1909 schien der Literatur- und Kunstkritiker Hermann Bahr, jener »Mittler«1 oder gar »Prophet der Moderne«2, vollkommen enerviert. War er doch aus einer der Kulturhauptstädte Europas – aus Wien – in das später als »Opernmetropole« verklärte Elbflorenz gereist, um mit der Uraufführung der einem kulturellen Großereignis in der zwischen dem 25. und 28. Januar 1909 stattfindenden Strauss- Woche beizuwohnen. Am Beginn der Festwoche stand der Vortrag Die moderne Musik und des Berliner Literatur- und Musik- kritikers Oscar Bie, der 1894 – 1922 Chefredakteur der Neuen Deutschen Rundschau war, einem der Zentralorgane der ästhetischen Moderne. Es folgte die Uraufführung der Elektra, dann eine Vorstellung der und am 27. präsentierte man die 1901 in Dresden uraufgeführte Strauss- Oper sowie die Sinfonia Domestica. Zum Beschluss kam noch einmal Elektra zum Zuge. Bevor Bahr sich jedoch dem abendlichen Kunstgenuss in der zweiten hingeben konnte, war er konfrontiert mit »laute[n] Gäste[n]«3 Dresdens. »Alles ist da, was sich schuldig glaubt, bei den Abb. 1 Ereignissen niemals zu fehlen. Man denkt an Bayreuth; nur daß es dort Programm zur Ur- aufführung der Oper feierlicher, nachdenklicher ist. Hier hat sich alles hastiger, eiliger, hefti- Elektra während der ger, weniger hieratisch, mehr berlinisch. [. . .] Wie in der Erwartung von Strauss-Woche in Rennen, Spielen, Wetten betragen sich diese gierigen Fremden, die zur Dresden · 1909 88 Abb. 2 89 Annie Krull als Elektra und Margarete Siems als Chrysothemis in der Dresdner Inszenierung der Strauss-Oper Elektra Postkarte des Berliner Verlags Emil Schwalb · 1906

Strauß-Woche da sind. Es sind jene Ärmsten von den Reichen, die in bar aus: mit ihrem Hochmut aus einem unbegrenzten Kraftgefühl, das Oper am 9. Dezember 1905 »mit Erfolg auf ihren weltumspannenden einem fort doch endlich einmal etwas erleben möchten; alles andere alles wagen zu dürfen, sich an allen Vergangenheiten messen zu kön- Weg«7 gebracht und damit zugleich den Ruhm Dresdens und seines können sie sich ja kaufen.« nen, mit allen Gefahren zu spielen, aller Drohungen zu lachen, von allen ersten Orchesters befördert. Ähnliches erhoffte man sich nun wohl Ähnlichkeiten mit heute lebenden Personen sind natürlich zufällig – Verlockungen zu kosten und in allen Betäubungen wach zu bleiben auch von der Elektra. Von dieser, »die dort einsetzt, wo die ›Salome‹ man spürt aber in solchen Sätzen den gepflegten Massenekel des hoch- weiß; und mit ihrer schauspielerischen Verwandlungslust, sich hinzu- aufgehört hat«8, war ihr Wiener Rezensent nachgerade hingerissen: gebildeten Intellektuellen sowie Bahrs grundlegendes Unbehagen geben und doch zu bewahren, zu täuschen und in der Täuschung ge- »Der ›Salome‹ an Farbenpracht, Leuchtkraft und blühender Fülle gleich, daran, dass das Theater »zu einer bloßen Unterhaltungsmaschinerie rade dann das wahre Gesicht erst zu zeigen, durch Verstellung erst ganz läßt sie sie durch ihre ruhige Geschlossenheit, ein höchst merkwür­ für den Mittelstand herabgesunken«4 sei. – Seine so anderen Visionen echt zu sein [. . .] mit ihrer übersinnlichen Begierde nach nie vernom- diges musikalisches Raumgefühl und den mühelosen Reichtum an vom Theater als Musentempel, gar als Heiligtum werden uns noch be- menen Zärtlichkeiten, unerlösten Frömmigkeiten, traumverwunsche- fließenden Einfällen noch weit hinter sich und erreicht mit dem Eintritt schäftigen, zumal er diese Sehnsucht mit anderen Gebildeten und nen Helligkeiten einer neuen, fern aufschwebenden, beflügelten des Orest eine nun unaufhaltsame Spannung. Eine leise Neigung, sich Künstlern seiner Epoche teilte, denen wir ebenfalls noch begegnen Menschheit, [. . .] mit ihrer heillosen, bettelarmen Sehnsucht nach ir- zuweilen von den Reizen des allzu Sangbaren verlocken zu lassen [. . .] werden. gendeinem ganz einfachen, stillen, ungebrochenen Gefühl [. . .].« Poe- wird immer sogleich wieder von den instrumentalen Wundern ge- Aufatmen in Dresden konnte der zugereiste Bahr erst, als er dem ei- tischer ist wohl kaum der Traum der Moderne von sich selbst, der oft- löscht, und die Löwenkraft der entschlossenen Steigerung ist unwider- gentlichen Ziel seiner Fahrt an die Elbe nähergekommen war. »Und mals Albtraum ist, auf den schillernden Begriff gebracht worden, wobei stehlich. Prachtvoll die gelassen waltende Macht, mit der Schuchs mitten im Getümmel der überfressenen Hungrigen steht nun still be- Bahr uns hier auch ein Selbstporträt seiner eigenen ästhetisch-weltan- große Meisterhand die Dämonen des Orchesters bändigt [. . .]. An die triebsam der Zauberer, um den diese ganze Hölle tanzt.« Nicht etwa schaulichen Visionen liefert, Abgründe inbegriffen. dreißigmal erschien Strauß in Stürmen einer heulenden Begeisterung, vom Dresdner Kapellmeister Ernst von Schuch war hier die Rede, son- Abends dann endlich: Große Oper, die Uraufführung der Elektra von als würde ein Marathonläufer begrüßt.«9 Ob die »heulende Begeiste- dern vom Berliner Generalmusikdirektor Richard Strauss. Dessen ver- Richard Strauss unter Leitung von Ernst von Schuch. Das alles vor einem rung« des Publikums eher auf die Überredungskraft der Strauss’schen ehrender Charakteristik, die Bahr nun entwickelte, folgte die Einsicht, »international gleißenden, großstädtisch gierigen Publikum«5, das die Musik zurückzuführen war oder auf die Wirkung des Hofmanns­ dass Strauss »zu seinen Bewunderern mit ihrem Getümmel ratloser neue Oper vermutlich an dem Dresdner Erfolg der Salome messen thal’schen Textes, sei dahingestellt. Bahr jedenfalls hörte an manchen Hysterien« gar nicht passe, denn er stehe hoch über den Massen, die würde – einem weiteren Skandalstück entfesselter, sinnlicher – und Stellen der Oper »das tiefste Leid unserer ganzen Zeit« schluchzen, »das den Komponisten verehrten. »Unsere ganze heutige Geistigkeit, soweit letztendlich getöteter – Weiblichkeit, dem Oscar Wilde den Text6 und Leid um unsere verlorene Unschuld des Gefühls, aus der wir durch den sie sich in den sicheren Besitz der Gegenwart fügt, drückt er unmittel­ wiederum Strauss die Musik geliefert hatte. Schuchs Dirigat hatte diese schlaflosen Geist vertrieben worden sind.«10 90 Abb. 3 Abb. 4 91 Postkarte zur Dresdner Inszenierung Programm zur Strauss-Oper Salome der Strauss-Oper Salome für eine Vorstellung wenige Wochen unter Ernst von Schuch · 1906 nach der Uraufführung in Dresden · 1906

ein Faible für Texte Hugo von Hofmannsthals und die Musik von Richard formtheater zu etablieren, das sich als Gesamtkunstwerk verstand und Strauss sowie die Begeisterung für das Theater und dessen angeblich das Publikum mit einer vollkommen neuen, die Genres synästhetisch kulturregeneratorische Kraft – all dies hatte Bahr, Strauss und Hof- verschmelzenden Kunst im Sinne der europäischen Avantgardebewe- mannsthal schon früher zusammengeführt und in engen Kontakt zu gungen künstlerisch prägen wollte. Schauspielerische Protagonistin anderen Protagonisten der Moderne, etwa dem Kunstförderer und -lieb- dieses Projekts, das in konkurrenzieller Spannung zum Weimarer Hof- haber und dem Regisseur Max Reinhardt, gebracht. theater13 gestanden hätte, war die Tragödin Louise Dumont, die durch die Darstellung der Frauengestalten August Strindbergs, vor allem aber Die Schaubühne als (a)moralische Anstalt – Henrik Ibsens in ganz Europa bekannt geworden war. Man sprach sei- Theaterträume von Avantgardisten nerzeit zwar vom »Ibsen-Zeitalter«, versuchte sich zugleich jedoch an einer modernen Adaption antiker Stoffe und hoffte auf eine Wiederbe- Im Jahr 1900 erschien das Manifest des Avantgarde-Architekten Peter lebung der dionysisch, also antiklassizistisch gedeuteten Antike, um Behrens Feste des Lebens und der Kunst 12, mit dem dieser für ein Reform- die Kraft alter Mythen für eine Sinnorientierung in der Moderne frucht- theater in der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt und zu- bar zu machen14. »Wir müssen uns den Schauer des Mythos neu schaf- gleich für ein neues, kultisches Theater warb. Dazu inspiriert hatten ihn fen«15, notierte Hofmannsthal, der 1901 seinen »ersten Einfall« zur unter anderem sein Freund, der Dichter Richard Dehmel, und der Elektra hatte. »Als Stil schwebte mir vor, etwas gegensätzliches zur Münchner Theaterpraktiker Georg Fuchs. Als künstlerischer Leiter die- ›Iphigenie‹ zu machen, etwas, worauf das Wort nicht passe: ›dieses ser neuen »Stilbühne«, in der Text, Musik, Bühnenbild und dramatische gräcisierende Produkt erschien mir beim erneuten Lesen verteufelt Bemerkenswert an seiner Rezension ist die hymnische Begeisterung Darstellung kongenial verschmelzen sollten, war Hermann Bahr aus- human‹ (Goethe an Schiller).«16 Bahrs für die Strauss’sche Musik unter Schuchs Leitung, also das kon- ersehen, der dabei auch und gerade an Aufführungen der Werke Hugo Einen weiteren Theoriebaustein zur Rettung der Moderne durch das geniale Zusammenklingen des »Leibkomponisten« mit dem »Leibdiri- von Hofmannsthals dachte. Theater lieferte wiederum Bahr mit seinem Dialog vom Tragischen, der genten«11. Die Faszination für hysterische Frauengestalten – wie man Aus dem Darmstädter Projekt wurde letztlich nichts, doch Bahr, Hof- auch für das Verständnis der Hofmannsthal‘schen Elektra von zentraler damals Salome und Elektra ausschließlich deutete –, für eine archa­ mannsthal und beider guter Bekannter Harry Graf Kessler starteten im Bedeutung ist. Bahr skizzierte die Tragödie als eine Art therapeutische isierte Antike, in der man sich als moderner Mensch wiedererkannte, Kontext des »Neuen Weimar« ab 1903 einen weiteren Versuch, ein Re- Kunstform, »[. . .] die in der Tat nichts anderes [will], als jene beiden und Dokumente ausdemFamilienbesitz. Karrieren vor undpräsentiert bislangnicht gezeigte Objekte mit ihren herausragenden musikalischen Talenten und stellterstmalsauchdie Schuch-Familiein dieseEpoche, Band gibteinenfaszinierendenDer reich bebilderte Einblick Richard Strauss nachDresden. und Künstler wieGiacomo Puccini, Gustav Mahleroder gleichrangig. Siezog international bekannte Komponisten Inszenierungen und Wien, BerlinundMünchenabsolut wurde dieHofoper zueinemDreh- undAngelpunkt aktueller Musikleben inDresden. Indenüber40Jahren seines Wirkens Bis 1914prägte derAusnahmedirigent Ernstvon Schuchdas

Die Schuchs Eine Künstlerfamilie in Dresden