26. September 1963: Gemeinsame Sitzung Des Bundesvorstandes Und Der Fraktion
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FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 26. 09. 1963 26. September 1963: Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-754. Überschrift: »Kurzprotokoll der gemein- samen Sitzung von Bundestagsfraktion und Bundesvorstand am 26. September 1963«. Zeit: 10.10–18.15 Uhr. Vorsitz: Mende, später: Leverenz. Entschuldigte Fraktionsmit- glieder: 8. Sitzungsverlauf: A. Geschäftliche Mitteilungen. B. Bericht des Partei- und Fraktionsvorsitzenden Mende über die allgemeine politische Lage. C. Bericht des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Dehler über seine Moskau- Reise. D. Bericht des hessischen Landesvorsitzenden Kohl über seine USA-Reise. E. Allgemeine Aussprache. F. Bericht über den Stand der Regierungsverhandlungen mit anschließender Aussprache. G. Bericht über die Verhandlungen über das Sozialpaket mit anschließender Aussprache. H. Bericht über die Mitteilung eines Verfassungsschutzbeamten über die Überwachung eines Mitarbeiters des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der FDP mit anschlie- ßender Aussprache. [A.] 1. Geburtstagsglückwünsche Schmidt 6.9.1922 (41 Jahre) Opitz 11.9.1920 (43 Jahre) Dr. Krümmer 17.9.1896 (67 Jahre) Dr. Atzenroth 22.9.1895 (68 Jahre) von Mühlen 26.9.1909 (54 Jahre) Dr. Ilk 9.9.1902 2. Entschuldigt Dr. Dörinkel berufliche Verpflichtungen Dr. Hellige Auslandsaufenthalt Mauk Ausschußsitzung des Europäischen Parla- ments in Rom Rademacher als Präsident Teilnahme am Deutschen Bau- erntag im Hamburg Sander Teilnahme am Deutschen Bauerntag in Hamburg Wächter private Verpflichtungen Walter Teilnahme am Deutschen Bauerntag in Hamburg Spitzmüller Auslandsaufenthalt Copyright © 2018 KGParl 1 FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 26. 09. 1963 3. Dr. Mende gibt bekannt, daß morgen erstmalig die Verhandlungskommission mit Prof. Erhard1 zur Behandlung von Sachfragen zusammentritt. Die FDP- Verhandlungskommission trifft sich anschließend an die Fraktionssitzung noch einmal in der Parlamentarischen Gesellschaft. 4. Die Sitzung wird für vertraulich erklärt. 5. Senatsdirektor Dr. Hartkopf2 wird als Gast begrüßt. [B.] TOP 1: Bericht über die allgemeine politische Lage Dr. Mende: Es fanden zwei Gespräche statt, und zwar einmal zwischen Dr. Dehler, Dr. Mende und Prof. Erhard über die Moskaureise Dr. Dehlers, und ein Gespräch, an dem neben Dr. Mende Dr. Achenbach als Vorsitzender des Arbeitskreises I teilnahm, mit Außenminister Dr. Schröder3 vor dessen USA-Reise. Im nächsten Jahr finden Präsidentenwahlen in den USA statt. Da Kennedy4 bisher keine großen innenpolitischen Erfolge verzeichnen kann, sucht er Erfolge in der Au- ßenpolitik, d. h. er neigt zu einem Entgegenkommen in der Entspannung Ost-West. Die gleiche Tendenz ist in England zu verzeichnen. Anders steht de Gaulle5 dazu, der an der harten Linie festhält. Adenauer und de Gaulle sind der Meinung, daß man zunächst den Konflikt UdSSR – China weiter schwelen lassen sollte, damit Chruschtschow6 zu größerem Entgegenkommen bereit ist. Monnet7, mit dem Dr. Mende eine Aussprache hatte, teilt die amerikanische Auffassung, abwarten und nichts tun sei falsch. Das Atomstoppabkommen wurde von der FDP schon in der letzten Sitzung gebilligt. Das entscheidende Gremium in den USA hat sich ebenfalls mit 4/5-Mehrheit dafür ausgesprochen. Da auch SPD und CDU für das Atomstoppabkommen stimmen wer- den, ist mit einer großen Mehrheit im Bundestag für das Ratifizierungsgesetz zu rech- nen. Die Verabschiedung soll bis Weihnachten erfolgen. Dr. Schröder will gegenüber Kennedy eine bewegliche Haltung zeigen. Zu dem Gespräch, das Dr. Adenauer mit CDU-Politikern in Cadenabbia führte, ist die FDP nicht eingeladen worden, da hier im Gegensatz zu den Presseberichten nur CDU-interne Differenzen ausgetragen werden sollten. Das am 9. August 1963 übergebene Memorandum wird nach wie vor im Botschafter- lenkungsausschuß beraten. Die Frage der Kontrollstationen spielt zur Zeit eine große Rolle. Diese sollen sich aber nicht nur auf den deutschen Raum beziehen. Ihr Bereich soll über Europa hinausgehen. Die Rede Kennedys vor der UNO am 20.9.1963 ließ ebenfalls eine Entspannungstendenz erkennen. Die Mondplanung ist nur eine Fortset- zung der gemeinsamen Planung, also keine Überraschung, wie es zum Teil in der Presse dargestellt wurde. Das Nichtangriffsabkommen wurde von Kennedy in seiner UNO- Rede nicht erwähnt. Die Berlin-Garantie wurde jedoch erneuert. Das Nichtangriffsab- kommen ist deshalb in den Hintergrund getreten, da völkerrechtliche Schwierigkeiten aufgetreten sind. 1 Ludwig Erhard, MdB (CDU), Bundesminister für Wirtschaft, Vizekanzler. 2 Günter Hartkopf, Senatsdirektor für Bundesangelegenheiten des Landes Berlin in Bonn. 3 Gerhard Schröder, MdB (CDU), Bundesminister des Auswärtigen. 4 John Fitzgerald Kennedy, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. 5 Charles de Gaulle, Präsident der Französischen Republik. 6 Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, Erster Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU sowie Vorsit- zender des Ministerrates der UdSSR. 7 Jean Monnet, Vorsitzender des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa, 1952–1955 Präsident der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Copyright © 2018 KGParl 2 FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 26. 09. 1963 Von den 120 UNO-Staaten haben nur 11 die DDR anerkannt. Eine Aufwertung der DDR durch das Atomstoppabkommen ist nicht erfolgt. Dr. Schröder will seine Ge- sprächspartner von der FDP, die er vor seiner Abreise nach den USA konsultiert hat, auch nach seiner Rückkehr wieder konsultieren. Dr. Mende dankt Dr. Dehler für die staatsmännische Klugheit, die er auf seiner Reise durch die UdSSR bewiesen hat. Dr. Dehler hat damit auch der Partei einen Dienst erwiesen. [C.] Dr. Dehler: Man sollte die Bedeutung seiner Reise nicht überschätzen. Die Einladung dafür lag schon seit 1955 vor. Das Bundestagspräsidium vertrat die Auffassung, daß es gut sei, jetzt eine solche Reise zu veranstalten. Auch die Engländer haben zugeredet. Die Reise war verbunden mit einer Einladung zum Präsidium der Unionskammer des Obersten Sowjets. Dr. Dehler konnte sich jedes Reiseziel wählen, das er wollte, und alles besichtigen, was er wollte, von einer Seidenspinnerei bis zur Sowchose. Er hat mit Professoren, Gelehrten, Technikern und nicht nur mit Parteibonzen gesprochen. Auch in den technischen Betrieben stellte er ein hohes Niveau fest, das von dem Niveau in unseren Betrieben nicht wesentlich abweicht. Von dem Polizeistaat hat er nichts ge- spürt. Auch die Haltung der Bevölkerung ist gelockert. Man kann nicht von einer revo- lutionären Stimmung sprechen. Insgesamt muß auch von einer ertragsreichen Wirt- schaft gesprochen werden, denn die wirtschaftliche Entwicklung ist gut. Er hat viele technische Schulen gesehen – es gibt nur 2 % Analphabeten. Es wäre eine Verkennung der Dinge, wenn man auf einen wirtschaftlichen Zusammenbruch spekulieren würde, selbst wenn durch die Planwirtschaft Rückschläge eintreten sollten. Trinkgelder werden wieder genommen, weil der Verbraucher wieder die Möglichkeit der Konsumwahl hat. Im ganzen muß das System Chruschtschow für sehr saturiert gehalten werden. Es be- steht ein großer Unterschied zur Stalin8-Periode. Der China-Konflikt wurde nicht als dringende Sorge empfunden. Dr. Dehler hat es aber vermieden, viel darüber zu spre- chen. Dr. Adenauer glaubt noch immer an eine politische Lösung als Folge einer starken Rüstung des Westens, wie er zu Dr. Dehler sagte. In der Sowjetunion klingt bei jedem Gespräch und bei jedem Tischspruch der Friedenswille an. Immer wieder ist die Sorge der Russen zu spüren, daß die friedliche Entwicklung durch Krieg gestört wird. Daraus ergibt sich, daß die Kriegsfurcht des Westens eine falsche These ist, jedenfalls soweit es die Haltung der russischen Bevölkerung betrifft. Natürlich wird nach wie vor eine Aus- dehnung der Ideologie angestrebt. Dr. Dehlers Reise war von ihm als eine politische Demonstration gewollt, gegen eine Politik, die auf das Wirken in den Osten verzichtet. So wurde es auch von den Sowjets aufgefaßt und diese Reaktion war auch in Deutsch- land zu spüren, wie er aus zahlreichen Leserbriefen erfahren hat. Eine harte Auseinan- dersetzung gab es von Anfang an über die Frage des Friedensvertrages. Dr. Dehler war kurz vor seiner Reise noch in Berlin gewesen, so daß er noch unter dem Eindruck der Mauer stand. Das Gespräch mit Gromyko9 war sehr hart, wenn auch konziliant in der Form. In der deutschen Frage, sagte Gromyko, sind wir hart wie Granit. Gromyko will zwei Frie- densverträge, da die Teilung Deutschlands eine Folge des Krieges ist. Hier gibt es für ihn keine Konzession. Dr. Dehler hat dagegen den Standpunkt vertreten, daß dieser Zustand gefahrvoll ist. Nur eine gesamtdeutsche Regierung kann einen Friedensvertrag unterzeichnen. Gromyko sagte, daß derjenige, der die Realitäten nicht anerkennt, nur 8 Josef Wissarionowitsch Stalin († 1953), 1922–1953 Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, 1941–1953 Vorsitzender des Rates der Volkskommissare bzw. des Ministerrates der UdSSR. 9 Andrei Andrejewitsch Gromyko, sowjetischer Außenminister. Copyright © 2018 KGParl 3 FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 26. 09. 1963 Krieg will. Es kam eine starke Animosität gegen Dr. Adenauer heraus. In Wirklichkeit, so meinte Gromyko, wollen Adenauer und die Westmächte den Status quo. Diesen Vorwurf hat Dr. Dehler abgewehrt. Er hat auf Österreich und die Haltung der Sowjets auf der 1958er-Konferenz