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Hans FRANK

BIOGRAPHIE

06-2-328 : Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur / Dieter Schenk. - Frankfurt am Main : Fischer, 2006. - 485 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 978-3-10-073562-1 - ISBN 3-10-073562-5 : EUR 22.90 [9030]

Über wenige NS-Größen glaubt man so viel zu wissen wie über Hans Frank, den Generalgouverneur von Polen, jenes „Reichsnebenlandes“, das ihm Hitler zur Regierung und zur Ausplünderung überließ. Für seine Bekanntheit hat Frank selber mit einer Rechtfertigung unter dem plakativen Titel Im An- gesicht des Galgens1 gesorgt. Seine Frau Brigitte hat sie vermarktet und in den fünfziger Jahren die stolze Summe von über 200.000 DM dafür einge- nommen (Schenk, S. 405).2 Das jüngste von Franks fünf Kindern, der Jour- nalist Niklas Frank (Jahrgang 1939), hat mit Vater3 und Mutter4 gleicherma- ßen abgerechnet, und auch diese Bücher, nicht immer appetitlich, verkau- fen sich gut.5 Basis für diese Publikationen sind neben persönlichen Erinne- rungen die dienstlichen und die privaten Tagebücher Franks, die z.T. publi- ziert sind. Die Druckfassung des Diensttagebuchs umfaßt immerhin 1026

1 Im Angesicht des Galgens / Hans Frank. [Hrsg.: Oswald Schloffer]. - München- Gräfelfing : F. A. Beck, 1953. - 479 S. - Im Angesicht des Galgens : Deutung Hitlers und seiner Zeit auf Grund eigener Erlebnisse und Erkenntnisse ; geschrie- ben im Nürnberger Justizgefängnis / Hans Frank. - 2. Aufl. - Neuhaus b. Schlier- see : Brigitte Frank, 1955. - 445 S. 2 Antiquarische Exemplare kosten heute die stolze Summe von ca. EUR 125.00. 3 Der Vater : e. Abrechnung / Niklas Frank. - 1. Aufl. - München : Bertelsmann, [1987]. - 282 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 3-570-02352-4. - Der Vater : eine Abrechnung / Niklas Frank. Mit einem Vorw. von Ian Kershaw und Ralph Giordano. - Erg. Neu- veröff., 6. Aufl. - München : Goldmann, 2005. - 312 S. : Ill. ; 19 cm. - (Goldmann ; 12500). - ISBN 978-3-442-12500-5 - ISBN 3-442-12500-6 kart. : EUR 10.00. 4 Meine deutsche Mutter / Niklas Frank. - 1. Aufl. - München : Bertelsmann , 2005. - 478 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 3-570-00689-1. - Meine deutsche Mutter / Niklas Frank. - Taschenbuchausg., 1. Aufl. - München : Goldmann , 2006. - 478 S. : Ill. ; 19 cm. - (Goldmann ; 15391). - ISBN 978-3-442-15391-6 - ISBN 3-442- 15391-3 : EUR 9.95. 5 Dazu jetzt Nationalsozialistische Täter : die intergenerative Wirkungskraft des malignen Narzissmus / Nele Reuleaux. - Orig.-Ausg. - Gießen : Psychosozial- Verlag, 2006. - 306 S. ; 21 cm. - (Reihe Psyche und Gesellschaft). - Zugl.: Hanno- ver, Univ., Diss., 2005. - ISBN 978-3-89806-555-9 - ISBN 3-89806-555-3 : EUR 32.00 [9045]. - Vgl. die vorstehende Rezension in IFB 06-2-322. - Hier S. 189 - 220. Seiten.6 Aufschlußreich sind ferner die Protokolle des Nürnberger Prozes- ses sowie die Gespräche des Nürnberger Gefängnispsychologen G. M. Gil- bert.7 Hinzu kommt eine wissenschaftliche Fachliteratur, die sich in erster Linie mit Franks juristischen Aktivitäten bzw. mit seiner Polenpolitik ausein- andersetzt und sich auf zahlreiche Reden und Aufsätze Franks stützen kann.8 Angesichts dieser Fülle könnte man denken, es gäbe wichtigere Aufgaben auf dem Gebiet der NS-Forschung, als Frank in einer umfangreichen Mono- graphie zu porträtieren. Dies um so mehr, als mehrere Reichsminister mit zentralen Ressorts, die den von Hitler angeführten Kabinetten angehört ha- ben, immer noch auf eine ausführliche Würdigung warten. Dies trifft z.B. zu auf Richard Walter Darré (Ernährung und Landwirtschaft), (Wirtschaft), Hans Heinrich Lammers (Chef der Reichskanzlei), Otto Meiß- ner (Chef der Präsidialkanzlei), (Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung), (Arbeit), und erst recht auf Leute wie den Kirchenminister Hans Kerrl, den Verkehrsminister Julius Dorpmüller oder den Postminister Wilhelm Ohnesorge, deren Ressorts offenbar für unwichtig gehalten werden. Dennoch ist es dem Verfasser, der bis 1989 Kriminaldirektor im Bundeskri- minalamt (BKA) war und dort wegen unüberbrückbarer Gegensätze aus- schied, um hinfort als freier Journalist zu arbeiten, gelungen, mit seiner Frank-Biographie neue Akzente zu setzen. Diese betreffen insbesondere die Struktur des Generalgouvernements und seinen administrativen Aufbau, aber auch Franks Implikationen in den Genozid an Polen, Juden, Ukrainern und Russen. Schenks Interesse könnte übrigens damit zusammenhängen, daß er seit 1998 als Honorarprofessor in Lodz lehrt und mit Witold Kulesza befreundet ist. Dieser leitet seit 1992 den Fachbereich für Materielles Straf- recht an der Universität Lodz. Er ist gleichzeitig Direktor der Hauptkommis- sion zur Untersuchung von Verbrechen gegen die Polnische Nation, die heute eine Abteilung des Warschauer Instituts des Nationalen Gedenkens

6 Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939 - 1945 / hrsg. von Werner Präg u. Wolfgang Jacobmeyer. - Stuttgart : Deutsche Verlags-Anstalt, 1975. - 1026 S. ; 25 cm. - (Quellen und Darstellungen zur Zeitge- schichte ; 20). - (Veröffentlichungen des Instituts für Zeitgeschichte). - ISBN 3-421- 01700-X. - Das Original, heute im Institut des Nationalen Gedenkens (Instytut Pa- mi ci Narodowej) in Warschau, umfaßt 40 Bände mit insgesamt 11.367 Schreib- maschinenseiten, 7333 S. Tagebuch, 3441 S. Sitzungsprotokolle. Das unveröf- fentlichte zweibändige private Tagebuch liegt im Bundesarchiv Koblenz. 7 Nürnberger Tagebuch / G. M. Gilbert. [Aus d. Amerikan. übertr. von Margaret Carroux, Karin Krausskopf u. Lis Leonard]. - Frankfurt a.M. : Fischer Bücherei, 1962. - 455 S. - (Fischer Bücherei ; 447/48). - Einheitssacht.: Nuremberg diary . 8 Zusammenfassend Hans Frank - Parteijurist und Generalgouverneur in Po- len / Christoph Kleßmann. // In: Die braune Elite / hrsg. von Ronald Smelser .. - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft. - 20 cm [4941]. - 1. 22 biographi- sche Skizzen. - 3., unveränd. Aufl. - 1994. - XIV, 323 S. : Ill. - ISBN 3-534-10254-1 : DM 26.80, DM 22.50 (mit Bd. 2). - Rez.: IFB 99-B09-404. - Hier S. 41 - 51, Bi- bliographie S. 50 - 51. darstellt, sowie Stellvertretender Generalstaatsanwalt von Polen. Die sech- zigste Wiederkehr der Nürnberger Prozesse mag für den Zeitpunkt der vor- liegenden Publikation mit verantwortlich sein. Niklas Frank hat dem Autor sein Archiv mit einem unveröffentlichten Lebensbericht seines Vaters sowie bisher wenig bekanntem Bildmaterial zugänglich gemacht. Frank hatte in der NS-Zeit den Vorzug, aktiv am Hitlerputsch vom 9. No- vember 1923 teilgenommen zu haben und als Anwalt in der sog. Systemzeit Hitler und andere Nationalsozialisten erfolgreich vor Gericht verteidigt zu haben, wobei es sich meist um Beleidigungsprozesse handelte. Dies sicher- te ihm die anhaltende Dankbarkeit des ,Führers’, der ihn nie ganz fallen ließ, auch wenn er mit seiner Arbeit für den nationalsozialistischen Staat nicht wirklich zufrieden sein konnte. Frank war ein untypischer Nationalso- zialist, musisch begabt, polyglott, leicht zu begeistern, undiszipliniert und weich. Dies hatte einerseits zur Folge, daß er zunächst kein wirklich wichti- ges Ministeramt erhielt. Er begann als bayerischer Justizminister und führte 1934 als ,Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz in den Län- dern und für die Erneuerung der Rechtsordnung’ die Liquidierung der föde- ralen Länderjustiz durch. Am 19. Dezember 1934 wurde er Reichsminister ohne Geschäftsbereich und blieb dies bis zum Ende des Dritten Reichs. Im Oktober 1933 hatte er die ,Akademie für Deutsches Recht’ gegründet, die eigene Zeitschriften herausgab, Tagungen und Kongresse veranstaltete, mit italienischen und polnischen Juristen zusammenarbeitete, aber wie alles, was Frank anfing, zwar bombastisch wirkte, aber keinen wirklichen Einfluß besaß.9 Wenn sich Frank als Humanist und Legalist gab, entsprach das weniger seiner wirklichen Überzeugung als einem gewissen Oppositions- geist gegenüber Hitler, Himmler und Bormann, die sich wenig oder gar nicht um die Rechtsordnung und die Rechtlichkeit kümmerten. Frank war wie an- dere Juristen zwar bereit, dem NS-Staat zu dienen und zur Gleichschaltung durch Ausschaltung von Gegnern beizutragen, aber dies sollte auf der Grundlage neuer Gesetze geschehen, die von Juristen gemacht und ange- wandt wurden. Hier war bereits der spätere Konflikt bei der Verwaltung des Generalgouvernements (GG) mit Himmler und Friedrich-Wilhelm Krüger, seinem Erfüllungsgehilfen, dem höheren SS- und Polizeiführer im General- gouvernement, vorgezeichnet. Krüger, ein skrupelloser SS-Mann, verfolgte eine rücksichtslose Ausmerzungspolitik mit wahllosen Geißelerschießungen und gezielten Umsiedlungen oder Deportationen in die Vernichtungslager. Es ist bezeichnend, daß Frank nie Reichsjustizminister wurde und nach Freislers Tod allenfalls für das Amt eines Präsidenten des Volksgerichtshofs für geeignet erachtet wurde. Wo es um konkrete juristische Verwaltungs-

9 Vgl. den Beitrag von Nützliche Kooperation – die juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität und die Akademie für Deutsches Recht / Su- sanne Adlberger. // In: Die Universität München im Dritten Reich : Aufsätze / hrsg. von Elisabeth Kraus. - München : Utz. - 21 cm. - (Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München ; ...) [9015]. - Teil 1 (2006). - 670 S. : Ill., graph. Darst. - (... ; 1). - ISBN 978-3-8316-0640-5 (geb.) - ISBN 3-8316-0640-4 (geb.) : EUR 79.00 - ISBN 978-3-8316-0639-9 (br.) - ISBN 3-8316-0639-0 (br.) : EUR 49.00. - Vgl. die vorstehende Rezension in IFB 06-2-304. - Hier S. 305 - 430. und Planungsarbeiten ging, wurden ihm andere vorgezogen. Im Justizmini- sterium hießen sie Franz Gürtner, und Otto Thierack. Die Ernennung Franks durch Führererlaß vom 12. Oktober 1939 zum Gene- ralgouverneur von Restpolen, das jetzt Generalgouvernement genannt wur- de, stand in keinem erkennbaren Zusammenhang mit seiner bisherigen Tä- tigkeit, sondern war eine Belohnung für einen ,alten Kämpfer’, auf dessen Loyalität Hitler zählen konnte. Nach einer Übergangsphase bis zum Som- mer 1940, in der ein territorial reduziertes Polen noch als Faustpfand in Verhandlungen mit den Westmächten betrachtet wurde, erlangte Frank die volle hoheitliche Verfügungsgewalt über Polen, die er nur da mit der Wehr- macht und der SS teilen mußte, wo militärische oder polizeiliche Fragen an- gesprochen waren. Dies führte zwar zu ständigen Reibereien und Ablö- sungsgerüchten, mindert jedoch keineswegs Franks Verantwortung für die ökonomische Ausplünderung des Landes und die Entrechtung, Unterdrük- kung und teilweise Vernichtung seiner Einwohner. „Im Westen liegt Frank- reich, im Osten wird Frank reich“ wurde zum geflügelten Wort des deut- schen Volkswitzes. Schaut man sich die Landkarte des Generalgouver- nements an (vgl. S. 145), das aus den Distrikten Warschau, Radom, Lublin, Krakau und, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, Galizien bestand, so sieht man, daß auf diesem Territorium die Vernichtungslager Treblinka, So- bibór und Belzec liegen (Auschwitz und Chelmno befanden sich in den ein- gegliederten Teilen von Oberschlesien und dem sog. Warthegau). Dies be- deutet, daß Frank über die Vernichtungsmaßnahmen, die nach der Wann- see-Konferenz in vollem Umfang einsetzten, bestens informiert war und sie billigte. Zahlreiche Tiraden gegen Polen und Juden, die deren Unterdrük- kung und Ausrottung fordern und begrüßen, sind belegt. Auch die blutige Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto (April/Mai 1943) wie des Warschauer Aufstands im Oktober 1944 fanden auf dem von Frank be- herrschten Gebiet statt und wurden von ihm akzeptiert. Immer wieder berief er sich auf den Satz: „Ich bin der Totalrepräsentant des Führers und des Reiches für alle Bereiche, die nicht zur Wehrmacht gehören“ (zit. S. 257). Dies ist auch der Hauptgrund dafür, daß Frank alle Intrigen überstand und im Herbst 1943 mit Hilfe des SS-Führers Erich von dem Bach-Zelewski so- gar seine Widersache Krüger und Globocnik loswurde, was seine Stellung bis zum Ende des ,Dritten Reichs’ festigte. Es ist das große Verdienst der vorliegenden Biographie, die Doppelbödig- keit Franks herausgearbeitet zu haben, ohne sich allzu sehr mit seinem Pri- vatleben zu beschäftigen. Schenk bringt den Gegensatz von Schöngeist und Herrenmensch, von Rechtspfleger und Willkürherrscher auf die folgen- de Formel: „Welch ein Gegensatz: Generalgouverneur Dr. Hans Frank – humanistisch gebildet, Reichsrechtsführer, Minister der Reichsregierung, Nietzsche-Kenner, versierter Schachspieler, Herrenreiter, Pianist, Organist, Opernliebhaber und persönlich bekannt mit Gerhart Hauptmann, Richard Strauss, Winifred Wagner, befreundet mit Hans Pfitzner10 –, dieser Intellek-

10 Vgl. jetzt: Für hundert Flaschen Sekt und Wein : Lohn der „Krakauer Begrü- ßung“: Hans Pfitzners Huldigungskomposition für Hans Frank, den „Schlächter von Polen“, ist wieder aufgetaucht / Holger R. Stunz. // In: Frankfurter Allgemeine. tuelle trug Mitverantwortung für den Völkermord im Generalgouvernement“ (S. 191). Erhellend ist auch das Organigramm der Regierung des General- gouvernements, die zunächst in Lodz (unter der NS-Herrschaft Litzmann- stadt genannt), danach auf der Krakauer Burg, dem Wawel, residierte (S. 411 - 418). Es wird durch einen Werdegang der Täter nach 1945 (Auswahl) (S. 419 - 427) ergänzt. Dieses Kapitel lehrt, daß Frank, wie im Nationalso- zialismus meist üblich, Leute nicht nach Qualifikation, sondern aufgrund persönlicher Beziehungen auswählte, und daß eine beträchtliche Zahl von ihnen nach dem Krieg entweder gar nicht belangt oder nur halbherzig be- straft wurden. Er selber saß mit Fug und Recht auf der Anklagebank der Hauptverbrecher in Nürnberg und büßte seinen cäsarischen Wahn mit dem Tod. Frank-Rutger Hausmann

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- 2007-01-25, S. 31 : Ill. - „Auslöser für eine Recherche nach der Partitur war die jüngst erschienene Frank-Biographie von Dieter Schenk. Er fand in Archiven bis- lang unbekannte Briefe von Pfitzner an Frank, in denen von der ‚Begrüßung’ die Rede ist. Die Partitur konnte nun beim heutigen Inhaber des Münchner Musikver- lags Johannes Oertel, Ruprecht Bauriedl, aufgespürt werden.“