SWR2 Klassiker
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SWR2 Klassiker Franz Lehár: Der letzte Operettenkönig – Zum 151. Geburtstag Eine Sendung von Stefan Frey Sendung: Dienstag, 27. April 2021, 20.05 Uhr Redaktion: Bernd Künzig SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App oder als Podcast hören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. 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Ich bin Stefan Frey und möchte Sie in dieser Sendung mit Lehárs Werken bis zum Ersten Weltkrieg bekannt machen - und als Lehár-Biograph auch mit den verborgenen Seiten des Komponisten, wie zum Beispiel dieser Nummer aus seiner ersten Operette Der Rastelbinder: _________________________________________________________________ MUSIK 01 Komponist: Franz Lehár Werk: Der Rastelbinder Titel: “Ich bin ein Wiener Kind“ Interpreten: Julius Patzak, Münchner Rundfunkorchester, Werner Schmidt-Boelcke Länge: 1:54 2 Julius Patzak und das Münchner Rundfunkorchester. Dirigent war Werner Schmidt-Boelcke. "Ich bin ein Wiener Kind" aus Franz Lehárs erster Operette Der Rastelbinder. Dieses Lied der Titelfigur steht nicht umsonst am Anfang der Sendung, hat es doch deutlich autobiographische Züge. Es erzählt die Geschichte, wie aus dem slowakischen Rastelbinderbuben Janku das "Wiener Kind" - Schani - wird. Und das war im Wesentlichen auch Lehárs Geschichte. Schließlich war er in der Slowakei, in Komorn geboren und bekommt in der Wiener Operettenszene deshalb sogar den - eher wenig schmeichelhaften - Spitznamen "der Slowak". So ganz zum "Wiener Kind" wird Lehár also nie. Er selbst hat sich immer als Bürger der Donaumonarchie gefühlt, ein echter Kakanier - vom Scheitel bis zur Sohle. Und das waren laut Militärpass nur 1,65 Meter. Dafür beherrschte er, wie das Dokument weiter verrät, die drei Hauptsprachen des Habsburgerreichs: "Deutsch, Ungarisch und Böhmisch", also Tschechisch. Sein Vater nämlich war Tscheche und hat erst als Militärkapellmeister Deutsch gelernt. Lehárs Mutter wiederum hatte zwar deutsche Vorfahren, war aber waschechte Ungarin. Noch prägender als seine Herkunft dürfte jedoch die Tatsache gewesen sein, dass er - wie er selber schrieb - ein ‚Tornisterkind‘ war: 3 „So bezeichnet der Armeewitz in Österreich-Ungarn jene Soldatenkinder, die ihren Eltern bei den zahlreichen Transferierungen von Garnison zu Garnison folgen, also gleichsam im Tornister überall mitgeschleppt werden. Die unterschiedlichen Sprachen und Sitten habe ich als Kind so intensiv in mir aufgenommen, dass ich in meiner Musik unbewusst eine Mischung all dieser Nationen wiedergebe.“ 4 So macht Franz Lehár bis zu seinem 12. Lebensjahr sechs Garnisonswechsel mit, bevor er anfängt, in Prag Violine zu studieren. Dort gerät er gleich zwischen die Fronten der deutschen und tschechischen Studenten, die sich damals spinnefeind waren. Er muss sich also positionieren und entscheidet sich - für Ungarn. So kann er mit beiden Gruppen gut auskommen. 2 Unterstrichen hat Lehár sein Ungartum auch durch die Schreibweise seines Namens mit dem Akzent auf dem a - kein Betonungsakzent, sondern ein Lautakzent - also "a" statt "o". _________________________________________________________________ MUSIK 02 Komponist: Franz Lehár Werk: Magyar Ábránd Interpreten: Willi Uhlenhut, Wiener Rundfunk-Unterhaltungsorchester, Max Schönherr Länge: 3:24 5 Willi Uhlenhut und das Wiener Rundfunk-Unterhaltungsorchester unter seinem langjährigen Chefdirigenten Max Schönherr mit Magyar Ábránd - einer Phantasie für Violine und Orchester, die sich Lehár selbst auf den Leib geschrieben hat. Komponiert hat er sie mit Anfang 20. Da ist er Militärkapellmeister - so wie einst sein Vater, der ihn von Kindheit an darauf vorbereitet hat. So kann Franz junior schon mit 4 Jahren am Klavier ein gegebenes Thema bei verdeckten Tasten in allen Tonarten variieren. Mit sechs lernt er Geige und erhält mit zwölf ein Stipendium am Prager Konservatorium, was ihm ein Musikstudium ermöglicht. Sein Vater hätte es sonst nicht finanzieren können. Statt Violine will Lehár aber lieber Komposition studieren. Da ihm das als Stipendiaten nicht gestattet ist, betreibt er seine ersten Kompositionsversuche heimlich. Er zeigt sie Antonin Dvořák, der damals in Prag lehrt und ihm rät: „Häng' die Geige an den Nagel und komponier lieber!“ Doch Lehárs Vater ist dagegen. Dem Sohn bleibt also nichts anderes übrig, als selbst die väterliche Laufbahn einzuschlagen. Mit 20 Jahren wird er jüngster Militärkapellmeister der Monarchie - zwar nur in Losoncz, einer kleinen ungarischen Provinzstadt, doch Lehár macht das Beste daraus, erzieht seine Soldaten zu tüchtigen Musikern, gründet ein Quartett, führt Messen und ganze Oratorien auf. Sein Vorgesetzter, Baron Oberst Fries, ist beeindruckt und beauftragt ihn, seiner Tochter Vilma Gesangsunterricht zu erteilen. Trotz seiner völligen Unkenntnis jeglicher Gesangstechnik, wagt Lehár nicht abzulehnen: 6 „Befehl ist Befehl! Meine Verlegenheit war nicht gering, als ich dem hübschen siebzehnjährigen Mädchen gegenüberstand. Die junge Baronesse merkte sehr schnell, daß ich mich auf Gesangsunterricht nicht verstand. Um sie zu versöhnen, komponierte ich Lieder, die ich ihr widmete. Sie verstand dies zu würdigen, verriet mich nicht bei ihrem Vater, während ihre Stimme von Mal zu Mal heiserer wurde. Vilma Fries lernte bei mir zwar nicht singen, aber schon in der zweiten Stunde sang sie ein Lied, das ich für sie komponiert hatte. Ach, wie oft probierten wir dieses Lied: Vorüber!“ _________________________________________________________________ MUSIK 03 Komponist: Franz Lehár Werk: Vorüber Interpreten: Brigitte Lindner, Cord Garben Länge: 3:19 7 Brigitte Lindner, begleitet von Cord Garben am Klavier, besang den flüchtigen „Traum, den erste Liebe webt“ nach Emanuel Geibels Gedicht Vorüber. Es ist Lehárs 3 erstes gedrucktes Lied, 1890 bei Hofbauer erschienen - mit Widmung an - und Bild von „Baronesse Vilma Fries“. Damals komponiert der junge Militärkapellmeister vor allem ernste Musik. Und ernst nimmt er auch seinen Beruf. Als er nach einem langen Konzert im Offizierskasino um Mitternacht gebeten wird, ein Geigensolo zum Besten zu geben, weigert er sich. Die Offiziere sind außer sich, doch Lehár quittiert noch am selben Abend seinen Dienst und wechselt nach Pola, den österreichischen Marinehafen an der Adria. Dort steht ihm das mit 110 Mann größte Militärorchester der Monarchie zur Verfügung. Endlich hat Lehár die Möglichkeit, für großes Orchester zu komponieren. Er ergreift die Gelegenheit beim Schopf und schreibt - zusammen mit dem venezianischen Korvettenkapitän Felix Falzari als Librettisten - die Oper Kukuška. Die Instrumentation führt er direkt mit seinem Orchester durch - „auf Zuruf“. Das heißt: er prüft den in der Partitur notierten Orchesterklang und korrigiert ihn gegebenenfalls „auf Zuruf“ der entsprechenden Instrumentalisten. Als das Werk vom Leipziger Stadttheater zur Uraufführung angenommen wird, verabschiedet sich Lehár mit großer Geste von Pola, der Marine und seinem bisherigen Dasein mit den prophetischen, an die Eltern gerichteten Worten: 8 „Ich tauge nicht zum Militärkapellmeister, ich habe zu viel Ehrgefühl dazu! Wollt Ihr es Eurem Kinde nicht verzeihen, wenn es seine Knechtschaft endlich einmal abschüttelt! Es kommt schon die Zeit, wo Ihr mich verstehen werdet! - Das habe ich damals geschrieben. Und obwohl mein Vater von diesem Brief nicht gerade begeistert war, fühlte ich mich wie neugeboren! Und erst die Premiere in Leipzig! Denken Sie sich, ich komme als blutjunger Mensch in die große Stadt, sehe alles bei den Proben beschäftigt und sehe das Werk lebend, von dem ich bis dahin nur geträumt habe. Das war wohl meine glücklichste Stunde.“ _________________________________________________________________ MUSIK 04 Komponist: Franz Lehár Werk: Kukuška Titel: Duett Tatjana/Alexis Interpreten: Dagmar Schellenberger, Herbert Lippert, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin; Michail Jurowski Länge: 2:06 9 Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Michail Jurowski sowie Dagmar Schellenberger und Herbert Lippert mit dem ersten Finale von Franz Lehárs "lyrischem Drama" Kukuška von 1896. Die Uraufführung in Leipzig