Zulassungsantrag der 9Live Fernsehen GmbH für das Fernsehspartenprogramm „9Live“

Aktenzeichen: KEK 643

Beschluss

In der Rundfunkangelegenheit

der 9Live Fernsehen GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Ralf Bartoleit, Gu- tenbergstraße 1, 85774 Unterföhring, - Veranstalterin - w e g e n

Verlängerung der Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Fernsehspartenpro- gramms 9Live

hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom 20.10.2010 in der Sitzung am 11.01.2011 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder Prof. Dr. Sjurts (Vorsitzende), Dr. Lübbert (stv. Vorsitzender), Dr. Bauer, Prof. Dr. Dörr, Dr. Grüning, Dr. Hege, Dr. Hornauer, Prof. Dr. Mai- länder, Prof. Dr. Müller-Terpitz, Dr. Schwarz und Prof. Thaenert entschieden:

Der von der 9Live Fernsehen GmbH mit Schreiben vom 06.10.2010 bei der Bay- erischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) beantragten Verlängerung der Zulassung für das bundesweite Fernsehspartenprogramm 9Live stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt nicht entgegen. 2

Begründung

I Sachverhalt

1 Zulassungsantrag

Die ProSiebenSat.1 Media AG („ProSiebenSat.1“), Unterföhring, hat mit Schrei- ben vom 06.10.2010 der BLM einen Antrag der 9Live Fernsehen GmbH („9Live GmbH“) auf Verlängerung der Zulassung für das Spartenprogramm 9Live für die Dauer von acht Jahren übermittelt. Die 9Live GmbH veranstaltet das Programm derzeit aufgrund einer bis zum 30.04.2011 befristeten Zulassung der BLM. Die BLM hat der KEK den Antrag mit Schreiben vom 20.10.2010 zur medienkonzentrations- rechtlichen Prüfung vorgelegt.

2 Programmstruktur und Verbreitung

2.1 9Live ist ein Unterhaltungsspartenprogramm, das schwerpunktmäßig auf interaktive Angebotsformen wie Gewinnspiele, Quizshows und Teleshopping ausgerichtet ist. 9Live finanziert sich überwiegend aus dem Geschäft mit Telefonmehrwertdiensten.

2.2 9Live wird frei empfangbar analog und digital über Kabel (Kabel Baden- Württemberg GmbH & Co. KG, Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH & Co. KG, Eutelsat visAvision GmbH („Eutelsat“, im Angebot KabelKiosk), PrimaCom AG, Tele Columbus GmbH („Tele Columbus“), Unitymedia NRW GmbH/Unitymedia Hessen GmbH & Co. KG), über Satellit (Astra) sowie digital terrestrisch (DVB-T) verbreitet. Des Weiteren wird das Programm über IPTV-Plattformen (Deutsche Te- lekom AG, Vodafone AG & Co. KG (ehemals Arcor AG & Co. KG) und HanseNet Telekommunikation GmbH („HanseNet“)) ausgestrahlt. 9Live kann von 84,3 % (29,76 Mio.) aller Fernsehhaushalte empfangen werden (Quelle: AGF/GfK- Fernsehforschung, Stand: 01.10.2009).

2.3 XXX ... 3

3 Antragstellerin und Beteiligte

3.1 9Live Fernsehen GmbH

Geschäftsgegenstand der 9Live GmbH ist „die Entwicklung und der Betrieb neuer Geschäftsmodelle sowie die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der neuen Medien“. Neben dem Betrieb von 9Live zählen hierzu die Entwicklung und Produkti- on von TV-Formaten und interaktiven Applikationen für Medienunternehmen im In- und Ausland (XXX ...). Es besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungs- vertrag zugunsten ProSiebenSat.1. Die 9Live GmbH produziert auch Programm- fenster für Sat.1, ProSieben und . Sie fungiert als Kompetenzcenter für alle Interaktions-Angebote der ProSiebenSat.1-Gruppe und betreut die telefonba- sierten interaktiven Anwendungen, Audiotex (automatisierte Telefondienste) und Premium Mehrwertdienste der Sender (vgl. Angaben unter www.- sat1.com). Zudem bietet 9Live eine Spiele-Plattform im Internet an.

3.2 ProSiebenSat.1 Media AG

3.2.1 Alleingesellschafterin der 9Live GmbH ist ProSiebenSat.1. Diese hält über ihre 100%ige Tochtergesellschaft ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH auch sämtli- che Anteile an den Veranstaltern der frei empfangbaren Fernsehprogramme Sat.1 , kabel eins und ProSieben . Die Anteile an der Veranstalterin von N24 hat ProSie- benSat.1 dagegen mit wirtschaftlicher Wirkung zum 30.06.2010 veräußert (vgl. Beschluss der KEK vom 14.12.2010, Az.: KEK 629). ProSiebenSat.1 hält auch sämtliche Anteile an den Veranstaltern des frei empfangbaren Programms und der Pay-TV-Programme Sat.1 Comedy und . Tochterunter- nehmen von ProSiebenSat.1 halten darüber hinaus Zulassungen für das Pay-TV- Programm Movie Channel sowie für fünf digitale Free-TV-Programme (ProSie- benSat.1 Family , ProSiebenSat.1 Fiction, ProSiebenSat.1 Fun, ProSiebenSat.1 Favorites und ProSiebenSat.1 Facts ), die noch nicht veranstaltet werden (vgl. Be- schluss i. S. SevenSenses, Az.: KEK 291, und i. S. ProSiebenSat.1 Erste Verwaltungsgesellschaft, Az.: KEK 352). Das ehemals unter dem Arbeitstitel „Life- style“ lizenzierte Pay-TV-Programm (vgl. Beschluss der KEK vom 07.03.2006, Az.: KEK 291) wurde in ProSiebenSat.1 Welt , ein Spartenprogramm mit Informations- und Unterhaltungsformaten der ProSiebenSat.1-Gruppe, umkonzipiert und wird der- zeit in den USA, Kanada und Frankreich ausgestrahlt. Die europaweite 4

Ausstrahlung (mit Ausnahme von Deutschland) als Pay-TV-Programm ist geplant.

3.2.2 ProSiebenSat.1 ist eine an der Frankfurter Börse notierte Aktiengesellschaft. Ge- genstand des Unternehmens ist nach Vorliegen der gegebenenfalls erforderlichen medienrechtlichen Genehmigungen die Veranstaltung und Verbreitung von Fern- sehsendungen sowie die Beschaffung, Herstellung und Veräußerung von Film- und Fernsehproduktionen und der Erwerb und die Vergabe von Rechten aller Art sowie das Merchandising- und Multimedia-Geschäft (§ 2 Abs. 1 der Satzung, abrufbar im Internet unter www.prosiebensat1.com). Das Grundkapital beträgt 218.797.200 €, eingeteilt in 109.398.600 auf den Namen lautende stimmberechtigte Stammaktien und ebenso viele auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsaktien (§ 4 Abs. 1 und 2). Die Namensaktien sind nur mit Zustimmung des Vorstands übertragbar, die zu erteilen ist, soweit dadurch keine Beteiligung an der Gesellschaft begründet wird, die medienrechtlich vorgegebene Grenzen überschreitet (§ 5 Abs. 4). Be- schlüsse der Hauptversammlung bedürfen grundsätzlich als Stimmenmehrheit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen und als Kapitalmehrheit der einfa- chen Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals; jede Stückaktie (mit Ausnahme der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht) gewährt eine Stim- me (§ 16 Abs. 2 und 3, § 19 Abs. 3). Der Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 besteht aus neun Mitgliedern (§ 8 Abs. 1). Derzeit gehören ihm jeweils drei Vertreter von Permira und KKR, ein Vertreter der Telegraaf Media Groep N.V. sowie zwei weitere Mitglieder an (vgl. Angaben unter www.prosiebensat1.com).

3.2.3 Kerngeschäftsfeld von ProSiebenSat.1 ist das werbefinanzierte Fernsehen; Kern- markt der Sendergruppe ist Deutschland. Ferner ist ProSiebenSat.1 in den Bereichen TV-Produktion (Red Arrow Entertainment GmbH, SevenPictures Film GmbH), Merchandising, Multimedia, Musiklabel (Starwatch Music), Künstlerver- marktung sowie Dienstleistungen rund um die Film- und Fernsehproduktion tätig. Zu den Online-Aktivitäten von ProSiebenSat.1 gehören u. a. die Internet-Angebote Sat1.de, ProSieben.de, kabeleins.de, 9live.de, wetter.com, fem.com, lokalisten.de, webnews.de und autoplenum.de sowie das Video-on-Demand-Portal Maxdome und die Video-Community MyVideo. Ferner planen ProSiebenSat.1 und die RTL Interac- tive GmbH die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das eine technische Plattform zum zeitversetzten Abruf von TV-Inhalten im Internet anbieten soll. Die Plattform soll privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland und Öster- reich offen stehen (vgl. Pressemitteilung von ProSiebenSat.1 vom 06.08.2010). Nach Verweisung durch die EU-Kommission wird das Vorhaben derzeit vom Bun- 5

deskartellamt und der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde geprüft (vgl. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24.09.2010).

Nach Übernahme sämtlicher Anteile an der SBS Broadcasting Group im Juni 2007 bezeichnet sich die ProSiebenSat.1-Gruppe als zweitgrößte europäische Sender- gruppe, die mit 31 Free-TV-Sendern und 21 Radionetzwerken in 14 Ländern Nord-, Mittel- und Osteuropas aktiv ist (vgl. Angaben unter www.prosiebensat1.com).

3.2.4 Die Lavena 1 S.A.R.L. hält über eine Kette von 100%igen Tochtergesellschaften 88 % der Stammaktien und 25,34 % der Vorzugsaktien von ProSiebenSat.1. Jeweils 50 % der Anteile an der Lavena 1 S.A.R.L. halten Fonds der Permira-Gruppe und der Kohlberg Kravis Roberts-Gruppe.

3.2.4.1 Die Permira Holdings Limited („ Permira “) mit Sitz in Guernsey/Kanalinseln ist die Holdinggesellschaft der Permira-Gruppe. Permira ist ein seit 1985 auf europäischer Ebene tätiges Private-Equity-Beteiligungsberatungs- und Managementunternehmen und managt Fonds in einem Gesamtvolumen von derzeit ca. 20 Mrd. €. Das Vermö- gen der Permira-Fonds resultiert aus Anlagen von mehr als 180 zumeist international agierenden Investoren, wie Pensionskassen, Stiftungen, Staatsfonds oder Lebensversicherungen (vgl. Angaben unter www.permira.de). In Deutschland ist Permira durch die Permira Beteiligungsberatung GmbH, Frankfurt, vertreten, die die an der Lavena 1 S.A.R.L. beteiligten Fondsgesellschaften berät. Die in Form von Limited Partnerships organisierten, an der Lavena 1 S.A.R.L. beteiligten Fondsge- sellschaften sind so strukturiert, dass die jeweiligen Limited Partners reine Investoren ohne Entscheidungsbefugnisse sind. Die Kontrolle über die Fondsgesell- schaften liegt bei ihren General Partners (Permira IV GP L.P. und Permira IV GP Limited), der von ihnen mit dem Management beauftragten Permira IV Managers L.P. und deren General Partner Permira IV Managers Limited. Zur Beteiligungs- struktur von Permira im Einzelnen vgl. Beschluss der KEK vom 06.02.2007, Az.: KEK 390, I 3.4. 6

Permira verfügt über eine Mehrheitsbeteiligung an der Group, dem nach eigener Darstellung größten unabhängigen Fernsehproduktionsunternehmen Groß- britanniens. Die All3Media-Gruppe ist in Deutschland mit den Tochtergesellschaften MME Moviement und IdtV Deutschland in der Film- und Fernsehproduktion tätig. Ferner ist Permira im Medienbereich u. a. an der NDS Group (51 %), die Verschlüs- selungstechniken für die Fernsehübertragung anbietet, beteiligt.

3.2.4.2 Das Private-Equity-Unternehmen Kohlberg Kravis Roberts & Co. („ KKR “) wurde 1976 in New York/USA gegründet und unterhält 14 Standorte weltweit. Die KKR & Co. L.P. ist die Holdinggesellschaft für das weltweite Asset-Management von KKR. Sie kontrolliert mittelbar die KKR Fund Holdings L.P., die Dachgesellschaft der an der Lavena 1 S.A.R.L. beteiligten KKR-Gesellschaften. Die KKR & Co. L.P. ist seit Juli 2010 an der New York Stock Exchange notiert. Ihr General Partner ist die KKR Management LLC, an der ausschließlich leitende Angestellte von KKR beteiligt sind. Die an der Lavena 1 S.A.R.L. beteiligten KKR-Fonds sind so strukturiert, dass die jeweiligen Limited Partner reine Investoren ohne Entscheidungsbefugnisse sind. In- vestitionsentscheidungen und Management der Fonds werden von den General Partners ausgeübt, die wiederum von der KKR & Co. L.P. beraten werden. Die An- teile an den General Partners werden von leitenden Angestellten der KKR & Co. L.P. gehalten, wobei jeder von diesen einen Anteil von weniger als 10 % hält (vgl. Beschluss der KEK vom 11.05.2010, Az.: KEK 620-1 bis -7, I 1.4). Zur Beteiligungs- struktur von KKR im Einzelnen vgl. Beschluss der KEK vom 11.01.2011, Az.: KEK 651/654 (-1 bis -6), I 1.1.

In ihren Fonds verwaltete KKR per 30. September 2010 55,5 Mrd. US-Dollar (vgl. Pressemitteilung vom 11.01.2011). Neben der Beteiligung an ProSiebenSat.1 hält KKR weitere Beteiligungen im Medienbereich: KKR hat 2009 mit der Bertelsmann AG ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, zu dem auch Bertelsmanns Mu- sikrechtegeschäft BMG Rights Management gehört. KKR hält dabei die Anteilsmehrheit von 51 %. Im Mai 2006 hat KKR zusammen mit anderen Finanzin- vestoren The Nielsen Company B.V. (seinerzeit VNU N.V.) übernommen, die in den Bereichen Marketinginformation (ACNielsen), Medieninformation (Nielsen Media Research) und Geschäftspublikationen (Billboard, The Hollywood Reporter, Ad- week) in über 100 Ländern tätig ist. Im Rahmen eines Joint Ventures mit der Seven Network Limited hält KKR seit Ende 2006 die Hälfte der Anteile der Seven Media Group, Sydney, zu der das führende australische Free-TV-Netzwerk (Seven Net- work), der Zeitschriftenverlag (Pacific Magazines) und das Entertainment-Portal 7

(Yahoo!7) gehören.

3.3 12 % der Stammaktien von ProSiebenSat.1 hält mittelbar die Telegraaf Media Groep N.V. („ TMG “), /Niederlande. Die TMG ist eine börsennotierte Akti- engesellschaft nach niederländischem Recht. Sie bezeichnet sich als größte Mediengruppe und Verlagshaus der Niederlande mit führenden Marktpositionen in den Bereichen Tageszeitungen (u. a. De Telegraaf), Publikumszeitschriften, Onli- nemedien und Radio (Sky Radio). Ferner ist TMG in Belgien, Frankreich, Dänemark und Schweden aktiv. Nach der Veräußerung der SBS Broadcasting Group an Pro- SiebenSat.1 verfügt die TMG über keine Anteile mehr an Fernsehsendern in Europa. Es bestehen keine weiteren unmittelbaren oder mittelbaren Medienbeteili- gungen der TMG in Deutschland. Zu den Beteiligungsverhältnissen bei der TMG vgl. Beschluss der KEK vom 11.01.2011, Az.: KEK 651/654 (-1 bis -6), I 1.2.

4 Übersicht über die Beteiligungsverhältnisse bei der 9Live GmbH

Permira Kohlberg Kravis Roberts (KKR) Permira IV L.P.2 (39,27 %) KKR Glory (KPE) Limited (12,44 %) P4 Sub L.P.1 (9,72 %) KKR Glory (2006) Limited (5,80 %) Permira Investments Limited (0,79 %) KKR Glory (European II) Limited (31,76 %) P4 Co-investments L.P. (0,22 %) 50 50

Lavena 1 S.A.R.L. Inhaber von Familie Van andere Hinterlegungs- 100 ( über Lavena 2 S.A.R.L) Puijenbroek Anteilseigner scheinen 32,5 4,1 63,4 Lavena 3 S.A.R.L. *: zurzeit noch nicht auf Sendung 100 Z: Zwischengesellschaften ausgeklammert Telegraaf Media Groep Lavena Holding 1 GmbH N.V. Veranstalter, dessen Programm 100 der ProSiebenSat.1 Media AG, KKR und Permira zuzurechnen ist 100 Lavena Holding 4 GmbH

Telegraaf Media 100 International B.V. Lavena Holding 5 GmbH Sixx 88 (Stammaktien) ProSiebenSat.1 Family* 12 (Stammaktien, (Z)) ProSiebenSat.1 Media AG ProSiebenSat.1 Fiction* (Vorzugsaktien: Lavena 1 S.A.R.L. mittelbar 25,34 %, ProSiebenSat.1 Favorites* Streubesitz 74,66) 100 ProSiebenSat.1 Facts* ProSiebenSat.1 Erste 100 Verwaltungs GmbH ProSiebenSat.1 TV Deutschland 100 GmbH

Sat.1 Comedy kabel eins classics 100 100 100 100 Movie Channel* 9Live Sat.1 kabel eins ProSieben SevenSenses GmbH 9Live Fernsehen Sat.1 Satelliten- kabel eins ProSieben GmbH Fernsehen GmbH Fernsehen GmbH Television GmbH Stand: 1/2011

II Verfahren

Die Vollständigkeitserklärung der Veranstalterin liegt vor. Die Kommission hat der BLM Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

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III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung

1 Bestätigungsvorbehalt der KEK

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Veranstalter einer Zulassung. Fra- gestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt beurteilt.

Auch Anträge auf Zulassungsverlängerung unterfallen der Vorlagepflicht: Die Zulas- sungsverlängerung ist materiell eine neue Zulassung. Sie verschafft dem Lizenzinhaber die gleiche Rechtsposition; auch die materiellen Prüfkriterien sind die gleichen, da sämtliche Zulassungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Dazu gehört die von der KEK zu überprüfende medienkonzentrationsrechtliche Unbedenklichkeit (vgl. KEK-Mitteilung 1/03 und ständige Spruchpraxis, z. B. Beschlüsse i. S. Sat.1, Az.: KEK 002, i. S. RTL II, Az.: KEK 151, i. S. RTL, Az.: KEK 158, i. S. RTL World, Az.: KEK 255, i. S. N24, Az.: KEK 374, i. S. Disney Channel, Az.: KEK 420, i. S. Te- le 5, Az.: 572, sowie i. S. MGM Channel, Az.: KEK 639).

2 Zurechnung von Programmen

2.1 Der 9Live GmbH werden das von ihr veranstaltete Programm (§ 28 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. RStV) sowie die weiteren ProSiebenSat.1 zuzurechnenden Programme (arg. e § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 29 Satz 2 RStV) zugerechnet.

2.2 ProSiebenSat.1 werden neben 9Live gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. RStV die Programme Sat.1, ProSieben, kabel eins, Sat.1 Comedy, kabel eins classics und Sixx sowie die noch nicht auf Sendung befindlichen Programme Movie Chan- nel , ProSiebenSat.1 Family , ProSiebenSat.1 Fiction , ProSiebenSat.1 Fun , ProSiebenSat.1 Favorites und ProSiebenSat.1 Facts zugerechnet (vgl. Beschluss der KEK vom 09.09.2008 i. S. ProSiebenSat.1, Az.: KEK 444, III 2.2). Das Pro- gramm N24 wird dagegen nicht mehr der Sendergruppe zugerechnet (vgl. Beschluss der KEK vom 14.12.2010 i. S. N24, Az.: KEK 629).

2.3 Die ProSiebenSat.1 zuzurechnenden Programme werden auch ihren Obergesell- schaften bis hin zur Lavena 1 S.A.R.L. zugerechnet, § 28 Abs. 1 Satz 2 RStV i. V. m. § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 2 AktG. Sie sind darüber hinaus auch Permira und KKR aufgrund ihrer gemeinsamen Beherrschung der Lavena 1 S.A.R.L. zuzurech- nen, § 28 Abs. 1 Satz 2 und 4 RStV. Weitere Programme im bundesweiten privaten 9

Fernsehen sind ihnen nicht zuzurechnen.

2.4 Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 RStV steht einer Beteiligung nach § 28 Abs. 1 RStV gleich, wenn ein Unternehmen allein oder gemeinsam mit anderen auf einen Veranstalter einen vergleichbaren Einfluss ausüben kann. Als vergleichbarer Einfluss gilt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV auch, wenn das Unternehmen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen eine Stellung innehat, die wesentliche Entscheidungen des Veran- stalters über die Programmgestaltung von seiner Zustimmung abhängig macht. Die vorgelegten Plattformverträge enthalten keine Regelungen, die eine solche Zurech- nung von 9Live zum Plattformbetreiber gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV begründen.

3 Vorherrschende Meinungsmacht

Ein Unternehmen darf eine unbegrenzte Anzahl von bundesweiten Fernsehpro- grammen veranstalten, sofern es dadurch keine vorherrschende Meinungsmacht erlangt (§ 26 Abs. 1 RStV).

3.1 Zuschaueranteile

Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 06.10.2010 die Zuschaueranteile für die Programme von ProSiebenSat.1 mit. Danach betragen die Zuschaueranteile in dem maßgeblichen Referenzzeitraum von Oktober 2009 bis September 2010 insgesamt 20,8 % und aktuell im November ca. 20,6 %.

XXX ...

Die Programme Movie Channel, ProSiebenSat.1 Family, ProSiebenSat.1 Fiction, ProSiebenSat.1 Favorites und ProSiebenSat.1 Facts haben mangels Ausstrahlung noch keine Zuschaueranteile.

3.2 § 26 RStV

Bei der Prüfung, ob vorherrschende Meinungsmacht nach Maßgabe des § 26 RStV besteht oder entsteht, bildet § 26 Abs. 1 RStV den Grundtatbestand. Zur Konkreti- sierung des Merkmals der vorherrschenden Meinungsmacht verweist § 26 Abs. 1 RStV auf die „nachfolgenden Bestimmungen“, d. h. vor allem auf den Vermutungs- tatbestand des § 26 Abs. 2 RStV, der offene Konkretisierungstatbestände zu 10

widerleglichen Vermutungsregeln erhoben hat. Die Vermutungsregeln sollen den Nachweis vorherrschender Meinungsmacht erleichtern und sind deshalb vorrangig zu prüfen. Greift keine der Vermutungsregeln, schließt sich die Prüfung des Grund- tatbestands an (zur Bedeutung des § 26 Abs. 1 RStV als Grundtatbestand und der Leitbildfunktion des § 26 Abs. 2 RStV für seine Auslegung vgl. ausführlich Be- schluss i. S. ProSiebenSat.1, Az.: KEK 293, III 3 bis 5).

3.2.1 Vermutungstatbestände des § 26 Abs. 2 RStV

Vorherrschende Meinungsmacht wird vermutet, wenn die einem Unternehmen zure- chenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 % erreichen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 RStV). Diese Vermutung gilt ferner bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 %, sofern das Unternehmen auf einem medienrele- vanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten ver- wandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert entspricht (§ 26 Abs. 2 Satz 2 RStV).

Beide Schwellenwerte werden von den Veranstalterinnen und den beteiligten Unter- nehmen nicht erreicht.

3.2.2 Prüfung nach § 26 Abs. 1 RStV

3.2.2.1 Auch für die Einschätzung der Meinungsmacht im bundesweiten Fernsehen im Rahmen der Gesamtbetrachtung nach § 26 Abs. 1 RStV kommt den Zuschaueran- teilen die entscheidende Bedeutung zu. Der Gesamtzuschaueranteil von ProSiebenSat.1 lag im Referenzzeitraum bei 20,8 %; ProSiebenSat.1 ist somit im Hinblick auf die Zuschaueranteile die zweitstärkste Sendergruppe im bundesweiten privaten Fernsehen nach der RTL Group. Im Rahmen der Gesamtwürdigung nach 26 Abs. 1 RStV sind zugunsten der Veranstaltergruppe auch vielfaltsverstärkende Aspekte zu berücksichtigen. Solche vielfaltsverstärkenden Angebote sind, wie es die Bonusregelung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV zum Ausdruck bringt, Regional- und Drittfensterprogramme. Allerdings greifen die Bonusregelungen nur dann ein, wenn die Regionalfensterprogramme den Vorgaben des § 25 Abs. 4 RStV und die Drittfensterprogramme denen des § 26 Abs. 5 i. V. m. § 31 RStV entsprechen. Die- sen gesetzgeberischen Leitentscheidungen ist auch außerhalb der Vermutungs- regelungen Rechnung zu tragen. 11

3.2.2.2 Die KEK hat im Rahmen der Benehmensherstellung zur Zulassung der Regional- fensterveranstalter im Hauptprogramm Sat.1 festgestellt, dass die Voraussetzungen der Anrechenbarkeit i. S. v. § 25 Abs. 4 Satz 2 ff. RStV in Bayern und Nordrhein- Westfalen erfüllt sind (vgl. Beschlüsse der KEK vom 14.04.2009 i. S. Privatfernse- hen in Bayern, Az.: KEK 545, und vom 09.06.2009 i. S. WestCom, Az.: KEK 560). Auch hinsichtlich der Regionalfenster in Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein wurde diese Feststellung getroffen, wegen fehlender rechtlicher Unabhängigkeit der Fensterprogrammveranstalter aufgrund der Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung jedoch nur mit Wirkung bis zum 31.12.2009 (vgl. Be- schlüsse der KEK vom 08.04.2008 i. S. Sat.1 Norddeutschland Az.: KEK 470-1 bis -4). Mit dem im Rahmen des 10. RÄndStV eingeführten und seitdem unverändert gebliebenen § 53 b Abs. 1 Satz 2 RStV wurde das Erfordernis der rechtlichen Un- abhängigkeit aus § 25 Abs. 4 Satz 4 RStV bis zum 31.12.2009 suspendiert. Nunmehr eröffnet jedoch die mit dem 13. RÄndStV zum 01.04.2010 in Kraft getrete- ne Ergänzung des § 25 Abs. 4 Satz 4 RStV die Möglichkeit, bei Veranstaltern von Haupt- und Fensterprogrammen, die gemäß § 28 RStV zueinander im Verhältnis ei- nes verbundenen Unternehmens stehen, die Unabhängigkeit durch zum 31.12.2009 bestehende landesrechtliche Regelungen in anderer Weise sicherzustellen. Der darüber hinaus neu angefügte § 25 Abs. 4 Satz 5 RStV gewährt zudem bestehen- den Regionalfensterzulassungen einen Bestandsschutz:

„4Fensterprogrammveranstalter und Hauptprogrammveranstalter sollen zuein- ander nicht im Verhältnis eines verbundenen Unternehmens nach § 28 RStV stehen, es sei denn, zum 31. Dezember 2009 bestehende landesrechtliche Regelungen stellen die Unabhängigkeit in anderer Weise sicher. 5Zum 31. Dezember 2009 bestehende Zulassungen bleiben unberührt. “

Die Regionalfensterveranstalter in Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schles- wig-Holstein halten gegenwärtig Zulassungen, die vor dem 31.12.2009 erteilt wurden und noch nicht ausgelaufen sind. Aufgrund der mit dem 13. RÄndStV einge- führten Regelung in § 25 Abs. 4 Satz 5 RStV bleibt die über den 31.12.2009 hinaus fortbestehende fehlende rechtliche Unabhängigkeit der Regionalfensterveranstalter für die Anrechenbarkeit der Fensterprogramme ohne nachteilige Folgen.

Für die Veranstalterin des Regionalfensters in Rheinland-Pfalz/Hessen, die TV IIIa GmbH & Co. KG, wurde bislang kein Verfahren zur Benehmensherstellung mit der KEK durchgeführt. Nach den Feststellungen der KEK im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe von Drittsendezeiten bei Sat.1 (Beschlüsse der KEK vom 11.12.2007, 12

Az.: KEK 383-3 und -4) ist diese Veranstalterin jedoch von der Sat.1 GmbH rechtlich und redaktionell unabhängig und erfüllt somit die Vorgaben des § 25 Abs. 4 RStV. Demnach sind für die Regionalfensterprogramme im Hauptprogramm Sat.1 in An- lehnung an § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV zwei Prozentpunkte als Bonus anzuerkennen.

3.2.2.3 Auch die im Programm von Sat.1 veranstalteten Sendezeiten für unabhängige Dritte erfüllen die Voraussetzung des RStV (vgl. Beschlüsse der KEK vom 12.12.2006, 12.06.2007 und 11.12.2007, Az.: KEK 383-1 bis -4).

3.2.2.4 Demnach sind in Anlehnung an § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV 5 % von dem Gesamtzu- schaueranteil von ProSiebenSat.1 in Abzug zu bringen, so dass für die Gesamtbetrachtung nach § 26 Abs. 1 RStV ein Zuschaueranteil von 15,8 % zugrun- de zu legen ist. Mangels weiterer gewichtiger medienrelevanter Aktivitäten der Gruppe und ihrer Gesellschafter in Deutschland ergeben sich derzeit folglich keine Hinweise auf vorherrschende Meinungsmacht (vgl. bereits Beschlüsse i. S. ProSie- benSat.1 vom 06.02.2007, Az.: KEK 390, III 3.2, sowie vom 09.09.2008, Az.: KEK 444, III 3.2.2).

3.3 Abschließende Feststellung

Somit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die beantragte Zulassungsver- längerung vorherrschende Meinungsmacht der Antragstellerin oder ihrer Gesell- schafter entstehen könnte. Demnach stehen der Zulassungsverlängerung für 9Live Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt nicht entgegen.

(gez.) Sjurts Lübbert Bauer Dörr Grüning Hege Hornauer Mailänder Müller-Terpitz Schwarz Thaenert