Vorbild & Modell
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Vorbild & Modell 1 2 DAS EISENWERK Der folgende Beitrag unter der Rubrik "Vorbild und Modell" fügt sich zugleich in un- sere Reihe der "Eisenbahngeschichte" ein. Heute stellen wir Ihnen die Anschluss- und Werkbahn des Niederschachtofenwerkes Calbe/Saale bzw. des VEB Metallleichtbau- kombinates, Werk Calbe – als Nachfolgebetrieb des Niederschachtofenwerkes – vor. Hintergrund hierfür ist natürlich die Auslieferung des Güterwagen-Sets, das als eines der diesjährigen Exklusiv-Modelle des TILLIG-TT-Clubs erschienen ist. Statistische Erhebungen besagen, dass nach 1945 mit nur sehr geringer Festigkeit bzw. eben Braun- Abb. 1: zwar etwa ein Drittel der Industrieproduktion und kohlekoks. Dazu kamen Erze mit niedrigem Eisenge- Blick auf das Eisenwerk ca. die Hälfte der Maschinenbaubetriebe auf das halt, aber hohem Anteil an taubem Gestein. von der Saaleseite. Im künftige DDR-Territorium entfielen, jedoch nur 1,7% Die damalige deutsche Wirtschaftskommission setzte Vordergrund die Verlade- der Roheisengewinnung und 1,5% der Stahlerzeu- eine Arbeitsgruppe ein, die die metallurgischen For- brücke. gung. So waren zu dieser Zeit im „Westen“ 120, schungen zu realisieren hatte. Parallel dazu wurde im „Osten“ hingegen lediglich 4 Hochöfen zu fin- von den beiden Forschern Prof. Bilkenroth und Prof. Abb. 2: den. Man musste sich also Gedanken machen, um Rammler ein Verfahren zur Herstellung des Braunkoh- Namenstafel am Eingang diesem Ungleichgewicht zu begegnen. Als eine der len-Hochtemperatur-Koks entwickelt. Zur gleichen des Werkes. Möglichkeiten sah man, den Anfang der 1940er Jah- Zeit experimentierte man im Stahlwerk Unterwellen- re gemachten Vorschlag wieder aufzugreifen, Roh- born an den dort vorhandenen beiden Versuchsnie- Abb. 3: eisen in einem Schachtofen derschachtöfen. Der Abstich des Roheisens. mit wesentlich geringerer Zeitgleich wurde Schachthöhe zu erzeu- an der Vorberei- Abb. 4: gen. Die Rohstoffsituation tung des Auf- Ex 56 126 der DR als Ostdeutschlands war am baues für das Werklok unterwegs auf besten geeignet, in solch neue Eisenwerk der Anschlussbahn. Das einem „Niederschachtofen“ gearbeitet. Ob- Foto entstand am 29. Eisen herzustellen. Es gab wohl die Tech- Juli 1967 aus dem D 217 nur geringe Steinkohlevor- nologie noch Frankfurt (Main) – Berlin kommen und damit Kokse nicht 100% be- Stadtbahn. 18 Club aktuell 3/2016 3 Vorbild & Modell herrscht wurde, begann man schon mit dem Aufbau Am 24. Juli 1968 beschloss der Ministerrat der DDR, des Niederschachtofen-Werkes. das Niederschachtofenwerk Calbe zu einem Betrieb des Bei der Auswahl des Standortes für das neue Werk Leichtmetallbaukombinates Leipzig mit 2.500 Beschäf- wurde der Ort Calbe an der Saale ausgewählt. Für tigten umzuprofilieren. Die Gründe für diese Maßnah- diesen Standort sprachen: me waren vor allem in den wirtschaftlichen • Durch die landwirtschaftlich geprägte Gegend um Verflechtungen zwi- Calbe konnten ca. 70 % der Arbeitskräfte aus der schen der DDR und Landwirtschaft und weitere aus der Gruppe der der UdSSR zu suchen. Umsiedler gewonnen werden. Ein anderer Grund • Calbe bot eine hervorragende Verkehrsanbindung: war, dass eine Umrü- Am Stadtrand kreuzten sich die Eisenbahnstre- stung auf vier weitere cken Magdeburg – Halle – Leipzig und Erfurt – Öfen mit einer vorge- Sangerhausen – Berlin. Zu den Eisengruben im schalteten Erzaufbe- Harz, den Kalksteinbrüchen in Rübeland sowie reitung nicht mehr in den Sodawerken in Staßfurt und Bernburg waren Angriff genommen 5 die Schienenverbindungen sehr günstig. wurde. Insgesamt • Durch die nahe Saale konnte der hohe Wasserver- gesehen war dadurch brauch des neuen Werkes gesichert werden. die Einstellung der Roheisenproduktion 1950 begann schließlich der Aufbau des Eisen- umstritten. Am 8. werkes in Calbe, bereits ein Jahr später erfolgte am Mai 1970 erfolgte der 15. Oktober 1951 der erste Abstich von Roheisen. letzte Abstich. Insge- Zur Verbrennung des Kokses wurde vorgewärmte samt wurden in Calbe Luft mit mindestens 850° Celsius in den Ofen gebla- über 5 Mio. t Roh- sen. Dabei entstanden Temperaturen von 1.800 bis eisen für das Inland 2.000° Celcius! und den Export pro- Zwischen Februar 1952 und März 1953 nahmen duziert. Aus dem Nie- weitere neun Niederschachtöfen ihren Betrieb auf. derschachtofenwerk Damit war das erste Niederschachtofenwerk der entstanden zwischen 6 Welt entstanden und zur Produktionsreife geführt 1969 und 1971 eine worden. Die ursprünglich geplante und projektierte Großverzinkungsanla- Leistung von 40,0 t Roheisen je Tag und Ofen wurde ge, der Metallleichtbaubetrieb und das Gasbetonwerk. Abb. 5: bald verdoppelt. Das Niederschachtofenwerk Calbe Das Kraftwerk war zwischenzeitlich von Gichtgas auf Eisen und Schlacke. erzeugte ein qualitätsmäßig hochwertiges Roheisen, Erdgas aus dem Raum Salzwedel umgerüstet worden. das von 250 Betrieben in der DDR zur Weiterverar- Abb. 6: beitung bezogen wurde. Etwa 25 % des Gießerei- Die Anschluss- und Werkbahn des Eisenwerkes Die schmalspurige Werk- roheisens aus Calbe wurde in 34 Länder exportiert, Pro Tag wurden ca. 7.000 t Einsatzstoffe, 1.000 t lok 13 ist mit flüssigem darunter in die ČSSR sowie nach England, Italien, flüssiges Roheisen, 2.000 t flüssige Schlacke, 1.000 t Eisen zur Masselgieß- Japan, die Niederlande, Schweden sowie in die USA. Roheisenmasseln und 3.000 t Schlackengranulat trans- maschine unterwegs. 4 TILLIG Modellbahnen 19 Vorbild & Modell portiert. Dazu Mit der Produktionseinstellung des Eisenwerkes im 7 war ein gut Mai 1970 war die schmalspurige Werkbahn nicht funktionierender mehr erforderlich und wurde demontiert. Insge- Werkverkehr samt waren bei der schmalspurigen Werkbahn zwei notwendig. Dampf- und fünf Dieselloks im Einsatz. Wie sah es nun Nun zur normalspurigen Anschlussbahn: Mit der Pro- im Eisenwerk jektierung des Eisenwerkes wurden ebenfalls die An- Calbe aus? lagen der Werkbahn des Eisenwerkes Calbe geplant. Wir betrachten Auf Grund der zu erwarteten großen Mengen an dabei in erster Rohstoffen und Fertigprodukten wurden die Gleisan- Linie den Zeit- lagen sehr großzügig vorgesehen. Der Gleisanschluss raum 1950 bis des Eisenwerkes begann zunächst im Bahnhof Cal- 1970, also den be/Ost. Bis zur Schließung dieses Bahnhofs im Jahr Abb. 7: Zeitraum, in dem das „alte“ Eisenwerk bestand. Im 1964 wurde hier u. a. Erz aus Badeleben angeliefert. Ein Blick zum Rohstoff- zweiten Teil der Ausführungen wird es dann Infor- Heute sind hier in der Nähe der Gemeinde Tornitz betrieb. mationen zum Zeitraum ab 1971 bis 1990 geben. noch die Pfeiler der alten Gleisbrücke zu sehen. Die Die Anschluss- und Werkbahn des Eisenwerkes be- Gleisanlage ist aber relativ wenig genutzt worden, Abb. 8: stand aus einem regel- und einem schmalspurigen die Hauptanlieferung erfolgte auf den Gleisanlagen Ausschnitt aus dem La- Teil (mit 900 mm Spurweite). im Südosten des Werkes. geplan des Eisenwerkes/ Kommen wir zunächst zur schmalspurigen Werk- Der Werkbahnhof des Eisenwerkes befand sich ca. Nierschachtofenwerk. bahn: Deren Aufgaben waren der Transport des flüs- 3 km entfernt vom Werk in der Nähe des im Jahr sigen Eisens von den Öfen zur Masselgießmaschine 1897 erbauten Bahnhofs Calbe-West. Dafür sprach sowie der glühenden Schlacke zur Halde. Nach jedem u.a., dass über Güsten die Erz- und Kalkzüge aus dem Abstich wurde das flüssige Roheisen zur Weiterver- Harz nach Calbe gefahren werden sollten. Im Werks- Fotoquellen: arbeitung mit speziellen Wagons weitertransportiert. gelände entstanden im südöstlichen Teil an der Saale Abb. 4, 9: Karl-Friedrich Der Pfanneninhalt wurde mit dem Kran auf die Mas- die Gleise und Entladeanlagen für die anzuliefernden Seitz; Abb. 13: TILLIG selgießmaschine gekippt. Die so entstandenen, sich Rohstoffe. Es gab praktisch zwei Bahnübergänge, ein- Werksarchiv; alle anderen abkühlenden Masseln fielen vom Masselgießband in mal für den Transport in das Werk und für den Trans- Abbildungen: Archiv der offene Waggons, die wiederum durch die Anschluss- port aus dem Werk heraus. Da die Rohstoffe aus dem Heimatstube Calbe. bahn weiterbefördert wurden. Harz vorwiegend über den Bahnhof Güsten angelie- 8 20 Club aktuell 3/2016 Vorbild & Modell 9 fert wurden, war es effektiver, den Anschluss für nutzte Lokbahnhof wurde Anfang des Jahres 1957 Abb. 9: das Werk am Bahnhof Calbe-West zu bauen. Das vom VEB Montan Leipzig, Betriebsteil Calbe, über- Ex 74 103 als Werklok 3 Gelände des Werkbahnhofs reichte von Bahnhof nommen. Drei Jahre später nannte sich der Be- mit offenen Wagen aus Calbe-West bis zur Höhe der “Salzer Straße“. trieb VEB Förderanlagen Calbe. Nach 1990 wurde rumänischer Produktion. Da das neue Werk in einer Senke zwischen den daraus die Firma FAC GmbH, deren Privatisierung Das Foto entstand am 17. Bahnhöfen Calbe-Ost und Calbe-West entstand, im Jahr 1995 als Doppstadt Calbe GmbH erfolgte. April 1967 aus dem D5 musste das Gelände zunächst aufgefüllt werden. Vom Lokbahnhof blieben nur die Gleisanlagen, der (Frankfurt/Main) – Berlin- Zu den projektierten Anlagen für die Anschluss- Wasserturm und die Halle für Lokinstandsetzung Stadtbahn). bahn gehörten auch vier Stellwerke. Allerdings ging übrig. nur das am Bahnhof Calbe-West in Betrieb. Eines An dieser Stelle noch ein paar Worte zum VEB Abb. 10: der Gebäude wurde später durch die Handwerker Montan Leipzig: Dieser war ein Betrieb des Wagengruppe an der der Wohnungsverwaltung als Sozialgebäude ge- TAKRAF-Kombinates. In diesem Kombinat wur- Gleiswaage. nutzt. Die anderen beiden wurden im Jahr 1965 den Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förder- abgerissen. Das Überführungsgleis zum Werkbahn- anlagen hergestellt.