Über Die Anfänge Der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland - Ein Beitrag Zur Geschichte Der Krankengymnastik Im 19
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Aus dem Universitätsklinikum Münster Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin -Direktorin: Univ.-Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert Über die Anfänge der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland - ein Beitrag zur Geschichte der Krankengymnastik im 19. Jahrhundert INAUGURAL - DISSERTATION zur Erlangung des doctor medicinae der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vorgelegt von Schöler, Julia Helene, geb. Pleyer aus Münster 2005 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Dekan: Univ.-Prof. Dr. Heribert Jürgens 1. Berichterstatter: Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Kröner 2. Berichterstatter: Priv. Doz. Dr. Ulf Liljenqvist Tag der mündlichen Prüfung: 07.12.2005 2 Aus dem Universitätsklinikum Münster Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin -Direktorin: Univ.-Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert Referent: Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Kröner Koreferent: Priv. Doz. Dr. Ulf Liljenqvist ZUSAMMENFASSUNG Über die Anfänge der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland- ein Beitrag zur Geschichte der Krankengymnastik im 19. Jahrhundert Schöler Julia Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts entdeckten deutsche Ärzte die vom Schweden Pehr Henrik Ling (1776-1839) begründete sogenannte Schwedische Heilgymnastik zu Therapiezwecken und führten diese in Deutschland ein. Die Schwedische Heilgymnastik stellte die erste systematisierte gymnastische Heilmethode in Deutschland dar. Ihre theoretische Grundlage basierte auf einem naturphilosophisch- spekulativen Krankheitsverständnis, welches zur Zeit ihrer Einführung in Deutschland schon veraltet war und vor allem deshalb Anlass zur Kritik bot. Ausgehend von der Schwedischen heilgymnastischen Lehre schuf der deutsche Arzt Albert Constantin Neumann (1803-1870) eine eigene gymnastische Heilmethode, deren theoretische Grundlagen er dem medizinisch-physiologischen Fortschritt anzupassen versuchte. Dass dieser Versuch erfolglos war, lag maßgeblich mit an Neumanns Geltungssucht und realitätsferner Selbstüberschätzung. Zudem traf die Einführung der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland auf eine starke Turnerbewegung mit ausgeprägtem Nationalbewusstsein, so dass die ausländische Gymnastik zur Rivalin deutscher Errungenschaften auf dem Gebiet des Turnens wurde und auch Urteile namhafter Wissenschaftler über Schwedische Gymnastik und Heilgymnastik von turnerischen Idealen bestimmt wurden. Schließlich geriet die Schwedische Heilgymnastik nach einer ersten Phase der Euphorie und Kritik in den fünfziger Jahren in den sechziger und siebziger Jahren nahezu in Vergessenheit. Erst nach 1880 erlebte sie durch die Renaissance der Massage und vor allem durch die maschinellen Entwicklungen Gustav Zanders einen starken Aufschwung. Tag der mündlichen Prüfung: 07.12.2005 3 Meinen Eltern gewidmet 4 Einleitung 1. Zur Begründung der Arbeit 2. Zum Begriff „Heilgymnastik“ Hauptteil I. Die Gymnastik bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1. Frühzeit 2. Antike und Mittelalter 3. Renaissance und Aufklärung (16. –18. Jahrhundert) a. Die Gymnastik in der Medizin b. Die Gymnastik in der Pädagogik II. Die Begründung der schwedischen Gymnastik durch Ling 1. Biographie Lings 2. Das gymnastische Central-Institut in Stockholm 3. Lings theoretische Grundlagen 4. Lings Systematisierung der Gymnastik 5. Lings medizinische Gymnastik III. Die ersten Informationen über Lings Gymnastik in Deutschland 5 IV. Die Hauptvertreter der schwedischen Gymnastik und Heilgymnastik in Deutschland 1. Hugo Rothstein a. Biographie Rothsteins b. Rothsteins Werke über Gymnastik c. Rothstein und die deutschen Turner d. Der Barrenstreit 2. Albert Constantin Neumann a. Biographie Neumanns b. Neumanns theoretische Grundlagen c. Systematisierung der Gymnastik durch Neumann d. Praxis der Heilorganik Neumanns e. Neumanns Leistung in der Weiterentwicklung der Heilgymnastik 3. Moritz Michael Eulenburg a. Biographie Eulenburgs b. Praxis und theoretische Grundlagen Eulenburgs V. Die Alternative zur schwedischen Heilgymnastik 1. Biographie Schrebers 2. Die Kinesiatrik von Schreber: Theorie und Praxis 3. Die Streitfragen Schreber / Neumann VI. Die Kritik an der schwedischen Heilgymnastik 1. Hermann Eberhard Richter 2. Edmund Friedrich und Hermann Meyer 3. Heimann Wolff Berend 6 VII. Die Praxis der Heilgymnastik in den fünfziger Jahren 1. Die heilgymnastischen Institute 2. Die Praxis in den heilgymnastischen Instituten VIII. Die sechziger und siebziger Jahre: Stagnation der schwedischen Heilgymnastik in Deutschland 1. Die deutschen Veröffentlichungen zur schwedischen Heilgymnastik 2. Äußerungen späterer Autoren zur schwedischen Heilgymnastik IX. Schluss Heilgymnastik in Deutschland nach 1880 Anhang 1. Heilgymnastische Institute nach Richter 2. Heilgymnastische Institute nach Steudel Anmerkungen Literaturverzeichnis 7 EINLEITUNG 1. Zur Begründung der Arbeit Über die Geschichte der Krankengymnastik in Deutschland ist bisher nur selten wissenschaftlich gearbeitet worden. Es gibt zwar eine Reihe von Veröffentlichungen, aber bei der Mehrzahl der vorliegenden Arbeiten handelt es sich entweder um einzelne Kapitel im Rahmen von größeren, nicht historisch orientierten Darstellungen oder um kleinere Aufsätze oder Beiträge in Sammelbänden. Reinhold Nitzschke listet im Anhang seiner 1990 fertiggestellten Dissertation Arbeiten zur Geschichte der Krankengymnastik auf. Von den insgesamt 27 Titeln sind 25 Aufsätze oder kleinere Beiträge (1). Die Zahl der größeren Arbeiten zur Geschichte der Krankengymnastik in Deutschland ist äußerst gering. Zu diesen Arbeiten gehören die Habilitationsschrift von Joachim Harff „Die Entwicklung der Krankengymnastik zu einer Therapieform orthopädischer Erkrankungen“ (1956) (2), die Dissertation von Gerhard Rehwagen „Über die Ursprünge der Krankengymnastik“ (1970) (3), in der die Entwicklung der Krankengymnastik von den Anfängen bis zu den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts im Überblick dargestellt wird, die Dissertation von Hans Christoph Kreck „Die medico- mechanische Therapie Gustav Zanders in Deutschland“ (1987) (4), in der der Schwerpunkt der Krankengymnastik in Deutschland von den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts mit der Therapie Zanders und den Zander-Instituten beschrieben wird, die Dissertation von Reinhold Nitzschke „Die Geschichte der Freiburger Krankengymnastikschule“ (1990) (5) sowie die Magisterarbeit von Ulrike Schemmann „Die Krankengymnastik - Zur Entstehung eines Frauenberufs um die Jahrhundertwende“ (1995) (6). Die Geschichte der schwedischen Heilgymnastik in Deutschland wird in den meisten der genannten Arbeiten nur am Rande erwähnt oder knapp skizziert. Das ist auch der Fall bei den kurzen Darstellungen der Geschichte der Krankengymnastik von Joachim Harff und Gerhard Grosch, die in Lehrbüchern der Krankengymnastik und Physiotherapie enthalten sind (7). Geringfügig ausführlicher wird die schwedische Heilgymnastik in der Dissertation von Rehwagen beschrieben. Rehwagen widmet ihr ein Kapitel in seiner Arbeit, das allerdings in Details einige Ungenauigkeiten enthält, die zum Teil aus der „Geschichte der Orthopädie“ von Bruno Valentin (8) übernommen worden sind. So werden zum Beispiel Eulenburg und Berend als Beispiele dafür genannt, wie positiv Lings Gymnastiksystem von einigen Ärzten aufgenommen wurde (9). Das ist insofern ungenau, als Eulenburg zwar die Lingsche Heilgymnastik positiv, das Lingsche Gymnastiksystem aber negativ bewertet hat. Berend hat zwar einzelne Übungen der schwedischen Heilgymnastik in seine Therapien aufgenommen, die schwedische Heilgymnastik aber heftig kritisiert. Rehwagen wiederholt auch den Irrtum, der schon bei Valentin zu finden ist, dass nämlich auch Berend „das Gymnastische Central-Institut in Stockholm besucht und sich an Ort und Stelle über das System der schwedischen Gymnastik Lings informiert“ hat (10). Berend hat sich keineswegs an Ort und Stelle im gymnastischen Central-Institut in Stockholm über die Gymnastik Lings informiert, sondern ist über die Lingsche Heilgymnastik durch die Schriften Lings, durch Georgii und vor allem durch Branting bei deren Besuch in Berlin unterrichtet worden (11). Missverständlich ist auch die Feststellung, die Rehwagen ebenfalls von Valentin übernommen hat, dass Berend „zu der strengen schwedischen Gymnastik... die `Widerstandsbewegung´, sei es mit Hilfe eines `Gymnasten´ oder eines Apparates, eingeführt“ hat (12). Die Widerstandsbewegungen waren zentraler Bestandteil der Lingschen Heilgymnastik und sind keineswegs, wie die Formulierung nahe legt, von Berend zusätzlich zur schwedischen Heilgymnastik eingeführt worden. Die von Valentin für seine Feststellung zitierten Belege (13) weisen deutlich aus, dass Berend lediglich die Bezeichnung „Widerstandsbewegung“ eingeführt hat. Die Dissertation von Kreck dagegen stellt mit der Geschichte der medico- mechanischen Zander-Therapie, die überwiegend aus mit Hilfe von Maschinen 9 durchgeführten Übungen der schwedischen Heilgymnastik bestand, umfassend und detailgenau die wichtigste Entwicklungslinie der schwedischen Heilgymnastik in Deutschland in der Zeit von etwa 1880 bis etwa 1920 dar. Eine genauere Untersuchung der Anfangsjahre der schwedischen Heilgymnastik in Deutschland, also des Zeitraumes, der vor der Ausbreitung der von Zander begründeten mechanischen Heilgymnastik liegt, gibt es bislang nicht. Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht, diese Lücke in der medizinhistorischen Literatur zu schliessen. Dabei soll vor allem auch dargestellt werden, dass die Entwicklung der schwedischen