Marianna Martines (1744–1812)
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Erlöserkirche Bad Homburg Samstag, 3. März 2012, 19.30 Uhr Komponistenportrait Marianna Martines (1744–1812) Ouvertüre zum Oratorium „Isacco“ (1781) Allegro maestoso Andante Allegro con spirit Cembalokonzert E-Dur (1766) Allegro Andante Allegro Miserere (1768) für Chor, Soli und Basso continuo Sinfonie in C (1770) Allegro con spirito Andante ma non troppo Allegro spiritoso Dixit Dominus (1774) für Chor, Soli und Orchester 1. Dixit Dominus (Allegro spiritoso) 2. Virgam virtutis (Andante) 3. Tecum principium 4. Juravit Dominus (Adagio – Fuga) 5. Dominus a dextris tuis 6. Gloria Patri 7. Et in sæcula (Fuga) Ausführende: Kammerchor der Erlöserkirche Collegium Vocale Bad Homburg (Leitung: Helmut Föller) Barockorchester L‘Arpa festante Annegret Schönbeck (Sopran), Johanna Krell (Alt), Rolf Ehlers (Tenor), Wolfgang Weiß (Bass) Cembalo: Nicoleta Paraschivescu Gesamtleitung: Susanne Rohn Marianna Martines – eine Komponistin zur Haydn-Zeit Im September 1772 begegnete Charles Burney während seines Aufenthaltes in Wien Marianna Martines zum ersten Mal. Der weitgereiste Musikgelehrte traf sie im Salon des Hofdichters Metastasio, berichtete über sie in seinem Tagebuch einer musikalischen Reise und nannte sie nicht nur die „vollkommenste Sängerin […], die ich jemals gehört hatte“, sondern rühmte auch ihre „meisterhafte Art“ am Cembalo und ließ sich Eigenkompositionen von ihr vorspielen: „Sie übertraf wirklich noch die Erwartung, die man mir von ihr beigebracht hatte. Sie sang zwo Arien von ihrer eignen Komposition über Worte von Metastasio, wozu sie sich selbst auf dem Flügel akkompagnierte, und zwar auf eine wohlverstandne, meisterhafte Manier; und aus der Art, wie sie die Ritornelle spielte, konnte ich urteilen, dass sie sehr fertige Finger hätte.“ Im Jahr darauf wurde Marianna Martines als erste Frau in die prestigeträchtige Accademia Filarmonica in Bologna aufgenommen. Das Por-trät, das kurz darauf entstand, verzeichnet diese Mitgliedschaft mit stolzer Würde: „MARIA ANNA MARTINES P. METASTASIO ALUMNA NAT. VINDIBO.IV.NON:MAI:MDIIXLIV ACAD.PHIL.SOC.” (übersetzt: „Maria Anna Martines. Schülerin von Padre Metastasio. Geboren in Wien, den 4. Mai 1744. Mitglied der Accademia Filarmonica“). Martines gibt sich auf dem Bild als eine mit höchsten Ehren ausgezeichnete, selbstbewusste Komponistin zu erkennen. In ihrer kurzen autobiographischen Skizze, die sie auf Wunsch der Accademia verfasste, erwähnt sie Joseph Haydn, Johann Adolph Hasse und Giuseppe Bonno als ihre Lehrer. Haydn soll Martines „die Grundlagen der Musik“ beigebracht haben; bei Porpora, der im selben Haus wie die Familie Martines am Michaelerplatz in Wien wohnte, lernte sie Komposition. Mit dieser illustren Lehrerriege reiht sich Marianna Martines in die traditionsreiche Linie der neapolitanischen Schule ein: Hasse und Porpora waren in Neapel erfolgreich tätig gewesen, bevor sie am Wiener Hof wirkten, und Giuseppe Bonno hatte zehn Jahre lang (von 1726 bis 1736) ein Stipendium vom Kaiser erhalten, um in Neapel bei Durante und Leo zu studieren, bevor er in Wien Kapellmeister wurde. Neapel galt als einer der wichtigsten musikalischen Standorte im Europa des 18. Jahrhunderts und Martines, deren Familie zwar aus Neapel stammte, die aber vermutlich ihre Geburtsstadt Wien nie verlassen hat, konnte sich auf diese Weise in jene Musiktradition einreihen. Ihr Mentor, der Hofdichter Pietro Metastasio, hatte die Lehrer für sie ausgesucht und dabei gutes Gespür bewiesen. Eine musikalische Besonderheit der neapolitanischen Schule ist es denn auch, die in den Kompositionen Marianna Martines’ immer wieder hervorsticht: die Partimento-Praxis. An den vier Conservatori Neapels wurde traditionell und bis ins späte 19. Jahrhundert hinein anhand von Partimenti (in Kombination mit Kontrapunkt und Solfeggi) Komposition und Improvisation unterrichtet. Partimenti sind bezifferte oder unbezifferte Bässe bestehend aus Sequenzen, kontrapunktischen Ansätzen, Kadenzen und Satzmodellen. Diese bildeten das wohl wichtigste Werkzeug in der Ausbildung eines angehenden Komponisten, Instrumentalisten oder Sängers, und verhalfen diesem zu einem erstaunlich großen Repertoire an musikalischen Gesten und Modellen. Dabei wurde die Partimento-Praxis nicht nur zur Komposition, sondern vor allem auch für die Aufführungspraxis genutzt: Von einem versierten Spieler oder Sänger wurde erwartet, dass er die Wiederholungen einer Arie oder eines Instrumentalsatzes variierte, wobei die Art des Variierens weit über ein bloßes Hinzufügen weniger Verzierungen hinausging. Martines scheint diese Praxis als Sängerin wie als Cembalistin besonders gut beherrscht zu haben, Charles Burney wird nicht müde, gerade auch ihre Verzierungskunst zu loben. Marianna Martines war durch ihre Familie dem Wiener Hof eng verbunden: Der Vater war Zeremonienmeister des apostolischen Nuntius in Wien und mit dem Hofdichter Pietro Metastasio eng befreundet, die Brüder hatten wichtige Ämter am Hofe inne. So ergaben sich vielfältige Kontakte zu Hof und Adel: „Ihre liebenswürdigen, mit seltener Bescheidenheit verschwisterten Eigenschaften, wie ihre Kunsttalente, verschafften ihr die allgemeinste Achtung und zugleich den Zutritt in die ersten Häuser der Kaiserstadt. […] Kaiserin Maria Theresia […] ließ sie sehr oft zu sich rufen, um sich an den Kunsttalenten derselben auf mannigfache Weise zu ergötzen; und Joseph II., bekanntlich ein nicht minderer Freund der Tonkunst, pflegte bei dieser Unterhaltung der Martines gewöhnlich die Noten umzublättern.“ Solcherart in den geschützten Räumen aristokratischer Kunstpatronage zu Hause, konnte Martines auch als Komponistin agieren: 1761 wurde ihre (dritte) Messe in der Michaelerkirche aufgeführt, die 17-jährige Komponistin als komponierendes „Wunderkind“ gefeiert. Aus dem Jahr 1770, Martines ist 26 Jahre alt, ist die Ouverture in C überliefert, die mit kurzen, metrisch abwechslungsreichen Sätzen im Sinne einer Sinfonia avanti l`opera angelegt ist. Das „Dixit Dominus“ entstand 1774 und zeigt, das Martines sowohl den zeitgenössischen „melodisch-galanten“ Stil als auch den Kontrapunkt des stile antico beherrschte – ersterer findet sich vor allem in den solistischen Teilen, letzterer in den großen Chorfugen des „Tu es sacerdos“ und „Et in sæcula“. 1782 wurde ihr Oratorium „Isacco, figura del redentore“ (Text: Metastasio) aufgeführt. Wenig später starb Metastasio und hinterließ Marianna Martines und ihren Geschwistern sein Vermögen, so dass auch Marianna versorgt war und nicht unter dem Druck stand, aus ökonomischen Gründen eine Ehe einzugehen. In den Jahren zwischen 1780 und 1790 führte sie eine Singschule, die als Vorläuferinstitution des Wiener Konservatoriums gilt. Am 12. Dezember 1812 starb sie in Wien. Dass das reichhaltige Œuvre der Marianna Martines heute noch in erstaunlichem Umfang in Archiven zu finden ist, liegt zum einen daran, dass einzelne ihrer Werke bereits zu Lebzeiten gedruckt wurden, zum anderen, dass sie mit der Aufnahme in die Accademia Filarmonica ein so hohes Ansehen genoss, dass sich Archive für ihre Partituren interessierten – eine nicht gewöhnliche Tatsache für eine Komponistin des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Dennoch sind etliche ihrer Werke bis heute verschollen, darunter wahrscheinlich 28 Sonaten und acht der ursprünglich zwölf Konzerte für Cembalo. Das E-Dur-Konzert dürfte das früheste der heute bekannten Cembalo- Konzerte sein. Auf der autographen Partitur ist das Jahr 1766 vermerkt, mithin ist es das Werk einer 22-jährigen. Das Wiederauffinden der Partitur des E-Dur-Cembalo-Konzertes gab den Anstoß, eine CD mit einer Auswahl an Werken Martines’ aufzunehmen. Neben dem Cembalo-konzert, das auf dieser CD nun erstmals eingespielt vorliegt, sind Ersteinspielungen der Ouvertüre, der Kantate Il primo amore und der Arie Berenice, ah che fai? mit der berühmten Sopranistin Nuria Rial zu hören. Die CD ist vor wenigen Wochen beim Label Deutsche Harmonia Mundi erschienen und kann nach dem Konzert erworben werden. Nicoleta Paraschivescu und Susanne Rohn Texte und Übersetzungen Miserere Miserere mei, Deus, secundum magnam misericordiam tuarum: et secundum multitudinem miserationum tuam, dele iniquitatem meam. Amplius lava me ab iniquitate mea: et a peccato meo munda me. Quoniam iniquitatem meam ego cognosco: et peccatum meum contra me est semper. Tibi soli peccavi, et malum coram te feci: ut justificeris in sermonibus tuis, et vincas cum judicaris. Ecce enim, in iniquitatibus conceptus sum: et in peccatis meis concepit me mater mea. Ecce enim: veritatem dilexisti: incerta et occulta sapientiae tuae manifestasti mihi. Asperges me Hysopo, et mundabor: (lavabis me) et super nivem dealbabor. Auditui meo dabis gaudium et laetitiam: et exsultabunt ossa humiliata. Averte faciem tuam a peccatis meis, et omnes iniquitates meas dele. Cor mundum crea in me, Deus: et spiritum rectum innova in visceribus meis. Ne projicias me a facie tua: et Spiritum Sanctum tuum ne auferas a me. Redde mihi laetitiam salutaris tui: et spiritu principali confirma me. Docebo iniquos vias tuas: et impii ad te convertentur. Libera me de sanguinibus, Deus salutaris meae: et exsultabit lingua mea justitiam tuam. Domine, labia mea aperies: et os meum annuntiabit laudem tuam. Quoniam si voluisses sacrificium, dedissem utique: holocaustis non delectaberis. Sacrificium Deo spiritus contribulatus: cor contritum et humiliatum, Deus, non despicies. Benigne fac, Domine, in bona voluntate tua Sion: ut aedificentur muri Jerusalem. Tunc acceptabis sacrificium justitiae: tunc imponent super altare tuum vitulos. Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.