Das schweizerische Verlagswesen : eine Geschichte kleiner Verlage

Autor(en): Oprecht, Peter

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Medienwissenschaft Schweiz = Science des mass média Suisse

Band (Jahr): - (1994)

Heft 1

PDF erstellt am: 04.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-790837

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http://www.e-periodica.ch Peter Oprecht

Das Schweizerische Verlagswesen - eine Geschichte kleiner Verlage

Der ehemalige Präsident des Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verbands SBW skizziert in seinem Beitrag detail- und kenntnisreich die Geschichte des Schweizerischen Verlagswesens, stellt sich die Frage, was denn ein «Kleinverlag» überhaupt ist, diskutiert dessen Vor- und Nachteile undformuliert einige Anregungen zur Verbesserung der Lage der schweizerischen Kleinverlage.

1. Die Schweiz ist ein Land der Kleinverlage die auch den Romands so grosse Probleme bringt: Die Schriftsprache ist nicht nur für die Französischsprachigen Ein Vergleich schweizerischer Buchverlage mit Buchverlagen eine Sprache, die wohl überall verstanden, im täglichen im Ausland macht deutlich, dass die überwiegende Umgang aber nicht benützt wird, sondern auch für die Zahl der schweizerischen Buchverlage vom Umsatz und Schulkinder, die die Schriftsprache wie eine Fremdsprache von der Zahl der veröffentlichten Titel, aber auch vom erlernen müssen. Die von Martin Luther eingeführte Eigenkapital her gesehen als «Kleinverlage» eingestuft werden sächsische Kanzleisprache hat sich im Gegensatz zu müssen. Es gibt in der Schweiz keine Buchverlagskonzerne, - Frankreich oder Italien, wo heute weitgehend eine Sprache wie sie in Deutschland, in Frankreich, in Italien, Gültigkeit hat in der Schweiz nie so durchgesetzt, vor allem aber in Grossbritannien und den Vereinigten - dass sie die Mundarten verdrängt hätte. Ein Buch in Staaten von Nordamerika, sowie in Spanien mit Einbezug einem der Deutschschweizer Dialekte wird aber nicht in der Südamerikas zu finden sind. ganzen deutschsprachigen Schweiz «verstanden» Verschiedene Ursachen haben zu diesem Erscheinungsbild (ausgenommen vielleicht bemdeutsche Veröffentlichungen, da geführt: hier die «Heimweh-Berner» eine Ausnahme bilden), was wiederum eine Veröffentlichung sehr erschwert. Von der Bevölkerung her gesehen, zählt die Schweiz im Vergleich zu den umliegenden Staaten, aber auch weltweit, Dei französischsprachige Schweiz kennt bei den zu den Kleinstaaten. 1990 lebten 6.87 Millionen Buchverlagen ebenfalls keine «grossen» Verlage, hier kommt Einwohner in der Schweiz, davon waren 1.18 Millionen die Marktmacht der Verlage in Frankreich voll zum Zuge Ausländer, die aus den verschiedensten Kulturkreisen - eine Situation, wie sie auch der französischsprachige herstammten, die zudem aber auch vielfach nicht eine der Teil Belgiens, die kanadische Provinz Québec und das drei Amtssprachen verwenden, sondern ihre eigene, was französichsprachig dominierte Afrika kennen. wiederum die Absatzmöglichkeiten der schweizerischen Das Schulwesen ist eine Angelegenheit der Kantone, es Buchverlage erschwert gibt daher 26 verschiedene Erziehungsdirektionen, die Die Zugehörigkeit der Schweiz zu drei Kulturkreisen ist sehr darauf achten, dass die Eidgenossenschaft hier nicht ein weiteres Hindernis für die Buchverlage, denn die fran- eingreift - sie darf höchstens zahlen -, was wiederum die zösischsprachige Schweiz richtet sich weitgehend nach Tätigkeit der Buchverlage einschränkt. Zudem - als Frankreich aus, das zudem seit Louis XIV eine sehr zen- Überbleibsel der Auseinandersetzung zwischen Radikalen und tralistische Kulturpolitik verfolgt. Die deutschsprachige Konservativen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts und Schweiz ist weitgehend auf die Buchproduktion aus des «Kulturkampfes» Mitte des vergangenen Jahrhunderts Deutschland und - zu einem weit geringeren Teil - aus - sind in den protestantischen Kantonen kantonale Österreich angewiesen. Der Wegfall der Verlage in der Lehrmittelverlage geschaffen worden, die eine Politik im Deutschen Demokratischen Republik hat auch hier eine Bereiche der Schulbücher betreiben, wie sie sonst eigentlich gewisse zusätzliche Bezugsmöglichkeit ausserhalb der nur in den sozialistischen Staaten und in einigen Bundesrepublik Deutschland ausgeschaltet. Die Entwicklungsländern anzutreffen war und ist. Von Buchverlage in der deutschsprachigen Schweiz können den Lehrmittelfreiheit kann hier kaum gesprochen werden - die Bedarf nicht abdecken, ausgenommen in Zeiten, da die privaten schweizerischen Lehrmittelverlage haben sich daher deutschen Verlage Bücher herausgeben, die dem auf die Herausgabe von Schulbüchern für die zweite schweizerischen Denken nicht entsprechen, wie dies von 1933 an Sekundarstufe und die Berufsschulen festgelegt, ein Bereich, bis etwa 1952 der Fall war. Die Verlage in der den die staatlichen Lehrmittelverlage kaum bearbeiten. italienischsprachigen Schweiz sind nicht nur der Vormachtstellung In diesem Umfeld ist es nie gelungen, eigentliche der italienischen Medienkonzerne schonungslos «Grossverlage» oder gar «Verlagskonzerne» aufzubauen der ausgeliefert, es fehlt hier auch ein eigentliches Vertriebssystem - einheimische Markt ist zu klein und die Bemühungen, in Italien, das die verschiedenen staatlichen sich im gleichsprachigen Ausland durchzusetzen, bedingen Erschwernisse überspielen und ausräumen könnte. viel Geld und sehr genaue Kenntnisse des möglichen Ein weiteres Hindernis ist für die Buchverlage in der Absatzgebietes. deutschsprachigen Schweiz die Vielzahl der Mundarten,

SGKM 1/1994 17 2. Zur Geschichte des Verlagswesens rich aus der Mitgliederliste des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig gestrichen wurde, wurde Die Geschichte des schweizerischen Verlagswesens ist die Max Rascher Verlag AG gegründet. Hier ist beizufügen, geprägt von dieser Lage, denn schon zu Beginn des dass die Mitgliedschaft im Schweizerischen Buchdruckes in der Schweiz mussten die Drucker, die gleichzeitig Buchhändler-Verein, gegründet 1849, von 1888 an auf der Verleger und Buchhändler waren, sich bemühen, Voraussetzung beruhte, dem Börsenverein der Deutschen ihre Werke im Ausland zu verkaufen. Die von ihnen Buchhändler zu Leipzig als Mitglied anzugehören. Einzig veröffentlichten Titel erreichten eine Stückzahl, die mit die Mitglieder des Schweizerischen Buchhändler-Vereins heutigen Auflagen als «klein» bezeichnet werden müssen, in der französischsprachigen Schweiz waren von dieser aber die Zahl der Leserinnen und Leser war natürlich Zwangsmitgliedschaft ausgenommen. Erst 1922 wurde ebenfalls bedeutend geringer, was bei einer Bevölkerung diese Bestimmung aufgehoben. Es lag daher die Gefahr um 1500 von etwa 600'000 nicht überraschen kann. durchaus in der Luft, dass die Buchhandlung und der Auflagen von 1*000 Exemplaren gelten daher schon als Verlag Rascher wegen ihren Veröffentlichungen aus dem Erfolg, es gibt hier höchstens Streitschriften, die auf eine Börsenverein der Deutschen Buchhändler ausgeschlossen grössere Zahl kamen. Anderseits hat die politische würden. Entwicklung in Europa im Zeichen der Religionskriege vor allem den Verlagen und Druckern in der französischsprachigen Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Überwindung Schweiz deutliche Vorteile gebracht, die auch in der sich daran anschliessenden Wirtschaftskrise Genf, in Lausanne, in Neuchätel und in Yverdon ausgenutzt beherrschten die deutschen Verlage erneut auch den wurden. Buchmarkt in der Schweiz - die Schweizer Buchverleger sanken wieder auf den Stand ab, den die deutschen Die Zeit der Auflclärung brachte eine gewisse Belebung Buchhändler etwas hämisch als «Provinzverleger» bezeichneten der Buchverlage, vor allem in Zürich mit Bodmer, Gess- und auch heute noch gerne hinter vorgehaltener Hand ner, Breitinger und Lavater, aber selbst dies führte nicht bezeichnen. zur Schaffung von eigentlichen «Grossverlagen». Wie weit hier der Protestantismus mit seiner Nüchternheit Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten mitgeholfen hat, Schranken zu schaffen, müsste noch näher 1933 im Deutschen Reiche und vor allem der Ausbruch untersucht werden. Der Wegfall des Zunftwesens nach des Zweiten Weltkrieges führte zur «Stemstunde des 1798 brachte eine Ausweitung der Zahl der Verlage, aber Schweizer Verlagsschaffens», wie sie Willy Rotzler auch hier galt «small is beautiful». bezeichnete: Der Wettbewerb mit den deutschen Verlagen fiel weg, die Schweizer Schriftsteller wie , Zudem darf nicht übersehen werden, dass die wichtigen Emanuel Stickelberger, Alfred Graber um nur einige Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller, Conrad - Beispiele zu nennen übergaben ihre Manuskripte oder Ferdinand Meyer, Jeremias Gottbelf, Carl Spitteier um nur - - die Rechte zu Neuauflagen gerne wieder einheimischen einige anzuführen ihre Werke deutschen Verlagen - Verlagen. Diese «geistige Landesverteidigung» rief eine anvertrauten, in der Überlegung, dass ihr Absatzgebiet im Vielzahl von neuen Verlagen ins Leben, die aber in der Deutschen Reiche ganz andere Möglichkeiten biete als die Regel eine eher knappe Kapitalbasis hatten und im deutschsprachige Schweiz. Zu gleichen Schlüssen kamen Zeichen der erneuten Konkurrenz aus Deutschland zu Beginn auch die Westschweizer Schriftsteller wie Charles der Fünfziger Jahre ihre Tätigkeit häufig einstellen mussten. Ferdinand Ramuz, Blaise Cendrars, Guy de Pourtalès, wie auch die Tessiner , Giovanni Orelli, deren Werke in Frankreich, beziehungsweise in Italien verlegt wurden. 3. Was ist ein Kleinverlag? Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 brachte einen Aufschwung für die Verlage vor allem in der deutschsprachigen • Ist er klein, weil er nur wenige Titel im Laufe eines Jahres Schweiz. Die Zensur im Deutschen Reiche herausgibt? verhinderte die Veröffentlichung wichtiger Übersetzungen • Ist er klein, weil sein Umsatz eine bestimmte Grössen- aus andern Ländern, so dass hier die Schweizer Verlage ordnung nicht überschreitet? eine neue Rolle übernehmen konnten. Es muss allerdings • Ist er klein, weil er nur wenige festangestellte Mitarbeiter beigefügt werden, dass dies nicht zur Schaffung grösserer hat? Unternehmen führte, während die politische Bedeutung • Ist weil er bewusst versucht, mit dem ganz anders zu gewichten ist er klein, Kapital auszukommen, das gemäss Handelsregister als der Rascher Beispielgebend ist hier Verlag in Zürich, auf Mindestbetrag genannt wird? dessen Titelliste Namen wie die der englischen Pazifisten Angell, Brailsford und Russell, dann aber auch Robert Mit einiger Sicherheit treffen bei den meisten schweizerischen Durrer, , Emst Gagliardi, Eugen Grossmann, Kleinverlagen diese Aussagen zu, wobei anzufügen Adolf Keller, Emst Laur, William Rappard und Gonzague ist, dass es nur einigen wenigen gelingt, eine Umsatz- de Reynold zu finden sind neben vielen andern. Bücher grösse zu erreichen, die einen Vergleich mit ausländischen den gegen Krieg erschienen 1917, so vor allem Andreas Verlagen gestattet. Latzko «Menschen im Krieg» und Henri Barbusse «Feuer». Um zu verhindern, dass der Rascher Verlag Zü¬

18 SGKM 1/1994 3.1 Vorteile der Kleinverlage gemeinkosten verwendet werden. Der Erlös aus den verkauften Büchern muss für die neue Produktion eingesetzt Die Kleinverlage haben aber eine ganze Reihe von werden, so dass unter Umständen sehr rasch sich hier ein Vorteilen gegenüber den «Grossverlagen»: Engpass abzeichnen kann: Eine alte Faustregel hat an Die Entscheidungswege sind wesentlich kürzer, da nur ihrer Gültigkeit kaum verloren: Von zehn veröffentlichten einige wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithelfen Titeln können zwei bis drei Erfolg haben, drei bis vier müssen, zu einem Entschluss zu kommen. decken knapp ihre Herstellungskosten und die restlichen sind eindeutige Verlustbringer. Selbst bei einer Der Leiter eines Kleinverlages ist nicht genötigt, gegenüber geschickten Programmgestaltung dürfte es nur wenigen einer Konzernspitze sich zu verantworten, sondern Kleinverlagen gelingen, auf die Dauer überleben zu können. muss selbst hier die entsprechenden Entscheide fällen. Verleger sind eigentliche Spekulanten, Spielematuren, Bei Medienkonglomeraten, deren Geldgeber häufig gar die bereit sind, Risiken einzugehen, die in jedem nicht aus dem Medienbereich kommen, ist ein Verlag ein andern Beruf mehr als nur Stirnrunzeln hervorrufen würden. Bestandteil des Gesamtunternehmens, das so lange geduldet Auf die Frage eines zukünftigen «Möchtegern»-Veriegers, wird, als es nicht übermässige Verluste einfährt, wobei wie weit es möglich sei, aus einem Buchverlag nicht nur in ausländischen Konzernen eine Verlustquelle gar nicht den Lebensunterhalt herauszuholen, sondern darüber hinaus ungern gesehen wird, da sie Steuern einsparen hilft und es auch noch etwas zu gewinnen, kann daher durchaus immer schön ist, «Kultur» wie eine Blume im Knopfloch geantwortet werden, ob er eine Million Schweizer Franken zu tragen. Erst dann, wenn die Verlust-Schmerzgrenze lose in der Tasche trage und diesen Betrag auch überschritten wird, fällt der Entscheid, sich von dieser unbesehen ausgeben könne - falls nicht, dann würde er besser Kulturblüte zu trennen. die ihm zur Verfügung stehenden Mittel in eine Ziegelei oder eine Kiesgrube stecken, dort sei die Veriustmöglich- Eine kleine Zahl von Mitarbeiter/innen hat den Vorteil, keit doch noch etwas geringer. dass der Zwang zur Produktion weitgehend wegfällt, um die Allgemeinkosten decken zu können. Es gibt eine ganze Reihe von Verlegern, die Schiffbruch erlitten haben. Vor allem die während des Zweiten Ads Beispiel für eine solche Überlegung ist der Verlag Weltkrieges gegründeten Verlage, bei denen Metzgermeister Nagel & Kintche AG in Frauenfeld, früher in Zürich. Dr. ihr durch Schwarzhandel verdientes Geld gewinnbringend Renate Nagel, die jahrelang bei Benziger zuerst das Kinder- anlegten, mussten zu Beginn der Fünfziger Jahre ihre und Jugendbuch-Programm gestaltete und dann den Tätigkeit einstellen, aber auch später gab es zum Beispiel in Bereich der Romane mitübernahm, trat aus dem Benziger Bern drei Jung-Verleger, die alle vielversprechend anfingen, Verlag aus, als sich abzeichnete, dass die verschiedenen aber bei denen einfach die nötigen Mittel zum Familien, denen die Graphischen Unternehmen Benziger Durchhalten fehlten und bei denen entweder das in Einsiedeln gehörten und der Benziger Verlag einen Konkursamt die Lagerbestände abzusetzen versuchte oder das Bestandteil dieses Unternehmens bildete, sich über die väterliche Geld die Druckerrechnung begleichen durfte. Geschäftspolitik uneinig waren und der Verkauf an eine ausländische Mediengruppe - die Rheinpfalz-Gruppe in Es gibt aber auch andere - hier sei nur als Beispiel der Ludwigshafen - sich abzeichnete. Sie gründete mit einer Diogenes Verlag Zürich genannt Studienkollegin dann den Verlag Nagel & Kimche AG, Vor etwas mehr als vierzig Jahren 1952 hat Daniel dessen Produktion sehr rasch auf ein grosses Interesse bei - - Keel, der damals in einer Zürcher Buchhandlung arbeitete den Leserinnen und Lesern, wie aber auch bei den Medien und dessen Vater über viele Jahre hinweg im Benziger stiess. Es wäre also durchaus denkbar gewesen, dass hier Verlag in Einsiedeln tätig war, sein erstes Buch herausgegeben: die Produktion ausgeweitet worden wäre, um so zu einer «Wo noch das Lämpchen glüht» mit Zeichnungen Grössenordnung zu kommen, die den Begriff «Kleinverlag» von Roland Searie und einem begleitenden Text von gesprengt hätte. Frau Dr. Renate Nagel hat aber Friedrich Dürrenmatt. Daniel Keel hat damals seinen über die Jahre hinweg eindeutig sich selbst Schranken Verlag in einer grösseren Schuhschachtel unter seinem auferlegt und die Zahl der von ihr veröffentlichten Titel Bett aufbewahrt - er war also ein wirklicher Kleinverleger. nie über etwa 20 im Jahr, davon etwa zwei Drittel 1953 wurde der Diogenes Verlag im Handelsregister Romane, ein Drittel Kinder- und Jugendbücher, eingetragen. Die Produktion begann zu wachsen. Es darf hinauswachsen lassen. Dafür sind aber alle Titel sehr sorgfältig nicht verschwiegen werden, dass auch Verleger, die sehr lektoriert, sprachlich sehr ausgewogen, die Zusammenarbeit klein anfangen, gewisse Kinderkrankheiten überstehen mit den Autoren wird sehr stark gepflegt eine Sachlage, - müssen, so auch Daniel Keel. Die Quadrat-Reihe mit wie sie zum Teil bei amerikanischen Verlagen, bei Texten und Illustrationen berühmter Künstler, die denen Werke mit dem Impressum des zuständigen Lektors Nachahmung der Manesse-Reihe und verschiedene andere Titel veröffentlicht werden, anzutreffen ist. setzten sich im Buchhandel nicht durch, auf jeden Fall nicht in dem Masse, wie es sich Daniel Keel erhofft hatte. Er erinnerte sich zum Glück an Rudolf C. Bettschart, der 3.2 Schwierigkeiten von Kleinveriagen im gleichen Jahr am gleichen Tag in Einsiedeln zur Welt Die schmale - oft allzu schmale - Finanzdecke kann sich gekommen ist, beide haben in Einsiedeln die Schule häufig nachteilig auswirken. Die vorhandenen Mittel besucht, aber Rudolf C. Bettschart wandte sich dem müssen für die Herstellung, die Werbung, die Verlagsall¬ Eisenwarenhandel zu und war dort erfolgreich tätig. Heute

SGKM 1/1994 19 dürfte der Diogenes Verlag Zürich weit über 50 Millionen Romain Rolland erschienen. Vor der Auswanderung aus Schweizer Franken Umsatz machen. Rudolf C. Bettschart Furcht vor dem heraufziehenden Krieg und der Vormachtstellung ist immer noch für die Finanzen verantwortlich und wacht des Nationalsozialismus in Europa verkaufte Dr. mit Argus-Augen auf die Kostenentwicklung und die Simon Menzel seinen Verlag, wobei hier allem Anschein Absatzzahlen - Experimente gibt es heute eigentlich nicht nach ihm noch ein sehr weitgehendes Mitbestimmungsrecht mehr, auch wenn das Verlagsprogramm sehr lebendig eingeräumt worden war. Auf jeden Fall vermittelte geblieben ist Dr. Simon Menzel von New York aus Übersetzungsrechte an den Humanitas Verlag in Zürich, die teilweise sehr «Das Verlagsgeschäft, oder besser das Verlegen von erfolgreich waren, wie zum Beispiel «So grün war mein Büchern, ist etwas ganz anderes, als sich die meisten Leute Tal». 1947 kehrte Dr. Simon Menzel aus den Vereinigten anscheinend vorstellen. Der von Oxford oder Cambridge Staaten von Amerika nach Zürich zurück, konnte den zurückkehrende junge Mann befindet sich im Irrtum, Verlagsnamen «Humanitas Verlag Zürich» aber nicht wenn er glaubt, Verlegen sei eine angenehme Liebhaber- gleich wieder übernehmen. Er gründete daher den «Diana Beschäftigung für jemand, der sich gerne mit Büchern Verlag Zürich», den er nach dem Hinschiede von Oscar abgibt und im übrigen nicht recht weiss, was er anfangen Porges mit dem Humanitas Verlag und dem Pan Verlag soll. Wenn es kein Beruf ist, so ist es doch, wie Raymond zusammenschloss. Nach dem Hinschiede von Luise und Mortimer treffend sagt, «Kunst, Handwerk und Geschäft von Selma Steinberg erbten Dr. Simon Menzel, zugleich», zu deren Ausübung eine besondere, beziehungsweise dessen Frau, den Steinberg Verlag, der vor ungewöhnliche Verbindung von Befähigungen erwünscht ist» allem durch die bei ihm hegenden Autorenrechte eine hält Sir Stanley Unwin, langjähriger Präsident der eigentliche Goldgrube für Nebenrechte im Zeichen des Internationalen Verleger-Union und der Publishers' Association wachsenden Taschenbuchmarktes darstellte. Nach dem of Great Britain and Northern Ireland in seinem Buch Tode von Dr. Simon Menzel im Jahre 1982 wurden der «The Truth about Publishing» fest, das 1926 bei George Diana Verlag Zürich, der Humanitas Verlag Zürich und Allen and Unwin Ltd. in London erstmals erschienen ist teilweise auch Rechte aus dem Pan Verlag Zürich, sowie und auch heute noch weitgehend Gültigkeit hat. der Steinberg Verlag Zürich mit den bei ihnen liegenden Auch Kleinverleger müssen sich heute in Betriebswirtschaft, Urheberrechten an den Hestia Verlag in Bayreuth Finanzbuchhaltung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, verkauft, der damals von der Tochter und vom Schwiegersohn Werbung, aber auch in allen Bereichen der Herstellung von Heinz G. Konsalik geleitet wurde. Heute ist der auskennen. Die «Blaue Blume der Romantik» genügt Hestia Verlag und damit auch die seinerzeitige Gruppe heute weder im Verlag, noch im Sortimentsbuchhandel, von Schweizer Kleinvertagen eng mit der Pawel-Moewig- um ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Ein Problem Gruppe in Rastatt und dem Paul Neff Verlag in Wien wird aber immer wieder übersehen oder aufjeden Fall vor verflochten. sich hergeschoben: Die Frage der Nachfolge. In der französischsprachigen Schweiz zeigt die Am Anfang des Jahres 1941 machte Werner Johannes Verlagslandschaft ein etwas anderes Bild als in der Deutschschweiz: Guggenheim - es kann auch Ende 1940 gewesen sein - die Schwestern Luise und Selma Steinberg in ihrer Die Konzentrationsbestrebungen sind nicht nur bei der Buchhandlung an der Stockerstrasse im Gebiet zwischen Tages- und Wochenpresse deutlich sichtbar: Die Bleicherweg und Bahnhof Enge darauf aufmerksam, dass ein Vormachtstellung der Lamuniere-Gruppe der «Edipresse Verlag es abgelehnt habe, seine Übersetzung von «Samuel - SA» in Lausanne im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich Belet» von zu veröffentlichen. - wurde ergänzt durch eine führende Rolle auch bei den Die beiden Schwestern bedauerten dies, worauf Werner Buchverlagen und beim Westschweizer Zwischenbuchhandel. Johannes Guggenheim ihnen vorschlug, den Roman zu Eine Zeitlang gehörten Editions Payot SA, Editions verlegen. Der Einwand, es fehle ihnen am nötigen Geld, Skira SA und Office du Livre SA zu Lamunière, um dieses Wagnis zu unternehmen, wurde von Werner neben der hauseigenen Editions 24 heures. Dazu kam die Johannes Guggenheim mit der Erklärung auf die Seite Buchhandelskette Payot-Naville mit ihren Kiosken und geschoben, es gebe auch Drucker, die Kredit gewährten. Am Verkaufsstellen. Heute ist hier der Einfluss der Hachette- 1. April 1941 ist dann «Samuel Belet» erschienen. Bis Gruppe wesentlich wichtiger, da ihr Payot-Naville und Ende des Jahres waren 1'500 Exemplare von einer Auflage Office du Livre in Fribourg gehören, während Skira wieder von 3'000 Exemplaren verkauft, die Deckungsauflage im Besitze der Familie Skira ist. damit erreicht Dieser Erfolg führte dazu, dass die Schwestern Steinberg ihren Verlag aus- und aufbauten. 1942 Unabhängig ist nach wie vor die Editions de la Bacon- erschien «Der Hüter des Bruders» von Jo Mihaly, der Frau nière in Boudry bei Neuchätel, die über viele Jahre des Schauspielers und Regisseurs Leonard Steckel vom hinweg unter der Leitung von Hennann Hauser als einer der Schauspielhaus Zürich - auch hier wiederum ein Erfolg. wichtigsten Buchverlage in der Westschweiz einzustufen Bis 1961 sind im Steinberg Verlag Zürich etwa 150 Titel war. Er wird heute geleitet von der Tochter von erschienen. Hermann Hauser, Christine Hauser, die aber mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie alle Buchverlage in der 1935 gründete Dr. Simon Menzel, der mit der Schwester Westschweiz zu kämpfen hat, denn die Zusammenballung der von Selma und Luise Steinberg verheiratet war, den Buchverlage in Frankreich in einige wenige, dafür um so Humanitas Verlag Zürich, in dem unter anderem Werke von finanzkräftigere Gruppen, hat zu einem Verdrängungs-

20 SGKM 1/1994 Wettbewerb geführt, der sich gerade für Kleinverlage scheidende Ausbildungsstufe unberücksichtigt lässt - verheerend auswirkt Verleger sind daher nach wie vor von Gott gesandt und wissen einfach alles, was zur Berufsausübung notwendig Die Editions Zoé in Genf ist ein anderes Beispiel eines ist. Es gibt nur eine Berufsgruppe im Buchbereich, die Kleinverlages, der auf Qualität setzt und durchaus mit ähnliche Ausbildungslücken kennt: die wissenschaftlichen Nagel & Kimche verglichen werden kann, auch wenn Bibliothekare, bei denen ein Hochschulabschluss gleichzeitig Marlyse Pietri häufig Übersetzungen von Deutschschweizer die Fähigkeit vermittelt als wissenschaftlicher Schriftstellern herausgibt, im Gegensatz zu Bibliothekar tätig zu sein. Renate Nagel, die keine Westschweizer Autoren in ihrem Programm kennt Die schweizerische ist einem ständigen Verlagslandschaft 4. Verbesseungsvorschläge Wechsel unterworfen, wobei gerade im Zeichen der Weltwirtschaftskrise Zusammenschlüsse häufiger erfolgen Es sollte daher unbedingt dafür gesorgt werden, dass an als noch vor wenigen Jahren. Ein Sonderfall ist der Benziger einer der Hochschulen ein Lehrstuhl errichtet wird für das Verlag Zürich, der aus der Klosterdruckerei in Einsiedeln Fachgebiet «Buchhandel und Buchverlag». Beispiele hervorgegangen ist dann über viele Jahre hinweg solcher Lehrstühle gibt es in Mainz an der Johannes Guten- Tochtergesellschaften in Köln, New York, Cincinnati, berg-Universität und in Leipzig an der Universität Zu Saint Louis, Chicago, Waldshut und in Südamerika ergänzen wäre aber auch die Ausbildung der graphischen unterhalten hat. 1986 wurde das Gesamtunternehmen an die Berufe im Zeichen des Buches - auch hier könnte Leipzig Rheinpfalz-Gruppe in Ludwigshafen verkauft weil deren mit seiner Hochschule für Grafik und Buchkunst als Vorbild Inhaber im Zeichen des sich ankündigenden Druckerstreiks dienen. Es ist zu hoffen, dass die Schaffung von befürchtete, die von ihm verlegten Zeitungen nicht Fach-Hochschulen in der Schweiz neben den Universitäten mehr rechtzeitig in seinen eigenen Druckereien herstellen und den Technischen Hochschulen endlich auch den zu können und daher einen Ausweg über eine schweizerische Weg öffnet zu einer vertieften Ausbildung von Verlegern. Druckerei suchte. Die Druckerei wurde in der Folge Gerade in der heutigen Zeit da die Ausfuhr zu einer der vom Buchverlag getrennt Nach verschiedenen Wechseln wichtigsten Aufgaben aller Schweizer Verleger gehört in der Verlagsleitung und der Übergabe des Kinderbuch- sollten die entsprechenden Kenntnisse der ausländischen Bereiches an den Arena Verlag in Würzburg - der ebenfalls Märkte vermittelt werden, auch wenn es hier nötig sein zur Rheinpfalz-Gruppe gehört (Edition Benziger bei wird, die Angst vor der Konkurrenz aus dem eigenen Arena) - wurde im Februar 1994 der Benziger Verlag Land zu überwinden. Es sollten vielmehr Möglichkeiten Zürich an die Patmos-Gruppe in Düsseldorf verkauft und die geschaffen werden, gleiche Tätigkeiten verschiedener Leitung dem Walter Verlag in Solothurn (früher in Ölten) Verlage zusammenzufassen und zusammenzulegen, um - ebenfalls zur Patmos-Gruppe gehörend - Überbunden. Kosten zu sparen. Die zu schmale Kapitalbasis wird auch auf andere Weise Die Kleinverlage haben seit der Erfindung der beweglichen sichtbar: Von etwa 1940 an bis etwa 1985 sind auf der Lettern durch Johannes Gutenberg in der Schweiz Geschäftsstelle des Schweizerischen Buchhändler- und immer eine herausragende Rolle gespielt. Es gilt daher, Verleger-Verbandes etwas mehr als 80 Konkurse von dafür zu sorgen, dass die schweizerische Literaturlandschaft Buchverlagen verzeichnet die aber teilweise auch als nicht mit der Zeit der schweizerischen Presselandschaft Zeitungs- und Zeitschriftenverlage tätig waren. Häufig gleicht in der bald nur noch Kopfblätter eine Vielfalt sind auch Konkurse verzeichnet die auf ausgeschlagene vortäuschen, aber alles aus dem gleichen Topfe Nachlässe zurückzuführen sind, weil die Erben nicht kommt Bis jetzt ist dies bei den Buchverlagen zum Glück bereit waren, den Verlag weiterzuführen, so dass der Konkurs ausgeblieben, aber ohne Förderung im Zeichen des unvermeidlich wurde. Dazu kommen aber in der Kulturartikels in der Bundesverfassung werden auch beim gleichen Zeitspanne etwa 400 Verlage, die ihre Tätigkeit Buche eine Verödung und eine Überflutung durch ausländische ebenfalls eingestellt haben, ohne dass Konkurs angemeldet Verlagserzeugnisse unausweichlich werden. werden musste.

Bis heute gibt es keine Ausbildungsmöglichkeitfür Peter Oprecht, ehemaliger Präsident des SBW, arbeitet Verleger, da das Ausbildungsreglement wohl Sortiments- und als Berater in Buchhandels- und Verlagsfragen. Adresse: Verlagsbuchhändler unterscheidet aber gerade die ent¬ Steingrubenweg 91, Postfach, 3000 Spiegel bei Bern.

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