Das Liechtensteinische Landesarchiv: Der Auftrag. Die Menschen. Die schönsten Dokumente. Ein Archivführer.

Paul Vogt Das Liechtensteinische Landesarchiv: Der Auftrag. Die Menschen. Die schönsten Dokumente. Ein Archivführer.

Das Liechtensteinische Landesarchiv: Der Auftrag. Die Menschen. Die schönsten Dokumente. Ein Archivführer.

Paul Vogt

Herausgegeben vom Liechtensteinischen Landesarchiv

Veröffentlichungen des Liechtensteinischen Landesarchivs Nr. 4 2009 Inhalt

6 Grusswort Aurelia Frick

9 Unser Auftrag: Das kulturelle Erbe pflegen 11 Dank

13 Unsere Institution 13 Unser Leitbild 16 Archivstatistik 17 Archivgeschichte 30 Archivgebäude 43 Archivrecht

49 Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln 50 Archivalien sichern, vorarchivische Schriftgutverwaltung 52 Archivalien erschliessen 55 Archivalien erhalten 62 Archivalien vermitteln, Öffentlichkeitsarbeit

65 Archivbenutzung 65 Im Dienste der Verwaltung 66 Der Archivar als Mediator 69 Benutzerregistrierung 70 Dienstleistungen

75 Behördengeschichte im Überblick 85 Chronologie: Die Entwicklung der staatlichen Behörden im Überblick

89 Die staatlichen Bestände 89 Tektonik der Bestände 91 Oberamt und Regierung 92 Amtsstellen, Auslandvertretungen 94 Kommissionen, Beiräte, Arbeitsgruppen 96 Landesschulen 99 Landtag 101 Justiz 101 – Staatsgerichtshof 101 – Verwaltungsgerichtshof 103 – Landgericht

105 Die Privatarchive 111 Kleinstbestände und Einzelstücke 112 Privatpersonen, Nachlässe 113 Juristische Personen (Familien, Vereine, Parteien, Unternehmen) 114 Kirchliche Archivbestände 117 Die Sammlungen 117 Unser Sammlungsauftrag 119 Archivalische Sonderbestände 119 – Plan- und Kartensammlung 124 – Amts- und Geschäftsbücher 126 – Urkundensammlung 128 – Siegel(abguss)sammlung 130 – Grafische Sammlung 132 Bibliotheksbestände 132 – Hand-, Magazin- und Dienstbibliothek 133 – Amtsdruckschriftensammlung 135 – Pressearchiv 137 – Zeitgeschichtliche Sammlung 139 Audiovisuelle Sammlung 139 – Bildsammlung 142 – Film- und Videosammlung 143 – Tonsammlung

145 Die Editionen: Zugang leicht gemacht 145 Das Liechtensteinische Urkundenbuch 147 Regesten aus dem Tiroler Landesarchiv 150 Regesten aus dem Vorarlberger Landesarchiv 152 Regesten aus dem Österreichischen Staatsarchiv 154 Edition historischer Rechtsquellen 158 Quellenpublikation zur liechtensteinischen Zeitgeschichte

161 Andere Archive in 161 Gemeindearchive 165 Erzbischöfliches Archiv Vaduz 166 Pfarrarchive 168 Josef Gabriel Rheinberger-Archiv 172 Stiftung Dokumentation Kunst in Liechtenstein (DKL) 175 Übrige private Archive in Liechtenstein

177 Liechtensteinensia in ausländischen Archiven 177 Archive in der Schweiz 181 Archive in Österreich 188 Archive in Deutschland 189 Archive in der Tschechischen Republik 189 Sonstige Archive mit Liechtensteinensia

191 Anhang 191 Geld und Münzwesen 192 Masse und Gewichte 194 Literatur zum Landesarchiv und seinen Beständen 196 Bildnachweis 196 Impressum Grusswort

6 I Heute ist das Gestern von morgen, sagt eine Weisheit und deutet darauf hin, wie vergänglich alles ist. Was heute noch so wichtig erscheint, droht irgendwann in Vergessenheit zu geraten. Diesen Verlust von althergebrachtem Wissen und gesammelten Errungenschaften kann sich eine pros- perierende Gesellschaft nicht erlauben. Gerade die heutige Zeit, welche durch Bildung und Information gekennzeich- net ist, muss ihre Vergangenheit sichern und in eine be- wahrte Zukunft führen. Eine zentrale Rolle hierbei spielen die Archive: Das Liechtensteinische Landesarchiv ist das Langzeitgedächtnis von Staat und Gesellschaft. Dement- sprechend vielfältig sind seine Aufgaben. Das Landesarchiv dient insgesamt der Verwaltung, For- schung, Bildung und Rechtssicherung. Keine andere Kul- turinstitution birgt eine solche Fülle und Dichte von Infor- mationen zur Geschichte des Landes. Es dokumentiert die Tätigkeit der staatlichen Behörden, übernimmt und sichert deren Unterlagen und macht sie zugänglich. Dadurch wird es möglich, weiter zurückliegende Verwaltungsvorgänge zu rekonstruieren. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für eine rechtsstaatliche, kontinuierliche und rationelle Tä- tigkeit von Behörden und Ämtern. Daneben nimmt das Landesarchiv auch weitere Dokumente entgegen, die für die liechtensteinische Geschichte von Bedeutung sind und pflegt verschiedene Sammlungen. Mit der Erfüllung all der gestellten Aufgaben wird das Landesarchiv zu einem Hort des kulturellen Erbes und gewährleistet, dass vergessen Gegangenes wieder in Erinnerung gebracht werden kann. Für die Aufgaben des Landesarchivs, für die langfris- tige und sichere Aufbewahrung, Erschliessung und Ver- mittlung des Archivguts, aber auch zur Erbringung weite- rer Leistungen für die Bedürfnisse der Benutzerinnen und Benutzer sind ausreichende und geeignete Räumlichkei- ten von zentraler Bedeutung. Daran mangelte es dem Lan- desarchiv seit seinen Anfängen. Nach einer Reihe von bau- lichen Provisorien ist dieser Mangel nun beseitigt und mit dem Neubau ein Meilenstein in der liechtensteinischen Ar- chivgeschichte gesetzt worden. Das neue Archivgebäude verfügt über beste Voraussetzungen, um die anspruchs- vollen Aufgaben zu erfüllen und auch künftige Herausfor- derungen im elektronischen Zeitalter zu bewältigen. Be- sondere Symbolkraft strahlt der attraktive Standort in der Nähe von Regierung und Landtag und in unmittelbarer Nachbarschaft zu weiteren wichtigen kulturellen Institu- tionen aus. Mit grosser Freude stelle ich fest, dass mit der Eröff- I 7 nung des Landesarchivs die Neugestaltung des Regie- rungsviertels zu einem überzeugenden Abschluss gebracht wird. Darüber hinaus freut es mich, dass mit der vorlie- genden Publikation eine Festschrift zur Eröffnung des Neu- baus für das Liechtensteinische Landesarchiv erscheint. Mit diesem Werk werden der Öffentlichkeit erstmals um- fassend die bedeutenden und vielfältigen Aufgaben des Ar- chivs, seine Geschichte, Arbeitsweise und Bestände vor- gestellt. Der Archivführer gibt zudem einen fundierten Über blick über die Geschichte der Behörden und be- schreibt die rechtlichen Grundlagen des liechtensteini- schen Archivwesens. Präsentiert werden auch das heute im Landesarchiv tätige Personal, die den Einzelnen zuge- wiesenen Tätigkeitsfelder sowie die verschiedenen Ein- richtungen und Angebote zur Archivbenutzung. Ich danke den Autoren des Archivführers für ihre sorg- fältige und umfassende Arbeit. Gerne benütze ich die Ge- legenheit, um auch dem ganzen Archivteam sowie den frü- heren Archivarinnen und Archivaren öffentlich Dank und Anerkennung auszusprechen. Sie alle haben durch ihre verdienstvolle Tätigkeit dazu beigetragen, dass sich das Landesarchiv heute mit berechtigtem Stolz der Öffentlich- keit präsentieren darf. Ich wünsche diesem Werk eine zahlreiche und interes- sierte Leserschaft. Es soll möglichst vielen Menschen den Zugang zur überaus reichen Fülle und Vielfalt der Schätze des Liechtensteinischen Landesarchivs öffnen und er- leichtern. Erst durch seine Benutzung wird das dort ge- speicherte Wissen zum kollektiven Gedächtnis von Ver- waltung und Gesellschaft.

Dr. Aurelia Frick, Regierungsrätin

Unser Auftrag: Das kulturelle Erbe pflegen

Nicht das Rad, sondern die Schrift ist die genialste Erfin- I 9 dung der Menschheit. Solange es die Schrift nicht gab, konnten Informationen höchstens über drei oder vier Ge- nerationen hinweg einigermassen verlässlich weiterge - geben werden. Menschen, die in einer schriftlosen Welt lebten, wurden – in bewusst übertreibender Weise – mit «geistigen Eintagsfliegen» verglichen. Auch wenn das grundlegende Wissen über Ackerbau und Viehzucht von Generation zu Generation weitergegeben und auch per- fektioniert wurde, so waren die Gedanken, die Kultur, die Technik in diesen Gesellschaften doch ständig vom Ver- gessen und Verschwinden bedroht. Vieles musste immer wieder neu entdeckt und erfunden werden. In Gesell- schaften, die ausschliesslich mündlich kommunizierten, fehlten auch weitgehend abstrakte Kategorien und formal- logische Denkprozesse. Die Schrift hat das Denken und die Welt fundamental verändert. Um 3000 v. Chr. entstanden die Keilschrift und die Hieroglyphen, die ältesten, heute noch lesbaren Schrif- ten. Sie entsprangen dem Bedürfnis, auch solche Daten speichern zu können, die Menschen nicht im Gedächtnis Allegorie Geschichtsschreibung und Pflege der Erinnerung als göttlicher Auftrag: Gott erteilt Clio den Auftrag den Tag der Krönung Josephs II. zum römisch-deutschen behalten können oder die über Generationen oder grosse König in ihrem Geschichtsbuch festzuhalten. Chronos, der Gott der Zeit, mahnt die Entfernungen hinweg vermittelt werden sollen. Die Schrift Menschen, die Erinnerung zu pflegen. Im Hintergrund der spätere Kaiser Joseph II. machte es möglich, Informationen zu speichern und sie bei und eine Teilansicht von Augsburg. Friedensgemälde für die evangelische Schul - jugend von Augsburg, 1764. Bedarf wieder abzurufen. Die frühesten Schriften in Me- sopotamien und Ägypten entstanden im Zusammenhang mit der Herausformung der ersten staatlichen Gebilde. Der Staat brauchte die Schrift als Medium für ein künstliches Gedächtnis; die Fülle an Informationen aus Verwaltung und Wirtschaft musste irgendwie bewältigt werden. Er brauchte aber auch ein Medium, mit dem gleichsam als «künstliche Stimme» der Herrscherwille und das geltende Recht im ganzen Reich bekannt gemacht werden konnte. Die Schrift ermöglichte neue Formen von Kontrolle und Verwaltung, ohne die grosse und komplexe Gemeinwesen nicht funk- tionieren können. Auch wenn die Kenntnis der Schrift auf wenige beschränkt blieb, wurden die damit transportier- ten Informationen und die Autorität der Überbringer aner- kannt: Die Schrift bürgte für die Authentizität der Botschaft. Damit wurden in mancher Beziehung Grenzüberschrei- tungen ermöglicht: Sie überwand die räumliche Distanz, sie überwand die Zeit, sie überwand sogar – in Bezug auf die Gedanken und den Gedankenaustausch – den Tod. Unsere Kultur ist schriftbasiert. Das lateinische Alpha- bet ist uns vertraut und selbstverständlich. Es ist nicht nur einfach, es ist schlicht genial: Mit 21 Zeichen – abstrakten Codes – schaffte es die Möglichkeit, alle Wörter und alle Zahlen (ausser die Null) wiederzugeben. Das System ist so einfach, dass es jedermann leicht erlernen kann. Gut, das Zahlensystem war verbesserungsfähig und wurde inzwi- schen auch durch ein besseres System ersetzt, doch die Leistung bleibt. Die Erfindung des Buchdrucks erlaubte es, die Infor- mationen in kostengünstiger Weise zu vervielfältigen und zu verbreiten. Das Wissen wurde allgemein zugänglich, verlor seine elitäre Beschränkung und wurde demokrati- siert. Mit dem Buchdruck verband sich eine verstärkte Nor- Unser Auftrag: Das kulturelle Erbe pflegen

10 I mierung und Standardisierung der Sprache: Grammatik in die Schriftlichkeit vergleichen lassen. Die Auswirkungen und Rechtschreibung wurden an Regeln gebunden, damit dieser Neucodierungen sind bereits massiv erlebbar – wir sie grossräumig verstanden werden konnten. Die Schrift können aber nicht abschätzen, inwiefern virtuelle Welten ermöglichte die Emanzipation des Untertans zum Bürger alte Grenzen aufheben und wo sie an neue stossen wer- und sie ermöglichte die kritische Prüfung der Entschei- den. dungen der Mächtigen. Der Sprung von solchen Gedanken zum Thema Archiv Heute leben wir in einer Situation, in der die elektroni- ist nicht allzu gross. Archive bezeichnen sich gerne als «Ge- sche Welt die Sprache neu codiert. Kulturphilosophen ver- dächtnis der Verwaltung» oder gar als «kollektives Ge- gleichen diesen Entwicklungsprozess mit dem Übergang dächtnis der Gesellschaft». Ob letzteres stimmt, hängt vom von der Schriftkultur zur Digitalkultur und erwarten Wand- Auftrag ab, den man dem Archiv gibt. Die Schrift ist das lungen, die sich mit dem Übergang von der Mündlichkeit Medium, auf das wir angewiesen sind. Unsere primäre Auf-

Allegorie zur Geschichtsschreibung («Historiographia»): Unten ein lorbeerbekränzter Geschichtsschreiber, der Dokumente studiert. Ein Allegorie Geschichte und Wahrheit. In der Bildmitte die Geschichte grüssender Bote überreicht ihm eine versiegelte Urkunde. Rechts sitzt dargestellt als alte Lehrerin, die ein Kind unterrichtet («HISTORIA die «einfache Wahrheit», deren Studium nötig ist. Links steigt die MAGISTRA VITAE») und eine junge, gekrönte nackte Frau mit Fackel gefesselte nackte Wahrheit empor, die lange in einem Versteck ver - (LUX VERITATIS, das Licht der Wahrheit). Unter der Erde die Lüge borgen war. Über dieser Szene schwebt links die nackte Wahrheit in (MENDACIUM), dargestellt als angekettete Frauen mit Masken, der Form einer Madonnadarstellung («Nuda Veritas» mit der «Historia Unverstand (INSCITIA) in Form von angeketteten, klagenden Männern Vitae» in der Hand), rechts die eitle, mit viel Beiwerk geschmückte mit Eselsohren und die Vergesslichkeit (OBLIVIO) als schlafende Ju- Willkür («Compta affectuum Licentia»). Oben auf einem Turm Fama gendliche. Oben reitet Chronos, der Gott der Zeit (TEMPUS), mit Sense (die Personifikation des Gerüchts), die mit ihren zwei Posaunen einen und Sanduhr in den Händen auf einem geflügelten Fabelwesen. guten oder schlechten Ruf verbreitet. Links der Kriegsgott Mars und Links zwei Posaunen, rechts das Auge Gottes, zwei Hinweise auf das rechts Minerva, die Göttin des Handwerks, der schönen Künste und Jüngste Gericht. Kupferstich von Matthäus Merian, 1633. der Weisheit. Stich von Matthäus Merian, 1639. gabe besteht darin, die dauernd wertvollen Informationen, Dank I 11 die sich aus den staatlichen Verwaltungstätigkeiten erge- ben, zu übernehmen und auf Dauer zu sichern. Bei allem Das vorliegende Buch ist gedacht als Archivführer und zu- Bemühen zum Bewahren gehört auch das Bewerten zu un- gleich als Festschrift aus Anlass des Archivneubaus. Der seren zentralen Aufgaben: das herauszufiltern, was auch Archivführer ist ein Projekt, das seit Jahren immer wieder in 100 Jahren noch von Interesse sein könnte. Um all die zurückgestellt wurde – auch weil die Sinnhaftigkeit eines gespeicherten Informationen wieder finden zu können, ent- gedruckten Archivführers durch die Verbreitung des In- wickeln die Archive in internationaler Zusammenarbeit ternets und dessen Vorteile bei Aktualisierungen zuneh- Normen und Standards, wie die Metadaten – die Daten zur mend in Frage gestellt wurde. Die Eröffnung des Neubaus Verwaltung und Authentifizierung der Informationen – bietet uns nun aber die Chance, die Aufmerksamkeit, die strukturiert und verwaltet werden müssen. dieser Neubau auf sich zieht, zu nutzen, um unsere Be- Damit hören die Parallelen nicht auf: Das gespeicherte stände, unsere Angebote für die Benutzer, unsere Arbeits- Wissen darf nicht einer kleinen Elite vorbehalten bleiben. methoden und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter In einer demokratischen Gesellschaft sind Archive ver- vorzustellen. pflichtet, möglichst freien Zugang zu den verfügbaren In- An diesem Archivführer haben viele Personen mitge- formationen zu gewähren, wobei aber die Persönlichkeits- arbeitet. Ihnen allen gebührt ein herzliches Dankeschön. rechte Dritter und allfällige öffentliche Interessen zu Be- Die Regierung stand dem Projekt wohlwollend gegenüber schränkungen des freien Zugangs verpflichten. Die Mög- und hat die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung lichkeit, das Handeln der staatlichen Entscheidungsträger gestellt. Meine Kolleginnen und Kollegen im Archiv haben zumindest rückwirkend prüfen zu können, ist ein berech- alle in der einen oder anderen Art an diesem Werk mitge- tigter Anspruch einer jeden Bürgerin und eines jeden Bür- wirkt. Verschiedene Kolleginnen und Kollegen in benach- gers. Diese Art von Transparenz dient dem Rechtsstaat, der barten Archiven haben Bildmaterial zur Verfügung gestellt Rechtsgleichheit und der Verwirklichung der Menschen- und Auskünfte erteilt. Ein herzliches Dankeschön gilt auch rechte. Walter Nigg, der von unseren Mitarbeiterinnen und Mitar- Eine enorme Herausforderung für die Archive ist beitern Kurzporträts gemacht hat – vorausgegangen waren schliesslich die Neucodierung der Sprache im elektroni- jeweils einstündige Interviews. Abgesehen von einer strik- schen Zeitalter. Wir Archivare stehen vor ungeheuren He- ten Vorgabe bei der Textlänge und einigen inhaltlichen rausforderungen: Wir wissen nur, dass wir die Herausfor- Präzisierungen konnte er frei schreiben. Ein grosses Dan- derungen bewältigen müssen, aber wir wissen noch nicht keschön geht auch an das Landesmuseum bzw. an Sven wie. Elektronische Daten sind flüchtig und müssen immer Beham, der im Zeichen der partnerschaftlichen Zusam- wieder neu gesichert werden. Das elektronische Gedächt- menarbeit zwischen Landesmuseum und Landesarchiv nis ist sehr leistungsfähig, muss aber sorgfältig gepflegt viele gute Fotos erstellt hat. Ebenso geht ein herzlicher werden. Möglicherweise wird auch die Computersprache Dank an das Atelier Silvia Ruppen für die liebevolle grafi- in Zukunft immer wieder neu codiert werden; die entspre- sche Gestaltung. chenden Codes müssen bekannt sein und beherrscht wer- Paul Vogt, Staatsarchivar den, wenn eine dauerhafte Archivierung möglich sein soll. Auf die Archive wartet wohl tatsächlich ein so fundamen- taler Wandel wie beim Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit der Sprache. Unser Team – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesarchivs Unsere Institution

Unser Leitbild 4. Wir erbringen Dienstleistungen I 13 für die Landesverwaltung Das Leitbild bildet einen Orientierungsrahmen, der uns bei der Überprüfung unserer Aufgabenerfüllung und der Fest- Wir sind auf eine gute partnerschaftliche Zusammenar- legung der mittel- und kurzfristigen Ziele helfen soll. Alle beit angewiesen. Unsere Aufgaben können wir nur dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ihre Ideen ein- rationell und qualitativ gut erbringen, wenn wir bereits bei bringen können. der Entstehung des Schriftguts beratend auf die Organisa- tion und Erschliessung der Unterlagen Einfluss nehmen können. 1. Wir leisten einen wichtigen Beitrag Wir erbringen wichtige Dienstleistungen für die Ver- zur Entwicklung des Rechtsstaats waltung und erwarten dafür, dass auch unsere Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden. Wir haben eine Vermittlungsfunktion zwischen den staat- lichen Organen auf der einen Seite und der Forschung und der Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Das Archiv macht 5. Wir sind verantwortlich für eine systematische die Entscheidungen der staatlichen Entscheidungsträger Überlieferungsbildung langfristig nachvollziehbar und stärkt damit das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Demokratie. Mit der Übernahme der bei den staatlichen Entschei- dungsträgern nicht mehr ständig benötigten Unterlagen entlasten wir die staatlichen Behörden. Wir stellen eine 2. Wir erhalten einmaliges Kulturgut systematische Überlieferung der staatlichen Unterlagen sicher. Das Landesarchiv baut Brücken zwischen Vergangenheit, Die übernommenen Unterlagen werden von uns in Ab- Gegenwart und Zukunft. Erst durch die Auseinanderset- sprache mit den abliefernden Behörden systematisch be- zung mit der historischen Überlieferung wird uns die ge- wertet: Aufgrund der Aufgaben der Behörden analysieren schichtliche Bedingtheit unserer Gesellschaft bewusst. Das wir, welches die dauernd aufzubewahrenden Unterlagen uns anvertraute Archivgut ist wertvolles Kulturgut, das sind. durch nichts ersetzt werden kann. Die archivierten Unterlagen müssen authentisch sein, ihr Kerngehalt darf durch das Auswahlverfahren nicht ver- fälscht werden. Es muss immer erkennbar bleiben, in wel- 3. Wir orientieren uns an den Bedürfnissen chem Zusammenhang die Unterlagen entstanden sind. der Archivbenützerinnen und -benützer

Zufriedene Kunden sind uns wichtig. Wir geben qualifi- 6. Wir sichern den Zugriff auf die Archivalien zierte mündliche oder schriftliche Auskünfte und eine um- fassende Beratung. Wir ermöglichen einen raschen Zugriff Wir erschliessen die Archivalien nach internationalen Stan- auf die Findmittel und Archivalien. dards und mit moderner Technik. Die Erschliessung erfolgt Dürfen Archivalien aus rechtlichen Gründen nicht zur nach dem Grundsatz «einmal und gleich richtig». Verfügung gestellt werden, so informieren wir die Benüt- zerinnen und Benützer über die Hintergründe. Unsere Homepage wird regelmässig aktualisiert. 7. Wir sichern die Informationen und schützen Durch die Benützung der Unterlagen dürfen weder das Kulturgut vor Zerstörung schützenswerte Interessen des Staates oder Dritter beein- trächtigt noch die Archivalien selber gefährdet werden. Die langfristige Erhaltung des Archivguts erfolgt a) durch eine optimale Lagerung, b) durch Mikroverfilmung, c) durch Massenentsäuerung und d) durch das Restaurieren von einzelnen, besonders wert- vollen Dokumenten. Unsere Institution

14 I 8. Wir sorgen uns um die elektronischen Unterlagen 12. Wir pflegen Partnerschaften des Staates Neben der staatlichen Verwaltung und den Benützerinnen Auch in der Landesverwaltung werden immer mehr Un- und Benützern sind auch Gemeinden, Pfarreien, zielver- terlagen nur noch in elektronischer Form produziert. Un- wandte Vereine und Institutionen wichtige Partner. Wir sere Aufgabe ist es, zusammen mit den Amtsstellen für die bieten ihnen unsere Unterstützung bei der Organisation Archivierung elektronischer Unterlagen dauerhafte Lö- und beim Aufbau ihrer eigenen Archive an. sungen zu finden. Mit zielverwandten Institutionen arbeiten wir zusam- men und unterstützen sie in ihren kulturellen Projekten und bei der landeskundlichen Forschung. 9. Wir kümmern uns auch um nicht-staatliches Im Rahmen unserer Möglichkeiten beteiligen wir uns Archivgut an der Bildungsarbeit und der regionalen Geschichtsfor- schung. Unser Auftrag ist in erster Linie der Nachweis des staatli- Für die berufliche Weiterbildung und den fachlichen chen Handelns. Wir setzen uns aber auch für die Siche- Austausch sind Berufsverbände und Berufskollegen unsere rung nicht-staatlichen Archivguts ein, soweit dies im öf- wichtigsten Partner. fentlichen Interesse ist. Privatpersonen und nicht-staatli- August 2003 che Institutionen können ihr archivwürdiges Schriftgut bei uns hinterlegen.

10. Wir sammeln und dokumentieren

Zur Ergänzung der staatlichen Unterlagen bauen wir ge- zielt Sammlungen und Dokumentationen auf, soweit dies im öffentlichen Interesse ist (Handbibliothek, Presseaus- schnitte, audiovisuelle Medien, Quellen in anderen Archi- ven usw.)

11. Wir arbeiten teamorientiert und mit hohem Qualitätsbewusstsein

Kompetenz, Genauigkeit und Zuverlässigkeit sind unab- dingbare Voraussetzungen zur Erfüllung unserer Aufga- ben. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter arbeitet im übertragenen Aufgabenbereich weitgehend selbständig und eigenverantwortlich. Die Schaffung optimaler Arbeitsbedingungen ist einer- seits die Aufgabe der Archivleitung, andererseits trägt auch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter dafür ein Stück Mitverantwortung. Gute interne Kommunikation und ge- genseitige Unterstützung sind wesentliche Voraussetzun- gen für ein gutes Betriebsklima. Die Weiterbildung in archivspezifischen und allgemein bildenden Bereichen ist erwünscht. Für neue Probleme sol- len Lösungen im fachlichen Gespräch gesucht werden. I 15

Grafische Umsetzung des Leitbildes (2009) Unsere Institution

16 I Archivstatistik

1985 1990 1995 2000 2005 2006 2007 2008 Jahresrechnung Personalkosten 266‘403 318‘256 442‘950 530’932 645’818 615’594 620’749 649’628 Sonstiger laufender Aufwand (ohne Gebäudeunterhalt, ohne Investitionen) 61‘215 142‘466 88‘902 130’730 284’337 287’122 352’123 334’650

Personal Anzahl bewilligte Stellen 3,5 3,7 4 6 6,5 6,5 6,5 6.5 Anzahl fest angestellte Personen 4 5 6 109999

Archivalienzugang Gesamtbestände in Laufmetern (ca.) 2’500 3’500 4’500 5’500 6’500 6’600 6’700 7’000 Anzahl der Zugänge insgesamt 16 24 156 481 500 412 435 451 Zuwachs in Laufmetern 245 239 248 196 225 Anzahl der ablieferungspflichtigen Behörden (ohne Kommissionen, ohne Abteilungen in Ämtern) 79 81 79 79 Anzahl Amtsstellen, die abgeliefert haben 6 10 19 47 34 35 35 34 Zuwachs Handbibliothek (Titel) 98 115 93 82 93

Erschliessung Erschliessung insgesamt (Verzeichnungseinheiten in DB) 0 0 200’000 620’000 857’418 900’759 938’563 993’810 Neuerschliessung (Verzeichnungseinheiten in DB) 0 0 50’000 55’000 48’000 43’341 38’158 56’171

Benützung Anzahl Benützer (ohne Landesverwaltung) 135 97 113 138 114 100 Anzahl Benützertage (ohne LLV) 422 565 365 219 220 244 314 363 Ausnahmebewilligungen (Ansuchen) 2638727 Vorlage von Akten im Benutzerraum (ohne LLV) 1228 523 838 968 794 972 Ausleihen an Private (in der Regel Fotos) 372 402 486 109 216 Ausleihen innerhalb der Landes- verwaltung 531 597 938 1’293 1’133 1’191 1’528 Schriftliche Auskünfte ca. 60 ca. 120 ca. 130 318 424

Sicherung, Konservierung Erstellte 35-mm Mikrofilme 57 42 167 198 290 209 248 189 Aufnahmen 35-mm Filme 24’536 26’082 103’540 178’480 246’306 187’658 248’821 180’153 Erstellte 16-mm Mikrofilme 2 246 80 93 76 182 186 154 Aufnahmen 16 mm-Filme 7’700 614’700 177’000 241’800 169’945 232’259 480’049 350’038

Massenentsäuerung (in Kilogramm) 00001’213 1’531 1’496 1’450 Archivgeschichte I 17

Die Geschichte eines Archivs besteht nicht nur aus der Ge- schichte der Unterbringung der Archivalien. Archivge- schichte aufzuarbeiten bedeutet auch Aspekte wie die Überlieferungsbildung und die Erwerbungspolitik, die Er- schliessung der Archivalien, die Personalentwicklung, die Infrastruktur, das Archivrecht, das Recht auf den Zugang zum Archiv und die Nutzung der Archivalien zu reflek - tieren.

Überlieferungsbildung

Das Landesarchiv blieb glücklicherweise von Krieg sowie Brand- und Wasserkatastrophen verschont, doch die wie- derholten Verkäufe der beiden Herrschaften Vaduz und Schellenberg beim Wechsel der Landesherren wirkten sich auf die Überlieferung verheerend aus. Grundlegende Do- kumente zur Landesgeschichte wurden in den zentralen Archiven der Landesherren aufbewahrt. Die alten Grafen- geschlechter der Montfort, Werdenberg, Brandis, Sulz und Die Informationen im Landesarchiv befinden sich auf unterschiedlichen Datenträgern. Die meisten Sorgen macht die Archivierung der elektronischen Daten. Hohenems sind längst ausgestorben. Ihre Archive gingen verloren oder gelangten an adelige Rechtsnachfolger, deren Archive – sofern überhaupt noch vorhanden – ver- streut in süddeutschen, österreichischen und tsche- chischen Archiven zu finden sind. Auf Umwegen gelangten einige dieser Archivbestände schliesslich auch in öffent - liche Archive. Wenn sie durch glückliche Umstände erhal- ten blieben, enthalten diese Bestände vor allem Dokumente zur Familiengeschichte. Die Geschichte der beiden Land- schaften Vaduz und Schellenberg findet darin kaum Er- wähnung (vgl. Kapitel Liechtensteinensia in ausländischen Archiven). Es gibt vereinzelte Hinweise, dass auch die beiden ehe- maligen Landschaften Vaduz und Schellenberg eigene Ar- chive hatten, doch haben sich davon nur kümmerliche Reste erhalten. Diese befinden sich zum Teil im Landesar- chiv, zum Teil im Gemeindearchiv Schaan. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die staatliche Überlieferung weitgehend ungestört. Verluste gab es vor allem durch unkontrollierte Aktenvernichtungen bei ein- zelnen Amtsstellen, die in der Regel mit grossen Mängeln in den Registraturen und einer geringen Wertschätzung zusammenhingen. Die Bewertung stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme im Landesarchiv dar. Tendenziell wird zuviel aufbewahrt, was – wie bei den meisten Archiven, die nicht dazu gezwungen werden – auf eine Verunsicherung zurückzuführen ist, was wirklich dauernd aufbewahrungs- würdig ist. Seit den 1980er Jahren kümmert sich das Landesarchiv auch um die Überlieferung privater Bestände, die wertvolle Ergänzungen zu den staatlichen Beständen enthalten. Von der Möglichkeit, Unterlagen von landesweiter Bedeutung im Landesarchiv zu deponieren, haben vor allem Vereine und Verbände, die auf Landesebene organisiert sind, Ge- brauch gemacht. Unsere Institution

18 I Archivbauten der Dokumente, der für die Verwaltung nicht mehr ge- braucht und deshalb nicht als wertvoll betrachtetet wurde, Die Landesherren residierten nur in wenigen Phasen der blieb in den Gewölben auf Schloss Vaduz und verkam. Ein Landesgeschichte auf Schloss Vaduz. Dort befand sich aber Rest davon wurde 1904 bei Restaurationsarbeiten am bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Sitz des Oberamts, Schloss gefunden und von Egon Rheinberger dem Regie- die Kanzlei und das Archiv. Dokumente, die der Sicherung rungsarchiv übergeben. der Rechtsansprüche der Landesherren oder der Land- 1855 wurde die fürstliche Taverne «Zum Adler» auf ge- schaften dienten (Verträge, Lehenbriefe, Urbare, Ent- lassen und in Amtsräume umgebaut. Während genau scheidungen bei Grenzkonflikten, Urfehdebriefe etc.), wur- 50 Jahren diente darauf dieses Gebäude als erstes Regie- den in einer eisenbeschlagenen Truhe aufbewahrt. rungsgebäude. Obwohl durch keine schriftlichen Quellen Die ersten überlieferten Vorschriften über das Archiv belegt, ist anzunehmen, dass die Behörden ihre Unterla- enthält die Dienstinstruktion von 1719. Dort wird erwähnt, gen, soweit sie diese nicht vernichteten, jeweils in den dass das Archiv vor der Erhebung zum Fürstentum in Kanzleiräumen oder in Nebenräumen aufbewahrten. Ar- einem feuchten Gewölbe auf Schloss Vaduz aufbewahrt chivräumlichkeiten müssen sich daher auch im sogenann- worden sei, danach aber in zwei besser geeignete Räume ten Ständehaus befunden haben, das 1866/67 als Land- gebracht wurde. Diese waren mit Holzkästen ausgestattet tags- und Landgerichtsgebäude erbaut wurde. Nach der und sollten zum Schutz gegen Feuer mit eisernen Türen Fertigstellung des heutigen Regierungsgebäudes im Jahre und Fensterläden versehen werden. 1905 fanden dann für einige Jahre alle drei Gewalten im 1808 wurde die Amtskanzlei in der Landvogtei (heute neuen Regierungsgebäude Platz. Keller und Estrich wur- Verweserhaus) eingerichtet. Dort wurde ein eigener Ar- den zur Unterbringung der Akten genutzt. chivraum angebaut, der wiederum mit einer eisernen Tür Ein grosser Schritt vorwärts in der Archivgeschichte und eisenbeschlagenen Fenstern gesichert wurde. Ein Teil war die Errichtung des ersten Archivgebäudes von 1961. In

Skizze des Amtsquartiers in Vaduz, 1809 diesem Neubau befand sich jedoch nicht nur das Archiv, 1977 erfolgte der erste Erweiterungsbau. Durch eine I 19 dort mussten auch die Garagen für die Landespolizei, die Aufstockung des Gebäudes und eine kleine rückseitige Er- neu eingerichtete Pressestelle, das Amt für Statistik und weiterung des Gebäudes konnten die Regalflächen auf die Motorfahrzeugkontrolle untergebracht werden. Als der 3250 Laufmeter vergrössert und damit fast verdreifacht Platzbedarf dieser Ämter wuchs, wurden für sie neue Un- werden. Erstmals wurden ein separater Büroraum für den terbringungsmöglichkeiten gefunden, doch die frei wer- Landesarchivar und ein Benutzerraum eingerichtet. Nach denden Räume wurden leider nicht für das Archiv genutzt, der Anstellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters vielmehr wurde hier die neue Telefonzentrale einquartiert. wurde der Benutzerraum bereits 1981 in ein zweites Büro So gross der Fortschritt für das Archiv 1961 gewesen sein umfunktioniert. Die übrigen Mitarbeiter und die Archivbe- mag, eine zukunftsträchtige Lösung war es nicht. Das Ma- nutzer erhielten bis auf weiteres Arbeitsplätze in den Ma- gazin mit 1200 Laufmetern Regalfläche war ausschliess- gazinen. lich für die Unterbringung der Regierungsakten konzipiert. Die Geschichte wiederholte sich: So glücklich und stolz Ein Arbeitsraum für den Archivar fehlte; erst 1973 wurde der Landesarchivar über die Archiverweiterung von 1977 «ein eigentlicher Arbeitsplatz mit Schreibtisch etc.» (eine war, das Glück war nicht von Dauer. Mit viel Mühe und Formulierung aus dem Rechenschaftsbericht) eingerichtet Überredungskunst schaffte er es Mitte der 1980er Jahre, – nicht etwa in einem separierten Büro, sondern im Maga- die Drucksachen der Regierung und des Landtags aus den zin. Das scheinbar grosszügige Magazin wurde zudem von Archivmagazinen hinauszubringen. Internationale Druck- Anfang an mit Drucksachen aus der Verwaltung voll ge- sachen, die in grossen Mengen bei verschiedenen Behör- stopft, so dass die Klagen über den Platzmangel im Archiv den eingingen und meist wahllos an das Landesarchiv ab- einsetzten, noch bevor die systematischen Aktenabliefe- gegeben worden waren, wurden vernichtet. Doch die rungen durch die Behörden begannen. Vom Landgericht Raumbedürfnisse waren damit keineswegs gelöst. Man war noch nie abgeliefert worden. träumte von einer grossen Lösung, einem Archivneubau,

«Partie aus Vaduz (das sogenannte heilig Kreuz) wie es war anno 1865» Unsere Institution

20 I musste sich statt dessen aber immer wieder mit kleinen, des Archivgebäudes nicht mehr für Polizeiautos gebraucht. aber keineswegs billigen Zwischenlösungen zufrieden An ihrer Stelle entstand ein weiteres Magazin, womit noch- geben. 1991 wurden die Garagen des Regierungschefs und mals 1500 Laufmeter Stellfläche gewonnen waren. Um das des Vizeregierungschefs im Erdgeschoss des Archivge- Raumklima einigermassen archivtauglich zu machen, bäudes zu einem weiteren kleinen Magazin umgebaut. musste im Folgejahr eine Lüftung eingebaut werden. Wieder waren 1000 Laufmeter Regalfläche gewonnen, Und dann kam es doch noch zur lang ersehnten gros- dafür mussten der Regierungschef und sein Stellvertreter sen Lösung: Im Jahr 2000 erbrachte der Wettbewerb für ihre Autos im Freien parkieren. den Neubau eines Landtagsgebäudes eine Lösung, die 1993 wurde der Bau eines Landtagsgebäudes mit einer ortsbaulich förmlich nach einer Fortsetzung und einem Ab- Hangfussbebauung, in die auch das Landesarchiv inte- schluss der Hangfussüberbauung verlangte. Für das Lan- griert werden sollte, in einer Volksabstimmung wuchtig ab- desarchiv ergab sich damit eine neue Chance. Neben den gelehnt. Der Traum vom schönen neuen Archiv war vor- Archivaren setzten sich nun auch die Ortsplaner und Poli- erst geplatzt. 1994 folgte deshalb ein weiteres Provisorium: tiker für ein neues Archiv- und Verwaltungsgebäude ein. Nach der teilweisen Verlegung der Telefonzentrale wurden Dank der guten Finanzlage des Landes ging dieses Projekt im ersten Stock ein Empfangsraum mit drei Arbeitsplätzen praktisch diskussionslos über die Bühne. und ein Benutzerraum mit vier Arbeitsplätzen eingerich- tet. Zumindest im Hinblick auf die Sicherheit war dies ein grosser Fortschritt, wurde doch damit für die Benutzer eine Archivpersonal eigene, vom übrigen Archivbetrieb abgetrennte Zone ge- schaffen. Archivbenutzer haben seither nur noch in Be- Die Biographik nimmt in den Archivgeschichten meistens gleitung des Archivpersonals Zutritt zu den Magazinen. einen wichtigen Platz ein. Dies hat wohl vor allem damit zu Eine weitergehende Lösung, die auch den Einbau eines tun, dass Archivgeschichte meist in Festschriften aufgear- dringend erforderlichen Warenlifts vorgesehen hatte, beitet wird, in deren Mittelpunkt die Würdigung der Ver- wurde nicht realisiert, weil Aufwand und Nutzen in keinem dienste der altverdienten Direktoren steht. Doch ohne die sinnvollen Verhältnis standen. Menschen, die in den Institutionen gelebt und gearbeitet 1998 befand sich das Projekt Archivneubau in der Prio- haben, wird die Geschichte der Archive nicht lebendig. ritätenliste der staatlichen Neubauten nur noch in der drit- Der erste Staatsarchivar war Robert Allgäuer. Er trat ten Kategorie – also in der Kategorie der längerfristig zu nach einer kurzen Bibliotheksausbildung am 1. Januar realisierenden Neubauten, für die kein akuter Bedarf be- 1961 seinen Dienst an. In seinen zwölf Dienstjahren kon- stand. Angesichts der existierenden Raumprobleme ent- zentrierte er sich weitgehend auf den Aufbau der neuen schloss man sich zu einer weiteren Zwischenlösung: Nach- Landesbibliothek; für das Landesarchiv blieb ihm kaum dem für die Landespolizei ein eigenes Polizeigebäude er- Zeit, obwohl er immer gerne Impulse für kulturelle Aktivi- stellt worden war und diese aus dem Regierungsgebäude täten gab. So unterstützte er beispielsweise auch die Fa- ausziehen konnte, wurden die Garagen im Erdgeschoss milienforschung von Pfarr-Resignat Fridolin Tschugmell

Erstes Landtagsgebäude, altes Regierungsgebäude, Verweserhaus und Schloss Vaduz um 1905 Pfarrkirche, ca. 1940 nach Kräften. In den Sommermonaten arbeiteten jeweils I 21 Studenten im Archiv, die minimale Ordnungs- und Er- schliessungsarbeiten leisten konnten. Im Wesentlichen waren sie während ihres Praktikums sich selbst überlas- sen. Archivbenützer meldeten sich in der Landesbibliothek und erhielten dann den Schlüssel zum Archiv. 1972 wurde Robert Allgäuer zum fürstlichen Kabinettskanzleidirektor bestellt und verliess den Staatsdienst. Laufende Kosten LA im Vergleich übernahm am 1. Dezember 1972 die Leitung des Landesarchivs und der Landesbibliothek. Ihm Ein Vergleich der laufenden Kosten des Landesarchivs mit kommt das Verdienst zu, dass er die bestehenden Defizite den laufenden Gesamtausgaben des Staates bringt ein inte- im Archiv erkannte und gegenüber der Politik auch deut- ressantes Ergebnis: Die Kurven verlaufen synchron, der lich zum Ausdruck brachte. Im Rechenschaftsbericht der Anteil des Landesarchivs betrug immer ein Promille der Regierung findet sich 1972 erstmals ein Jahresbericht des Gesamtausgaben. Bei den Sachaufwendungen führten die Landesarchivs. Dieser bestand im Wesentlichen in einem Massenentsäuerung und das Projekt «Filmdokumentation dringenden Appell zu einer umfassenden Reorganisation Liechtenstein» zu einer deutlichen Ausgabensteigerung. des Archivwesens. Um die Archivarbeit kennen zu lernen, besuchten Hans Brunhart und sein provisorisch angestell- ter Mitarbeiter Alois Ospelt die Staats- bzw. Landesarchive in St. Gallen, Chur, Glarus und Bregenz. Eine eigentliche Archivausbildung absolvierte auch er nicht. Für die Durch- setzung von effektiven Verbesserungsmassnahmen blieb Hans Brunhart schliesslich keine Zeit: Nach den Land- tagswahlen von 1974 wurde er am 27. März zum Regie- rungschefstellvertreter gewählt. Deutliche Spuren hinter- liess er bei den Landtagsakten. Dort führte er ein neues Ordnungssystem ein, nach dem auch die älteren Akten ge- ordnet wurden. Sein Nachfolger Dr. Alois Ospelt hatte schon 1973 vo- rübergehend im Landesarchiv gearbeitet, dann aber für ein Jahr als Lehrer ans Liechtensteinische Gymnasium ge- wechselt. Am 1. August 1974 übernahm er die Leitung der Landesbibliothek und des Landesarchivs. Alois Ospelt ist promovierter Historiker und als solcher brachte er we-

Bis 1994 arbeiteten Archivbenutzer an improvisierten Arbeits plätzen an einer Fensterbank im Magazin. Im Bild Dr. Rupert Quaderer, der vor 20 Jahren seine Das alte Archivgebäude nach der Erweiterung von 1977 Notizen noch in Zettelkästen festhielt. Unsere Institution

22 I sentlich bessere Voraussetzungen mit als seine Vorgänger. Er leitete die Landesbibliothek und das Landesarchiv wäh- rend insgesamt 27 Jahren, bis er am 5. April 2001 zum Re- gierungsrat gewählt wurde. Sein Nachfolger wurde mit Wirkung ab 1. Mai 2002 der damalige Stellvertreter Paul Vogt. Lange Jahre beschäftigte das Landesarchiv neben dem Landesarchivar nur provisorisch angestelltes Personal. 1980 wurde ein Mitarbeiter für die neu eingerichtete Mi- Von oben nach unten: Robert Allgäuer, Hans Brunhart, krofilmzentrale angestellt – bis 1991 hatte dieser auch die Dr. Alois Ospelt interne Druckerei zu betreuen. 1981 wurde ein Historiker als wissenschaftlicher Mit- arbeiter angestellt. Seit diesem Zeitpunkt ist das Archiv permanent besetzt und für Benutzende stets ein An- sprechpartner da. Der weitere personelle Ausbau des Ar- chivs erfolgte in kleinen, aber kontinuierlichen Schritten. Bewilligt wurden jeweils neue Halbtagsstellen, die fast aus- schliesslich mit Frauen besetzt wurden. Diese brachten keine einschlägige fachliche Ausbildung mit und wurden in ihr jeweiliges Aufgabengebiet eingearbeitet. Sehr erfreu- lich war, dass sie dem Archiv in der Regel viele Jahre treu blieben. Von ihrem Fleiss bei der Erschliessungsarbeit, ihrer Erfahrung und ihrem Wissen profitieren gegenwär- tige und künftige Archivbenutzende. Auch der Archivleiter und sein Stellvertreter verfügten bei ihrem Stellenantritt über keine spezielle akademische Ausbildung im Archivwesen. Dies schien in den 1970er und 80er Jahren auch noch nicht nötig; Historiker wurden für diese Aufgabe als ausreichend qualifiziert erachtet. Die berufliche Qualifikation erarbeiteten sie sich dann einer- seits im Selbststudium, andererseits durch den Besuch von Aus- und Weiterbildungskursen, die vom Verein Schwei- zerischer Archivare (VSA) angeboten werden. Mehrfach genutzt wurden auch die Angebote der Archivschule Mar- burg. 2007 besuchte der Staatsarchivar den Stage Techni- que International d’Archives (STIA) in Paris, sein Stellver- treter absolviert gegenwärtig ein Masterstudium in Infor- mationswissenschaft in Bern (Master of Advanced Studies in Archival and Information Science). Die 2009 angestellte Leiterin der Abteilung Sammlungen und Mikrofilm ist eine promovierte Historikerin, die zusätzlich eine Archivausbil- dung an der Archivschule in Marburg durchlaufen hat.

Archivrecht

Seit die Erledigung von Verwaltungsgeschäften verschrift- licht wurde, war der Verwaltung auch die Bedeutung eines gut geordneten Archivs bewusst. Es erstaunt daher nicht, dass schon früh rechtliche und organisatorische Bestim- mungen für Registratur und Archiv erlassen wurden. Die Dienstinstruktion von 1719 beschrieb nicht nur die Aufga- ben des Landschreibers, der für das Archiv zuständig war, sie schrieb auch detailliert vor – in einem eigenen Ab- schnitt mit sechs Paragrafen –, wie die Archivalien zu ord- nen waren. Die Dokumente sollten in drei Kästen einge- ordnet werden, die ihrerseits in insgesamt 82 Rubriken un- terteilt waren. Diese detaillierten Ordnungsvorschriften I 23 waren allerdings eher theoretischer Natur, die Realität war eine andere. Im 19. Jahrhundert fehlten explizite Rechtsvorschriften für die Archivierung der Unterlagen der Landesbehörden. Ein Grund dafür mag sein, dass die Verhältnisse klein und übersichtlich waren. Für die Verwaltungspraxis hatten spe- zialgesetzliche Bestimmungen Bedeutung, die zur Erledi- gung bestimmter staatlicher Aufgaben die Verwendung be- sonderer Formulare oder Bücher vorschrieben. Beispiele für solche archivrelevanten Vorschriften sind Bestimmun- Dienstinstruktion von 1719 gen für die Exhibitenprotokolle, das Grundbuch, die ver- schiedenen Kataster und die Rentamts-, Vormundschafts- oder anderen Rechnungen. Für die Gemeindearchive enthielt das Gemeindegesetz von 1864 Vorschriften über die Führung der Rechnungen und Journale. Eigentliche Gemeindearchive waren noch nicht bekannt. Wie das Beispiel Triesen zeigt, wurden die wichtigen Dokumente der Gemeinden in Holztruhen ver- wahrt, die beim Vorsteher oder Richter aufbewahrt wur- den. In § 112 des neuen Gemeindegesetzes wurden die Ortsvorsteher verpflichtet, die Wertpapiere, die Rechtsvor- schriften, die Gemeindeurkunden und die Unterlagen über die Geschäftserledigungen bei sich zu Hause aufzubewah- ren und unter Verschluss zu halten. 1957 erliess die Re- gierung – aus heutiger Sicht allerdings ohne die dafür not- wendigen gesetzlichen Rechtsgrundlagen – ein Reglement für die Gemeindearchive. Die darin enthaltenen Grund- sätze belegen, dass Regierungschef ein ausgeprägtes historisches Bewusstsein hatte und ihm der Schutz der Archivalien ein echtes Anliegen war. Fridolin Tschugmell, der in diesen Jahren viele Gemeinde- und Pfarrarchive ordnete, dürfte den Anstoss für dieses Regle- ment gegeben haben. Die Gemeinden wurden zur Ein- richtung von Archiven verpflichtet, den jeweiligen Vorste- hern wurde die Verantwortung dafür übertragen. Das Re- glement enthielt auch die Bestimmung, dass die Unterla- gen nur für wissenschaftliche Forschung und nur in den Amtsräumen genutzt werden durften. Die Gemeindeauto- nomie wurde durch dieses Reglement stark tangiert, was aber nicht weiter thematisiert wurde: Einerseits wurden die Gemeindearchive der Oberaufsicht der Regierung un- terstellt, andererseits waren Landesbeiträge in der Höhe von 70% für die Einrichtung der Gemeindearchive vorge- sehen (worunter meist auch die Arbeit von Tschugmell ver- standen wurde), was bei den Gemeinden das kulturelle Verständnis massiv ansteigen liess. 1975 erliess die Regierung auf Antrag des kurz zuvor neu bestellten Landesarchivars Alois Ospelt eine Verord- nung über das Landesarchiv. Diese orientierte sich stark an vergleichbaren Verordnungen in der Schweiz. Die Ver- ordnung regelte alle relevanten Fragen: Sie legte die Auf- gaben des Landesarchivs fest, bestimmte dieses als «zen- trale Sammelstelle» der dauernd wertvollen Unterlagen aller staatlichen Behörden und regelte damit die Abliefe- rungspflicht. Der freie Zugang zu den Archivalien (unter Beachtung der einzuhaltenden Sperrfristen) wurde schon Unsere Institution

24 I früher praktiziert, wurde nun aber erstmals als Recht auf Zugang zu den Archivalien ausformuliert. Die Verordnung von 1975 regelte die wesentlichen Ar- chivfragen in einem zeitgemässen Sinn, hatte aber einen wesentlichen rechtlichen Mangel: Es war eine Verordnung ohne ausreichende gesetzliche Grundlage. In einem ge- waltenteiligen Rechtsstaat muss die Verpflichtung der ge- setzgebenden und rechtsprechenden Gewalt zur Abliefe- rung ihrer Unterlagen an eine Verwaltungsbehörde in Schapyrograph, eines der ersten Geräte zur Vervielfältigung von Schrift- einem Gesetz geregelt werden, eine blosse Verordnung stücken (hergestellt seit den 1920er Jahren) reicht nicht. Ebenso muss das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Archiven (inklusiv der Einschränkungen durch Sperr- oder Schutzfristen) zumindest in den Grund- zügen auf Gesetzesstufe geregelt werden. Diese grundle- genden Mängel wurden durch das Archivgesetz von 1997 behoben. Die heute gültigen Rechtsvorschriften für das Landesarchiv (und die Gemeindearchive) finden sich in der Verordnung vom 10. Januar 1995 über die Registraturen in der Landesverwaltung (LGBl. 1991 Nr. 117), im Archiv- gesetz vom 23. Oktober 1997 (LGBl. 1997 Nr. 215) und in der Benützungsverordnung für das Landesarchiv vom 13. Juli 1999 (LGBl. 1999 Nr. 151). Seit Erlass des Archivge- setzes ist als grundsätzlich neue Problematik der Daten- schutz dazu gekommen (vgl. gesondertes Kapitel über das Archivrecht).

Schriftgutverwaltung

Die wichtigste Voraussetzung, dass Archive überhaupt ge- bildet werden können, ist die Schriftlichkeit in der Verwal- tung. Wie die Behörden dann ihre Dokumente verwalten, ob beispielsweise zusammengehörende Dokumente in Gerät zur Vervielfältigung von Schriftstücken. Akten zusammengeführt und im Rahmen eines Ordnungs- systems registriert werden, ob Verzeichnisse über die vor- handenen Unterlagen angelegt werden, ob Akten vernich- tet oder aufbewahrt werden, all das hat einen entschei- denden Einfluss auf die Tätigkeit der Archivare. Die Arbeit der Archivare beginnt nicht erst im Archiv; sie begleiten vielmehr den gesamten Lebenszyklus der Unterlagen. Die Ausfertigung der Dokumente und die Betreuung von Registratur und Archiv war bis ins 18. Jahrhundert Auf- gabe des Landschreibers in der Kanzlei. Neben diesen Kanzleigeschäften hatte er Gerichtsfunktionen: Er fertigte Urteile aus, setzte für die Untertanen Verträge und Testa- mente auf und führte Verlassenschaftsinventuren und Erb- teilungen durch. Aus der Zeit um 1720, also kurz nach der Erhebung der beiden Herrschaften zum Reichsfürstentum, stammt das älteste Archivverzeichnis: das «Repertorium der im Hochfürstlichen Schloss Hochen Liechtenstein- schen Archiv befindlichen Documenten, Acten undt Schrif- ten». Viele der damals vorhandenen Unterlagen gingen lei- der verloren, aber schon der Hinweis auf einmal vorhanden gewesenes Schriftgut ist interessant, da sich daraus mini- male Informationen über die Geschäfte ergeben. Im späten 18. Jahrhundert wurde der Titel Landschrei- ber durch den Titel Amtsschreiber ersetzt. Seine Aufgaben beschränkten sich nun auf die Kanzleiaufgaben. Der älteste schnur. Bei der Regierung und beim Landgericht beruhte I 25 Bestand der Oberamtsakten ist nach einem Ordnungssys- die Schriftgutverwaltung auf österreichischen Grundsätzen tem geordnet, das von Landvogt Franz Xaver Menzinger und Traditionen. Es bestanden klare Richtlinien, welches im ausgehenden 18. Jahrhundert eingeführt wurde. Der Schriftgut erfasst und nachgewiesen werden musste. Diese Landvogt dürfte die wichtigen Unterlagen persönlich ge- Grundsätze wurden im 20. Jahrhundert bei den neu ent- ordnet und «rubriziert» haben – ein grosser Teil der Doku- stehenden Amtsstellen immer weniger oder gar nicht mehr mente trägt Rückvermerke in seiner Handschrift, die über beachtet. Das Registrieren und Nachweisen von Akten war den wesentlichen Inhalt Auskunft geben. mühsam und aufwendig und wurde nach und nach bei Nach der Erlangung der Souveränität im Jahre 1806 allen Amtsstellen aufgegeben. Nach 1921 gingen die öster- wurde der junge Josef Schuppler als Landvogt nach Vaduz reichischen Verwaltungstraditionen allmählich verloren geschickt (1808). Er reorganisierte die Registratur und das und die meisten Sachbearbeiter legten ihre Unterlagen Archiv. Die Akten wurden in einem Repertorium oder Index nach eigenem Gutdünken ab. Ordnungssysteme, die für erfasst. Zusätzlich wurde jedes eingehende Schriftstück ein ganzes Amt verbindlich waren, gab es kaum mehr. So- sowie die Art der Erledigung in einem Exhibiten- oder Ein- lange die Sachbearbeiter ihre Unterlagen (in der Regel) reichungsprotokoll vermerkt. Für Verwaltung und Justiz wieder fanden, genügte diese Ordnung. Auch die Trennung gab es getrennte Exhibitenprotokolle. Obwohl das Ord- von «lebender» Registratur und Archiv erschien nicht nötig. nungssystem in den nächsten 120 Jahren wiederholt ge- Jede Behörde archivierte oder vernichtete ihr Schriftgut ändert wurde, behielt man diese sehr aufwendige Art der nach eigenem Ermessen, was sich auf die Überlieferung Geschäftsprotokollierung in den Exhibitenprotokollen so- teilweise katastrophal auswirkte. In manchen Fällen wur- wohl bei der Regierung wie auch beim Landgericht bis den durch unsachgemässe Vernichtungsaktionen wertvolle 1930 bei. Mit den Exhibitenprotokollen war eine genaue Quellen vernichtet. Geschäftskontrolle gegeben, da darin jederzeit die Art der Je grösser die Amtsstellen wurden und je mehr Akten Erledigung der Eingänge ersichtlich war. produziert wurden, desto weniger befriedigte diese Art Re- 1815 erliess Fürst Johann I. von Liechtenstein eine gistratur. Bei den Ämtern wurden seit den 1970er Jahren «Vorschrift über die allgemeinen Pflichten und besonde- nur noch serielle Akten (in der Regel mit Hilfe von Kar- ren Obliegenheiten meiner Wiener Hofkanzley». Diese ent- teien) registriert. In den 1980er Jahren wurde dann unter hielt im Wesentlichen eine detaillierte Geschäftsordnung Mithilfe des Landesarchivs damit begonnen, für einzelne und schrieb den Aktenlauf, die Führung des Exhibitenpro- Amtsstellen Aktenpläne zu entwickeln. Da dies einen sehr tokolls und die Registrierung der Akten vor. Die Verant- grossen Aufwand erforderte, wurde ab 1991 vom Landes- wortung für das Archiv wurde dem «Registraturs Director» archiv nach deutschen Vorbildern ein landeseinheitlicher übertragen. Aktenplan entwickelt, der 1994 von der Regierung geneh- Diese Bestimmungen, die sich an den staatlichen bü- migt und in Kraft gesetzt wurde. Der Aktenplan wurde auch rokratischen Vorbildern in Österreich orientierten, dienten im Archivgesetz verankert, so dass die Amtsstellen ver- auch der Registratur und dem Archiv in Vaduz als Richt- pflichtet sind, ihre Unterlagen danach zu ordnen.

Die Anfänge der EDV in der Landesverwaltung liegen nicht weit zurück. Das Bild aus dem Jahr 1981 zeigt Norbert Brunhart beim Hochbauamt. Hubert Kaiser bei einem Eintrag ins Grundbuch im Jahr 1970 Unsere Institution

26 I Archivorganisation das Landesarchiv gebräuchlich war, wurde zwar dem um- fassenden Auftrag des Archivs nicht gerecht, sie umschrieb Die Liechtensteinische Landesbibliothek wurde am 5. Ok- die tatsächliche Funktion des Archivs jedoch treffend. 1962 tober 1961 per Gesetz als öffentlich rechtliche Stiftung ge- wurde bei der Regierungskanzlei eine vollzeitliche Regis- gründet – mit Bedacht wurde der 40. Jahrestag der Ver- traturstelle geschaffen. Aufgabe des Registrators bzw. der fassung gewählt, obwohl der Landesbibliothekar bereits Registratorin war es, die Regierungsakten zu registrieren, auf den 1. Januar dieses Jahres angestellt worden war. Mit zu archivieren und für die Mitarbeitenden der Regierung der Landesbibliothek wurde auch die Stelle eines Staats- bereit zu stellen. Die Registratorin hatte freien Zugang zum archivars geschaffen, dem die Leitung der Landesbiblio- Archiv, hob dort die Akten aus und legte sie zurück. Die thek übertragen wurde: «Als Bibliothekar der Stiftung Regierungskanzlei verwaltete nicht nur die Regierungs-, amtet der jeweilige Staatsarchivar.» (Art. 10 des ersten Bi- sondern auch die Landtagsakten und Landtagsprotokolle. bliotheksstatuts) Wie so viele Archive hat auch das Lan- Die Akten der Verwaltungsbeschwerdeinstanz (VBI) wur- desarchiv kein eigentliches Gründungsdatum: Wenn es den bis 1993 mit den Regierungsakten verbunden bzw. der denn aber für Jubiläen ein solches Datum brauchen sollte, Einfachheit halber in diese integriert. Auch der Staatsge- so kommt dieser 5. Oktober 1961 am ehestens in Frage. richtshof übergab seine Akten der Regierung zur Aufbe- Die Personalunion von Landesbibliothekar und Landesar- wahrung. Die Unterlagen der Gesandtschaften in Wien und chivar bestand genau 40 Jahre. Als Dr. Alois Ospelt im April Bern waren nach deren Auflassung der Regierung über- 2001 in die Regierung gewählt wurde, beschlossen Stif- geben worden. tungsrat und Regierung, die Leitung der Bibliothek einem Mit dem allmählichen personellen Ausbau des Archivs Landesbibliothekar zu übertragen und die beiden Institu- ab 1980 konnte sich dieses auch der Übernahme der Un- tionen Bibliothek und Archiv personell und organisatorisch terlagen der übrigen Landesbehörden zuwenden. Die Or- zu entflechten. ganisation des Landesarchivs blieb lange Jahre einfach. Die De facto blieb die Verantwortung für die Aufbewahrung einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten klar de- der Unterlagen auch nach der Schaffung der Stelle eines finierte Aufgabengebiete und Zuständigkeiten. Die ge- Staatsarchivars vorerst bei den für die Registratur verant- samten Leitungsfunktionen wurden direkt vom Staatsar- wortlichen Personen bzw. bei den aktenproduzierenden chivar zusammen mit seinem Stellvertreter wahrgenom- Stellen. Die Bezeichnung «Liechtensteinisches Regie- men. Die ständig steigenden Ansprüche an die Qualifika- rungsarchiv (LRA)», die bis zu Beginn der 1970er Jahre für tion der Mitarbeitenden bzw. die zunehmende Spezialisie-

Organigramm (Stand Juni 2009) rung bei den Aufgaben führten im Jahre 2008 dazu, dass chiv nur für einige wenige Sammlungen (Siegelkartei, I 27 im Archiv drei Abteilungen für das staatliche Archivgut, die Handbibliothek, Kartensammlung usw.) angelegt; sie spiel- Privatarchive und die Sammlungen gebildet wurden. ten für die Erschliessung der Archivalien eine untergeord- nete Rolle. Auch das Bestreben, sämtliche Neuzugänge bei der Aktenablieferung in listenförmigen Ablieferungsver- Erschliessung zeichnissen zu erfassen, war kein bleibender Erfolg. Ab Mitte der 1980er Jahre war klar, dass eine bessere Er- Im Landesarchiv sind sämtliche Bestände nach dem Pro- schliessung des Archivs nur mit einer Datenbank möglich venienzprinzip geordnet. Um den Entstehungszusammen- war. Die herkömmlichen Hilfsmittel – Karteien und Listen hang zu wahren, spiegelt die äussere Ordnung (Tektonik) – waren zu aufwendig und zu umständlich, als dass man die Struktur der aktenproduzierenden Stellen wider. Zu den damit ein Archiv mit beschränkten personellen Möglich- wenigen Ausnahmen gehören die sogenannten Sonder- keiten hätte effektiv erschliessen können. 1987 gelang der oder Separatfaszikel, die nach dem Vorbild der liechten- «Durchbruch»: Ein kleiner Atari mit einer Festplatte von steinischen Hofkanzlei in Wien wohl zu Beginn des 20. 20 MB wurde angeschafft, samt Drucker kostete diese An- Jahrhunderts gebildet wurden. Bei den Sonderfaszikeln schaffung immerhin 5000 Franken. Auch aus dem Blick- wurden die Akten zu bestimmten Themen (z.B. Einbürge- winkel der damaligen Zeit musste man sagen: ein be- rungen, Schulfaszikel, Baufaszikel, Spinnerei und Weberei scheidener Anfang, aber immerhin ein Anfang. Jenny Spoerry etc.) ausgehoben und zu einer neuen Der Appetit war geweckt, die Lust auf Mehr gross. 1991 Gruppe zusammengeführt. Sonderfaszikel sind somit Se- wurden diverse Standardprogramme für Archive evaluiert. lekte, die nach dem Pertinenzprinzip geordnet sind. Noch im gleichen Jahr wurde ein PC angeschafft, auf dem Was die Erschliessung betrifft, so werden nach Mög- das Programm ARCHIVAR (später in INOVAR umbenannt) lichkeit die Findmittel, die in den Registraturen entstanden installiert wurde. Bereits im nächsten Jahr wurde ein Netz- sind, genutzt. Um 1970 bestand einmal die Idee, dass die werk installiert. Dank dem personellen Ausbau des Archivs Regierungsindizes auf Karteikarten übertragen werden und zusätzlichen Aushilfskräften begann nun das, was ei- könnten, womit in einer fernen Zukunft ein Generalregis- nige Jahre später in grösseren Archiven und Bibliotheken ter geschaffen worden wäre. Diese Idee wurde, nachdem als «Retrokonversion von Findmitteln» bekannt wurde: das einige tausend Einträge auf Karten übertragen worden mühsame Abschreiben von hunderttausenden von hand- waren, wieder aufgegeben. Karteien wurden im Landesar- schriftlichen Einträgen aus den alten Indizes von Regie-

Das älteste Archivverzeichnis (ca. 1720): das Repertorium zum ehemaligen Schlossarchiv Unsere Institution

28 I rung, Landtag, Landgericht und Amtsstellen. Wegen di- Benutzerzahlen vor. Das Archiv wurde sporadisch für grös- versen Problemen bei der Herstellerfirma war im Jahre sere Arbeiten wie historische Dissertationen über längere 2003 die Ablösung des INOVARs unausweichlich. Wieder Zeitabschnitte benutzt. entschied sich das Landesarchiv für ein Standardpro- Die Archivstatistik zeigt, dass sich die Benutzerzahlen gramm, diesmal für ScopeArchiv, das bereits von führen- seit 1980 nicht grundlegend geändert haben. Das Archiv den Archiven in der Schweiz und Österreich eingesetzt wird jährlich von gut 100 verschiedenen Personen genutzt, wurde. Die Archivstatistik zeigt, wie rasch die eingesetz- die Benützertage bewegen sich in der Regel zwischen 220 ten Datenbanken «gefüttert» wurden. Dank einer kontinu- und 350. Die Zahlen lassen sich vom Landesarchiv kaum ierlichen zwanzigjährigen Datenerfassung sind heute die beeinflussen, da sie zum grössten Teil davon abhangen, ob meisten Akten im Landesarchiv auf Stufe Akte erfasst, was grössere Forschungsarbeiten im Gang sind, die längere Ar- den Benutzenden die Sucharbeit enorm erleichtert. chivarbeit bedingen. Wie eine detaillierte Benutzeranalyse im Jahr 2003 zeigte, ist etwa die Hälfte der Aktenausleihen auf die Be- Archivnutzung und Öffentlichkeitsarbeit nutzung durch Stellen der Landesverwaltung zurückzu- führen. Dies ist im Vergleich zu anderen Archiven recht Aus der Zeit vor 1980, als das Archiv ad personam zu- viel. Bei den «externen» Benutzenden führen die Historiker gänglich gemacht wurde, liegen keine Angaben über die das Feld deutlich an, gefolgt von Juristen und Journalisten.

Alphabetischer Index zu den Akten des Oberamts (1808–1827) Vergleichsweise klein ist hingegen die Zahl der Genealo- I 29 gen und Familienforscher, die in anderen Archiven bis zur Hälfte aller Benutzenden ausmachen. Untypisch ist auch, dass kaum ältere Personen ins Archiv kommen. Dies ist da- rauf zurückzuführen, dass fast alle liechtensteinischen Ge- meinden «Familienbücher» bzw. Stammbäume publiziert haben, die es den Interessierten sehr leicht machen, ihre Vorfahren zu finden und Stammbäume für die eigene Fa- milie zu erstellen. Genealogen kommen nur ins Landesar- chiv, wenn sie glauben, dass es doch noch eine Möglichkeit geben müsste, irgendwie einen weiteren Vorfahren zu ent- decken. Seit 1998 bietet das Landesarchiv seine Dienstleistun- gen auch über das Internet an. Auf der Homepage des Lan- desarchivs sind nicht nur allgemeine Informationen über das Archiv zu finden, sondern auch elektronische Findbü- cher sowie Informationen über die Archivbestände.

Exhibitenprotokoll vom 4. bis 10. Oktober 1837 (Einlauf- oder Einreichungsprotokoll) Unsere Institution

30 I Archivgebäude Ein besonderer historischer Platz

Das neue Archiv- und Verwaltungsgebäude nimmt einen Der Platz zwischen Engländerbau im Norden und der Pfarr- prominenten Platz im neu gestalteten Regierungsviertel kirche im Süden hat eine lange Tradition sowohl als Sitz ein. 25 Jahre haben wir Archivare einem solchen Neubau der obrigkeitlichen Verwaltung wie auch als Versamm- entgegengesehen: Mal schienen wir kurz vor dem Ziel, lungsort der Organe der oberen Landschaft. Bis zu Beginn dann schien der Neubau wieder in unerreichbare Ferne des 20. Jahrhunderts befanden sich die Gebäude auf die- entrückt zu sein. Der Grund war, dass der Archivneubau sem Platz zum grössten Teil im Besitz des Landesherrn. immer nur als ein Bestandteil – und sicher nicht als der Auch heute noch ist der Wald, der unmittelbar an die über- wichtigste – der Neugestaltung des Regierungsviertels ge- bauten Flächen angrenzt, im fürstlichen Privatbesitz. Im sehen wurde: Es ging nicht nur um das Archiv, sondern um Amtsquartier entstanden seit dem Mittelalter diverse herr- ein Gesamtkonzept für eine städtebauliche Aufwertung der schaftliche Gebäude, deren ursprüngliche Verwendung liechtensteinischen Kapitale. So muss denn auch eine ar- nicht mehr bekannt ist. Die ältesten Teile des Landesmu- chitektonische Wertung des Neubaus in diesem Rahmen seums reichen ins Mittelalter zurück. 1856 wurde dann die vorgenommen werden. Taverne «Zum Adler» in ein Amtsgebäude umgebaut, das Die lange Wartezeit hatte aber auch einen positiven nach dem Erlass einer konstitutionellen Verfassung im Effekt: Wohl selten wurde über einen Verwaltungsbau so Jahre 1862 als «Regierungsgebäude» (bis 1905) bezeichnet lange nachgedacht wie über diesen. Bei jeder sich bieten- wurde. Das angrenzende Verweserhaus war Wohnung des den Gelegenheit haben wir Archivbauten im Ausland mit Landvogts (seit 1848 «Landesverweser»), zudem wurde es besonderem Interesse besichtigt, die einschlägige Litera- seit 1808 auch als Amtskanzlei genutzt. Das sogenannte tur studiert und die Bedürfnisse immer wieder überdacht Rheinberger-Haus entstand Mitte des 16. Jahrhunderts und und neu formuliert. wurde als Wohnung und Kanzlei des Rentmeisters genutzt.

Das Projekt von Luigi Snozzi (Locarno) zur Neugestaltung des Regierungsviertels (1987) Die mittelalterliche St. Florin-Kapelle und der «Tschagga- wurde 1986/87 ein Ideenwettbewerb durchgeführt, der I 31 Turm» wurden in den Jahren 1872 bis 1874 abgerissen und vom Tessiner Architekt Luigi Snozzi gewonnen wurde. Der durch das sogenannte Schädler-Haus ersetzt – benannt Entwurf überzeugte die Fachleute, hatte aber 1993 in einer nach der Ärztefamilie Schädler, die hier wohnte und hier Volksabstimmung keine Chance (80 % Nein-Stimmen). auch ihre Praxis eingerichtet hatte. Sie spielte in der Lan- Was überlebte, war die Grundidee: Sein Konzept baute auf despolitik über mehrere Generationen eine herausragende einer durchgehenden Hangfussbebauung auf, vor der die Rolle, u.a. stellte sie mehrere Landtagspräsidenten. Auf staatspolitisch hervorragenden Bauten als Solitäre stehen dem Platz vor der St. Florin-Kapelle befand sich eine Linde; sollten. Ortsbaulich war die Hangfussbebauung als eine hier tagte bis ins 16. Jahrhundert im Frühjahr und Herbst grosse Klammer gedacht, die das bewirkte, was zuvor un- das Zeitgericht. Auf dem gleichen Platz fand bis zur Auf- möglich schien: Sie schuf einen verdichteten städtischen hebung der Landammannverfassung im Jahre 1808 auch Raum mit fussgängergerechten Plätzen und Freiräumen. die Wahl des Landammanns der oberen Landschaft statt. Der Überbauungsplan für das Regierungsviertel wurde Zu den denkmalgeschützten Bauten gehören auch das alte noch vor der Volksabstimmung auf dieses Konzept ausge- Pfarrhaus (1753/54 erbaut) und das heutige Regierungs- richtet und blieb auch nach dem negativen Ausgang der gebäude (1903–1905). Ein gelungener Einbezug dieser Volksabstimmung rechtsverbindlich. Der Entwurf Snozzi historischen Bausubstanz war eine der wesentlichen Vor- wurde so zum Masterplan für künftige Planungen. gaben für die Neugestaltung des Regierungsviertels. Das erste Landtagsgebäude (1866/67) wurde leider – auch das sei erwähnt – 1970 abgerissen, da es einem Kunsthaus Der Neustart Platz machen sollte, das dann doch nicht an dieser Stelle realisiert werden konnte. Nach der Ablehnung des Projekts Snozzi in der Volksab- stimmung von 1993 wurde die Idee, das Regierungsviertel im Rahmen eines Gesamtkonzepts neu zu gestalten, be- Die Vision eines modernen Städtchens graben. Für das Landesarchiv sah es einige Zeit schlecht mit urbanem Charakter aus: Erneut wurden Erweiterungsmöglichkeiten des da- mals bestehenden Archivgebäudes geprüft; das Neubau- In Vaduz dominierte bis zu Beginn der 1970er Jahre orts- vorhaben wurde in der Prioritätenliste der staatlichen baulich der architektonische Konservatismus, eine biedere Hochbauten in die dritte Kategorie zurückgestuft. Schliess- Bodenständigkeit. Erst ab 1970 entstanden die ersten lich entschloss sich die Politik aber doch, die Neugestal- modernen Bauten als Solitäre, die das Ortsbild langsam tung des Regierungsviertels weiter zu verfolgen. Das Vor- veränderten. In den 1980er Jahren wuchs in den Köpfen haben wurde aber in drei Einzelprojekte aufgeteilt, wobei einiger Ortsplaner und Politiker die Vision eines modernen für jedes ein eigener Architekturwettbewerb durchgeführt Städtles mit urbanem Charakter und unverwechselbarem wurde. Als erstes konnte der Um- und Erweiterungsbau für Charme. Im Zentrum des Landes sollten sich Politik, Wirt- das Landesmuseum (1999–2003) realisiert werden, darauf schaft und Kultur begegnen und gegenseitig befruchten. das neue Landtagsgebäude (2000–2008) und schliesslich Vaduz sollte nicht nur als Wirtschaftsstandort und Finanz- das neue Archiv- und Verwaltungsgebäude (2004–2009). platz attraktiv sein, sondern auch zum Verweilen, Flanieren Finanzpolitisch fielen dies Projekte in eine hervorragende und Shoppen einladen. Dazu mussten das Zentrum neu ge- Phase, so dass bei keinem der Projekte das Referendum staltet und vom Durchgangsverkehr befreit, die entstehen- ergriffen wurde. den Plätze mit fussgängergerechten Wegen erschlossen und die Restaurants belebt werden. Auf diese Weise sollte sich die Tradition mit der Moderne verbinden. Die Reali- Der Architekturwettbewerb sierung einer solchen Vision brauchte Zeit und sie gelang nicht im ersten Anlauf. Im Jahre 2002 bewilligte der Landtag mit grossem Mehr einen Verpflichtungskredit von 31,8 Mio Franken für einen Archiv- und Verwaltungsneubau. Da die Regierung für ihre Der Masterplan von Luigi Snozzi engeren Mitarbeiter ebenfalls einen erheblichen Raumbe- darf sah, wurde der Neubau nicht als reiner Archivbau kon- 1984 beschlossen Regierung und Landtag ein neues Land- zipiert. Für den international ausgeschriebenen Wettbe- tagsgebäude zu errichten, das eine dominierende Stellung werb im Jahre 2004 wurden 35 Architekturbüros zugelas- im Vaduzer Zentrum einnehmen und so der staatspolitisch sen, die Teilnehmenden stammten aus allen deutschspra- hervorragenden Rolle des Landtags einen sichtbaren Aus- chigen Ländern. Die Wettbewerbsjury war ebenfalls mit druck verleihen sollte. Zusammen mit dem neuen Land- Fachleuten aus Liechtenstein, der Schweiz, Österreich und tagsgebäude sollten auch die Raumwünsche des Landes- Deutschland besetzt. museums und des Landesarchivs realisiert werden. Die Der eigentlichen Jurierung ging eine intensive Vorprü- Neugestaltung des gesamten Regierungsviertels sollte in fung der insgesamt 32 eingegangenen Wettbewerbsbei- einem einzigen grossen Wurf realisiert werden. Dazu träge voraus. Verschiedene Fachleute (Archivare, Inge- Unsere Institution

32 I nieure etc.) prüften und bewerteten die Projekte nach sie- Sie empfahl der Regierung, diese überarbeiten und weiter ben Kriterien: entwickeln zu lassen. In einer zweiten Bewertungsrunde – Einhaltung der formalen und rechtlichen Wettbe- sprach sich das Preisgericht am 27. Januar 2005 für das werbsvoraussetzungen, überarbeitete Projekt «Myosotis 2» aus. Die Regierung er- – Einhaltung der planungs- und baurechtlichen Bestim- klärte das Projekt zum Wettbewerbssieger und erteilte Tho- mungen (Planungsperimeter, Überbauungsplan, mas Keller den Planungsauftrag. Für die Weiterentwick- Brandschutzbestimmungen), lung des Projekts zeichneten dieser und der Projektbeauf- – Statik und Sicherheit (Gebäudestatik, Steinschlag-, Ab- tragte Jürgen Fränzer verantwortlich. sturz- und Erdrutschsicherung), – Umsetzung des Raumprogramms (Einhaltung der vor- gegebenen Flächen, Laufmeter bei den Rollgestellan- Der Standort lagen), – Funktionalität und Betriebskonzept (Arbeitsabläufe im Was in der ganzen Planungsphase nie in Frage gestellt Archiv, Verwaltungsbüros, Hausverwaltung, Umge- wurde, war der Standort. Das Archiv sollte am alten Stand- bung), ort bleiben. Das Argument, das die Ortsplaner und Politi- – Nachhaltigkeit (Umgebung, Gebäudekonstruktion, ker wohl am meisten überzeugte, war die Aussicht, mit Haustechnik), dem Archivneubau die Neugestaltung des Regierungs- – Kosten (Anlage- und Betriebskosten). viertels zu einem überzeugenden Abschluss bringen zu können. Auch aus archivischer Sicht ist der gewählte Die Wettbewerbsjury rangierte die Projekte der Architek- Standort attraktiv und bietet bedeutende Vorteile: ten Keller und Brander (Vaduz, 1. Rang) und Binotto und – prominente Lage im Regierungsviertel, hervorragende Gähler (St. Gallen, 2. Rang) auf den ersten beiden Plätzen. Visibilität des Archivs,

Das Projekt von Keller + Brander (Vaduz) für einen Archivneubau (2004) – grosse symbolische Bedeutung des Platzes im Kontext I 33 von Regierung und Landtag, – unmittelbare Nachbarschaft zu wichtigen kulturellen Institutionen (Landesmuseum, Musikschule, Kunstmu- seum, Landesbibliothek), – Nähe zu den ablieferungspflichtigen Behörden, insbe- sondere zur Regierung, – gute Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, – ruhige und immissionsarme Lage, – gute künftige Erweiterungsmöglichkeiten im südlichen Bereich, – Einbettung in den Hang und damit positive Auswir- kungen auf das Raumklima in den Magazinen (kon- stante Temperaturen zwischen 12 und 14 Grad Celsius im Hang).

Nicht verschwiegen werden sollen die Bedenken in Bezug auf diesen Standort: Das Gebiet ist in der Naturgefahren- karte mit «mittlere Gefahr» eingezeichnet: Der steil anstei- gende Hang hinter dem Gebäude bringt eine latente Stein- schlaggefahr mit sich, die jedoch durch entsprechende Schutzmassnahmen (sichtbar ist ein durchgehendes Stahl- netz) weitgehend eliminiert werden kann. Die Über- schwemmungsgefahr aufgrund von oberirdischen Was- sergüssen, Hangrutschungen und Schlammlawinen wird als gering beurteilt. Vorhandene Risiken wurden bei der Planung durch bauliche Massnahmen minimiert. Das Problem, das zu den meisten Diskussionen führte, Das Architektenteam: Jürgen Fränzer, Richard Brander, Thomas Keller und Melanie Weikert war die Gefahr von eindringendem Hangwasser im Maga- zinbereich. Erfahrungsgemäss entstehen in jeder 70 Meter langen und 20 Meter hohen Betonwand Risse, durch die Wasser eindringen kann. Zu Rate gezogene Archivare plä- dierten daher für einen separaten, begehbaren Erschlies- sungsgang, der den Magazinbereich von der Aussenwand zum Hang abtrennen sollte. Durch die Aussenwand ein- dringendes Wasser hätte damit nur in diesen Gang ein- dringen können. Dies hätte u.a. zu einer deutlichen Re- duktion der Magazinflächen (ca. –15%) geführt. Die Inge- nieure waren der Ansicht, dass ein separater Erschlies- sungsgang auch andere Probleme aufwerfen würde (z.B. Kältebrücken, Lüftung, Kosten etc.). Aufgrund eines Gut- achtens verzichtete man schliesslich auf einen separaten Erschliessungsgang. Im Landtag gaben vor allem die hohen Baukosten zu reden, die zu einem erheblichen Teil durch die Umgebung bedingt sind (Abtragung von Fels, Stützmauer zur Hangsi- cherung, aufwendige Vorplatzgestaltung etc.) Ein Nachteil war sicher auch, dass am vorgesehenen Standort bereits der Altbau des Landesarchivs stand. Die- ser Umstand bedingte, dass sämtliche Archivalien für drei Jahre an einen provisorischen Standort verlegt werden mussten. Unsere Institution

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1 Empfang 2 Garderobe 3 Kopierraum 4 Mikrofilmleseraum 5 Benutzerraum 6 Magazinbibliothek 7 Foto- und Filmstelle 8 Foto- und Filmmagazin 9 Seminarraum 10 Lager 11 Cafeteria 12 Büro 13 Büro Mikroverfilmung 14 Entwicklung Mikrofilm 15 Aufnahmeraum 16 Akzessionsraum 17 Schleuse 18 Magazin 19 Mikrofilmmagazin 20 Lager 21 Technik 22 Anlieferung 23 Fahrradraum 24 Traforaum I 35

Das frühere Archivgebäude kurz vor dem Abbruch Der Spatenstich erfolgte am 28. September 2006

Abbruch des alten Landesarchivs Die erste Betondecke mit Spannkabeln vor dem Betonieren

Die Heizrohre im öffentlichen Bereich sind verlegt Die Baustelle im Sommer 2008 Unsere Institution

36 I Das Gesamtkonzept malgeschützten Bauten der Umgebung auf, aber in einer modernen Architektursprache und ohne historisierende Architektonisch stellte sich einerseits die Aufgabe, die Vi- Anbiederungsversuche. Sie beweisen einen sensiblen Um- sion von Luigi Snozzi und Hansjörg Göritz fortzusetzen, an- gang mit den denkmalgeschützten Bauten, wählen einfa- dererseits aber auch die Hangfussbebauung zu einem che, klare Formen und verzichten weitgehend auf das Ein- überzeugenden Abschluss zu bringen. Dies ist gelungen: bringen neuer Materialien. Historische Bauten und mo- Der Neubau ist gut in die Hangfussbebauung integriert, derne Architektur stehen eigenständig und harmonisch ne- bleibt aber als selbständiges Objekt erkennbar. Trotz seiner beneinander. Grösse konkurrenziert er die staatspolitisch herausragen- Der Archiv- und Verwaltungsneubau ist der grösste den Gebäude von Regierung und Landtag nicht, vielmehr Einzelbau im Regierungsviertel. Er verläuft über sechs Ge- wird deren Bedeutung durch die Freistellung auf dem Platz schosse, ist 70 m lang, 14 m breit und 20 m hoch (davon unterstrichen. Der Archivbau nimmt sich zurück; dass er 17 m sichtbar, 3 m unterirdisch). Auf der überbauten Flä- von den Dimensionen her grösser ist, wird den Passanten che von 990 m2 werden 4718 m2 Geschossfläche (2933 m2 kaum bewusst. Nettofläche Magazine und Büros) realisiert. Die Fortsetzung des Projekts von Göritz kommt beim Das Gebäude ist in fünf Zonen eingeteilt, die klar von- Magazintrakt in der Übernahme der Geschosshöhen und in einander abgegrenzt sind: der Materialisierung zum Ausdruck. Der Verwaltungstrakt – die öffentliche Benutzerzone (Empfang, Benutzerraum, hebt sich von der strengen und einheitlichen Gestaltung Handbibliothek, Seminarraum und Film-/Fotostelle), des Landtagsgebäudes ab. Er ist ein Geschoss höher und – die halböffentliche Zone für die Archivverwaltung die eingesetzten Materialien und Formen werden variiert. (Büros, Akzessionsraum, Mikrofilmstelle), Mit der Farbe der Putzfassade und der Grösse der Fens- – die nichtöffentliche Magazinzone, teröffnungen nehmen die Architekten Elemente der denk- – die Zone für die Haustechnik und

Der zentrale Platz neben Regierungs- und Landtagsgebäude ist ein prominenter und attraktiver Standort. – die Zone für die anderen Dienststellen (Büros für den sung erfolgt über das zentrale Treppenhaus im Verbin- I 37 Rechtsdienst der Regierung). dungsteil der beiden Trakte. Der Zugang zum Archiv er- folgt über eine grosszügige Freitreppe in der südöstlichen Diese fünf Zonen wie auch die Funktionen der einzelnen Ecke des Vorplatzes. Für Gehbehinderte ist der Zugang Gebäudeteile sind gut erkennbar und erleichtern damit die zum Archiv über eine rollstuhlgerechte Rampe ohne Orientierung im Gebäude. Von aussen nicht sichtbar ist der fremde Hilfe gewährleistet. Kulturgüterschutzraum, der das gesamte Untergeschoss einnimmt. Der sichtbare Teil besteht zunächst aus einem durchgehenden Sockelgeschoss, auf dem zwei ineinander Ergonomie verschobene, keilförmige Kuben stehen. Im südlichen Teil des Sockelgeschosses befindet sich das Büro für den Haus- Wie gut Architektur gelingt, misst sich daran, wie es dem wart und die Haustechnik. Die Magazine sind im nörd li- Architekten gelingt, Ästhetik, Funktionalität und Wirt- chen Trakt übereinander angeordnet. Im ersten Oberge- schaftlichkeit miteinander zu verbinden. Beim Archivneu- schoss wurde zwischen die Magazine die öffentliche Be- bau ist dies gelungen. Während der gesamten Planung nutzerzone eingeschoben – die Benutzenden arbeiten standen neben der Gestaltung immer das Wohlbefinden damit buchstäblich mitten in den Aktenbergen. Der Be- des Menschen und die Betriebsabläufe im Zentrum. Bei nutzerbereich ist an den grosszügigen Fensteröffnungen der Arbeitsplatzgestaltung und Möblierung wurde auf die leicht erkennbar, ansonsten sind die Fassaden des Maga- Ergonomie grosser Wert gelegt. Die Tische sind höhen- zintrakts fensterlos. Im südlichen Verwaltungstrakt befin- verstellbar, die Stühle rückenschonend. Die Arbeitsräume den sich die Arbeitsräume des Archivs (erstes und zweites sind fast ausnahmslos nach Westen orientiert und die Fens- Obergeschoss) sowie die Büros des Rechtsdienstes der Re- ter grosszügig bemessen, sodass die Räume ausreichend gierung (drittes und viertes Obergeschoss). Die Erschlies- natürlich belichtet sind. Die Materialien und Farben wur-

Licht und Transparenz prägen die Arbeitsräume, hier das Gruppenbüro mit fünf Arbeitsplätzen im zweiten Obergeschoss. Unsere Institution

38 I den mit Rücksicht auf das menschliche Wohlbefinden ge- Zwischenwände aus vorgefertigten Elementen erstellt wer- wählt. In den Arbeitsräumen dominieren Holz (Fussböden den. Bei Bedarf lassen sich die Büroräume ohne grossen und Wände in Eiche), Gipsplatten (Decken) und Glas (Fens- baulichen Aufwand neu einteilen. Um diese Flexibilität si- ter und Zwischenwände), die tragenden Betonwände sind cher zu stellen, sind alle Elektroleitungen (Telefon, Netz- weiss verputzt. Dieses Farb- und Materialkonzept zieht sich werk etc.) in einen Kabelkanal verlegt, der den Aussen- durch alle Räume. Für ein Minergie-Haus selbstverständ- mauern entlang verläuft und leicht zugänglich ist. lich ist schliesslich die automatische (Komfort-)Belüftung. Das Treppenhaus und der Lift befinden sich im Verbin- Diese sorgt für eine permanente Frischluftzufuhr, ohne dungsteil zwischen dem Verwaltungs- und Magazintrakt. dass ein spürbarer Luftzug entsteht. Auf besonderen Dank der zentralen Erschliessung des Gebäudes sind die Wunsch der etwas skeptischen Nutzer wurde in den gros- Verbindungswege kurz. Welche betrieblichen Vorteile dies sen Fenstern ein schmaler Flügel eingebaut, der trotz Mi- mit sich bringt, zeigt sich bei der Ausleihe: Keine Archiva- nergie die Möglichkeit bietet, einen Fensterteil zu öffnen. lie in den Magazinen ist mehr als 50 Meter von der Aus- leihe entfernt. Die Anlieferung von Archivalien ist so kon- zipiert, dass ein Kleintransporter in das Gebäude hinein- Funktionalität fahren kann. Vor dort gelangen die Akten direkt zum Lift. Ein wichtiges Anliegen war ein niedriger Energiever- Eine Vorgabe des Bauherrn war die grösstmögliche Flexi- brauch. Das Gebäude genügt als erstes Verwaltungsge- bilität in der Gebäudenutzung. Aufgrund einer Vorgabe des bäude in Liechtenstein den Anforderungen des Minergie- Hochbauamtes wurde ein Raster gewählt, bei dem ein Ein- P-Standards. Durch den Verzicht auf eine Vollklimatisie- zelbüro 15 m2 misst. Dies mag vielen Archivaren als zu rung der Magazine und durch die konsequente Suche nach klein erscheinen, war aber nicht verhandelbar. Da nur we- energiesparenden Lösungen war dies ohne Komfortein- nige Mauern eine tragende Funktion haben, konnten die bussen möglich.

Kunst am Bau: Hanna Roeckle spielt in ihrem Werk im Benutzerraum mit verfremdeten Oberflächen von alten und neuen Gebäuden. Links ein Blick in die Magazinbibliothek. Sicherheit Der öffentliche Bereich I 39

Der Wunsch, die Archivalien zu schützen und sicher zu ver- Das Landesarchiv hat ein mehrheitlich intellektuelles Pu- wahren, liegt jedem Archivar am Herzen. Die möglichen blikum – die meisten Besucher sind Historikerinnen und Gefahrenquellen wurden denn auch wiederholt analysiert Historiker, Juristinnen und Juristen, relativ häufig sind auch und so weit möglich durch bauliche und technische Mass- Journalisten. Diese messen die Qualität an den angebote- nahmen eliminiert. Die Gebäudehülle ist so konzipiert, dass nen Dienstleistungen. Die entsprechenden Möglichkeiten Naturgefahren bewältigt werden können. Das Magazin im hängen natürlich von den vorhandenen Räumlichkeiten Untergeschoss ist als Kultur güterschutzraum ausgestaltet, und der Infrastruktur ab. Die Schwierigkeit bei der Planung der vor allem gegen militärische Einwirkungen und Erd- der Benutzerräume besteht darin, dass die künftigen Be- beben Schutz bietet. Das ganze Archiv, vor allem der dürfnisse schwierig einzuschätzen sind. Welche Ansprü- Magazinbereich, ist mit modernen Sicherheitssystemen che werden Archivbenutzer in 20 Jahren stellen? Welche ausgerüstet. Im Bereich Brandschutz wurden die Risiken Dienstleistungen werden besonders gefragt sein? Werden durch verschiedene Massnahmen (Brandmelde- und sie überhaupt noch ins Archiv kommen oder erwarten sie, Eva kuationsanlage, Bildung von Brandabschnitten, Brand- dass die Archivalien online zugänglich sind? Welche Be- schutz klappen, Feuerlöscher etc.) so reduziert, dass deutung kommt der elektronischen Archivierung in 20 Jah- eigent lich nur noch Brandstiftung als Brandursache in ren zu? Müssen alle Benutzerplätze im Archiv mit PCs aus- Frage kommt. Auf eine automatische Löschanlage (Gas gerüstet sein oder wird das Papier nach wie vor eine zen- oder Sprinkler) wurde verzichtet. Gegen Einbruch sind die trale Rolle spielen? Solche Fragen lassen sich nicht ein- Magazine mit automatischen Zutrittskontrollen und Bewe- deutig beantworten. Für die Planung bedeutet dies: Der gungsmeldern gesichert, und schliesslich lösen Wasser- Benutzerbereich muss so flexibel sein, dass er geänderten melder beim Eindringen von Wasser sofort Alarm aus. Bedürfnissen angepasst werden kann.

Blick in das elegante Treppenhaus und den teilweise verglasten Erschliessungsgang. Unsere Institution

40 I Ein zentraler Aspekt ist der Umgang mit den Benut- tisch und werden sich somit gegenseitig beobachten und zenden: Menschliche Schwächen – sei es Diebstahl oder kontrollieren. Nachlässigkeit im Umgang mit den Archivalien – sind das Die Infrastruktur ist für ein Archiv dieser Grössenord- grösste Gefahrenpotential in einem Archiv. Eine rigide Kon- nung komfortabel: Neben dem grosszügig bemessenen Be- trolle der Benutzenden (beispielsweise durch den Einbau nutzerraum mit einer frei zugänglichen Handbibliothek von Überwachungskameras oder eine Kontrolle der Papiere gibt es eine abgeschlossene Magazinbibliothek, einen se- beim Verlassen des Archivs) wurde diskutiert, aber als ein parierten Mikrofilmleseraum und einen Mehrzweckraum zu grosser und unverhältnismässiger Eingriff in die Per- für Seminare, Führungen, Sitzungen oder auch einfach sönlichkeitsrechte empfunden – allerdings ist ein späterer zum Anschauen von Filmen. Einbau von Überwachungskameras denkbar und wurde bei der Planung bereits berücksichtigt. Einig war man sich, dass den Archivbenutzenden das Gefühl vermittelt werden Die Magazine soll, dass eine Kontrolle stattfindet und zumindest die Mög- lichkeit besteht, dass sie beobachtet werden. Gegenüber Für die Klimatisierung wurde das Modell einer «aktiven na- dem Empfang sind Garderobenschränke eingebaut, in türlichen Klimatisierung» verfolgt: Auf eine energieauf- denen Mäntel und Taschen deponiert werden sollen. Zwi- wendige Vollklimatisierung wurde mit Ausnahme der bei- schen dem Empfangsraum, der während den Öffnungszei- den Spezialmagazine für Fotos/Filme und Mikrofilme ver- ten beständig besetzt ist, und dem Benutzerraum besteht zichtet. Nach den Berechnungen der Bauphysiker reichen eine Sichtverbindung, die den Blick auf die Benutzenden eine «intelligente Belüftung» und die Luftentfeuchtung aus, und somit eine Kontrolle ermöglicht. Eine weitere Sicher- um ein ideales Raumklima herzustellen. Angestrebt wird heitsmassnahme ergibt sich aus der An ordnung der eine Lufttemperatur, die sich im Jahresablauf langsam zwi- Arbeitsplätze. Alle Benutzenden sitzen am selben Arbeits- schen 16 und 20° Celsius bewegen darf. Da der Bau in den

Benutzerraum mit acht grosszügigen Arbeitsplätzen. Bei der Vitrine fehlte kurz vor der Eröffnung noch die Glasplatte. Hang eingebettet wurde, ist nicht zu befürchten, dass die nicht zu befürchten, da im schlimmstmöglichen Schaden- I 41 Temperaturen im Sommer stark ansteigen werden. Um die fall maximal das in den Heizrohren vorhandene Wasser notwendige thermische Trägheit der Magazine zu errei- auslaufen kann – dies würde nicht einmal ausreichen, um chen, wurden folgende Empfehlungen aus der Fachlitera- den ganzen Boden zu bedecken. tur umgesetzt: Da der Beton zumindest in den ersten zehn Jahren nach – massive Betonkonstruktion bei Wänden, Decken und Fertigstellung noch viel Feuchtigkeit abgeben wird, Böden, was eine grosse Wärmespeicherkapazität ergibt, braucht es eine Möglichkeit zur Luftentfeuchtung. Ange- – hochwertige Isolation der Aussenwände (18 cm strebt wird eine relative Luftfeuchte zwischen 40 und Schaum glas), 55 %, wobei sich auch dieser Wert nur langsam ändern – hinterlüftete Fassaden, darf. Die Luftentfeuchtung erfolgt ausserhalb der Maga- – intelligente Belüftung, Verzicht auf Fensteröffnungen, zine. Mobile Luftentfeuchter wären zwar billiger, sie gäben – Schleuse vor jedem Magazinraum, um nachteilige Ein- aber Wärme ab. Mit der «intelligenten Belüftung» kommt flüsse aus falschem menschlichem Verhalten zu redu- modernste Technik zum Einsatz. Aussenluft wird nur dann zieren (gemeint sind vor allem Türen, die aus Be- zugeführt, wenn die Aussenwerte mindestens gleich gut quemlichkeit offen bleiben), sind wie die Werte im Magazin. Dies kann im Sommer z.B. – energiearme Leuchtröhren, die wenig Wärme abgeben. morgens um vier Uhr sein. Die in die Magazine einflies- sende Luft wird vorbehandelt, d.h. mit Filtern gereinigt und Als Absicherung gegen zu tiefe Temperaturen im Winter bei Bedarf entfeuchtet. wurde in jedem Magazin ein Heizrohr eingebaut, das den Zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit wurde nach Aussenmauern entlang läuft. Damit können die Magazine einem feuchtigkeitsabsorbierenden Material gesucht. Zu etwas temperiert werden, falls die Temperatur zu tief ab- diesem Zweck wurden aufwendige Tests mit verschiede- sinken sollte. Wasserschäden aufgrund eines Lecks sind nen Materialien (Lehmplatten, Silikatplatten, Karton u.a.)

Der Seminarraum mit bis zu 40 Sitzplätzen verfügt über die modernste Präsentationstechnik. Unsere Institution

42 I durchgeführt. Gesucht wurde nach einem Material, das Tiefe erlaubt es, die einzelnen Wagen von Hand zu bewe- Luftfeuchtigkeit schneller absorbiert als Papier und die ge- gen. Auf den Einbau eines Elektroantriebs wurde auch des- speicherte Feuchtigkeit bei zu grosser Trockenheit wieder halb verzichtet, weil Elektromotoren als mögliche Brand- an den Raum abgibt. Die Tests ergaben, dass sich Prosorb ursache gelten. Aus der konsequenten Optimierung der am besten dafür eignet. Dieses Material wird vor allem in Raumnutzung ergibt sich ein sehr gutes Verhältnis von Ma- Museen zur Stabilisierung des Klimas in Vitrinen einge- gazinflächen zu Laufmetern: Auf insgesamt gut 1550 m2 setzt. Es wird in kleinen Säckchen geliefert, die mit einem Nettogrundfläche in den Magazinen (exklusiv Planarchiv Karton auf einfache Weise an der Unterseite der Regalbö- und Mikrofilmmagazin) lassen sich ca. 18 000 Laufmeter den montiert werden können. Diese Technik hat den Vor- Regalböden erzielen, d.h. rund 11,5 lfm pro m2. Dies geht teil, dass jederzeit zusätzliche Säckchen eingebracht oder nicht zu Lasten der Gänge (die Hauptgänge sind 1,5 m auch alle schnell entfernt werden können. Ein EMPA-Test breit, die Seitengänge mind. 0,9 m). Allerdings beein- zeigte, dass Prosorb die Fähigkeit hat, nicht nur einmal, trächtig die optimale Ausnutzung teilweise den Komfort, sondern immer wieder Feuchtigkeit aufzunehmen und da die Raumhöhen (2,8 m lichte Höhe, abgesehen vom Kul- langsam abzugeben und damit zur Stabilisierung der Luft- turgüterschutzraum im Untergeschoss, wo sie nur 2,5 m feuchtigkeit eingesetzt werden kann. Wirksam ist es vor beträgt) für die Regalhöhe von 2,35 m ausgenutzt werden. allem bei wenig gefüllten Magazinen, bei vollen Magazi- Das oberste Regalbrett kann somit nur mit einer Leiter oder nen übernimmt das Papier diese Funktion. Diese Methode einer Steighilfe genutzt werden. Oberhalb des obersten Re- ist innovativ – wir sind gespannt, wie sie sich bewährt. galbretts bleibt genügend Platz für eine gute Luftumwäl- Kommen wir schliesslich noch zur Einrichtung der Ma- zung. gazine. Alle Magazinräume sind frei von Stützen und mit Der Boden in den Magazinen besteht aus einem gelb Rollregalen ausgestattet. Die Erschliessung erfolgt durch eingefärbten, versiegelten Hartbetonboden, der problem- einen Mittelgang, links und rechts davon befindet sich je los feucht gereinigt werden kann. Die Betonwände sind mit eine Regalanlage mit einer Tiefe von 5,3 Metern. Diese Silikatfarbe weiss gestrichen.

Der Archivneubau in Zahlen

Raumprogramm Landesarchiv Davon Magazine 1’863 m2 – Nettofläche insgesamt (Büro- und Magazinflächen) 2’933 m2 – 1 Kulturgüterschutzraum, unterirdisch 743 m2 – Nettofläche Anteil Landesarchiv (ohne Gangflächen, – 4 Magazine oberirdisch (ohne Spezialmagazine Haustechnik etc.) 2’500 m2 und Handbibliothek) 985 m2 – Magazinbibliothek 41 m2 – Klimatisiertes Film- und Fotomagazin 43 m2 Davon öffentliche Zone 300 m2 – Klimatisiertes Mikrofilmmagazin 51 m2 2 – Empfang/Ausleihe 41 m – Laufmeter Regalflächen (inkl. Planarchiv und 2 – Benutzerraum 75 m Magazinbibliothek) 19.3 km – Mikrofilmleseraum, Repertorien 18 m2 – Seminarraum 51 m2 – Foto- und Filmstelle 23 m2 Konstruktion – Garderobe, Kopierraum 14 m2 – Spannkabel insgesamt 10.4 km – Cafeteria 41 m2 – Davon Spannkabel im Gebäude 4.1 km – Sonstiges 37 m2 – Davon Spannkabel für die Stützwand 6.3 km – Elektrokabel 54 km – Stahlarmierung 665 t Davon Verwaltungszone 337 m2 – Betonkubatur 4’050 m3 2 – Akzessionsraum 39 m – Klinkersteine 117’400 Steine 2 – Büros (6 Einzelbüros, 1 Gruppenbüro) 151 m – davon Sichtmauerwerk Fassade 32’500 Steine 2 – Mikrofilm- und Scanstelle (4 Räume) 67 m – davon Pflästerung Platz 84’900 Steine – Sonstiges 80 m2

Anlagekosten (Prognose September 2009) CHF 29’440’000 – Geschossfläche (GF) SIA 416 4’718 m2 – Rauminhalt (V) nach SIA 416 16’500 m3 – CHF/m3 Rauminhalt SIA 416 1’784 – CHF/m2 Bruttogeschossfläche SIA 416 6’240 Archivrecht von verschiedenen Dienstleistungen zu erbringen, welche I 43 sich sowohl aus seiner staatspolitischen als auch aus sei- Organisation und Aufgaben des Landesarchivs sind im ner kulturellen Natur ergeben. Die grundlegenden Aspekte, Archivgesetz vom 23. Oktober 1997 (LGBl. 1997 Nr. 215) welche das Archivgesetz zu regeln hat, sind in erster Linie geregelt. Die Verordnung vom 13. Juli 1999 über die Be- die Anbietungspflicht bzw. die Ablieferungspflicht der staat- nützung des Liechtensteinischen Landesarchivs (LGBl. lichen Stellen, das Benützungsrecht, der Persönlichkeits- 1999 Nr. 151) enthält Ausführungsbestimmungen zur schutz und, damit zusammenhängend, die Sperrfristen. Benützung des Landesarchivs und die Verordnung vom Die in Art. 7ff. des Archivgesetzes statuierte grund- 10. Januar 1995 betreffend die Registraturen in der Liech- sätzliche Anbietungs- bzw. Ablieferungspflicht stellt sicher, tensteinischen Landesverwaltung (LGBl. 1995 Nr. 117) de- dass das Landesarchiv die ihm in den Artikeln 4ff. über- taillierte Bestimmungen über die Verwaltung von Papier- bundenen Aufgaben erfüllen kann, indem die staat lichen unterlagen bei den Registraturen der Landesverwaltung. Organe alle Unterlagen, die sie für die laufende Tätigkeit Die wichtige gesellschaftliche Funktion des Landesar- nicht mehr benötigen, auszusondern und dem Landesar- chivs wird wesentlich beeinflusst durch weitere archivre- chiv periodisch anzubieten haben. Dies gilt auch für Un- levante Rechtsnormen. Dazu gehören vor allem das Da- terlagen, welche personenbezogene Daten und daten- tenschutzgesetz von 2002 (LGBl. 2002 Nr. 55, kurz DSG) schutzrechtlich gesperrte Daten enthalten sowie für Un- samt der dazugehörigen Datenschutzverordnung von 2002 terlagen, welche unter einem besonderen Geheimnisschutz (LGBl. 2002 Nr. 102), das Informationsgesetz von 1999 stehen. (LGBl. 1999 Nr. 159, kurz IG) samt der Informationsver- Ohne Zustimmung des Landesarchivs dürfen keine Un- ordnung (LGBl. 1999 Nr. 206), das Urheberrechtsgesetz terlagen und Personendaten, die zur Erfüllung der Aufga- von 1999 (LGBl. 1999 Nr. 160, kurz URG), das Denkmal- ben der abliefernden Stelle nicht mehr benötigt werden, schutzgesetz von 1977 (LGBl. 1977 Nr. 39, kurz DSchG), vernichtet werden. Parallelarchive aus ablieferungspflich- das Strafgesetzbuch von 1987 (LGBl. 1988 Nr. 37, kurz tigen Unterlagen oder aus Kopien bzw. Doppeln davon dür- StGB) und natürlich das Zivilrecht mit seinem stark ausge- fen nicht gebildet werden. Überhaupt darf über die Ar- prägten Begriff des Eigentums und seinem umfassenden chivwürdigkeit von Unterlagen grundsätzlich nur das Lan- Schutz des Rechts auf Achtung der Privat- und Geheim- desarchiv entscheiden; keine öffentliche Behörde oder sphäre (s. dazu insbesondere die zentralen Bestimmungen Stelle ist befugt, eigenmächtig die Löschung oder Ver- der Art. 38ff. des Personen- und Gesellschaftsrechts PGR). nichtung ihrer Unterlagen vorzunehmen, sondern muss der Anbietungspflicht nachkommen. Auch wenn das Ar- chivgesetz dem Landesarchiv das alleinige Verfügungs- Archivgesetz recht über Archivgut einräumt (Art 5 Abs. 4 ArchivG), so wird in der Praxis das Einvernehmen mit den abliefernden Das Landesarchiv ist dem Ressort Kultur unterstellt und Stellen hergestellt: Es werden keine Unterlagen vernich- erfüllt die vom Archivgesetz vorgegebenen Aufgaben, na- tet, die aus Sicht der Verwaltung dauernd aufbewahrt wer- mentlich die Unterlagen der staatlichen Organe des Lan- den müssen. des, aber auch Unterlagen anderer Herkunft zur liechten- Des Weiteren ist dem Landesarchiv zwecks Erfüllung steinischen Geschichte zu bewerten, zu übernehmen, zu seiner gesetzlichen Aufgaben das Recht auf freien Zugang verwahren und somit die Archivalien vor Vernichtung und zu den Registraturen bzw. den Sammlungen von Unterla- Zersplitterung zu bewahren. Es entscheidet erstinstanzlich gen der staatlichen Organe eingeräumt. Dieses Schriftgut über die Benützung des Archivguts, und es äufnet Samm- wird von der Regierung und den Amtsstellen der Landes- lungen von Bild- und Tondokumenten, Flugschriften und verwaltung gemäss Art. 9 des Archivgesetzes in Verbin- Presseausschnitten sowie von Abschriften, Kopien, Mikro- dung mit der Verordnung vom 10. Januar 1995 betreffend filmen, Regesten und Inventaren zur liechtensteinischen die Registraturen in der Liechtensteinischen Landes - Geschichte aus anderen Archiven. Zudem unterhält es eine verwaltung in den Registraturen verwaltet (LGBl. 1995 Handbibliothek. Des Weiteren berät es die staatlichen Or- Nr. 117). gane des Landes, die Gemeinden und anderen Archiv - Mitglieder, Beamte und Angestellte der öffentlichen Or- eigentümer bei der Archivierung ihrer Unterlagen, es er- gane des Landes und ihre Erben haben Unterlagen über stellt und betreut den Aktenplan für die Landesverwaltung amtliche Angelegenheiten auch nach Beendigung der und den Musteraktenplan für die Gemeinden. Schliesslich Amtszeit oder des Dienstverhältnisses an das Landesarchiv beteiligt es sich an der Erfassung und Veröffentlichung des abzuliefern. Das für das Personal des Landesarchivs und Archivguts. Das Landesarchiv dient so der Forschung, Bil- das Staatspersonal geltende Amtsgeheimnis bleibt auch dung, Verwaltung und Rechtssicherung und ist der Öf- nach der Auflösung des Dienstverhältnisses bestehen. fentlichkeit für die Nutzung zugänglich. Somit kann das Ein zentraler Aspekt des Archivgesetzes besteht darin, Landesarchiv als das öffentliche Gedächtnis des Landes be- dass es einen gesetzlichen Anspruch auf Benützung des zeichnet werden. im Landesarchiv verwahrten Archivguts schafft. Gemäss Das Landesarchiv – wie alle Archive überhaupt – ist also Art. 10ff. Archivgesetz in Verbindung mit der Benützungs- nicht nur ein Ort der Aufbewahrung, sondern hat eine Fülle verordnung steht das Archivgut den staatlichen Organen Unsere Institution

44 I des Landes, natürlichen und juristischen Personen auf An- In der Praxis werden seit einigen Jahren Archivierungs- trag für die Benützung zur Verfügung. Über die Benützung vereinbarungen abgeschlossen, in welchen die Art der entscheidet das Landesarchiv nach Massgabe des Geset- Übernahme (Geschenk, Leihgabe, Dauerleihgabe oder zes, wobei das Archivgut nur zu dem im Antrag angege- Kauf) und die Benützungsbedingungen (freie Benützung, benen Zweck benützt werden darf. Die Benützungserlaub- gemäss Gesetz oder nach Rücksprache mit den Leihge- nis gilt nur für die Person, die den Benützungsantrag ge- bern) geregelt werden. stellt hat. Juristische Personen haben eine natürliche Per- Die Benützung des Archivguts unterliegt Sperrfristen son zu bezeichnen, die mit der Sichtung des Archivguts (Art. 14 ArchivG), wobei zwischen Sachakten und perso- beauftragt wird. nenbezogenen Unterlagen unterschieden wird. Für Sach- Archivwürdige Unterlagen, die das Landesarchiv von akten gilt eine Sperrfrist von 30 Jahren. Frei zugänglich nicht-staatlichen Organen zur Verwahrung entgegenge- sind lediglich Unterlagen, die schon bei der Entstehung nommen hat, namentlich Unterlagen öffentlich-rechtlicher zur Veröffentlichung bestimmt oder der Öffentlichkeit zu- Anstalten und Stiftungen sowie von privaten Personen und gänglich waren, mit Ausnahme von Gerichtsakten. Organisationen, sind hinsichtlich der Benützung staat li- Personenbezogenes Archivgut unterliegt aus daten- chem Archivgut gleichgestellt, sofern mit der abliefernden schutzrechtlichen Erwägungen einer Sperrfrist von 80 Jah- Person oder Organisation keine anderen Vereinbarungen ren. Der Begriff «personenbezogen» ist unpräzis, da der getroffen worden sind (Art. 15 und Art. 4 Abs. 3 ArchivG). überwiegende Teil der Archivalien auf Personen bezogen ist. In Absprache mit dem Datenschutzbeauftragten wer- den unter diesem Begriff deshalb in der Praxis «besonders schützenswerte Personendaten» im Sinne des Daten- schutzgesetzes verstanden. Die Berechnung der Fristen richtet sich aus Gründen der Praktikabilität nach der Entstehungszeit der Unterla- gen. Die Fristen werden ab der letzten Vervollständigung Ausführungen in der Dienstinstruktion von 1719 über die Bedeutung der Registratur oder dem Abschluss der Unterlagen berechnet. und des Archivs Sperrfristen können über schriftlichen, begründeten Antrag mittels Verfügung des Landesarchivs verkürzt oder verlängert werden. Bevor eine Verkürzung oder Aufhebung der Sperrfrist zugestanden wird, ist eine Stellungnahme der abliefernden Stelle einzuholen. Der Leitung des Lan- desarchivs ist vom Gesetz hier der erforderliche Ermes- sensspielraum eingeräumt worden (Art. 5–8 in Verbindung mit Art. 10–20 ArchivG). Genehmigungen des Landesar- chivs können an Bedingungen geknüpft werden, bei- spielsweise an die Einwilligung der Betroffenen im Falle der Verwendung personenbezogener Unterlagen, oder sie können mit Auflagen verbunden werden. Es kann nament- lich die Auflage gemacht werden, personenbezogene Daten zu anonymisieren oder die Unterlagen bzw. Kopien davon vor dem Zugriff und der Einsichtnahme Dritter zu sichern. Für Reproduktionen und Publikationen von Archivgut bedarf es grundsätzlich einer Einwilligung des Landesar- chivs (Art. 16 Archivgesetz und Art. 11f. der Benützungs- verordnung). Die diesbezügliche Praxis ist bei Unterlagen ausserhalb der Sperrfristen sehr liberal. Das Anfertigen von Kopien gesperrter Unterlagen muss vom Archivleiter aus- drücklich genehmigt werden. Beim Kopieren von Fotos, Filmen und Tonaufzeichnungen sind die Urheberrechte zu beachten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Benütze- rinnen und Benützer des Landesarchivs verpflichtet sind, diesem unentgeltlich ein Belegexemplar von den Veröf- fentlichungen zu überlassen, die auf den eingesehenen Un- terlagen beruhen (Art. 17 ArchivG). Das Landesarchiv ist ein Dienstleistungsbetrieb, der in- teressierten Historikern und Juristen Archivgut zur ge- schichtlichen Aufarbeitung unterschiedlichster Themen Archivgut geht. Unproblematischer sind Einschränkungen I 45 zur Verfügung stellt. Erst mit der Nutzung des Archivguts auf Grund von Vereinbarungen mit Eigentümern von Ar- durch die Öffentlichkeit bekommt die Tätigkeit des Archiv- chivgut privater Herkunft. personals einen Sinn. Die Nutzung berührt die Interessen Was das Archivwesen der Gemeinden und der selb- von drei Parteien, nämlich die Interessen der Urheber und ständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten und Stiftungen ursprünglichen Eigentümer des archivierten Materials, die des Landes angeht, so regeln diese die Archivierung der Interessen der Benützer und die Interessen der Personen, bei ihnen entstandenen Unterlagen in eigener Zuständig- deren Daten in den archivierten Materialien dokumentiert keit. Dem Landesarchiv kommt dabei eine beratende Funk- sind. Das Archivrecht hat die Aufgabe, in der Gesetzge- tion zu. Die Gemeinden können Unterlagen, die sie zur Er- bung und in der Praxis einen Ausgleich zwischen diesen füllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen, dem Lan- einander bisweilen entgegenstehenden Interessen und desarchiv zur Übernahme anbieten, das Eigentum daran Schutzbedürfnissen zu schaffen. Der Archivar ist in diesem bleibt aber unberührt. Die selbständigen öffentlich-recht- Sinn ein Mediator. lichen Anstalten und Stiftungen des Landes, die kein eige- Schwierig gestaltet sich in der Praxis zuweilen der Um- nes Archiv führen wollen, müssen Unterlagen, die sie zur gang mit unbestimmten und dehnbaren Rechtsbegriffen Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen, dem Lan- wie beispielsweise dem «übergeordneten öffentlichen In- desarchiv zur Übernahme anbieten, wobei auch hier das teresse», wenn es um Einschränkungen des Zugangs zum Eigentum unberührt bleibt. Im Falle ihrer Auflösung sind

Die Dienstinstruktion von 1719 schrieb für die Akten des Oberamts ein detailliertes Ordnungssystem vor. Unsere Institution

46 I ihre archivwürdigen Unterlagen dem Landesarchiv zu Archivrelevante Bestimmungen übergeben. im Informationsgesetz Die gesetzliche Regelung des Archivwesens der Ge- meinden und der selbständigen öffentlich-rechtlichen An- Ein weiteres Spezialgesetz, welches mit dem Archivgesetz stalten und Stiftungen des Landes ist eher rudimentär und in Beziehung steht, ist das Gesetz über die Information der lässt wichtige Fragen ungeklärt, beispielsweise die Frage Bevölkerung (IG). Es dient dazu, die Tätigkeit der Behörden nach der Verbindlichkeit des Musteraktenplans, welcher transparent zu machen, um eine freie Meinungsbildung gemäss Art. 8 des Archivgesetzes für die Gemeinden ein- der Bevölkerung und um das Vertrauen der Bevölkerung in geführt worden ist und vom Landesarchiv betreut wird. die Tätigkeit der Behörden zu fördern (Art. 1 IG). Dieses Ziel soll durch die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Information und auf Einsicht in die Akten zu Gunsten der Archivrelevante Bestimmungen Bevölkerung erreicht werden. Dieses Gesetz gilt für die Be- im Datenschutzgesetz hörden des Landes und der Gemeinden (Art. 2 IG). Auf der Grundlage des IG wird staatliches Handeln offengelegt Das Datenschutzgesetz dient dem Schutz der Persönlich- (Art. 3 IG). keit und der Grundrechte von Personen, über die Daten Jede Person, die ein berechtigtes Interesse geltend ma- bearbeitet werden. Dieses Gesetz setzt die Richtlinie chen kann, hat ein Recht auf Einsicht in amtliche Unterla- 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher gen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private In- Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten teressen entgegenstehen und solange die Akten noch in und zum freien Datenverkehr um. Es gilt für das Bearbei- Bearbeitung bei der zuständigen Stelle stehen bzw. noch ten von Daten natürlicher und juristischer Personen durch nicht archiviert worden sind. Für archivierte Unterlagen private Personen und Behörden. richtet sich das Einsichtsrecht nach den Bestimmungen Bei den Personendaten im Sinne dieses Gesetzes geht des Archivgesetzes (Art. 29). es um Angaben, die sich auf eine bestimmte oder be- Rechtlich unklar ist, ob die Unterlagen mit der Über- stimmbare Person beziehen, wobei es sich um eine natür- gabe ans Archiv unter Verschluss kommen, d.h. unter die liche oder juristische Person oder um eine rechtsfähige 30jährige Sperrfrist fallen. Dies wird nach herrschender Personengesellschaft handeln kann. Für den Datenschutz Auffassung bejaht. Rechtlich unklar ist auch, ob betroffene ist diejenige Behörde verantwortlich, die in Erfüllung ihrer Personen Einblick in Archivunterlagen nehmen dürfen, die gesetzlichen Aufgaben Personendaten bearbeitet oder be- der Sperrfrist unterliegen. Im Sinne einer pragmatischen arbeiten lässt. Behörden dürfen Personendaten bearbei- Rechtsauffassung wird auch dies in der Praxis vom Lan- ten, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. desarchiv bejaht, wobei man sich auf das Datenschutzge- Die für das Landesarchiv hierfür massgebliche Rechts- setz abstützt. grundlage ist das Archivgesetz in Verbindung mit der da- Die Wechselwirkungen zwischen Archivgesetz, Infor- zugehörigen Benützungsverordnung. Das Landesarchiv mationsgesetz und Datenschutzgesetz werden auf Grund darf die Personendaten ohne Einschränkungen aufbewah- des Vorstehenden deutlich. Vorbehaltlich besonderer ge- ren, welche ihm gemäss Art. 25 DSG zur Archivierung ab- setzlicher Bestimmungen haben grundsätzlich daten- zuliefern sind. Dies sind grundsätzlich alle Daten, welche schutzrechtliche Normen Vorrang gegenüber dem Recht die Behörden nicht mehr benötigen. Ausgenommen sind auf Information. Die Personenrechte der von Informatio- lediglich Unterlagen, welche aufgrund spezialgesetzlicher nen betroffenen Personen sollen angemessen gewahrt und Bestimmungen anonymisiert oder vernichtet werden müs- schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter nicht ge- sen (z.B. Erhebungsbögen bei Volkszählungen, bestimmte fährdet werden. Es gibt aber keine allgemeingültigen Ab- Teile der Personalakten usw.). grenzungskriterien, weshalb jeweils im Einzelfall eine sorg- Unter diesem Gesichtspunkt wird die Wichtigkeit des fältige Abwägung der Interessen und Güter vorzunehmen Archivgesetzes besonders deutlich. Durch die Schaffung ist, wenn es um die Bekanntgabe von Personendaten geht. des Archivgesetzes wurde es möglich zu verhindern, dass Dem Landesarchiv ist hier der erforderliche Ermessens- wegen des Datenschutzes personenbezogene Unterlagen spielraum gegeben. der Aufbewahrung entzogen und vernichtet werden. Ein wesentlicher Grundsatz des Datenschutzes ist die Zweck- bindung der Erhebung und Bearbeitung von Daten. Ist der Archivrelevante Bestimmungen ursprüngliche Zweck nicht mehr gegeben, d.h. werden die im Urheberrechtsgesetz Daten von den Behörden nicht mehr benötigt, so bedarf es einer anderen gesetzlichen Grundlage, um sie weiter zu Ein weiteres Gesetz, welches seiner Natur nach die Nut- bearbeiten. Diese Grundlage bildet das Archivgesetz, wo- zung von Archivgut einschränkt, ist das Gesetz über das nach das Landesarchiv die Daten jenseits ihres ursprüng- Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Es schützt das lichen Zwecks bearbeiten darf. Das Aufbewahren gilt als Recht der Urheberinnen am eigenen Werk und das Recht eine Form der Bearbeitung (Art. 3 Abs. 1 lit. g DSG). auf Anerkennung der Urheberschaft. Urheberin ist die na- türliche Person, die ein Werk geschaffen hat (Art. 6 URG). Werke sind, unabhängig von ihrem Wert und Zweck, geis- Private und kirchliche Archive können von grosser kul- I 47 tige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuel- tureller Bedeutung sein, doch der umfassende Schutz des len Charakter haben (Art. 2 URG). Privateigentums in unserer Rechtsordnung lässt es nicht Im Landesarchiv betrifft dies insbesondere die fotogra- zu, dass sich aus dem möglichen gesellschaftlichen Nut- fischen, kinematografischen und anderen visuellen oder zen solcher Archive Rechtsansprüche der Öffentlichkeit ab- audiovisuellen Werke, die durch das Urheberrechtsgesetz leiten lassen, abgesehen von den Möglichkeiten der Un- geschützt sind (Art. 2. Abs. 2 lit. g URG). Nicht urheber- terschutzstellung, welche das Denkmalschutzgesetz bietet. rechtlich geschützt sind hingegen amtliche Unterlagen (IM) (Art. 5 URG). Diese Bestimmung relativiert Art. 16 des Ar- chivgesetzes, wonach Reproduktion und Publikation von Unterlagen der Einwilligung des Landesarchivs bedürfen. Geschützt ist nicht der Inhalt eines Dokuments, sondern das Bild. Art. 22 URG erlaubt die Verwendung veröffentlichter Werke zum Eigengebrauch, wobei ausdrücklich das Ver- vielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumen- tation aufgeführt sind. Dies ist in Verbindung mit Art. 31 die Rechtsgrundlage für die Presseausschnittsammlung des Landesarchivs. Zudem sieht Art. 26 die Möglichkeit vor, zur Erhaltung eines Werks Archivierungs- und Siche- rungskopien anzufertigen, wobei ein Exemplar in einem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Archiv aufbewahrt sein muss. Das URG statuiert für urheberrechtlich geschützte Werke eine besondere Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod der Urheberin (Art. 32 URG) oder 70 Jahre nach der Veröffentlichung bzw. nach der letzten Lieferung des in Teillieferungen veröffentlichten Werks (Art. 34 URG). Die ineinander greifenden Bestimmungen des Archiv- gesetzes und des URG sollen Schwierigkeiten vermeiden, die sich daraus ergeben, dass einerseits eine Nutzung von Archivgut in Form von Kopien unter Einbezug digitaler Aufzeichnungen möglich ist und andererseits berechtigte Ansprüche der Inhaber von Urheberrechten zu schützen sind.

Archivrelevante Aspekte im Denkmalschutzgesetz

Im Zusammenhang mit dem Archivrecht stellt sich natür- lich auch die Frage nach dem Schutz der Kulturgüter des Landes. Liechtenstein hat bisher noch kein eigenes Kul- turgüterschutzgesetz erlassen, da es diesbezüglich noch offene Fragen zu klären gibt. Der Schutz der Kulturgüter ist bislang noch im Denkmalschutzgesetz (DSchG) geregelt. Für das Landesarchiv als öffentlich-rechtliches Archiv ist dieses Gesetz nicht von grosser Bedeutung, hingegen kön- nen private Archive oder Dokumente durch Verfügung der Regierung unter Denkmalschutz gestellt werden, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Denkmals dies verlangt (Art. 9 DSchG). Bei der Aufzählung der Denk mäler nennt Art. 2 ausdrücklich u.a. Urkunden, Schriften, Dru- cke, Münzen, Siegel und dergleichen sowie Sammlungen. Der Staat leistet Beiträge für die Restaurierung von Denk- mälern in privater und kirchlicher Hand. Prägestempel mit dem Landeswappen Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

Lebenszyklus – vom Registraturgut zum Archivgut I 49

Die für das Archiv relevanten Prozesse lassen sich in vier Pha- sen unterteilen: vorarchivische Schriftgutverwaltung, ordnen und erschliessen, erhalten und konservieren, vermitteln und nutzen. Diese Kernaufgaben sollen im Folgenden kurz erläu- tert werden. Es ist hier aber sicher nicht der Ort, an dem eine detaillierte Darstellung der Prozesse im Landesarchiv erfol- gen kann. Es wird nur so weit ausgeholt, wie dies für Benut- zer interessant und bei der Suche hilfreich sein kann. Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

50 I Archivalien sichern, wichtig sind der persönliche Kontakt und die Beratung der vorarchivische Schriftgutverwaltung für die Schriftgutverwaltung verantwortlichen Personen in den Amtsstellen. Die Praxis zeigt, dass das Verantwor- Angesichts der Mengen von Schriftgut, die selbst in einer tungs- und Problembewusstsein bei den Amtsstellen sehr relativ kleinen Verwaltung wie der Landesverwaltung pro- unterschiedlich ist: Während die einen regelmässig und duziert werden, ist die Vorstellung, dass im Archiv «dann von sich aus ihre Unterlagen dem Archiv anbieten, sind an- schon» alle Dokumente richtig eingeordnet werden, völlig dere kaum dazu zu bewegen, Unterlagen abzuliefern. Das illusorisch. Die Arbeit an der Ordnung und Erschliessung Landesarchiv bemüht sich daher über verschiedene Kanäle dessen, was später ins Archiv gelangt, muss am Beginn der den Kontakt zu den Amtsstellen zu verbessern. Zentral ist Aktenproduktion ansetzen. Die vorarchivische Beratung ist die persönliche Kontaktnahme mit den Verantwortlichen: deshalb eine zentrale Aufgabe des Landesarchivs. Das Ar- Die Registraturen und Altablagen vor Ort müssen besich- chivgesetz und vor allem auch die Verordnung über die Re- tigt werden, damit im direkten Gespräch geklärt werden gistraturen in der Landesverwaltung bilden die Rechts- kann, was dem Landesarchiv abzugeben ist. grundlagen dafür, dass die Unterlagen bereits bei den Äm- Die Diskussionen um die Einführung eines elektroni- tern nach dem Aktenplan geordnet und in dieser Ordnung schen Vorgangsbearbeitungssystems – eines ECM (Enter- dem Landesarchiv angeboten werden müssen. Doch prise Content Management) – haben die Bedeutung von Rechtsgrundlagen allein genügen nicht; mindestens so klar definierten Prozessen für die Schriftgutverwaltung

Graf Jakob Hannibal von Hohenems verkauft Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein die Herrschaft Schellenberg für 115'000 Gulden, Kaufvertrag ausgestellt in Hohenems am 18. Januar 1699. wieder zum Bewusstsein gebracht. Anglizismen wie cap- tronische Geschäftsverwaltung bringt in Bezug auf Rechts- I 51 ture (registrieren, erfassen, identifizieren), store (spei- sicherheit erhöhte Anforderungen, da es viel leichter ist, chern), deliver (bereitstellen, ausgeben), preserve (lang- elektronische Dokumente zu produzieren und zu fälschen. fristig haltbar machen, archivieren) oder records manage- Vor allem bei Aktenserien mit gleichartigen Geschäftsvor- ment (Akten- oder Schriftgutverwaltung) waren für Archi- gängen ist die elektronische Erfassung nichts grundsätz- vare etwas gewöhnungsbedürftig, doch von der Sache her lich Neues, da heute schon Daten zu Papierakten in einer geht es um Aufgaben, die uns längst vertraut sind und Datenbank oder wenigstens in einer Wordtabelle von den deren Beachtung in der Verwaltung wir oft vermisst haben. Amtsstellen erfasst werden. Diese Daten können problem- Die elektronische Geschäftsverarbeitung macht das Re- los in das Archivinformationssystem übernommen werden, gistrieren der Dokumente, das Erfassen und Kontrollieren die Akten müssen dann im Archiv nicht noch einmal er- einer Reihe von Metadaten zu jedem einzelnen Dokument fasst werden. unabdingbar. Ohne solche Metadaten – Daten über die Ent- Der landeseinheitliche Aktenplan ist ein wichtiges stehung und Verwaltung der Dokumente – können die Do- Steuerungsinstrument für den gesamten Geschäftsablauf. kumente nicht mehr gefunden und bearbeitet werden, Gemäss Archivgesetz wird er vom Landesarchiv in Zu- ohne Metadaten kann aber auch die Authentizität und In- sammenarbeit mit den verschiedenen Amtsstellen verwal- tegrität der Dokumente – der Nachweis, dass sie echt und tet. Der Aktenplan gibt nicht nur vor, wie die Akten zu ord- unverfälscht sind – nicht gewährleistet werden. Die elek- nen sind, sondern enthält auch Hinweise, wie lange die

Das Legerbuch von 1584 ist das erste Verzeichnis der Steuerpflichtigen. Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

52 I Akten aufzubewahren sind. Wird er von den Amtsstellen Archivalien erschliessen richtig eingesetzt, so werden unstrukturierte und unge- ordnete Aktenablieferungen vermieden. Ziel der Erschliessung ist der Nachweis und die Zugäng- Um den Verwaltungsaufwand im Archiv in einem er- lichkeit des Archivguts. Der Begriff Erschliessung umfasst träglichen Rahmen zu halten, ist das Landesarchiv in den sowohl die Ordnung wie auch die Verzeichnung des Ar- letzten Jahren immer mehr dazu übergegangen, eine erste chivguts. Bei der Ordnung unterscheiden Archivare zwi- Bewertung – die Makrobewertung – bei den Ämtern vor- schen der inneren und äusseren Ordnung: Bei staatlichen zunehmen. Es gilt zu verhindern, dass sämtliche Papier- Beständen erwarten wir, dass die innere Ordnung in der unterlagen ins Archiv gelangen. Bei einem grossen Teil Registratur der Amtsstelle hergestellt wird und dass die kann bereits in den Amtsstellen festgestellt werden, dass Akten so, wie sie von den Amtsstellen übernommen wer- sie nicht archivwürdig sind und deshalb direkt der Ver- den, archiviert werden können. Die Registraturen müssen nichtung zugeführt werden können. Spätestens bei der Ak- also für die einzelnen Verwaltungsvorgänge Akten bilden tenaussonderung – dem Herausnehmen der Dokumente (d.h. alle Dokumente, die zu einem Vorgang gehören, zu- aus den Registraturen bei den Amtsstellen – ist daher die sammenlegen) und diese Akten mit bestimmten Metadaten Zusammenarbeit zwischen der Amtsstelle und dem Archiv versehen (mindestens Titel, Laufzeit und Aktenzeichen). notwendig. Für eine solche Makro- oder Grobbewertung Im Normalfall behandelt ein Archivar eine Akte als Einheit eignet sich eine Bewertungsmethode, bei der ganze Ak- – vergleichbar mit einem Bibliothekar, der ganze Bücher tenserien aufgrund der Funktionen der Aktenbildner be- und nicht einzelne Kapitel oder Seiten katalogisiert. In der wertet werden können. Bei Amtsstellen, die vorwiegend Regel wird der Archivar die Akte auch als ganzes aufbe- vollziehende, durch Rechtsvorschriften genau festgelegte wahren oder als ganzes vernichten. Es ist aus zeitlichen Aufgaben haben, wird oft ein strenger Massstab angelegt, und ökonomischen Gründen nur in besonderen Fällen ver- während bei Amtsstellen mit einem grossen Ermessens- tretbar, einzelne Akten zu prüfen und falsch abgelegte Do- spielraum und Aufgaben, die langfristig grosse Wirkung kumente am richtigen Ort einzuordnen. Eine solche de- haben, in der Regel ein grosser Teil der Unterlagen archi- taillierte Aktenrevision ist ungemein zeitaufwendig. Eben- viert wird. Eine wichtige Entscheidungshilfe ist, ob eine falls zur inneren Ordnung gehört die Frage, in welcher Rei- Amtsstelle bei einem Geschäft federführend oder bloss mit henfolge die Akten innerhalb einer Serie oder eines Be- involviert war. Die Erfahrung zeigt, dass viele Bewer- standes abgelegt oder eingeordnet werden. Im Liechten- tungsentscheide heikel sind – gelegentlich werden aus steinischen Landesarchiv gilt die Regel, dass Akten nur ein- rechtlichen Gründen auch nach 20 Jahren noch Unterla- mal in die Hand genommen werden sollen und in der Rei- gen gesucht, die scheinbar belanglos sind. Ein Beispiel aus henfolge in die Schachteln gelegt werden, wie sie der Ar- der Praxis dazu waren Park- und Geschwindigkeitsüber- chivar in die Hand nimmt. Im Idealfall entspricht diese Rei- tretungen ausländischer Motorfahrzeugführer, die recht- henfolge der Gliederung des Aktenplans, da sie auch in lich nie erledigt worden waren. In diesem konkreten Fall dieser Reihenfolge aus den Registraturen ausgesondert war das Archiv schneller als die Justiz. Anerkannte Bewer- werden. tungsmethoden sind das sogenannte Sampling-Verfahren Bei der äusseren Ordnung geht es um die Struktur des (Archivierung einer repräsentativen Auswahl), die Priori- Archivguts. Wir Archivare sprechen von der Archivtekto- sierung der Amtsstellen (Gewichtung nach Bedeutung) nik und meinen damit die hierarchische Ordnung von Ab- oder die Wertung aufgrund der Funktionen und Aufgaben. teilungen, Beständen, Serien, Akten und Dokumenten. Die Die Makrobewertung anlässlich der Aussonderung ist auf Erschliessung des Archivguts zählt seit je zu den Kernauf- jeden Fall nur ein Teil der Gesamtbewertung, die Feinbe- gaben der ArchivarInnen. Während sich im Bibliotheks- wertung kann zum Teil erst zu einem späteren Zeitpunkt im wesen schon lang internationale Standards durchgesetzt Archiv erfolgen. haben, die den Datenaustausch in Bibliotheksnetzen erst Die Erarbeitung von Kriterien für die Vernichtung von ermöglichten, argumentierten ArchivarInnen gerne mit Unterlagen muss begründbar, nachvollziehbar und gleich- den Besonderheiten der eigenen Schriftgutverwaltung und zeitig praktikabel sein. Wichtige Richtlinien sind dabei des eigenen Archivs – diese Besonderheiten der jeweiligen auch Bewertungskataloge anderer Archive und die Emp- Ablage- und Ordnungssysteme schienen lange einer nor- fehlungen von Berufsvereinigungen. Dies gibt dem an- mierten Erschliessung im Wege zu stehen. Dieses Argu- sonsten oft isoliert arbeitenden Archivar eine gewisse Si- ment war sicher nicht aus der Luft gegriffen, denn Archive cherheit, das Richtige zu tun, denn das «Fingerspitzenge- sind im Vergleich zu Bibliotheken viel heterogener. Es ist fühl» der Archivare als alleinige Richtschnur wird immer aber ein grosses Verdienst des Internationalen Archivrats stärker angezweifelt. Zu den selbstverständlichen Aufga- (International Council on Archives), dass in den letzten ben der Archivare gehört heute, dass sie ihre Arbeit schrift- 20 Jahren internationale Normen für die Verzeichnungs- lich dokumentieren. Dazu gehört, dass sie alle Aktenzu- arbeit in den Archiven entwickelt wurden, die heute all ge- gänge mit den wichtigsten Angaben (abliefernde Stellen, mein anerkannt und von vielen Archiven auch umgesetzt Eingangsdatum, Umfang etc.) erfassen. Es ist auch sum- werden. marisch anzugeben, welche Akten nicht übernommen Grundsätzlich gilt in jedem modernen Archiv das Pro- wurden. venienzprinzip: Alle Akten einer Amtsstelle gehören zu- sammen und bilden einen Bestand. Die Struktur eines Ar- Bestand I 53 chivs spiegelt die Verwaltungsstruktur und in groben Zusammenfassung aller Unterlagen, die bei einer Person, Zügen auch die Verwaltungsgeschichte wider. Zur Beur- Familie oder Körperschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit er- teilung des Informationswerts, der Authentizität und Inte- wachsen (Provenienz) oder von ihr zusammengestellt grität einer Akte ist der Nachweis über den Kontext und (Sammlung) worden sind. den Entstehungszusammenhang wichtig. Durchbrochen wird das Provenienzprinzip deshalb nur bei den Samm- Teilbestand lungen und Selekten. Untergliederung eines Bestandes gemäss Organisation der Der wichtigste internationale Standard zur archivischen Provenienzstelle (z.B. nach Abteilungen) oder nach Krite- Verzeichnung ist ISAD(G) – International Standard of Ar- rien wie Epochen, Aktenplan/Ordnungssystem, Funktio- chival Description (General). ISAD(G) legt einerseits ver- nen usw. schiedene Stufen für die Verzeichnung der Informationen über die Archivalien fest, andererseits strukturiert er die Serie Verzeichnungselemente und erklärt einzelne davon im Reihe von gleichartigen Schriftstücken, Akten oder Sinne von Mindestanforderungen als obligatorisch. Die Geschäftsbüchern in alphabetischer, numerischer oder Verzeichnungsstufen sind hierarchisch aufgebaut – ver- chronologischer Folge ohne innere Anhaltspunkte für eine gleichbar mit der Baum- oder Verzeichnisstruktur bei der Systematisierung. Die Unterlagen stammen aus derselben Dateiablage auf einer Festplatte. Die Logik in der hierar- Tätigkeit oder derselben Sammlung oder haben dieselbe chischen Verknüpfung der verschiedenen Ebenen ergibt besondere Form. sich aus der Ordnung im Archiv, die sich wiederum aus dem Provenienzprinzip, dem Entstehungszusammenhang Teilserie und/oder einer zeitlichen Abfolge der Bestände ergibt. Gliederungsebene unterhalb der Serie, meist als reines ISAD(G) definiert folgende Stufen, die auch für das Lan- Gliederungselement gebraucht (z.B. Jahrgang). desarchiv massgeblich sind: Akte Archiv Bei der Provenienzstelle gebildete Einheit, die alle Schrift- Oberste Stufe, das Archiv als Institution wird summarisch stücke umfasst, die zum selben Gegenstand, zum selben beschrieben. Vorgang oder zur selben Tätigkeit gehören. Bei staatlichen Beständen und Privatarchiven ist die Verzeichnung auf Abteilung Stufe Akte das Ziel. Oberste Gliederung ohne inhaltliche Angaben (staatliche Bestände, Privatarchive, Sammlungen). Dokument/Einzelstück Kleinste, nicht weiter unterteilbare archivalische Einheit. Unterabteilung Auf Stufe Dokument wird in der Regel nur bei Sammlun- Unterteilung der Abteilungen nach gemeinsamen Merk- gen (z.B. Urkunden, Verträge, Handschriften, Karten und malen (v.a. Funktionen) zur Erleichterung der Übersicht. Pläne, Fotos, Filme etc.) verzeichnet.

Im Archiv sind Metadaten so wichtig wie die Beschriftung bei Konserven- dosen: Durch die genaue Beschrei- bung wird der Inhalt fassbar. Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

54 I Die Verzeichnung erfolgt vom Allgemeinen zum Be- ISAD(G) legt nicht im Einzelnen fest, welche Angaben sonderen – von der übergeordneten zur untergeordneten auf welcher Stufe erfasst werden müssen, er definiert aber Stufe. Für jede dieser Stufen werden bestimmte Formulare die Mindestangaben. Ziel der Standardisierung der Er- mit definierten Beschreibungselementen festgelegt. So schliessungsarbeit ist eine archivübergreifende Recherche. wird auf der obersten Stufe das Archiv summarisch als Neben den von ISAD(G) obligatorisch erklärten Mindest- ganzes beschrieben – hier interessieren Angaben zur Or- angaben können weitere Elemente gemäss den Verzeich- ganisation und Zuständigkeit des Archivs, zu Kontaktmög- nungstraditionen eines einzelnen Archivs oder gemäss lichkeiten, zu Öffnungszeiten etc. Auf der Stufe Bestand nationalen Verzeichnungsricht linien definiert werden. werden die Unterlagen der einzelnen Provenienzstellen all- ISAD(G) hilft auch beim Festlegen der Prioritäten in der gemein beschrieben – hier finden sich Verzeichnungs - Bearbeitung: Zunächst sollen alle Archivbestände in einer elemente wie Bezeichnung des Archivbestandes, Verwal- generellen Weise beschrieben werden, bevor sich die Ar- tungs- und Bestandsgeschichte, Laufzeit, Umfang, Be- chivarInnen in die Detailverzeichnung vertiefen. standssignatur u.a., die einen Überblick über die im Das Landesarchiv setzt sich das ehrgeizige Ziel, alle Ar- Archiv vorhandenen Bestände ermöglichen. Auf Stufe Akte chivunterlagen auf der Stufe Akte oder – bei manchen werden die Verzeichnungselemente zu einem konkreten, Sammlungen – sogar auf der Stufe Dokument zu verzeich- individuellen Gegenstand oder Vorgang erfasst – obliga- nen. Die Archivstatistik zeigt, dass das Landesarchiv mit torisch sind hier neben der Provenienz die Elemente Ak- der Detailerfassung der Archivalien sehr weit ist. Seit Be- tentitel, Laufzeit und Signatur. Daneben können weitere ginn der elektronischen Datenerfassung im Jahr 1991 wur- Elemente wie Aktenzeichen und Aktenplanposition, Be- den über 1 Million Datensätze in der Datenbank erfasst. nutzungsmöglichkeiten, Umfang, Archivalienart, Erhal- Die Internet-Recherche ermöglicht aus Gründen des Per- tungszustand, formale Angaben und sonstige Bemerkun- sönlichkeitsschutzes jedoch nicht den direkten Zugriff auf gen erfasst werden. alle Verzeichnungseinheiten.

Archivtektonik

Die Archivtektonik zeigt die hierarchisch gegliederte Struktur der Bestände gemäss den Verzeichnungsstufen auf. Die «Ein- fügeregeln» entscheiden, welcher Tektonikstufe eine archi- valische Einheit zugeordnet werden darf. Eine Akte kann in eine Serie oder in einen Bestand eingefügt werden aber nicht umgekehrt. Archivalien erhalten I 55

Archive fungieren als Langzeitgedächtnisse. Um diese Auf- gabe wahrnehmen zu können, bewerten, übernehmen und erschliessen Archivare Schriftgut. Auch die langfristige Er- haltung von Archivgut ist eine zentrale Aufgabe. Mit kon- servativen Mitteln kann ein erster Schutz gewährleistet werden. Das Entmetallisieren, also die Entfernung von Me- tallklammern, schützt vor Rostschäden; ebenso werden Kunststoffhüllen entfernt. Die fachgerechte Verpackung in säurefreien Mappen und Archivkartons hilft ebenfalls, Ar- chivgut sicher zu verwahren. Im Landesarchiv wurde in den 1990er Jahren begonnen, die Bestände in säurefreie Mappen und Kartons umzubetten. Die Archivalien werden grundsätzlich liegend aufbewahrt, da man sich davon einen besseren Schutz vor mechanischen Schäden verspricht. Die wichtigste Massnahme ist die optimale Lagerung in lichtgeschützten und klimatisch geeigneten Magazinräu- men. Vom neuen Archivgebäude erwarten wir uns gerade in dieser Beziehung sehr viel. Trotz allem: Umfassenden Schutz gibt es nicht, aber Massnahmen, um Archivgut möglichst lange zu erhalten. Die erste und wichtigste Konservierungsmassnahme ist die Lagerung in archiv - tauglichen Aktenmappen und Kartons.

Restaurierung

In der Vergangenheit kamen Unterlagen oft bereits be- schädigt im Landesarchiv an. Schlechte Lagerungsbedin- gungen in feuchten Räumen begünstigten den Zerfall des ohnehin schon angegriffenen Papiers. Verschmutztes Schriftgut war keine Seltenheit, Schimmelpilze mussten bei staatlichem Schriftgut glücklicherweise kaum festge- stellt werden. Durch unsachgemässe Handhabung, aber auch durch gedankenlose Benutzung kann Archivgut lei- den, und trotz noch so grosser Vorsicht können Archiva- lien im Laufe der Zeit Schaden nehmen. Reparaturen soll- ten jedoch besser fachkundigen Restauratoren überlassen und nicht selbst vorgenommen werden. Auch wenn ein ge- rissenes Stück Papier mit Hilfe von handelsüblichen Kle- bestreifen vorerst hält, richtet diese Massnahme mehr Schaden an, als dass sie nützt. Andererseits gibt es bei Massenschriftgut des 19. und 20. Jahrhunderts sehr viele beschädigte und eingerissene Dokumente. Im Sinne einer pragmatischen Lösung, die auch fachlich vertretbar ist, werden solche Massenschriftstücke mit einem archivtaug- lichen Spezialklebstreifen zusammengeklebt, damit sie weiterhin benutzbar sind. Die Restaurierung älterer oder besonders wertvoller Dokumente bleibt ausgebildeten Restauratorinnen und Restauratoren vorbehalten. Ziel des Restaurierens ist immer, das zu erhalten, was von einem Dokument noch vorhanden ist, und nicht, den ursprünglichen Zustand wie- der herzustellen. Durch die Restaurierung sollen weitere Schäden vermieden und das Archivgut konserviert werden. Restaurierung ist jedoch wegen des Aufwandes und der Kosten die teuerste Art der Konservierung. Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

56 I Das Liechtensteinische Landesarchiv besitzt keine ei- meistens durch die häufige manuelle Beanspruchung; sie gene Restaurierabteilung. Seit Mitte der 1970er Jahre wer- zeigen sich etwa in abgerissenen Buchrücken, wodurch den Restaurationsarbeiten an private Restauratorinnen und sich wiederum der Buchblock verzieht. Zusätzlich ent- Restauratoren vergeben. Diese werden verpflichtet, jeweils stehen Flecken und Risse auf dem Einband. Pergament eine kleine Dokumentation über die geleisteten Arbeiten wiederum reagiert auf Feuchtigkeit, indem es hart und brü- abzugeben. Angelika Arnegger-Wilhelm, eine der Restau- chig wird. Siegel können verstauben und zerbrechen. ratorinnen, mit denen wir seit vielen Jahren zusammenar- Um den weiteren Verfall und somit den akuten Verlust beiten, hat für uns einen kleinen Bericht über ihre Arbeit von wichtigen Informationen zur Landesgeschichte zu ver- verfasst: hindern, werden beschädigte Dokumente restauriert. «Im Liechtensteinischen Landesarchiv befinden sich Dabei ist der Einsatz modernster Technologie unter Ver- Archivalien aus mehreren Jahrhunderten. Es handelt sich wendung von Ursprungsmaterialien wie Hadernpapier, dabei einerseits um Urkunden bzw. Dokumente aus Papier Leder, Knochenleim usw. Voraussetzung. oder Pergament, andererseits um Bücher und Landkarten. Papier wird zuerst als wichtigste Erhaltungsmass- Schäden treten durch lange manuelle Beanspruchung, fal- nahme entsäuert. Als weiterer Schritt erfolgt das Rege - sche Lagerung und Wassereinwirkung auf. Je nach Art der nerieren und Festigen von Papier, indem die Seiten ent- Papiere können Dokumente und Bücher auch bei richtiger weder gespaltet und somit von innen heraus gefestigt Lagerung durch chemische Reaktionen während vieler werden, oder es werden Fehlstellen mit sogenanntem Jahre einfach vergilben. Feuchtigkeit und Wasser wie- Japanpapier, das trotz verschiedener Stärken später nicht derum unterstützen den Schimmelbefall. Karten werden störend auffällt, ergänzt bzw. angefasert. Risse werden entweder gefaltet oder gerollt auf Leinwand aufgezogen ebenfalls mit Japanpapier überklebt. Nach dem Trocknen aufbewahrt. Im Laufe der Zeit werden die Faltstellen und und Glätten ist trotz des Einsatzes von Japanpapier die die Leinwand brüchig. Die Schäden bei Büchern entstehen Schrift gut lesbar. Siegel werden zuerst gereinigt, an-

Protokoll des Zeitgerichts von 1682. Bevor ein solches Dokument an Benutzer ausgegeben wird, sollte es restauriert werden.

Die Restauratorin Angelika Arnegger-Wilhelm am Ausbessern von beschädigten Dokumenten. schliessend werden abgebrochene Teile wieder angesetzt I 57 und fehlende Teile mit eingefärbtem Bienenwachs ergänzt. Wenn bei Büchern der Rücken abgerissen ist oder gar fehlt, so wird der Buchrücken mit Leder oder zumeist mit Leinen hinterzogen und das alte, soweit noch vorhanden, Material aus Leder oder Leinen wieder darauf geklebt, denn alle originalen Teile müssen, wenn möglich, erhalten bleiben. Ledereinbände werden gereinigt und mit einem speziellen Pflegemittel genährt. Alte Marmor- und Kleis- terpapiere werden ergänzt, Buchseiten gereinigt und Risse Massenentäuerungsanlage in Wimmis: Die Archivalien werden in die Behandlungs- geschlossen. Ähnlich funktioniert die Restaurierung der kammer eingefahren. Karten. Auch hier werden, wie bei allen Dokumenten, Fle- cken entfernt, das Papier gereinigt und Fehlstellen ergänzt. Bei Bedarf werden die Karten auf neue Leinwand aufge- zogen. Der originale Zustand der Dokumente, Bücher und Kar- ten soll trotz einer Restaurierung so weit wie möglich er- halten bleiben. Zusätzlich soll sich jedes Buch oder Doku- ment nach der Restaurierung in einem Zustand befinden, der den weiteren Gebrauch gewährleistet.» (AA)

Massenentsäuerung

Viele Papiersorten haben sich als besonderes Problemfeld in der Erhaltung herausgestellt. Bis Mitte des 19. Jahrhun- derts wurde Papier aus unterschiedlichen Stoffen (meist Hadern und Tierleim) hergestellt, die jedoch überraschend wenig anfällig für den Zahn der Zeit sind. In früheren Jahr- hunderten wurde Papier in geringem Mass verwendet, denn es war teuer in der Produktion. Erst mit erhöhtem Verbrauch wurde Papier ab Mitte des 19. Jahrhunderts in- dustriell hergestellt, nämlich aus Holzfasern, die geleimt wurden. Ab diesem Zeitpunkt setzen massive Erhaltungs- probleme ein. Zwar wird auf Empfehlung des Landesar- chivs seit einiger Zeit in der Landesverwaltung alterungs- Rekonditionierung des Papiers in Wimmis: Durch die Nachbehandlung beständiges Papier verwendet, doch die Unterlagen aus erhalten die Archivalien wieder eine natürliche Feuchtigkeit. früheren Jahrzehnten bestehen meist aus säurehaltigem und damit nicht besonders langlebigem Papier. Saures Papier ist oft vergilbt und kann schlimmstenfalls brüchig werden. Dieser «Säuretod» setzt schon nach wenigen Jahr- zehnten ein. Mittlerweile gibt es jedoch Möglichkeiten, solches Papier zu konservieren. Bei der sogenannten Mas- senentsäuerung gibt es verschiedene Verfahren, an deren Ende entsäuertes und somit alterungsbeständiges Papier steht. Das gängigste Verfahren ist das papersave-Verfah- ren, bei dem der Wassergehalt des Papiers nach einer schonenden Vortrocknung von etwa 5 bis 7 % auf unter 1 % gesenkt wird. Durch die darauf folgende eigentliche Entsäuerung, bei der das Archivgut in einer alkalischen nichtwässrigen Lösung getränkt wird, werden die im Pa- pier enthaltenen Säuren neutralisiert. In der letzten Phase werden die Archivalien getrocknet und rekonditioniert, wobei sie wieder ihre natürliche Feuchtigkeit erhalten. Durch die Aufnahme von Wasser dunstet das Archivgut in dieser Zeit den durch die chemische Reaktion mit dem Ent- säuerungsmittel entstehenden Alkohol aus. Im Papier Aus unserem Team

58 I

Cathrine Hefti: bildlich vorstellt, welche Geschichte hinter einem Doku- Achtung Aufnahme! ment stecken könnte. Manchmal ist es auch schlicht zum Brüllen, vor allem bei alten Gerichtsakten. Zum Beispiel, So klein, wie man sie aus Agentenfilmen zu kennen glaubt, wenn ein Delinquent seinem Nachbarn drei Hühner ge- sind sie zwar bei weitem nicht, aber dennoch enthalten sie stohlen hatte und er dafür zu einer Strafe verknurrt wurde auf einigen wenigen Quadratzentimetern eine Fülle von In- – heutzutage gibt es zwar fast keine Nachbarn mit Hüh- formationen. Seit elf Jahren stellt Cathrine Hefti im Lan- nern mehr, dafür würde man den Dieb wahrscheinlich be- desarchiv Mikrofilme her, und die ehemalige Fotofachan- reits auf frischer Tat fotografieren oder filmen und nicht gestellte und Pressefotografin freut sich täglich auf neue erst seine Akte. Nur halten unsere Filme nach Hersteller- Motive. angaben rund 500 Jahre und damit bedeutend länger als So entstehen im Laufe des Jahres Hunderttausend Auf- die neuen elektronischen Datenträger. Unsere ‹Schandta- nahmen auf 35- und 16-Millimeter-Filmrollen mit einer ten› – und natürlich auch die ehrenhafteren Tätigkeiten – Länge von jeweils 30 Metern, wobei auf einer Rolle je nach bleiben der Nachwelt also eine ganze Weile erhalten. Dabei Format 600 oder 1200 Bilder Platz finden. Cathrine Hefti: haben viele Leute überhaupt keine Ahnung, dass sie oder «Ich verfilme Urkunden, Akten und Dokumente, zum Bei- ihr Tun ebenfalls auf unseren Mikrofilmen vertreten sind spiel von der Regierung, vom Staatsgerichtshof und den und deren ‹Ableben› wohl selber nicht mehr mitbekommen anderen Gerichten, vom Grundbuch, von der Polizei sowie werden.» auch die Zeitungen unseres Landes, und ich lerne dabei Sie habe zwar keine Zeit, die Dokumente wirklich zu nie aus.» lesen, aber man bekomme doch einiges mit und lerne Während «ihre» Originalfilme in einem Spezialmagazin dabei auch viel über die Geschichte unseres Landes, sagt des Landesarchivs aufbewahrt werden, erstellt eine Spezi- Cathrine Hefti, die im Archiv jeweils am Morgen arbeitet. alfirma Kopien für die Archivbenutzer. Ihre Arbeit dient «Den Blick auf Liechtenstein habe ich aber auch am Nach- eigentlich zwei Zwecken: einerseits der Sicherung der In- mittag und am Wochenende. Ich wohne in Grabs und ge- formation, andererseits dem Schutz der Originale, denn niesse dort zusammen mit meinem Mann oft herrliche alte Zeitungen dürfen nur auf den Mikrofilmen angeschaut Wanderungen – mit Aussicht auf Liechtenstein. So kann werden. Zum doch enormen Unterschied zu ihrer frühe- ich mein Heimweh laufend abstreifen», schmunzelt die ge- ren Tätigkeit als «fliegendes Auge» für die Presse lächelt bürtige Vaduzerin. (WN) Cathrine Hefti herzlich: «Im Gegensatz zu früher besteht hier zwar keine Gefahr, dass mir die Motive aus dem Bild laufen, aber die Dokumente enthalten trotzdem manchmal eine ganze Menge Leben, vor allem auch, wenn man sich bleibt Magnesiumkarbonat zurück, das als alkalische Re- Gebrauchs- oder Benutzerfilme hergestellt. Die Original- I 59 serve dient und weiterhin entstehende Säuren sofort neu- filme werden in einem Schutzraum archiviert, während die tralisiert. Versuche mit entsäuertem Papier haben ergeben, Benutzer für ihre Forschungen im Landesarchiv Kopien er- dass sich die Lebensdauer von behandeltem Papier um das halten. Einige besonders empfindliche Archivalien, wie Zei- Vier- bis Siebenfache verlängert. Diese Art der Entsäue- tungen, dürfen ohnehin nur in Form von Mikrofilmen be- rung ist allerdings für Pergament nicht und für Leder und nutzt werden. Lediglich für Fotoaufnahmen zu Illustrati- Fotos nur bedingt geeignet. Das Landesarchiv hat seit 2001 onszwecken in Publikationen werden Zeitungen im Origi- bei Papersave Swiss in Wimmis insgesamt 10,2 Tonnen Pa- nal zur Verfügung gestellt. Mikrofilme können kosten- pier entsäuern lassen. günstig eingescannt werden. Die zukünftige Strategie im Landesarchiv läuft zumindest bei Farbfilmen darauf hinaus, zuerst zu scannen und dann das Digitalisat auf Film zu be- Mikroverfilmung lichten. Bisher wurden im Landesarchiv 4500 Mikrofilme auf 35 mm und 2000 Mikrofilme auf 16 mm hergestellt. Eine weitere Art der Archivaliensicherung ist die Mikro- Ein anderer Grund für die Anfertigung von Mikrofilmen verfilmung besonders wertvoller oder vom Verfall bedroh- ist die Ergänzungsverfilmung. Es gibt zahlreiche Archiva- ter Dokumente; die Originalarchivalien werden – je nach lien, welche die Geschichte dokumentieren, Zweck der Verfilmung – anschliessend weiterhin aufbe- sich aber in ausländischen Archiven befinden (mehr dazu wahrt oder vernichtet (Ersatzverfilmung). Seit 1980 gibt es im Kapitel Liechtensteinensia in ausländischen Archiven). im Landesarchiv eine eigene Mikrofilmstelle, in der seit Um das Archivgut über Liechtenstein zu vervollständigen, 1998 auch farbige Mikrofilme von Zeitungen, Plänen und lässt das Landesarchiv Mikrofilme von solchen Archivalien Grundbüchern angefertigt werden können. Bei der Mikro- anfertigen, damit sich Benutzer im Landesarchiv umfas- verfilmung werden ein Mutterfilm, eine Masterkopie und send informieren können. Ergänzungsverfilmung gibt es

Die Anfänge der Mikroverfilmung gehen in das Jahr 1965 zurück: Aus Sicherheitsgründen wurden als erstes die Grundbücher verfilmt. In den vier Ordnern auf dem Tisch ist das gesamte Grundbuch verfilmt. Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

60 I faktisch nur noch bei grösseren Mengen, Einzeldokumente werden heute in der Regel gescannt. In jedem Fall haben Mikrofilme gegenüber anderen Medien den Vorteil, verhältnismässig lange haltbar und vor allen Dingen von komplizierten Technologien unabhängig zu sein. Schenkt man Herstellerangaben Glauben, sollen Mikrofilme bis zu 500 Jahre überdauern können. Daher auch der Werbeslogan eines Mikrofilmunternehmens «di- gital for now – analog for ever». Mikrofilme können in Le- segeräten nicht nur angesehen werden, sondern es ist auch Mikrofilmkamera möglich, Kopien auf Papier oder Scans anzufertigen. Den Benutzern des Landesarchivs stehen solche Lesegeräte in einem separaten Raum zur Verfügung.

Digitalisierung

Eine Alternative zur Mikroverfilmung ist die Digitalisierung von Archivgut. Allerdings birgt diese Archivaliensicherung einige Risiken, denn noch gibt es kein Speichermedium, das für die Ewigkeit geschaffen ist. CD-ROMs und DVDs haben eine geringe Lebensdauer und zu geringe Spei- cherkapazitäten für grössere Datenmengen; die Herstel- lerangaben schwanken gewaltig. Um sicher zu stellen, dass keine Daten verloren gehen, müssten diese Medien in re- gelmässigen Abständen kopiert werden, was bei Hunder- ten oder Tausenden von CDs und DVDs schwer zu reali- sieren wäre. Auch die Speicherung auf Festplatten kann keine Dauerlösung sein, da dieses Medium ebenfalls an- fällig ist und der Datenverlust somit nur eine Frage der Zeit. Strategien für eine digitale Langzeitarchivierung gibt es zwar, aber bisher konnte noch kein einfaches und über- zeugendes Konzept entworfen werden, was auch mit der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet neuer Technologien zusammenhängt. Digitalisierung von analogem Archivgut, sprich von Pa- pierunterlagen, ist im Landesarchiv bislang kein Aufga- benschwerpunkt. Digitalisate werden nur bei entspre- chender Nachfrage angefertigt. Im Bereich des digitalen Archivs stehen Archivare vor einer Herausforderung, näm- Ein anerkanntes Mittel für die Langzeitsicherung der Informationen: Der Mikrofilm hält 500 Jahre. Der lich der Archivierung digitaler (Verwaltungs-)Unterlagen, Masterfilm wird kopiert und dann weggesperrt. wie beispielsweise elektronischer Akten. Originär digitale Unterlagen sollen auch in dieser Form archiviert werden; ein Medienbruch muss vermieden werden. In Absprache zwischen Verwaltung und Archiv müssen Archivierungs- konzepte erarbeitet werden, damit digitale Verwaltungs- unterlagen später auch ins Archiv übernommen werden können. Hierbei stellt sich neben der langfristigen Siche- rung dieses besonderen Archivguts auch die Frage nach der dauerhaften Lesbarkeit. Dazu müssen nicht nur die op- timalen Speichermedien gewählt werden, sondern auch die Wahl der Dateiformate will wohl überlegt sein, denn was nützen die best erhaltenen Dateien, wenn es technisch nicht möglich ist, diese auch zu lesen? Besonders im Be- reich des Aufbaus eines digitalen Archivs ist das Landes- archiv auf die enge internationale Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch mit grösseren Archiven ange- wiesen. In jedem Fall wird ein digitales Archiv teuer wer- rüber hinaus tragen Archivare dafür Sorge, Archivgut zu I 61 den, weil ständige technische Kontrollen und Datenpflege pflegen und gegebenenfalls in Stand zu setzen, damit die nötig sind. Um dies leisten zu können, müssen Archivare Archive ihrer Aufgabe als Langzeitgedächtnisse gerecht eine entsprechende Ausbildung vorweisen können und werden. (DP) sich durch regelmässige Fort- und Weiterbildung auf dem neuesten Stand halten. Es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Papier weitgehend als Schriftgut verdrängt ist. Jedoch wird es sicherlich niemals ein papierloses Büro geben; richtiger wäre, vom papierarmen Büro zu sprechen.

Kulturgüterschutz

Gleich in welcher Form Archivgut vorliegt, ob als Papier oder als bits und bytes, sämtliches Archivgut ist gleichzei- tig Kulturgut und ist daher zu schützen. Unter Kultur - güterschutz versteht man den Schutz von Kulturgütern vor Beschädigung, Zerstörung, Diebstahl und Verlust. In- ternationale Abkommen und nationale Gesetze, wie das Denkmalschutzgesetz oder die Welterbekonvention der UNESCO, unterstützen dieses Anliegen. Kulturgut darf nicht veräussert oder ins Ausland verbracht werden. Da-

Kulturgüterschutzraum im neuen Landesarchiv Unsere Kernaufgaben: Archivalien sichern, erschliessen, erhalten, vermitteln

62 I Archivalien vermitteln, Veranstaltungen Öffentlichkeitsarbeit Das kulturelle Angebot in Liechtenstein ist im Verhältnis Früher haben viele Archive ihre einzige Aufgabe darin ge- zur Grösse des Landes riesig. Auch das Landesarchiv be- sehen, Archivgut zu sichern, zu erschliessen und auf Nach- sitzt im neuen Archivgebäude einen Konferenz- und Semi- frage zur Verfügung zu stellen. Die Beschränkung auf diese narraum, in dem Veranstaltungen mit bis zu 30 Personen Aufgaben hat dazu beigetragen, dass die Archive ein durchgeführt werden können. Aufgrund der fehlenden schlechtes Image haben: weltfern, unwichtig, rückwärts räumlichen Möglichkeiten konnten bisher keine entspre- gewandt, langweilig. Dagegen müssen die Archivare etwas chenden Angebote gemacht werden, nun bieten sich neue tun, sie müssen ein bewusstes Archivmarketing betreiben. Chancen. Es besteht jedoch nicht die Absicht, mit eigenen Es genügt nicht, den Nutzen und die kulturelle Bedeutung Vortragsreihen oder ähnlichen fixen Veranstaltungen zu der Archive auf einer akademischen Ebene zu behaupten, bestehenden Kulturträgern in Konkurrenz zu treten. Das sie müssen vielmehr in der Öffentlichkeit unter Beweis Landesarchiv wird sich auf Nischen und Spezialitäten kon- stellen, dass Archive Bildungsinstitutionen sind und viel zentrieren. Bei ausreichendem Interesse sollen beispiels- Spannendes zu bieten haben. Die französischen Archive weise Kurse zur Schriftgutverwaltung in der Landesver- machen es vor, sie haben sich einen allgemeinen Bildungs- waltung, Schriftenlesekurse, Archivkurse für Vereinsarchi- und Kulturauftrag gegeben: Sie verstehen sich als mo- vare, Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu derne, kundenorientierte Erbringer von Dienstleistungen, speziellen Fragen und archivpädagogische Programme für sie machen ihre Bestände über das Internet zugänglich, Schülerinnen und Schüler angeboten werden. engagieren sich in Netzwerken und gehen mit ihren Bil- dungsangeboten auf mögliche Interessengruppen zu. Wol- len Archive wahrgenommen werden, so müssen sie sich Führungen einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit stellen, sie müs- sen gezielte Öffentlichkeitsarbeit leisten und Produkte an- Bei den Veranstaltungen ist daran gedacht, spezielle Grup- bieten, die über den begrenzten Kreis von historisch inte- pen anzusprechen. Bereits in den vergangenen Jahren ressierten Archivbenützern hinaus interessant sind. machte das Landesarchiv bei der Aktion «Ferienspass» mit,

Findbücher können vom Internet heruntergeladen und ausgedruckt werden. bei der Kinder unter 14 Jahren auf spielerische Weise an- richte, die aber nicht dem Parlament zur Kenntnis gebracht I 63 gesprochen werden. Mögliche Interessengruppen sind werden. Das Landesarchiv verschickt seine erweiterten Schulklassen oder Senioren, denen spezielle thematische Jahresberichte an andere Archive, Politiker, Forscher, Ver- Angebote unterbreitet werden können. bände usw. Neben dem Tätigkeitsbericht befindet sich Eine wichtige Zielgruppe sind die Mitarbeitenden der darin auch die Archivstatistik und jedes Jahr ein Beitrag zu Landesverwaltung: Diese sind unsere Partner und sollen einem Schwerpunktthema aus dem Archiv. durch Führungen vor Ort davon überzeugt werden, dass sich der Aufwand für eine geordnete Aktenführung lohnt. Sie sollen erfahren, wie das Archiv arbeitet und welche Ausstellungen Leistungen es für die Verwaltung erbringt. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch das persönliche Kennenlernen. Es ist kein Ziel des Landesarchivs, seine Bestände in eige- nen Ausstellungen zu präsentieren, hingegen ist es an Ko- operationen und Vernetzungen interessiert. So stellt das Internet, Internetpublikationen Landesarchiv immer wieder Leihgaben für Ausstellungen im Liechtensteinischen Landesmuseum, in den Gemein- Die Hauptplattform für die Präsentation des Landesarchivs den oder im benachbarten Ausland zur Verfügung. Ein ak- bleibt das Internet. Unter der Adresse www.la.llv.li stellt tuelles Beispiel einer solchen Kooperation ist die kleine das Archiv seine Bestände und seine Mitarbeiterinnen vor. Ausstellung zum Thema «Tanz in der Geschichte», die Hier ist die Recherche in der Datenbank möglich, es kön- für das Theater am Kirchplatz gestaltet wurde. Räume für nen aber auch digitale Findbücher zu einzelnen Beständen eigene Ausstellungen wurden beim Archivneubau nicht ge- heruntergeladen werden. Wie die Besucherstatistik zeigt, fordert, dies wäre wohl auch nicht sinnvoll gewesen. Was steigen die Zugriffe auf die Homepage rasch – allerdings möglich ist, ist die Präsentation von einzelnen Dokumen- dürfte die grosse Mehrheit der Besucher eher zufällig über ten, die unter dem Motto das «Dokument des Monats» eine Suchmaschine auf die Homepage stossen. im Internet gezeigt und kommentiert werden können. Für Für ein grösseres Publikum dürften vor allem digitali- die Präsentation von einigen Dokumenten steht auch eine sierte Filme, Fotos, Pläne oder Stiche interessant sein, doch Vitrine im Benutzerraum zur Verfügung. sieht das Landesarchiv darin keine vordringliche Aufgabe. Ausgebaut wird vor allem der Bereich Quelleneditionen, wobei diese wissenschaftlichen Ansprüchen genügen müs- sen. Dazu sind bereits mehrere Projekte im Gang (Näheres dazu im Kapitel «Die Editionen»). Die Feststellung, dass die Seiten zum Rheinberger-Archiv häufig aufgerufen werden, veranlasste uns, die neun Bände «Josef Gabriel Rheinber- Neben den Jahresberichten publiziert das Landesarchiv eine eigene kleine ger. Briefe und Dokumente seines Lebens» (hrsg. von Ha- Schriftenreihe. rald Wanger und Hans-Josef Irmen, Vaduz 1982–1987) zu digitalisieren und ins Internet zu stellen.

Veröffentlichungen des Landesarchivs, andere Publikationen

Im Jahre 2001 hat das Landesarchiv eine eigene kleine Pu- blikationsreihe mit dem Titel «Veröffentlichungen des Liechtensteinischen Landesarchivs» gestartet, von der bis- her drei Nummern erschienen sind. In jeder Nummer wer- den ein Gemeindearchiv und für Liechtenstein relevante Bestände in ausländischen Archiven vorgestellt. Weiter dient die Reihe dazu, archivrelevante Fragen zu besprechen und ausgewählte Quellen zu publizieren. Die Reihe ist eine Plattform zur Selbstdarstellung der liechtensteinischen Ar- chive, für deren Anliegen und Aufgaben im Bewusstsein der Öffentlichkeit Verständnis geweckt werden soll. Zum Thema Öffentlichkeitsarbeit gehören auch die Jah- resberichte des Landesarchivs. Die Jahresberichte, die zu- handen der Regierung und des Landtags erstellt werden, sollen knapp gehalten und auf «das Wesentliche» be- schränkt werden. Zugelassen sind erweiterte Jahresbe- Bleistiftspitzer Archivbenutzung

Im Dienste der Verwaltung Zahl der ausgehobenen Akten I 65

Die Archivstatistik zeigt, dass die Aktenaushebungsauf- Eine der Kernaussagen im Leitbild des Landesarchivs lautet: träge aus der Verwaltung zahlenmässig jene der privaten «Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der Archivbenüt- Benutzer überwiegen. Benutzer aus der Verwaltung kön- zerinnen und –benützer.» Die Archivierung von Unterlagen nen Akten, die von ihnen als Aktenproduzenten ans Lan- dient letztlich immer dem Ziel, diese nutzbar zu machen. Es desarchiv abgegeben wurden, ausleihen – es sei denn, es gibt zwei Kategorien von Benützern: die internen Benützer handle sich um Unterlagen, die an sich aus Datenschutz- aus der Landesverwaltung, die Archivgut ausleihen können, gründen vernichtet werden müssten, aufgrund einer his- und die externen Benützer, die dieses nur im Benutzerraum torischen Bewertung aber aufbewahrt werden. Für die einsehen können. Der Anstieg in den Jahren 2002 bis 2004 Ausleihe durch Amtsstellen genügt eine einfache Bestel- ist auf die Arbeit der unabhängigen Historikerkommission lung. Sie erhalten dann am gleichen Tag mit der internen zurückzuführen. Post die Akte oder – in besonders dringenden Fällen – auch einmal ein einzelnes Dokument als Scan per E-Mail zuge- stellt. Wollen Amtsstellen Akten einsehen, die nicht von ihnen abgeliefert wurden (was z.B. bei Entscheidungen des Ver- waltungsgerichtshofs in einem ähnlichen Verfahren der Fall sein kann), haben sie grundsätzlich die gleiche Rechts- stellung wie externe Benützer. Sie müssen in diesen Fällen ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen, konkret: dass sie diese Unterlagen für die Erledigung staatlicher Aufga- ben brauchen. Ausserdem muss die aktenproduzierende Stelle ihr Einverständnis geben, damit andere staatliche Stellen dieses Archivgut innerhalb der Sperrfrist nutzen können. Archivbenutzung

66 I Der Archivar als Mediator tisch nicht benutzbar ist. Auch bei gesperrten Akten wer- den die Ansuchen um Akteneinsicht unter der Vorausset- Für externe ArchivbenützerInnen ist eine Ausleihe grund- zung, dass ein wissenschaftliches Forschungsinteresse sätzlich nicht möglich. Sie können Archivgut nur im Lese- glaubhaft gemacht werden kann, in der Praxis grosszügig raum des Landesarchivs einsehen, Ausnahmen werden nur gehandhabt. Akteneinsicht wird auch bei Informationen für Buch- oder Zeitungsillustrationen gemacht. Gebühren gewährt, die die ersuchende Person unmittelbar betreffen; werden nur für ausserordentliche Dienstleistungen (Re- die entsprechenden Rechtsgrundlagen befinden sich im produktionen von Dokumenten oder Nachforschungen Datenschutzgesetz. Bei Ausnahmebewilligungen muss der durch das Archivpersonal) erhoben. Bei der Archivbenüt- Archivar im Hinblick auf allfällige Streitigkeiten aber auch zung schlüpft der Archivar in die Rolle eines Mediators, bedenken, dass er grundsätzlich gegenüber Forschungs- der die unterschiedlichen Interessen und Rechtsansprüche vorhaben wohlwollend eingestellt ist und dass die Betrof- von Archivbenützern, Betroffenen, Aktenproduzenten und fenen gegenüber dem Archivbenutzer insofern benachtei- Archiv kennen und gegeneinander abwägen muss. ligt sind, als diese nicht kontaktiert werden und im Nor- Archivbenützerinnen und –benützer haben einen malfall von Forschungsprojekten erst im Nachhinein er- Rechtsanspruch auf einen gleichen und möglichst unge- fahren. Gelangt der Archivar (in Absprache mit der akten- hinderten Zugang zum Archivgut. Staatliche Archive gelten produzierenden Stelle) zum Entscheid, ein Ausnahmege- seit der Französischen Revolution grundsätzlich als öffent- such ablehnen zu müssen, wird dem Gesuchsteller dies lich zugängliche Institutionen. Die Vorstellung, dass Ar- unter Angabe der Entscheidungsgründe in einer rechts- chive geheim sind und dass Bürgerinnen und Bürger dank- mittelfähigen Verfügung mitgeteilt. bar zu akzeptieren haben, was die hohe Obrigkeit aus lan- Den Rechten der Archivbenützer stehen die Rechte desväterlicher Fürsorge für das allgemeine Wohl be- jener Personen gegenüber, um die es in den Akten geht. schlossen hat, steht in krassem Gegensatz zu modernen Mit dem Archivgesetz von 1997 wurde die allgemeine Vorstellungen von Transparenz, Rechtsstaat und Demo- Sperrfrist von 50 Jahren abgeschafft und eine Differenzie- kratie. Das Recht auf freien Zugang zum Archiv ist mög- rung vorgenommen. Das Archivgesetz sieht nun für «per- lichst grosszügig auszulegen und wird bei Akten, die aus- sonenbezogenes Schriftgut» eine Sperrfrist von 80 Jahren serhalb der Sperrfrist liegen, nur dann verweigert, wenn vor, bei allen andern Daten, soweit sie nicht schon bei der ausserordentliche Umstände vorliegen, z.B. weil das Ori- Entstehung öffentlich zugänglich gemacht wurden, eine ginal durch die Benutzung physisch gefährdet würde oder Sperrfrist von 30 Jahren. Bei einer engen Auslegung des ein Bestand aufgrund des ungeordneten Zustandes fak- Begriffs «personenbezogenes Schriftgut» würde die neue

Archivar als Mediator Bestimmung im Vergleich zur früheren Regelung auf eine I 67 massive Verschärfung der Sperrfrist hinauslaufen, denn der überwiegende Teil des Archivguts ist bei genauer Be- trachtung «personenbezogen«. Die neue Bestimmung sollte jedoch keine Verschärfung, sondern eine Verkürzung der als zu lang empfundenen Sperrfrist bringen. Diese Be- stimmung im Archivgesetz wird daher nach ihrem Sinn und Zweck und in Übereinstimmung mit dem Daten- schutzgesetz von 2002 so ausgelegt, dass darunter «be- sonders schützenswerte Personendaten» verstanden wer- Die handschriftlichen Repertorien wurden verfilmt und stehen in Kopie als Ausdrucke den. In der Praxis bleibt trotzdem ein gewisser Ermes- zur Verfügung. sensspielraum, der mit Vernunft gehandhabt werden soll. Dazu ein Fallbeispiel: Im Rahmen eines naturkundlichen Projekts über Reptilien findet ein Forscher den Hinweis auf eine Regierungsakte zu einem Fall, bei dem vor 50 Jahren in Malbun letztmals ein Mensch von einer Viper gebissen wurde, ohne dass der Fall tödlich endete. Natürlich wird der Name der betroffenen Person genannt. Daten in Bezug auf die Gesundheit gehören gemäss Datenschutzgesetz zu den besonders schützenswerten Personendaten. Nach dem Buchstaben des Gesetzes müsste nun also ein Regie- rungsentscheid eingeholt und allenfalls auch die Nach- kommen dieser Person um eine Stellungnahme ersucht werden. In einem solchen Fall wird man pragmatisch ent- scheiden: Der Forscher erhält Einblick in die Akten, muss aber den Fall anonymisieren. Das Beispiel zeigt, dass man den Personenschutz heute höher gewichtet als noch vor wenigen Jahren. Beschwerden von Betroffenen gibt es bis- lang nicht, die Praxis dürfte somit den Bedürfnissen ent- sprechen. Dass es bislang keine Beschwerden gab, ist si- cher positiv zu werten, andererseits wüsste man gerne, wo der Verwaltungsgerichtshof Grenzen ziehen würde. Dass auch die Aktenproduzenten bei Ausnahmebewil- ligungen gewisse Rechte haben, mag auf den ersten Blick nicht ganz einsichtig sein, denn schliesslich haben sie sich vom Archivgut getrennt. Sie können sich aber nicht will- kürlich gegen eine Einsichtsbewilligung stellen, sondern nur aus objektiven Gründen, worunter vor allem die Ge- fährdung eines öffentlichen Interesses fallen könnte – der Konjunktiv weist darauf hin, dass bis heute nie ein Gesuch mit dieser Begründung abgelehnt wurde. Unter den Rechten der Produzenten ist auch das Ur- heberrecht aufzuführen, das insbesondere bei den audio- visuellen Sammlungen zur Anwendung kommt und dort ein Dauerthema ist. Bei staatlichen Dokumenten kommt das Urheberrecht hingegen nicht zum Tragen. Last but not least: Auch die Interessen des Archivs an der Erhaltung des Archivguts und an einem kontrollierten Umgang mit diesem müssen beachtet werden. Archivalien sind in der Regel unersetzbare Unikate, der Umgang mit ihnen muss daher kontrolliert werden. Aus diesem Grund sind eine Benutzungsaufsicht und gewisse Einschränkun- gen bei der Benutzung notwendig. So wird beispielsweise – für alle Archivbenutzer in gleicher Weise – die Zahl der Archivalien, die gleichzeitig ausgeliehen werden können, auf drei beschränkt. Damit soll die Gefahr, dass Akten - stücke durcheinander geraten, reduziert werden. Aus unserem Team

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Isabella Marxer: reits weitere 30 Jahre zuvor den Hirten auf unseren Alpen «Das interessiert jeden» empfohlen, an erosionsgefährdeten Stellen Bäume zu pflanzen anstatt den ganzen Tag zu faulenzen. Ob die Hir- Als einen Glücksfall empfindet lic. iur. Isabella Marxer ihre ten wirklich Faulpelze waren, lasse ich offen, das Thema Halbtagestätigkeit im Landesarchiv. Für sie bedeutete der Umweltschutz jedoch ist heute in aller Munde.» Einstieg eine offene Tür zur Kombination zwischen ihrem Isabella Marxer freut sich darüber, dass sie sich Rechts- Beruf als Rechtsanwältin und ihrem Interesse an Ge- fragen auf ganz andere Weise widmen kann. «Während ich schichte. «Nachdem meine Kinder zur Welt gekommen früher immer Partei ergreifen musste, kann ich die Dinge waren, geriet ich in einen Konflikt zwischen Familie und jetzt objektiv angehen. Dabei eröffnen sich viel mehr Zu- Beruf. Dabei stellte sich heraus, dass ein Teilzeitpensum sammenhänge, als wenn man die Dinge nur von einer Seite als Rechtsanwältin äusserst schwierig ist, lassen sich doch aus betrachtet. Und was ich hier alles erfahren darf, das dort viele Dinge einfach nicht verschieben», sagt die zwei- würde bestimmt jeden interessieren, handelt es sich fache Mutter. schliesslich um Fakten, die unser Land betreffen. Ich muss Immer schon habe sie sich auch für Geschichte inte- allerdings manchmal aufpassen, dass ich mich nicht zu ressiert, und seit Anfang dieses Jahres schlägt sie im Archiv sehr in die Lektüre vertiefe, ansonsten mir die Zeit davon- zwei Fliegen mit einer Klappe. «Meine Arbeit im Bereich läuft.» ‹Erschliessung und Benutzerdienste› klingt zwar trocken, Partei ergreift sie aber dennoch, auch für Archivbesu- ist für mich aber Abwechslung pur. Hier kann ich mein be- cher, denen sie, wann immer möglich und erlaubt, Zugang rufliches Wissen bei der Klassifizierung der Archivalien zu Informationen verschafft. Ebenfalls subjektiv bleibt Isa- sowie bei deren Gewichtung ideal einsetzen, und gleich- bella Marxer natürlich auch gegenüber ihren Kindern, die zeitig stosse ich täglich auf hochinteressante Details über sie über alles liebt. «Und bei meinen grossen Freizeitlei- das Geschehen in Liechtenstein.» Erschlossen werden von denschaften – dem Karatesport und dem Reiten – vergesse Isabella Marxer vor allem staatliche Bestände, Akten von ich alles andere.» (WN) Amtsstellen, Botschaften und aus dem Landtag, und sie hat dabei schon Verblüffendes festgestellt. «Neuestes Beispiel gefällig?», fragt sie mit strahlenden Augen. «Derzeit be- fasse ich mich mit der Aufarbeitung der Akten aus dem Amt für Wald, Natur und Landschaft. Wer hätte gedacht, dass Pfarrer Tschugmell schon vor 40 Jahren Dinge ge- schrieben hat, die ihn heute als Visionär entlarven? Der Wald sei unser Klima, schrieb er damals, und er habe be- Benutzerregistrierung relativ einfach ermittelt werden, wie viele Archivbenutzer I 69 pro Jahr ins Archiv kommen, wie viele Akten ausgehoben Benutzerinnen und Benutzer müssen sich registrieren las- (und reponiert) werden müssen, welche Akten und The- sen. Sie müssen eine Benutzerkarte ausfüllen, auf der sie men Archivbenutzer besonders interessieren und wie sich neben Namen, Adresse und Telefonnummer auch das For- die Archivbenutzer nach Beruf und Geschlecht zusam- schungsanliegen anzugeben haben. Die Benutzerkarte mensetzen. Diese Statistik dient einerseits der Verbesse- muss jedes Jahr neu ausgefüllt werden. Auf der Benutzer- rung der Dienstleistungen im Interesse der Benutzer, an- karte eingetragen werden die Tage, an denen das Archiv dererseits aber auch dem Leistungsnachweis und dem Ver- benutzt wurde, und die Akten, die eingesehen wurden. gleich mit anderen Archiven. Eine elektronische Benut- Diese Angaben dienen einerseits der Kontrolle, anderer- zungserfassung ist eine Option für die Zukunft – zurzeit seits werden sie statistisch ausgewertet. Anhand der Aus- verspricht man sich davon keine Erleichterungen. leihzettel wird kontrolliert, ob alle ausgeliehenen Akten wieder ordnungsgemäss zurückgegeben wurden. Auch die an Amtsstellen ausgeliehenen und nicht retournierten Akten müssen regelmässig angemahnt werden. Anhand der Benutzerkarten wird die Ausleihstatistik er- stellt. Da die Benutzungszahlen nicht allzu gross sind, kann

Benutzerkarte Ausleihzettel Archivbenutzung

70 I Dienstleistungen Auszüge aus der Datenbank erstellt. Bei einem grossen Teil der Benutzer – jenen, die nur ein- oder zweimal für ein Aktenausleihe ganz konkretes Anliegen ins Archiv kommen – ist dies die einfachste Lösung. Benutzer, die häufiger ins Archiv kom- Archivalien können im Leseraum unentgeltlich eingesehen men, erhalten eine Einführung in die Archivdatenbank und werden. Die Akten müssen vom Benutzer mit einem Be- werden damit zur selbständigen Recherche befähigt. stellzettel (pro Akte) beim Empfang/bei der Ausleihe an- gefordert werden. Das Aufsichtspersonal hebt die Archi- valien in den Magazinen aus und gibt sie aus. Die Warte- Findmittel zeit beträgt in der Regel nur wenige Minuten. Beansprucht die Bearbeitung durch die Benutzer mehr als einen Tag, Die alten Repertorien, die von den abliefernden Stellen er- werden die ausgehobenen Archivalien durch den Ausleih- stellt wurden, werden sorgfältig aufbewahrt; sie spielen je- dienst bereit gehalten. doch für die Suche im Archiv kaum mehr eine Rolle. Die entsprechenden Angaben wurden in den letzten 20 Jahren in die Datenbank übertragen, so dass heute die meisten Auskünfte und Beratung Archivalien (vor allem jene, die in der Praxis nachgefragt werden) elektronisch erfasst sind. Für die Archivbenutzer Zu den Aufgaben des Aufsichtspersonals gehören die Be- besteht die Möglichkeit, im Archiv im Abfragemodul Query ratung und die Unterstützung bei der Suche nach Archi- der Datenbank selbständig zu suchen – Metadaten zu ge- valien – es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, für Archivbe- sperrten Unterlagen sind jedoch nicht frei abrufbar, son- nutzer die Ausleihzettel auszufüllen. Kann der Benutzer dern nur bei einem wissenschaftlich begründeten Ansu- seine Wünsche genau umschreiben, werden auch gerne chen. Die Datenbank bietet im Vergleich zu den sehr auf-

Suche nach Archivalien wendigen Recherchen in den alten Indizes komfortable I 71 Suchmöglichkeiten. Die «einfache Suche» ist eine Voll- textsuche, die keine weiteren Kenntnisse über den Aufbau eines Archivs voraussetzt. Bei der «erweiterten Suche» können in den verschiedenen Datenelementen Vorgaben und Einschränkungen gemacht und miteinander kombi- niert werden. Der Benutzer muss sich lediglich mit dem System vertraut machen und dann überlegen, unter wel- chen Begriffen ein Vorgang registriert sein könnte. Bei der Suche «Archivplan» kann sich der Benutzer wie in einer Verzeichnisstruktur auf einer Festplatte von oben nach unten durch die Bestände durcharbeiten. In Fällen, in denen Benutzer nicht genau wissen, wel- che Archivalien für sie allenfalls interessant sein könnten, ist es ratsam, wenn sie sich elektronische Findmittel er- stellen lassen. Solche Auszüge können einen ganzen Be- stand umfassen oder auf einer bestandesübergreifenden Recherche für einen bestimmten Zeitraum beruhen. Ein Zugriff auf das Query-Modul besteht auch im In- ternet. Diese Möglichkeit erlaubt es potentiellen Archivbe- nutzern, sich auf einen Archivbesuch vorzubereiten und sich ein Bild darüber zu machen, ob Unterlagen im Archiv sind, die sie interessieren könnten. Eine Online-Bestellung von Archivalien ist derzeit noch nicht vorgesehen. Aus Überlegungen zum Persönlichkeitsschutz werden im In- ternet die Suchmöglichkeiten gegenüber der Abfrage - station im Leseraum des Landesarchivs nochmals einge- schränkt. Es dient der Forschung nicht, wenn man bei einer Google-Suche auf Personenakten in Gerichtsbestän- Rentamtsbücher aus dem 19. Jahrhundert den stösst, ohne dass dafür ein spezielles Forschungsinte- resse vorhanden ist. Bei der Internetsuche nach konkreten einzelnen Vorgängen bestehen daher Restriktionen. Auch wenn rechtlich nichts gegen eine Freigabe spricht, weil die entsprechenden Sperrfristen abgelaufen sind, werden diese Verzeichnungseinheiten für die Internetrecherche nicht freigegeben. Mehrdeutige Formulierungen bei den Betreff-Angaben könnten leicht zu Spekulationen oder fal- schen Schlüssen führen, die für die Nachkommen belas- tend wären. Zur Verbreitung von Persönlichkeitsprofilen im Internet wollen wir keinen Beitrag leisten.

Präsenzbibliothek

Für ArchivbenutzerInnen steht im Leseraum eine Präsenz- bibliothek zur Verfügung. Ein Teil ist als Freihandbiblio- thek aufgestellt, ein Teil ist Magazinbibliothek. Die Biblio- thek ist über den Online-Katalog der Landesbibliothek er- schlossen.

Schriftliche Anfragen

Die leichte Erreichbarkeit via E-Mail hat die Zahl der An- fragen deutlich ansteigen lassen. Viele der jährlich über 300 Anfragen lassen sich relativ einfach beantworten (z.B. Bitten um Zustellung eines Berichts und Antrags der Aus unserem Team

Ildiko’ Szacsvay: Bei der Erschliessung der Privatarchive und Sonderbe- Einblick in Denken und Fühlen stände – zum Beispiel von Vereinen und Firmen – stösst sie immer wieder auf unglaublich interessante Details im Ganz einfach wohl fühlt sich lic. phil. Ildiko Szacsvay, seit Leben verschiedener Menschen. «Darunter sind natürlich sie im Landesarchiv für die Erschliessung von Privatarchi- auch prominente Persönlichkeiten, von denen ja auch offi- ven und Sonderbeständen zuständig ist. «Hier verschmilzt zielle Überlieferungen vorliegen. Bei der Durchsicht von meine Arbeit mit meinen Interessen und ich kann mein Briefen und Tagebüchern eröffnen sich Einblicke in das Wissen optimal einsetzen», sagt die in Liechtenstein auf- Denken und Fühlen dieser Menschen, und das kommt in gewachsene Historikerin mit ungarischen Wurzeln, deren offiziellen Dokumenten gar nicht vor.» So stellt Ildiko Name übrigens als «Satschway» ausgesprochen wird. Szacsvay fest, dass auch anderen in ihren Funktionen nicht Der berufliche Weg führte Ildiko Szacsvay nach dem immer wohl war, und schliesst den Kreis zu sich selber: Studium von Geschichte, Politologie und Völkerrecht zu- «Bei mir stimmt es jetzt, und darüber bin ich glücklich.» erst in eine ganz andere Richtung, als sie es sich eigentlich Neben ihrem 50-Prozent-Pensum im Archiv widmet sie vorgestellt hatte. «In einem Advokaturbüro und später in sich auch privat historischer Lektüre, und auch die Gebär- einem Treuhandunternehmen konnte ich zwar mein Wis- densprache hat es ihr angetan, die sie durch eine gehörlose sen – unter anderem auch meine Muttersprache Ungarisch Freundin kennen gelernt hat. «Das ist für mich eine der – einsetzen und selbstständig arbeiten, aber ich habe persönlichsten Sprachen, da versteht man sich nur, wenn schliesslich festgestellt, dass ich da eigentlich gar nicht hin- man optimal aufeinander eingeht.» Ganz einfach ungarisch gehöre. Ich fühlte mich einfach stets zwischen Stuhl und spricht Ildiko Szacsvay hingegen mit ihren Nichten und Bank. Und dann wurde mir zum Glück wieder bewusst, Neffen und mit ihrer Schmusekatze, mit denen sie das Zu- was ich eigentlich immer schon gewollt hatte.» sammensein in vollen Zügen geniesst. (WN) Fast einhergehend mit dieser Erkenntnis öffnete sich Ildiko Szacsvay gegen Ende 2008 die Tür zum Landesar- chiv, und so macht sie seit nunmehr bald einem Jahr end- lich das, was ihr auch Freude bereitet. «Dies gilt sowohl im Zusammenhang mit den Archivalien als auch im Kontakt mit unseren Benutzern, die ich ebenfalls betreue. Sie sind im Archiv auf historischer Spurensuche, somit decken sich ihre Grundinteressen schon mal mit den meinen, und ich lerne dabei viele interessante Menschen kennen oder sehe alte Bekannte wieder.» Regierung an den Landtag oder Auszüge zu bestimmten blassten Handschriften steht eine UV-Lampe zur Verfü- I 73 Themen aus der Datenbank), andere sind mit einem grös- gung und zum Anschauen von Filmen die entsprechenden seren Aufwand für Nachforschungen verbunden (z.B. ge- Geräte. nealogische Anfragen aus dem Ausland). Anfragen, die nicht mehr als eine Stunde Aufwand verursachen, werden unentgeltlich erledigt; darüber hinaus gehende Recher- Cafeteria chen werden in Rechnung gestellt (CHF 50.00/Stunde). Für die Mitarbeitenden des Archiv- und Verwaltungsge- bäudes wurde eine Cafeteria (Selbstbedienung) eingerich- Reproduktionen tet. Diese kann von Archivbesuchern mitbenutzt werden.

Die Praxis bei Fotokopien ist liberal: Benutzer können Ori- ginale, soweit diese nicht physisch gefährdet sind (was z.B. bei gebundenen Handschriften der Fall ist, weil sie beim Kopieren gerne auf die Glasplatte gedrückt werden) selber fotokopieren. Für das Kopieren von gesperrten Dokumen- ten braucht es bei jedem Dokument die Zustimmung der Archivleitung. Eine Kontrolle durch das Aufsichtspersonal ist gegeben. Das Fotografieren mit einer Digitalkamera (ohne Blitz) ist gestattet, solange die Aufnahme nur dem persönlichen Gebrauch dient. Scans werden vom Archiv- personal hergestellt. Scans und Fotokopien sind kostenpflichtig, allerdings sind die Gebühren gering. Fotoreproduktionen in Publika- tionen sind bewilligungspflichtig, die Genehmigung wird in der Regel erteilt. Fotoaufträge werden an externe Fotogra- fen vergeben, den Auftraggebern werden die direkt ent- Martina Sochin konsultiert alte Landeszeitungen mit Hilfe des Mikrofilmlesegeräts. stehenden Kosten verrechnet. Das Foto geht in das Eigen- tum des Landesarchivs über, verkauft wird nur das Recht für die einmalige Verwendung. Im Zeitalter der digitalen Fotografie sind solche Bestimmungen allerdings teilweise überholt, da die Verwendung kaum mehr kontrolliert wer- den kann. Bei Fotoreproduktionen für gewerbliche Zwe- cke sind höhere Gebühren vorgesehen, doch gibt es kaum entsprechende Wünsche. Heikel ist die Entschädigungsfrage bei den audiovisu- ellen Medien, da das Copyright in vielen Fällen unklar ist und immer wieder zu Diskussionen Anlass gibt. Grund- sätzlich überträgt das Landesarchiv Archivbenutzern die Verpflichtung, mit den Urhebern Kontakt aufzunehmen und die Frage einer allfälligen Entschädigung direkt zu klä- ren. In der Praxis funktioniert dies recht gut. Auch in Fäl- len, in denen der Urheber oder seine Nachkommen nicht bekannt sind, kam es noch nie zu ernsthaften Konflikten.

Hilfsmittel, Mikrofilm, Quarzlampe

Im Benutzersaal können tragbare Personalcomputer (Note- books) verwendet werden. Entsprechende Anschlüsse sind vorhanden. Die Benutzung des Mikrofilmlesegeräts erfolgt in einem abgetrennten Raum, damit die übrigen Archivbe- nutzer nicht gestört werden. Benutzer können ab Mikro- film unentgeltlich Scans erstellen. Gebundene Zeitungen werden nur auf Mikrofilm zugänglich gemacht, da die Ori- ginale fragil sind. Auch gebundene Handschriften sollen nur ab Mikrofilm kopiert werden. Für das Lesen von ver- Eines der beiden ersten gedruckten Gesetze: Polizei- und Landsordnung von 1732 Behördengeschichte im Überblick

Die Verwaltung der Informationen im Archiv ist hierar- (Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Bezeichnung Hof- I 75 chisch organisiert. Anders als in Bibliotheken ist ein Grund- kanzlei eingeführt), das Oberamt in Vaduz und die Gerichte verständnis für die Entwicklung der staatlichen Behörden als Organe der beiden Landschaften. erforderlich, um zielgerichtet nach Informationen suchen Die fürstliche Zentralverwaltung in Wien wirkte als zu können. Im Mittelpunkt dieses Abschnitts stehen die Or- zentrale oberste Verwaltungsbehörde für alle liechtenstei- ganisation, die Aufgaben und Kompetenzen der Behörden. nischen Herrschaften und war dem Landesfürsten direkt Auch eine kurze Darstellung der Entwicklung des Land- unterstellt. Ihr war es vorbehalten, die Geschäfte dem Fürs- tags und der Gerichte fördert das Verständnis für die Art, ten vorzutragen. Sie erliess die Instruktionen und Circula- wie Archivalien entstehen und archiviert werden. Die Dar- rien, die normative Bestimmungen für die Geschäftser - stellung der Behördengeschichte folgt sinnvollerweise den ledigung enthielten, sie traf aber auch sehr häufig die Ein- Epochen der Verfassungsgeschichte, da die grossen Kom- zelfallentscheidungen. Die Hofkanzlei fungierte auch als petenzverschiebungen mit Verfassungsänderungen zu- Appellationsinstanz in Verwaltungs- und Gerichtsverfah- sammenhängen. ren. Ihr beigeordnet war die fürstliche Buchhaltung (meist in Butschowitz, Mähren untergebracht), der die Rentrech- nungen mit allen Belegen jährlich zur Kontrolle einzurei- Dualismus und Landammannverfassunng (bis 1808) chen waren. Das Oberamt in Vaduz war allen anderen Herrschafts- Das Reichsfürstentum Liechtenstein entstand 1719 durch verwaltungen gleichgestellt. Es wirkte als lokale Verwal- die Erhebung der beiden reichsunmittelbaren Herrschaften tungsbehörde im Lande und bestand aus dem Landvogt, Vaduz und Schellenberg zum Reichsfürstentum. Im dem Rentmeister und dem Landschreiber (seit Ende des 18. Jahrhundert sind für die Verwaltung drei Ebenen zu 18. Jahrhunderts Amtsschreiber). Das Oberamt war sowohl unterscheiden: die fürstliche Zentralverwaltung in Wien für die hoheitlichen Aufgaben wie auch für die herrschaft-

Karl Ludwig zu Sulz (1560–1616) Jakob Hannibal zu Hohenems III. (1653–1730) Behördengeschichte im Überblick

76 I Fürst Karl von Liechtenstein (1569–1627) wurde 1608 in den Fürstenstand erhoben. Gundakar von Liechtenstein (1580–1658)

Fürst Johann Adam Andreas (1657–1712) kaufte die Herrschaften Schellenberg (1699) und Vaduz (1712). Fürst Josef Wenzel (1696–1772) liche Ökonomie zuständig. Es hatte nur beschränkte Ent- stellten. Die Gemeinden waren bis 1808 keine politischen I 77 scheidungskompetenzen und musste in allen wichtigen Körperschaften, sondern mit Nutzungsgenossenschaften Fragen nach Wien Bericht erstatten und die Geschäfte der vergleichbar. Ihre wichtigste politische Kompetenz waren Hofkanzlei zur Entscheidungen vorlegen. Das Oberamt war die Einbürgerungen und die Regelung der Nutzungsrechte ein Kollegialgremium, d.h. trotz der hervorgehobenen Stel- am Gemeinbesitz. In der vorabsolutistischen Zeit, deren lung des Landvogts mussten die Geschäfte im Gremium Verfassung gerne als «Landammannverfassung» um- beraten und entschieden werden. Dem Oberamt unterge- schrieben wird, traten die Gerichte zweimal im Jahr auf ordnet waren mehrere Bedienstete wie der Amtsbote, die einem öffentlichen Platz zum Maien- und Herbstzeitgericht Jäger, die Zolleinnehmer, der Schlossküfer usw., denen die zusammen und sprachen Recht. Sie übten sowohl die hohe Ausübung und Wahrnehmung einzelner landesherrlicher wie die niedere Gerichtsbarkeit aus, von ihnen ging der Rechte übertragen wurde. Rechtszug an ein Gericht der Herrschaft. Bereits im Zur Wahrung seiner Reichsunmittelbarkeit nahm das 17. Jahrhundert, also noch vor dem Kauf der beiden Herr- Reichsfürstentum seine Rechte in den Gremien des Heili- schaften durch die Fürsten von Liechtenstein, wurden gen Römischen Reichs Deutscher Nation wahr. Das be- diese Rechte ausgehöhlt, und die Herrschaft zog die Recht- dingte, dass es sich einerseits im Reichsfürstenrat in Re- sprechung immer mehr an sich. Dagegen wehrten sich die gensburg und andererseits an den Kreistagen des Schwä- Untertanen. 1733 kam es schliesslich zu einem Kompro- bischen Kreises in Ulm vertreten liess. Die Vertretung im miss, der die Untertanen ruhig stellte: Die «Verhörtage» Reichsfürstenrat wurde von Wien aus organisiert, die Ver- fanden auf Schloss Vaduz hinter verschlossenen Türen tretung an den Kreistagen übernahm teilweise der Land- statt. Recht sprachen die landesherrlichen Beamten, der vogt in Vaduz oder ein von ihm bestimmter Vertreter. Landammann als Vertreter der Landschaft behielt lediglich Die dritte Ebene waren die beiden Landschaften, die je das Recht zum Beisitz. Was den Landschaften an Kompe- ein Gericht mit einem Landammann und zwölf Richtern be- tenzen blieb, war die Pflicht zum Einzug der Steuern und

Kaiser Karl VI. (1685–1740) erhob die beiden Herr - Fürst Anton Florian (1656–1721) nahm im engeren Umfeld schaften Vaduz und Schellenberg 1719 zum Reichs- von Kaiser Karl VI. wichtige Funktionen wahr. fürstentum Liechtenstein. Behördengeschichte im Überblick

78 I gewisse Verwaltungsaufgaben. Die Bedeutung der beiden Die beiden Landschaften wurden 1808 aufgehoben. An Landschaften lag darin, dass sie eine Partizipation an der ihrer Stelle wurden die elf politischen Gemeinden als öf- Herrschaftsausübung symbolisierten. fentlich-rechtliche Körperschaften geschaffen. Den Ge- meindeorganen – einem Richter, meist drei Geschworenen und einem Säckelmeister – kamen vorerst nur beschränkte Absolutismus (1808–1862) Verwaltungskompetenzen zu; sie unterstanden der strik- ten Kontrolle und der Weisungsbefugnis des Oberamts. Mit der Aufnahme in den Rheinbund wurde Liechtenstein Den neu entstandenen politischen Gemeinden wurde unter 1806 formell zum souveränen Staat. Dies führte direkt zum anderem das Recht überlassen, bei Freveln (z.B. bei Ver- Absolutismus. An der Stellung und den Kompetenzen von stössen gegen die Waldordnung usw.) Bussen auszuspre- Hofkanzlei in Wien und Oberamt in Vaduz änderte sich chen. Eine bescheidene Stärkung der Gemeindekompe- nichts. Was die Rekrutierung der obrigkeitlichen Beamten tenzen brachte das Gemeindegesetz von 1842. betraf, so wurde eine signifikante Änderung vorgenom- Trotz aufgeklärtem Absolutismus wurden die staatli- men. Stammten im 18. Jahrhundert die Landvögte und chen Aktivitäten bis 1862 nur geringfügig ausgeweitet – Rentmeister aus Vorarlberg oder allenfalls aus dem süd- um z.B. im Schul- oder Gesundheitswesen mehr zu tun, westdeutschen Raum, so wurden nun Beamte von den fehlte schlicht das Geld. Um 1800 wird erstmals ein «Land- liechtensteinischen Herrschaften in Mähren nach Liech- schaftschirurg» erwähnt, der später als «Landesphysikus» tenstein versetzt. In Verbindung mit der Durchsetzung bezeichnet wurde und eine minimale Grundversorgung im einer absolutistischen Regierungsform wurde dadurch der Gesundheitsbereich gewährleisten sollte. 1805 wurde zu- Eindruck der Fremdbestimmung und der völligen politi- mindest auf dem Papier die allgemeine Schulpflicht ein- schen Entrechtung bei den Untertanen im Fürstentum ent- geführt. Die Einrichtung und der Unterhalt der Schulen scheidend verstärkt. wurde den Gemeinden überbunden, das Land hatte dafür

Napoleon nahm 1806 das Reichsfürstentum Liechten- steins trotz des Widerstandes anderer Rheinbundmitglie- der in den Rheinbund auf und räumte alle Hindernisse Unter Fürst Johann I. von Liechtenstein (1760–1836) aus dem Weg. wurde das Fürstentum ein souveräner Staat. kein Geld – die Gemeinden auch nicht. Die Aufsicht über auch eine Vertretung beim Rheinbund (1806 bis 1813) I 79 die Schulen wurde den Ortsgeistlichen übertragen. 1809 bzw. Deutschen Bund (1818 bis 1866) eine der elementa- wurde das Grundbuch eingeführt, das sowohl eine ver- ren Aufgaben, deren Erfüllung für die Erhaltung der Sou- mehrte Rechtssicherheit in Bezug auf das Eigentum veränität erforderlich war. Die Ernennung des Gesandten in garantierte als auch eine gerechtere und leichtere Be- Frankfurt erfolgte durch den Landesfürsten in Wien. steuerung des Grundvermögens bezweckte. Für die Nut- Aufgrund der Bundesakte musste Liechtenstein auch zung der Wälder bestand in Wien viel Verständnis, da ein eine Ständevertretung einrichten. Allein um dieser Ver- Teil davon im Eigentum des Landesherrn war. Die Funk- pflichtung nachzukommen, wurde 1818 der Landtag ge- tion des Försters übten seit alters her die Jäger aus. 1837 schaffen. Das Recht zur Landstandschaft hatten neben den wurde ein qualifizierter «Waldbereiter» nach Vaduz ver- Gemeinden, die jeweils durch den Richter und Säckel- setzt. Seit 1840 wurde dann der Begriff Waldamt bzw. spä- meister vertreten waren, auch drei Vertreter der Geistlich- ter Forstamt verwendet. Der Landestierarzt befindet sich keit und ein Vertreter des grössten Grundbesitzers – des ab 1843 auf der Besoldungsliste. Kein Gehör fand in Wien österreichischen Kaiser. Politisch blieb der Landtag recht- der berechtigte Wunsch, einen Techniker für die Verbes- los: Er trat zwar einmal jährlich zur folgsamen Annahme serung der Rüfe-, Strassen- und Wuhrbauten anzustellen. des Steuerpostulats zusammen, hatte jedoch nicht einmal Diese Aufgabe musste der Förster nebenbei mitbesorgen. das Recht, Vorschläge einzubringen – geschweige denn Auch im Bereich der Sicherheit begnügte man sich mit Vorstösse, Gesetze oder Ausgaben zu beraten. einem absoluten Minimum: Als Sicherheitsorgane wirkten Eine weitere Bundespflicht war die Aufstellung eines drei bis vier nebenamtliche Polizeimänner und sogenannte Militärkontingents – eine Verpflichtung, die Liechtenstein «Invalidensoldaten«. möglichst lange hinaus zögerte und der es erst ab 1836 Nach der Auflösung des Alten Deutschen Reiches wirklich nachkam. Selbst Fürst Alois II. bezeichnete dieses wurde die Wahrnehmung der Bundespflichten und damit Kontingent als «kostspieligen Nonsens».

Nach der Schlacht bei Austerlitz (2. Dezember 1805) trafen sich die Kaiser Napoleon und Franz I. bei der Mühle von Nasedlowitz (4. Dezember 1805). Fürst Johann I. von Liechtenstein (links im Bild) hatte am Tag zuvor mit Napoleon dieses Treffen vereinbart. Er wurde anschliessend als österreichischer Vertreter mit den Verhandlungen für den Pressburger Frieden (26. Dezember 1805) beauftragt, was ihm den Respekt Napoleons verschaffte. Behördengeschichte im Überblick

80 I Eine konsequente Trennung von Exekutive und Judi- separat geführt. Die Staatsbeamten (v.a. Landesverweser, kative erfolgte erst nach 1862. Die Deutsche Bundesakte Kassenbeamter, Waldbeamter, Jagdaufseher) hatten einen von 1815 brachte für Liechtenstein die Verpflichtung, eine gemischten Auftrag; sie waren zugleich fürstliche wie auch dritte unabhängige Gerichtsinstanz zusammen mit einem staatliche Beamte und wurden teilweise aus der Staats- grösseren Bundesstaat einzurichten. Dieser Verpflichtung kasse und teilweise aus den Renten besoldet. Neben kam Liechtenstein nach, indem es mit Zustimmung des Bau-, Wald-, Weinbau-, Jagd- und Pachtangelegenheiten österreichischen Kaisers 1817 das «k.k. Appellationsge- finden sich daher in den Akten der Domänenverwaltung richt für Tirol und Vorarlberg» in Innsbruck zur dritten Ge- u.a. auch Personal-, Kirchen- und Gnadensachen (Unter- richtsinstanz für Liechtenstein bestimmte. Die Hofkanzlei stützungen und Stipendien), die von allgemeinem Interesse in Wien blieb sowohl in Verwaltungs- als auch in Ge- sind. 1920 leistete die fürstliche Rentkasse noch Beiträge richtssachen die zweite Gerichtsinstanz. Auf der Ebene an die Besoldung von sechs Staatsangestellten. Der letzte Oberamt wurden Verwaltung und Rechtsprechung nicht Trennungsschritt erfolgte erst 1947, als die Besoldung des getrennt, für Verwaltungsgeschäfte und Gerichtsprozesse Landesforstmeisters vollständig vom Land übernommen wurden lediglich unterschiedliche Aktenserien gebildet. wurde. Die Trennung der Domänenverwaltung von der Ho- Die Deutsche Revolution von 1848/49 hatte auch in heitsverwaltung erfolgte nicht als klarer Schnitt, sondern Liechtenstein eine politische Bewegung ausgelöst, die ab- über einen langen Zeitraum in mehreren Schritten. Seit gesehen von Gewaltandrohungen gegen die ausländischen 1844 wurden neben den Rentamtsbüchern (Domänen - Beamten gewaltfrei blieb. Fürst Alois von Liechtenstein verwaltung) separate landschaftliche Rechnungsbücher reagierte auf die politischen Forderungen retardierend: Er (Staats haushalt) geführt. 1862 wurde die Domänenverwal- erklärte einerseits seine Bereitschaft zu Zugeständnissen tung durch fürstlichen Erlass und Verfassung von der staat- und gab ein allgemeines Versprechen für eine Verfas- lichen Verwaltung getrennt, die Akten wurden darauf sungsreform ab, brachte andererseits aber auch deutlich

Fürst Alois II. (1796–1858) Fürst Johann II. (1840–1929) zum Ausdruck, dass er Liechtenstein immer in Überein- kanzlei vorerst teilweise identisch. Erst gegen Ende des I 81 stimmung mit den Verhältnissen in Österreich regieren 19. Jahrhunderts wurde vermehrt darauf geachtet, dass wollte. Von den Forderungen der liechtensteinischen Un- diese beiden Gremien mit externen Juristen besetzt wurden. tertanen erfüllt wurden schliesslich die Aufhebung bzw. Die Regierung bestand nach 1862 aus dem Landesver- Ablösung bestimmter Feudalleistungen und die Umbe- weser, zwei Landräten und dem Sekretär (als Protokoll- nennung des Oberamts in Regierungsamt, womit eine Auf- führer); sie alle wurden vom Fürsten ernannt. 1871 kamen wertung zum Ausdruck gebracht werden sollte. Auch die zwei stellvertretende Landräte dazu. Der Landesverweser Bezeichnung «Landvogt» wurde durch «Landesverweser» (auch die Bezeichnung Regierungschef wurde nun bereits ersetzt. verwendet) wurde vom Fürsten auf unbestimmte Zeit er- Für die Verwaltungsgeschichte waren die Jahre nach nannt und war fix angestellt. In der Praxis wurden öster- 1848 eher ein Rückschlag, da der ohnehin bescheidene reichische Verwaltungsfachmänner mit juristischer Aus- Verwaltungsaufwand noch einmal reduziert werden musste bildung und adeliger Abstammung für diese Funktion be- – die Liechtensteiner bezahlten bis 1858 keine Steuern stellt. Obwohl gemäss Verfassung und Amtsinstruktion alle mehr. Dies war nur möglich, weil sich die Finanzsituation wichtigen Beschlüsse im Regierungskollegium gefasst und die Sicherheit durch den Zollvertrag mit Österreich werden sollten, entschied der Landesverweser in der Pra- von 1852 erheblich verbesserten: Der grösste Teil der xis fast immer allein. Der politische Einfluss der beiden ein- Staatseinnahmen nach 1852 wurde aus dem liechtenstei- heimischen Landräte blieb bis 1919 minimal. nischen Anteil der Zolleinnahmen generiert. Die scharfe Der Landtag wurde durch die Verfassung von 1862 we- Grenzkontrolle durch österreichische Finanzer behinderte sentlich aufgewertet, auch wenn ihm die Mitwirkung bei umherziehendes fremdes «Gesindel» erheblich, so dass der Bestellung der Regierung und in der Aussenpolitik ver- auch bei der Polizei gespart werden konnte. sagt blieb. Er besass nun das Recht zur Beratung und Be- schlussfassung bei den Gesetzen, allerdings konnte ohne die Sanktion des Fürsten kein Gesetz erlassen werden. Er Konstitutionalismus (1862–1921) verfügte insofern über die Finanzhoheit, als er das Budget bewilligen musste und die Regierung in Bezug auf die Mit der Verfassung von 1862 wurde das absolutistische Re- Staatsfinanzen rechenschaftspflichtig war. Im Übrigen gierungssystem durch ein konstitutionelles abgelöst. Kon- waren seine Kontrollrechte beschränkt, da er zwar Miss- stitutionalismus wurde so verstanden, dass alle Regie- stände feststellen und diese beim Landesfürsten anzeigen, rungsgewalt vom Fürsten ausging, dieser jedoch in der Ge- aber die Regierung nicht direkt zur Verantwortung ziehen setzgebung und Finanzhoheit an die Zustimmung des und allenfalls entlassen konnte. Landtags gebunden war. Der Landesherr übte seine Rechte Eine wichtige verfassungsrechtliche Neuerung von durch von ihm ernannte und ihm verantwortliche Staats- 1862 war die Trennung der Rechtsprechung von der Ver- diener aus. Die Regierung war nun die oberste Verwal- waltung. Die Rechtsprechung in erster Instanz wurde tungsbehörde des Landes und musste ihren Sitz in Vaduz einem unabhängigen Landrichter übertragen. Allerdings haben. Aus dem Kompetenzbereich der Regierung ausge- glaubte man nicht, dass dieser mit dieser Aufgabe allein nommen war lediglich das Schulwesen, für das der Lan- ausgelastet sein würde, und so übertrug man ihm zusätz- desschulrat zuständig war. Dieser stand verfassungsrecht- lich gewisse Verwaltungsaufgaben im Bereich des Polizei- lich auf der gleichen Stufe wie die Regierung. Der Lan- wesens, bei der Bewilligung von Bauten und Konzessio- desverweser hatte zwar den Vorsitz in diesem Gremium, nen sowie bei der Publikation von Gesetzen und behördli- doch behielten die Geistlichen einen bestimmenden Ein- chen Anordnungen. Die vollständige Trennung von Justiz fluss. Erst mit der Schulreform von 1972 wurde der Lan- und Verwaltung erfolgte erst mit fürstlicher Verordnung desschulrat aufgehoben und die Aufsicht über das Schul- von 1871. wesen der Regierung unterstellt. Nach dem Deutschen Krieg von 1866 zwischen Preus- Die fürstliche Hofkanzlei war nach 1862 nicht mehr sen und Österreich und ihren jeweiligen Verbündeten eine der Regierung übergeordnete, weisungsberechtigte wurde der Deutsche Bund aufgelöst. Liechtenstein war nun Instanz, sie behielt aber de facto eine bedeutende Funk- nicht mehr Mitglied eines Staatenbundes und die Ver- tion, da alle Berichte und Eingaben aus Liechtenstein über pflichtungen, eine Auslandvertretung mit einem Gesand- sie beim Fürsten eingereicht werden mussten. Sie war es, ten und ein Militärkontingent zu unterhalten, fielen weg. die dem Fürsten Vortrag zu halten hatte und dann auch die Der Staatshaushalt wurde massiv entlastet. Entscheidungen des Fürsten ausfertigte. Als Beschwerde- Auch nach 1862 kann man noch kaum von der Ein- und Rekursinstanz in politischen und gerichtlichen Ange- richtung von eigentlichen Ämtern reden. Für die entspre- legenheiten behielt die Hofkanzlei ihre Funktionen vorerst chenden Funktionen war meist eine Person verantwortlich. unverändert bei. Durch die Amtsinstruktion von 1871 wur- Die Zahl der Staatsangestellten veränderte sich von 1860 den dann die «Rekursinstanz» in politischen und Verwal- bis 1910 kaum (16 Voll- und 2 Teilzeitbeschäftigte). Die tungsangelegenheiten und das «Appellationsgericht» in Amtsinstruktion von 1862 zählte die wichtigen Stellen auf: Zivil- und Strafsachen formell-rechtlich verselbständigt, Kassenverwalter, Landestechniker, Landesforstbeamter, personell blieben diese neuen Gremien jedoch mit der Hof- Schulkommissär, Landesphysikus und Landestierarzt. 1871 Behördengeschichte im Überblick

82 I wurden drei Landweibel eingestellt – der Begriff «Polizis- Souveränität wirtschaftlich genutzt werden konnte. Wie die ten» wurde tunlichst vermieden. Mit der Nennung dieser Briefmarkenverschleissstelle diente auch die Schaffung Verwaltungsstellen sind auch die wichtigsten Funktionen einer selbständigen Steuerverwaltung (1923) der Siche- der Verwaltung aufgezählt. Der Wunsch nach Einrichtung rung der Staatsfinanzen. Mit dem neuen Personen- und eines Bauamts fand in Wien nach wie vor kein Verständnis. Gesellschaftsrecht (PGR) wurde 1926 das Öffentlichkeits- Die staatlichen Bauprojekte und die Überwachung der pri- register (Handelsregister) eingeführt, das unter der Füh- vaten Bautätigkeit wurden vorerst von den Offizieren des rung des Landrichters stand. Mit dem liberalen Gesetz über Kontingents geleitet, nach dessen Auflösung ab 1868 vom das Treuunternehmen von 1928 wurde die Attraktivität des Landestechniker. Erst ab 1924 wurde dann der Begriff Landes für Sitzgesellschaften erhöht. Die Auswirkungen «Bauamt» verwendet. Die Sparkasse, ein Vorläufer der der Wirtschaftskrise zu Beginn der dreissiger Jahre ver- Liechtensteinischen Landesbank, war von der Gründung suchte man mit der Schaffung eines Arbeitsamts (1931) im Jahre 1861 bis zur Verselbständigung im Jahre 1923 der abzuschwächen. Im Interesse einer verbesserten Sicher- Landeskasse angegliedert. Bis zum Ersten Weltkrieg wur- heit wurden 1933 die drei Landweibel durch das «Sicher- den schliesslich noch die Stelle eines Geometers (1903) heitskorps» ersetzt, das vorerst aus sieben Polizisten be- und eines nebenamtlichen Staatsanwalts (1914) neu ge- stand (1989 in Landespolizei umbenannt). Der Zweite schaffen. Weltkrieg machte die Schaffung einer «Zentralstelle für Kriegswirtschaft» (auch Kriegswirtschaftsamt oder Kriegs- ernährungsamt) nötig, die 1948 wieder aufgelassen wurde. Die Zwischenkriegszeit

Wie schlank und einfach die Landesverwaltung nach dem Nachkriegszeit Ersten Weltkrieg angedacht war, zeigt sich in den ur- sprünglichen Bestimmungen der Verfassung von 1921: Die Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich, dass die Regie- «gesamte Landesverwaltung mit Ausnahme der Schulan- rungskanzlei und das Sicherheitskorps unmöglich auf gelegenheiten» wurde der Kollegialregierung übertragen. Dauer alle möglichen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (Art. 78 LV) Die «besoldeten Berufsbeamten» der Landes- konnten. Zunächst wurden vor allem Kontroll- und Bewil- verwaltung wurden aufgezählt: Es waren der Regierungs- ligungsaufgaben an spezialisierte «Stellen» übertragen, sekretär, der Kassenverwalter und der Landestechniker deren Zahl kontinuierlich anwuchs. Dieses Wachstum war sowie die «erforderlichen Kanzleifunktionäre». Für die üb- einerseits auf einen ordnungspolitischen Nachholbedarf in rigen Geschäfte – namentlich im Sanitäts-, Veterinär- und verschiedenen Bereichen zurückzuführen, andererseits Forstdienst – sollten «Fachleute gegen zu vereinbarende machte auch der Ausbau des Leistungs- und Wohlfahrts- Entlohnung» bestellt werden. (Art. 83 LV) An die Errich- staats die Schaffung neuer Amtsstellen notwendig. Für De- tung von Ämtern mit mehreren Angestellten dachte man tails sei auf die nachfolgende Tabelle verwiesen. Aus sol- noch nicht. In den nächsten Jahrzehnten wurden vor allem chen «Einmannstellen» sind wiederholt Ämter herausge- «Stellen» für bestimmte Aufgaben geschaffen. Mit dem wachsen, wobei es nicht immer möglich ist, eine Ent- Landesverwaltungspflegegesetz vom 21. April 1922 wur- scheidung zu finden, die zur Schaffung eines Amtes führte. den in erstaunlich kurzer Zeit nach dem Inkrafttreten der Die Übergänge sind teilweise fliessend. Verfassung vom 5. Oktober 1921 neue Rechtsgrundlagen In den 1950er Jahren wurden keine neuen Ämter ge- für die Organisation und die Verfahren bei den Landesbe- gründet. Die Eigenheimförderungsstelle (1958) wurde (wie hörden geschaffen. Nach Art. 5 dieses Gesetzes übernahm die Stipendienstelle) zunächst der AHV-Verwaltung ange- die Regierungskanzlei alle an die Landesverwaltung ein- schlossen und erst 1977 verselbständigt. In den folgenden gehenden Schreiben und fertigte alle Entscheidungen aus, Jahrzehnten wurden in jedem Jahrzehnt etwa zehn neue soweit nicht gesetzliche Ausnahmen bestanden. Amts- und Dienststellen geschaffen. Für die konsequente Wichtige Neuerungen brachte die neue Landesverfas- Gewaltenteilung bildete die Schaffung eines selbständigen sung im Bereich der Verfassungs- und Verwaltungsge- Landtagssekretariats im Jahre 1989 einen Meilenstein. Im richtsbarkeit. Beide schützen die Landesangehörigen Interesse der Wahrung der Souveränität wurden ab den gegen staatliche Willkür. Die Verwaltungsbeschwerde - 1970er Jahren liechtensteinische Vertretungen im Ausland instanz (seit 2003 Verwaltungsgerichtshof) ist zuständig errichtet – zunächst vor allem bei internationalen Organi- für Beschwerden gegen Entscheide der Regierung und der sationen, dann auch vereinzelt auf bilateraler Ebene. Gemeinden. Der Staatsgerichtshof, dessen wichtigste Im Laufe der Jahrzehnte kamen nicht nur neue staatli- Funktion die eines Verfassungsgerichts ist, wurde 1925 ge- che Aufgaben dazu, es wurden auch Aufgaben an Institu- setzlich geregelt und nahm 1928 seine Tätigkeiten auf. tionen ausserhalb der Landesverwaltung übertragen: Ein- Trotz eines enormen Spardruckes wurden 1919 Ge- zelne Bereiche wurden ausgelagert (Landesvermessung), sandtschaften in Wien (1919–1921) und Bern (1919–1933) andere verselbständigt (Finanzmarktaufsicht) oder priva - errichtet; beide Einrichtungen schienen im Interesse der tisiert (Post und Telefon, Briefmarkenherstellung und Wahrung der Souveränität notwendig. 1922 folgte die -vertrieb, Landesbank). Die Zollverwaltung oblag von 1852 Briefmarkenverschleissstelle – ein erstes Beispiel, wie die bis 1919 österreichischen, ab 1924 schweizerischen Be- hörden. Die katholischen Geistlichen besorgten bis 1974 I 83 im staatlichen Auftrag das Zivilstandswesen. Nicht Teil der Landesverwaltung im engeren Sinn sind die öffentlich- rechtlichen Stiftungen wie Landesbibliothek, Landesmu- seum, Kunstmuseum, Musik- und Kunstschule. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist es immer wieder zu Dis- kussionen über die Notwendigkeit von grundlegenden Ver- waltungsreformen gekommen. Im Zentrum stand die Ein- sicht, dass die Regierung von Vollzugsaufgaben entlastet, dafür aber die Führung und Kontrolle der Ämter verbes- sert werden müsse. Während die flache Verwaltungsorga- nisation lange Zeit wegen der kurzen Amtswege hoch ge- halten wurde, mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen, die nach Straffung und Zusammenlegung von Ämtern und einer stärkeren Hierarchisierung rufen, um eine effizien- tere Führung zu ermöglichen.

Fürst Franz Joseph II. (1906–1989) Aus unserem Team

Yvonne Heeb: erfassung gilt es deshalb aufzupassen, dass zwar gewisse Pendeln zwischen den Zeiten Formulierungen, die heute als falsch gelten würden, in die Quellenedition übernommen werden, nicht jedoch die Der Sinnspruch, dass der Appetit manchmal erst beim Tippfehler.» Essen komme, entwickelt im Landesarchiv seine eigenen Extrem sei ihr auch der Wandel des Frauenbildes auf- Dimensionen. Diese Erfahrung hat Yvonne Heeb gemacht, gefallen. «So steht beispielsweise in Landtagsprotokollen nicht etwa im Zusammenhang mit der Ernährung, vielmehr schon mal der Satz ‹Sind wir Männer oder W...?› – Zum im Hinblick auf geschichtliche Themen. Glück sind solche Aussagen heutzutage undenkbar.» «Während ich in meiner Schulzeit nie sonderlich an Ge- So sieht Yvonne Heeb durchaus erfreuliche Entwick- schichte interessiert war, hat sich das hier gründlich ge- lungen seit dieser Zeit, vor allem aber empfindet sie auch ändert. So wecken die Dokumente, die ich für die Quelle- ihre neue Tätigkeit als sehr positiv. «Ich bin erst seit Feb- nedition zur liechtensteinischen Geschichte der Jahre 1928 ruar dieses Jahr hier, aber etwas ist mir sofort besonders bis 1950 erfasse, laufend aufs Neue mein Interesse», sagt aufgefallen: Es ist das gute Arbeitsklima, und ich wurde die gebürtige Ruggellerin, die mit ihren beiden Kindern in vom ersten Tag an als vollwertiges Teammitglied aufge- Triesen wohnt und zu 25 Prozent im Archiv beschäftigt ist. nommen. Natürlich stehen meine Kinder an erster Stelle Ihre Aufgabe besteht vor allem in der Abschrift von Do- in meinem Leben, aber ich freue mich immer wieder auf kumenten und Protokollen aus besagter Zeit. «Dabei fühle die Arbeit.» Mit ihren beiden Kindern widmet sie sich vor ich mich oft mitten in diese düstere Epoche versetzt und allem kreativen und sportlichen Beschäftigungen. «Sie sind mache mir so meine Gedanken, wie sich denn die Leute es, die mich im Jetzt auf Trab halten, während ich durch damals, als Liechtenstein vom Nationalsozialismus bedroht meine Arbeit in den Genuss komme, zwischen den Zeiten war, gefühlt haben mögen. Vor allem denke ich dabei na- pendeln zu können.» (WN) türlich auch an meine Grosseltern, die ich nicht mehr fra- gen kann. Mir laufen ganze Filme ab, wenn ich zum Bei- spiel den Schriftverkehr mit den düstersten Zeitgenossen jener Epoche in Händen halte. So hat Geschichte für mich eine ganz andere Bedeutung bekommen als in der Schule, als ich nur Fakten auswendig lernen musste, und ich be- komme Lust auf mehr.» Immer wieder fallen Yvonne Heeb die enormen Unter- schiede zwischen früher und heute auf, unter anderem auch die verschiedenen Ausdrucksweisen. «Bei der Text- Chronologie: I 85 Die Entwicklung der staatlichen Behörden im Überblick

Gründung Amt Gründung Amt 1806 Landesphysikus 1924–1986 Landesbauamt Zunächst als «Landschaftschirurg» oder «Land- 1862 Einführung der Bezeichnung Landestechni- schaftsarzt» bezeichnet, ab ca. 1845 als Landes- ker, ab 1924 Bauamt, 1975 Landesbauamt, 1986 physikus, ab 2007 Amtsarzt Reorganisation und Aufteilung in Hochbauamt, 1809 Grundbuchamt Tiefbauamt, Bauadministration 1828–1871 Polizeimänner 1925 Staatsgerichtshof Anstelle der früheren «Invalidensoldaten» als 1926 Öffentlichkeitsregister Sicherheitsorgane bestellt. 2000 Zusammenlegung mit dem Grundbuchamt 1843 Landestierarzt zum «Grundbuchamt und Öffentlichkeitsregister- 1966 Veterinäramt (Landesveterinär) amt» 1854 Landeskasse 1930 Amt für geistiges Eigentum 1854 wurden das Rentamt in Landeskasse, der Aufgabe zunächst von der Regierungskanzlei Rentmeister in Landeskassenverwalter umbe- wahrgenommen, 1965 Verselbständigung, 1975 nannt. Eingliederung in das Amt für Volkswirtschaft 1862 Landgericht 1931–1974 Arbeitsamt Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung Arbeitsvermittlung und Lehrlingswesen, Fabrik- auf erster Instanz polizei, Verhütung von Berufskrankheiten, 1974 in Amt für Volkswirtschaft integriert 1862 Landestechniker 1862 Schaffung der Stelle durch die Dienst- 1933 Landespolizei instruktion, 1868 offizielle Ernennung des Haupt- 1871 bis 1933 Landweibel, 1933–1989 Sicher- manns des aufgelösten Militärkontingents zum heitskorps, ab 1989 Landespolizei Landestechniker 1939–1948 Zentralstelle für Kriegswirtschaft 1869–1972 Landesschulrat Zunächst Zentralstelle für Kriegswirtschaft, dann Kriegswirtschaftsamt und am Schluss Kriegser- 1871–1933 Landweibel nährungsamt 1903 Landesgeometer 1941–1976 Tuberkulosenfürsorgestelle 1914 Staatsanwaltschaft 1944 Liechtensteinische Botschaft in Bern Ernennung des ersten nebenamtlichen 1944 Gesandtschaft, 1969 Botschaft Staatsanwalts 1947 Amtsstelle für Statistik und Kinderzulage 1919–1921 Gesandtschaft in Wien Herausgelöst aus Regierungskanzlei, 1950 Amt 1919–1933 Gesandtschaft in Bern für Kinderhilfe und Statistik, 1956 Amt für Statis- 1922 Verwaltungsbeschwerdeinstanz tik, 1976 in Amt für Volkswirtschaft integriert 2003 Verwaltungsgerichtshof 1947 Amt für Wald, Natur und Landschaft 1922–2005 Postwertzeichenstelle 1837 «Waldbereiter», 1840 «Waldamt», 1863 1922–1938 als Briefmarkenverschleissstelle bei Forstamt, 1947 Abtrennung der fürstlichen Domä- der Post Triesenberg, 1938 selbständige Brief- nenverwaltung und Schaffung eines staatlichen markenverschleissstelle in Vaduz, 1948 Umbe- (Landes)Forstamtes, 1996 Amt für Wald, Natur nennung in «Verkaufsstelle für Postwertzeichen», und Landschaft. 1963 Postwertzeichenstelle der fürstlichen Regie- 1947 Ausländer- und Passamt rung, 2005 Auflösung 1947 Abtrennung «Fremdenpolizeibüro» und 1923 Steuerverwaltung «Passbüro» von der Regierungskanzlei, beide 1924 Landesschätzer Ämter mit gleicher Führung, 1948 «Fremdenpoli- zei», 1975 Umbenennung Passbüro in «Passamt», 1924–1929 Wirtschaftskammer 1999 formelle Zusammenlegung zum «Ausländer- u.a. Funktion eines Arbeitsamtes, 1929 Aufgaben und Passamt» an Regierungskanzlei übertragen Behördengeschichte im Überblick

86 I Gründung Amt Gründung Amt 1948 Motorfahrzeugkontrolle 1966 Veterinäramt Aufgabe bis 1936 bei der Regierungskanzlei, ab 1974 Zusammenführung mit dem Amt für 1936 beim Sicherheitskorps, 1942 bei der Lebensmittelkontrolle «Kriegswirtschaftlichen Zentralstelle», seit 1947 1967–2005 Amt für Briefmarkengestaltung Motorfahrzeugkontrolle 1967 Abtrennung des Amts für Briefmarkenge- 1948 Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinär - staltung (mit Briefmarkenmuseum) von der Post- wesen wertzeichenstelle, 2005 Integration in Post 1943 vollamtliches Lebensmittelinspektorat beim 1968 Stabsstelle für Landesplanung Sicherheitskorps, 1950 Amt für Gesundheitswe- 1970 Amt für Auswärtige Angelegenheiten sen und Lebensmittelkontrolle, 1973 personelle 1970 Dienststelle für Integrationsfragen, 1972 Zusammenlegung von Amt für Lebensmittelkon- Amt für Internationale Beziehungen, 1987 Amt trolle und Veterinäramt, 1999 Amt für Lebensmit- für Auswärtige Angelegenheiten telkontrolle und Veterinärwesen 1970 Amt für Personal und Organisation 1949 Landwirtschaftsamt 1970 Dienststelle für Personal- und Organisa - 1931–1946 Landwirtschaftliche Beratungsstelle tionswesen, 1976 Amt für Personal und des Bauernvereins, 1949 Schaffung der staatli- Organisation chen «Landwirtschaftlichen Beratungsstelle», 1972 Landwirtschaftsamt 1971 Amt für Bevölkerungsschutz 1971 Dienststelle für Zivilschutz und Kriegsvor- 1958 Amt für Wohnungswesen sorge, 1978 Amt für Zivilschutz und Landesver- 1958 Eigenheimförderungsstelle bei der AHV, sorgung, 2007 Amt für Bevölkerungsschutz 1977 Beratungsstelle für Wohnbauförderung und Kommission für Wohnbauförderung, 2000 Amt 1972 Schulamt für Wohnungswesen 1974 Finanzkontrolle 1959 Amt für Umweltschutz 1974 Stabsstelle Finanzen 1959 Amtsstelle für Gewässerschutz bei der 1974 Zivilstandsamt Landwirtschaftlichen Beratungsstelle, ab 1963 als 1878 staatliche Matrikenführung durch katholi- «Amt für Gewässerschutz» bezeichnet, sche Pfarrämter, 1974 Zivilstandsamt danach Verselbständigung der Stelle in mehreren 1976 Amt für Berufsbildung und Berufsberatung Etappen, 1975 eigene Amtsleitung, 1996 Amt für 1976 Amt für Berufsbildung, 2006 Zusammenle- Umweltschutz gung von Berufsberatung und Amt für Berufsbil- 1960 Presse- und Informationsamt dung zum Amt für Berufsbildung und Berufsbera- 1960 Pressedienst, 1962 Presse- und Informati- tung onsstelle, 1978 Presse- und Informationsamt 1976 Beratungs- und Beschwerdestelle 1960 Rechtsdienst der Regierung 1977–2005 Sozial- und Präventivmedizinische Dienststelle 1960 Rechtsdienst, 1965 Integration in «Präsidial- 1977 Reorganisation des Fürsorgeamtes und Ver- büro», 1987 Rechtsdienst als Stabsstelle der Re- selbständigung des SPMD gierung 1978 Ständige Vertretung des Fürstentums Liechten- 1961 Landesarchiv stein beim Europarat in Strassburg 1963 Amt für Volkswirtschaft 1978–2000 Dienststelle für Post- und Fernmeldewesen 1963 Amt für Industrie und Gewerbe, 1973 Amt 1983–2007 Stabsstelle Protokoll für Volkswirtschaft 1983 Trennung des Aufgabenbereichs Protokoll 1965 Berufsberatungsstelle vom Presse- und Informationsamtes, 2007 Inte- 1947–1965 Berufsberatung im Nebenamt, 1965 gration in Amt für Auswärtige Angelegenheiten, vollamtliche Berufsberatungsstelle, 2006 Zusam- 2009 Protokoll der Regierung menlegung von Berufsberatungsstelle und Amt 1984 Dienststelle für Sport für Berufsbildung zum Amt für Berufsbildung und 1984 Schaffung der «Dienststelle für Jugend und Berufsberatung Sport», 2000 Umbenennung in «Dienststelle für 1966 Amt für Soziale Dienste Sport» 1966 Jugend- und Fürsorgeamt, 1976 Trennung 1985 Liechtensteinsche Botschaft beim Heiligen Stuhl von Jugend- und Fürsorgeamt, 1992 erneute Zu- (Vatikan) sammenlegung im Amt für Soziale Dienste Gründung Amt Gründung Amt I 87 1986 Bauadministration 2003 Stabsstelle öffentliches Auftragswesen Aufteilung des Landesbauamtes in Hochbauamt, 1998 als Stabsstelle im Hochbauamt, Tiefbauamt und Bauadministration 2003 selbständige Stabstelle 1986 Hochbauamt 2005 FMA Finanzmarktaufsicht 1986 Tiefbauamt Zusammenfassung des Amts für Finanzdienstleis- tungen, der Stabstelle für Sorgfaltspflichten und 1989 Landtagssekretariat der Abteilung Versicherungen beim Amt für Abtrennung von der Regierungskanzlei Volkswirtschaft in einer unabhängigen öffentlich- 1990 Ständige Vertretung bei der UNO in New York rechtlichen Anstalt 1991 Ständige Vertretung bei der EFTA und UNO in 2008 Stabsstelle Futuro Genf 2009 Amt für Statistik 1993 Ständige Vertretung bei der EU in Brüssel und Liechtensteinische Botschaft in Brüssel 1993–1999 Dienststelle für Bankenaufsicht 1995 Ständige Vertretung bei der OSZE in Wien 1995 Amt für Handel und Transport 1995 Amt für Zollwesen, 2007 Amt für Handel und Transport

1995 Stabsstelle EWR Verordnung des Schwäbischen Kreises betreffend Marodeure und anderes Gesindel, 1795 1996 Stabsstelle für Chancengleichheit 1996 Gleichstellungsbüro, 2004 Stabsstelle für Chancengleichheit 1998 Liechtensteinische Botschaft in Wien 1983 nicht residierender Botschafter, 1998 Bot- schaft in Wien 1999 Amt für Kommunikation 1999 Stabsstelle für Kulturfragen 1999 Liechtensteinische Botschaft in Berlin 1999 nichtresidierender Botschafter, 2002 residierender Botschafter 1999–2004 Amt für Finanzdienstleistungen 1993 Dienststelle für Bankenaufsicht, 1999 Amt für Finanzdienstleistungen, 2004 unabhängige Finanzmarktaufsicht 2000 Zusammenlegung von Grundbuch und Öffentlich- keitsregister zum Grundbuch und Öffentlichkeits- registeramt 2000 Liechtensteinische Botschaft in Washington 2000 nichtresidierende Botschafterin, 2002 Botschaft mit Residenz 2000 Stabsstelle Financial Intelligence Unit (FIU) 2001 Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlich- keitsarbeit 2001–2004 Stabsstelle für Sorgfaltspflichten 2002 Datenschutzstelle 2002 Datenschutzbeauftragter/Stabsstelle für Da- tenschutz, 2009 Datenschutzstelle 2003 Amt für Gesundheit 1977 SPMD, 2003 Amt für Gesundheitsdienste, 2007 Amt für Gesundheit Rentamtsbuch 1764 Die staatlichen Bestände

Tektonik der Bestände ben bestehen aus der Signatur, der Bezeichnung der Pro- I 89 venienzstelle bzw. des Bestandes und der Laufzeit. Als Das im Liechtensteinischen Landesarchiv verwahrte Ar- Laufzeit eines Bestandes wird die Zeitspanne zwischen chivgut beansprucht 7000 Laufmeter Regalfläche und ist dem ältesten und dem jüngsten Schriftstück angegeben. in knapp 300 Bestände und Teilbestände gegliedert. In Diese stimmt nicht unbedingt mit der Existenzdauer des diesen spiegeln sich die Besonderheiten der staatlichen Aktenbildners überein, da Vorakten oder ältere Materialien Entwicklung und Verwaltungsstruktur wider, die im letz- eingeschlossen sein können. Ein Grund für die Unter- ten Abschnitt skizziert wurden. Ein Bestand enthält jeweils schiede zwischen der Laufzeit des Bestandes und der Exis- das Schriftgut eines Aktenbildners (oder einer Pro venienz- tenzzeit des Aktenbildners kann auch sein, dass Akten aus stelle), der Entstehungs- oder Registraturzusammenhang einer Vorprovenienz übernommen wurden oder der Be- wird damit dokumentiert. Ein Bestand kann in mehrere stand aus mehreren, chronologisch aufeinander folgenden Teilbestände (z.B. zeitliche Epochen oder organisatorische Teilbeständen besteht. Bei nicht abgeschlossenen Bestän- Einheiten wie Abteilungen innerhalb einer Provenienz- den, die noch Zuwachs aus der Verwaltung bekommen, stelle) unterteilt sein. Die Grafik auf Seite 90 erklärt und wird kein Endjahr angegeben. Auf die Angabe der Find- verdeutlicht die Tektonik des Archivs. mittel (durchgehend die Datenbank) und der Sperrfristen Die kurz gehaltene Beständeübersicht soll den Benut- (30 Jahre bei Sachakten, 80 Jahre bei besonders schüt- zerinnen und Benutzern einen ersten Einblick in die Be- zenswerten Personendaten) wird aus Platzgründen ver- stände des Landesarchivs ermöglichen. Aufgeführt sind zichtet werden, da diese Angaben weitestgehend aus nur jene Bestände und Teilbestände, die so weit geordnet Wiederholungen bestehen würden. Detailinformationen und erschlossen sind, dass sie benutzbar sind. Die Anga- können über das Internet abgerufen werden.

Rentamt-Rechnungsbuch für das Jahr 1764 Die staatlichen Bestände

90 I Archivtektonik: Abteilungen, Unterabteilungen, Bestände Oberamt und Regierung Sign. Akt I 91 RA Oberamtsakten (Menzinger-Registratur) 1341–1808 Die Oberamts- (bis 1848) bzw. Regierungsakten sind der RB Oberamtsakten (Schuppler-Registratur) 1808–1827 mit Abstand wichtigste und grösste Bestand im Landesar- RC Oberamt, Regierungsamt 1827–1861 chiv. Die Signaturen beginnen mit dem Buchstaben R und RD Regierung 1861–1862 einem weiteren Buchstaben für die Epoche (A bis G). RE Regierung 1862–1956 Jedem dieser Bestände liegt ein anderes Ordnungssystem RF Regierung 1931–1994 zugrunde. Neben diesen Hauptbeständen gibt es einzelne RG Regierung 1995– Selekte, die das Schriftgut zu bestimmten Themen enthal- SF Sonderfaszikel der Regierung 1689–1991 ten. Die Signaturen dieser Selekte beginnen nicht mit dem SF 01 Präsidialakten 1892–1922 Buchstaben R. Die Aktenzeichen der Regierungsstellen SF 02 Eisenbahnsachen 1863–1929 werden mit einem Präfix versehen und bilden dann die Ar- SF 03 Post- und Telefonsachen 1810–1930 chivsignatur. SF 04 Steuersummarien 1872–1921 SF 05 Fabrikakten (Jenny & Spörry, Gebr. Rosenthal) 1882–1927 SF 06 Kronenwährung, Münzprägung 1898–1920 SF 07 Frankenwährung, Bankgründung 1918–1920 SF 08 Fischerei 1895–1930 SF 09 Revision Gemeinde- und Kirchen- rechnungen 1826–1931 SF 10 Benderer Waisenhaus-Projekt 1885–1913 SF 11 Irrenfürsorgefonds 1908–1920 SF 12 Wohltätigkeitsfonds, Siechenhaus 1887–1929 SF 13 Lebensmittelversorgung 1915–1920 SF 14 Normaliensammlung 1890–1906 SF 15 Autographensammlung 1883–1914 SF 16 Reisepassverzeichnis, Passwesen, Wanderbücher 1829–1926 SF 17 Staatsbeamte («Nationale») 1789–1870 SF 18 Orden und Verdienstzeichen 1930–1941 SF 19 Diplomatenpässe 1920–1934 SF 20 Wasserwerke 1857–1932 SF 21 Triesenberger Alpsachen 1887–1893 SF 22 Stipendium Pfr. Valentin von Kriss 1689–1914 SF 23 Stipendium Pfr. Karl Alois Lutz 1836–1917 SF 24 Stiftung Karl Schädler 1908–1921 SF 25 Kloster Schellenberg 1908–1917 SF 26 Gehalts- und Pensionsregulierungen 1878–1923 SF 27 Zollsachen 1852–1925 SF 28 Rheinakten, Rheineinbruch 1904–1950

Die Regierung von 1921 mit Josef Marxer, Johann Wanger und Regie- SF 29 Schulangelegenheiten 1885–1930 rungschef SF 30 Zivilstandstabellen (Geburten und Sterbefälle) 1828–1860 SF 31 Kriegswirtschaft 1940–1956 SF 32 Lawenawerkbau 1911–1960 SF 33 Justiztabellen (Ausweise Stand von Verfahren) 1829–1858 SF 34 Bau des Regierungsgebäudes 1904–1906 V 004 Einbürgerungen 1869–1959 V 116 Einbürgerungen 1960– V 170 Grundverkehrsangelegenheiten 1998– Die staatlichen Bestände

92 I Amtsstellen, Auslandvertretungen

Die Bestände der Amtsstellen und Auslandvertretungen be- ginnen mit dem Buchstaben V. Die Bestände V 1 bis V 99 weisen Folioformat auf, die Bestände ab V 100 A4-Format. Die Archivierung erfolgt nicht nach Akzessionen. Solange das Ordnungssystem beim Aktenbildner nicht wechselt, werden Neuzugänge einer Amtsstelle dem bestehenden Bestand zugeordnet. Die Aktenzeichen werden in der Verordnung des Schwäbischen Kreises betreffend Deserteure, Regel erfasst und dazu verwendet, Findmittel in der Rei- 1796 henfolge des Aktenplans zu erstellen. Die Archivsignatu- ren bestehen in der Regel aus einer Bestandesnummer und einer fortlaufenden Aktennummer. Bei Aktenserien wer- den die Aktenzeichen der Aktenbildner wenn möglich bei- behalten.

Sign. Akt V 002 Bern, Gesandtschaft (1919–1933) 1835–1950 V 003 Wien, Gesandtschaft (1919–1923) 1851–1993 V 005 Sicherheitskorps 1933–1950 V 006 Geometeramt. Katasterberichti- gungen 1893–1963 V 007 Rentamt, Landeskasse 1799–1963 V 012 Militärkontingent 1832–1872 V 013 Botschaft Bern (Vorakten der Gesand tschaft Bern) 1921–1944 V 014 Wald-/Forstamt 1930–1949 V 015 Zivilstandsämter 1702–1975 V 015 Waldamt Vaduz 1854–1904 V 018 Staatsanwaltschaft 1914–1970 V 101 Fremdenpolizei: Sachakten 1948–1995 V 102 Schulamt, Landesschulrat 1863–2001 V 103 Landwirtschaftsamt 1939–1986 V 104 Hochbauamt, Liegenschaften- verwaltung 1946–2008 V 105 Chef des Protokolls 1954– V 106 Presse- und Informationsamt 1963–1994 V 107 Landesbauamt/Hochbauamt, Bau- Seuchenattest 1797 administration: Subventionsakten 1946–1996 V 108 Amt für Berufsbildung 1929–1988 V 109 Landesarchiv 1961–2000 V 110 Baubewilligungen 1885– V 111 Arbeitslosenversicherung (Personenakten) 1956– V 112 Landesbauamt 1930–1980 V 113 Amt für Zivilschutz 1900– V 117 Amt für Soziale Dienste (Klientenakten) 1962– V 118 Liechtensteinischer Entwicklungsdienst 1961– V 120 Amt für Volkswirtschaft (Sachakten) 1905– V 121 Landespolizei (Sicherheitskorps) 1951– V 123 Presse- und Informationsamt 1995– V 125 Amt für Umweltschutz 1864– V 126 Uno, Ständige Vertretung 1982–1996 V 127 Rechtsdienst 1979– V 128 Schulpsychologischer Dienst 1970– Sign. Akt I 93 V 129 Schulamt 1971– V 130 Amt für Auswärtige Angelegenheiten 1949–1993 Reisepass 1803 V 131 Amt für Auswärtige Angelegenheiten 1993– V 132 Tiefbauamt: Landes- und Grundbuch- vermessung 1937– V 135 Wohnbauförderung 1958– V 136 Landwirtschaftsamt 1957– V 137 Finanzkontrolle 1884– V 138 Steuerverwaltung, Sitzgesellschaften bis 1994 1923–1994 V 139 EFTA, Ständige Vertretung in Genf 1991–1998 V 140 Fremdenpolizei: Sachakten 1900– V 141 Amt für Soziale Dienste: Sachakten 1953–1992 V 142 Amt für Berufsbildung: Lehrverträge, Lehrabschlussprüfungen 1985– V 143 Botschaft Bern 1919–1996 V 144 Eidgenössisches Amt für Geistiges Eigentum: Patente 1911–1971 V 145 Amt für Kommunikation 1996–2001 V 146 Landesarchiv 1995– V 147 Stabsstelle EWR 1995– V 148 Amt für Soziale Dienste/Jugendamt Reisepass für Anton Büchel aus Ruggell, der mit Frau und drei Kindern (Klientenakten) 1947–1991 ins Schwabenland geht, um mit Erdgeschirr zu handeln, 1799 V 149 Verkehrskoordination, Stabsstelle 1979–2002 V 151 Amt für Wald, Natur und Landschaft 1954– V 155 Steuerverwaltung, gelöschte tätige Gesellschaften bis 2003 1935–2003 V 157 Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen 1945– V 158 Steuerverwaltung, Gesellschaften, Löschungen 1995 bis 2001 1921–2001 V 159 Grundbuch- und Öffentlichkeits- registeramt (Grundbuchkarten) 1832–1872 V 160 Rechtsdienst der Regierung: Beschwerde in Rechtshilfeverfahren 1993–2005 V 161 Rechtsdienst der Regierung: Rechtshilfe der Verwaltungsbehörden 1900–2007 V 163 Fremdenpolizei-Dossiers Personendossiers (alphabetisch) 1875–2005 V 164 Ausländer- und Passamt: Personendossiers (nach Personen- identifikationsnummern) 1993– V 165 Motorfahrzeugkontrolle (MFK): Sachakten ca. 1940–ca. 2000 V 166 Postwertzeichenstelle 1967–2005 V 168 Amt für Zollwesen 1995–2002 V 169 Steuerverwaltung, gelöschte Sitzgesellschaften 2002–2004 V 173 Sozial- und Präventivmedizinische Dienststelle (SPMD) 1961–2005 V 174 Wien, Botschaft 1901– V 177 Amt für Volkswirtschaft: Gewerbeunterlagen 1964– Die staatlichen Bestände

94 I Kommissionen, Beiräte, Arbeits - gruppen

Die Unterlagen der parlamentarischen Kommissionen und Delegationen werden in den Akten des Landtagssekretari- ats aufbewahrt. Die Unterlagen der Kommissionen, die von der Regierung bestellt werden und die eng mit Amtsstellen zusammenarbeiten bzw. von solchen geleitet werden, be- finden sich in der Regel in den Unterlagen der federfüh- renden Amtsstellen. Als eigene Bestände archiviert wer- den vor allem die Unterlagen von Kommissionen, Beiräten und Arbeitsgruppen, die relativ unabhängig von der Lan- desverwaltung, arbeiten. Besteht keine Verbindung zur Landesverwaltung ist aber auch das Risiko höher, dass die Unterlagen nicht ans Archiv abgegeben werden.

Heimatschein für Johann Schurte und seine Frau Margaretha Weich Reisepass für Barbara Ehrni aus Triesen, 1854. Zweck der Reise: «dienen» sowie ihre zwei Kinder, 1879 Sign. Akt I 95 V 001/01 Landessteuerkommission 1927–1953 V 011 Kommission Bau des Lawenakraft- werks, Unterlagen Bauleitung 1913–1951 V 100/001 Bankenkommission 1952–1987 V 100/077 Drogenkommission 1980–1993 V 100/151 Pensionsversicherung für das staatli- che Personal, Verwaltungsausschuss 1989–1997 V 100/161 Erwachsenenbildungskommission 1979–1997 V 100/175 Wohnbauförderungskommission 1958–1971 V 100/181 Kommission für die Gleichberechti- gung von Mann und Frau 1986–1998 V 100/195 Prüfungskommission für Rechts- anwälte 1950–1974 V 100/210 Arbeitsgruppe Frauenförderung in der Landesverwaltung 1993–1998 Abschied: Ludwig Wohlwend, Mauren wird nach acht Jahren Dienstzeit aus dem V 100/283 Organisationskomitee 300 Jahre liechtensteinischen Bundes-Contingent entlassen, 1862 Unterland (OK 1999) 1899–2000 V 100/421 Organisationskomitee 650 Jahre Grafschaft Vaduz (OK 1992) 1992 V 100/443 Rechtsbuchkommission 1949–1959 V 100/455 Liechtensteinisches Landesmuseum, Stiftungsrat 1983–1993 V 100/456 Organisationskomitee Vermählung Erbprinz Hans-Adam von Liechtenstein mit Marie Gräfin Kinsky 1967 V 100/495 Nationales Komitee für das europäi- sches Jahr des Films 1987–1989 V 114 Sanitätskommission 1917–2006 V 115 Stipendienkommission (Stipendiaten) 1871–2006 V 119 Denkmalschutzkommission 1975–2009 V 124 Kulturbeirat 1945–2005 V 133 Sportbeirat 1935–1987 V 134 Landesgrundverkehrskommission 1941–1989 V 162 Prüfungskommission für Wirtschafts- prüfer 1996–2003 V 171 Beschwerdekommission für Ver- waltungsangelegenheiten (VBK) 2001–2006 V 172 Organisationskomitee 200 Jahre Souveränität 1806–2006 2004–2007 V 176 Filmberatungsstelle 1928–1990 Die staatlichen Bestände

96 I Landesschulen Sign. Akt V 100/494 Freiwilliges 10. Schuljahr 1998–2005 Die Durchsetzung der Ablieferungspflicht bei Landes- V 122 Liechtensteinisches Gymnasium 1953–1989 schulen erweist sich in der Praxis als eher schwierig. Die Akten sind bei den Schulen nicht registriert und es werden V 154 Oberschule Triesen 1975–1992 bei den Aktenbildnern keine Aktenzeichen gebildet. V 178 Realschule Triesen 1987–2004 V 179 Oberschule Vaduz 1973–1980 V 009 und V 152 Realschule Vaduz 1858–1991 V 009 und V 153 Realschule Eschen 1897–1991

Schulchronik der Primarschule Planken Entlassungszeugnis aus der Werktagsschule für Philipp Schädler, I 97 Triesenberg, 1862

Bewilligung zur Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Schuld zugunsten des ehemaligen Landtagspräsidenten Dr. Wilhelm Schlegel, 1900

Gewerbeschein für Johann Lampert aus Triesen zur Ausübung des Schustergewerbes, 1866 Die staatlichen Bestände

98 I

Bischof Johannes Georgius erteilt eine Ehebewilligung für Braut- leute, die im dritten Grad ver- wandt sind, 1838

Politischer Ehekonsens für Joseph Anton Mayer und Katharina Kaufmann, 1831

Totenschein für ein tot geborenes Mädchen, ausgestellt von Dr. Karl Schädler, 1864

Auszug aus dem Geburtenregister für Philomena Vogt, Balzers, 1902 Landtag I 99

Die Signaturen der Unterlagen beginnen mit den Buchsta- ben LT für Landtag. Die Aktenzeichen des Landtagssekre- tariats werden um das Präfix LTA erweitert und als Archiv- signaturen verwendet.

Sign. Akt LTA Landtagsakten 1862– LTP Landtagsprotokolle 1862–

Fürst Franz I. und Fürstin Elsa zusammen mit dem Kabinettsdirektor Josef Martin bei einem Besuch im liechtensteinische Landtag (1931). Vorne links stehend Regierungschef , in der Mitte Landtagspräsident Pfr. Anton Frommelt Aus unserem Team

Rupert Tiefenthaler: Ob sich da wohl die berufliche Faszination auch ins Private Faszination am Detektivischen hineingezogen hat? «Sehr wohl», sagt Rupert Tiefenthaler, «das Berufliche deckt sich in vieler Hinsicht mit Privatin- Ob Sherlock Holmes während seiner Ermittlungen wohl teressen». So engagiert er sich auch in seiner Freizeit in auch manchmal auf ein Archiv zurückgegriffen hat? Dort den Vorständen des Historischen Vereins für das Fürsten- wären nämlich mit grosser Wahrscheinlichkeit Indizien zu tum Liechtenstein und der Rheticus-Gesellschaft, die sich finden gewesen, welche zur Lösung seiner Fälle beigetra- der Geschichte des Vorarlberger Oberlandes verschrieben gen hätten. Das Detektivische ist für Mag. phil. Rupert Tie- hat. fenthaler denn auch einer der besonderen Reize an der Ar- Bei all der Faszination für das Historische findet Rupert chivarbeit. Tiefenthaler auch Zeit für andere Dinge. In der Bigband Für den Amtsleiter-Stellvertreter war es immer schon «Swingwerk Götzis» und in der Jazzband «Die zitternden eine besondere Herausforderung, den Denkansätzen, die Lippen» drückt er sich zur Abwechslung an der Gitarre mal hinter den Tatsachen stehen, auf den Grund zu gehen. nicht durch Worte, sondern durch Musik aus, die er als «Alles hat seinen Ursprung, und sehr oft finden sich, ganz Sprache versteht. Und falls er wirklich mal Gefahr laufen unscheinbar in irgendwelchen Akten erwähnt, Anhalts- sollte, Beruf und Hobby zu übertreiben, ist sich der ver- punkte für Entwicklungen in verschiedensten Bereichen antwortungsvolle dreifache Familienvater sicher: «Dann des öffentlichen wie auch des privaten Lebens seit der fer- holen mich meine Frau und meine Kinder mit jeder Ga- nen Vergangenheit bis in die Gegenwart und weiter in die rantie auf den Boden zurück.» Zukunft, da diese bekanntlich laufend gestaltet wird.» Verantwortung sei denn auch das Stichwort, welchem Diese Faszination für historische Hintergründe und Zu- sich ein Archivar täglich stellen müsse, so Tiefenthaler, sammenhänge war es denn auch, die Rupert Tiefenthaler hängt es doch von ihm ab, was der Nachwelt überliefert nach Abschluss der Handelsakademie dazu bewogen hatte, wird. Deshalb sei die Wahrung von Objektivität wichtig, Philosophie und Geschichte zu studieren. Deshalb kann er aber manchmal doch auch schwierig. Jedenfalls gelte es, zum Vorurteil der «Trockenheit» der Archivarbeit nur wis- jene Situation zu vermeiden, wie sie mal ein Politiker be- send schmunzeln: «Trocken ist wohl eher diejenige Tätig- schrieben habe: «Was nützt es mich, wenn ich heute eine keit, welche sich ausschliesslich dem Bereich ‹Soll und Schlacht gewinne, wenn ich gestern den Archivar beleidigt Haben› widmet, also das, was ich als erste Ausbildung ab- habe? Er wird diesen Sieg nicht überliefern.» Also: Politi- solviert habe. Aber diese bietet mir auch heute noch wert- ker aufgepasst, Archivare sind auch «nur» Menschen! (WN) volle Hilfe, zum Beispiel bei der Auswertung von Doku- menten oder bei meiner Tätigkeit als Kassier der Interna- tionalen Rheinberger Gesellschaft.» Justiz Verwaltungsgerichtshof I 101

Staatsgerichtshof Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich nach 1862 von der liechtensteinischen Hofkanzlei in Wien abgekoppelt. Die Der Staatsgerichtshof hat vorwiegend die Funktion eines Aktenzeichen der Verwaltungsgerichte werden als Archiv- Verfassungsgerichtshofs. Die Aktenzeichen des Staatsge- signaturen verwendet. Die Akten der Verwaltungsbe- richtshofs sind eindeutig und werden als Archivsignaturen schwerdeinstanz wurden von 1921 bis 1993 mit den Re- verwendet. gierungsakten verbunden bzw. in diese integriert.

Sign. Akt Sign. Akt StGH Staatsgerichtshof 1928– PRI Politische Rekursinstanz in Wien für das Fürstentum Liechtenstein 1861–1922 VBI Verwaltungsbeschwerdeinstanz des Fürstentums Liechtenstein 1983–2003 VGH Verwaltungsgerichtshof 2003–

Richter und Beschäftigte des Kriminal-Gerichts vor dem Regierungsgebäude in Vaduz, v.l.n.r.: Dr. Redler, Landrichter Feldkirch; Dr. Peer, Landgerichtspräsident Feldkirch; Oberlegationsrat Neuner, Feldkirch, Vorsitzender, Legationsrat Kelz, Feldkirch, Richter; Legationsrat Schöpf, provisorischer Landrichter; Schöffe Agent Wanger, Schaan; Schöffe Gemeindevorsteher Brunhart, Balzers, 1911 Aus unserem Team

Nicole Hanselmann: die sich beispielsweise für ihre Vorfahren interessieren, Wer archiviert, der findet von denen auch schon so manche «ausgegraben» wurden. Durch Nicole Hanselmanns Hände sind im Laufe ihrer Stellen Sie sich vor, Sie kämen in ein Archiv und suchten Tätigkeit im Archiv schon zigtausende Akten gegangen, dort etwas ganz Bestimmtes. Und Sie wüssten auch, dass wobei ihr immer wieder auffalle, wie sich die Gebräuche es sich eigentlich dort befinden müsste. «Ja, wir müssten es und unser Leben allgemein in den Jahrhunderten verän- eigentlich haben», so die Auskunft am Schalter, «aber lei- dert haben. «Vor allem bei alten Gerichtsakten, sei es über der wissen wir nicht wo. Suchen Sie mal, denn wer sucht, Zivil- oder Strafsachen, sieht man den enormen Werte- der suche, bis er findet, wie es so schön heisst.» wandel, den unsere Gesellschaft durchgemacht hat. So Dass so eine Situation im Landesarchiv rein utopisch wurden früher Dinge verhandelt, nach denen heute kein ist und bleibt, dafür sorgt unter anderem Nicole Hansel- Hahn mehr krähen würde, und dies in einer Sprache, die mann, die seit 1993 in der Aktenerfassung und Aktenaus- heute keiner mehr so spricht – aber auch das Umgekehrte gabe tätig ist. «So ein Chaos könnten wir uns nicht erlau- ist manchmal der Fall, wie der Vergleich mit neueren Akten ben, weshalb alles, was hereinkommt, mit äusserster Sorg- zeigt.» falt erfasst und indexiert wird, bevor es in den Regalreihen Während Hanselmann beruflich oft mit der Vergan- unseres Archivs verschwindet – pardon – archiviert wird. genheit zu tun hat, widmet sie sich in ihrer Freizeit vor Fehler sind da im wahrsten Sinne des Wortes fehl am Platz, allem der Lektüre von moderner Literatur, und auch beim weshalb wir auch ein Kontrollsystem haben, das uns hilft, Schwimmen wäre ein Schwelgen in anderen Zeiten alles solche erst gar nicht zu machen respektive sie zu korrigie- andere als angebracht. «Mitten ins Jetzt-Getümmel aber ren, bevor das Malheur Auswirkungen haben könnte.» führen mich die beiden Kinder meiner Schwester, wobei Oft ist Nicole Hanselmann auch die erste Ansprech- man vor allem im Umgang mit ihnen feststellt, dass ei- person für all jene, die im Archiv Hilfe suchen. Ist eine Akte gentlich alles laufend älter wird – auch wir selber ...» (WN) – oder sei es auch nur ein einzelnes Blatt – im Haus, dann genügt meist ein Suchklick im elektronischen Verzeichnis, und schon kommt das Örtchen zum Vorschein, wo sich das Dokument befindet. «Vorausgesetzt, die Archivalien sind nicht mit einer Sperre belegt, können wir den Menschen auf diese Weise schnell und effektiv Zugang zu den ge- wünschten Informationen verschaffen», sagt Hanselmann. Zur «Kundschaft» gehören neben Amtsstellen des Landes vor allem Historiker, Juristen und Studenten sowie Private, Landgericht schiedlichen Geschäftszeichen vergrössert und unterliegt I 103 einem relativ häufigen Wechsel. Die Gerichtsakten haben Die Unterlagen der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit werden im Landesarchiv ein Präfix mit dem Buchstaben J (Justiz) seit 1808 getrennt von der politischen Verwaltung regis- und einer laufenden Nummer bekommen, um die Bestan- triert und archiviert. Bis 1921 wurden die Akten der Ap- dessignaturen eindeutig zu machen. Ansonsten werden die pellationsinstanz in Wien (Hofkanzlei bzw. Appella tions - Aktenzeichen als Archivsignaturen verwendet. Das Land- gericht als zweite Gerichtsinstanz) und des Oberlandesge- gericht ist organisatorisch in mehrere Abteilungen aufge- richts in Innsbruck (als dritte Gerichtsinstanz) in eigenen teilt, doch erfolgt die Geschäftsverteilung nicht fix nach die- Beständen verwaltet. Seit 1921 müssen alle liechtensteini- sen Abteilungen, sondern durch Absprache unter den Rich- schen Gerichtsinstanzen ihren Sitz im Lande haben. Seit- tern. her werden die Unterlagen der verschiedenen Instanzen der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit in einer Gerichtsakte zu- Sign. Akt sammengezogen. Bis 1970 wurde nur eine grobe Unter- J 001 Miszellen des Landgerichts 1813–1968 teilung der Gerichtsakten nach Zivilsachen (Judicialia, J 002/Pol Politische Agenden des Land- Buchstabe J), Strafsachen (Buchstabe S), Abhandlungen richters (Regierungsgeschäfte) 1862–1871 (Buchstabe A) und Vormundschaften (Pupillen, Buchstabe P) vorgenommen. Nach 1970 hat sich die Zahl der unter- J 003/S Strafsachen 1834–1884 J 004/A Abhandlungsakten 1809–1951 J 005/J Zivilsachen 1827–1941 J 006/OLG Appellations- und Kriminalober- gericht Innsbruck (1790–1849) bzw. das Oberlandesgericht Innsbruck (ab 1849) als Oberster Gerichtshof für das Fürstentum Vertretungsvollmacht Liechtenstein 1818–1923 J 007/S Strafsachen 1885–1963 J 008/P Vormundschaftsakten, Kuratel- und Pupillarsachen 1845–1947 J 010/AG Fürstliche Hofkanzlei als Appellationsgericht 1859–1922 J 011/J Zivilsachen 1808–1827 J 012/OGH/S Obergericht: Strafsachen 1922–1960 J 013/OGH/J Obergericht: Zivilsachen 1922–1960 J 014/ Präsidialakten Landgerichts- vorstand 1882–1957 J 101/S Strafsachen 1963–1967 J 102/J Zivilsachen 1958–1969 J 103/Vr Verbrechen, Vergehen 1970–1992 J 104/A Abhandlungsakten 1953– J 105/C Zivilsachen 1970–1984 J 106/E Exekutionen, Zahlbefehle 1970–1982 J 107/U Übertretungen 1970–1984 J 108/P Vormundschaftsakten 1846– J 109/Ag Arbeitsgericht 1979– J 110/Hp Beschwerden gegen Beschlüsse des Öffentlichkeitsregisters 1979– J 111/Rs Rechtshilfe in Strafsachen 1970– J 112/ Präsidialakten Landgerichts- vorstand 1958–1972 Die älteste in Liechtensteins Archiven erhaltene Pergamenturkunde: Ablassbrief für die Kapelle St. Peter in Schaan, ausgestellt im März 1298 im Vatikan Die Privatarchive

Die ursprüngliche und zentrale Aufgabe des Landesarchivs im Landesarchiv befindet, ist das Familienarchiv Schädler, I 105 ist die Archivierung der Unterlagen der staatlichen Organe. das interessante Unterlagen zu verschiedenen Mitgliedern Gemäss Art. 4 Abs. 3 Archivgesetz kann es aber auch an- der Familie enthält. Unter den Privatarchiven sind auch die dere Unterlagen, die für die liechtensteinische Geschichte sogenannten «Schädler-Urkunden» zu finden, die 1922 von Bedeutung sind, übernehmen. Das Archivgesetz er- nach dem Tod von Dr. Albert Schädler von dessen Schwes- wähnt namentlich die Unterlagen von öffentlich-recht - ter Elwina Hinkelbein dem Land geschenkt wurden. Ein lichen Anstalten und Stiftungen sowie solche von privaten weiterer wichtiger Nachlass ist derjenige von Johann Bap- Personen und Organisationen. Nicht ausdrücklich aufge- tist Büchel. Bis zur Organisation des Landesarchivs in zählt, aber zweifellos mitgemeint sind auch kirchliche Ar- einem eigenen Amt im Jahre 1961 kamen keine weiteren chive. Das Archivgesetz lässt auch die Möglichkeit offen, bedeutenden Privatarchive dazu; eher sahen potentielle Gemeindearchive im Landesarchiv zu hinterlegen. Donatoren den historischen Verein als geeignete Institu- Die Archivierung von Privatarchiven beruht im Gegen- tion zur Verwahrung von Archivalien. Auch nach 1961 wur- satz zu den staatlichen Ablieferungen immer auf dem den vorerst nur einzelne «alte» und deshalb als wertvoll Grundsatz eines freiwilligen Übereinkommens zwischen empfundene Dokumente, deren Herkunft oft unklar ist, einem nicht-staatlichen Eigentümer und dem Landesar- dem Landesarchiv übergeben. Mit den verbesserten per- chiv. Verbindend ist das gegenseitige Interesse an der Si- sonellen Bedingungen war das Landesarchiv dann aber in cherung von Unterlagen, die zum kulturellen Erbe zählen. der Lage, seine Bereitschaft für Dienstleistungen in diesem Weder das Archivgesetz noch das Denkmalschutzgesetz Bereich nach aussen zu signalisieren. Aktiv bemüht um die bieten eine rechtliche Handhabe, mit der Private gezwun- Übernahme von Privatarchiven hat sich das Landesarchiv gen werden könnten, ihr Archivgut, an dessen Benutzung aber bisher nicht. durchaus ein öffentliches Interesse behauptet werden Private Nachlässe werden nur zögerlich an das Lan- könnte, in einem öffentlichen Archiv zu deponieren. Der desarchiv übergeben, meist gelangen nur Fragmente aus Respekt vor dem Schutz des Eigentums, wie er in Liech- einem Nachlass ins Archiv. Vor allem bei persönlichen Do- tenstein verstanden wird, verbietet dies. kumenten zeigt es sich, dass sich die Nachkommen nur Private Aufzeichnungen ergänzen die staatlichen Ar- schwer davon trennen, weil sie Bedenken haben, dass chivalien in hervorragender Weise. Sie geben Einblicke in diese Dokumente für unkontrollierbare Zwecke verwendet Lebensbereiche, in die der Staat nicht oder kaum eingreift. werden könnten. Nachlässe bestehen oft zu einem erheb- Öffentliche Archive sind gemeinsame Erinnerungen. Wer- lichen Teil aus eigentlichem Dokumentationsmaterial den Privatarchive in öffentlichen Archiven zugänglich ge- macht, so spricht man auch von geteilten Erinnerungen. Den Wert solcher geteilter Erinnerungen zeigen einige Bei- spiele: Nachlässe und Familienarchive enthalten mitunter sehr private Aufzeichnungen, die vom Liebesgedicht über Korrespondenz mit Verwandten in der Fremde bis zu Ta- gebüchern reichen. Firmenarchive dokumentieren die Ent- wicklung des Unternehmens wie auch wichtige Unterneh- Peter Kaiser (1793–1864), Historiker und Pädagoge mensentscheide, Parteiarchive die Organisation und die Streitkultur in einer Partei, Vereins- und Verbandsarchive die Vereinskultur, das Brauchtum usw. Ein besonderer Stellenwert kommt den Unterlagen der sogenannten NGOs zu, der nichtstaatlichen Organisationen, die meist als Ver- eine organisiert sind und der Förderung humanistischer, demokratischer, ökologischer oder anderer gesellschaftli- cher Werte dienen. In ihren Papieren sind die Haltungen von privaten Interessengruppierungen dokumentiert, die oft versuchen, staatliches Handeln zu beeinflussen, deren Positionen in den staatlichen Unterlagen aber kaum oder gar nicht mehr erkennbar werden. Das Archivieren von sol- chen Unterlagen ist ein bescheidener Beitrag zum grossen Ziel, «den Menschen der Welt durch den Einsatz für mehr Transparenz, gute Regierungsführung und eine bessere Bewahrung des Gedächtnisses der Menschheit zu helfen.» (Die Archive der NGOs: Erinnerungen, die es zu teilen gilt … Hrsg. ICA, 2001) Das Schenken oder Hinterlegen von Privatarchiven hat leider erst in den letzten 20 Jahren zahlenmässig eine ge- wisse Bedeutung erreicht. Das älteste Privatarchiv, das sich Die Privatarchive

106 I (Drucksachen, Zeitungsausschnitte etc.), das nur dann von Im Gegensatz dazu bekunden Vereine und Verbände bleibendem Interesse ist, wenn sich persönliche Anmer- ein wachsendes Interesse an einer Deponierung, da sie oft kungen darin befinden. In Bezug auf die «Handakten» aus schlechten Erfahrungen gelernt haben und nun nach von Regierungsmitgliedern und anderen Entscheidungs - einer Möglichkeit für eine sichere Verwahrung von Ver- trägern, die in einem staatlichen Anstellungsverhältnis einsunterlagen suchen. In diesem Bereich bietet das Lan- standen, gehen Recht und Wirklichkeit auseinander. Art. 7 desarchiv vor allem landesweit tätigen Organisationen Abs. 5 Archivgesetz schreibt vor, dass Mitglieder, Beamte seine Dienstleistungen an, während die Dorfvereine eher und Angestellte der öffentlichen Organe des Landes sowie an die Gemeindearchive verwiesen werden, falls dort die ihre Erben Unterlagen über amtliche Angelegenheiten entsprechenden Möglichkeiten bestehen. auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses an das Lan- Einen äusserst wertvollen Bereich von hinterlegten Ar- desarchiv abzuliefern haben. Die Erfahrung zeigt aber, dass chiven stellen die kirchlichen Archive dar. Die kirchlichen Regierungsmitglieder jene Unterlagen, die sie mit hand- Aufzeichnungen reichen in manchen Gemeinden weiter schriftlichen Anmerkungen versehen haben, oft als per- zurück als die staatlichen. Die Pfarrbücher (Taufen, Ehen, sönliche Unterlagen betrachten und beim Ausscheiden aus Sterbefälle) sind bis 1874 für Genealogen und die Bevöl- dem Amt behalten. Aus archivischer Sicht wären natürlich kerungsentwicklung einzigartige Quellen. Auch andere Un- gerade diese Anmerkungen, die über die Hintergründe ge- terlagen in den Pfarrarchiven geben nicht nur Auskunft legentlich viel verraten, interessant. über das religiöse Leben, sondern insbesondere auch über Bei aktiven wirtschaftlichen Unternehmen besteht in das Brauchtum und andere Lebensbereiche. der Praxis leider wenig Interesse an der Sicherung der Firmenunterlagen. Die Möglichkeit der Übergabe an ein öffentliches Archiv wurde bislang von keinem noch im Ge- Archivierungsverträge schäftsleben stehenden Unternehmen genutzt. Hier ist ein gewisses Misstrauen zu spüren, zudem wird der wirt- Während in früheren Jahrzehnten private Archivalien dem schaftliche Nutzen nicht gesehen. So wurden denn bislang Landesarchiv ohne schriftliche Regelung auf einer Ver- lediglich zwei Firmenarchive im Landesarchiv deponiert: trauensbasis übergeben wurden, so werden seit 2001 je- das Firmenarchiv der aufgelassenen Spinnerei und Webe- weils Archivierungsverträge abgeschlossen. Bei Schen- rei Jenny & Spörry und der Architekturnachlass von Hans kungen oder Ankäufen gehen sämtliche Rechte an das Lan- Rheinberger, Vaduz. desarchiv über, die Bestätigung erfolgt durch einen Brief.

Johann Baptist Büchel (1853–1927), Priester, Dr. Albert Schädler (1848–1922), Arzt und Politiker Politiker und Historiker Vereine und Verbände wollen in der Regel ihre Archive lichst liberalen Zugang zum Archivgut zu gewähren, so- I 107 sicher verwahren, sie wollen sich aber nicht definitiv davon weit keine Interessen des Leihgebers oder von Dritten be- trennen. Das Landesarchiv bietet daher nicht nur die Mög- einträchtigt werden. lichkeit einer Schenkung an, sondern auch die Alternativen Bestandteil des Archivierungsvertrags ist auch die Be- Hinterlegung in Form einer (unwiderruflichen) Dauerleih- wertungskompetenz des Archivs. Im Mustervertrag ist gabe oder in Form einer widerrufbaren Leihgabe. Bei einer diese so formuliert, dass das Landesarchiv bei der Er- Leihgabe bleiben die Eigentumsrechte bei der hinterle- schliessung nicht archivwürdige Unterlagen ausscheiden genden Person oder Institution, im Fall einer Dauerleih- kann. Alternativ scheidet das Archiv nicht-archivwürdiges gabe verzichtet sie aber explizit auf eine spätere Zurück- Material aus und die hinterlegende Person übernimmt die nahme. Ein Ankauf kommt nur ausnahmsweise in Frage Verpflichtung, dieses zurückzunehmen und selber zu ar- (z.B. bei Grafiken oder historischen Fotos und Büchern). chivieren oder zu vernichten. Neben der Art der Übernahme der Privatarchive regeln die Archivierungsverträge vor allem die Benutzungsbedin- gungen und die Verpflichtungen des Archivs. Eine Archi- Ordnung und Erschliessung vierung im Landesarchiv macht grundsätzlich nur dann Sinn, wenn auch eine Benutzung ermöglicht wird. Bei den Während manche öffentliche Archive dazu übergegangen Bedingungen kann aber flexibel auf die Wünsche der Hin- sind, die Kosten für die Archivierung und Lagerung von terleger oder Donatoren reagiert werden. Diese können Privatarchiven den Hinterlegern zu verrechnen, geht das beispielsweise bestimmte Schutzfristen festlegen oder sich Landesarchiv im Interesse der Erhaltung solcher Unterla- ihr Einverständnis zur Einsichtnahme vertraglich ausbe- gen einen pragmatischeren Weg. Archivmitarbeitende in- dingen – grundsätzlich müssen sie aber bereit sein, ein Ein- vestieren nur in jene Unterlagen Arbeit und Zeit, die dem sichtsrecht zu bewilligen, falls ein berechtigtes Benut- Landesarchiv geschenkt oder als Dauerleihgabe überlas- zungsinteresse glaubhaft gemacht werden kann. Die As- sen werden. Bestände, die als widerrufbare Deposita ins pekte «Ausleihe für Ausstellungen» und «Reproduktionen Archiv kommen, werden nicht weiter bearbeitet, sondern für Publikationen» werden ebenfalls geregelt. Das Landes- in der Ordnung und in der Verpackung, wie sie ins Archiv archiv regt an, die staatlichen Bestimmungen für die Ar- kommen, in ein Archivregal gestellt. Die einzige Leistung, chivbenutzung als Richtschnur für die Benützbarkeit von die das Archiv in diesen Fällen erbringt, ist das Einlagern hinterlegten Privatarchiven zu verwenden, d.h. einen mög- und die Überlieferungssicherung.

Emanuel Vogt (1922–1999), Kauf- mann, Politiker und Sammler Dr. (1928–2008), Jurist, Politiker und Wissenschafter Die Privatarchive

108 I Die Privatarchive sind nach dem Provenienzprinzip ge- eine meist desolate Ordnung bei der Ablieferung. Der Ord- ordnet. Jeder Bestand erhält die Signatur PA und eine fort- nungszustand ist in der Regel deutlich schlechter als bei laufende Nummer als Bestandessignatur, diese wird für staatlichen Ablieferungen – oft ist eine Ordnung kaum er- jedes Dossier mit einer fortlaufenden Nummer ergänzt. kennbar. Die Ordnung und Erschliessung ist entsprechend Wenn bei der Übernahme bereits Signaturen vorhanden aufwendig und mühsam. Aus ökonomischen Gründen wird sind, so werden diese in der Regel beibehalten. Angesichts meist nach dem numerus-currens-Verfahren verzeichnet. der kleinen Zahl von Privatarchiven wurden nur vier Un- Auch hier gilt das Prinzip, dass jede Akte nur einmal in die terteilungen gebildet: Hand genommen werden soll. Unumgänglich ist der Auf- – Miszellen und Einzelstücke, bei denen die Herkunft und wand, der für die Zusammenführung der zusammengehö- der Entstehungszusammenhang oft nicht bekannt sind, renden Schriftstücke in einer Akte erforderlich ist. Für – natürliche Personen (v.a. Nachlässe), kleine Privatarchive wird auf eine Klassifikation der Ver- – juristische Personen (Vereine, Verbände, Parteien, Fa- zeichnungseinheiten verzichtet, hier genügt eine chrono- milien- und Unternehmensarchive etc.) und logische Ordnung im Findbuch. Grössere Bestände wer- – religiöse Archive. den entweder nach einem vom «Aktenbildner» entwickel- ten Ordnungssystem oder nach einem Musteraktenplan Privatarchive unterscheiden sich in Form, Inhalt und Um- des Landesarchivs für Vereins- und Verbandsarchive er- fang stark voneinander. Gemeinsam ist ihnen – leider – schlossen.

Das politische Vermächtnis von Peter Kaiser: Brief «An meine Landsleute» von 1848 Doktordiplom von Franz Josef Hannibal Schlegel aus Triesenberg, 1825 Deckel zum Diplom mit der Verleihung der Ehren- I 109 staatsbürgerschaft für Landesverweser von Hausen, 1869

Liechtensteiner Pass aus den 1920er Jahren: Für die Arbeitsannahme in der Schweiz war ein Visum notwendig.

Urkunde betr. Verleihung der Ehrenstaatsbürger- schaft für Landesverweser von Hausen, 1869 Wanderbuch für Philipp Schädler, Triesenberg Aus unserem Team

Paul Vogt: viele Fehlschüsse leisten, wie sie in besagter Fernsehserie Niemand ist unersetzbar produziert werden. Bei uns muss jeder ‹Schuss› ein Treffer sein, und das bei einem verantwortbaren Aufwand. Dabei Sich selber nicht zu wichtig zu nehmen, sei eine der Grund- gilt der Grundsatz, eine Akte nur einmal in die Hand zu voraussetzungen für die Führung eines Archivs. Dies sei nehmen. Unser System beruht auf Baumstrukturen – ähn- etwas vom Ersten, was ihm sein Vorgänger Dr. Alois Ospelt lich dem Ordnersystem in einem Computer, dabei gilt ein mit auf den Weg gegeben habe. strenge Hierarchie.» Sein beruflicher Weg nahm durch sein Interesse an den Auf die Bemerkung, dass ja vielleicht in den Akten, Entwicklungen in Gesellschaft und Politik seinen Anfang. nicht aber im Kontakt mit dem «A-Team» strenge hierar- Dieses habe ihn zum Geschichts- und Deutschstudium ge- chische Amts-Strukturen festzustellen seien, funkeln Vogts bracht, und schon nach kurzer Tätigkeit als Gymnasialleh- Augen: «Hier hilft jeder jedem und wir haben ein starkes rer sei er dann vor der Entscheidung Schule oder Archiv Wir-Gefühl, das finde ich besonders schön.» Und wie sieht gestanden. «Und was machte mein bis dahin wenig be- er seine eigene Rolle? «Es ist irgendwie wie bei den Ar- friedigter Forscherdrang?» – Paul Vogt hat es ins Archiv chivalien. Sie zeugen von Abschnitten unserer Geschichte, gedrängt, wo er immer wieder Neues entdeckt. und als einen Abschnitt in meiner eigenen Geschichte be- «Niemand ist unersetzbar, und ein Archiv muss unab- trachte ich meine Tätigkeit hier», sagt der zweifache Fa- hängig von dem funktionieren, was du im Kopf hast», habe milienvater. Ebenfalls «erforscht» er in seiner Freizeit seine ihm sein Vorgänger 1981 an denselbigen geworfen. Wäh- physischen und mentalen Fähigkeiten beim Fitnesstrai- rend er darüber zuerst schon ein bisschen verwirrt gewe- ning, beim Radeln und beim Sudoku. Gelegentlich denkt er sen sei, kann Paul Vogt diesen Grundsatz heute nur bestä- auch über seinen Lebensabschnitt im Landtag nach, aus tigen. «Das bedeutet, dass wir das Archiv so einrichten dem er sich nach 16-jähriger Tätigkeit zurückgezogen hat. müssen, dass sich auch spätere Generationen darin zu- Und bei der Beobachtung des politischen Geschehens «aus rechtfinden.» Natürlich sei Erfahrung von Vorteil, aber der Ferne» steht auch manchmal die Frage im Raum, ob schliesslich sei das Landesarchiv das Langzeitgedächtnis für Politiker nicht dieselben Grundsätze gelten sollten wie unserer Gesellschaft, und das dürfe nicht von Einzelnen für Archivare. (WN) abhängen. «Um das zu gewährleisten, gelten bei uns internationale Standards, und wir sind in engem Kontakt mit anderen Archiven und tauschen uns laufend gegensei- tig aus.» So bezeichnet Paul Vogt das Archivteam auch mal als «A-Team». «Dabei können wir uns aber nicht annähernd so Kleinstbestände und Einzelstücke Sign. Akt I 111 PA 001/71 Schädler Karl, Ing. – Eisenbahn- Die Privatarchive erhalten – soweit sie nicht religiöser Her- bau in Venezuela 1892–1892 kunft sind oder bereits in geordnetem und erschlossenem PA 001/72 Schädler Rudolf, Dr.med. Zustand übernommen wurden – das Präfix PA und eine (1845–1930), Vaduz 1902 fortlaufende Bestandesnummer. Die Verzeichnung erfolgt nach dem numerus-currens-Verfahren. PA 001/74 Schädler Norbert, Sammlung 1809–1937 Die Unterabteilung Kleinstbestände und Einzelstücke PA 001/75 Real, Familie, Vaduz 1842–1962 trägt Züge einer Sammlung. Bei vielen Einzelstücken (sie PA 001/76 Johann Nigg (1844–1933) und sind in der folgenden Liste nicht aufgeführt) ging der Re- Katharina geb. Walser, Dokumente gistraturzusammenhang verloren. zur Schankwirtschaft auf Schloss Vaduz (1874–1896) 1874–1952 Sign. Akt PA 001/85 VP-Bank: Historische Wertpapiere, PA 001/10 Landwirtschaftlicher Verein im Kaufverträge, Zessionen und Lösch- Fürstentum Liechtenstein (1. Grün- bewilligungen aus dem Bestand dung 1863, 2. Gründung 1885) 1862–1893 der Kunststiftung 1798–1902 PA 001/19 und Haus von Hausen, Karl PA 002 Schurte Arnold, Schenkung 1733–1875 PA 001/41 (1823–1889), Landesverweser – PA 014 Ritter Friedrich Dr. (1990–1964), Nachlass 1824–1955 Dr. iur. Vaduz – Nachlass 1900–1946 PA 001/21 Leopold von Imhof ((1869–1922), PA 117 Goop Erich Dr., Vaduz/Schellen- Landesverweser – Nachlass 1912–1921 berg – Dokumentation Chronik PA 001/27 Karl von In der Maur (1852–1913), Alt-Schellenberg ca. 1970–ca. 2000 Landesverweser – Nachlass 1703–1940 PA 129 Glaus Otto (1914–1996), Architekt, PA 001/37 Schützenverein Vaduz 1889–1926 Zürich – Wohnhaus Senn 1950 PA 001/39 Liechtensteinischer Turn- und PA Hs 003 Oehri Helmut, Ruggell 1724–1909 Leichtathletik-Verband (LTLV) 1937–1969 PA Hs 27 Waldhotel Vaduz 1944–1946 PA 001/40 Hoop Josef (1895–1959), Eschen, PA 012/1-25 Bühler David (1872–1938), Regierungschef – Nachlass 1839–1950 Mauren – Dokumente 1897–1931 PA 001/42 Wilhelmine Haus von Hausen, PA 001/11 Liechtensteinischer Militär- (1831–1918), Freifrau – Nachlass 1831–1919 veteranenverein (gegr. 1894) 1894–1915 PA 001/43 Ignaz Banko (1844–1897), Architekt – Nachlass 1855–1944 PA 001/44 Friedrich von Schmidt, (1825–1891), Freiherr, Wiener Architekt – Korrespondenz mit Fürst Johann II. erhob Landesverweser Carl Haus von Hausen in den Freiherrenstand Ignaz Banko (1844–1897) 1868–1890 und verlieh ihm ein Wappen, 1884. PA 001/45 Schlegel Franz Joseph Hannibal (1802–1846), Dr.med., Triesen- berg/Schaan – Nachlass 1814–1835 PA 001/47 Schlegel Karl Wilhelm, Dr. med. (1828–1900) – Nachlass 1846–1900 PA 001/59 Johann Georg Marxer und Frommelt Josef, Lehrer – Schul- angelegenheiten und Bienenzucht 1769–1908 PA 001/63 Real, Familie, Vaduz – Dokumente zur Familiengeschichte 1767–1912 PA 001/65 Frommelt Anton (1895–1975), Kanonikus – historische Dokumente aus seinem Nachlass 1515–1858 PA 001/70 Liechtenstein, Henriette von (1843–1931) – Nachlass 1906–1954 Die Privatarchive

112 I Privatpersonen, Nachlässe

Wie bei den Amtsstellen sind die Nummern PA 1 bis 99 für Folioformate reserviert, ab PA 100 folgen die A4-Formate.

Sign. Akt PA 003 Matt Gustav Alfons (1891–1966), Zug – Liechtenstein-Sammlung 1614–1953 PA 005 Büchel Johann Baptist (1853 - 1927), Balzers, Kanonikus – Nachlass 1880–1927 Ferdinand Nigg (1893–1957), Beamter und später Regierungschefstellvertreter PA 007 Schädler Rudolf (1903–1990), Gaflei/Vaduz, Musiker – Nachlass 1891–1990 PA 008 Geldenbott Julius (1873–1952), Schaan, Kaplan – Nachlass 1883–1961 PA 009 Bammer Johannes (1888–1988), Musiker – Nachlass 1900-2007 PA 010 Kaufmann Walter (1910–1997), Schaan – musikalischer Nachlass 1910–1997 PA 013 Ospelt Josef (1881–1962), Vaduz, Rent- meister, Regierungschef – Nachlass 1305–1966 PA 102 Nigg Ferdinand (1893–1957), Vaduz, Regierungschef-Stellvertreter – Nachlass und Liechtenstein-Dokumentation 1827–1989 PA 107 Holmston-Smyslowsky, Arthur Graf von (1897–1988) – Nachlass, Dokumentation 1831–1988 PA 108 Sommerlad Ernst (1895–1977), Vaduz, Architekt – Nachlass 1912–1995 PA 116 Bucher Engelbert (1913–2005), Pfarrer und Dekan, Triesenberg – Dokumentation seiner Arbeiten 1600-2002 PA 120 Gugelmann Peter Dr., Kilchberg – Unterlagen zu Gutachten betr. PTT- Vertrag (Gutachter der FL-Regierung) 1921–1997 PA 125 Brunhart Alfons, Dr. med. (1868–1931), Schaan, Arzt – Nachlass 1885–1951 PA 128 Rheinberger Hans (1911–1980), Vaduz – Architekturnachlass 1937–2002 PA 130 Batliner Gerard (1928-2008), Dr. iur., Eschen, Regierungschef, Jurist – Nachlass und Dokumentation 1962–2007 PA 131 Goop Rudolf, Schellenberg: Dokumen- tation Oral History mit Schellenberger Personen 1844–1999 PA 141 Vogt Emanuel (1922–1999), Balzers: Nachlass und Sammlung ca. 1920–ca. 1999 PA 142 Seeger Erich (1919–1992), Dr. iur., Schaan, Staatsgerichtshofpräsident – Staatsgerichtshofakten, Korrespondenz, Referate und Gutachten 1974–2002 RhAV Josef Gabriel Rheinberger-Archiv, Vaduz 1760–2009 Juristische Personen (Familien, I 113 Vereine, Parteien, Unternehmen)

Sign. Akt Sign. Akt PA 004 Jenny, Spoerry & Cie, Vaduz und PA 124 Historischer Verein für das und PA 103 Triesen, Firmenarchiv 1860–1985 Fürstentum Liechtenstein (HVFL) 1895–2006 PA 015 Caritas Liechtenstein 1924–1998 PA 126 Landesverband für Frauen und PA 104 Schädler Familienarchiv 1847–1943 Töchter 1943–1980 PA 105 Arbeitsgruppe für die Frau 1971–1989 PA 127 Handarbeits- und Hauswirtschafts- lehrerinnen-Verein 1974–2001 PA 106 Liechtensteinischer Lehrerverband 1895–1996 PA 132 Liechtensteinische Fremden- PA 109 Liechtensteinischer Olympischer verkehrszentrale 1981–1991 Sportverband (LOSV) 1934–1986 PA 133 Liechtensteinische Gesellschaft PA 110 Liechtensteinischer Arbeitnehmer- für Umweltschutz 1970–2003 verband 1874–2000 PA 134 Liechtensteinischer Vieh- PA 111 Reallehrerverein 1924–1990 versicherungsverein 1903–2003 PA 112 Christlich Liechtensteinische PA 135 Kameradschaft des XV. Kosaken- Jugendbewegung (CLJ), Kavallerie-Korps 1940–2004 Katholischer Jungmannschafts- verband (LKJV) 1928–1983 PA 136 Verein Liechtensteiner Bäuerinnen (VLB) 1966–2000 PA 113 Liechensteinische Akademische Gesellschaft (LAG) 1932–1992 PA 137 Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) 1980–1995 PA 114 Verband Liechtensteinischer PA 139 Frauenprojekt in Liechtenstein 1870–1999 Schützenvereine 1970–2002 PA 140 Freie Liste: Parteiarchiv 1984–2003 PA 115 Pfadfinderinnen und Pfadfinder PA 143 Überparteiliche Liste Liechtenstein Liechtenstein (PPL) 1938–1990 (ÜLL), Parteiarchiv 1980–1999 PA 118 Aktion Miteinander 1991–1999 PA 144 Verein Bildungsarbeit für Frauen 1965–2005 PA 119 Liechtensteinische Landesbank PA 145 Theater am Kirchplatz (TaK) 1972–2007 (LLB): Aufsichtsrat 1936–1993 PA 146 Liechtensteinische Rechtsanwalts- PA 121 Zonta Club Vaduz 1984–2002 kammer 1992– PA 122 Liechtensteinischer Radfahrer- PA 147 Liechtensteinische Wirtschafts- bund (Schaanwald, Nendeln etc.) 1920–1960 kammer (1924–1931) 1929–1930 PA 123 Fürstlich Liechtensteinischer PA Hs 28-29 Abendtechnikum Vaduz 1961–1976 Sängerbund (FLSB) 1981–1998 Schä U Schädler Akten und Urkunden 1395–1859

Blick in eine Rollgestellanlage im alten Archiv Die Privatarchive

114 I Kirchliche Archivbestände

Kloster Pfäfers (nur Akten betr. Liechtenstein)

Die Unterlagen stammen aus der Zeit zwischen 1305 und 1841 und umfassen neben einigen Pergamenturkunden einen kleinen Aktenbestand (0.2 Laufmeter). Das Kloster Pfäfers besass bis zur Säkularisation (1838) das Kollatur- recht in der liechtensteinischen Pfarrei Eschen. 1840 Der Heilige Lucius wurde gemäss Legende in einen Brunnen geworfen, aber von den Gläubigen gerettet. Im Hintergrund der Bischof beim wurde zwischen Liechtenstein und dem Kanton St. Gallen Taufen. ein Vertrag über die Abtretung der in Liechtenstein gele- genen Teile des ehemaligen Klostervermögens geschlos- sen. Dabei wurden auch die Liechtenstein betreffenden Ar- chivunterlagen an das Oberamt in Vaduz abgetreten.

Liechtensteinisches Landesvikariat und liechtensteinisches Priesterkapitel

Dieser kleine Bestand hat einen Umfang von 0.2 Laufme- tern und stammt aus den Jahren zwischen ca. 1800 und 1970. Das Landesvikariat entstand um 1811, das Priester- kapitel 1850. Beide wurden mit der Schaffung des Deka- nats Liechtenstein 1970 aufgehoben. Der Bestand wurde 1987 dem Landesarchiv als Depot übergeben. Er enthält die Protokollbücher des Priesterkapitels, bischöfliche Schreiben, Korrespondenz mit dem bischöflichen Ordina- riat und der liechtensteinischen Regierung etc.

Dekanat Liechtenstein

Das grösste kirchliche Archiv ist das Archiv des ehemaligen Dekanats Liechtenstein. Der Bestand stammt aus den Jah- ren 1970 bis 2000 und hat einen Umfang von 76.5 Lauf- metern. Nach der Auflösung des Dekanats wurden die Un- terlagen dem Landesarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Der Bestand dokumentiert die seelsorgerlichen Tätigkei- ten genauso wie jene in den Bereichen Caritas, Jugendar- beit und Erwachsenenbildung. Das Dekanat Liechtenstein wurde 1970 geschaffen und nach der Schaffung des Erz- bistums Liechtenstein im Januar 1998 aufgelöst.

Evangelische Kirchgemeinden in Liechtenstein

Der kleine Bestand stammt aus den Jahren 1880 bis 1965 und hat einen Umfang von 0.2 Laufmetern. Er enthält Do- kumente aus den Anfängen der evangelischen Genossen- schaften bzw. Kirchgemeinden in Triesen und Mauren- Eschen (Protokollbücher, Rechnungsunterlagen, Mitglie- derverzeichnisse, Statuten, Kirchenordnung etc.) und wurde 1981 vom evangelischen Pfr. Christoph Möhl dem Landesarchiv übergeben. I 115

Protokollbuch der Priesterkonferenzen Fabrikreglement von 1873 Die Sammlungen

Unser Sammlungsauftrag ein Archiv. Zuletzt bleibt der Aspekt von Sammlungsgut als I 117 Hilfsmittel. Es kann Forschern den Einstieg in ein be- Als Sammlungsgut bezeichnet man Archivgut unter- stimmtes Thema erleichtern und Archivaren bei der Be- schiedlicher Herkunft, das ohne Rücksicht auf den Entste- antwortung von Anfragen dienlich sein. hungszusammenhang nach rein inhaltlichen Gesichts- Im Landesarchiv werden Sammlungen nicht nur ange- punkten zu Beständen zusammengestellt wird. Archive er- legt, sondern auch als Bestände übernommen, wie bei- gänzen ihre amtlichen Bestände mit Sammlungsgut, weil spielsweise Fotoarchive oder thematische Dokumentatio- das Behördenschriftgut zunehmend an Aussagekraft und nen (z.B. «Auswanderung nach Amerika» oder «Unabhän- somit an Informationswert verliert. Ausserdem zeigt amt- gige Historikerkommission Liechtenstein – Zweiter Welt- liches Schriftgut einseitig nur die behördliche Sichtweise. krieg»). Sammlungen, die als solche ins Landesarchiv ge- Schliesslich muss ein Archiv auch das Zusammenwirken langen, werden in ihrer Gesamtheit belassen, während an unterschiedlicher Gruppen, Bewegungen und Initiativen das Landesarchiv übergebene Einzelstücke in bestehende einer demokratischen Gesellschaft dokumentieren und darf Sammlungen eingegliedert werden. Leider ist es auch bei sich daher nicht ausschliesslich auf das Schriftgut staatli- Sammlungen so, dass sie ungeordnet oder mangelhaft ge- cher Stellen beschränken. Gerade das Sammlungsgut er- ordnet ins Archiv gelangen und vor der Erschliessung ge- möglicht es, zeitgeschichtliche Fragestellungen aus ver- ordnet werden müssen. Um Sammlungsgut unter mög- schiedenen Perspektiven untersuchen zu können. lichst vielen Aspekten auffindbar zu machen, werden bei seiner Erschliessung im Gegensatz zum Verwaltungs- schriftgut dokumentarische Prinzipien angewendet. Wege ins Archiv

Sammlungsgut findet auf unterschiedliche Weisen seinen Selekte als Sonderform des Sammlungsgutes Weg ins Archiv, nämlich in den meisten Fällen als Abliefe- rung, aber auch durch Abgabe als Belegexemplar, als Ein besonderes Sammlungsgut sind die Selekte. Hierbei Schenkung, Ankauf oder Deponierung. Im letzteren Fall handelt es sich um Archivalien einer bestimmten Gattung, werden in einem Archivierungsvertrag zwischen dem Leih- die aus Archivbeständen entnommen und zu einem eige- geber und dem Archiv die Konditionen vereinbart (vgl. nen Bestand zusammengefasst werden. Gründe hierfür S. 106). Beim Ankauf von Sammlungsgut ist Zurückhaltung sind das Format, beispielsweise bei Karten und Plänen, geboten, denn Archive sollen den Handel mit Archivalien oder aber bestimmte Lagerungsbedingungen, wie bei Ur- aus grundsätzlichen Erwägungen nicht fördern. Archiva- kunden, Fotos oder Filmen. Sinnvollerweise sollten jedoch lien sollten dort aufbewahrt werden, wo sie hingehören, die entnommenen Dokumente mit den Unterlagen, aus und nicht dort, wo am meisten bezahlt wird. Auch persön- denen sie entnommen worden sind, verzahnt werden. Die lich ist für die Archivare Zurückhaltung geboten, denn ge- gegenseitige Zugehörigkeit der Archivalien wird dabei auf mäss dem Kodex ethischer Grundsätze für Archivarinnen den Dokumenten selbst und in den Findmitteln, also der und Archivare (ausgearbeitet vom Internationalen Archiv- Datenbank, vermerkt. Dadurch werden die Vollständigkeit rat) sollen diese nicht privat in Bereichen sammeln, die für und der Informationswert des Archivguts gewährleistet. das von ihnen betreute Archiv wichtig sind. Sie sind ver- Der Sammlungsauftrag des Landesarchivs ist in Art. 4 pflichtet, jeglichen Konflikt zwischen privaten und berufli- Abs. 4 des Archivgesetzes verankert: «Das Landesarchiv chen Interessen zu vermeiden. äufnet Sammlungen von Bild- und Tondokumenten, Flug- schriften und Presseausschnitten, sowie von Abschriften, Kopien, Mikrofilmen, Regesten und Inventaren zur liech- Bewertung, Übernahme und Erschliessung tensteinischen Geschichte aus anderen Archiven. Es un- terhält eine Handbibliothek.» Die Abteilung Sammlungen Wie staatliches Archivgut muss auch Sammlungsgut vor besteht aus einer Reihe von Spezialsammlungen, die in vier der Verzeichnung bewertet werden. Ausschlaggebend sind Unterabteilungen – archivalische Sonderbestände, Doku- bei der Bewertung die Dokumentationsziele eines Archivs; mentationen, Bibliotheksbestände und audiovisuelle damit verbunden die Frage, welche Ereignisse für den Ar- Sammlungen – gegliedert sind. Die wichtigsten Sammlun- chivsprengel von Bedeutung sind und wie gut diese bereits gen werden im Folgenden kurz beschrieben. (DP) dokumentiert sind. Dabei muss man sich auch die Frage stellen, ob Benutzer eine Sammlung zu diesem Themen- bereich überhaupt in einem Archiv erwarten. An zweiter Stelle steht die Relevanz der abliefernden Stelle: Je grösser die Bedeutung einer Person oder Institution für den Ar- chivsprengel ist, desto wertvoller ist auch ihr Schriftgut. Ein weiteres nicht ganz unwichtiges Kriterium ist der Ord- nungszustand. Nur wenn das Archivgut eindeutig zu er- fassen und dadurch wieder auffindbar ist, hat es Wert für Aus unserem Team

Dr. Dorothee Platz: In einem Punkt halte ich es mit den Franzosen: Ich lebe Endlich angekommen – Hoi zemma! nicht, um zu arbeiten, sondern ich arbeite um zu leben. Mit anderen Worten: Für mich gibt es auch ein Leben ausser- «Mein Name ist Dorothee Platz – Platz wie der Parkplatz». halb des Archivs. In meiner Freizeit bin ich viel draussen Diese Art mich vorzustellen habe ich mir während meines unterwegs, mal zu Fuss in den Bergen, mal mit dem Rad im Studiums im schönen Bayreuth angewöhnt, weil Ober- Tal und stets bewaffnet mit meinem Fotoapparat. So oft ich franken Schwierigkeiten haben, b und p zu unterscheiden. kann, packe ich meine Oboe aus oder höre Musik. Ich Richtig vermutet, ich komme ursprünglich aus Deutsch- greife auch gerne einmal zu einem Buch – nicht immer rein land, aus dem Saarland, um genauer zu sein. wissenschaftliche Literatur versteht sich. In Bayreuth habe ich Geschichte und Anglistik studiert, Zur Schweiz, wo ich heute wohne, habe ich schon seit dann in Tübingen promoviert. Vor meiner Ausbildung zur frühester Kindheit einen sehr engen Bezug, weil ich jedes wissenschaftlichen Archivarin in Wiesbaden und Marburg Jahr mit meinen Eltern zu den Eidgenossen in Urlaub ge- hatte ich noch kein deutsches Archiv von innen gesehen. fahren bin. Mentalität und Sprache sind mir vertraut. In Ich kannte bis dahin nur englische Archive, vor allen Din- den meisten Fällen verstehe ich den Dialekt, aber sprechen gen in meinem geliebten London, wo ich auch heute noch kann ich ihn nicht, das würde sich furchtbar anhören. Fra- regelmässig hinfliege. gen Sie mich in ein paar Jahren noch einmal, vielleicht Nachdem ich kurzzeitig im Archiv der deutschen Ju- habe ich bis dahin Fortschritte gemacht. (DP) gendbewegung auf Burg Ludwigstein in Witzenhausen, einem verschlafenen Nest bei Kassel, gearbeitet habe, hat es mich ans Geheime Staatsarchiv Preussischer Kulturbe- sitz zu Berlin verschlagen. Für ein Kind vom Lande war dies eine enorme Umstellung. Immer wieder habe ich versucht, im Ausland beruflich Fuss zu fassen. Im April 2009 hat es dann endlich geklappt und ich wurde nach Liechtenstein importiert – sozusagen ein Akt der Völkerverständigung. Im Landesarchiv bin ich Abteilungsleiterin und zuständig für Sammlungen und Mi- krofilme. Ich schätze hier nicht nur die überschaubare Grösse und die interessanten Unterlagen, sondern auch den kollegialen Umgang im Team. Mein neues berufliches zu Hause ist zwar klein, aber fein. Archivalische Sonderbestände aufgezogen werden, eine Lagerung zusammen mit den I 119 Akten sehr umständlich. Im Landesarchiv werden Pläne in Plan- und Kartensammlung der Regel nur dann den Akten entnommen, wenn sie res- tauriert werden und die Archivare die Pläne danach zur Die Plan- und Kartensammlung umfasst heute ca. 4200 Schonung nicht wieder falten wollen. Verzeichnungseinheiten. Die Erfassung erfolgt meist auf Aus dem 18. Jahrhundert gibt es ausser einigen Skizzen Stufe Dokument. Die ältesten Pläne stammen aus dem spä- kaum Plan- und Kartenmaterial. Die beiden Ausnahmen ten 18. Jahrhundert. In der Plan- und Kartensammlung ist sind die Landeskarten der Kartografen Johann Jakob Heber nur der kleinere Teil der insgesamt vorhandenen Pläne ge- (1721) und Johann Lambert Kolleffel (1756), deren Werke lagert, der grössere Teil wird zusammen mit den Akten auf- sich allerdings nur als Reproduktionen im Landesarchiv be- bewahrt. Die Sammlung ist denn auch streng genommen finden. Der älteste Plan betrifft eine Strassenkorrektion auf keine eigentliche Sammlung, sondern ein lagertechnisch der Strecke Nendeln – Schaanwald im Jahr 1781. Ebenfalls bedingter Selekt grossformatiger Karten und Pläne, die noch aus dem späten 18. Jahrhundert stammen die ersten meist aus konservatorischen Gründen von den dazu gehö- Aufteilungspläne zwischen den Gemeinden. Im frühen renden Akten getrennt aufbewahrt werden. Die Verbin- 19. Jahrhundert fertigte das österreichische Militär die ers- dung mit den Akten, mit denen sie in einem ursächlichen ten genauen topographischen Karten Liechtensteins an; Zusammenhang stehen, muss durch Verweise und Ver- diese befinden sich im Kriegsarchiv in Wien. Ab 1830 ent- knüpfungen dokumentiert werden. Die meisten grossfor- standen im Zusammenhang mit der Rheinregulierung, der matigen Karten und Pläne wurden jedoch nicht im Lan- Aufteilung der «Gemeinheiten» und der Entwässerung der desarchiv von den Akten getrennt, sondern bereits von den Talebene die ersten Übersichtspläne. Die ersten Gebäude- Sachbearbeitern – so wäre beispielsweise bei Vermes- pläne (Pfarrkirche Mauren) stammen aus den Jahren 1821 sungs- und Grundbuchplänen, die auf Aluminiumplatten bis 1826, danach gibt es erst wieder ab 1862 Gebäude-

Plan und Verzeichnis der beim Balzner Dorfbrand von 1795 zerstörten Gebäude Die Sammlungen

120 I

Brouillons-Karten über die Aufteilung der Gemeindeteile in Schaan, 1844

Elfteilige Karte zum Grenzverlauf zwischen Vorarl- berg und Liechtenstein von Ferdinand Bachmann, Strassenmeister in Feldkirch, 1830/31. Jeder Teil wurde von beiden Obrigkeiten geprüft und für richtig befunden, so dass die Karte als Staatsvertrag anzusehen ist. pläne. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Serie gibt die damals gewählte thematische Ordnung wie- I 121 dann vor allem die Katasterpläne (Landesvermessung ab der. Planduplikate wurden separat abgelegt. 1869), die Waldpläne und die Fabrikpläne hervorzuheben. Dieser Teilbestand wurde nach 1980 nicht mehr er- Die Unterscheidung von Karten und Plänen erfolgt weitert, da das Landesarchiv zu einer liegenden Aufbe- nach dem Massstab, hat aber für die Lagerung keine Be- wahrung überging. 1995/96 wurde die gesamte damals deutung: Als Karten gelten massstabgetreue Zeichnungen vorhandene Plansammlung in der Datenbank erfasst (ins- ab dem Massstab von 1:5000, als Pläne solche bis zum gesamt 3’200 Verzeichnungseinheiten). Die Signaturen der Massstab von ca. 1:2000 (also inklusiv Katasterpläne). vor 1980 verzeichneten Pläne wurden mit dem Präfix PKA Bis 1973 wurde das meiste Planmaterial bei den Amts- erweitert, ansonsten aber übernommen. Bei der Lagerung stellen (meist unzureichend) gelagert, danach übernahm der nach 1980 neu verzeichneten Pläne wird lediglich nach das Landesarchiv vor allem vom Bauamt und Forstamt um- Provenienz und Grösse unterschieden. Karten und Pläne fangreiches Karten- und Planmaterial, das vom frühen staatlicher Provenienz erhalten eine Signatur, die mit PKB 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts reichte. beginnt, Karten privater Herkunft eine Signatur mit dem Diese Pläne wurden Ende der 1970er Jahre ohne Rücksicht Präfix PKC. Überformatige Pläne (d.h. grösser als Format auf die Provenienzen thematisch geordnet und in einem 130 x 90 cm) werden mit dem Präfix PKÜ oder PKR (ge- Findbuch erfasst. Sie wurden nach Themen sortiert und in rollte Pläne) erfasst. Im Gegensatz zu den unter PKA er- Planschränken hängend aufbewahrt. Die Signatur dieser fassten Plänen werden die neu eingehenden Pläne nicht

Regulierung der Landstrasse Schaanwald-Nendeln, 1781. Der Massstab war in Ruten, jede zu 10 Schuh. Die Sammlungen

122 I thematisch geordnet, sondern nach einer fortlaufenden Bauherren eingereichten Bewilligungspläne befinden sich I 123 Nummer eingelagert. Zusammengehörende Pläne werden bei den entsprechenden Akten; sie geben Aufschluss über natürlich in zusammengehörenden Serien aufbewahrt. geplante Bauvorhaben. Für die Baubewilligungen war zu- Die beiden bedeutendsten Bestände privater Herkunft nächst der Landrichter zuständig, ab 1871 die Regierung sind die Pläne der aufgelassenen Weberei Jenny, Spoerry und schliesslich der Landestechniker bzw. das Bauamt. Die & Cie und der Architekturnachlass Hans Rheinberger, Baubewilligungen 1862–1871 befinden sich im Bestand Vaduz. J 2 (administrative Aufgaben des Landrichters). Die Bau- Die Ordnung erfolgt virtuell bei der Erschliessung. bewilligungen zwischen 1871 und 1884 liegen bei den Re- Jeder Plan wird einem Typ zugeordnet (z.B. Gebäudeplan, gierungsakten, ab 1885 wurden sie – nachträglich – unab- Zonenplan, Waldplan, Situationsplan, Historischer Plan hängig von der zuständigen Bewilligungsbehörde in einer etc.). Bei der Neuerfassung wurde auch versucht, für jeden Serie (V 110) zusammengeführt. Plan die Provenienz zu eruieren, was nicht immer mit Si- Wie bereits erwähnt werden die meisten Pläne in dem cherheit möglich war. Die Erschliessung erfolgt in einer Kontext aufbewahrt, in dem sie entstanden sind: So befin- Datenbank, wobei neben der Signatur und der Provenienz den sich viele Pläne zu staatlichen Hochbauten bei den folgende Angaben erfasst werden: Entstehungszeitraum, Akten des Hochbauamts, Pläne zu Gemeindebauten bei künstlicher Titel, Verfasser/Techniker/Hrsg., Originaltitel, den Subventionsakten, Strassen- und Rüfepläne bei den Massstab, zugehörige Archivalien, Beschreibung (Träger- Akten des Tiefbauamtes usw. Besonderes Interesse finden material, Breite x Höhe in cm), sonstige Bemerkungen. immer wieder Karten, die die Siedlungsentwicklung auf- Wie einleitend erwähnt, befindet sich nur der kleinere zeigen und bei der Stabsstelle für Landesplanung oder den Teil der Pläne in der Plan- und Kartensammlung. Ein wah- Umweltämtern entstanden sind. Einige interessante Pläne rer Schatz für die Bauforschung sind die Baubewilli- befinden sich schliesslich auch im Hausarchiv der Regie- gungsakten, die seit 1862 vorhanden sind. Die von den renden Fürsten von Liechtenstein in Wien.

Seite 122: Plan der neu zu errichtenden Rheinwuhrungen samt den Marken (Grenzen) und Hintermarken (zurückgesetzte Grenzsteine) zwischen Triesen und Wartau, 1790

Plan zur Entwässerung der Talebene von Grundbuchführer Johann Peter Rheinberger von 1832. Eingezeichnet sind die kultivierten Flächen, die in den Rhein mündenden Bäche sowie die Höhen.

Fassadenplan des alten Ständehauses – des ersten Landtagsgebäudes – von Peter Rheinberger, 1866 Umbauplan des Landesverweserhauses, 1893 Die Sammlungen

124 I Amts- und Geschäftsbücher den lassen. Hier sind beispielsweise die Urbare (Verzeich- nisse der Rechte des Landesherrn, v.a. der Abgaben und Um die Arbeit in den Kanzleien zu erleichtern, wurde seit Fronen), der Landsbrauch von 1667, die Dienstinstruktion dem Mittelalter das Schriftgut zu bestimmten Arten von von 1719 oder die Landesbeschreibung von Josef Schupp- Geschäften nicht auf losem Papier, sondern in gebunde- ler aus dem Jahre 1815 zu finden. nen Büchern festgehalten. Die Vorteile der Bücher waren, Bei den «Amtsbüchern/Serien» werden Amtsbücher dass die Unterlagen leichter verfügbar waren, nicht durch- eingeordnet, die seriellen Charakter haben. Für einzelne einander geraten und durch Neueinträge ständig ergänzt Aufgaben drängte es sich geradezu auf, pro Jahr einen bzw. aktualisiert werden konnten. Zudem war diese Orga- Band anzulegen, während in andere Amtsbücher einfach nisation des Schriftguts für die Aufbewahrung bedeutend so lange hineingeschrieben wurde, bis sie voll waren. sicherer. Das älteste Amtsbuch im Landesarchiv ist ein Typen von Amtsbüchern sind Rentamts- und Landschafts- Band Verhörtagsprotokolle mit Beginn im Jahre 1648, das rechnungen, Journale der Landeskassa, Verhörtagsproto- älteste Rentamtrechnungsbuch stammt aus dem Jahr 1681. kolle, Regierungsprotokolle, Inventare u.a. Am Beispiel der In der modernen Verwaltung sind Amtsbücher weitgehend Landtagsprotokolle lässt sich aufzeigen, dass es sich bei durch Datenbanken abgelöst worden. Allerdings werden den Amtsbüchern nur um eine besondere Organisations- auch heute noch bestimmte Informationen (zum Beispiel form des Schriftguts handelt: Die ältesten Landtagsproto- Kontoblätter der Landesrechnung, Einwohnerverzeich- kolle befinden sich auf losen Blättern, die bei den Akten nisse) ausgedruckt und zu Büchern gebunden. aufbewahrt werden. Ab 1922 wurden die Landtagsproto- Um die Lagerung zu erleichtern, werden die Amtsbü- kolle mit Maschine geschrieben und anschliessend ge- cher im Landesarchiv nicht zusammen mit den Akten auf- bunden, seit 1950 werden die Landtagsprotokolle gedruckt bewahrt, sondern zu einem künstlich gebildeten Bestand und gebunden – sie befinden sich daher bei den Amts- zusammengefasst. Bei der Lagerung und bei der Vergabe druckschriften. Zu den wichtigsten Amtsbüchern zählen der Signaturen wird das Provenienzprinzip nicht beachtet. auch die Grundbücher (seit 1809), denen Rechtsverbind- Die Herkunft der einzelnen Amtsbücher wird aber selbst- lichkeit zukommt. Sie werden derzeit durch das elektroni- verständlich bei der Verzeichnung nachgewiesen. Es gibt sche Grundbuch abgelöst. drei Serien: Die dritte Serie von Amtsbüchern waren Hilfsmittel der – AM für Amtsbücher/Monografien Schriftgutverwaltung. Hier sind die Aktenverzeichnisse und (ca. 300 Bücher), Repertorien, die Exhibitenprotokolle (Einlaufprotokolle), – AS für Amtsbücher/Serien Geschäftstagebücher und Journale zu erwähnen. (ca. 3900 serielle Amtsbücher) und Gebundene Handschriften nichtstaatlicher Herkunft – AV für Amtsbücher/Verzeichnisse werden zusammen mit den entsprechenden Beständen (ca. 600 Repertorien). aufbewahrt. In der Datenbank des Landesarchivs sind 500 Geschäftsbücher und gebundene Handschriften privater Mit der Benennung der drei Serien ist auch bereits deren Herkunft verzeichnet (meist Rechnungs- und Kassabücher Inhalt kurz angedeutet: In der Reihe «Amtsbücher/Mono- oder Protokollbücher). Dazu kommen 245 Bände aus den grafien» werden einzelne Amtsbücher aufbewahrt. Diese Pfarreiarchiven (Pfarrbücher, Urbare, Verkündbücher, Ak- Serie ist inhaltlich so heterogen, dass sich kaum Typen bil- tenverzeichnisse etc.).

Rollgestellanlage mit Planschränken im Kulturgüter- schutzraum des Landesarchivs Eintrag in einem Verhörtagsprotokoll: Am 17. Juli 1682 wurde vor dem Oberamt auf Schloss Vaduz ein Streit zwischen Sebastian I 125 und Johannes Bleichner und ihrem Schwager Kaspar Yeli verhandelt.

Mannschaftsverzeichnis des Liechtenteinischen Militärkontingents, geführt von Hauptmann Peter Rheinberger, 1846 – 1866 Die Sammlungen

126 I Urkundensammlung lungsurkunde der Grafschaft Sargans von 1342 (Original im Bischöflichen Archiv in Chur), 1999 die Urkunde von Wenn man unter Urkunden nur die «klassischen» Perga- 1699 betreffend den Kauf der Herrschaft Schellenberg menturkunden versteht, also jene Schriftstücke, die unter durch die Fürsten von Liechtenstein (Original im liechten- Einhaltung bestimmter Formen rechtserhebliche Vorgänge steinischen Hausarchiv in Wien), 2006 die Rheinbundsakte oder Sachverhalte bezeugen, dann besitzt das Landes - von 1806 (nach dem Original im Staatsarchiv Sigmaringen) archiv – ohne die Urkunden in den Deposita – lediglich und ohne besonderen Anlass die Urkunde von 1719 be- etwa 150 Urkunden (59 in der Urkundensammlung, 76 bei treffend die Erhebung von Vaduz und Schellenberg zum den Schädler-Urkunden, zwölf im Bestand des ehemaligen Reichsfürstentum Liechtenstein (Original im liechtenstei- Klosters Pfäfers und vereinzelte in sonstigen Beständen). nischen Hausarchiv in Wien). Beispiele von wichtigen Ur- Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahre 1398 (Schä kunden, die im Landesarchiv fehlen, sind auch die Staats- U 2). Die jüngste Urkunde betrifft die Schenkung des von verträge aus dem 19. Jahrhundert, die wohl früher bei der Privaten errichteten Kunsthauses an das Land Liechten- liechtensteinischen Hofkanzlei in Wien aufbewahrt wur- stein im Jahre 2000. den. Aufgrund der untergeordneten Rolle der lokalen Ver- Viele Pergamenturkunden in Liechtenstein gehören waltungsbehörde (Oberamt in Vaduz) gelangten Urkunden, den Gemeinden und Pfarreien. Auf Anregung des ge- die für die Landesgeschichte grundlegend sind, nie ins schichtsbewussten Prinzen Franz – des späteren Fürsten Landesarchiv, sondern ins zentrale Archiv des Landes- Franz I. – wurden 1913 die Pergamenturkunden aus kon- herrn. Um diese Lücke halbwegs zu schliessen, wurden in servatorischen Gründen im Regierungsarchiv deponiert. In den letzten Jahren anlässlich von Jubiläen von verschiede- den 1950er Jahren verlangten die Gemeinden (mit Aus- nen Institutionen Urkunden faksimiliert, die für die staat li- nahme von Gamprin) ihre Urkunden zurück – möglicher- che Entwicklung Meilensteine bedeuten: 1992 die Tei- weise führte auch Fridolin Tschugmell die Urkunden ei- genmächtig in die Gemeindearchive zurück, weil sie nach seiner Ansicht dorthin gehörten. Der vergleichsweise grosse Urkundenbestand der Gemeinde Triesen (50) wurde 1993 von der Gemeinde aus konservatorischen Überle- gungen im Landesarchiv deponiert. Ebenso deponierten die Pfarrarchive Bendern (32), Triesen (10) und Eschen (4) ihre Urkunden im Landesarchiv. Georg Malin deponierte die drei ältesten Urkunden aus dem Pfarrarchiv Schaan im Landesarchiv, nachdem er sie für das Urkundenbuch be- arbeitet hatte. In den 1980er Jahren wurden sämtliche Pergamentur- Blick in eine Reihe mit Amtsbüchern im alten Archiv kunden des Landes, der Gemeinden und der Pfarreien ge- reinigt, soweit nötig restauriert und unter Denkmalschutz gestellt. Die Urkunden sind alle fotografiert. Die Urkunden fanden schon früh das besondere Inte- resse der Historiker. Bereits Albert Schädler verfasste aus- führliche Regesten sämtlicher Urkunden in den liechten- steinischen Archiven und publizierte diese im Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein. Diese Regesten wurden in die Datenbank des Landesar- chivs übertragen. Der Historische Verein hat 1934 die Ar- beit am Liechtensteinischen Urkundenbuch (LUB) aufge- nommen, für das die Liechtenstein betreffenden Urkunden in in- und ausländischen Archiven bis 1416 bearbeitet und publiziert wurden. Die Urkunden in den Archiven in Liech- tenstein bis 1510 sind ebenfalls bearbeitet, die Arbeit ist aber noch nicht im Druck erschienen (vgl. S. 145). Abschliessend soll der Begriff Urkunde noch etwas er- weitert und der Blick auf eine andere Art von Urkunden, die «Staatsurkunden», gerichtet werden: Die Staatsverträge mit den Originalunterschriften der Unterzeichnungsbe- vollmächtigten und die Gesetze mit den Originalunter- schriften von Landesfürst und Regierungschef bilden ei- gene Bestände und sind nicht Bestandteil der Urkunden- sammlung. Die älteste Pergamenturkunde im I 127 Besitz des Landesarchivs stammt aus dem Jahre 1398.

Die Brüder Wolfhart und Sig- mund von Brandis entscheiden in einem Steuerkonflikt, 1473. Die Sammlungen

128 I Siegel(abguss)sammlung fragile Objekte sind. Die Originalsiegel wurden selbstver- ständlich an den Originalen belassen. Bei der Siegelsammlung handelt es sich nicht um eine Eine erste kleine Serie von 16 Abgüssen wurde von Sammlung von Originalsiegeln, sondern um eine Samm- Georg Malin und Claude Lapaire erstellt, als Georg Malin lung von Abgüssen sämtlicher Siegel, die an bzw. auf Do- in den Jahren 1963 bis 1965 die Urkunden in den liech- kumenten in liechtensteinischen Archiven bis ca. 1800 zu tensteinischen Archiven bis 1416 (LUB Teil I, Bd 4) bear- finden sind. Der Aufbau einer Abgusssammlung dient beitete. Die Absicht, von sämtlichen Siegeln dieser Zeit einerseits der Forschung, andererseits der Sicherung der Abgüsse zu erstellen, konnte nicht realisiert werden. Siegelabdrücke in Kopie, da Siegel – besonders Wachssie- Neben diesen 16 Gipsabgüssen umfasst die Siegel- gel, die an den Urkunden hangen und durch den Gebrauch sammlung des Landesarchivs ca. 450 verschiedene Siegel. leicht mechanisch beschädigt werden können – äusserst Diese Siegelsammlung ist ein Gemeinschaftswerk von

Sozialversicherungsabkommen von 1954 zwischen Liechtenstein Eine besondere Urkunde: das Orginal der Verfassung von 1921 und der Schweiz Doris Liesching, Walther P. Liesching und Paul Vogt aus pen, Porträt etc.), die Umschrift, das Material und die Art I 129 den Jahren 1984 und 1985. Doris Liesching erstellte Ne- der Befestigung. Sie wurden vom Liechtensteinischen Lan- gative aus Silikon und Positive aus gefärbtem Wachs, Wal- desmuseum fotografiert. ther P. Liesching übernahm die sorgfältige Beschreibung Die Siegel sind für die Kunstgeschichte interessante der Siegel. Die Beschreibungen von 270 Siegeln aus der Objekte, vor allem aber sind sie für die Familienforscher Zeit vor 1700 wurden samt Abbildungen im Jahrbuch 85 interessant. Der grösste Teil der Siegel sind Wappensiegel, des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein darunter viele Wappen von Landammännern. Diese sind (1985) veröffentlicht. Sämtliche Siegel sind in einer Kartei die ältesten Belege für die Verwendung von Wappen durch erfasst, beschrieben und nach Typen (Adel, Geistlichkeit, einfache Bürger in Liechtenstein. Bürgertum, Behörden, Städte und Länder) einem Siegel- führer zugeordnet. Beschrieben sind das Siegelbild (Wap-

Siegel am Gutachten, das 1784 über die Goldene Boss erstellt wurde. Goldene Bulle an der Urkunde von 1719 zur Gründung des Reichs - Dargestellt ist die Justitia. fürstentums Liechtenstein

Siegel am Meisterbrief der Siegel auf der Verfassung von Bürger-Sänger-Zunft München Petschaft mit der Aufschrift «Liechtensteinisches Baubüreau». 1921 für J.G. Rheinberger, 1890 Damit konnten Lacksiegel hergestellt werden. Die Sammlungen

130 I Grafische Sammlung patron), von Kaiser Karl VI. (Erhebung zum Reichsfürsten- tum Liechtenstein 1719), Alexander Suworow (Durch- Die grafische Sammlung ist eine kleine Spezialitäten- marsch durch Liechtenstein 1799), Napoleon (Erlangung sammlung, die keinem originären archivischen Zweck ent- der Souveränität 1806), des Rheinbundes und der Deut- springt. Sie ist als Ausweitung der Fotosammlung entstan- schen Nationalversammlung in Frankfurt erworben. Ein den und dient der bildlichen Dokumentation. In dieser Sammlungsgebiet sind auch Stiche der Fürsten von Liech- Sammlung haben alle Arten von bildlichen Darstellungen tenstein und ihrer (zum Teil ehemaligen) Besitzungen. ausserhalb von Fotos und Ansichtskarten Platz: Grafiken Mit der Sammlung wurde erst 2005 begonnen, derzeit im engeren Sinn (Kupfer- und Stahlstiche, Holzschnitte, befinden sich darin ca. 1000 Dokumente. Ein Teil der Radierungen, Lithographien) aber auch Plakate, Kalender, Dokumente gelangte schon vor 2005 ins Archiv, konnte grossformatige Drucke und Handzeichnungen. Fotos und da mals aber nirgends richtig zugeordnet werden. Der Ansichtskarten sind in der Fotosammlung zu finden. Ge- grösste Teil der Dokumente besteht aus einer Plakatsamm- rahmte Bilder, soweit das Landesarchiv überhaupt solche lung, die vom Theater am Kirchplatz übernommen wurde. besitzt, befinden sich lagerungsbedingt in der Sammlung Die Dokumente werden nach dem Zeitpunkt ihres Ein- Objekte. gangs eingeordnet und sind nach dem numerus-currens- Die Dokumente kommen durch Ankauf, Schenkung Verfahren in der Archivdatenbank erfasst. Eine Klassifika- oder Ablieferung der Landesbehörden ins Archiv. Gesam- tion ist aufgrund der Kleinheit der Sammlung nicht nötig. melt wird immer unter dem Aspekt, dass ein Stück einen Befinden sich zu einer Person, einer Ortschaft oder einem klaren Bezug zu Liechtenstein haben muss: Unter diesem Thema bereits Stücke in der Sammlung, so werden die Aspekt wurden etwa Stiche des Heiligen Lucius (Landes- Neuzugänge unter der gleichen Hauptnummer eingereiht.

Karikatur auf Napoleon: «Der neue Universalmonarch auf dem zum Wohl der «Der Congress». Zar Alexander I., Kaiser Franz I. und König Friedrich Menschheit errichteten Throne.» Napoleon auf einem Thron aus Totenschädel, über Wilhelm III. sitzen am Wiener Kongress vor einer Landkarte Europas, ihm die Adler von Russland, Preussen und Österreich. Hinter ihm ein Clown, der durchs Fenster sieht man Napoleon auf der Insel Elba, der mit einem Orden an die vor Napoleon knienden Rheinbundfürsten verteilt, 1810. Fernrohr die drei beobachtet, 1814. Die Karikatur «alte und neue Welt» zeigt die maroden Zustände I 131 in Deutschland und die Verlockungen der neuen Welt, ca. 1849.

Frankfurter Kartenhaus: Zwei Kinder mit Pickelhaube (Preussen) und Krone (Österreich) bringen ein Kartenhaus durch Blasen zum Einsturz, 1849.

Ariadne mit einer preussischen Pickelhaube und einer Tafel «Reichsver- fass(ung)» zwischen den Beinen sitzt händeringend auf einer Insel. Die kleinen Herrscher wenden sich von ihr ab und lassen sich vom armen deutschen Michel vorbeirudern, 1849.

«Die deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt a.M.», um 1850 Die Sammlungen

132 I Bibliotheksbestände desarchiv aus mehreren kleinen Spezialbibliotheken mit unterschiedlichen Sammlungsschwerpunkten. Hand-, Magazin- und Dienstbibliothek Die Handbibliothek ist im Benutzerraum des Archivs aufgestellt und für Archivbenutzer frei zugänglich. Sie ent- Die Bibliothek des Landesarchivs ist eine Präsenzbiblio- hält allgemeine Nachschlagewerke (Lexika, Wörterbücher, thek: Die Benutzung ist nur im Landesarchiv möglich, Aus- historische und statistische Jahrbücher, familien- und na- leihe oder Fernleihe sind ausgeschlossen. Sie enthält menkundliche Werke etc.) und Standardliteratur zur liech- hauptsächlich Literatur zum Archiv- und Dokumentations- tensteinischen und regionalen Geschichte, eine historische wesen sowie zur liechtensteinischen Geschichte und Lan- und systematische Gesetzessammlung, die Rechen- deskunde. Archivbenutzer sind verpflichtet, von Publika- schaftsberichte der Regierung an den Landtag, die Land- tionen, die auf Archivmaterial beruhen, dem Landesarchiv tagsprotokolle usw. ein Belegexemplar abzugeben. Die Anfänge der Bibliothek gehen in das Jahr 1975 zu- Versteht man unter einer Bibliothek nicht einfach eine rück. Der ursprüngliche Zweck war vor allem der eines Büchersammlung, sondern eine Einrichtung, die unter be- Hilfsmittels für die Archivare, also eine Dienstbibliothek. stimmten Gesichtspunkten gezielt publizierte Informatio- Ein Teil der Bibliothek mit Fachliteratur zum Archivwesen nen für die Benutzerinnen und Benutzer sammelt, ordnet und den wichtigen deutschsprachigen Archivzeitschriften und verfügbar macht, so besteht die Bibliothek im Lan- dient noch heute diesem Zweck.

Constitutio Criminalis Carolina oder Peinliche Halsgerichtsordnung von 1532 Die Magazinbibliothek ist in einem an den Benutzer- I 133 raum angrenzenden abgeschlossenen Magazin aufgestellt. Die Bücher können bei der Ausleihe bestellt werden. Die Aufstellung erfolgt aus Platzgründen nach dem numerus- currens-Verfahren. Hier sind neben Werken zur liechten- steinischen Geschichte, zur Landeskunde und Rechtswis- senschaft auch wertvolle und/oder ältere Werke zu finden, die zum Teil antiquarisch erworben wurden. Die Literatur in der Handbibliothek, Magazinbibliothek und Dienstbibliothek wird – wie bei den übrigen Dienstbi- bliotheken in der Landesverwaltung und beim Landgericht Jahrbücher des Historischen Vereins – von der Liechtensteinischen Landesbibliothek erfasst und ist in deren Onlinekatalog (OPAC) recherchierbar (www.landesbibliothek.li). Zurzeit zählt die Bibliothek des Landesarchivs etwa 2000 Titel, die mit der Signatur LA be- ginnen. Elektronische Medien spielen in der Bibliothek des Landesarchivs bislang keine bedeutende Rolle. Nicht zur Bibliothek im engeren Sinne gezählt werden die Spezial- sammlungen: die Amtsdruckschriften, das Pressearchiv mit den Landeszeitungen und die zeitgeschichtliche Samm- lung. Spezialfälle sind schliesslich jene Druckschriften, die eigentlich Bibliotheksgut sind, aber als Schenkung oder als Leihgabe im Zusammenhang mit weiteren Beständen eines Privatarchivs ins Archiv gelangen. Um den Entste- hungszusammenhang zu wahren, werden diese Druck- schriften im Informationssystem des Landesarchivs erfasst und bei der Einordnung wie Dokumentationen behandelt. Beispiele für solche Spezialsammlungen sind die Noten- werke und CDs im Rheinberger-Archiv, die gedruckten Noten im Bestand des Sängerbundes oder auch die Samm- lung von Belegexemplaren mit Werken jener Kunstschaf- fenden, die vom Kulturbeirat finanziell unterstützt wurden. Rechenschaftsberichte der Regierung in der Handbibliothek

Amtsdruckschriftensammlung

Unter Druckschriften verstehen wir alle Arten von Druck- erzeugnissen, die nicht im Buchhandel erscheinen, als Amtsdruckschriften solche, die von öffentlich-rechtlichen Stellen herausgegeben werden. Während die Anfänge der Handbibliothek nicht vor das Jahr 1975 zurückreichen, ge- hört das Sammeln und Aufbewahren von amtlichen Druck- schriften zu den ursprünglichen Aufgaben der Verwaltung bzw. des Archivs. Die Sammlung von Druckschriften be- steht aus einem liechtensteinischen und einem ausländi- schen Teilbestand. Im Liechtenstein-Bestand werden alle Druckschriften gesammelt, die von liechtensteinischen Be- hörden herausgegeben und beim Erscheinen auch öffent- lich zugänglich gemacht werden unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder periodische Publikationen handelt. Der «Druck» ist dabei kein eindeutiges Kriterium mehr, denn bei der internen Druckerei der Landesverwaltung werden beispielsweise auch kleine Serien von vertrauli- chen Berichten und Gutachten gedruckt bzw. kopiert, die nicht veröffentlicht werden dürfen. Solche Berichte wer- Aus unserem Team

Rita Tobler-Eberle: stellwesen dazu. Sie hilft auch gerne Benutzerinnen und Ein Puzzle ohne Ränder Benutzern weiter, die oft Unterstützung brauchen. «Dabei konnte ich immer mehr Einblicke in die Ge- In den vergangenen Jahrzehnten hat sich im Landesarchiv schichte Liechtensteins gewinnen und habe vieles gelernt. einiges verändert. Immer am Puls des Geschehens war Rita Immer wieder stosse ich auf neue Details, die irgendwo ins Tobler-Eberle, für die das Archiv schon seit 1986 Teil ihres Gesamtbild passen. Es ist wie bei einem Puzzle, das man Lebens ist. von der Mitte her aufbaut. Laufend kommen neue Teile Nachdem sie für die Erziehung ihres Sohnes zuvor eine zum Vorschein, die man aussen anfügen kann. Aber dieses berufliche Auszeit genommen hatte, bedeutete das Lan- Puzzle hat wohl keine Ränder, man lernt nie aus, und des- desarchiv für Rita Tobler-Eberle den Wiedereinstieg ins Be- halb wird es auch nie langweilig», lächelt sie. rufsleben. «Das könnte mich noch irgendwie interessie- «Am Anfang hatten wir auch noch keine Computer, wir ren», habe sie sich gedacht und sich beworben, und dann arbeiteten mit sogenannten Indexbüchern. Gefunden sei es ziemlich schnell gegangen. «Am Samstag war der haben wir zwar schon damals alles wieder, wenn auch Brief mit der Stellenzusage in meinem Briefkasten – Ar- nicht so schnell wie heute. Dafür gibt es jetzt im Vergleich beitsbeginn war am darauf folgenden Montag.» zu früher viel mehr Anfragen, und auch die Ansprüche sind Also ging sie an besagtem Montag ins alte Archivge- höher geworden. Aber mit vereinten Kräften schaffen wir bäude nach Vaduz. Ihr erster Eindruck: «Da werde ich wohl vieles. Dazu hat natürlich auch die Erweiterung des Ar- nicht alt», habe sie sich gedacht, zumal sie ein bisschen chivteams beigetragen, in welchem jeder jedem hilft.» Und Bammel vor der ihr völlig unbekannten Arbeit hatte und auf das neue Archivgebäude angesprochen, lacht sie: «Das ihr dann auch noch die riesigen Regale und die düsteren wird mich wahrscheinlich überdauern, ich freue mich auf Lagerräume im alten Gebäude als ziemlich bedrückend er- meinen wohl letzten Umzug mit dem Archiv.» (WN) schienen. «Zudem glaubte ich, da drin müsse ja alles ver- staubt sein, da wir nur vier Mitarbeiter waren», schmun- zelt sie, deren erster Gedanke rückblickend doch irgendwie richtig war, zumal sie bis heute nicht «alt» geworden ist. Ihre Arbeit habe sie dann aber zunehmend fasziniert, weshalb ihre ersten Eindrücke schnell der Freude gewi- chen seien. In ihrem 50-Prozent-Pensum ist sie in erster Linie für die Archivierung der Amtsdruckschriften und die Verwaltung der Handbibliothek zuständig. Im Laufe der Jahre kamen noch die interne Buchhaltung und das Be- den bei den Akten aufbewahrt und nicht in der Drucksa- nach bibliothekarischen Regeln erfasst und über den On- I 135 chensammlung. Gesammelt werden auch die Jahresbe- line-Katalog (OPAC) nachgewiesen wird, werden die Amts- richte und Jahresrechnungen der Gemeinden und jener In- druckschriften in der Archivdatenbank erfasst. Unter- stitutionen, bei denen der Landtag das Budget und/oder schiedlich sind auch die Erschliessungspraktiken: Werden den Rechenschaftsbericht behandeln muss. von der Landesbibliothek oft nur die Reihentitel, aber nicht Für die Behörden besteht die Verpflichtung, von sämt- die einzelnen Bände oder gar Beiträge erfasst, wird bei der lichen Drucksachen zwei Exemplare an das Landesarchiv Katalogisierung der Amtsdruckschriften durch das Archiv abzugeben. Sehr häufig geschieht dies erst, wenn die Be- jeder Band erfasst. hörden darum ersucht werden. Bei den Reihen der liechtensteinischen Amtsdruck- Ein Spezialfall sind die beiden Landeszeitungen, die als schriften sind zurzeit 146 Serien mit insgesamt ca. 10’500 amtliche Publikationsorgane fungieren. Liechtenstein ver- Bänden erfasst (alle Signaturen beginnen mit DS), bei den zichtet auf die Herausgabe eines eigentlichen Amtsblattes, liechtensteinischen Einzelpublikationen ca. 1000 Titel (Sig- so dass die Landeszeitungen auf jeden Fall zum Sammel- natur DM), bei den Serien mit ausländischen Druckschrif- gebiet des Archivs gehören. Die Landeszeitungen werden ten sind immerhin ca. 2600 Bände erfasst. Alle Druck- aber nicht bei den Amtsdruckschriften, sondern im Pres- schriften sind nach dem numerus-currens-Verfahren er- searchiv aufbewahrt. fasst. Eine Klassifikation nach Sachgebieten findet nicht Im Bereich ausländische Druckschriften werden einer- statt, als zusätzliche Suchhilfe zu Autor/Herausgeber und seits Amtsdruckschriften aus Österreich und der Schweiz Titel sind die Einzelpublikationen nach Erscheinungsjahr gesammelt, andererseits Druckschriften internationaler Or- chronologisch geordnet. ganisationen und Konferenzen. Das Sammeln von öster- Elektronische Drucksachen von Behörden (z.B. News- reichischen und schweizerischen Gesetzen, Regierungs- letters) haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. vorlagen und Parlamentsprotokollen hat bei der Regierung Grundsätzlich gehören auch sie zum Sammelgebiet des eine lange Tradition, die weit ins 19. Jahrhundert zurück- Landesarchivs, doch besteht für deren Aufbewahrung und reicht. Diese Sammlung machte auch bis in die 1990er Erschliessung noch keine Strategie. Vorläufig werden ein- Jahre Sinn, da Liechtenstein regelmässig österreichisches fach einmal Dokumente gespeichert, die als wichtig er- und schweizerisches Recht rezipiert und die entsprechen- scheinen. den Berichte für die Rechtsauslegung relevant sind. Im In- ternetzeitalter ist dieser Teil der Sammlung jedoch obsolet geworden, da die entsprechenden Texte im Internet greif- Pressearchiv bar sind. Der Sammlungsbereich wurde daher in den letz- ten Jahren massiv eingeschränkt. Das Pressearchiv besteht aus zwei Teilbeständen: den Das Sammeln von Druckschriften internationaler Or- Landeszeitungen (SgZ, Beginn 1863, ca. 500 Bände) und ganisationen und Konferenzen reicht ebenfalls in die Zwi- der Presseausschnittsammlung (SgZs, Beginn 1888, ca. schenkriegszeit zurück, wo sich Liechtenstein an interna- 100 Laufmeter bzw. 800 Schachteln). tionalen Konferenzen häufig durch die Schweiz vertreten liess. Die entsprechenden gedruckten Konferenzunterla- gen wurden teilweise gesammelt. Exzessiv gesammelt Landeszeitungen wurden solche Dokumente vor allem zwischen ca. 1970 und 1990, was aber eher einem kaum begründbaren Do- Das Sammeln von liechtensteinischen Printmedien gehört kumentationsanspruch als einer echten archivischen Auf- in erster Linie zum Sammlungsauftrag der Landesbiblio- gabe entsprach. Was damals an Zeitschriften und Jahres- thek, das Landesarchiv beschränkt sich daher auf wenige berichten internationaler Organisationen alles gesammelt Medien, nämlich solche, die politische und wirtschaftliche und aufbewahrt wurde, überstieg schlicht die Möglichkei- Nachrichten verbreiten. Den beiden Landeszeitungen ten eines kleinen Archivs. Da im Archiv überhaupt keine kommt ein überragender Informationswert zu, finden sich Nachfrage nach solchen Druckschriften bestand, wurde doch darin Berichte über zahllose Ereignisse, Veranstal- der grösste Teil davon der Landesbibliothek angeboten tungen, aber auch Kommentare, Interviews, Nachrufe etc. und, falls diese sich nicht interessiert zeigte, vernichtet. Da sie amtliche Publikationsorgane sind, müssen sie im Der Sammlungsauftrag in diesem Bereich wird heute eng Landesarchiv aufbewahrt werden. gefasst. Das Sammeln von Druckschriften internationaler Aufbewahrt werden folgende Zeitungen: Liechtenstei- Organisationen muss auf Drucksachen beschränkt werden, nische Landeszeitung (1863–1867), Liechtensteinische die einen klaren Liechtenstein-Bezug haben. Gedruckte Ar- Wochenzeitung (1873–1877), Liechtensteiner Volksblatt beitsunterlagen, die anlässlich der Teilnahme an Konfe- (seit 1878), Oberrheinische Nachrichten (1918–1924), renzen anfallen, werden – sofern dies überhaupt sinnvoll Liechtensteiner Nachrichten (1924–1935), Liechtensteiner erscheint – meist zusammen mit den Akten aufbewahrt. Vaterland (seit 1936), Liechtensteiner Volkswirt (1928), Der Bei der Erschliessung der Druckschriften bestehen Liechtensteiner (1964–1971), Der Liechtensteiner Wo- klare Unterschiede zur Katalogisierung der Handbibliothek chenspiegel (1971–1975), Liechtensteiner Heimatdienst durch die Landesbibliothek. Während die Handbibliothek (1934–1935), Umbruch. Kampfblatt der Volksdeutschen Die Sammlungen

136 I Presseausschnitte aus dem Jahr 1985 Bewegung in Liechtenstein (1940–1943), Maulwurf (1985– I 137 1989), FL-Info (1996 ff.). Da Zeitungspapier qualitativ minderwertig ist und die Originale durch die Benutzung leicht Schaden nehmen, dürfen Zeitungen nur auf Mikrofilm eingesehen werden. Lediglich für Reproduktionen zur Illustration von Büchern werden Ausnahmen gemacht.

Presseausschnittsammlung

Der älteste Presseausschnitt in der Sammlung stammt aus dem Jahr 1888. Seit 1919 beauftragte die Regierung aus- ländische Presseausschnittdienste (v.a. Argus) mit der Be- obachtung der Liechtenstein-Berichterstattung in auslän- dischen Medien. Bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhun- derts wurde vor allem die Schweizer Presse beobachtet, in zweiter Linie auch die österreichische und deutsche. Mit der vermehrten internationalen Präsenz Liechtensteins fan- den andere Länder eine stärkere Berücksichtigung. Auch die liechtensteinischen Auslandvertretungen legen zum Teil Presseausschnittsammlungen an, wobei es zu Über- schneidungen mit derjenigen der Regierung bzw. des Pres- seamtes kommt. Ein dritter Teil dieses Bestandes ist die private Presseausschnittsammlung von Baron Eduard von Falz-Fein mit Schwerpunkten in den Bereichen Tourismus und Sport; sie ist ein Geschenk des Barons. Eine Auswahl der aktuellen Zeitungsausschnitte wird seit 1971 an liech- tensteinische Politiker, Amtsleiter usw. verschickt – die ers- ten Jahre auf Papier, seit 2004 auch in elektronischer Form. Bis 1980 ist die Presseausschnittsammlung chrono - logisch geordnet und enthält ausschliesslich Presseaus- schnitte ausländischer Zeitungen. Seit 1980 sind die Pres- seausschnitte nach Jahren und innerhalb eines Jahres nach Themen geordnet. Solang die Presseausschnitte von den Ausschnittdiensten auf Papier geliefert wurden, gelangten alle ins Landesarchiv, wo anfänglich auch alle archiviert wurden, später nur noch in Auswahl. Seit die Clippings elektronisch verschickt werden, trifft nicht das Landesar- chiv, sondern das Presse- und Informationsamt die Aus- wahl. Auf Papier archiviert werden jene Presseausschnitte (Clippings), die den Politikern zugestellt werden. Elektro- nisch archiviert werden alle Clippings, die von den Me- dienbeobachtungsdiensten übermittelt werden. Aus urhe- berrechtlichen Gründen darf der Pressespiegel nicht über das Internet allgemein zugänglich gemacht werden; die Benutzung muss auf einen engen Personenkreis einge- schränkt werden. Die Benutzung von historischen Presse- ausschnitten im Archiv ist frei.

Zeitgeschichtliche Sammlung

Die Zeitgeschichtliche Sammlung enthält keine vollstän- dige Dokumentation zu den bedeutenden Ereignissen des 20. Jahrhunderts in Liechtenstein; es ist vielmehr eine oft zufällige Sammlung von unterschiedlichen Dokumenten, Aus unserem Team

Marianne Kaufmann-Biedermann: nur beschränkt haltbar sind. «Darüber hinaus werden auch Manchmal auch «am Modl a» Radio- und Fernsehsendungen, die ein liechtensteinisches Thema beleuchten, von uns aufgenommen und archiviert.» Alles habe ein Ende, sagt man, aber es scheint auch Aus- Was sie an ihrem Halbtagesjob besonders geniesst, ist nahmen zu geben. Archive werden beispielsweise von nicht zuletzt auch die angenehme Atmosphäre unter den Quellen versorgt, die anscheinend nie versiegen: Solange Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So sehe sie sich selber es unsere Gesellschaft gibt, gibt es auch etwas über sie zu auch ziemlich locker als die «Seniorin» des Archivs, wobei archivieren. sich das manchmal auch als Vorteil entpuppe: «Oft habe Seit Anfang der Neunzigerjahre hat Marianne Kauf- ich die Leute, die auf alten Fotos zu sehen sind, persönlich mann-Biedermann die Entwicklung im Landesarchiv mit- gekannt, und manchmal weiss ich einfach ‹am Modl a›, wo erlebt. Dabei hat diese Entwicklung besonders in ihrem Zu- sie ungefähr einzuordnen sind, und kann dann weiter re- ständigkeitsbereich eine enorme Geschwindigkeit aufge- cherchieren. Dies hilft mir enorm, da wir ja alles möglichst nommen. Sie ist für die Archivierung der Bild-, Ton- und genau beschriften, bevor wir es ablegen. Man entwickelt Filmdokumente verantwortlich, und von denen gibt es seit im Laufe der Jahre aber auch eine Art fotografisches Ge- dem Aufkommen der neuen elektronischen Medien eine dächtnis. So ist es mir schon oft passiert, dass man mir ein wahre Flut. Bild gezeigt hat, und ich wusste sogleich: Das haben wir – «Alles, was mit Liechtenstein zu tun hat, wird hier bei und wir hatten es auch.» uns für die Nachwelt erhalten», so Marianne Kaufmann- Wenn sie nicht gerade im Archiv oder mit ihrem Haus Biedermann. «Die ältesten Originalfotos, die wir hier und Garten beschäftigt ist, geniesst Marianne Kaufmann- haben, wurden so ca. um das Jahr 1870 geschossen, unser Biedermann Bilder auf der ganzen Welt, und zwar in na- erster Film ist eine Dokumentation über die Rheinüber- tura. Natürlich kann sie das Fotografieren auch auf Reisen schwemmung aus dem Jahr 1927, und die ältesten reinen nicht lassen, kehrt aber auch immer wieder gerne an die Tondokumente stammen aus den Vierzigerjahren des 20. Arbeit zurück und widmet sich wieder mit Freude und En- Jahrhunderts. Darunter sind neben den Bild- und Ton- thusiasmus den Motiven aus Liechtenstein. (WN) zeugnissen über das offizielle Geschehen in Liechtenstein auch zahlreiche Fotosammlungen, die uns von privater Seite oder aus Firmenarchiven zur Verfügung gestellt wor- den sind.» All das gilt es nicht nur fachgerecht zu konser- vieren, sondern auch einzuscannen und elektronisch auf CDs und DVDs zu erfassen, wobei auch diese Datenträger so alle zehn Jahre wieder kopiert werden müssen, da sie die in ihrer Gesamtheit gleichwohl eine wertvolle und vor Audiovisuelle Sammlung I 139 allem illustrative Ergänzung zum staatlichen Archivgut bil- den. Wie kaum eine andere Sammlung vermag sie auch Neben Archivalien aus Pergament und Papier hat das Lan- Emotionen zu dokumentieren und ist damit eine wertvolle desarchiv auch Archivgut auf anderen Trägermaterialien, Ergänzung zum staatlichen Archivmaterial. Sie enthält zum nämlich auf Bändern, CDs und Festplatten. Ein grosser Teil grössten Teil Druckschriften, Flugblätter, Karikaturen, Pla- davon sind Fotos, Filme und Tonaufnahmen, die sich in der kate und sonstiges Werbematerial der politischen Parteien, audiovisuellen Sammlung finden. Verbände und Bewegungen – mitunter auch mit beleidi- Viele dieser Datenträger stellen Archive vor grosse genden oder gar verleumderischen Inhalten. Herausforderungen, denn die langfristige Datensicherheit Die Sammlung ist offen für andere Graue Literatur, so- ist nicht gewährleistet. Die Lesbarkeit hängt vom Vorhan- fern diese nicht rein kommerziellen oder kulturellen Cha- densein entsprechender Abspielgeräte und von der Be- rakter hat – Voraussetzung ist nur, dass die Druckschriften ständigkeit der verwendeten Datenträger ab. Da die tech- politisch einigermassen interessant sind. Thematisch nologische Entwicklung rasant voranschreitet, wechseln grenzt sich die Sammlung mit dieser Definition ihres auch ständig die Systeme. Das Landesarchiv arbeitet an Sammlungsgebietes von der Tätigkeit der Stiftung «Doku- einer Strategie, dieses Archivgut langfristig zu sichern und mentation Kunst in Liechtenstein (DKL)» ab, die sich der der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dokumentation zeitgenössischer Kunst in Liechtenstein widmet und im Landesarchiv Gastrecht hat. Die Zeitgeschichtliche Sammlung ist chronologisch ge- Bildsammlung ordnet und auf Dokumentenstufe erschlossen. Die Er- schliessung erfolgt in der Archivdatenbank: Für jedes Do- Die Bildsammlung beherbergt schwarz-weisse und Farb- kument werden der Urheber (soweit erkennbar), der Text- fotos, Negative und Positive, Dias und digitale Aufnahmen. anfang, Erscheinungsort und Erscheinungsjahr, formale In der Datenbank sind mehr als 25’000 Verzeichnungsein- Angaben und ein Schlagwort erfasst. heiten erfasst. Da für viele Bildserien nur eine Verzeich- Die Zeitgeschichtliche Sammlung wurde nach einem nungseinheit gebildet wurde, dürfte der gesamte Bildbe- grösseren Ankauf von Dokumenten im Jahre 1988 initiiert. stand deutlich über 100’000 Aufnahmen umfassen (insge- Seither sind die Archivmitarbeitenden gebeten, einschlä- samt 72 Laufmeter). Das älteste Bild stammt vom Neubau gige Materialien, die an die Haushalte oder sonst wie ver- der Pfarrkirche Vaduz (um 1870). Die Bildsammlung ist der teilt werden, zu sammeln und der Sammlung zu überlas- am häufigsten benutzte Bestand des Landesarchivs, da sie sen. Selbstverständlich ist das Landesarchiv dankbar, wenn attraktive Aufnahmen zur Illustration von vielen histori- auch andere Personen solche Dokumente übermitteln, schen Publikationen enthält. Die Aufnahmen stammen so- doch haben entsprechende Aufrufe erfahrungsgemäss wohl aus dem staatlichen wie auch privaten Bereichen, die wenig Aussicht auf Erfolg. Themen sind vielfältig – Stichworte sind etwa staatliche Er- Heute besteht die Sammlung aus 1’000 Verzeich- eignisse, Festlichkeiten, Besuche auf Ministerebene im In- nungseinheiten, die auf Dokumentenstufe erschlossen sind und Ausland, Gebäude, Umwelt, Wirtschafts- und Sied- (20 Schachteln). Das älteste Dokument in der Sammlung lungsgeschichte, Personen und Personengruppen etc. stammt aus dem Jahr 1915. Neue Druckschriften werden Mit dem Aufbau der Fotodokumentation begann das laufend gesammelt und integriert. Landesarchiv anlässlich der Vorbereitungen für die Feier- lichkeiten zum 40. Regierungsjubiläum von Fürst Franz Josef II. (1978). 1980 übernahm das Landesarchiv die kleine Foto- und Ansichtskartensammlung der Landesbi- bliothek. Auch heute werden dem Landesarchiv noch Post- karten als begehrte Sammlerstücke angeboten, der grösste Teil der Neuzugänge stammt jedoch von Ablieferungen des Presse- und Informationsamtes sowie des Chefs des Pro- tokolls. Da die Sammlung von der Entstehung her vorwie- gend auf die Dokumentation staatlicher Aktivitäten ausge- richtet ist, stellen Erwerbungen von ganzen Sammlungen wie derjenigen von Walter Wachter oder die Deposita der Sammlungen von Emanuel Vogt und Samuel Kindle grosse Bereicherungen dar. Besonders zu erwähnen ist auch die Sammlung von Baron Eduard von Falz-Fein, die dieser dem Landesarchiv geschenkweise überliess. Eine enge Zusam- menarbeit mit aktuell tätigen professionellen Fotografen wäre für den Aufbau einer umfassenden Bilddokumenta- tion fast zwingend, dem steht aber die finanzielle Abgel- tung der Urheberrechte im Wege. Die Sammlungen

140 I

Aufnahmen aus der Landwirtschaft in vergangenen Tagen I 141

Aufnahmen aus den grössten Industrie - betrieben vor ca. 50 Jahren Die Sammlungen

142 I Seit 1992 wird die Bildsammlung in der Datenbank er- Film- und Videosammlung schlossen. Erfasst werden neben einer Signatur auch ein Bildtitel, die Entstehungszeit, der Urheber/die Urheberin In der Film- und Videosammlung, die etwa 60 Laufmeter und Angaben zu Format und Bildgrösse. Für die Bild- umfasst, finden sich Aufnahmen auf Filmrollen, Videokas- sammlung besteht eine eigene Klassifikation. Falls das Bild setten, DVDs und Festplatten. Insgesamt sind 3500 Filme in einer digitalen Form vorhanden ist, bietet die Datenbank und Filmbeiträge in der Datenbank erfasst. Zu einem gros- die Möglichkeit, die entsprechende Verzeichnungseinheit sen Teil handelt es sich um Fernsehaufzeichnungen. mit dem Bild zu verknüpfen, was eine benutzerfreundliche Das Landesarchiv nimmt, soweit dies unter den gege- Recherche ermöglicht. Diese Möglichkeit kann teilweise ben Umständen möglich ist, die Funktionen eines nationa- auch im Internet genutzt werden. len Filmarchivs wahr. Filmbeiträge gelangen meist als Auf- Fotos befinden sich auch in den Akten der Behörden. zeichnungen von Fernsehsendungen ausländischer Sen- Falls sie dort nicht zum Verständnis des Vorgangs nötig der ins Landesarchiv. Die Aufzeichnungen werden entwe- sind, was z.B. bei Polizeifotos der Fall ist, werden sie aus der durch das Archiv selbst gemacht oder bei den Fern- konservatorischen Gründen aus den Akten herausgenom- sehanstalten und spezialisierten Medienbeobachtungs- men und in die Bildsammlung eingeordnet. Bewertungs- diensten eingekauft. An solchen Aufzeichnungen sind auch kriterien für Fotos sind neben Alter, Motiv und Qualität der jene Amtsstellen interessiert, die sich mit der Berichter- Bilder auch der Zustand und die Provenienz. stattung über Liechtenstein und dem Bild des Landes im Seit der Jahrtausendwende ist die Anzahl analoger Ausland beschäftigen. Wie bei der Pressebeobachtung Fotos drastisch zurückgegangen. Analoge Fotos werden geht es darum, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. kaum mehr hergestellt. Digitale Fotos sind einfacher und Einige Filme, die im Landesarchiv archiviert sind, wur- billiger in der Verarbeitung. Die Fotos gehen auf CDs ein den von staatlichen Stellen in Auftrag gegeben, z.B. Filme und werden auch so archiviert. Da CDs jedoch für eine dau- über die Kultur, das Brauchtum oder den Tourismus. Ein- erhafte Archivierung ungeeignet sind, werden die Fotos zelne Filme wurden auch für schulische Zwecke herge- auch auf einer Festplatte gespeichert. Mittelfristig muss stellt. Kunst- und Dokumentationsfilme von privaten Fil- die Archivierung von allen elektronischen Archivalien pro- memachern bereichern die Sammlung – zu nennen sind fessionalisiert werden. etwa die Namen Walter Wachter, Isolde Marxer, Daniela Das Copyright liegt je nach Herkunft und Auftraggeber Marxer, Daniel Schierscher, Jürgen Kindle, Klaus Schäd- der Bilder beim Landesarchiv oder bei den Fotografen. Der ler, Kö-Film u.a. Filmschaffende, die nicht für kommerzielle Schutz der Urheberrechte wird ernst genommen, stellt das Zwecke produzieren, erhalten oft staatliche Beiträge und Archivpersonal bei Fotos unbekannter Herkunft aber mit- verpflichten sich dann, eine Filmkopie als Belegexemplar unter vor Probleme. Bei Veröffentlichungen von Fotos aus abzutreten. Seit 2007 hat das Landesarchiv zudem eine Do- der Bildsammlung des Landesarchivs ist als Bildquelle kumentationsaufgabe im Bereich Film; begründet wurde neben dem Fotografen der Hinweis auf das Liechtenstei- diese mit dem Fehlen einer eigenen Fernsehanstalt. Das nische Landesarchiv erforderlich. Archiv beauftragt einen Filmschaffenden, wichtige Ereig-

Zur Erinnerung an die Verhandlungen mit der Schweiz über den Zoll- vertrag: (vorne) Landtagspräsident Fritz Walser, Postmeister Schaan, und Dr. Prinz Eduard von Liechtenstein; (hintere Reihe) Dr. Emil Beck, Legationsrat, Dr. Wilhelm Beck, Triesenberg, und Regierungsrat-Stell- Die neu gegründeten Pfadfinder vor Schloss Vaduz, 1932 vertreter Emil Batliner, Eschen, Januar 1920. nisse (v.a. staatliche Anlässe, Besuche auf internationaler tig archivieren und nutzbar machen zu können, müssen sie I 143 Ebene, die Entstehung von Infrastrukturbauten, aber auch digitalisiert werden. Bei den genannten Zahlen nicht mit- Szenen aus dem kulturellen und sportlichen Geschehen) gezählt sind die 900 Datenträger im Bestand Josef Gabriel zu dokumentieren. Diese werden Ende Jahr zu einem Jah- Rheinberger-Archiv. resrückblick zusammengeschnitten. Im Sinne einer lang- Seit 1980 sammelt das Landesarchiv Tonbeiträge. Es fristigen Dokumentation wird auch versucht, strukturelle handelt sich um Aufzeichnungen von Radiosendungen von Veränderungen (z.B. Landschafts- und Verkehrsentwick- DRS1, DRS2 und ORF über Liechtenstein. Diese wurden lung, Unterrichtsformen in der Schule usw.) filmisch fest- wie die Filmbeiträge angekauft oder selber aufgezeichnet. zuhalten. Seit der Schaffung eines Landessenders – ab 1995 zu- Das Landesarchiv begann 1978 – wieder aus Anlass des nächst als Privatradio, ab 2004 als öffentlich-rechtlicher 40jährigen Regierungsjubiläums – zunächst Filmmaterial Radiosender – werden regelmässig einzelne Informations- zum Fürstentum Liechtenstein reproduzieren zu lassen und sendungen archiviert. Ein volkskundlich interessanter Teil zu sammeln. Das älteste Filmdokument aus dem Jahr 1927 der Tonsammlung sind die Interviews mit Schellenberger zeigt die Rheinüberschwemmung, bei der ein grosser Teil Bürgerinnen und Bürgern, ein Oral-History-Projekt von Ru- der Talebene überflutet wurde. Aufnahmen der Fürsten- dolf Goop aus den 1970er und 80er Jahren. Schliesslich hochzeit von 1943 zählen zu den filmischen Raritäten. Der sollen auch die Aufzeichnungen von Gesprächen im Rah- Selbstdarstellung des Landes diente ein Liechtenstein-Film men der Publikation «Wenn ich an die Schweiz denke» von von Walter Wachter. Zu den Filmpionieren zählt auch 1991 erwähnt werden. Baron Eduard von Falz-Fein mit seinen verschiedenen Das Copyright liegt in allen Fällen bei den Produzen- Filmprojekten. Kostbarkeiten sind die Tier- und Bergfilme ten und Rundfunkanstalten. Die älteste Tonaufnahme von Bernhard Seger und Franz Fasel. Seit Beginn der stammt aus dem Jahr 1943. Die ersten Audiodokumente 1980er Jahre lieferte das Presse- und Informationsamt Mit- wurden auf Tonbändern aufgenommen, die im Rahmen der schnitte auf Videokassetten von Fernsehbeiträgen über Archivaliensicherung in den 1990er Jahren auf Tonkasset- Liechtenstein an das Landesarchiv ab. Landtagssitzungen ten umkopiert werden mussten. Diese werden nun seit werden seit 1993 am Landeskanal übertragen (mit Stand- 2001 auf digitale Datenträger umkopiert. Das Umkopieren bild der Sprechenden) und archiviert. Ankäufe ergänzen wird immer aufwendiger, ist aber zur Sicherung notwen- die Dokumentation des Filmschaffens in Liechtenstein. dig. Verlangt sind daher möglichst rasche und sichere Ko- Seit 1995 bildet die Sicherung der Film- und Video- pier- und Digitalisierungsverfahren. sammlung einen Aufgabenschwerpunkt dieser Sammlung. Analoge 35mm- und 16mm-Filme wurden von Fachinsti- tuten auf digitale Datenträger umkopiert und stehen den Benutzern in digitaler Form zur Verfügung. Auch die VHS- Videofilme wurden umkopiert und liegen seit 1997 auf di- gitalen Datenträgern vor. Analoge Filme werden nicht mehr produziert und auch kaum mehr genutzt. Die Didak- tische Medienstelle lieferte 2006 ihren gesamten Bestand an analogen Schulfilmen an das Landesarchiv ab. Die Benutzung unterliegt aus konservatorischen und urheberrechtlichen Gründen besonderen Beschränkungen. Das Copyright liegt bei den Produzenten, die Benutzungs- Staatsbesuch Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein in der Schweiz, links Bundes - präsident Arnold Koller, 1990. Hier auf dem Landsgemeindeplatz in Appenzell. rechte müssen somit abgeklärt bzw. abgegolten werden. Unentgeltlich ist in der Regel das Anschauen im Archiv. Fotos und Filme gelten als besonders empfindliche Ar- chivalien. Für ihre optimale Lagerung steht ein klimati- siertes Spezialmagazin zur Verfügung. Nach Möglichkeit sollten sie nur mit Baumwollhandschuhen angefasst wer- den, um Schäden, Fingerabdrücke oder Kratzer zu ver- meiden.

Tonsammlung

Die Datenbank enthält knapp 5000 Verzeichnungseinhei- ten der Tonsammlung. Die Zahl der unterschiedlichen Da- tenträger und Formate (50 Schallplatten, 137 Tonbänder, 735 Tonbandkassetten, 580 MiniDiscs und 154 CDs) ist noch grösser als in der Filmsammlung. Um diese langfris- Rechtssammlung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation von 1737 Die Editionen: Zugang leicht gemacht

Das Liechtensteinische Urkundenbuch Suche und Bearbeitung der Quellen in ausländischen Ar- I 145 chiven ist noch im Gange. Das in seinen Anfängen bis ins Jahr 1934 zurückreichende Nach dem Tod des Churer Bischofs Hartmann IV. von Liechtensteinische Urkundenbuch (LUB) ist ein Projekt des Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416 gelang es den Freiher- Historischen Vereins des Fürstentums Liechtenstein. Auch ren von Brandis, deren Stammburg Brandis bei Lützelflüh die Hauptaufgabe des LUB, «die tunlichst vollständige im Kanton Bern lag, ihre Erbansprüche durchzusetzen, die Sammlung bzw. Veröffentlichung aller noch vorhandenen, sie aus der Heirat zwischen Wolfhart I. von Brandis mit das Land und die Gemeinden betreffenden wichtigeren Ur- Agnes von Montfort-Feldkirch, der Witwe des Grafen Hart- kunden von den ältesten Zeiten an», wie sie damals for- mann III. von Werdenberg-Sargans-Vaduz, des Vaters des muliert wurde, ist immer noch dieselbe. Was sich geändert erwähnten Bischofs, herleiteten. Die Freiherren von Bran- hat, ist die Zusammenarbeit mit dem Liechtensteinischen dis erwarben zunächst die Grafschaft Vaduz, die südlichen Landesarchiv. Seit 1998 darf das Urkundenbuch-Projekt Teile der Herrschaft Schellenberg und die vorarlbergische die Gastfreundschaft des Landesarchivs in Anspruch neh- Herrschaft Blumenegg, verkauften ihre in der Schweiz ge- men, das die Infrastruktur zur Verfügung stellt. legene Herrschaft Brandis und verlegten ihren Sitz ins Rheintal. Zwischen 1430 und 1437 erwarben sie den nörd- lichen Teil der Herrschaft Schellenberg und vereinigten so Rückblick: Das LUB I/1-6

Im Jahre 1934 beschloss der Landtag auf Antrag des Ab- geordneten Wilhelm Beck einen Beitrag von Fr. 750 für die Publikation der wichtigen alten Akten. Gut sechs Jahr- zehnte sollte es dann dauern, bis 1997 mit dem Erschei- Claudius Gurt, der Bearbeiter des Liechtensteinischen Urkundenbuchs nen des 6. Bandes des ersten Teils des LUB der Quellen- bestand bis zum Jahre 1416, dem Todesjahr des Churer Bi- schofs Hartmann IV. von Werdenberg-Sargans-Vaduz, fer- tig gestellt werden konnte. Die in diesen sechs Bänden edierten Zeugnisse aus schweizerischen (Bde. 1–2, bearb. v. Franz Perret, Bd. 6, bearb. v. Otto P. Clavadetscher), österreichischen (Bd. 3, bearb. v. Benedikt Bilgeri), liech- tensteinischen (Bd. 4, bearb. v. Georg Malin) und deut- schen Archiven (Teilbde. 5A/5B, bearb. v. Benedikt Bilgeri) bilden das Rückgrat der liechtensteinischen Geschichts- forschung bis zum Jahre 1416.

Das laufende Projekt: Das LUB II/1

Nachdem der Landtag 1997 einen Verpflichtungskredit für die Weiterführung des LUB über einen Zeitraum von sechseinhalb Jahren bewilligt hatte, konnten die Arbeiten am zweiten Teil des LUB aufgenommen werden. Für diese Arbeit wurde Claudius Gurt mit einer Verpflichtung von 50 Prozent angestellt. 2003 bewilligte der Landtag einen wei- teren Verpflichtungskredit, womit der Einbezug der in aus- ländischen Archiven liegenden, für Liechtenstein relevan- ten Quellen in das LUB ermöglicht wurde. Finanziell gesi- chert ist derzeit die Arbeit an diesem Grundlagenwerk bis 2010. Ziel des ersten Bandes des LUB II ist die Edition der in in- und ausländischen Archiven liegenden Quellen für die Zeit der Herrschaft der Freiherren von Brandis (1417– 1510) in der Grafschaft Vaduz, der Herrschaft Schellenberg sowie in den Herrschaften Blumenegg (Vorarlberg, A) und Maienfeld (Graubünden, CH), die zeitweise in ihrem Besitz standen. Die Bearbeitung der in liechtensteinischen Ar- chiven liegenden schriftlichen Zeugnisse für die Jahre 1417 bis 1510 konnte inzwischen abgeschlossen werden, die Die Editionen: Zugang leicht gemacht

146 I das Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein unter wird, gibt Auskunft über die Schriftzeugnisse, die für die ihrer Herrschaft, die sie 1437 mit dem Erwerb der Herr- Publikation im LUB II/1 vorgesehen sind. schaft Maienfeld noch ausdehnten. Mit dem Verkauf der Herrschaft Maienfeld an die Drei Bünde und des übrigen Besitzes an den mit Verena von Brandis verheirateten Gra- Ausblick: Die zukünftige Arbeit am LUB fen Alwig von Sulz endete 1510 die Herrschaft der Frei- herren von Brandis. Ein Urkundenbuch, das der wechselvollen Geschichte des Staates Rechnung trägt und tragen muss, kann und darf sich in Liechtenstein nicht auf die Publikation der im eige- Online-Version des LUB II nen Land überlieferten Quellen beschränken. Der nach- weisbare grosse Quellenverlust zwingt zur Überwindung Das LUB II digital (www.lub.li) ist eine Online-Version des einer auf das heutige Staatsgebiet eingeschränkten Quel- LUB II, wobei alle Informationen eines gedruckten Urkun- lenoptik und rechtfertigt den Einbezug des in ausländi- denbuchs abgerufen werden können. In einer gleichsam schen Archiven liegenden Quellenmaterials. Nebst der Ver- rollenden Edition werden die bearbeiteten Urkunden ins ortung des LUB in räumlicher Hinsicht gilt es auch dessen Netz gestellt und der Geschichtsforschung zugänglich ge- zeitliche Dimension zu berücksichtigen. Mit der Edition der macht. Der Benutzer kann neben der vollständigen Text- Schriftdokumente bis 1510 wird das LUB ein weiteres edition auch die durch Personen-, Orts- und Sachregister wichtiges Etappenziel erreichen, aber noch längst nicht am erschlossenen Informationen einsehen. Zusätzlich kann Endziel sein. So harren die umfangreichen Quellenbe- sich der Besucher eine Abbildung der Urkunde anschauen stände über die Herrschaftszeit der Grafen von Sulz (1510– und erhält so die Möglichkeit, die Textedition anhand der 1613) und der Grafen von Hohenems (1613–1699/1712) Abbildung zu überprüfen. Mit der digitalen Version des auf ihre Veröffentlichung. Schliesslich – allerdings wohl LUB II lässt sich der für die Mittelalter-Forschung zentra- erst in einer fernen Zukunft des LUB – könnten dereinst len Aufforderung «ad fontes» nachkommen, wird dem Be- die wichtigen Schriftzeugnisse zur Landesgeschichte unter nutzer doch der Weg «zu den Quellen» per Mausklick er- dem liechtensteinischen Fürstenhause in angemessenem möglicht. Die Regestensammlung, die laufend aktualisiert Rahmen im LUB ediert werden. (CG)

Die in Frauenfeld versammelten Sendboten und Ratsherren der eidgenössischen Tagsatzung überge- ben Ludwig von Brandis die ihm im Schwabenkrieg entzogene Grafschaft Vaduz und entlassen die Un- tertanen aus ihren gegenüber den Eidgenossen ge- leisteten Eiden, 1499. Regesten aus dem Tiroler nicht als strikte Grenze verstanden, vielmehr sollten ange- I 147 Landesarchiv fangene Reihen abschlossen werden. Dies führte dazu, dass auch für das 19. Jahrhundert eine umfangreiche Das Tiroler Landesarchiv in Innsbruck ist für die liechten- Sammlung entstanden ist, wobei die Unterlagen aber meist steinische Geschichte bis um 1800 eines der wichtigsten nicht mehr auf Stufe Einzeldokument, sondern nur noch Archive, da bei den Innsbrucker Behörden viele politische, auf Stufe Akte erfasst wurden. kriegerische und kirchliche Vorgänge einen schriftlichen Inhaltlich stehen die vielfältigen Quellen zu den Bezie- Niederschlag gefunden haben. Von Oktober 1982 bis No- hungen zwischen den Habsburgern und den Landesher- vember 1995 durchsuchte Dr. Karin Auer (Innsbruck) im ren von Vaduz im Vordergrund. Besonders reich ist das Auftrag des Liechtensteinischen Landesarchivs die Be- Material zu den Sulz und Hohenems, während die Brandis stände des Tiroler Landesarchivs nach Liechtenstein-Be- und Liechtenstein spärlicher dokumentiert sind. Gut be- treffen. Systematisch durchsucht wurden die Bestände bis legt sind die wiederholten Kaufabsichten der Habsburger 1780; für das 19. Jahrhundert wurden nur noch einzelne in Bezug auf Vaduz und Schellenberg. Interessante Mate- Schwerpunkte gesetzt. Insgesamt entstand eine Regesten- rialien sind zur Misswirtschaft der Hohenems und zu den sammlung im Umfang von fast 2000 Seiten, die auf der Hexenprozessen zu finden. Kriegszeiten sind mit Berichten Homepage des Landesarchivs eingesehen werden kann. über Einquartierungen, Ausrüstungsproblemen, Verprovi- Bereits im Jahrbuch des Historischen Vereins von 1936 antierungen usw. generell besser dokumentiert als Frie- veröffentlichte Rupert Ritter Regesten zu den «Liechten- denszeiten. Auch zu einzelnen Gemeinden (bes. Balzers steinischen Urkunden im Landesregierungsarchiv Inns- und Bendern) und kirchlichen Fragen (insbes. Patronats- bruck». Ihm dürfte kaum bewusst gewesen sein, welche rechte und -pflichten) ist Material vorhanden, ebenso zu Schätze das Tiroler Landesarchiv aus Liechtensteiner Sicht wirtschaftlichen (bes. Handel und Verkehr) und rechtlichen sonst noch beherbergt. Die ältesten Bestände wurden von Angelegenheiten (v.a. Kompetenzstreitigkeiten). Neben Benedikt Bilgeri erfasst, der für das Liechtensteinische Ur- den Beziehungen zu den Landesherren bilden der Unter- kundenbuch den Zeitabschnitt bis 1416 bearbeitete. Wei- halt und die Besatzung auf Burg Gutenberg einen zweiten tere Hinweise auf Quellen im Tiroler Landesarchiv stam- Schwerpunkt. Allgemein gilt, dass die Quellenlage im men von Eduard Widmoser, der ein Verzeichnis mit 28 Ur- 18. Jahrhundert zunehmend schlechter wird als in früheren kunden aus dem Steueramt Feldkirch erstellte, das jedoch Jahrhunderten, da Innsbruck im Vergleich zu Wien an Be- nie publiziert wurde. Unsystematische Notizen zu Quellen deutung einbüsste. im Tiroler Landesarchiv stammen ferner von Otto Seger und von Franz Büchel, die im Tiroler Landesarchiv gear- beitet haben. Ihre Aufzeichnungen sind wegen der unge- nauen Quellenangaben kaum nutzbar. Den Anstoss zur systematischen Erfassung der Quel- len im Tiroler Landesarchiv gab das Hochbauamt in Vaduz, das anlässlich der Renovation der Burg Gutenberg eine baugeschichtliche Dokumentation durch das Liechtenstei- nische Landesarchiv erstellen lassen wollte. Ein entspre- chender Auftrag erging dann an Dr. Karin Auer, die wäh- rend 13 Jahren in Teilzeit (ca. 25 %) an diesem Projekt ar- beitete. Ihr Auftrag lautete, nicht nur Archivalien zu Gu- tenberg, sondern zu Liechtenstein und den ehemaligen Landesherren zu erfassen. Aufgrund des ursprünglichen Vorhabens (baugeschichtliche Dokumentation zu Guten- berg) entstand eine Regestensammlung in zwei Abteilun- gen: Die erste Abteilung (779 Seiten) umfasst die Regesten zur Burg Gutenberg. Gesucht wurde hier nach den Stich- wörtern «Gutenberg» und «Ramschwag». Die zweite Ab- teilung (1208 Seiten) enthält alle übrigen Regesten zu Liechtenstein. Die Regesten sind nach den Beständen im Tiroler Landesarchiv gegliedert. Für jedes Dokument wurde ein Kopfregest mit Angabe der Archivsignatur, des Datums, bei Akten der Blattzahl, bei Handschriften der Ent- stehungszeit sowie der Seite erstellt. Zeitlich wurde die Er- fassung auf die Zeit vor 1780 eingeschränkt, weil danach die Quellen im Liechtensteinischen Landesarchiv dichter werden und einer Ersatzdokumentation nicht mehr der gleiche Stellenwert zukommt. Das Jahr 1780 wurde jedoch Die Editionen: Zugang leicht gemacht

148 I Regesten betreffend Liechtenstein

Zeitraum Zeitraum Betreffe Bestand Betreffe Bestand 1200–1795 Schatzarchiv Urkunden I und II 1361–1520 Libri Fragmentorum (1361–1523, 10 Bde.) (1004 bis 1914, 11 Kästen) 1413–1416 Fridericiana (Akten ca. 1400–1436) 1527–1783 Hofkammerkanzleibücher betreffend Tirol 1581–1692 Parteibücher (1523–1781) und die Vorlande 1664–1744 Bescheidbücher (1664–1745) – allgemeine österreichische Hofkammer in Wien (1527–1566, 18 Grossfoliobände) 1720–1845 Karten und Pläne – oberösterreichische Hofkanzlei in Innsbruck 1564–1595 O.Oe. Hofregistratur Reihe B, Fasz. 1–112 (1567 bis 1594, 52 Grossfoliobände) 1595–1619 O.Oe. Hofregistratur Reihe C, Fasz. 1–171 – «Ausgangne Regimentssachen» und 1619–1632 O.Oe. Hofregistratur Reihe D, Fasz. 1–152 «Ausgangne Camersachen» (1603–1624, 1619–1642 O.Oe. Hofregistratur Reihe D, Fasz. 153–184 je 2 Bände pro Jahr) – «Ausgangne Schriften» (1624–1782) 1633–1648 O.Oe. Hofregistratur Reihe E, Fasz. 1–142 1587 Ferdinandea (Rep. 17 u. 17a), strittige Partei- 1620–1642 Geheimer Rat, Kriegssachen (1603–1651, sachen XXXII, Litt. S, Fasz. 119, 2 Blatt früher: Hofregistratur Reihe E, Sonderfasz. Kriegs- u. Hofsachen 143–147 u. 150–157) 1642–1650 Leopoldinum (Rep. B19 u. B358), Litt. F, Nr. 15 1393–1614 Parteibriefe (Urkunden, 1192–1803) 1731–1870 Cattanea (Repert. 26 u. 27), Pos. 595, Fasz. 62, 1583–1658 Extra-Cameralia (ca. 1531–1767) fol. 1–950 (dicker Aktenstoss betr. Pfarrei (1478–) Kais. Kanzlei Wien/Prag, Einlauf, Karton 1–29 Balzers) 1525–1560 (früher: Hofregistratur Reihe A, Akten 1501–1796 Kanzleibücher der Kammer, ca. 1520–1564) Jüngere Reihe (1501–1797) 1566–1668 Konfirmationsbücher Reihe I–III (1525–1782) 1392–1560 Grenzakten, Abteilung III (1400–1820, darin: 1528–1560 Kais. Kanzlei Wien/Prag (ca. 1520–1564, Auslauf, Streit Grafen von Sulz mit Glarus betr. Gerichts- Karton 30–39, früher: Hofregistratur Reihe A a) barkeit, Forst und Wildbann 1560/61, Laufender 1630–1707 Vorländische (Vorarlberger) Prozessakten Fasz. 87, Fasz. 41, Pos. 5, 14 Blatt) (ca. 1550–1780, Rep.130) 1564–1621 Kunstsachen Reihe I (ca. 1500–1800) 1509–1647 Aussertirolische Sonderbestände (Herrschaft 1640–1742 Sammelakten der o.ö. Regierung und Kammer Rhazüns; Veltliner Akten I–III, 1509–1806) Reihe B und C 1603 Dienstreverse (ca. 1520–1800, Rep. 248 a) 1608–1609 Amraser Memorabilien (diverse Behörden, 1534–1660 Kameralarchiv, Älteres (ca. 1550–1827, 15. bis 18. Jh.) Urkunden) 1523–1665 Buch Walgau (Auslauf der Regierung, 1412–1742 Präsentationsbücher (ca. 1280–1780, 17 Bde., 1523–1665) Liber I–VI, HS. 3164–3169) 1662–1665 Oberstjägermeisteramt, Mischlingsbücher oder 1560–1696 Pflichtbücher über die Beeidigung sämtlicher Recordinische Bücher (190 Bde., ca. 1600–1800) tirolischer Beamten (1560–1780, HS. 61 1492–1722 Sammelakten Reihe B und E und 428) 1501–1782 Prozessbücher (1498–1782, über 100 Bde. 1288–1310 Haidacher Christoph: Die älteren Tiroler mit Urteilen) Rechnungsbücher, Innsbruck 1993 1519–1782 Kanzleibücher der o.ö. Regierung 1468–1519 Kopialbücher, Ältere Reihe (1466–1523) (1519–1782, 195 Bde.) 1470–1503 Alte Bekennen (1496–1783, HS. 458) 1460–1736 Raitbücher der o.ö. Kammer, Jüngere Reihe 1471–1472 Konzeptbücher der Kanzlei Herzog Sigmunds (1454–1751, über 360 Bde.) (1457–1479, HS. 123) Regesten betreffend Gutenberg I 149

Zeitraum Zeitraum Betreffe Bestand Betreffe Bestand 1322–1518 Putsch-Repertorium (Rep. 7, A–N) 1733–1868 Lehenamtsbücher (1523–1910, Rep. 56–71) 1609–1818 Cameral Cattanea (Repert. 28), Nr. 310 1888–1893 Lehen–Allodialisierungs–Landes–Kommission 1536–1748 Kanzleibücher (Akte Franz Wolfinger) – allgemeine österreichische Hofkammer in Wien 1789 Lehenurkunden (ca. 1300–1850, Rep. 73 u. 74) (1527–1566) 1527–1755 Parteibücher (1523–1781) – oberösterreichische Hofkanzlei in Innsbruck 1670–1732 Bescheidbücher (1664–1745) (1567–1594) – «Ausgangene Regimentssachen» und 1595 Pestarchivakten (ca. 1500–1700, Rep. 13) «Ausgangene Camersachen» (1603–1624) 1630–1717 Dienstreverse (ca. 1520–1800, Rep. 248 a) – «Ausgangne Schriften» (1624–1782) 1567–1593 O.Oe. Hofregistratur Reihe B, Fasz. 1–112 1514 Maximiliana (Rep. 15) 1603–1619 O.Oe. Hofregistratur Reihe C, Fasz. 1–171 1447–1461 Sigmundiana (Rep. 15) 1619–1632 O.Oe. Hofregistratur Reihe D, Fasz. 1–152 1533–1648 Handschriftenkatalog (Rep. 42), B XXVIII 1618–1634 O.Oe. Hofregistratur Reihe D, Fasz. 153–184 1590 Ältere Cameralakten und Miscelanea (Rep. 23), 1633–1648 O.Oe. Hofregistratur Reihe E, Fasz. 1–142 Nr. 582, 14 Blatt 1636–1620 Geheimer Rat, Kriegssachen 1496–1796 Kanzleibücher der o.ö. Kammer und Regierung, (1603–1651, früher: Hofregistratur Reihe E, Jüngere Reihe (1496–1796) Sonderfasz. Kriegs- u. Hofsachen 143–147 u. 1624 Sammelakten der o.ö. Reg. und Kammer 150–157) (16.–18. Jh., Reihe B) 1534–1550 Kais. Kanzlei Wien/Prag, Einlauf, Karton 1–29 1544 Grenzakten, III. Abt. (1400–1820) (früher: Hofregistratur Reihe A) 1561–1599 Pestarchiv–Akten (ca. 1500–1700, Rep. 12) 1545–1557 Kais. Kanzlei Wien/Prag (ca. 1520–1564, 1543–1663 Buch Walgau (1523–1665, 17 Bde.) Auslauf, Karton 30–39, früher: Hofregistratur 1537 Prozessbücher (1498–1782, über 100 Bde. Reihe A a) mit Urteilen) 1368–1799 Kameralarchiv, Älteres 1526–1778 Kanzleibücher der o.ö. Regierung (1519–1782, (ca. 1550–1827, Urkunden 195 Bde.) 1481–1500 Kopialbücher, Ältere Reihe (1466–1523) 1464–1751 Raitbücher der o.ö. Kammer, Jüngere Reihe 1461 Konzeptbuch der Kanzlei Herzog Sigmunds (1454–1751, über 360 Bde.) (1457–1479, HS. 111) 1650–1718 Pfandschaftsakten (15.–19. Jh., Rep. 117 a) 1470 Alte Bekennen (1496–1783, HS. 458) 1568–1696 Inventare (Schloss Gutenberg Rep. 244 a) 1473 Konzeptbuch der Kanzlei Herzog Sigmunds 1341–1474 Libri Fragmentorum (1351–1523, 10 Bde., (1457–1479, HS. 123) Rep. 57 u. 58) Die Editionen: Zugang leicht gemacht

150 I Regesten aus dem Vorarlberger fassung der St. Johanner Güter bietet vor allem ein St. Gal- Landesarchiv ler Klosterdruck von ca. 1725, welcher eine Vielzahl be- sitzgeschichtlich wichtiger Urkunden überliefert. Ein Rupert Tiefenthaler (1996–2001) und Lukas Ospelt (2002– Exemplar mit den Urkunden für Vorarlberg und Liechten- 2006) durchsuchten im Auftrag des Liechtensteinischen stein (Vaduz, Schaan, Balzers und Triesen) befindet sich Landesarchivs die wichtigsten Bestände des Vorarlberger im Vorarlberger Landesarchiv. Landesarchives nach Liechtenstein-Betreffen bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Regesten sind auf der Homepage des Landesarchivs abrufbar. Noch nicht durchgeschaut Kloster Altenstadt wurden der Bestand Vogteiamt Bludenz und die Urkunden. Beide Bestände sind aber inzwischen gut erschlossen, die Ein Zinsbuch des Ende des 15. Jahrhunderts gegründeten entsprechenden Findbücher sind auf der Homepage des Dominikanerinnenklosters Altenstadt mit der Laufzeit von Vorarlberger Landesarchivs einsehbar. 1693 bis 1721 bezieht sich auf Kapitalien, die u.a. in die Grafschaft Vaduz und in die Herrschaft Schellenberg ver- liehen wurden. Landgericht Rankweil

Das «freie kaiserliche Landgericht zu Rankweil in Müsi- Kloster St. Luzi in Chur nen», welches im 13. Jahrhundert aus einem Gaugericht entstanden ist, war ein reines Zivilgericht, dessen Ge- Das 1149 urkundlich erstmals genannte Kloster St. Luzi richtssprengel ursprünglich ganz Rätien umfasste. Das wurde 1160 offiziell dem Prämonstratenserorden übertra- Landgericht Rankweil als ein überterritoriales Gericht hatte gen. 1453 wurde die Propstei in eine Abtei umgewandelt. die politische Aufgabe, den zentrifugalen Kräften entge- 1806 löste sich der Konvent auf. Nach der Vertreibung aus genzuwirken und die Reichsgewalt zu stärken. In die Kom- der Stadt Chur 1538 liessen sich die Prämonstratenser bis petenz des Landgerichtes fielen zivilrechtliche Streitfälle 1636 in Bendern nieder. Für die Geschichtsforschung in (Weide- und Alpstreitigkeiten, Holzrechte, Wuhrungen) Liechtenstein wichtig ist eine Abschrift des Benderer Ur- und Fälle der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Testamente, Erb- bars aus dem Jahr 1728, das eine Vielzahl von Liechten- verträge, Schenkungen und Vidimierungen). Nach dem stein-Betreffen (u.a. Flurnamen in Eschen, Bendern, Gam- Schwabenkrieg von 1499 hörte jede Gerichtsbarkeit des prin, Ruggell, Schaan, Vaduz) enthält. Landgerichts jenseits des Rheines auf. Loslösungstenden- zen zeigten auch die reichsunmittelbaren Herrschaften Ho- henems, Vaduz, Schellenberg und Blumenegg. Gerade Priorat St. Johann in Feldkirch Vaduz und Schellenberg haben dem Landgericht immer wieder Schwierigkeiten bereitet, zumal diese durch kai- Das Kloster St. Johann wurde 1218 als Johanniterkom- serliche Privilegien von der Jurisdiktion fremder Gerichte mende gegründet. 1610 wurde es von der Benediktiner- befreit waren. 1806 wurde das Landgericht aufgehoben. abtei Weingarten übernommen und ab 1617 als Priorat ge- Für Liechtenstein finden sich im Rahmen der Kompetenz- führt. 1696 erfolgte der Übergang an die Benediktinerab- streitigkeiten zwischen dem Landgericht Rankweil und tei Ottobeuren. Die Aufhebung des Priorates erfolgte 1803. dem liechtensteinischen Oberamt Abschriften für die Der Kirchensatz zu Mauren gehörte seit 1382 zum Johan- Exemtion der Grafschaft Vaduz bzw. des Fürstentums niterhaus in Feldkirch, 1416 wurde die Pfarrei Mauren dem Liechtenstein aus den Jahren 1492, 1507 und 1719. Wei- Orden inkorporiert. 1714 verzichtete Ottobeuren auf das tere Themen waren: Streitigkeiten zwischen den Gemein- Präsentationsrecht in der Pfarrei Mauren zugunsten der den wegen gemeinsamer Güter oder Wege, z.B. der Weg- Stadt Feldkirch. Neben den Urbaren des Klosters aus dem streit zwischen Ruggell und Bangs 1735; Prozesse der zwi- 18. Jahrhundert finden sich u.a. die Kirchenrechnungen schen 1745 und 1747 in Liechtenstein wohnhaften Juden; für Mauren von 1687 bis 1694 und von 1702 bis 1724. Differenzen mit dem liechtensteinischen Oberamt, insbe- sondere 1721 ff., als der Landgerichtsgefällseinzieher über neun Wochen in Vaduz festgehalten wurde. Reichsherrschaft Blumenegg

Nach verschiedenen Besitzerwechseln kam Blumenegg Kloster St. Johann im Thurtal Ende des 14. Jahrhunderts von den Werdenbergern an die Freiherren von Brandis. 1510 erwarben die Grafen von Sulz Die Abtei St. Johann im Thurtal, welche 1152 erstmals ur- die Herrschaften Vaduz, Schellenberg und Blumenegg. kundlich belegt ist, wurde 1555 dem Stift St. Gallen inkor- 1612/1614 kaufte das Reichsstift Weingarten die reichs- poriert und als st. gallisches Priorat und Statthalterei ge- freie Herrschaft Blumenegg. 1802 kam Blumenegg an den führt. Zur Auflösung des Priorates kam es 1806 im Gefolge Fürsten von Oranien-Nassau und 1804 an das Haus Öster- der Säkularisation des Stiftes St. Gallen. Eine Zusammen- reich. Der Bestand im Vorarlberger Landesarchiv betrifft vornehmlich die Brandisische und Sulzische Zeit des spä- der dem Feldkircher Priorat St. Johann gehörigen Güter in I 151 teren Fürstentums Liechtenstein. Es finden sich u.a. die Mauren 1808, zur Pfarrhofrenovierung in Balzers 1775 bis Regestenzusammenstellung des Klosters Mehrerau über 1777, zur Rhein- und Illüberschwemmung 1808, zur Re- die Blumeneggischen Akten, die bis 1391 zurückreicht. paratur des Zehentstadels in Gamprin 1814 sowie zum Ju- Weiters finden sich die Schätzungen der Herrschaften risdiktionsstreit zwischen der Burg Gutenberg und den Vaduz und Schellenberg mit den Angaben der «Husröchi- Grafen von Sulz 1594 (mit Vorakten seit 1464). nen» und der Einwohner. Diese Schätzung steht im Zu- sammenhang mit der Kaufabrede des Grafen Karl Ludwig von Sulz mit dem Kloster St. Gallen 1612. Die Bemühun- Herrschafts- und Oberamtsarchiv Bregenz gen, das Lehen des Kaspar von Ramschwag zu Triesen zu verkaufen, fallen in die Jahre 1601 bis 1609. Für 1649 ist 1750 wurde das seit 1726 bestehende Oberamt in Bregenz ein Hexenprozess überliefert. Im 17. und 18. Jahrhundert Landvogtei, der alle Herrschaften vor dem Arlberg unter- verstärken sich die Bemühungen, von der Gerichtsbarkeit standen. 1786 wurde anstelle der Landvogtei ein Kreis- und des Landgerichts Rankweil befreit zu werden, so 1652, Oberamt errichtet. Unter bayerischer Herrschaft bestand 1722, 1724, 1744 und 1747. dieses zunächst als provisorisches Kreiskommissariat wei-

Ortsgericht Rankweil-Sulz

In diesem Bestand finden sich z.B. mehrere Zusammen- stellungen über die Ein- und Auswanderung in das Gericht, die – ebenso wie die Heiratsgesuche – die Beziehungen zu Das älteste in Liechtenstein ausgestellte Dokument (1314) ist in einer Abschrift im Vorarlberger Landesarchiv erhalten. Liechtenstein aufzeigen. 1788 sind die Schellenberger Be- sitzungen in den österreichischen Landen und die Steuer- leistungen angegeben. Protokolle der im Jahr 1800 bei Bet- telstreifen aufgegriffenen Personen, die nach Liechtenstein abgeschoben werden, vermitteln die oft ausweglose Situa- tion der «Vaganten».

Vogteiamt Feldkirch

Schwerpunkte der Aktenüberlieferung betreffen die Alpe Guschgfiel 1693, die Freizügigkeit zwischen der Herrschaft Schellenberg und dem Landgericht Rankweil u.a. 1513, die Grenzziehung zwischen Vorarlberg und Liechtenstein 1764 und den Grenzstreit 1787/1788, die Landsrettungs- ordnung 1543, die Pfarrbesetzung in Mauren 1786, das Rod- und Fuhrwesen in Liechtenstein, die Schatzgräber- gesellschaft in Schellenberg 1789 sowie die Wuhrangele- genheiten in Ruggell u.a. 1719. Die Urkunden des Vogtei- amtes Feldkirch beinhalten u.a. Lehensangelegenheiten im Zusammenhang mit der Burg Gutenberg zwischen 1412 und 1474. In den Handschriften und Codices des Vogtei- amtes findet sich etwa ein Raufhandel zwischen Eschner- bergern und Noflern mit tödlichem Ausgang 1678, der Streit zwischen Ruggell und Bangs um das Weiderecht auf den Maiengütern 1724 und 1735 die Zeugenaussage in einem Hexenprozess.

Vorarlberger Akten

Der Bestand, welcher vom Statthaltereiarchiv Innsbruck übernommen wurde, enthält umfangreiche Hinweise zu Liechtenstein. Es liegen z.B. Akten vor zu den Reparatio- nen am Pfarrhaus in Bendern 1811 bis 1814, zum Verkauf Die Editionen: Zugang leicht gemacht

152 I ter, wurde dann aber 1808 aufgehoben. Das 1814/1815 Regesten aus dem Österreichischen wieder errichtete Kreisamt wurde 1860 endgültig aufge- Staatsarchiv lassen. Für Liechtenstein sind in den Akten relativ wenige Betreffe vorhanden, nämlich die Verproviantierung von Gu- Das Österreichische Staatsarchiv (ÖStA) in Wien ist eines tenberg 1656, die Differenzen mit Werdenberg wegen der der wichtigsten Archive Europas. Als Residenzstadt vieler Rheinbrücke in Balzers 1721/1722 sowie die kaiserliche Kaiser des Heiligen Römischen Reiches bildete Wien über Konfirmation der liechtensteinischen Privilegien 1773. Das einen langen Zeitraum das Herzstück der mitteleuropäi- Herrschafts- und Oberamtsarchiv wurde inzwischen mit schen Zentralverwaltung für ein riesiges Reich. Als Kon- dem Kreisamtsarchiv Bregenz zusammengelegt. sequenz findet man in diesem Archiv auch wichtige Quel- len zur Landesgeschichte Liechtensteins, denn Vaduz und Schellenberg waren seit dem Mittelalter Teil des Heiligen Nachlässe und Deposita: Bilgeri Selekt Römischen Reiches und ab dem 14. Jahrhundert reichs- unmittelbare Lehen der Adelsfamilien Werdenberg-Sar- Der Archivkörper beinhaltete Unterlagen verschiedener gans, Brandis, Sulz, Hohenems und zuletzt der Namens- Provenienzen, die Benedikt Bilgeri für seine Forschungen geber von heute, der Familie Liechtenstein. zusammengestellt hatte. Nach dessen Ausscheiden aus Ein unerwartet reicher Schatz an Quellen befindet sich dem Vorarlberger Landesarchiv bildeten diese vorerst vor allem in der Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv einen Selekt, der jedoch nach der Erstellung der Regesten (HHStA). An erster Stelle sind die Bestandsgruppen für das Liechtensteinische Landesarchiv aufgelöst wurde. Reichshofrat zusammen mit der Reichskanzlei, den An- Der Bestand enthielt einige Liechtenstein-Betreffe, so die laufstellen für alle rechtlichen Belange unmittelbarer in Feldkirch erlassene Verteidigungsordnung von 1531, Reichslehen, zu nennen. Hier finden sich Erwähnungen den Streit zwischen Ruggell und Rankweil wegen Holz- von Vaduz als Gericht ab dem 15. Jahrhundert. Im 17. Jahr- nutzung, Wunn und Waid 1737 oder die Anstände und Er- hundert, als Vaduz und Schellenberg Lehen der Grafen von läuterungen zu den Lehengütern des Klosters St.Luzi 1767. Hohenems waren, verdichtet sich die Dokumentenfülle hin- sichtlich der Lehensakten und Justizangelegenheiten. Von grosser Bedeutung sind im Reichshofrat in erster Linie alle Reichsgrafschaftsarchiv Hohenems Unterlagen zur Verschuldung der beiden Herrschaften unter den Hohenems und schliesslich der Verkauf an die Zwischen 1613 und 1712 war die Grafschaft Vaduz und Fürsten von Liechtenstein. Die Gutachten und Protokolle zwischen 1613 und 1699 die Herrschaft Schellenberg im ermöglichen ein genaues Bild über die Hexenprozesse und Besitz der Grafen von Hohenems. Über diesen Zeitraum das Verhalten der Grafen von Hohenems. hinaus ergaben sich vielfältige Beziehungen zwischen Ho- Im Weiteren beinhalten die bisher nur stichprobenartig henems und Vaduz. Das Reichsgrafschaftsarchiv umfasst gesichteten Bestände der Österreichischen Akten der Be- 3700 Urkunden, etwa 380 Bücher und 300 Schachteln mit standsgruppe Reichskanzlei betreffend Tirol und die Vor- Akten. Die Urkunden und Amtsbücher sind für Liechten- lande sowie die Schwäbischen Kreisakten und das Reichs- stein wenig ergiebig, die Akten hingegen enthalten einige taxamt viele Informationen. Diese Bestände lassen Unter- interessante Liechtenstein-Betreffe (v.a. unter der Akten- lagen zur Verwaltung der Reichslehen erwarten. position 510 «Grafschaft Vaduz und Herrschaft Schellen- In der Abteilung Kriegsarchiv sind Unterlagen über die berg».) Aus der Zeit der Grafen von Sulz finden sich etwa Auswirkungen verschiedener Kriege und der Truppen- Unterlagen zum Triesner Wuhr aus den Jahren 1506, 1552 durchzüge und Winterquartiere ab dem 16. Jahrhundert und 1562. 1591 protestierte die Stadt Feldkirch gegen die bis zu Napoleon I. zu finden. Auch in diesen Beständen von Graf Karl Ludwig von Sulz vorgenommene Inhaftie- dürften sich Quellen zur liechtensteinischen Landesge- rung ihrer Ausbürger, die in Ruggell ansässig waren. Die schichte finden. Exzesse französischer Soldaten in Balzers führten 1624 zu Im Hofkammerarchiv, einer weiteren Abteilung des einer Korrespondenz wegen Neutralitätsverletzung. Im ÖStA, befinden sich die Akten der Hoffinanz. Da das Haus Dreissigjährigen Krieg wurden Soldaten in der Grafschaft Liechtenstein wichtige Funktionen in der Verwaltung der Vaduz einquartiert (z.B. 1628). Das 1626 aufgerichtete Fi- Habsburgermonarchie wie auch des Heiligen Römischen deikommiss sicherte die Herrschaften Vaduz und Schel- Reiches wahrnahm, sind auch hier entsprechende Liech- lenberg als Teil des unveräusserlichen Hohenemser Erbes. tenstein-Akten zu erwarten. Mit den österreichischen und hohenemsischen Untertanen Die Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv des ÖStA wurde 1660 ein Vergleich über das Fuhrwesen geschlos- bewahrt einerseits die Reichsadelsakten mit allen Stan- sen. Die kaiserliche Zwangsverwaltung der hohenemsi- deserhöhungen und den dazu gehörenden Privilegien auf, schen Besitzungen findet auch im Reichsgrafschaftsarchiv andererseits auch verschiedene Familienarchive. Diese Ab- ihren Niederschlag. Die Vaduzer Gerichtssachen bilden teilung dürfte besonders im Zusammenhang mit den Fa- keinen geschlossenen Bestand; zwischen 1620 und 1762 milien Hohenems und Liechtenstein sehr ergiebig sein, sind lediglich 14 Fälle überliefert. (LO) ebenso müssen die Familien Schellenberg, Brandis und Sulz und all jene Adelsfamilien, die in intensivem Kontakt mit diesen Familien standen, untersucht werden. An dieser I 153 Stelle seien vorläufig nur zwei Familien genannt, nämlich das Haus Harrach und das Haus Trauttmansdorff, doch sol- len im Laufe der Zeit auch weitere Familienarchive nach Liechtensteinensia durchforstet werden. Schliesslich dürfen die allgemeinen Urkunden der Ab- teilung HHStA aus dem Mittelalter nicht unbeachtet blei- ben. Hier haben Stichproben gezeigt, dass viele Urkunden der Familien Schellenberg und Montfort die Herrschaften Dr. Katharina Arnegger mit dem Salzburger Vaduz und Schellenberg betreffen. Rechtsgutachten zu den Hexenprozessen aus Ein abschliessender Zeitsprung ergibt sich noch mit dem Österreichischen Staatsarchiv der Sichtung der Bestände zur Diplomatie und Aussenpo- litik Österreichs im HHStA, in denen Liechtenstein als selb- ständiger Staat behandelt wird. Informationen hierzu sind ab dem 18. Jahrhundert vorhanden. Begonnen wurde mit dem Projekt «Liechtensteinensia im Österreichischen Staatsarchiv Wien» im Frühjahr 2007. Nach einer kurzen überblicksartigen Durchsicht verschie- dener Abteilungen wurde mit der genauen Sichtung und Bearbeitung verschiedenster Bestände und Serien aus der Bestandsgruppe des Reichshofrats und gleichzeitig ergän- zend aus der der Reichskanzlei begonnen. Obwohl uner- wartet viel Material in den Beständen des Reichshofrats enthalten ist, wird diese Bestandsgruppe voraussichtlich im Herst 2009 abgeschlossen werden. Nach Fertigstellung der Regesten des Reichshofrats wird die Sichtung und Be- arbeitung der Bestände der «Reichskanzlei» im HHStA fort- gesetzt. In den Beständen der Reichskanzlei fehlt noch die Sichtung der grossen Serien der Schwäbischen Kreisakten und der Schwäbischen Bundesakten. Wie oben erwähnt, wird die Durchsicht und Erstellung von Regesten aus den anderen Abteilungen des ÖStA voraussichtlich noch meh- rere Jahre benötigen. (KA)

Letzte Seite des Gutachtens Die Editionen: Zugang leicht gemacht

154 I Edition historischer Rechtsquellen

Die Rechtsquellenedition ist ein bescheiden angelegtes Projekt: Es hat keinen festen Umfang, keinen fixen Zeitho- rizont, kein eigenes Personal und kein Budget. Entstanden ist die Idee aus der Erfahrung, dass immer wieder einzelne Rechtstexte nachgefragt, transkribiert und teilweise auch ediert werden, dass aber ein gemeinsames Dach für diese Arbeiten fehlte. Im Zusammenhang mit einem weiteren Projekt, der Edition zeitgeschichtlicher Quellen, bot sich Dienstinstruktion 1808 eine Internetlösung als gemeinsame, relativ kostengüns- tige Publikationsplattform an. Mit den vorhandenen Mit- teln soll eine Auswahl von wichtigen Rechtsvorschriften, die in Liechtenstein in Kraft standen, allgemein zugänglich gemacht werden. Dass auch Quellen aufgenommen wer- den, die nicht eigens für Liechtenstein erlassen wurden, ist eine Konsequenz aus der früheren Zugehörigkeit des Lan- des zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, zum Schwäbischen Reichskreis, zum Rheinbund und zum Deut- schen Bund. Diese inhaltliche Festlegung ist aber auch eine Konsequenz aus der Einbettung der Lokalverwaltung in Vaduz in die fürstlich liechtensteinische Gesamtadminis- tration: Zahlreiche vom Fürsten oder von der fürstlichen Zentralverwaltung in Wien erlassene Normalien, Instruk- tionen und Circularien wurden nicht speziell für Liechten- stein erlassen, sondern waren für alle liechtensteinischen Herrschaften in Österreich, Mähren und Böhmen be- stimmt. Der Begriff «Rechtsquelle» wird im engeren Sinn ver- standen: Es geht um die Edition von Rechtsvorschriften, die allgemein verbindlich waren, einen generell-abstrak- ten Charakter hatten und von einer hoheitlich legitimier- ten Stelle erlassen wurden: Staatsverträge, Verfassungen, Reichs- und Kreisschreiben, Gesetze, Verordnungen, lan- deshoheitliche Ordnungen, Normalien der Zentralverwal- tung, landesherrliche und oberamtliche Circularien, Statu- ten etc. Soweit Gemeinden als autonome Körperschaften Recht in Form von Gemeindeordnungen erliessen, fallen auch diese darunter. Nicht als Rechtsquellen im Sinne die- ses Projekts behandeln wir individuell-konkrete Verwal- tungs- und Gerichtsentscheidungen. Der Begriff wird im Übrigen inhaltlich definiert, nicht formal. Es ist nicht ent- scheidend, ob die Quelle zur Veröffentlichung bestimmt war oder sich an eine einzelne Behörde oder Person rich- tete. Als Rechtsquellen werden auch Dienstinstruktionen, Diensteide oder Gebühren- und Taxordnungen betrachtet, in denen die Aufgaben und Kompetenzen von Behörden oder Amtsleuten geregelt wurden. Aufgenommen werden schliesslich auch Verfassungsentwürfe des 19. Jahrhun- derts, weil sie von besonderem Interesse sind und häufig nachgefragt werden. Der Schwerpunkt der edierten Dokumente liegt auf Quellen im Liechtensteinischen Landesarchiv. Berücksich- tigt werden auch Quellen an anderen Standorten, soweit sie ohne grossen Aufwand greifbar sind. Im Zentrum des Interesses stehen grundlegende Rechtsdokumente – da- runter fallen etwa die Verträge betreffend den Kauf und Landsbrauch 1667 I 155

Urbar um 1700 Aus unserem Team

Stefan Frey: trationen betrifft. Diese fallen im Internet bedeutend um- Fakten fallen nicht vom Himmel fangreicher aus als in der Buchausgabe, zumal dort das ‹Platzangebot› nahezu unbeschränkt ist. Im Internet publi- Immer schon habe er sich gefragt, weshalb unsere Welt so zieren wir jedes Dokument auch als digitales Bild, eine sei, wie sie ist. Dies sei einer der Gründe gewesen, wes- wertvolle Möglichkeit vor allem für handschriftliche Doku- halb er sich zum Geschichtsstudium entschlossen habe, mente und Bemerkungen auf Akten, die wir im Buch nur sagt Stefan Frey, der bis 2011 an der Quellenedition über beschränkt veröffentlichen können.» die liechtensteinische Geschichte zwischen 1928 und 1950 Auf die Frage nach seinen persönlichen Gefühlen im arbeitet. Umgang mit den Fakten aus der Nazizeit betont er, dass «Fakten fallen nicht einfach vom Himmel», habe er sich ihn gewisse «üble» Dinge schon nicht kalt liessen, aber: schon in seiner Schulzeit gesagt, «deshalb wollte ich sie «Unser Bild über die Vergangenheit hängt von den Quellen ergründen.» So studierte Stefan Frey Allgemeine Ge- ab. Mit unserer Edition haben wir die Möglichkeit, die schichte sowie Deutsche Sprachwissenschaft und Compu- Grundlage für weitere Forschungen zusammenzustellen. terlinguistik. «Dabei habe ich als Schwerpunkt die Ge- Dabei gilt es, so objektiv wie möglich zu sein. Es liegt dann schichte des Spätmittelalters gewählt, wo vieles, was bis an anderen, gewisse Fäden aufzunehmen und dort weiter- heute von Bedeutung ist, seinen Ursprung hat.» zuforschen. Ich bin schon mal gespannt, was daraus ent- Als die 50-Prozent-Stelle für die Quellenedition ausge- steht.» schrieben gewesen sei, habe er sich gedacht, dass eine Ar- Für Spannung sorgen bei Stefan Frey neben seiner Pro- beit zur neueren Zeitgeschichte eine interessante Ab- jektarbeit aber auch noch andere Dinge. So erteilt er an wechslung sein könnte, «und das ist sie auch», stellt er fest. der Uni Zürich Studienanfängern Einführungsunterricht «Eine ganz spezielle Rolle spielt dabei die Kleinheit Liech- und widmet sich quasi «nebenbei» auch noch seiner Dok- tensteins. Während man in grösseren Staaten dafür eigene torarbeit, aber definitiv auf Trab gehalten wird er von sei- Nachforschungen anstellen müsste, spielt hier das Per- nem erst ein paar Monate alten Töchterchen, für das er sönliche untrennbar auch in das Offizielle hinein. Die Dinge auch mal Nachtschichten einlegt. (WN) liegen einfach ganz nahe beisammen, weshalb man viel de- taillierter vorgehen kann.» Ebenfalls habe es ihn gereizt, ein Projekt als Gesamtes zu betreuen. «Es umfasst von der Aufarbeitung der histo- rischen Quellen über die Herausgabe eines Buchs bis zur Veröffentlichung im Internet alles. Dabei eröffnet das In- ternet interessante Möglichkeiten, vor allem, was die Illus- Verkauf der Herrschaften, der Landsbrauch, die Polizei- I 157 ordnungen, Dienstinstruktionen, Verfassungen und Ge- meindegesetze. Ein wichtiges Auswahlkriterium ist somit die «historische Bedeutung» der Dokumente. Zeitlich beschränkt sich das Editionsprojekt auf die Zeit zwischen 1510 und 1921. Der Zeitraum vor 1510 wird durch das Liechtensteinische Urkundenbuch abgedeckt, das nicht konkurrenziert werden soll. Nach 1863 wurden Staatsverträge, Gesetze und Verordnungen im Liechten- steinischen Landesgesetzblatt publiziert, das inzwischen auch online zugänglich ist (www.gesetze.li). Diese bereits publizierten Texte finden hier keine Aufnahme, hingegen jene Rechtstexte, die dort nicht publiziert wurden, weil sie sich scheinbar an einen bestimmten Adressatenkreis wen- deten, tatsächlich aber auch für die Öffentlichkeit relevant waren (z.B. eine Instruktion von 1889 für die Matriken- führung durch die Geistlichen oder eine Verordnung von 1903 über die körperliche Züchtigung in der Schule).

Waldordnung 1732 Protokoll des Reichsfürstenrats Die Editionen: Zugang leicht gemacht

158 I Quellenpublikation zur liechtensteinischen Zeitgeschichte

In einem Anfang 2008 gestarteten, auf drei Jahre angeleg- ten Projekt wird im Liechtensteinischen Landesarchiv ein neues Quellenwerk erarbeitet, das eine wissenschaftliche Edition von zentralen Dokumenten zur Geschichte Liech- tensteins im Zeitraum 1928 bis 1950 bieten wird. Im Fol- genden sollen Hintergrund und Ziele dieses Projekts kurz vorgestellt werden. Flugblatt des Heimatdienstes oder der Volkspartei gegen das Majorzwahlrecht, 1935

Hintergrund

Die 1930er- und 1940er-Jahre waren eine auch für Liech- tenstein krisenhafte Zeit. Nach dem «Sparkassaskandal» von 1928, in dem die Landessparkasse an den Rand des Ruins geraten war, kam es zu einem abrupten Macht- wechsel. Die seit 1922 regierende Volkspartei verlor die Mehrheit, das politische Klima wurde auf lange Zeit ver- giftet. In den 1930er-Jahren wurde das Land von der Welt- wirtschaftskrise schwer getroffen. Seit 1938, dem «An- schluss» Österreichs, grenzte Liechtenstein an das Dritte Reich. Es entstand eine nationalsozialistische «Volksdeut- sche Bewegung in Liechtenstein», die im März 1939 einen Putschversuch unternahm und bis 1943 auf einen «An- schluss» an das Dritte Reich drängte. Während des Kriegs drohte die Gefahr, dass Liechtenstein von Deutschland be- setzt würde. Diese krisenhaften Jahrzehnte wurden nach 1945 für lange Zeit tabuisiert. Die Verhältnisse erschienen zu eng, die Gefahr von persönlichen Anfeindungen zu gross. Seit einiger Zeit hat die Erforschung dieser Jahrzehnte jedoch grosse Fortschritte gemacht. Mit Peter Geigers Werk «Kri- senzeit» liegt eine umfassende Gesamtdarstellung der Vor- kriegsjahre vor. Die Zeit des Nationalsozialismus wurde von der «Unabhängigen Historikerkommission Liechten- stein Zweiter Weltkrieg UHK» für einige Bereiche – insbe- sondere die Flüchtlingspolitik, die Finanzbeziehungen und die Produktion der liechtensteinischen Industrie für den deutschen Kriegsbedarf – detailliert aufgearbeitet. In ihrem Abschlussbericht hielt die UHK 2005 fest, dass sie ihre Un- tersuchungen zwar mit sehr «feinem Kamm» durchführen konnte, dass aber nicht alle Fragen bearbeitet werden konnten. Sie regte deshalb an, weiterführende historische Forschungen zu unternehmen. Dieser Vorschlag wurde von Regierung und Landtag aufgenommen, der 2007 be- schloss, einen Quellenband und weitere Forschungspro- jekte zum Thema «Liechtenstein – Zweiter Weltkrieg» mit insgesamt 1,4 Mio. Franken zu finanzieren. Ziele des Projekts I 159

Die Quellenedition umfasst eine Auswahl von Originaldo- kumenten zur liechtensteinischen Geschichte von 1928 bis 1950. Um das Geschehen dieser Zeit zu dokumentieren, werden Schriftstücke verschiedenster Art berücksichtigt, neben amtlicher Korrespondenz beispielsweise auch Land- tagsprotokolle, Zeitungsberichte, Flugblätter oder private Aufzeichnungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Quellen aus dem Liechtensteinischen Landesarchiv. Obschon es Unterschriftensammlung der Heimattreuen Vereinigung Liechtenstein für die sich um ein Projekt wissenschaftlicher Grundlagenfor- Erhaltung der Selbständigkeit, 1939 schung handelt, richtet sich die Quellenedition nicht aus- schliesslich an Historikerinnen und Historiker. Vielmehr soll sie auch einer breiteren Öffentlichkeit die Möglichkeit bieten, sich anhand von Originaldokumenten mit der eige- nen Geschichte zu beschäftigen. Vorgesehen ist, das Quellenwerk in zweifacher Form zu publizieren. Zum einen soll es in traditioneller Form als Buch herausgegeben werden, zum anderen wird das Quel- lenwerk auch im Internet publiziert werden. In der Inter- netversion werden die Dokumente sowohl als digitale Fak- similes wie auch im Volltext zugänglich gemacht. In beiden Versionen wird der Zugang zu den ausgewählten Schrift- stücken durch textkritische Anmerkungen und einen Sach- kommentar erleichtert. Im Internet werden die Dokumente freigeschaltet, sobald sie fertig bearbeitet sind; die Druck- fassung wird nach Abschluss des Projekts publiziert. Administrativ ist das Projekt beim Landesarchiv ange- siedelt, inhaltlich umgesetzt wird es jedoch von unabhän- gigen Historikern. Als Leitungsgremium wurde eine Kom- mission unter dem Vorsitz von Staatarchivar Paul Vogt be- stellt, die für die Grundsatzentscheidungen und die Si- cherstellung der wissenschaftlichen Qualität zuständig ist. Für die Recherche, Auswahl und Bearbeitung der Quellen wurden zwei Historiker, Lukas Ospelt und Stefan Frey, mit einem Pensum von je 50 % eingestellt. (SF) Gemeindelade Triesen: Aufbewahrungsort des Gemeindearchivs bevor Gemeindebauten bestanden Andere Archive in Liechtenstein

Gemeindearchive «Viel Staub musste ich schlucken bis ich endlich Abschrif- I 161 ten liefern kann. Dreimal bin erkrankt vor lauter Staub- Die ältesten Dokumente in fast allen Gemeindearchiven schluckerei und bin aber jetzt klüger geworden und nehme stammen aus dem 15. Jahrhundert; es sind Pergamentur- jeweils meinen elektrischen Staubsauger mit und lasse ihn kunden, die in der Regel Grenz- und Nutzungsstreitigkei- fleissig arbeiten. Er bekommt keine Staubinfection und ten betreffen. Insgesamt ist die Überlieferung bis in die kranke Lunge, wie ich aber lange Zeit hatte und husten erste Hälfte des 20. Jahrhunderts schlecht. In der Regel musste.» (Schreiben vom 4. Februar 1957 an die Regie- spielte wohl der Zufall eine entscheidende Rolle, ob und rung) Tschugmell wurde von der Regierung und den Ge- welche Dokumente aufbewahrt wurden. Als wichtig er- meinden bis Ende der 1960er Jahre beauftragt, die Ord- achtet wurden Dokumente, die eine rechtliche Bedeutung nung und Erschliessung der Archivalien in den Gemein- hatten. Durch das Gemeindegesetz von 1864 wurden die dearchiven nachzuführen. Er war ein ständiger Mahner: Vorsteher verpflichtet, die Gemeindeurkunden und Rech- Für die Gemeindearchive sollten geeignete Räume zur Ver- nungsbücher sorgfältig bei sich zu Hause aufzubewahren. fügung gestellt werden, die Vorsteher sollten auf die ein- Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich die Situa- geführte Ordnung achten und die Benutzung der Archive tion in den Gemeindearchiven wesentlich verbessert. Seit kontrollieren. Mit Ausnahme der Gemeindearchive Balzers der Einrichtung von Gemeindekanzleien wurden die Ar- und Gamprin, die in den 1970er Jahren von Josef Kind bzw. chive in diesen bzw. in einem Raum der Gemeindeverwal- Franz Heeb neu geordnet wurden, sind die von Tschug- tung aufbewahrt. Grosse Verdienste erworben hat sich mell eingeführte Ordnung und die Signaturen beibehalten Pfarr-Resignat Fridolin Tschugmell, der ab Sommer 1938 worden, auch wenn sie wenig systematisch sind. mit Ausnahme von Vaduz alle Gemeindearchive ordnete. Heute ist zumindest die Unterbringung der Gemeinde- In seinem unverwechselbaren Stil schilderte er wiederholt archive befriedigend gelöst. Die Archivalien sind überall in seine Mühsale und gelegentlichen Motivationsprobleme: geeigneten, mit Rollregalen ausgerüsteten Räumen unter-

Bibel aus dem Jahre 1719 im Gemeindearchiv Triesen Andere Archive in Liechtenstein

162 I gebracht; Vaduz, Schaan und Triesenberg sind dabei, neue Archivmagazine zu bauen. Das Landesarchiv konnte für ei- nige Verbesserungen die notwendigen Impulse geben. So wurden in den 1980er Jahren die alten Pergamenturkun- den restauriert und fachgerecht gelagert. Durch das Ar- chivgesetz von 1997 wurde das Landesarchiv zur Ausar- beitung eines Musteraktenplans für die Gemeindearchive verpflichtet, der auch Aufbewahrungsfristen für die Unter- lagen enthält. Auf Einladung des Landesarchivs findet seit Pfarr-Resignat Fridolin Tschugmell (1896–1981) ordnete die 1997 jährlich ein Gemeindearchivtag statt. Die generelle Gemeinde- und Pfarrarchive. Zielsetzung dieses Archivtags – eigentlich nur ein Halbtag – ist die einheitliche Bearbeitung der Archivbestände und der Informationsaustausch unter jenen Personen, die für die Gemeindarchive arbeiten. Ein konkretes Ergebnis die- ser Archivtage war ein EDV-Programm für die liechten- steinischen Gemeindearchive. Dieses wurde auf Wunsch der Gemeinden entwickelt und wird heute in sieben von elf Gemeinden eingesetzt. Das Beispiel zeigt, dass es nicht ganz einfach ist, die Gemeinden zu einer gemeinsamen Haltung zu bewegen. Auch personell hat sich die Situation deutlich verbes- sert. In jeder Gemeinde gibt es zumindest eine Ansprech- person, die für das Archiv zuständig ist – allerdings haben diese Personen nicht überall den Auftrag, die Archivbe- stände zu sichern, zu ordnen und zu erschliessen. Einzelne Gemeinden haben diese Aufgaben an die Firma Artmar Archivare (Gamprin, Ruggell und Mauren), andere an Clau- dius Gurt (Vaduz, Schaan und Triesen jeweils für die Alt- bestände) übertragen oder haben Projekte in Zusammen- arbeit mit der Fachhochschule Chur gestartet. Die Altbe- stände sind in der Regel gut erschlossen, während bei den Unterlagen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rückstände vorhanden sind. Die meisten Gemeindearchive archivieren auch Unter- lagen, die nicht bei der Gemeindeverwaltung entstanden sind, die aber für die Gemeinde von Bedeutung sind. Dies sind vor allem Dokumente der Pfarreien, der Alpgenos- senschaften und der Dorfvereine. Nachlässe sind in den Gemeindearchiven kaum zu finden. Die meisten Gemein- dearchive pflegen auch gemeindebezogene Sammlungen, vor allem Fotos, Pressedokumentationen, Pläne und Ge- meindedrucksachen. Gemeindearchive sind gemäss Archivgesetz von 1997 öffentliche Archive. Es gelten sinngemäss die gleichen Vor- schriften wie für das Landesarchiv. Somit besteht ein An- spruch, Unterlagen, die nicht gesperrt sind und die durch die Benutzung nicht physisch gefährdet werden, einsehen zu dürfen, falls ein berechtigtes Interesse glaubhaft ge- macht werden kann. Nähere Informationen zu den einzel- nen Gemeindearchiven sind auf der Homepage des Lan- desarchivs zu finden oder direkt bei den einzelnen Ge- meindearchiven nachzufragen. Bericht Fridolin Tschugmell über die Ordnung des Gemeindearchivs Schellenberg I 163 Aus unserem Team

Lukas Ospelt: aus dem Jahr 1939 und die gesamte Zeitspanne, in wel- Geschichtsinteresse in die Wiege cher auch Liechtenstein mit dem Problem des Nationalso- gelegt zialismus konfrontiert war. Gerade aus dieser Zeit gibt es Dokumente, die mich zwar nicht gerade erschaudern las- Das Interesse für Geschichtliches wurde Lukas Ospelt so- sen, aber die in mir doch seltsame Gefühle hervorrufen – zusagen in die Wiege gelegt: Aufgewachsen auf Schlössle man hält da Geschichte sozusagen in der Hand», so Lukas Weissenberg in Batschuns, traf der Enkel des Vaduzer Aus- Ospelt. wanderers Felix Ospelt schon bei den dicken Mauern sei- Dass er sich seinen ursprünglichen Idealismus in ge- ner Kinderstube auf handfest Historisches. Und so wollte er wisser Weise bis heute bewahrt hat, zeigt auch sein Um- schon als ganz kleiner Knirps wissen, was denn dort schon gang mit der Verantwortung, welche seine Arbeit mit sich so alles passiert sei. Antworten darauf bekam er zunächst bringt. «Uns stellt sich immer wieder die Frage, welche bis von seinen Eltern, und auch seine Lehrer förderten später jetzt noch nicht allgemein bekannten Details aus dieser sein Geschichtsinteresse, so dass das Studium von Ge- düsteren Zeit wir besser nicht öffentlich zugänglich ma- schichte und Kunstgeschichte eigentlich eine logische chen sollten. Dies könnte auch heute noch sehr unange- Folge war. nehme Auswirkungen auf ganze Familien haben.» Auch «Damals noch sehr idealistisch, dachte ich, dass der das Schweigen in gewissen Fällen sei ein Aspekt der Ver- Weg über das Geschichtsstudium wohl der beste sei, um antwortung, das gebiete nicht nur die amtliche Schweige- die Zusammenhänge in dieser Welt zu ergründen», sagt pflicht, sondern auch der gesunde Menschenverstand – Lukas Ospelt, der sich im Landesarchiv im Rahmen eines und natürlich der Datenschutz, der auch im Archiv ernst dreijährigen Projektes in einer 50-Prozent-Stelle der Erar- genommen wird. Dann leuchten seine Augen wieder: beitung einer Quellenedition über die liechtensteinische «Aber es ist halt schon ein besonderes Gefühl, Dinge zu Geschichte zwischen 1928 und 1950 widmet. Diese kommt wissen, die nur wenige wissen (dürfen)», schmunzelt Lukas nach Abschluss des Projekts im Jahre 2011 in Buchform Ospelt. Und in der Freizeit? «Nun, da geniesse ich die Zeit heraus, und man darf darauf gespannt sein. Spannung ge- am liebsten mit meiner Lebensgefährtin in der freien genüber den Quellen empfindet Lukas Ospelt täglich aufs Natur.» (WN) Neue, und seine Augen leuchten, wenn er schildert, was für Dokumente ihm schon in die Hände geraten seien und was sie für unser Land effektiv bedeuten. «In die von uns untersuchte Zeit fallen beispielsweise der Sparkassen- skandal aus dem Jahr 1928, die sogenannten ‹Finanzein- bürgerungen› der Dreissigerjahre sowie der Putschversuch Erzbischöfliches Archiv Vaduz I 165

Auf Anfrage erhielten wir von Generalvikar Dr. Markus Walser folgende Angaben zum Archiv des Erzbistums: «Nach der Errichtung des Erzbistums Vaduz wurden – wie von Papst Johannes Paul II. in der Apostolischen Konstitu- tion «Ad satius consulendum» vom 2. Dezember 1997 angeordnet, mit Dekret des Apostolischen Nuntius vom 21. Dezember 1997 zur baldmöglichsten Ausführung be- stimmt und vom Recht der katholischen Kirche (CIC can. 122) vorgesehen – Akten betreffend die zehn Pfarreien im Fürstentum Liechtenstein bzw. des neuen Erzbistums Vaduz (ca. ab dem Jahr 1800) in das neue Erzbischöfliche Archiv Vaduz gebracht. Sie sind dort sachgerecht aufbe- wahrt und für kirchliche Dienststellen zur Erfüllung ihrer amtlichen Aufgaben im üblichen Rahmen zugänglich.»

Papsturkunde zur Gründung des Erzbistums Vaduz, 1997 Andere Archive in Liechtenstein

166 I Pfarrarchive eigene Pfarreien. Triesenberg (1768 Pfarrei), Vaduz (1842 Kuratie, 1873 Pfarrei), Ruggell (1854/74) und Schellenberg Die in den Pfarrarchiven enthaltenen Dokumente gehören (1874/81) wurden erst später eigene Pfarreien. Planken zum wertvollsten und ältesten kulturellen Erbe, das unbe- wurde die Abkurung von Schaan nicht bewilligt. dingt gepflegt, weitergegeben und genutzt werden muss. Die alten Bestände wurden vom Herbst 1937 bis Som- Die Einsichtnahme ermöglicht einerseits die Erforschung mer 1938 von Fridolin Tschugmell nach der gleichen Me- der Geschichte einer bestimmten Pfarrei, andererseits aber thode wie die Gemeindearchive erfasst. Wie bei den Ge- auch die Erforschung von Themen und Fragestellungen, meinden war die Situation in den Pfarrarchiven mit Män- die nicht direkt mit Religion und Kirche verbunden sind. geln behaftet. In den meisten Pfarreien fehlten geeignete Beispiele sind etwa die Rekonstruktion der Bevölkerungs- Räumlichkeiten für die Aufbewahrung der Bestände, oft entwicklung anhand der Pfarrbücher, die Erforschung des fehlte auch das notwendige Verständnis für die Pflege der Brauchtums aufgrund der Verkündbücher oder kunstge- kostbaren Kulturgüter. Aus diesen Gründen wurden zwi- schichtliche Themen. schen den Pfarrern und einigen Gemeinden einvernehm- Die Pfarrarchive verwahren die ältesten Dokumente, liche Regelungen gefunden, wonach die historisch wert- die in liechtensteinischen Archiven zu finden sind. Dies vollen Archivalien den Gemeindearchiven (so in Balzers, sind Ablassurkunden aus dem späten 13. Jahrhundert. Von Triesenberg und Schaan) oder dem Landesarchiv (so Ben- besonderem historischem Interesse sind natürlich die dern, Eschen, Triesen und teilweise Mauren) zur Aufbe- Pfarrbücher (Geburten, Firmungen, Ehen, Sterbefälle), die wahrung übergeben wurden. Bei den Pfarreien blieben Jahrzeitbücher, die Verkündbücher und chronikalische Ein- jene Dokumente, die aus administrativen oder pfarrlichen träge in den Pfarrbüchern. Balzers, Triesen, Schaan, Gründen noch gebraucht werden. Die erst im 19. Jahr- Eschen, Bendern und Mauren waren seit dem Mittelalter hundert entstandenen Pfarreien behielten ihre Archivalien.

Pfarrbuch Bendern Das Landesarchiv bemühte sich seit den 1980er Jahren I 167 um die Sicherung der Archivalien, indem es die Restaura- tion der wertvollen Pergamenturkunden veranlasste. Mit den entsprechenden Subventionen war jeweils auch eine Unterschutzstellung verbunden. Die ältesten Pfarrbücher der Pfarreien wurden verfilmt. Jene Pfarrarchive, die dem Landesarchiv als Deposita anvertraut sind (Pfarrarchive von Triesen, Eschen und Bendern), wurden von Mitarbeitern des Landesarchivs erschlossen und archivgerecht verpackt und gelagert. Für die Pfarrarchive wurde ein eigener Ak- tenplan entwickelt. Die Diskussion um die Neugestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche berührt auch die Pfarrarchive. Seit der Schaffung der Erzdiözese betont diese die kirchen- rechtliche Verpflichtung der Pfarrer zur Führung von ei- genen, autonomen Archiven. Die Kirche anerkennt aber auch die Bedeutung des kulturellen Erbes und die Interes- sen der Geschichtsforschung an den historischen Doku- menten, die nicht nur für die Pfarreien von grosser Be- deutung sind.

Kirchengesangbuch aus dem Pfarrarchiv Triesen Andere Archive in Liechtenstein

168 I Josef Gabriel Rheinberger-Archiv nannten Rheinberger-Haus, dem Geburtshaus des Kom- ponisten, das kurz davor für die Liechtensteinische Musik- In seinem Testament bestimmte Josef Rheinberger (1839– schule adaptiert worden war, ein eigener Raum für das 1901), dass sein musikalischer Nachlass in der Bayerischen Rheinberger-Archiv zur Verfügung gestellt werden. Damit Staatsbibliothek in München aufbewahrt werden solle. Ent- sollte das Archiv in der Öffentlichkeit besser zur Geltung sprechend seinem Willen befinden sich heute die meisten kommen und auch besser zugänglich gemacht werden. Die seiner Autographen, die handschriftlichen Werkkataloge, Familie Rheinberger unterstützte diese Bestrebungen und die Tagebücher seiner Frau Fanny und mehrere Skizzen- übergab dem Archiv bedeutende Leihgaben (Briefe an die bücher in München, ebenso die zeitgenössischen Erstdru- Familie, Fotos, Erinnerungsstücke usw.). cke aus seinem Nachlass. München, wo er seit seinem Unter Harald Wanger verlagerte sich die Tätigkeit des 13. Lebensjahr bis zu seinem Tode wirkte, wurde Rhein- Archivs mehr und mehr von der Sammeltätigkeit auf die berger zur zweiten Heimat. Liechtenstein betrachtete ihn Rheinberger-Forschung, die Förderung von Publikationen gleichwohl immer als seinen grössten Komponisten. Da- und die finanzielle Unterstützung von Tonaufnahmen und raus wurde und wird eine Verpflichtung abgeleitet, sein Konzerten. Die bedeutendsten Ergebnisse dieser Bemü- künstlerisches Werk zu pflegen. hungen sind ein neunbändiges Quellenwerk mit den Brie- 1944 ergriffen Walter Kaufmann und Severin Brender fen und Dokumenten Rheinbergers (erschienen 1982– die Initiative zur Errichtung eines Rheinberger-Archivs und 1986) sowie die kritische Gesamtedition seiner Werke -Museums in Vaduz. Gesammelt werden sollten Doku- (1988–2009). Diese wurde vom Carus-Verlag in Stuttgart mente und Objekte, die einen Zusammenhang mit dem betreut und von der liechtensteinischen Regierung finan- Komponisten hatten. Dank dem Wohlwollen vieler Perso- ziert. Die Gesamtausgabe stellt nicht nur einen riesigen Ge- nen im In- und Ausland kam bald eine beachtliche Samm- winn für die Rheinberger-Forschung dar, sondern ermög- lung von Erst- und Frühdrucken seiner Werke (von denen licht auch die Produktion von kostengünstigen Einzelaus- die meisten längst vergriffen waren) zusammen. Die Re- gaben, was wiederum der Aufführung von Werken Rhein- gierung des Fürstentums Liechtenstein übernahm jeweils bergers zugute kommt. die anfallenden Kosten. Die Pensionierung von Harald Wanger im Jahr 1998 Als Severin Brender 1960 starb, wurde Harald Wanger war Anlass, die Aufgaben des Rheinberger-Archivs zu in die Kommission aufgenommen. Bald wurde er zum Lei- überdenken und dieses neu zu organisieren. Die Regierung ter des Archivs bestellt. 1969 konnte endlich im soge- beschloss, keinen neuen Archivar mehr zu bestellen, son-

Sechs Motetten – das einzige Originalmanuskript Rheinbergers im Besitz des Landes dern das Rheinberger-Archiv in das Landesarchiv zu inte- ten, die durch die Tätigkeit des Archivs zustande gekom- I 169 grieren. Dem Landesarchiv wurden die Betreuung der men ist (Signatur: RhAV), und zum andern Originaldoku- Leihgaben der Familie Rheinberger sowie der Ausbau der mente zum Leben und Werk des Komponisten, die als Leih- Sammlungen im Bereich Notendrucke, Tonaufnahmen und gaben aus dem Familienarchiv Rheinberger zur Verfügung Literatur übertragen. Für die wissenschaftliche Bearbei- gestellt wurden (Signatur: RhFA). tung der Gesamtausgabe wurde beim Carus-Verlag in Die Sammlung RhAV enthält folgende Unterlagen: Stuttgart eine eigene Rheinberger-Editionsstelle einge- RhAV A: ca. 550 Erstdrucke und frühe Notenausgaben, ge- richtet. Für die dritte Aufgabe – die Förderung der Rhein- ordnet nach Opuszahlen (oft in unterschiedlichen berger-Forschung und die Unterstützung von Werkauffüh- Ausgaben und/oder mehreren Exemplaren vor- rungen – wurde 2003 die Internationale Rheinberger-Ge- handen) sellschaft (IRG) mit Sitz in Vaduz gegründet. Die IRG ist in- RhAV B: ca. 440 Neuausgaben, Reprints und die Gesamt- ternational vernetzt und setzt die langjährige Pflege der ausgabe (Gesamtausgabe gemäss Editionsplan, Werke Rheinbergers auf privater Basis fort. Durch die IRG- ansonsten numerisch nach Eingang geordnet), Vorstandstätigkeit von Rupert Tiefenthaler, der im Lan- RhAV C: Tonträger (107 Schallplatten, 14 Tonbandaufnah- desarchiv u.a. das Rheinberger-Archiv betreut, werden die men, 740 CDs) Kontakte zwischen dem Rheinberger-Archiv und der Ge- RhAV D: Literatur zu Rheinberger sellschaft institutionell abgesichert. RhAV E: Bilddokumente (meist Reproduktionen) Bis zur Integration in das Landesarchiv im Jahre 1998 RhAV F: Verschiedenes, Mikrofilme, Korrespondenz besass das Rheinberger-Archiv keinen klar definierten Rhein berger-Archiv rechtlichen Status. Harald Wanger war Landesangestellter RhAV G: Einige wenige Originaldokumente, die käuflich und das Archiv wurde vom Staat finanziert. Zwischen der erworben werden konnten. Familie Rheinberger und dem Archiv bestanden zwar Ab- sichtserklärungen, aber kein Leihvertrag. Nach der Inte- Diese Sammlung wird laufend mit Notendrucken, Musik- gration in das Landesarchiv wurden die unklaren Verhält- einspielungen und Aufführungsmaterialien aller Art (Be- nisse bereinigt und die Bestände des Rheinberger-Archivs sprechungen, Prospekte etc.) ergänzt. Seit 1998 konnten systematisch verzeichnet. einzelne bedeutende Anschaffungen getätigt werden, da- Das Rheinberger-Archiv verwahrt zwei unterschiedli- runter ein Originalmanuskript (sechs Motetten von 1864) che Bestände: zum einen eine Sammlung von Dokumen- und eine grosse CD-Sammlung mit Werken Rheinbergers.

Meisterbrief der Bürger-Sänger-Zunft München für J.G. Rheinberger, 1890 Andere Archive in Liechtenstein

170 I

«An die Heimath», Gedicht Johann Baptist Büchel, comp. non Jos. Rheinberger, München 1896 (Dauerleihgabe Emanuel Vogt) Die Dokumente im Bestand RhAF wurden aus dem Fa- I 171 milienarchiv Rheinberger ausgesondert und als Leihgaben der Familie Rheinberger dem Rheinberger-Archiv zur Ver- fügung gestellt. Der Bestand enthält 89 Bilddokumente, ca. 1000 Briefe (meist Korrespondenz zwischen Josef Gabriel Rheinberger bzw. seiner Frau Fanny Hofnaass mit Ver- wandten in Vaduz) und ca. 450 sonstige Dokumente (Zeug- nisse, Ehrenurkunden, Zeitungskritiken etc.). Der reiche Dokumentenbestand ist ein schönes Zeugnis für die Pflege und den wachsenden Wert eines Familienarchivs. Von be- Briefmarke anlässlich des 150. Geburtstag von Josef Gabriel Rheinberger sonderem Interesse für die Forschung sind die Musik- (1839–1901) schultagebücher. Sie zeigen, wie bedeutend seine Lehrtä- tigkeit war.

Der Komponist und Pädagoge Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901)

Der 1839 in Vaduz geborene Josef Gabriel Rheinberger zeigte schon früh ungewöhnliche Musikalität. Er versah be- reits als Siebenjähriger den Organistendienst in seinem Heimatort und kam mit zwölf Jahren zur Ausbildung an das Münchner Konservatorium, wo er bereits zahlreiche Werke schuf. Mit 19 Jahren bot ihm das Konservatorium eine Dozentur für Klavier, später für Orgel und Komposition an, die er bis kurz vor seinem Lebensende ausübte. Rheinberger gehört zu den Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nach Jahren des Verges- sens zunehmend in das Bewusstsein von Musikpraxis und Musikforschung zurückgekehrt sind. Sein umfangreiches Notendruck «Die 7 Raben. Oper in 3 Acten», 1869 Oeuvre, darunter allein 197 mit Opuszahl veröffentlichte Werke, umfasst Klaviermusik, Orgelmusik, geistliche und weltliche Chormusik, Sololieder, Kammermusik, Sinfonien, Konzertouvertüren, Schauspielmusiken und Opern. Ohne viel Werbung in eigener Sache zu machen, gehörte Rhein- berger zu den erfolgreichen Komponisten seiner Zeit, an den Verleger, Musiker und Chöre mit Kompositionsaufträ- gen herantraten. Als Hofkapellmeister des bayerischen Kö- nigs Ludwigs II. nahm er seit 1877 eine zentrale Position innerhalb der katholischen Kirchenmusik in Deutschland ein. Er komponierte lateinische Messen und Motetten, die in ihrer Unabhängigkeit von den einengenden Vorschrif- ten der cäcilianischen Kirchenmusikreformer seiner Zeit wegweisend waren. Als Kompositionslehrer am Münchner Konservatorium galt er als Kapazität von internationalem Rang. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. Seit 1867 war Rheinberger mit der Dichterin Franziska von Hoffnaass («Fanny») verheiratet, die für einige seiner Vokalwerke Texte verfasste. Nach seinem Tod wurde er auf dem Alten Südfriedhof in München bestattet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Grab beschädigt; 1949 entschlossen sich die Familie und Verehrer des Komponisten, die sterb- lichen Überreste auf den Friedhof in seinem Heimatort Vaduz zu überführen. 1988 wurden er und seine Gattin in ein Ehrengrab an der Nordseite der Totenkapelle in Vaduz umgebettet. Andere Archive in Liechtenstein

172 I Stiftung Dokumentation Kunst der Daten über bildnerisch tätige Künstler und Künstlerin- in Liechtenstein (DKL) nen des Landes, das Erfassen der Daten von bestehenden und bereits aufgelösten Galerien Liechtensteins sowie das Die Stiftung Dokumentation Kunst in Liechtenstein mit Sitz kulturelle Engagement der Gemeinden. in Eschen ist eine private gemeinnützige Stiftung, die am In Erinnerung gerufen werden längst geschlossene 10. Oktober 2005 gegründet wurde. Mit dem am 20. De- Kulturbetriebe, wie beispielsweise das Centrum für Kunst, zember 2005 zwischen dem Liechtensteinischen Landes- die Galerien Haas, Papageno oder Sonnegg, die nicht mehr archiv und der Stiftung DKL geschlossenen Kooperations- aktiven Vereine Liga für Kulturkrämpfe im Grenzdreieck, vertrag fand die Dokumentation des liechtensteinischen Kontrapunkt oder Trachter. Heute scheint die enorme kul- Kunst- und Kulturgeschehens eine effiziente Absicherung. turelle Aktivität im Land Liechtenstein fast selbstverständ- In den vom Landesarchiv zur Verfügung gestellten Räum- lich. Doch blickt man zurück, dann muss man erkennen, lichkeiten mit der notwendigen Infrastruktur erhielt die dass einige zwar den Sprung in das damals noch kleine Stiftung DKL eine dauerhafte Unterkunft und die Möglich- «kulturelle Becken» gewagt, aber nur wenige von ihnen keit, das Know-how dieser Institution zu nutzen. überlebt haben. Spurensuche und Spurenfixierung, der Zweck der Stiftung ist die Dokumentation des bildneri- Kontakt zu den lebenden KünstlerInnen und ein kontinu- schen Schaffens von liechtensteinischen Künstlerinnen und ierlicher Ausbau der Sammlung können ein Verwehen der Künstlern, der kulturellen Tätigkeit von Galerien, Vereini- Spuren verhindern. Das seit den 1980er Jahren im Rahmen gungen und anderen Institutionen im Fürstentum Liech- eines Projektes des Tangente-Vereins, Eschen, gesammelte tenstein. Von besonderem Interesse ist die Zusammenar- umfangreiche Material, bestehend aus Presseartikeln, beit mit anderen Dokumentationsstellen, wie z.B. Sikart in Fotos, Einladungskarten für Ausstellungen, Vernissagere- Zürich. Zu den Hauptaufgaben gehören das Sammeln und den, Plakaten, Preislisten oder Briefen, bildete die Basis Aufarbeiten von relevantem Archivmaterial, das Erfassen für die Stiftung DKL. Die Liste jener, die seit Gründung des

Sell your archive. Ausstellung Rheinzeichen, 1987 Plakat der «Liga für Kulturkrämpfe im Grenzdreieck» zur I 173 Ausstellung «Rheinzeichen 1987», Rheinbrücke Vaduz.

Gemeinschaftsausstellung Liechtensteiner KünstlerInnen am Comptoir Suisse, 1989 Andere Archive in Liechtenstein

174 I Tangente-Vereins im Jahr 1979 auch in der Galerie Tan- Verwaltet wird die Stiftung durch den Stiftungsrat, be- gente ausstellten, scheint einem «who is who» von Liech- stehend aus dem Präsidenten Karl Gassner und der Stif- tensteins GegenwartskünstlerInnen entnommen zu sein. tungsrätin Dr. Cornelia Herrmann. Für Bearbeitung, Er- Dank finanzieller Unterstützung durch die Kulturstif- schliessung und Nutzung ist Karl Gassner zuständig. Das tung Liechtenstein kann die Arbeit der Stiftung DKL in vor- Archiv kann bei Voranmeldung benutzt werden. (KG/CH) erst kleinen Schritten geleistet werden. Weitere Gelder müssen von privater Seite gewonnen werden. So konnte beispielsweise der Archivalienankauf aus dem Galerie Haas-Nachlass dank einer grosszügigen Spende einer liechtensteinischen Bank getätigt werden. Private Schen- kungen, wie die von Robert Altmann, Paris, dem Erbauer und Gründer des Centrums für Kunst in Vaduz, tragen dazu bei, den Fundus der Stiftung DKL zu bereichern. Das Archiv ist eine Anlaufstelle für alle, die sich an einem Ort über die Kunst in Liechtenstein, ihre Geschichte und die beteiligten Personen informieren möchten. Die Re- gale füllen rund 479 Aktenordner (Stand Juni 2009) mit Do- kumentationsmaterial zu über 200 alphabetisch geordne- ten KünstlerInnen, Galerien, Gemeinden, Vereinen, Pro- jekten und Themen wie Kunst im öffentlichen Raum. Eine erste Information über die inhaltliche Gliederung des Archivs liefert die Homepage www.dkl.li.

«Der Maler Jean Helion mit Robert und Hortenisia Altmann vor dem Centrum für Kunst in Vaduz, April 1980» Übrige private Archive wurden sorgfältig aufbewahrt. Weiter besass die Familie I 175 in Liechtenstein das Wirtshaus Post in Balzers, sie spielte auch in der Post- geschichte eine wichtige Rolle. Die übrigen privaten Archive sind nicht öffentlich bzw. nur Über die Archive der Wirtschaftsunternehmen liegen nach Absprache mit den Eigentümern zugänglich. Ein Ver- keine Informationen vor. Lediglich die Firma Jenny und zeichnis der Privatarchive in Liechtenstein gibt es nicht, so Spoerry hat ihr Archiv nach ihrer Auflösung dem Landes- dass hier nur ein paar Hinweise auf bekannte historisch archiv überlassen. Die Wirtschaftsverbände haben erst in wertvolle Privatarchive gegeben werden können. den letzten Jahren damit begonnen, ihren Unterlagen die Ein für liechtensteinische Verhältnisse sehr bedeuten- gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Der Liechten- des Privatarchiv ist dasjenige der Familie Rheinberger steinische Arbeitnehmerverband, diverse Lehrerverbände in Vaduz. Die Familie hat über einen Zeitraum von über und die Rechtsanwaltskammer haben ihre Archive im Lan- 200 Jahren immer wieder bedeutende Persönlichkeiten desarchiv deponiert. hervorgebracht und viele Dokumente sorgfältig aufbe- Die beiden grossen Parteien VBP und VU besitzen wahrt. Zu erwähnen sind etwa der Amtsbote Johann Rhein- eigene Archive. Die kleinen Parteien Freie Liste und teil- berger, der Rentmeister Johann Peter Rheinberger, der weise die Überparteiliche Liste haben ihre Bestände im Hauptmann Peter Rheinberger, der Komponist Josef Ga- Landesarchiv deponiert. briel Rheinberger, der Regierungssekretär David Rhein- berger u.a. Ein weiterer historisch interessanter Bestand befindet sich im Besitz der Familie Wolfinger in Balzers. Die Fami- lie war Inhaber des sogenannten Wolfinger-Lehens der Burg Gutenberg, die entsprechenden Lehensurkunden

Gutenberger Lehen, 1474 (Privatarchiv Willi Wolfinger, Balzers) Kaiser Karl VI. erhebt die beiden Herrschaften Vaduz und Schellenberg zum Reichsfürsten- tum Liechtenstein, Pergamenturkunde ausgestellt am 23. Januar 1719 in Wien Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

Historische Dokumente zur Geschichte des Fürstentums Archive in der Schweiz I 177 Liechtenstein sind nicht nur im Liechtensteinischen Lan- desarchiv zu finden. Einerseits entstand bei ausländischen Bündner Archive Behörden, die im Schriftverkehr mit dem Oberamt in Vaduz standen oder die mit Pfarreien oder der Burg Gutenberg Wegen seiner bis 1997 dauernden kirchlichen Zugehörig- zu tun hatten, Archivmaterial, das einen engen Bezug zu keit zum Bistum Chur befindet sich heute noch Archivgut Liechtenstein hat. Andererseits führten auch die wieder- zur liechtensteinischen Kirchengeschichte im Bischöfli- holten Herrschaftswechsel dazu, dass die Archive ehema- chen Archiv in Chur, wenn auch die sogenannten Pfarrei- liger Landesherren an adelige Rechtsnachfolger im Aus- akten (offenbar mit Ausnahme von Vaduz und Balzers) land gelangten, dort verloren gingen oder, soweit sie er- nach der Schaffung einer Erzdiözese Vaduz aus dem Bi- halten blieben, heute meist in staatlichen Archiven in Öster- schöflichen Archiv in Chur herausgelöst wurden. Die Ur- reich, Deutschland oder Tschechien aufbewahrt werden. kundenbestände reichen über einen Zeitraum von 774 bis Dank der elektronischen Erschliessung der Archive und 1800. Für Liechtenstein von staatspolitischer Bedeutung der Möglichkeit, via Internet auf diese Erschliessungsdaten ist die Erbteilung von 1342, bei der die werdenbergischen zugreifen zu können, wird der Nachweis solcher Akten zu- Güter unter den Grafen Hartmann und Rudolf aufgeteilt sehends einfacher. Im folgenden Beitrag werden einzelne wurden und die Grafschaft Vaduz als selbständige Herr- ausländische Archive vorgestellt, die für die liechtensteini- schaft entstand. Bedeutsam sind die Kartularien (Kopial- sche Geschichtsforschung bedeutende Archivalien beher- bücher), für Liechtenstein besonders dasjenige des Prä- bergen, es können jedoch nicht alle Bestände ausführlich monstratenserklosters St. Luzi, dem die Pfarrei Bendern behandelt werden, sondern lediglich die wichtigsten. Der angehörte. Die bischöflichen Lehen am Eschnerberg, in Schwerpunkt liegt bei den Archivalien vor 1800. Wichtige Schaan und in Vaduz sind ebenfalls in einem Kartular fest- Hinweise zu einigen Archiven sind in mehreren Beiträgen gehalten. Wichtige Informationen zur Kirchengeschichte im Band «Historiographie im Fürstentum Liechtenstein» enthalten die Kollektenverzeichnisse und die bischöflichen (Hg. Arthur Brunhart) zu finden. Aktuelle, zusätzliche In- Visitationsprotokolle aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Bio- formationen wie auch einige Findmittel sind über die graphische Angaben zu den Geistlichen finden sich in ver- Homepage des Landesarchivs abrufbar. schiedenen Serien.

Polizei- und Landsordnung im Staatsarchiv Graubünden, 16. Jahrhundert Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

178 I Das Staatsarchiv Graubünden in Chur verfügt über um- St. Galler Archive fangreiche Liechtensteinensia; sie betreffen im Wesentli- chen Auseinandersetzungen um die Grenzen, Kriegsereig- Eine wahre Kostbarkeit für die Liechtenstein-Forschung nisse, Polizei-, Seuchen- und Jagdangelegenheiten sowie wird in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt: das chur- wirtschaftliche Belange. Als Einzeldokument hervorzuhe- rätische Reichsgutsurbar (um 840), das allerdings nur in ben ist eine Polizei- und Landsordnung für Vaduz, Schel- einer unvollständigen Abschrift überdauert hat. lenberg und Blumenegg aus dem 16. Jahrhundert. Erwäh- Im Stiftsarchiv St. Gallen liegen Akten und Urkunden, nenswert ist auch ein Geständnis eines Xander Wolff, der die unter anderem den im 17. Jahrhundert beabsichtigten 1537 wegen Mord und Diebstahl mit dem Rad grausam Ankauf der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellen- hingerichtet wurde. Aus dem 19. Jahrhundert sind u.a. et- berg belegen. Das Archiv der ehemaligen Abtei Pfäfers bil- liche Materialien zu Peter Kaiser vorhanden. det im Stiftsarchiv St. Gallen einen eigenen Bestand. Do- Die für Liechtenstein relevanten Materialien des Stadt- kumente, die liechtensteinisches Gebiet betreffen, wurden archivs Chur befinden sich insbesondere in der Korres- 1840 an das Oberamt in Vaduz abgetreten. Ebenfalls im pondenz mit dem Oberamt in Vaduz (Bestand Ratsakten), Stiftsarchiv befinden sich Urkunden der Abtei St. Johann in denen es meist um Angelegenheiten der Untertanen im Thurtal, der im Spätmittelalter in Vaduz Güter gehörten. geht. Besonders erwähnenswert sind einzelne Dokumente Das Alte Archiv und das Helvetische Archiv des Staats- zur Hexenverfolgung. archivs St. Gallen enthalten die Archivmaterialien vor der In den Archiven der beiden Bündner Gemeinden Fläsch Gründung des Kantons (1803). Unterlagen zu den Bezie- und Maienfeld, die an Liechtenstein angrenzen, lagern v.a. hungen zwischen dem St. Galler Rheintal und Liechten- Urkunden, die Grenz- und Nutzungskonflikte mit Balzers stein vor der Kantonsgründung sind aber nur zum kleine- und Triesen dokumentieren. Das Gemeindearchiv Fläsch ren Teil ins Staatsarchiv St. Gallen gelangt, der grössere besitzt Liechtensteinensia ab 1348, das Stadtarchiv Mai- Teil findet sich aufgrund der Herrschafts- und Verwal- enfeld ab 1359. tungsgeschichte verstreut in verschiedenen Schweizer Das Familienarchiv Gugelberg in Maienfeld beherbergt Staatsarchiven. Im 19. Jahrhundert fliessen dann die Quel- einige Lehensurkunden der Jahre 1410 bis 1729, die auf len reichlicher, die wichtigsten Themen – Rheinregulierung Mikrofilmen im Staatsarchiv Graubünden benutzbar sind, und Verkehrsangelegenheiten – blieben vorerst dieselben. wo auch ein Verzeichnis über sämtliche Archivalien dieses Besonders hinzuweisen ist auf die Kartensammlung des Privatarchivs zur Verfügung steht. Staatsarchivs mit einigen Karten zum Rheintal.

Die drei Seiten im Churrätischen Urbar, die Liechtenstein betreffen (Stiftsbibliothek St. Gallen). Die Beziehungen auf Gemeindeebene zwischen Liech- Sonstige Archive in der Schweiz I 179 tenstein und der Schweizer Nachbarschaft fanden auch in den Gemeindearchiven ihren Niederschlag. Martin Graber Liechtenstein grenzt am Rhein an die ehemaligen Graf- (Trübbach) erstellte für das Landesarchiv eine Übersicht schaften Sargans und Werdenberg sowie an die ehemalige bis zum Jahr 1800, der wir die folgenden Angaben ent- Herrschaft Sax. Sargans gehörte ab 1483 den sieben eid- nehmen: Das vorherrschende Thema sind jeweils die genössischen Orten Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unter- Rheinwuhrbauten verbunden mit der Grenzregulierung. Im walden (Ob- und Nidwalden), Zug und Glarus, ab 1712 Ortsgemeindearchiv Mels sind Urkundenabschriften betr. kam noch Bern hinzu. Deshalb befinden sich Akten zu den den Abzug gegen Vaduz (1636, 1676), die Eigentums- Beziehungen zwischen der Grafschaft Sargans und Liech- rechte der Gemeinde Balzers an der Melsner Alp Laftina tenstein in den Staatsarchiven Zürich (Bestand A 343), (1486–1503) und die Grenze zu Balzers (1509, 1654) zu Bern (A V 808-816), Luzern (AKT 11 Sargans und URK 112 finden. Das Ortsgemeindearchiv Sargans besitzt zwei Sargans und URK 210 Werdenberg), Schwyz (Akten 1, Pergamenturkunden zur Grenzregulierung mit Balzers Schachtel 401, dazu 45 Urkunden), Obwalden (Altes Ar- (1509 und 1654). Im Ortsgemeindearchiv Wartau befinden chiv, Landvogteien, Sargans), Nidwalden (C 1030, Schach- sich vor allem Unterlagen zum Grenzverlauf mit Balzers tel 180), Zug (A 5 Landvogtei Sargans) und Glarus (Altes (1527–1668) und Triesen (1552–1790). Im Archiv der Gemeines Archiv, 3. Abt., Klasse 20). Diese Angaben sind Politischen Gemeinde Wartau liegt eine Pergamenturkunde unvollständig. In Bezug auf Liechtenstein steht jeweils das von 1528 zu einem Grenzstreit mit Balzers. Das Archiv Thema Rheinwuhren und Grenzverlauf im Vordergrund. In der Politischen Gemeinde Sevelen besitzt elf Urkunden be- Uri gibt es keine Unterlagen zur Herrschaft Sargans. Teile treffend Grenzen und Wuhre mit Triesen aus der Zeit 1439 des ehemaligen Sarganser Landschreiberarchivs gelang- bis 1760. Im Ortsgemeindearchiv Sevelen sind einige Un- ten ins Staatsarchiv St. Gallen (AA 4) und in das private Ar- terlagen aus der Zeit 1500 bis 1757 zu anderen Themen chiv der Familie Good von Mels, das heute im Staatsarchiv vorhanden, darunter ein Buch mit Abschriften der wich- Luzern liegt (PA Good 1993/1). Da die Geschäfte der Ge- tigsten Urkunden (B 04.11). Die Urkunden von Buchs wur- meinen Herrschaft Sargans an den Tagsatzungen in Baden den dem Staatsarchiv St. Gallen übergeben (Bestand und ab 1712 in Frauenfeld verhandelt wurden, sind auch in StASG AA 3a). Im 19. und vor allem 20.Jahrhundert werden den Staatsarchiven Aargau (AA/2286-2561 Tagsatzung und die grenzüberschreitenden Beziehungen sehr viel vielsei- AA/2859/2 Sargans) und Thurgau (7'00 Tagsatzung) Ma- tiger und sind auch entsprechend dokumentiert. terialien zu den Beziehungen zu Liechtenstein zu finden.

Teilung der Grafschaft Sargans zwischen Hartmann und Rudolf von Werdenberg-Sargans, Pergamenturkunde ausgestellt am 3. Mai 1342 in Sargans (Bischöfliches Archiv Chur). Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

180 I Auch in den gedruckten Abschieden der Tagsatzungen fin- torische Karten zum Rheintal, darunter die Liechtenstein- den sich Unterlagen zu den Themen Rheinwuhren, Gren- Karte des Kartographen Johann Lambert Kolleffel von zen, Fähren, Strassen, Zölle usw. 1756, eine der ältesten und bedeutendsten Karten des Die Grafschaft Werdenberg gehörte 1485 bis 1493 der Fürstentums Liechtenstein. Stadt Luzern und ab 1517 dem Land Glarus. Im Staatsar- chiv Luzern befindet sich noch ein Urkundenbestand zu Werdenberg (URK 206/2975–210/3050). Glarus trat nach Bundesarchiv Bern der Gründung des Kantons St. Gallen Urkunden und Akten zu den Hoheitsrechten und Grenzen an St. Gallen ab Seit dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie (StASG AA 3), der restliche Werdenberger Bestand verblieb Ende des Ersten Weltkrieges lehnt sich Liechtenstein eng im Landesarchiv Glarus (Altes Gemeines Archiv, 3. Abt., an die Schweiz an. Zu nennen sind vor allen Dingen die Klasse 24). Vertretung der liechtensteinischen Interessen durch die Die Herrschaft Sax wurde 1615 von der Stadt Zürich Schweiz im Ausland, der Abschluss eines Postvertrages gekauft. Die Akten und Urkunden zu Sax wurden im und selbstverständlich der Zollvertrag von 1923. Als Folge 19. Jahrhundert dem Staatsarchiv St. Gallen (AA 2) überge - dieser engen Anbindung wurde Liechtenstein in vielen Be- ben. Im Staatsarchiv Zürich befindet sich noch ein Rest- langen wie ein Schweizer Kanton behandelt. Dadurch ent- bestand (A 346). standen bei verschiedenen eidgenössischen Behörden um- Das Staatsarchiv Bern beherbergt einen relativ grossen fangreiche Unterlagen betreffend Liechtenstein. Diese wer- Bestand an Urkunden der Freiherren von Brandis, die al- den vom Schweizerischen Bundesarchiv in Bern verwaltet. lerdings nur am Rande deren Herrschaftszeit in Vaduz be- Neben sämtlichen Materien, die den Zollvertrag tangieren, treffen. Für die Landesgeschichte sind sie daher nicht er- sind dort insbesondere auch Unterlagen zum Aufenthalt giebig. Die Zentralbibliothek Zürich verwahrt wertvolle his- von Ausländern zu finden.

Liechtenstein-Karte von Johann Lambert Kolleffel aus dem Jahre 1756 (Zentralbibliothek Zürich) Archive in Österreich det sich heute im Landesarchiv Brünn. 2007 wurden die I 181 Bestände, die seit 1945 in Vaduz verwahrt worden waren, Hausarchiv der Regierenden Fürsten in Wien nach Wien zurückgeführt. Das Hausarchiv Liechtenstein ist heute ein Teil des Liechtenstein Museums in Wien. Das Hausarchiv wurde 1906 durch die Zentralisierung der Die Bestände des Hausarchivs sind wie folgt gegliedert: Archivalien der verschiedenen Herrschaftsämter im Palais – Urkunden (ca. 3’000), in der Rossau (Wien) geschaffen. Im Zweiten Weltkrieg – Handschriften (ca. 2’500), wurden verschiedene Bestände aus Sicherheitsgründen – Akten zur Familiengeschichte (660 Kartons), ausgelagert. Die wichtigsten Archivalien – die Urkunden, – Herrschaftsarchivalien (ca. 2’200 Kartons), Handschriften und die Akten zur Familiengeschichte – wur- – Korrespondenz der Hofkanzlei den gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nach Vaduz ge- (ab 1786, ca. 2’600 Kartons), bracht und im Schloss verwahrt. Ein Teil der Archivalien – – Plansammlung (ca. 730 Mappen), die Herrschaftsakten mit den Buchstaben A bis L – wurde – Archiv der Domänenverwaltung Vaduz (277 Kartons). von sowjetischen Truppen als Kriegsbeute nach Moskau abtransportiert. Fürst Hans Adam gelang es 1997, diese Die Überlieferung im Hausarchiv zum Fürstentum Liechten - Archivalien im Austausch gegen Unterlagen zur Ermor- stein ist lückenhaft, was nur zum Teil durch kriegsbedingte dung der Zarenfamilie zurückzubekommen. Ein weiterer Verluste erklärt werden kann. Für grössere historische For- Teil der Herrschaftsunterlagen, v.a. die Unterlagen der schungsarbeiten über das Fürstentum reicht das Quellen- ehemaligen liechtensteinischen Buchhaltung in Butscho- material im Hausarchiv allein nicht aus, es enthält aber witz, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit immer wertvolle Ergänzungen. Der überwiegende Teil des den dem Fürstenhaus bis dahin noch verbliebenen Besit- Hausarchivs hat mit dem Fürstentum nichts zu tun, nur ein zungen in der Tschechoslowakei verstaatlicht und befin- relativ kleiner Teil der Archivalien hat einen Bezug zu Vaduz.

Kauf der Herrschaft Vaduz durch Fürst Hans Adam I. von Liechtenstein, Kaufvertrag ausgestellt am 22. Februar 1712 (Österreichisches Staatsarchiv Wien). Der Fürst unterschrieb nicht persönlich. Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

182 I Bei den Urkunden befinden sich wenige, dafür staats- tisch zentrale Dokumente, die etwa die Stellung des Fürs- politisch grundlegende Dokumente für das Fürstentum tenhauses und seine Souveränität betreffen. Liechtenstein. Besonders hervorzuheben sind die Erhe- Die Herrschaftsarchivalien aus der Zeit von etwa 1750 bung des Hauses Liechtenstein in den Fürstenstand (1608), bis 1960 enthalten vor allem Unterlagen zur Verwaltung die Kaufurkunden für die Herrschaft Schellenberg (1699) der mehr als 40 Herrschaften in Niederösterreich, Mähren und für die Grafschaft Vaduz (1712) und ganz besonders und Böhmen. Sie liefern Informationen über die grund- die Geburtsurkunde des Staates – die Erhebung der bei- herrliche Verwaltung und Wirtschaft sowie das Kirchen- den Herrschaften zum Reichsfürstentum Liechtenstein und Schulpatronat, das Kanzleiwesen und die öffentliche (1719). Zu diesen grundlegenden Dokumenten gehören Verwaltung. Der Bestand der Herrschaftsakten umfasste auch die Bestätigungen der Brandisischen Freiheiten aus bis zur Rückführung der Archivalien in Moskau etwa 2200 dem 18. Jahrhundert, in denen die besondere Rechtsstel- Aktenkartons; darin war das Fürstentum Liechtenstein mit lung der Landesherren erneuert und bestätigt wurde. lediglich 38 Kartons deutlich unterrepräsentiert. Von wem In der Handschriftenabteilung hat es für Liechtenstein die Liechtensteinensia in diesen Kartons zusammengelegt ebenfalls nur wenige, dafür wichtige Dokumente. Hervor- wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Zeitlich be- zuheben sind hier zwei Urbare aus dem 17. Jahrhundert. ginnen die Unterlagen zum Fürstentum im 16. Jahrhundert Von grossem Interesse sind auch die Rentamtsrechnun- mit Einzelbelegen, ab 1750 wird die Überlieferung dann gen, da die entsprechende Serie im Landesarchiv nicht dichter. Inhaltlich lässt sich diese Aktengruppe zu Liech- vollständig ist und einige fehlende Bände im Hausarchiv tenstein schwer fassen. Sie enthält zunächst Dokumente erhalten sind. aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Justiz, Finanzen, Kir- Die Akten zur Familiengeschichte enthalten nicht nur chen- und Schulwesen, Schreiben des Landesverwesers biographische Informationen zu den Mitgliedern der Fürs- sowie Bauunterlagen und auch Bundestagsangelegenhei- tenfamilie, sondern – damit verwoben – auch staatspoli- ten (insgesamt sechs Schachteln). Nahezu vollständig er-

Matthias II. erhebt Karl von Liechtenstein in den erblichen Fürstenstand, Pergamenturkunde vom 20. Dezember 1608 (Haus- archiv Liechtenstein Wien). halten sind die Archivalien zum liechtensteinischen Mili- beim Rheinbund Schmitz von Grollenburg (1806 bis 1814) I 183 tär aus den Jahren 1806 bis 1854 (drei Schachteln). Das und den Gesandten beim Deutschen Bund (1819 bis 1855) Schriftgut zum Staatshaushalt mit Verzeichnissen zu Ge- befindet sich in Separatfaszikeln. richts- und Grundbuchtaxen, Zolleinnahmen und Stem- Der Bestand Korrespondenz der Hofkanzlei besteht aus pelgeldern ist wiederum nur lückenhaft vorhanden (eine zwei Serien, die unterschiedlich geordnet sind: Die Akten Schachtel). Weiter befinden sich hier auch jene Unterla- von 1786 bis 1814 sind nach Herrschaften und Themen ge- gen der ehemaligen liechtensteinischen Gesandtschaft in ordnet, hier befinden sich also alle Akten zum Fürstentum Wien (1919–1921), die direkt das Fürstenhaus betreffen beisammen. Ab 1814 erhielten dann die Dokumente zu- (zwei Schachteln). Das Gros (22 Schachteln) macht das sätzlich zur Jahresangabe eine fortlaufende Nummer, theo- Schriftgut zu den Rentamtsrechnungen aus, das in den Jah- retisch wurden sie dann unter der letzten Nummer abge- ren zwischen 1750 und 1821 entstanden ist. legt. Dieses Registraturprinzip wurde jedoch vielfach Der Bestand, der 1997 aus Moskau zurückgebracht durchbrochen, so dass die Arbeit mit diesen Quellen müh- wurde, umfasst insgesamt etwa 600 Kartons, davon be- sam ist. treffen gut 30 Kartons das Fürstentum Liechtenstein. Diese Die Plansammlung (ca. 730 Mappen) umfasst Pläne sind aber bislang noch nicht erschlossen. und Karten vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Für Einen eigenen Bestand innerhalb der Herrschaftsakten Liechtenstein besonders wichtig ist die erste Karte des mit 170 Kartons bilden jene Archivalien, die Auskunft über Fürstentums von Johann Jakob Heber (1721). Weiter fin- die Vertretung des Fürstentums Liechtenstein beim Reichs- den sich Pläne zum Schloss Vaduz, zum Regierungsge- tag, beim Schwäbischen Kreis und beim Deutschen Bund bäude und zu den Kirchen Vaduz, Balzers und Schaan. geben. Es handelt sich dabei meist um offizielle Berichte, Ausschliesslich zu Angelegenheiten im Fürstentum die wenig Liechtenstein-Spezifisches enthalten. Die Kor- Auskunft geben die Unterlagen des ehemaligen Domä- respondenz zwischen der Hofkanzlei und dem Gesandten nenarchivs in Vaduz. Diese wurden bereits bei der Entste-

Liechtenstein-Karte von Johann Jakob Heber, 1721 (Hausarchiv Liechtenstein Wien) Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

184 I hung sorgfältig in Indizes erfasst und sind daher gut er- teilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv mit den Beständen schlossen. Von 1982 bis 2007 befanden sie sich als Depot Reichskanzlei, Reichshofrat und Oberhofmeisteramt zu er- im Landesarchiv. Dort wurden sie mit Ausnahme der Pläne warten. Vereinzelt befinden sich auch Dokumente im All- auch verfilmt. Sie geben Auskunft zu Personalangelegen- gemeinen Verwaltungsarchiv und im Finanz- und Hof- heiten, zu Wirtschaftsfragen (v.a. Waldbewirtschaftung kammerarchiv. Letzteres enthält vor allen Dingen Wirt- und Weinbau), zu Bauten und wohltätigen Unterstützun- schaftsverträge der Fürsten von Liechtenstein. Generell gen durch den Landesfürsten. Aufgrund der unscharfen geben die Archivalien im Österreichischen Staatsarchiv Trennung von Domänenverwaltung und staatlicher Ver- Auskunft über die Teilhabe des Hauses Liechtenstein an waltung befinden sich hier auch Waldbewirtschaftungs- der allgemeinen Reichspolitik vom 16. bis zum 18. Jahr- und andere Pläne, die teilweise in Erfüllung öffentlicher hundert. Es sind auch Urkunden und Pfandverschreibun- Aufgaben erstellt wurden. Zum Bestand gehört auch eine gen seit dem 13. Jahrhundert vorhanden. Weitere Doku- Reihe von gebundenen Handschriften. 2007 wurde das Do- mente enthalten Informationen über Lehensangelegen - mänenarchiv zusammen mit den übrigen Beständen des heiten im 17. und 18. Jahrhundert, sowie Militaria des Hausarchivs nach Wien überführt. 18. Jahrhunderts. Durch die Einsicht in die Korresponden- zen und Testamente verschiedener Liechtensteiner Fürs- ten erhalten Forscher einen umfassenden Einblick in die Österreichisches Staatsarchiv Familienpolitik des Hauses Liechtenstein. Eine online- Recherche in den Beständen des Staatsarchivs ist möglich. Die Liechtensteinensia im Österreichischen Staatsarchiv werden von Katharina Arnegger im Rahmen eines mehr- jährigen Projekts systematisch erfasst. Umfangreiche Ar- Landesarchiv Vorarlberg chivalien zur Zeit vor 1800 sind in erster Linie in der Ab- Die Liechtensteinensia im Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz wurden von Rupert Tiefenthaler und Lukas Ospelt zum grössten Teil detailliert erfasst, ausstehend ist vor allem noch das Vogteiamt Bludenz. In einer Reihe von Be- ständen sind Liechtenstein betreffende Akten zu finden, die bis ins 13. (Kloster St. Johann in Feldkirch) und 14. Jahrhundert (Reichsherrschaft Blumenegg und Reichs- grafschaft Hohenems) zurückreichen. Neben Unterlagen Rechtsgutachten über die Hexenprozesse im Österreichischen Staats archiv zu den ehemaligen Landesherren (v.a. Brandis, Sulz und Hohenems) sind darin auch kirchliche Angelegenheiten, die Bestätigung der Privilegien von Vaduz und Schellen- berg sowie viele Vorgänge, die vor allem für die Lokalge- schichte von Interesse sind, dokumentiert (Gutenberg, Alpe Guschgfiel, diverse Käufe und Lehenreverse, Gerichtsfälle etc.). Im 19. und 20. Jahrhundert treten dann langsam an- dere Themen wie Rheinbauten, Grenzkontrollen und Ver- kehrsfragen in den Vordergrund. Kupferstiche und topo- graphische Karten der Grenzregionen runden das Bild ab.

Stadtarchiv Feldkirch

Das Stadtarchiv besitzt vielfältige Unterlagen, die vor allem das Liechtensteiner Unterland betreffen. Im Urkundenbe- stand (ca. 1300) befinden sich einige Urkunden mit Bezug zu Liechtenstein, meistens Verkaufsurkunden von Gütern in der Herrschaft Schellenberg. In den Lehrlingsaufnahme- und Meisterbüchern aus dem 18. Jahrhundert der Feldkir- cher Zunftarchive tauchen immer wieder Personen aus Liechtenstein auf, die in Feldkirch ihre Berufsausbildung machten. Besonders auffallend vertreten ist die Sattler- zunft. Die Stadt Feldkirch hatte das Präsentationsrecht auf die Pfarre Mauren. Im Akt 128 und im Aktenbestand F I befinden sich Bewerbungsakten von Priestern auf diese Pfarre sowie Schriftverkehr dazu. Auch die Baukostenbei- träge der Stadt zu einem Kirchenbau 1835 in Mauren fin- I 185 den sich in diesem Bestand. Die Aktenbestände des 18. und 19. Jahrhunderts gliedern sich in zwei Bereiche: Das Vorarlberger Lehenbuch wurde in einem Estrich unsachgemäss gelagert, F I und F II. Darin hat es Dokumente betreffend Grundbe- war verschimmelt und fast ruiniert. Es wurde dem Liechtensteinischen Landesarchiv sitz Feldkircher Privatpersonen und Stiftungen in Liech- geschenkt und anschliessend restauriert. Die Spuren bleiben. tenstein, Katastrophenhilfe (Brände, Hochwasser), Steu- ern, Strassenbau und den Zollvertrag. Im grossen Akten- bestand der Stiftungs- und Kommunaladministration, der städtischen Buchhaltung, finden sich für das 19. Jahrhun- dert Schuldscheine von Liechtensteinern, die sich bei einer der zahlreichen sozial-karitativen und religiösen Stiftungen Kapital ausgeliehen haben. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die alten Urbare der einzelnen Stiftungen. Die dort niedergeschriebenen Zinsbriefe (15. bis 18. Jahrhundert) sind eine wichtige Quelle für Flur- namen- und Familienforscher. Im Stadtarchiv ist ferner der historische Aktenbestand der Stadtwerke Feldkirch depo- niert. Darin finden sich zahlreiche Akten wie auch Lei- tungspläne zur Stromversorgung des Liechtensteiner Unterlandes bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Matricula Gymnasii (Matrikel des Gymnasiums) aus dem 18. und aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts,

Plan zum Benderer Pfarrstall im Vorarlberger Landesarchiv Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

186 I die bereits publiziert wurden, sind zahlreiche Liechten- Bänden im Landesarchiv Liechtenstein einsehbar. Hier steiner Gymnasiasten verzeichnet. Schliesslich verwahren seien lediglich die wichtigsten Bestände exemplarisch ge- die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv die Mikrofilme aller nannt: Die jüngere Reihe der Raitbücher der oberösterrei- Vorarlberger Matrikenbücher. Sie werden gerne von Liech- chischen Kammer aus der Zeit von 1460 bis zur Mitte des tensteiner Familienforschern benützt, deren Vorfahren aus 18. Jahrhunderts enthält Rechnungsbücher, die Auskunft Vorarlberg stammen. geben über die Dienste, welche die Landesherren von Vaduz und Schellenberg im Namen der Landesfürsten von Tirol wahrnahmen. Für die liechtensteinische Geschichts- Landesarchiv Tirol schreibung sind die Kanzlei- oder Kopialbücher der ober- österreichischen Regierung und Kammer von Bedeutung, Zum Verständnis der Landesgeschichte tragen unter an- weil sie über einen Zeitraum von etwa 300 Jahren (1496 derem die Quellen zur Geschichte der Familien der Grafen bis 1797 für die Kammer und 1521 bis 1782 für die Regie- von Sulz und der Grafen von Hohenems Wesentliches bei. rung) vollständige und detaillierte Abschriften in chrono- Hervorzuheben ist insbesondere Gutenberg, das exterrito- logischer Reihenfolge enthalten. Die Archivalien der Kam- rialer habsburgischer Besitz war und von Innsbruck aus mer geben Aufschluss über die Finanzverwaltung und die verwaltet wurde. Beide Herrscherhäuser, die Sulz und die Volkswirtschaft, während das Schriftgut der Regierung In- Hohenems, unterhielten enge Beziehungen zu den Lan- formationen über Politik und Justiz liefert. Für die liech- desfürsten in Tirol und zum Hof in Innsbruck, weshalb sich tensteinische Geschichtsschreibung sind insbesondere die heute eine beträchtliche Menge von Quellenmaterial be- Dokumente von 1501 bis 1796 von immenser Bedeutung, züglich der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellen- da sie Aufschluss über die Beziehungen zwischen der berg im Landesarchiv Tirol in Innsbruck befindet. Diese Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz zu den wurden von Karin Auer regestiert und sind in mehreren Tiroler Landesherren bzw. zu den Habsburgern geben.

Panoramaansicht der Herrschaften Vaduz und Schellenberg. Mit Ausnahme von Schellenberg sind alle liechtensteinischen und einige Vorarlberger Gemeinden eingezeichnet. Älteste Karte des heutigen Gebiets Liechtensteins (um 1600). Dabei ist eine der am besten dokumentierten Epochen die gelegenheiten der Pfarreien Bendern und Gamprin aus der I 187 des Dreissigjährigen Krieges. Zeit 1820 bis 1860 vorhanden. Im Klosterarchiv Altenstadt, das im Diözesanarchiv aufbewahrt wird, sind etwa 50 Liechtenstein-Betreffe (hauptsächlich Schuldbriefe und Sonstige Archive in Österreich Grundstückskäufe) zu finden. Im Diözesanarchiv Wien befinden sich – wie im Vati- Im Salzburger Landesarchiv befindet sich ein Rechtsgut- kanischen Archiv – Unterlagen zur Frage der Abtretung des achten, das der Kemptener Fürstabt Rupert von Bodman Fürstentums Liechtenstein an Papst Benedikt XV. im Jahre zur Frage der Rechtmässigkeit der Hexenprozesse in 1916. Vaduz bei der juristischen Fakultät der Universität Salz- burg 1682 in Auftrag gab. Der Gutachter Johann Baptist Moser gelangte zum Schluss, dass sämtliche Prozesse der Jahre 1679 und 1680 rechtswidrig waren, worauf diese un- gültig erklärt wurden. Ein zweites Exemplar des Gutach- tens entdeckte Katharina Arnegger im Österreichischen Staatsarchiv. Das Stadtarchiv Bregenz besitzt eine Stellungnahme der Vorarlberger Landstände betreffend den Kauf von Vaduz und Schellenberg durch Erzherzog Maximilian (1609). Im Diözesanarchiv Feldkirch sind aus der Registratur des Generalvikariats einige wenige Akten zu Patronatsan- Liechtensteinensia in ausländischen Archiven

188 I Archive in Deutschland Linie sind das Hauptstaatsarchiv Stuttgart und das Gene- rallandesarchiv Karlsruhe zu nennen. Dort befinden sich Wer sich intensiv mit der Geschichte der Grafen von Sulz auch die wichtigsten Unterlagen des Reichskammer - befassen möchte, muss gleich mehrere Archive aufsuchen. gerichts. Das Staatsarchiv Sigmaringen besitzt unter So finden sich Teile des Archivs sowohl im Fürstenbergi- anderem Unterlagen zum gemeinsamen Bataillon der Fürs- schen Archiv in Donaueschingen, wo ausserdem Unterla- tentümer Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigma- gen der Grafen von Werdenberg liegen, als auch im ringen und Liechtenstein zur Zeit des Deutschen Bundes. Schwarzenbergischen Familienarchiv, das heute im Gene- Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind nicht nur Un- rallandesarchiv Karlsruhe verwahrt wird. Ein dritter klei- terlagen zur Rheinbundzeit, als Bayern unmittelbarer nerer Teil befindet sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Nachbar Liechtensteins war, sondern auch Berichte der Wichtige Unterlagen zum Übergang der Herrschaften Bayerischen Gesandtschaft in Wien aus dem 19. Jahrhun- Schellenberg und Vaduz von den Grafen von Hohenems an dert von Interesse. Ausserdem werden dort Unterlagen der das Haus Liechtenstein befinden sich im Bestand Fürststift Institutionen des Alten Deutschen Reichs verwahrt, die auf Kempten im Staatsarchiv Augsburg. Der Kemptener Fürst- Liechtensteinensia hin überprüft werden sollten. abt Rupert von Bodman leitete eine kaiserliche Adminis- Besonders hinzuweisen ist schliesslich auf die Bayeri- trationskommission, weshalb zahlreiche Akten nach Kemp- sche Staatsbibliothek in München, die den musikalischen ten gelangten. Dieser Bestand ist gut erschlossen. Im Nachlass von Josef Gabriel Rheinberger gemäss dessen Liechtensteinischen Landesarchiv sind davon Mikrofilme Wunsch verwaltet. vorhanden. Die Erschliessung der Archive hat in den letzten Jah- Die archivalische Überlieferung zur Geschichte des ren gewaltige Fortschritte erzielt. Die on-line-Recherche in Schwäbischen Kreises ist verstreut in verschiedenen Ar- den Archivportalen der einzelnen Bundesländer liefert in chiven über ganz Südwestdeutschland zu finden, in erster der Regel eine Reihe von Liechtenstein-Betreffen.

Rheinbundsakte 1806. Als einziger Rheinbundfürst konnte und wollte Johann I. von Liechtenstein die Rheinbundakte nicht unterzeichnen lassen. Er wurde trotzdem in den Rheinbund aufgenommen. Archive in der Tschechischen Republik Sonstige Archive mit I 189 Liechtensteinensia Ein Teil des Archivs zur Geschichte der Grafen von Sulz ist mit dem Familienarchiv Schwarzenberg nach Wien und zu- Liechtensteinensia des 19. und 20. Jahrhunderts finden sammen mit diesem Ende des 19. Jahrhunderts nach Český sich in zahlreichen Nationalarchiven, wie beispielsweise Krumlov (Böhmisch Krumau) gelangt. Dieses gehört heute im National Archives in London oder in den Archives des zum Staatlichen Gebietsarchiv Třebon / Wittingau. Für die Affaires étrangères in Paris. Das National Archives in Lon- Liechtenstein-Forschung sind Urkunden und Urkunden- don wurde von David Beattie für sein Buch «Liechtenstein: abschriften zwischen 1095 und 1689 von Bedeutung, die a modern history», aber auch für Zwecke der «Unabhängi- über ein deutschsprachiges handschriftliches Verzeichnis gen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Welt- benutzbar sind, das in Kopie auch im Landesarchiv Liech- krieg» nach Liechtensteinensia durchsucht. Ein entspre- tenstein einzusehen ist. Auch die Akten, ein typisches Fa- chendes Verzeichnis stellte Beattie dem Landesarchiv zur milienarchiv, sind auf Mikrofilmen im Landesarchiv vor- Verfügung. handen. Diese Unterlagen geben Auskunft über Besitz- und In den «Archives des Affaires étrangères» wurde vor Vermögensverhältnisse der Familie von Sulz. allem nach den Hintergründen für die Aufnahme Liech- Im Staatlichen Gebietsarchiv Brno/Brünn (auch Mäh- tensteins in den Rheinbund gesucht, das Ergebnis war al- risches Landesarchiv) befinden sich Unterlagen, die bei der lerdings insgesamt enttäuschend. Interessant und auf- ehemaligen fürstlichen Zentralbuchhaltung in Butschowitz schlussreich hingegen sind die Berichte der französischen entstanden sind. Botschaft in der Schweiz über die Situation in Liechten- stein in den Jahren 1944 bis 1953. Sie befinden sich in Kopie im Landesarchiv. Wiederholt Interesse gefunden hat schliesslich das Vatikanische Archiv – vor allem der Plan des deutschen Zentrumspolitikers Matthias Erzberger zur Abtretung der Souveränitätsrechte des Fürstentums an den Papst (1916). Den Quellen zur liechtensteinischen Kirchengeschichte im Repertorium Germanicum (1378–1464) ist Thomas Willich (vgl. Literaturhinweis im Anhang) nachgegangen. Archiv und Menschenrechte: Aufgabe eines Archivs ist auch die Entwicklung der Menschenrechte zu dokumentieren. Anhang

Geld und Münzwesen Reichswährung (RW) I 191

Liechtenstein zählte seit dem 11./12. Jahrhundert zum Kon- Einem Abkommen von 1753 folgend, verwendete der stanzer Münzkreis, der sich bis ins nördliche Graubünden grösste Teil der deutschen Staaten die Konventionsmünze. erstreckte. Ab dem 15. Jahrhundert gewann die Feldkir- Diese beruhte auf dem Konventionsfuss, nach welchem cher Währung an Einfluss. Im 17. Jahrhundert war die Chu- 20 Gulden à 60 Kreuzer aus der Kölner Mark geprägt wer- rer Währung verbreitet, wie Münzfunde und Schuldver- den konnten. Seit 1776 tauchte neben dem Konventions- träge deutlich machten. Liechtenstein als Teil des Schwä- fuss der 24-Guldenfuss auf, der die alte österreichische bischen Kreises wurde 1753 Mitglied der bayerisch-öster- «Reichswährung» begründete. Damals wurde in Liechten- reichischen Münzkonvention, wodurch das Münzsystem stein entweder in Gulden Konventionsmünze (fl. CM) oder der süddeutschen Staaten und Österreichs massgeblich in Gulden Reichswährung (fl. RW) gerechnet. Das Fürst li- wurde. Die oft parallel existierenden Währungen verdeut- che Rentamt führte seine Rechnungsbücher bis 1858 in lichen die Rolle Liechtensteins als Transitland. Reichswährung.

Pfund (lat. libra, abgekürzt lb) Österreichische Währung (ö.W.)

Das Pfund wurde nach der karolingischen Zählweise in 1858 trat Liechtenstein dem «Wiener Münzvertrag» bei. 20 Schilling oder 240 Pfennig eingeteilt. Es handelte sich Damit wurde die auf dem Silber basierende österreichische sowohl um eine Gewichts- wie um eine Münzrechenein- Guldenwährung (abgekürzt ö.W.) mit der Teilung von heit. Diese blieb in den Grundzügen bis ins 19. Jahrhundert 1 Gulden zu 100 Kreuzer zur Landeswährung. Nach die- in Gebrauch. Die kleineren Münzeinheiten wurden nicht sem neuen Landesmünzfuss konnten 45 Gulden aus einem gezählt, sondern am Gewicht gemessen, z.B. ein Pfund Pfund feinen Silbers geprägt werden. Die Umrechnung zu Pfennig oder ein Pfund Haller. Das Gewicht des Pfundes 100 Schweizer Franken war 40 1/2 Gulden. war dabei örtlich und zeitlich sehr unterschiedlich, es lag zwischen 350 und 498 Gramm. Krone und Heller (abgekürzt K bzw. h)

Pfennig (lat. denarius, abgekürzt d) Österreich stellte 1892 mit Einführung der Krone zu 100 Heller auf die Goldwährung um. Liechtenstein folgte Eine Silbermünze, später oft mit hohem Kupferanteil. Ur- dieser Umstellung 1898. Das Werteverhältnis betrug ein sprünglich wurden aus dem Pfund Silber 240 Pfennige ge- Gulden österreichischer Währung gleich zwei Kronen, ein schlagen, später kamen bis zu 1400 Pfennige auf das Kreuzer österreichischer Währung gleich zwei Heller. Die Pfund. 12 Pfennige ergeben einen Schilling (lat. solidus, geldwirtschaftliche Abhängigkeit von Österreich machte abgekürzt s). sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs negativ be- merkbar. Durch die Inflation und den Mangel an Kleingeld kam es in Liechtenstein zur Ausgabe von Notgeld und zur Mark (lat. marca, abgekürzt m) Abkoppelung vom östlichen Nachbarn.

Ursprünglich ebenfalls wie das Pfund ein Münzgewicht, nämlich 1/2 Pfund, unterteilbar in 8 Unzen. Die feine Mark Schweizer Franken bestand aus reinem, die rauhe Mark aus legiertem Edel- metall. Der Franken wurde bereits im 19. Jahrhundert in Liech- tenstein als Zahlungsmittel verwendet. Nach dem Zollver- trag von 1923 mit der Schweiz wurde er 1924 durch Gesetz Gulden (lat. florenus, abgekürzt fl.) zur offiziellen Landeswährung erklärt, eine staatsvertragli- che Regelung mit der Schweiz folgte erst 1980. Ursprünglich eine Goldmünze der Florentier, die seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Silber ausgeprägt wurde. Nach der Münzreform in der Mitte des 16. Jahrhunderts teilte sich der Gulden in 60 Kreuzer, nach 1858 in 100 Kreuzer. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts entwickelte sich der Gulden zu einer Rechnungseinheit, der in der Regel 2 Pfund (= 40 Schilling) entsprachen. Bis ins 19. Jahrhun- dert existierten diese zwei Rechnungsweisen für das Münzgeld parallel nebeneinander. Anhang

192 I Währungssystem Masse und Gewichte

1 fl RW = 0.875 fl ö. W. Masse und Gewichte dienten dem Vergleich. Dieser orien- 1 fl CM = 1.05 fl ö. W. tierte sich zunächst an Körpermassen (Fuss, Elle, Faust), 1 fl CM = 1.2 fl RW an der Arbeitsleistung (Mannsmahd, Tagwan) oder am Er- 1 fl RW = 0.83 fl CM trag (Kuhrecht). Eine Einheitlichkeit war nicht gegeben, da 1 fl süddt. W. = 6/7 fl ö. W. je nach Nutzung (bei Flächen) oder Beschaffenheit (ver- 1 Vereinstaler = 1½ fl ö. W. = 1¾ fl süddt. W. gorener oder unvergorener Wein, glattes oder raues Ge- 1 K = 100 h treide) unterschieden wurde. Aufgrund der Bedeutung des Rodfuhrwesens waren in Liechtenstein die Transportmasse bis 1. Januar 1859 (Fuder, Saum) des Bodenseeraumes und der Ostschweiz 1 fl = 60 kr sowie die bündnerischen Gewichtsmasse in Gebrauch. 1 kr = 4 Pfennig oder Denar Nach dem Erwerb der Landschaften Schellenberg und Vaduz durch die Fürsten von Liechtenstein 1699/1712 ab 1. Januar 1859 wurde das österreichische Masssystem bevorzugt. 1 fl = 100 kr 1 fl ö. W. = 2 K 1 Fr. = 0,405 fl ö. W. (1859) Für Liechtenstein wichtige Verordnungen zur Regelung der Masse

1756 Allgemeines Masspatent für Österreich und Ungarn 1819 Fürstliche Verordnung Nr. 4445 betreffend Regulierung der Masse und Gewichte 1844 Einführung des erneuerten österreichischen Mass- und Gewichtssystems durch die Poli- zeiordnung von 1843 (Art. 63) 1876 Mass und Gewichtsreform, Einführung des metrischen Systems (LGBl. 1875/3)

Längenmasse

1 Meile (österr. Postmeile) = 4000 Klafter 1 Wiener Klafter = 6 Schuh oder Fuss = 1,9 m 1 Wiener Fuss oder Schuh = 31,61 cm 1 Wiener Elle = 77,76 cm

Einteilung: 1 Fuss = 12 Zoll = 144 Linien

Flächen- und Ertragsmasse

1 Mannsmahd, Mammet, Mannwerk (Wiese) = ca. 33,44 a 1 Manngrab, Mannschnitz (Rebland, Bünte) = ca. 2,8–3,4 a 1 Mitmel (Acker) = ca. 8,1–8,9 a 1 Joch (Juchart) = 57,55 a 1 Quadratklafter = 3,6 m2 Hohlmasse I 193

1 Mass = 1,29 Liter 1 Eimer = 41,15 Liter 1 Saum (Som (Ohm) = 164,64 Liter

Einteilung: 1 Eimer = 4 Viertel = 32 Mass 1 Saum = 4 Eimer ab 1844 1 Wiener Mass = 1,41 Liter Kompass, der für die Landesvermessung verwendet wurde 1 Viertel = 14,15 Liter 1 Wiener Eimer = 56,59 Liter

Einteilung: 1 Viertel = 10 Mass

Gewichte

1 Pfund = 473 g (Handelspfund = 16 Unzen = 2 Lot) 1 Pfund = 578 g (Massengüter, Konstanzerpfund = 20 Unzen = 40 Lot) 1 Krinne = 694 g (Massengüter, Bündner Mass = 4 Unzen = 48 Lot) ab 1844 1 Wiener Pfund = 561,19 g 1 Wiener Zentner = 56,128 kg 1 Saum = 126, 28 kg

Einteilung: 1 Pfund = 16 Unzen = 32 Lot

Quellen

Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liech- tenstein im 19. Jahrhundert, in: JBL 72 (1972), S. 411 ff.; Historisches Lexikon für das Fürstentum Liechtenstein, Artikel: Masse und Gewichte (Manuskript) Alois Niederstätter: Münz- und Währungseinheiten (un- veröffentlichtes Manuskript). (RT) Anhang

194 I Literatur zum Landesarchiv Hasler, Norbert W.: Die Sammeltätigkeit des Historischen Vereins und des Liechtensteinischen Landesmuseum. In: Jahrbuch des Historischen und seinen Beständen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein Vaduz Bd. 100 (2001), S. 239–278.

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196 I Bildnachweis Impressum

Alle Objekte mit Ausnahme der folgenden Abbildungen sind im Besitz Herausgeber: Liechtensteinisches Landesarchiv des Liechtensteinisches Landesarchivs: Redaktion: Paul Vogt Gemeindearchiv Vaduz: 18 Text Personenporträts: Walter Nigg (WN) Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein/Hausarchiv der regieren- Textbeiträge von: Angelika Arnegger (AA), Katharina Arnegger (KA), den Fürsten von Liechtenstein: 19, 176, 182, 183 Stefan Frey (SF), Karl Gassner (KG), Martin Graber (MG), Presse- und Informationsamt: 6, 22 (2 u) Cornelia Herrmann (CH), Isabella Marxer (IM), Lukas Ospelt (LO), Liechtensteinische Landesbibliothek: 80 (l) Dorothee Platz (DP), Rupert Tiefenthaler (RT) Gemeindearchiv Planken: 96 Pfarrarchiv Schaan: 104 Gestaltung, Satz und Bildbearbeitung: Atelier Silvia Ruppen, Vaduz Gemeindearchiv Triesen: 160, 161 Druck: Gutenberg AG, Schaan Erzbischöfliches Archiv, Vaduz: 165 Bindung: Buchbinderei Thöny AG, Vaduz Pfarrarchiv Bendern: 166 Pfarrarchiv Triesen: 167 Josef Gabriel Rheinberger-Archiv, Vaduz: 168, 169, 170, 171 (2) © Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz 2009 Dokumentationsstelle Kunst in Liechtenstein, Vaduz: 172, 173 (2), 174 Privatarchiv Willi Wolfinger, Balzers: 175 Staatsarchiv Graubünden: 177 Stiftsbibliothek St. Gallen: 178 ISBN 978-3-033-02219-5 Bischöfliches Archiv, Chur: 179 Zentralbibliothek Zürich: 180 Vorarlberger Landesarchiv: 151, 185 (u) Österreichisches Staatsarchiv, Wien: 153, 181, 184 Tiroler Landesarchiv: 186

Fotoaufnahmen Sven Beham: Titelseite, 8, 11, 12, 17, 23, 24 (2 u), 27, 28, 29, 33, 35 (1), 36, 37, 38, 39, 40, 41, 44, 45, 48, 50, 51, 53, 55, 56 (r), 58, 60, 63, 64, 67, 68, 71, 72, 73, 74, 79, 84, 88, 89, 100, 102, 104, 108 (2), 109 (4), 110, 111, 113, 115, 118, 119, 120 (2), 121, 122 (2), 123(2), 125 (2), 126, 127 (2), 128 (l), 129 (3), 132, 133 (2), 134, 136, 137, 138, 144, 145, 146, 154, 155 (2), 156, 160, 161, 164, 165, 166, 167 (2), 173 (l), 179, 185 (o), 188, 193 Barbara Bühler: 35 (3), 61, 124 Heinz Preute: 30, 31 Walter Wachter: 140 (8), 141 (8) Nitrochemie papersave swiss: 57 (2) Katarina Arnegger: 153 Angelika Arnegger: 56 Claudius Gurt: 175 Reto Reinhardt, Chur: 177 Stiftsbibliothek St. Gallen: 180 Österreichisches Staatsarchiv, Wien: 181, 193 (u) Silvia Ruppen, Vaduz: 190 Übrige Abbildungen: Scans Landesarchiv