Das Deutsche Hochamt Als Vor 50 Jahren Vier Pioniere Aus Einem Hamburger Bunker Die Erste „Tagesschau“ Ins Land Funkten, Waren Vor Allem Bunte Meldungen Gefragt
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Medien DPA „Tagesschau“-Sprecher Köpcke (1971), ARD-aktuell-Regieraum, „Tagesthemen“-Moderatorin Will: Die Welt ist schlecht, aber verständlich und TV-NACHRICHTEN Das deutsche Hochamt Als vor 50 Jahren vier Pioniere aus einem Hamburger Bunker die erste „Tagesschau“ ins Land funkten, waren vor allem bunte Meldungen gefragt. Heute ist alles politisch, und die Nachrichtenfabrik ARD-aktuell sendet rund um die Uhr. Von Klaus Brinkbäumer er Satz, dass früher alles besser war, Früher sang der von Natur aus „schöne Die Leute von der „Tagesschau“ waren ist ein schöner Satz, aber gelogen, Lothar“ („Bild“), Lothar Dombrowski, ein also immer schon größenwahnsinnig, nicht Dund wenn es um die „Tagesschau“ Chanson in der „Zwischenmahlzeit“, und alle, aber einige ihrer Stars. Und vermut- geht, muss es um die Wahrheit gehen. Die die Zuschauerin Else Kriegeskorte aus lich wurden die deshalb größenwahnsin- Wahrheit lautet: Die Leute von der „Ta- Essen schrieb, dass „auch eine verwöhn- nig, weil es im deutschen Fernsehen nichts gesschau“ waren schon früher so. te Frau seinem Charme“ erliege. Dom- gibt, was so groß ist wie die „Tagesschau“. So exhibitionistisch wie heute Eva Her- browskis Kollege Wilhelm „Stotter-Stöck“ So ernst und so wichtig. man, die ihre Scheidungen mit dem Publi- sagte „Bild“: „Der Dombrowski macht mit So verlässlich, dass die Eltern der klei- kum teilt („Das war der Gatte, den ich hat- solchen Mätzchen doch nur das Image der nen Anne Will in den siebziger Jahren ihre te“), ebenso den Ärger mit einstigen Kol- ‚Tagesschau‘ kaputt.“ Stotter-Stöck ver- Wohnzimmeruhr nach dem Gong aus dem leginnen („Susan Stahnke sagt immer die schwand, da er, der Name sagt es, Proble- Fernsehapparat stellten. Wahrheit – wenn sie die Nachrichten me mit seinen Texten hatte, erst ins Off So wahrhaftig, dass Susanne Daubner spricht“) und auch ihre Erfahrungen in der und dann in die Frührente. vor 1989 heimlich einschaltete, weil die Horizontalen. „Wir waren bis weit nach Manches war sogar gruseliger früher, „Aktuelle Kamera“ die Ostdeutschen nun Mitternacht draußen an der Elbe … Ir- denn verglichen mit Karl-Heinz Köpcke mal belog. gendwann lagen wir uns in den Armen“, formuliert Jens Riewa sensibel und zart. So amtlich, dass die Welt untergehen berichtet ihr Lebensabschnittsbegleiter. Köpckes Roman „Bei Einbruch der könnte; dann würde Susanne Daubner Oder so eitel wie heute Jan Hofer. „Ich Dämmerung“ erschien 1974, und hierher sagen: „Hier ist das Erste Deutsche Fern- trage Slips von Armani – schwarze mit passen leider nur Auszüge: „Beinahe von sehen mit der ‚Tagesschau‘. Guten Abend, Glanz.“ Das sagt Jan Hofer zu „Bild“. selbst platzten die Knöpfe auf … Zwei üp- meine Damen und Herren, heute ist die Oder so plump wie Jens Riewa. Der sagt pige Brüste machten paradoxerweise Welt untergegangen.“ zu „Bild“, die Schlagersängerin Michelle Männchen.“ Und, zwangsläufig: „Er sah Es begann am 26. Dezember 1952, und sei „eine Granate im Bett“, was zum besten die weißen, engen Jeans von den Gazel- seit 50 Jahren beginnt um acht der deut- Sex seines Lebens geführt habe. lenbeinen unter seinen Händen abplatzen sche Abend: Vor dem Gong müssen die Nein, früher war gar nichts besser, nicht wie überhitzte Haut von Wurst … ja, das Teller in der Spülmaschine sein, nach dem einmal bei der „Tagesschau“. Man hat es war … die orgiastische perfekte Kür, Welt- Wetter müssen die Kinder ins Bett. So ein- nur verdrängt. Früher zog Dagmar Berghoff meisterschaft des Geschlechts auf der gebrannt ins Leben des Landes ist die „Ta- gegen jenen Visagisten vor Gericht, der ihre Nahtstelle des menschlichen Seins und gesschau“, dass Abend für Abend zehn Lippen korrigiert hatte, und kündigte ihrer noch mehr, denn hinter dem Rasseln ihrer Millionen Menschen zugucken und erfah- Freundin ebendiese Freundschaft, weil die beiden Lungen hörte er ein übersinnliches ren, dass die Welt schlecht ist und traurig, Freundin nicht für Dagmar Berghoff aus- Keuchen, und er erschauderte.“ aber heute so verständlich wie gestern, im- sagen wollte. Es stand in „Bild“. Der heilige Köpcke! mer sortiert nämlich in zehn Minuten Film 80 der spiegel 51/2002 ULRICH PERREY / DPA (L.); CHRISTIAN G. IRRGANG (R.) (L.); CHRISTIAN PERREY / DPA ULRICH immer sortiert in zehn Minuten Film und fünf Minuten Wort und fünf Minuten Wort, fehlerfrei verle- Man kann nicht behaupten, dass die ZDF live dabei; ARD-aktuell konnte nicht sen vom Blatt. Nachrichtenfabrik ein schlichtes Gebilde senden, weil niemand im Sendergeflecht Es ist Dienstagmorgen, 10.30 Uhr, in sei, was zum Beispiel daran liegt, dass die Werbung unterbrechen mochte. Oder Haus 18 auf dem Gelände des Norddeut- die Landessender, von denen das Geld der 11. September, was für ein Desaster! schen Rundfunks (NDR) in Hamburg-Lok- stammt, seit Jahrzehnten ihre Feindschaf- Alle sendeten, sogar N-tv, nur im Ersten stedt, einem sandsteinfarbenen Rechteck ten pflegen. Wer darf heute den Kommen- zogen Elefanten durch die Savanne. „Da mit einem Innenhof mit Efeu und ein paar tar für die „Tagesthemen“ sprechen? Die- kann man jahrelang gut sein, das zählt Bänken. Um diesen Innenhof herum liegen se Frage reicht, und die Menschen von dann erst mal nicht mehr, wenn man so das Studio und die Schneideräume und das ARD-aktuell schauen zur Decke. Heikel, etwas vermasselt“, sagt Anne Will. Bildarchiv und die Büros der Chefredak- das. Eine Vorwitzige hat über die Tische Legende ist hier der Tag, an dem Man- tion und vor allem die drei großen Re- der Planer Wessel und Bartels ein Schild fred Kanther zurücktrat, leider um kurz daktionsräume, die auf „Tagesschau“- mit der Aufschrift „Beratung“ gehängt, vor halb elf – die „Tagesthemen“ sendeten Deutsch Newsrooms eins, zwei und drei und was zum Einwohnermeldeamt fehlt, ein paar Minuten später einen Kommentar, heißen und in denen diese bis zu 21 Sen- sind nur die Nummern für die Wartenden. in dem ARD-Koordinator Hartmann von dungen pro Tag entstehen, die das Raum- Das ist die Schwäche von ARD-aktuell. der Tann ganz und gar gnadenlos Manfred schiff ARD-aktuell produziert. „Handreichungen für den Krisenfall“ pap- Kanthers Rücktritt forderte. Sie sendeten Die „Tagesschau“ begann mit vier Leu- pen an einer Säule, denn dass im Krisen- deshalb, weil niemand den Kommentator ten. 50 Jahre später ist ARD-aktuell eine fall „ereignis- und nicht sendungsbezogen“ erreichen konnte. Für die Entscheidung, Nachrichtenfabrik mit 240 Malochern, die zu reagieren sei, müssen die Journalisten den Quatsch zu kippen, hätte es seine im Schichtdienst „schrubben“ (Anne Will). der Firma durchaus betonen. Genehmigung gebraucht. Zehn von denen sitzen jetzt im Konferenz- Als Angela Merkel kurz vor 17 Uhr ihre Andererseits, sie arbeiten daran. In Er- raum im ersten Stock und ordnen den Tag. Kanzlerkandidatur zurückzog, war das furt waren sie die Ersten, und auch als die „Die Rücktrittsdrohung vom USA die ersten Bomben über Af- Kanzler“, sagt Inlands-Planer ghanistan fallen ließen, lagen sie Kai Wessel, „das Treffen von vorn. Sie haben ja eine Revolu- Clement und Hundt, die tion herbeigeführt, auch wenn Flutorden.“ „Eine Ordensflut“, die natürlich „Große Struktur- scherzt einer. Dann ist Claudia reform“ heißen musste. Seit der Bartels dran, Planerin Ausland. Revolution arbeiten die Men- „Ja, das Ausland“, sagt sie, denn schen von „Film“ und „Wort“ das sagt sie immer, und dann: und „Planung“ nicht mehr ge- „Jimmy Carter, US-Präsident, geneinander, sondern in Teams. ehemaliger, und Erdnuss-Far- Diese Teams sind die Stärke von mer, bekommt den Friedensno- ARD-aktuell. „Die Stärke liegt belpreis.“ in der Leistungsfähigkeit des Ap- Listen werden gereicht, die parats“, sagt Anne Will, „es ist „TS-Themen“ für die „Tages- faszinierend zu sehen, was ge- schau“, die „TT-Themen“ für die schieht, wenn dieses große, „Tagesthemen“. Es gibt viele schwere Monster einmal in Fahrt Konferenzen und noch viel mehr kommt.“ Listen, und auf den Listen ste- Es ist 11.30 Uhr, „Tagesthe- hen die „NIFs“, Nachrichten im men“-Konferenz. Will trägt ei- Film, und die Namen der Kor- respondenten und vor allem die * Wilhelm Wieben, Karl-Heinz Köpcke, Dag- Namen der Sender, die ARD-ak- & THOMAS / THOMAS LÖDERS mar Berghoff, Werner Veigel, Jochen Brau- tuell heute beliefern. „Tagesschau“-Sprecher*: „Sachlich, seriös, fast offiziös“ ner 1978 im Hamburger NDR-Studio. der spiegel 51/2002 81 Medien CHRISTIAN G. IRRGANG (L.); STEFAN HESSE / DPA (M.) HESSE / DPA G. IRRGANG (L.); STEFAN CHRISTIAN HERMANN J. KNIPPERTZ J. HERMANN Sprecherin Daubner, Moderator Friedrichs (1990), Ex-Sprecherin Stahnke: „Frauen sind erotische Köder und sexuelle Feger“ nen braunen Pulli, lehnt die Knie gegen nender „News-Junkie“, ernährt sich von Osama Bin Laden habe sich „zu Mord“ den Tisch, trinkt Milchkaffee und klagt Kaffee und Zigaretten und ist seit 15 Jah- gemeldet, hat Anne Will mal gesagt. über gestern. Der Berliner Korrespondent ren dabei; sie darf drinnen rauchen, Nur Susanne Daubner hat sich nicht ver- Armin-Paul Hampel habe seinen Beitrag während die Jungen vor die Tür müssen, sprochen, als sie in der Früh um 5.30 Uhr falsch gebaut, na ja, „er kann trotzdem wegen des Rauchverbots. „Die Fünf“ und „Guten Morgen“ sagte und hinter ihr der noch mein Freund sein“, sagt Will. „die Acht“ bauen sie im Newsroom eins, Putzmann mit der Baseballmütze mit ei- Und sonst so? „Die Quote, ach ja: 18 was „Tagesschau“-Deutsch für die Sen- nem kräftigen „Morgen“ zurückgrüßte. Prozent.“ dungen um 17 und 20 Uhr ist. Morgenmagazine gab es nicht, Putz- Und was haben wir heute? Schröders Es ist 15 Uhr, und der Nobelpreis-Film männer auch nicht, und Frauen am Mikro Rücktrittsdrohung, Carters Nobelpreis, das hat Streifen, für die sich die Moderatorin gab es schon gar nicht, als die „Tagesschau“ sind Selbstgänger. Ein Gespräch mit Wolf- Susanne Holst entschuldigen muss. Um 17 1952 auf Sendung ging. „Frauen sind ero- gang Clement wäre gut, die Anfrage ist Uhr sagt Susanne Holst „Kackaphonie“ tische Köder und sexuelle Feger“, sagt raus. Und Michael Kunzes Broadway-Pre- und nicht „Kakophonie“, aber über so et- Horst Jaedicke, 78, „da weiß doch hinter- miere wird schöne Bilder bringen.