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54 ALPINISMUS ALPINISMUS 55 Im Höllentempo himmelwärts Christian Stangl nennt sich selbst Skyrunner. Die höchsten Gipfel bezwingt der Ausnahme-Alpinist in Rekordzeiten

PORTRÄT: TIZ SCHAFFER

it einer Krawatte wird man terfordert ist, schleift er schon mal ei- der hat man auch so auf seinem Konto. einem Risiko verbunden ist, ist laut mich nicht sehen, ich bin nen großen Traktorreifen hintennach, Das ist für Stangl Schnee von gestern, er Stangl unvermeidbar. Wirklich in M ja keiner, der Aktien ver- die „Bestie“, wie er ihn nennt. Ist halt weiß aber, dass sich gewisse Mythen des Lebensgefahr war er allerdings nur kaufen will“, sagt Christian Stangl. Des- ein Trainingsanreiz, der erhöhte Wi- Alpinismus hartnäckig halten. „Für den einmal, noch vor seiner Zeit als halb begegnet man ihm meist in Sport- derstand. Überhaupt scheint Christian reichen Steigeisen. Viele Skyrunner. kleidung. Und nicht selten auf dem Weg Stangl auch ein medizinisches Phäno- meinen, dass man senkrechte Wände „Bei der Besteigung des Ogre in zu einem Gipfel. Feilzubieten hat Stangl men zu sein. Dass er viele Höhenmeter hochklettern muss. Da sind Spielfilme Pakistan 1991 habe ich neun Tage seine Rekorde, davon hält er einige. Und in kurzer Zeit überwinden kann, liegt wie ‚‘ schuld, weil die zeigen so ei- auf Hilfe gewartet. Es hat mich zu- um einen Achttausender zu bezwingen, daran, dass er die sogenannte Akklima- nen Blödsinn, dass man sich nur ärgern geschneit, teilweise war ich schon benötigt der 43-Jährige weder kiloweise tisation nicht braucht. Während andere muss.“ Und in den letzten fünfzig Jah- auf der anderen Seite. ,Octopus’s Ausrüstung noch Bergsteigerkollegen, sich noch langsam an die veränderten ren hat sich viel verändert. „Die Leute Garden‘ von den Beatles war dau- Sherpas, Zwischenlager oder künstli- Sauerstoffbedingungen gewöhnen, ist glauben, um auf einen Achttausender ernd in meinem Kopf. Dann hab Zum Weiterlesen chen Sauerstoff. Sicher, im sogenannten Stangl schon am Gipfel. zu kommen, muss man eine Expediti- ich den Manitu, unseren Gott und Josef Hasitschka, Alpinstil, also ohne diese Hilfsmittel, on machen, weil man seit dreißig Jah- alle anderen verflucht. Ich habe ge- Ernst Kren, Adolf haben schon andere ein Gipfelkreuz ge- Sagen Sie bitte nicht „Extrembergstei- ren die Reinhold-Messner-Geschichten schrien, geschrien, geschrien. Dass Mokrejs: „Gesäuse- sehen. Allerdings nicht in einem derar- ger“ zu Stangl. „Extrembergsteigen ist sieht. Das macht doch heutzutage keiner ich mit 24 noch nicht sterben kann, Pioniere“, Schall- tigen Tempo. Vor zwei Jahren etwa, da ein Begriff der Boulevardpresse. Und mehr.“ das hab’ ich dem Allah reingesagt, Verlag (2008), war Christian Stangl innerhalb von ei- überhaupt gilt ja eh jeder als Extrem- Stangl hat eine einfache Sicht auf die so laut, dass es im ganzen Tal zu 384 S., € 29,80 nem Tag auf den Gipfeln von vier Sechs- bergsteiger, der einen Achttausender Dinge: Mehr Berge als die bestehenden hören war. Irgendwann habe ich tausendern. Das ist Skyrunning. bezwingt.“ Extreme lassen sich zwar gut werden nicht mehr auftauchen, und die, angefangen zu lachen und mir ge- Stangls Vorfahren waren Bauern und vermarkten, diesbezüglich ist er wenig die es gibt, werden nicht mehr wach- dacht, warum lachst du jetzt, du Holzfäller, seit seinem 14. Lebensjahr ist ambitioniert. „Das Bergsteigen ist so sen. Was also kann man neu, anders gehst ja gerade ein.“ er in den Bergen daheim. Selbst wenn er sinnlos wie die gesamte Menschheit. Da und besser machen? Vor allem eben die Stick Climbing die ganze Welt bereist und die höchsten kann ich jetzt nicht hingehen und sagen, Geschwindigkeit erhöhen. „Alle vier- Dieses Jahr wird Stangl ein Groß- Facts Berge bestiegen hat, sein Basislager war schaut’s, was ich tu’, ist so super.“ Könnte zehn Achttausender zu besteigen, das projekt vollenden. Um alle sieben Daniel Zimmermann und ist die Region rund ums Gesäuse. er aber. Auf dem 6965 Meter hohen ar- hat Messner 1986 vollendet. Noch heu- höchsten und zweithöchsten Kon- und Wolfgang Haas Dessen Gipfel haben Ende des 19. Jahr- gentinischen , dem höchsten te versuchen viele, dieses Ziel zu kopie- tinentalgipfel im Skyrunner-Stil wollen viel: Eine hunderts schon die Pioniere des Alpi- Berg Südamerikas, war er in etwas mehr ren, aber ich will kein Reserve-Messner abhaken zu können, fehlen ihm Installation soll in der nismus aus Wien und Graz angezogen. als vier Stunden. Mit Laufschuhen. Und sein.“ noch der K2 (Pakistan/China), der Grundlseer Gössler Stangl ist an der Ostseite des Gesäu- die sogenannten „“, die Damals waren auch die Wege zum Mt. Logan (Kanada) und der Mt. Wand entstehen, ein ses aufgewachsen, in Landl, seit einigen sieben höchsten Kontinentalerhebun- Gipfel noch nicht bekannt, man musste Tyree (Antarktis). Die sind heuer Film. Und mitmachen Jahren wohnt er in Hall bei Admont. gen, bewältigte er in einer gesamten sich mühsam vorantasten, heute ist alles dran. sollen auch alle. Steil! 2002 hat er seinen Job als Elektrotechni- Aufstiegszeit von rund 59 Stunden. kartografiert. Und gewisse Dinge sind Übrigens bedarf es keines aus- (s. Seite 38) ker aufgegeben und macht seitdem das, Warum schafft Stangl etwas, das einfach auszuprobieren, so wird man geklügelten Speiseplans, um Leis- was er am besten kann: nur mit einer sonst kaum einer schafft? Die einfachste ein Pionier. „Ich habe mich gefragt, wie tungen wie Stangl zu erbringen. Sportarbeit Hüfttasche, Wasser und Kohlehydraten Antwort wäre, er tut es einfach. Sicher, viele Sechstausender sind in einer Wo- „Ach, das is jetzt nicht so wild, Facts ausgerüstet, so schnell auf Berge zu ge- er ist schon ein Ausnahmeexemplar, che zu machen? Zehn sind sich ausge- von der Ernährung her.“ Gut, Was Landwirtschaft hen, laufen und klettern, wie das sonst und um sich in dieser Geschwindig- gangen. Wer hat das vorher gewusst?“ Fleisch isst er nicht so viel, das mit Fitness zu kaum einer kann. Er dürfte ein zäher keit raufzubeißen, da benötigt man macht ein bisserl träge, aber Fett tun hat? Der Hund sein. Ausdauer, Mut, einen eisernen Willen Niemand. Dass Stangl ein Skyrunner ist ganz wichtig. „Nach dem Trai- Künstler Johannes und anscheinend eine originelle Vor- geworden ist, war auch Zufall. 2001 ning kommst du nach Hause und Deutsch sucht Natürlich, konsequentes Training ist stellungskraft („Wenn ich so durch den bestieg er den 8201 Meter hohen Cho bist ausgebrannt. Da tu ich mir ab- nach dem kleinsten schon nötig. Rad fahren, laufen oder Schnee gehe, denke ich mir, ich bin ein Oyu im Himalaya alleine, im Alpinstil sichtlich ganz viel Butter aufs Brot. gemeinsamen im Gesäuse herumklettern. Das macht russischer Atomeisbrecher“). Vielleicht und auf einer neuen Route. „Da hab ich So dick“, sagt er und zeigt vor wie Nenner Stangl so gut wie jeden Tag, wenn er will sich aber auch niemand so quälen mir gedacht, schau, so einfach geht das. viel. Zwischen seinem Daumen (s. Seite 38) nicht für eine Besteigung im Ausland wie er, mit Träger und Zwischenlager ist Dann habe ich angefangen zu experi- und dem Zeigefinger haben locker ist. Und weil er damit manchmal un- es einfach bequemer, den Achttausen- mentieren.“ Dass das auch immer mit zwei Zentimeter Platz.