Professor Dr. Karl Holzamer ZDF-Intendant Ad Im
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 26.04.1999 Professor Dr. Karl Holzamer ZDF-Intendant a.D. im Gespräch mit Dr. Ernst Emrich Emrich: Wir begrüßen Sie, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, bei Alpha- Forum. Unser Gast ist heute Professor Dr. Karl Holzamer. Herr Professor, Sie sind – und das ist sicherlich keine Übertreibung – der bekannteste Fernsehintendant Deutschlands. Sie sind den heutigen und früheren Fernsehzuschauern als Intendant des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ und durch viele eigene Auftritte wie z. B. dem "Gespräch mit dem Zuschauer" in Kiel sicherlich genauso bekannt wie in Garmisch- Partenkirchen. Ich habe eine etwas lästerliche Anfangsfrage. Als Sie 1962 als Intendant gewählt wurden, um das damals noch nicht vorhandene „Zweite Deutsche Fernsehen“ zu gründen und aufzubauen, gab es Leute, die das für eine abenteuerliche Geschichte hielten. Ist da etwas dran gewesen? Holzamer: Durchaus. Es hatte zwar schon ein zweites Programm gegeben - die ARD hatte sogar schon ein zweites Programm angefangen mit der Absicht, es auch institutionell weiterzuführen –, aber ich erinnere mich daran, daß der „Spiegel“ und andere Zeitschriften gerade in der Anfangszeit etwas pejorativ, also negativ, von uns als diesen "Mainzelmännchen" sprachen, die im Geheimen etwas vorbereiten, das doch gar nichts werden könne. Es wurde aber doch etwas daraus, weil wir uns dazu entschlossen hatten, die angebotenen Figuren auch wirklich Mänzelmännchen zu nennen: Das hat sich auch durchgesetzt. Emrich: Warum das manche Zeitgenossen für abenteuerlich hielten, hatte noch einen speziellen Grund. Der Intendant war bis dahin Universitätsprofessor mit Hauptfach Philosophie gewesen: Da konnte sich natürlich mancher nicht so recht vorstellen, wie denn das etwas werden soll, wenn dieser Mann nun organisieren und Management betreiben muß. Wie hat sich das angelassen für Sie? Sie haben ja auf der freien grünen Wiese mit nichts begonnen. Holzamer: Ja, das stimmt. Allerdings hatte ich eine gewisse Grunderfahrung, indem ich ja mein berufliches Leben vor heute 67 Jahren und einem Monat beim alten „Westdeutschen Rundfunk“ in Köln begonnen hatte. Das war im November 1931. Das habe ich auch bis zur Kriegszeit durchgehalten. In der Kriegszeit selbst war ich als Kriegsberichterstatter tätig. Nach dem Krieg wurde ich als Vertreter der Universität Mainz mit der Gründung des „Südwestfunks“ in Baden-Baden Rundfunkratsmitglied. Als solcher war ich unter den 49 Mitgliedern des Rundfunkrats der einzige, der eine echte Erfahrung mit dem Rundfunk hatte. Deswegen war ich auch zehn Jahre lang Vorsitzender des Rundfunkrates. Ich hatte da natürlich wenigstens indirekt meine Erfahrungen mit dem Rundfunk gemacht – und auch schon mit dem Fernsehen. Emrich: Aber nun kommt ja viel Detailkram zu dem hinzu, was man sich aus der theoretischen Warte als Professor hinsichtlich des Rundfunks vorstellt oder was man als Rundfunkratsvorsitzender bei Etatproblemen usw. mitbekommt. Ich erinnere mich daran, daß es mindestens drei oder vier verschiedene Stellen in Mainz gab, in denen einzelne Redaktionen oder Büros untergebracht waren, denn Sie hatten ja kein eigenes Haus. Deswegen sagte ich vorhin, daß Sie auf der grünen Wiese begonnen haben. Die Nachrichten – also die aktuelle Abteilung – waren in Wiesbaden untergebracht. Holzamer: Ja, es war sogar noch ärger. Wir hatten natürlich in Mainz keine eigene Bleibe. Man untersuchte, ob man – unter dem damaligen ersten Direktor Rudolf Kaiser – nicht vielleicht in einem Kino anfangen könnte. Wir übernahmen dann das vom „Deutschland Fernsehen“ bereits mitgeprägte Studio in Eschborn bei Frankfurt. Von dort sendeten wir während des ganzen ersten Jahres – unter abenteuerlichen Umständen freilich. Herr Kaiser, den ich damals als Technischen Direktor dort einführen wollte, sagte zu mir: "Das darf doch nicht wahr sein!" Aber es wurde wahr. Es gab je nach Witterung Sand und Schlamm und ein Studio, das in ehemaligen Ställen eingerichtet worden war. Das war buchstäblich auf dem Land. Wir zogen zwar ein Jahr später in die "Taunus-Film", um dort wenigstens unser aktuelles Studio zu betreiben, aber wir hatten immer noch keine eigene Stätte, in der wir etwas hätten produzieren können. Das mußten wir eben zum großen Teil mit auswärtigen Angelegenheiten erledigen. Von solcher Art waren eben damals unsere Anfangsschwierigkeiten. Emrich: Man kann sagen, daß Sie nicht mehr als ein Jahr zur Verfügung hatten: von Ihrer Wahl im März 1962 bis zum Sendebeginn des ZDF 1963. Bis dahin mußte praktisch das ganze Gerüst und die ganze Grundorganisation stehen: sowohl in technischer Hinsicht als auch in bezug auf die Fachleute und die Mitarbeiter in den Redaktionen. War es eine mühsame Geschichte, alle diese Leute zusammenzubekommen? War das sehr schwierig? Holzamer: Ja, es war auf der einen Seite wirklich sehr schwierig, unter diesen Umständen überhaupt beginnen zu können. Darüber hinaus war es ja auch noch so gewesen, daß ich im März 1962 gewählt worden war und die Ministerpräsidenten dabei auch noch die unmögliche Vorstellung hegten, wir könnten noch zum 1. Juli des gleichen Jahres mit dem Programm beginnen. Das mußte ich zuerst einmal ausräumen. Das Engagieren von Mitarbeitern war nicht so schwierig. Die ersten, die mitmachen wollten wie etwa Dr. Brobeil vom „Südwestfunk“, zogen natürlich viele andere mit. Sie kannten entweder ihn oder aufgrund der Sitzungen in der ARD auch mich. Das Neue regte die Leute an, da ebenfalls mitzumachen. So ging es hauptsächlich dem „Südwestfunk“ und auch dem „Westdeutschen Rundfunk“ in Köln hinsichtlich einiger Mitarbeiter an den Kragen. Dabei ereignete sich sogar folgendes. Eines Tages rief mich Herr von Bismarck, der damals Intendant des „Westdeutschen Rundfunks“ gewesen ist, an und fragte mich: "Können Sie mir sagen, wer von meinen leitenden Mitarbeitern sich bei Ihnen gemeldet hat?" Ich mußte ihm aber schon erklären, daß ihm das die betreffenden Leute selbst sagen müßten, denn ich könnte das ja wohl nicht machen. Es war eben tatsächlich so, daß wenigstens ein Teil aus Neugierde und aufgrund der Möglichkeit, etwas Neues aufbauen zu können... Emrich: Das hatte etwas Pionierhaftes an sich. Holzamer: Eben. Die Leute kamen aus diesem Grund mit dazu. Ich durfte dabei das gleiche Erlebnis noch einmal haben, das ich bereits 1946 beim Aufbau der Universität gehabt hatte: Das, was sich zunächst einmal zusammenfindet – und das ist keine Hypertrophie –, ist von einem Pioniergeist geprägt. Das half uns damals in dieser schwierigen Lage weiter. Wir hatten ja auch keine Mittel, denn eine der Hauptschwierigkeiten bestand darin, daß man Geld haben mußte, um diese Leute engagieren zu können. Ich mußte dafür aber die Zustimmung eines Verwaltungsrates bekommen, der wiederum von mir verlangte, bereits einen Etat vorzulegen, den man nur mit Hilfe eines entsprechenden Personals überhaupt erstellen konnte. Emrich: Wenn wir an diese ganz frühe Zeit denken und sehen, daß sich noch in Ihrer Ägide das ZDF zur größten Fernsehanstalt Europas entwickelt hat, dann ist das ebenfalls etwas Bemerkenswertes. Denn oft sagt man ja, die erste Generation würde sich beim Aufbau verschleißen, sie wäre hinterher „tot“ oder würde das einfach nicht überstehen. Bei der zweiten Generation wackelt die ganze Geschichte angeblich noch, und erst bei der dritten Generation kommt die Sache richtig ins Laufen. Sie haben jedoch 15 Jahre Ihre Position gehalten und das ZDF während dieser ganzen Entwicklung begleitet. Sie sind als Professor für Philosophie und Pädagogik in diese Aufgabe mit einigen eigenen Zielvorstellungen hineingegangen. Dazu gehörten etwa Begriffe wie "Lebenshilfe" oder die Vorstellung, dem Zuschauer nicht nur das anzubieten, was er gerne sieht, sondern auch, was er sehen sollte, was für ihn hilfreich ist. Wie viel davon hat sich realisieren lassen? Wie viel davon mußte man im Lauf der Entwicklung opfern? Holzamer: Ich habe das ja bei meiner ersten Ansprache am Eröffnungstag, dem 1. April 1963, bereits ausgesprochen: Wir brachten damals die Szene "Auf dem Theater" aus dem "Faust". Da fragt sich ja der Theaterdirektor – und das habe ich dann in meiner Ansprache auch wiederholt: "Wie machen wir's, daß alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?" Da muß man sich schon sagen, daß der alte Goethe auch ein guter Fernsehintendant geworden wäre. "Neu" heißt eben, daß wir aktuell sein müssen, "frisch", daß wir es so machen, wie wir nun auch dieses Gespräch führen, nämlich lebendig und persönlich. Die "Bedeutung" heißt, daß das Ganze aber kein Quatsch sein soll, sondern etwas, das den Menschen hilft, das ihnen eine Hilfe gibt und das sie innerlich bildet. Aber es soll auch gefällig sein, es soll unterhaltend bleiben. Das sind die Momente, die wir in all den Jahren auch zusammenzubinden versucht haben. Das war zum Teil auch eine Sache des Glücks. Ich muß z. B. nur daran denke, wie wir das beim "Aktuellen Sportstudio" oder bei der Wettervorhersage lebendig und direkt durch Personen an den Mann gebracht und es eben nicht nur innerhalb von Nachrichten gemacht haben, bei denen man immer nur einen Nachrichtensprecher sieht. Dieses Lebendige habe ich auch in meinen eigenen Sendungen beherzigt, die ich glücklicherweise durchführen konnte. Im "Gespräch mit dem Zuschauer" waren das Gespräche mit Menschen, die ich vorher nicht gekannt habe: Das war einfach ein Gespräch, das frei von der Leber weg geführt worden ist – ohne irgendwelche Hürden, die vorher zu nehmen gewesen wären. So sollte es eben im Fernsehen überhaupt zugehen. Emrich: Das hatte so einen