•Impulse •THEMA: Museums[Aus/Neu]Bauten •Museumsboom in Österreich •Das Belvedere – Treibhaus der Kunstlust Juni •ZU(G)BAU – Zubau für die Eisenbahn / Österreichische Mediathek (TMW) •Projekt „Südflügel“ des Linzer Schlosses 2007 •Das neue SALZBURG MUSEUM •Joanneum Neu •Vorarlberger Landesmuseum Neu •Michelstettner Schule Schauplätze: •Druckgraphik im Joanneum •OÖ. Kategorisierungsprojekt •Schmetterling – ganz schön flatterhaft 07/ 1&2 (TLMF) •Schiele mit SchülerInnen für SchülerInnen (Belvedere) •BENIN – Könige und Rituale (Museum für Völker- kunde (Wien) •Serie Museumsbibliotheken: Die Bibliothek des OÖ. Landesmuseums •Das Gedächtnis des Böhmerwaldes
Thema: Museums[Aus/Neu]Bauten
Herausgegeben vom Museumsbund Österreich ISSN 1015-6720 14,30 € 19. Österreichischer Museumstag „Sammlungsstrategien der Museen“
17. bis 20. Oktober 2007 in Salzburg Johann Fischbach (1797–1871) Salzburg, um 1850 (Ausschnitt) Öl auf Holz www.museumstag.at Salzburg Museum, Inv.-Nr. 1038/2003
Museum · Profession · Kommunikation Ausstellungskonzepte Architektur Ausstellungsgestaltung Besucherorientierung Benchmarking Coaching Corporate Identity Design Dialog Didaktik Diskurs Evaluation Ehrenamt Ethik Feinkonzept Führungen Finanzierung Gesprächsführung Handlungs- orientierung Hands-on Inspiration Interkultur International Jugendliche Kreativtechniken Kulturtourismus Kunstvermittlung Konzeptentwicklung Kulturpolitik Lerntheorien Leistungskennziffern Lehrthemen Licht Marketing Museumspädagogik Museumstheater Multimedia Nacht der Museen Natur Normen Organisationsstrategien Öffentlichkeitsarbeit Personalführung Public Relation Praxisorientierung Projektmanagement Qualitätssicherung Rhetorik Schule Selbstmanagement Sponsoring Standards Teamentwicklung Textkonzepte Umwegrentabilität Unternehmerqualitäten Vernetzungssysteme Vereinsarbeit Volonteering Weiterbildung Wunderkammern Werbung Xenologie Yogaübung Zeichensysteme Zielgruppen Zielorientierung
Tel. (+49) 5331.808-417 -- Fax (+49) 5331.808-413 www.bundesakademie.de [email protected] Editorial Geschätzte Leserinnen und Leser!
aren Museums- quentes Bemühen, das Erscheinungsbild Wbauten im 19. von Museen zeitgemäß zu gestalten. Die Jahrhundert herausra- klassische Aufgabenstellung „Vermitteln“ gende Beispiele eines eines Museums bezieht sich ja auch auf den neuen Gebäudetypus, so Gesamtauftritt der Institution nach außen steht der Museumsbau in den letzten Jahr- und daher auch auf alle Aspekte der Gestal- zehnten des 20. und am beginnenden 21. tung. Im Besonderen ist es eine verstärkte Jahrhundert wiederum für eine der innova- Besucherorientierung, eine umfassende tivsten Bauaufgaben. Serviceverbesserung hin zum Museumsbesu- cher, welche die einzelnen Bauprojekte Ein kurzer aktualisierter Blick in die öster- auszeichnet. reichische Museumslandschaft zeigt eine große Fülle an unterschiedlichsten Baumaß- Das vorliegende Heft gibt einen ersten nahmen im Zusammenhang mit Museums- Überblick über diese vielfältigen Baumaß- gebäuden, seien es große Neubauprojekte, nahmen, einen Überblick, der Ihnen hof- Ergänzungsbauten oder umfassende Restau- fentlich ein angenehmes und anregendes rierungen – vor allem jedoch ein konse- Lese- und Nachdenkvergnügen bereitet.
Mag. Dr. Peter Assmann PS. Laut Beschluss der Vorstandssitzung vom 30. Jänner 2007 heißen Präsident des Museumsbundes Österreich wir nun Museumsbund Österreich (MÖ). In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf das neue Logo und besonders den druckfrischen Folder hinweisen. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen auch an mögliche Interessenten weitergeben.
PPS. Zum Vormerken: 19. Österreichischer Museumstag in Salzburg, 17.-20. Oktober 2007, Thema: Sammlungsstrategien der Museen (www.museumstag.at) Herausgeber und Redaktion bedanken sich bei folgenden Institutionen für Ihre Unterstützung:
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Albertina, Wien | Belvedere, Wien | Heeresgeschichtliches Museum Wien | Inatura, Erlebnis Naturschau Dornbirn Kunsthistorisches Museum, Wien | Landesmuseum Burgenland Landesmuseum Joanneum |Landesmuseum Kärnten Landesmuseum Niederösterreich |Liechtenstein Museum, Wien Museen der Stadt Linz | MuseumsCenter – Kunsthalle Leoben Museum Moderner Kunst, Wien | Oberösterreichische Landesmuseen Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien Salzburg Museum | Südtiroler Landesmuseen Technisches Museum, Wien | Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Vorarlberger Landesmuseum | Wien Museum
Impressum
Verleger und Herausgeber: Museumsbund Österreich (ZVR 964764225) Präsident: Mag. Dr. Peter Assmann, Museumstraße 14, A-4010 Linz [email protected]
Geschäftsführung MÖ & Redaktion ‚neues museum‘: Welserstraße 20, A-4060 Leonding Mag. Stefan Traxler, [email protected] Mag. Claudia Kiesenhofer, [email protected]
Produktion & Layout: Mag. Elisabeth Fischnaller, Mag. Claudia Kiesenhofer Druck: Landesverlag Denkmayr, Linz
Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: Berichterstattung über aktuelle Fragen des Museumswesens, Ausstellungen, Museologie, Wissenschaft, Architektur, Restaurierung, Didaktik, Öffentlichkeitsarbeit und Mitteilungen des Museumsbundes Österreich
Die von den Autorinnen und Autoren gezeichneten Texte müssen nicht der Meinung der Redaktion der Zeitschrift ‚neues museum‘ entsprechen.
Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien
Cover: BELVEDERE, neuer Wandelgang (Orangerie) n e u es museum 07/1 &2 Juni 2007
IMPULSE Schauplatz – bewahren
4 witzig – skurril – anders 68 OÖ. Kategorisierungsprojekt Christian Hemmers
Schauplatz – forschen
THEMA – Museums[Aus/Neu]Bauten 74 Schmetterling – ganz schön flatterhaft Peter Huemer & Sylvia Mader
6 Österreichischer Museumsboom Museums[Aus/Neu]Bauten im Überblick Stefan Traxler Schauplatz – vermitteln 12 Das BELVEDERE – Treibhaus der Kunstlust 83 Schiele mit SchülerInnen für SchülerInnen Hadwig Kräutler Peter Huemer 22 ZU(G)BAU – Zubau für die Eisenbahn / Keine bloße Geräuschkulisse (TMW) Wolfgang Tobisch/Rainer Hubert Schauplatz – präsentieren 29 Projekt „Südflügel“ des Linzer Schlosses Peter Assmann 88 BENIN – Könige und Rituale 32 Das Neue Salzburg Museum Höfische kunst aus Nigeria (Museum für Erich Marx Völkerkunde,Wien) Barbara Plankensteiner 42 Joanneum Neu Wolfgang Muchitsch
47 Vorarlberger Landesmuseum Neu SERIE – Bibliotheken der Landesmuseen Martina Heise 50 Michelstettner Schule: Schulgeschichte zum Leben erweckt 99 Die Bibliothek der OÖ. Landesmuseen Christine Steindorfer Waltraud Faißner
Schauplatz – Spezial
Schauplatz – sammeln 110 Das Gedächtnis des Böhmerwaldes Elisabeth Vera Rathenböck 62 Druckgraphik im Joanneum Christa Höller JOURNAL
118 Tipps, kurz und bündig 132 Museen & Ausstellumgen
Vorschau Heft 07/3 Thema: Qualität im Museum 3 IMPUL witzig ... skurril ... anders IMPULSE
KULTUR-RÄTSEL
Wie bezeichnet
man diese Rarität?
at! Unik
t – t rä e G
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„Mölksechta“? ff a h Sc
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Dreschflegel, Schaff & Rübenheber „Zoanl“ oder
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„Zistl“? mi rb o K r e h c li g
Dialektbegriffe und Kulturgüterdatenbank län „Wetschina“?
... Neben der Systematik mussten auch die Begriffe der a ini g Vir e, rr ga i » Z Ordnungsgruppen und Objektbeispiele (Gegenstandsbeispiele) geändert und vor allem erweitert werden. Mit jedem Museum kommen neue Begriffe zur Systematik hinzu. Teilweise gibt es natürlich regionale Unterschiede in den Bezeichnungen für ein und dasselbe Objekt. Dieser vorwiegend umgangssprachlichen Vielfalt kann im Rahmen einer Kategorisierung natürlich nicht Rechnung getragen werden. ...«
Kategorisierungsprojekt (Ch. Hemmers ab S 68)
4 SE
wie verwandelt »Raupe und Schmetterling symbolisieren nicht nur den Zyklus des Lebens in seinen unterschiedlichen Entwicklungsstadien, sondern zeigen das Verhältnis von Schönheit zu Hässlichkeit, die Bedeutung einer Sache vs. deren © Maxi Traxler, Bedeutungslosigkeit und auch, dass 2007 eine Beurteilung von Strukturen und Dingen in der Perspektive des Betrachters liegt.«
Ruairí O’BRIEN, Das Museum im 21. Jahrhundert, ad Abb. 2 (s. Buchtipp S 10)
Eine etwas andere AUSFLUGSTIPP »Schmetterling – ganz schön flatterhaft« Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, bis 9. September 2007 (Peter Huemer, ab S 74) ... summerfeeling elbst über viele Kilometer Entfernung können Schmetterlings-Männchen den Geruch der Weibchen wahrnehmen. So dauert es meist nicht lange, bis sie Szueinander gefunden haben. Ohne Zögern klettert das Männchen den massigen Hinterleib seiner Auserwählten hinunter. Es will keine Zeit verlieren, falls sich in der Nähe ein potentieller Nebenbuhler aufhält, der ihm seine Eroberung streitig machen könnte ... 5 Museums[Aus/Neu]Bauten
Österreichischer Museumsboom
Museums[aus/neu]bbauten im Überblick
Der 18. Österreichische Museumstag in Eisenstadt war dem Thema „Das Museum und seine Besucher“ gewidmet. Bereits in diesem Rahmen wurden viele Aspekte angesprochen, die rund um zeitgemäße Museums[aus/neu] bauten beachtet werden sollten (vgl. neues museum 06/4). Die klassischen Hauptaufgaben „Sammeln“, „Bewahren“, „Forschen“, „Vermitteln“ geben einen ersten Orientierungs- rahmen über die Komplexität der Institution Museum und was bei Planungsmaßnahmen alles – sowohl aus inhaltlicher als auch architektonischer Perspektive – zu berücksichtigen ist.
Stefan Traxler
numstritten ist der (Aus/Neu/Um-)Bau die berechtigte Forderung nach barrierefreien eines Museums eine der „subtilsten Bau- Konzeptionen (vgl. z.B. FISCHER, M. W. K., Uaufgaben“ unserer Zeit (OECHSLIN, neues museum 06/4, 30ff.; SCHENK, Ch. J., neues W., in: GREUB & GREUB 2006, 7). Sehr einpräg- museum 03/4, 50ff.) angeführt zu werden. Beson- sam ist dazu T. GREUBs Metapher der „janusköpfi- ders die Einbindung der Museumsvermittler in die gen Aufgabenstellung“, die impliziert, dass das Raumplanung (GESCHÉ-KONING, N., neues Museum „die ihm anvertrauten Werke sowohl be- museum 06/4, 11) ist – wenn man aus eigener Er- wahren als auch präsentieren, sie inventarisieren fahrung weiß, wie mühsam es ist, in verwinkelten und zudem für jedermann verständlich sichtbar ma- Räumen mit einem Kollegen ungewollt ins chen muss.“ (Ibd. 11). Die vielen damit verknüpf- schlecht abgestimmte Duett zu verfallen oder nur ten Anforderungsprofile haben sich zusehends Improvisation über fehlende inhaltliche Kontexte weiterentwickelt, sind umfangreicher geworden. hinweghilft – ein absolutes Muss! Als Beispiele brauchen nur das stetig wachsende Zur Schaffung geeigneter Bedingungen, die not- Wissen um konservatorische Bedürfnisse oder wenig sind, um den modernen musealen Herausfor- 6 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Links: Das Landesmuseum Burgenland im ehemaligen jüdischen Ghetto gelegen, mit dem markanten Erker (© Nabinger 2006)
Der Zubau stammt aus dem Jahr 1976 und beinhaltet auch den Bürotrakt (© Landesmuseum Burgenland 2006)
Im Frühjahr 2006 nach Umgestaltung und Neuaufstellung wiedereröffnet.
»Unumstritten ist der (Aus/Neu/Um-) Bau eines Museums eine der „subtilsten Bauaufgaben“ unserer Zeit.«
Klagenfurt Hohenems Ampflwang Mistelbach
derungen gerecht werden zu können, sind viel Eine derartige Kritik würde ohnehin nur eine (und Engagement, Kreativität und nicht zuletzt ein ent- das letztendlich subjektive) Meinung widerspie- sprechender finanzieller Rückhalt erforderlich. geln, außerdem würde das den Rahmen dieses Bei- Angesichts der generell eher als rückläufig zu bezeich - trags bei weitem sprengen – man könnte alleine mit nenden Kulturbudgets und somit auch -förderungen den größeren Bauvorhaben mühelos eine Ausstellung verwundert die große Anzahl von diversen Umbau- „Österreichische Museen im 21. Jahrhundert“ maßnahmen, Museumszu- und Neubauten im füllen – und viele der Maßnahmen sind ohnehin beginnenden 21. Jahrhundert in Österreich bereits intensiv in den Medien diskutiert worden. auf den ersten Blick. Das betrifft die großen Wiener Museumskomplexe ebenso wie die Landesmuseen, IN WIEN aber auch von den sog. mittleren und kleineren Museen können hier Beispiele angeführt werden. Im Jahr 2001 werden in Wien das MUMOK Sehr bewusst sei hier auf Kommentare bezüglich und das Leopold Museum (neues museum Pro und Kontra der jeweiligen Projekte verzichtet. 1+2/2002, 11ff.) sowie das ZOOM Kindermuseum 7 Museums[Aus/Neu]Bauten
Museum Moderner Kunst Kärnten: Arkadenhof bei Nacht, Installation Brandy (© MMKK)
Liechtenstein Museum, Wien (© St. Traxler, 2007)
(KÖSTRING, P., neues museum 3/2001, 33ff.) im Mu- IN DEN seumsQuartier eröffnet. Die Sanierungs- und Umgestal- LANDESHAUPTSTÄDTEN tungsmaßnahmen der Albertina sind 2003 weitgehend abgeschlossen. Das Kunsthistorische Museum kann u. a. St. Pölten ist seit 1986 Landeshauptstadt von Nieder- auf die Neugestaltung des Antikenkabinetts verweisen österreich. 16 Jahre nach dem entsprechenden Landtagsbe- (GSCHWANTLER, K., neues museum 05/4&06/1, 46ff.) schluss wird das Landesmuseum Niederösterreich – als und nach der Sonderausstellung „Benin – Könige und Ri- „Kunstwerk, Erlebnisraum, Bildungsstätte und Zukunftswerk- tuale“ im heurigen Jahr (s. Beitrag PLANKENSTEINER, B., stätte“ (neues museum 2/2002, 43; vgl. HOFLEITNER, J., 88ff.) sieht man voller Erwartung der Wiedereröffnung des neues museum 03/1, 61ff.) feierlich eröffnet. Museums für Völkerkunde im Jahr 2008 entgegen. Außer- Im Landesmuseum Joanneum sind seit einigen Jahren dem werden das KHM und das Naturhistorische Museum im umfassende Aus- und Neubaumaßnahmen sowie Umstruk- letzten Jahrzehnt von umfangreichen Sanierungs- und Mo- turierungen im Gange, die 2011 – zum 200-jährigen Ju- dernisierungsmaßnahmen begleitet. Die ersten Umbaumaß- biläum des ältesten Museums Österreichs – mit dem sog. nahmen im Belvedere unter der neuen Leiterin sind eben- Joanneumsviertel ihren vorläufigen Abschluss finden sol- falls bereits im Gange (s. Beitrag KRÄUTLER, H., 12ff.) und len (s. Beitrag MUCHITSCH, W., 42ff.). Der auch inter- beim Technischen Museum sind die Weichen für einen national Aufsehen erregende Bau des Kunsthauses Graz – ZU(G)BAU, der die Verkehrssammlung beherbergen wird, offiziell als „Friendly Alien“, im Volksmund gerne als ebenfalls bereits gestellt (s. Beitrag TOBISCH, W., 22ff.). „Warzenschwein“ bezeichnet – wird durch ein Sonderbudget Abseits der baulichen Unternehmungen rund um die im Rahmen von „Graz – Europäische Kulturhauptstadt Bundesmuseen ist für Wien besonders die Rückkehr der 2003“, ermöglicht. Aber auch die Grazer Museen abseits des Fürstlichen Sammlungen ins Liechtenstein Museum (2004; Joanneums sind umtriebig: Wiedereröffnungen des Diö- KRÄFTNER, J., neues museum 04/4, 36ff.) zu erwähnen. Im zesanmuseums 2002 (KAINDL, H., neues museum 03/1, Herbst 2005 kann nach umfassenden Renovierungsarbeiten 42ff.) und des Stadtmuseums 2006. das WAGNER:WERK Museum Postsparkasse der Öffentlich- Nicht zuletzt kann auch durch das Projekt „Linz – keit präsentiert werden und seit Frühjahr 2006 sind nach Europä ische Kulturhauptstadt 2009“ in der oberösterreichi- Umgestaltungsmaßnahmen insbesondere im Eingangsbe- schen Landeshauptstadt ein museales Großprojekt umgesetzt reich die Pforten des Wien Museums wieder geöffnet. werden. Im heurigen Sommer werden die Bauarbeiten für das Projekt „Südflügel“ des Linzer Schlossmuseums (OÖ. Lan- desmuseen) beginnen. Die durch den großen Brand im Jahr 8 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
»Museums boom«
Wer dieses Buch durchschreitet, gelangt in die Michelstettner Schule (© http://goestl.globl.net)
Salzburg: Museum der Moderne Mönchsberg (© St. Traxler, 2007)
1800 entstandene „Baulücke“ – der Südflügel des Schlosses Das Landesmuseum Burgenland erstrahlt seit 2006 in ist ebenso wie große Teile der Linzer Altstadt niedergebrannt neuem Glanze. 2003 öffnet das Museum Moderner Kunst – soll bis 2009 durch einen modernen Zubau geschlossen Kärnten in den ehemaligen Räumlichkeiten der Kärntner werden (s. Beitrag ASSMANN, P., 29ff.). Der Ausbau des Landesgalerie seine Tore. Das umgestaltete Hauptgebäude Ars Electronica Centers („Museum der Zukunft“) zum Ars des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum ist seit diesem Electronica Futurepark soll Ende 2008 abgeschlossen sein, Jahr ebenfalls wieder zugänglich. und für heuer ist bereits die Wiedereröffnung des O.K Cen- Und mittlerweile ist der Grundstein für das Projekt trum für Gegenwartskunst geplant. Die Museen der Stadt Vorarlberger Landesmuseum Neu gelegt, das 2012 in Be- Linz können nach dem Neubau des Lentos (Eröffnung 2003) trieb genommen werden soll (s. Beitrag Heise, M., 47ff.). und heftigen Diskussionen über die Zukunft des Nordicos nun wahrscheinlich doch mit einer Adaptierung des Gebäu- des in der Dametzstraße rechnen. Auch über einen Ausbau WEITERE BEISPIELE der Linz-Genesis wird bereits nachgedacht. Salzburg kann ebenfalls mit mehreren z.T. sehr spekta- Auch außerhalb von Wien und den Landeshauptstädten kulären Baumaßnahmen aufwarten: 2004 wird das Museum ist eine rege Bautätigkeit zu beobachten: der Moderne am Mönchsberg, im Volksmund häufig als Für das Burgenland ist etwa der Neubau des muba – Mu- „Schausoleum“ (als Anspielung an den ehemaligen Landes- seum für Baukultur Neutal (2005; STEIGER-MOSER, S., hauptmann Franz Schausberger, der die Pläne durchgesetzt neues museum 05/3, 71ff.) zu erwähnen, für Kärnten die hat) bezeichnet, eröffnet. Im Oktober 2005 wird das Panora- Adaptierung des St. Veiter Museums (2004; KEJZAR, J. & ma Museum, die neue Unterkunft für das berühmte Satt- STEINER-KÖFERLE, B., neues museum 05/1, 48ff.). ler Panorama der Öffentlichkeit übergeben, und am 1. Juni Niederösterreich: Das in der Kunstmeile Krems gelegene 2007 steht die Eröffnung des Salzburg Museums in der Neu- Karikaturmuseum wird in den Jahren 2000/2001 errichtet en Residenz auf dem Programm. Spannend bleibt, welche (JUEN, I., neues museum 3/2001, 41ff.). Der am 24. Mai die- Ideen aus dem Salzburger Museumsleitplan letztendlich um- ses Jahres eröffnete erste Teilbereich des Museumszentrums gesetzt werden (s. Beitrag MARX, E., 32ff.). Mistelbach beheimatet das Hermann Nitsch Museum und 9 Museums[Aus/Neu]Bauten
Jüdisches Museum Hohenems, seit 29. April 2007 wieder geöffnet (www.jm-hohenems.at).
seit 14. April hat die neu gestaltete Michelstettner Schule „Die Antwort auf Pisa“ (www.michelstettnerschule.at; s. Beitrag STEINDORFER, Ch., 50ff.). Für Oberösterreich sind z.B. die Adaption des Schlosses Hartheim als Lern- und Gedenkort (2003; REESE, H., neues museum 04/3, 24ff.), oder die Umgestaltung des Mu- seums Arbeitswelt Steyr (2006; HEGER, G., neues museum 06/3, 44ff.) zu nennen. Im Adalbert-Stifter-Gedenkjahr 2005 erfolgt in Schwarzenberg am Böhmerwald der Umbau des Heimatmuseums zu Stifter Museum und Heimatstube. Von der Landesausstellung 2006 „Kohle und Dampf“ bleibt das Eisenbahnmuseum Ampflwang erhalten. Die Erweiterung des Bergbaumuseums Leogang im Jahr 2002 (MAYRHOFER, H. & STÖCKL, U., neues museum 05&4&06/1, 101ff.) oder der Umbau des Keltenmuseums es oft der Kreativität der (meist ehrenamtlich tätigen) Mu- Hallein (2002-2004) seien stellvertretend für die Aktivitä- seumsmitarbeiter zu danken, dass dennoch ganz beachtliche ten in Salzburg aufgelistet. Erfolge verzeichnet werden können. Gerade das Spannungs- In der Steiermark sind das Museum Stift Admont feld der vielen unterschiedlich großen, sehr differenziert kon- (2003/2004) und das MuseumsCenter Leoben im ehemali- zipierten Museen ist es aber, die die beispiellose Vielfalt der gen Jesuitenkloster (HÖLLER, Ch., neues museum 05/1, österreichischen Museumslandschaft ausmacht, und die es zu 53ff.) hervorzuheben. Und seit 2004 überrascht das Win- erhalten gilt. ter!Sport!Museum! Mürzzuschlag mit öffentlichkeits- Ich möchte hier explizit die sog. kleinen Museen dazu ein- wirksamen Ausstellungen und Events. laden, ihre Neuerungen in der Zeitschrift ‚neues museum‘ vor- In Tirol wird 2003 die Münze Hall als technisches Münz- zustellen! museum eröffnet, der Umbau des Museums Kitzbühel ist bereits 2002 abgeschlossen Buchtipps (MOSCHIG, G. & SIEBERER, W., neues museum 03/1, 48ff.). Museen im 21. Jahrhundert, Ideen, Projekte, Die Neueröffnung der inatura – Erlebnis Bauten Naturschau Dornbirn erfolgt im Juni 2003 „Noch immer boomen die Museen. Neue Museen werden gebaut, bestehen- (ZIMMERMANN, K. neues museum 05/2, de erhalten ein Lifting durch eine Renovierung oder einen Erweiterungsbau. 15ff.). In Vorarlberg ist seit dem 29. April Den entscheidenden Impuls für die ungebrochene Popularität gab zweifellos 2007 außerdem das neu gestaltete Jüdische das 1977 fertig gestellte Centre Georges Pompidou. Dieser Bau gab sich Museum Hohenems wieder zugänglich. offen als Kunstmaschine zu erkennen … das Museum hatte seine Pathos- formel verloren.“ Diese Liste der Museums(Aus/Neu)Bau- ten erhebt keinen Anspruch auf Vollstän- Greub, S. & Greub, T. (Hg.) digkeit, sie soll lediglich beispielhaft zeigen, Museen im 21. Jahrhundert, Ideen, Projekte, Bauten. München 2006 was bereits in den ersten Jahren des 21. Jahr- 215 Seiten, 150 SW- & 300 Farbabbildungen hunderts in der österreichischen Museums- ISBN 978-3-7913-3575-9 szene umgesetzt worden bzw. in Entstehung Preis: € 49.95 (gebundene Ausgabe); Prestel Verlag, www.prestel.de begriffen ist. In Analogie zum international zu beobachtenden Museumsboom (GREUB Das Museum im 21. Jahrhundert & GREUB 2006) drängt sich beinahe auf, von einem „Österreichischen Museums- „Das Museum – noch nie hat es so viele Diskussionen und gegenläufige boom“ zu sprechen. Theorien auf sich gezogen wie heute. Dennoch wird nach Expertenansicht Dass im Gegensatz zu den größeren und ein drastischer Rückbau in der bundesdeutschen Museumslandschaft un- einigen glücklichen finanziell gut abgesi- vermeidlich sein. Was und wie bewahrt werden kann, hängt nicht zuletzt cherten mittleren und kleineren Museen, et- von tragfähigen, ganzheitlichen Konzepten und durchaus unkonventio- liche andere, v. a. regionale Institutionen auf nellen Wegen ab.“ Grund ihrer Budgets hingegen nur kleine Schritte hinsichtlich Modernisierung ma- O’Brien R. (Hg.) für das Erich Kästner Museum (2007) chen können, liegt auf der Hand. Dabei ist Das Museum im 21. Jahrhundert Dresden 2007 10 189 Seiten, einige Text- und 31 Farbabbildungen auf Tafeln Preis: € 24.80; TUDpress, www.tud-press.de THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
»Wir müssen an Rückbau denken und wir müssen uns intelligente Konzepte einfallen lassen, wie wir Museen reduzieren. Also wir stehen vor einer ganz anderen Aufgabe als in der letzten Generation, in den letzten Jahrzehnten. Wir müssten uns Überlegungen dazu machen: „Wie sieht es demnächst aus?“ „Was wollen wir nicht mehr?“ „Worauf können wir verzichten?“ „Was ist obsolet?“ Oder „was ist völlig überflüssig?“ Gerade auch unter dem Aspekt der Bedeutsamkeit.«
R. O’Brien Modell des Museumszentrums Mistelbach (2006), (O’Brien 2007, 49) Architektur und Generalplanung: archipel architektur + kommunikation (www.mzmistelbach.at)
NEUE HERAUSFORDERUNGEN
Parallel zu den genannten Expansionen steht die Mu- baute Werk Ihrer seumslandschaft vor neuen Herausforderungen. Viele (Groß-)Mütter und Museen sind quasi in die „Selbstständigkeit entlassen wor- (Groß-)Väter fort- den“ (vgl. Thema „Rechtsformen österreichischer Museen“ setzen werden? Wer in: neues museum 04/2, 6ff.). Sie haben so einerseits die bringt heute noch Chance, mit diversen kreativen (z.T. sicher auch restrikti- diesen Idealismus auf? ven) Maßnahmen, zusätzliches Budget zu erwirtschaften, Wer hat in unserer sind dadurch andererseits aber gezwungen, mehr und mehr schnelllebigen Welt wie Wirtschaftsunternehmen zu agieren, mit denen sie je- überhaupt noch die Zeit, so etwas nebenberuflich zu machen? doch prinzipiell nicht verglichen werden können. So werden Was passiert mit den Sammlungen, wenn diese Institutionen sie, wie die Unternehmen auch, v. a. an Zahlen gemessen – schließen müssen? Hier sind dann wohl die Bundes- und Qualität, Nachhaltigkeit, Zukunftsvisionen etc. sind Landesmuseen oder andere Institutionen, die jetzt bereits als schließlich nur schwer fass- und messbare Parameter. Das be- Aushängeschilder ihrer Region gehandelt und entsprechend deutet für Museen besonders in den Ballungszentren „Kampf gefördert werden, gefragt. Nur wie sollen und können diese um die Besucher“, und dieser wird eher mit sog. Blockbuster- das mit gleich bleibendem oder sogar reduziertem Personal Ausstellungen als mit wissenschaftlich fundierten Präsenta- auf Dauer bewältigen? tionen aus den eigenen Beständen gewonnen. In Deutschland – und das kann sicher auf Österreich um- Mehr (Ausstellungs-)Fläche bedingt außerdem aufwen- gelegt werden – rechnet man mit einem „drastischen Rück- digere konservatorische Konzepte und Sicherheitsvorkeh- bau“ in der Museumslandschaft (O’BRIEN 2007, 1), der rungen. Die permanent wachsenden Sammlungen erheben möglicherweise zu Umstrukturierungsmaßnahmen führen größere und neue Anforderungen an das betreuende Perso- wird, die der Grundidee einer möglichst breit angelegten nal. Stellt man jedoch die Frage, ob der Ausbau eines Mu- Sammeltätigkeit entgegenstehen (s. Zitat oben). seums auch eine Aufstockung des (wissenschaftlich/ kurato- risch/ konservatorisch/ restauratorisch tätigen) Personales Es ist sehr begrüßenswert, dass das Kulturland Öster- nach sich gezogen habe, wird das kaum positiv beantwortet. reich viel Geld für den Ausbau seiner „Identitäts- und Ganz im Gegenteil lassen sich hier – und ähnliches gilt ja Wissensspeicher“ ausgibt. Doch mit dem alleine ist es nicht z.B. auch für den universitären Bereich – eher indirekt pro- getan. Es gilt die neuen Herausforderungen zu bewältigen portionale Tendenzen feststellen: Wo nur kleinste Zweifel an und damit sollte möglichst sofort begonnen werden! der Sinnhaftigkeit von Nachbesetzungen auftauchen, wird die Möglichkeit zu nachhaltigen Einsparmaßnahmen ergriffen. Text: Mag. Stefan Traxler, Museumsbund Österreich, Ein großes Problem, das auf viele der „kleinen“ Museen Geschäftsführung & Redaktion ‚neues museum’ und etliche Museumsvereine zukommt, ist eine bereits fest- Fotos: Jüdisches Museum Hohenems, Landesmuseum Burgenland, stellbare „Überalterung“. Wo sind die jungen engagierten MMKK, MZMistelbach, Stefan Traxler Kräfte, die das meist ehrenamtlich über Jahrzehnte aufge- Literatur: s. Buchtipps, 10.
11 Museums[Aus/Neu]Bauten
Vom „Pomeranzenhaus“ des Prinzen zum white cube mit Wandelgang
Das Belvedere – Treibhaus der Kunstlust
Architektonische Neugestaltung der ehemaligen Orangerie des Sommerschlosses von Prinz Eugen im Unteren Belvedere in Wien – eine der ersten Maßnahmen einer neuen Ära im Belvedere.
12 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Mit dieser Neuausrichtung des Belvedere hat Dr. Agnes Husslein-Arco allen Beteiligten ein ehrgeiziges, aber in sich unbezweifelbar stimmiges Ziel gesteckt. Einerseits werden die in der Sammlung im Belvedere vorhandenen Schätze in einer neuen Logik der Abfolge und mit Bezug zum bedeut-samen historischen Ort gezeigt. Andererseits soll mit anspruchsvollen wissenschaftlichen Projekten die Museums- institution in ihren ureigensten Aufgaben gestärkt und mit einem durchdachten Ausstellungsprogramm der Name und die Wir- kung des Belvedere in ein produktives Zusammenspiel des publikumswirksamen und fachlichen Austausches gebracht Hadwig Kräutler werden. Museologisches Ziel all dieser Aktivitäten ist die Neupositionierung des Belvedere als Kompetenz-Zentrum Blick auf die ehemalige Orangerie beim für österreichische Kunst im internationalen Kontext. Unteren Belvedere, 19. April 2007. Für diese fundamentalen Aufgaben des Museums, für eine © Leo Mayer, Wien großzügige Ausstellungspolitik und für die lebenswichtigen Kontakte zur aktuellen Kunstszene fehlte bisher zweierlei: eine perfekt ausgerüstete, neutrale Kubatur und die eindeuti- ge Verankerung jener Zielsetzung in der Gesamtplanung.
mit relativ geringen Veränderungen im äußeren Erschei- nungsbild – eine Feinabstimmung vorhandener Bausubstanz mit deren bestimmender Gartenumgebung.
Das Belvedere blüht auf! „Das Belvedere blüht auf!“ So der motivierende Slogan, mit dem die Ära Husslein schwungvoll eröffnet wurde und der hinter den vielen nun schon sichtbar gewordenen Ver- änderungen steht. Das ambitionierte künstlerisch-museologische Programm weist in Richtung Kunst als Erkenntnisfaktor, Museum als Ort der Kommunikation und der gesellschaftlichen Reflexi- on. Ausschlaggebend sind hier unter anderem Faktoren wie die gesteigerte Nutzung der vielfältigen und qualitätvollen Sammlung für eigene Ausstellungsproduktionen und ein intensiver Kontakt zur zeitgenössischen österreichischen Kunst. Somit ist für nachhaltige Belebung von Sammeln, Er- forschen, Dokumentieren und Kommunizieren gesorgt. as Bauvorhaben ‚Umbau der Orangerie‘ war abso- lut keine Herausforderung im Sinne großer, Die Planungen erstrecken sich von der Konzentration auf Dmonumentaler oder skulpturaler Architektur. Es die Kernkompetenz des Hauses - das Museum österreichi- bot weder für die Bauherrin, Dr. Agnes Husslein-Arco, Direk- scher Kunst - bis zu den attraktiven und vielfältigen Aus- torin des Belvedere seit 1. Jänner 2007, noch für die Archi- stellungen, die künftig im Hauptgebäude des Unteren Bel- tektin, Mag. Susanne Zottl, Wien, eine Gelegenheit zur vedere und in der Orangerie präsentiert werden. Im Oberen inszenierten Selbstdarstellung, vielmehr war von vornherein Belvedere, das ab nun der hervorragenden Sammlung be- klar, dass hier im besten Sinne die Schöpfung eines neutra- deutendster österreichischer Kunst gewidmet ist, wird ein len, aber bestimmt nicht neutral lassenden Seh-Laboratori- kompakter Überblick über die Kunstgeschichte Österreichs ums für die Begegnung mit der Kunst zu planen war, und – geboten, exemplarisch und im interdisziplinären Kontext . Hier werden die relevanten Hauptwerke sämtlicher Samm- 13 Museums[Aus/Neu]Bauten
Die neue Ausstellungshalle in der ehemaligen Orangerie im Unteren Belvedere, 6. April 2007. © Kai Kuss, Wien
Dieser umfassenden Neuorientierung entspricht auch die sprachliche Konzen- tration auf den neuen und zugleich klas- sisch-prägnanten Namen ‚Belvedere‘, mit Logo, Corporate Identity und Corporate Design für die gesamte Institution: Eine Botschaft von Innovation, Selbstbewus- stsein, Eleganz und Dynamik, artikuliert in imperialem Rot mit zeitloser Serifen- schrift. Dies kommt sowohl in der ge- stalterischen Leichtigkeit, als auch in der unkomplizierten Verwendbarkeit des neuen Logos (Peter Baldinger, Wi- en) zum Ausdruck.
Neuaufstellung der Sammlungen Markantes Zeichen für die grundsätzli- che museale Neuerung ist der Beginn der Neuaufstellung der Sammlungen. Dieser liegt eine fein abgestimmte Konzepti- on für das Gesamterlebnis ‚Belvedere‘ und für unterschiedliche Besuchs- Parcours zugrunde. Die Sammlung Mit- telalter ist der erste Sammlungsbe- reich, der dem Publikum neu vorgestellt wird. Schon seit dem 22. Mai 2007 sind die Highlights von der romanischen bis zur spätgotischen Kunst im Erdgeschoß des Oberen Belvedere zu sehen. Im Juli 2007 wird das Schatzhaus Mittelalter in Form einer Studiensammlung (Schau- lager) im Prunkstall nahe dem Unteren Belvedere eröffnet. Die Neupräsentation der Sammlung lungsbereiche – vom Mittelalter bis zur Gegenwart – ins Barock folgt im Herbst 2007. Meisterwerke des österreichi- rechte Licht gerückt. Das hat Tradition. Im Belvedere wa- schen Barock, von den so genannten Charakterköpfen des ren ja schon zu Zeiten Maria Theresias die Kaiserlichen Franz Xaver Messerschmidt bis zu den exquisiten Gemälden Sammlungen untergebracht. Hier befand sich – ab 1782 für eines Franz Anton Maulbertsch oder des Kremser Schmidt das allgemeine Publikum zugänglich – das erste Ausstel- werden dann ebenfalls im Oberen Belvedere ausgestellt. Da- lungsgebäude Österreichs im Sinne eines modernen Mu- neben werden laufend thematische Ausstellungen und In- seums der Aufklärung. terventionen vorbereitet, wie zum Beispiel Gustav Klimt Die Positionierung des Belvedere als „international und die Maler-Compagnie, die am 19. Juni 2007 eröffnet orientierte österreichische Nationalgalerie“ steht somit wird. Ab 2008 soll vor allem das 20er Haus neuer Schauplatz konzeptionell im Mittelpunkt der Aktivitäten des Museums. der Kunst von 1945 bis zur Gegenwart sein, ergänzt durch das Atelier im Augarten. 14 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Mehr Museum – mehr Service!
Für Belvedere-Besucher gibt es viele wichtige Neuerungen und einen verbesserten Service. Nun ist das Museum täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Aufwertung des Unteren Bel- vedere mit seinen vollwertigen Ausstellungshallen bringt neue und flexible Ticketkategorien. Ausstellungsforum Im Unteren Belvedere wird ein Café eröffnet, auch das Café chenden Ausstellungsakti- vitäten ein klares Profil zu im Unteren im Oberen Schloss erfährt einen Re-Launch. Die Museums- Belvedere entwickeln und dies insbeson- shops werden erneuert, ein großer externer Belvedere-Shop dere in Hinblick auf das ge- Das Untere Belvedere in der Prinz Eugen-Straße (vis à vis des Haupteinganges ins genwärtige Kunstgeschehen, unter Einbeziehung von des- wird im Laufe des Jahres Obere Belvedere) wird eine breite Produktpalette zum Belve- 2007 in ein neues und inter- sen Instrumentarium, dessen nationalen Standards ent- dere und auch zur österreichischen Kunst anbieten. Als unterschiedlichen Sprachen sprechendes Ausstellungsfo- Haupt eingang ins Untere Belvedere dient künftig der und Medien. Bis auf den hi- rum umgewandelt. Ziel ist es, barocke Ambraser Hof am Rennweg. Die Nähe zum storischen, auch örtlich gege- in diesem bisher weniger be- benen Vorläufer der Moder- Schwarzenbergplatz und zur City macht das Belvedere achteten Teil des Belvedere nen Galerie – 1903 unter künftig einen bedeutenden leicht erreichbar. völlig anderen Voraussetzun- gen in der Orangerie einge- Schauplatz des Wiener Kult- Ein völlig neues Leitsystem wird entwickelt und zahlreiche Der neue Ein- urlebens zu gestalten. Der Fahnen als Landmarks werden den Weg zum Belvedere deut- richtet – und den Versuch, die gangsbereich in Umbau des gesamten unte- ehemaligen Bildhauer-Wohn- der ehemaligen lich signalisieren. ren Schlossareals ist bis zum Orangerie beim Frühherbst 2007 geplant. Unteren Belve- dere, 6. April 2007 Innerhalb von zwei Jahren soll somit die erste Phase die- ser Neuausrichtung des Belvedere abgeschlossen sein. © Kai Kuss, Wien Auftakt dazu war die Adaption der Orangerie. In diesem ele- ganten Bauwerk, nun zur Ausstellungshalle umgebaut, wird zurzeit die Eröffnungsausstellung Gartenlust. Der Garten in der Kunst (noch bis 24. Juni 2007), gefolgt von der Schau Meisterwerke mittelalterlicher Kunst aus dem Nationalmu- seum Warschau (ab 5. Juli 2007). Mit der neutralen, kli- matisierten Halle für internationale und bedeutende Son- derausstellungen und dem Wandelgang zwischen dem Kubus und der Fensterfront stehen nun insgesamt 600 m2 neue Aus- stellungsfläche zur Verfügung, so auch für die große Präsen- tation Wien-Paris. Van Gogh, Cezanne und Österreichs Moderne ab Oktober 2007.
Durch die nunmehr begonnene, grundsätzliche Neube- stimmung werden einerseits innovative inhaltliche Zielset- und Atelierräume im Augarten für Ausstellungen zeitgenös- zungen aufgezeigt und deren Zusammenhang in einem ver- sischer Kunst zu nutzen, wurde der Bezug zum internationa- netzten Gefüge deutlich gemacht und andererseits eine len und gegenwärtigen Kunstgeschehen institutionell nie durchdachte Begegnung mit historischer und zeitgenössi- wirklich zentral wahrgenommen. scher Kunst sowie mit dem Gesamtkunstwerk Belvedere – barockes Sommerensemble,Schloss- und Gartenensemble Für diese fundamentalen Aufgaben des Museums, für eine inklusive – herausgefordert. großzügige Ausstellungspolitik und die lebenswichtigen Kontakte zur aktuellen Szene fehlte bisher zweierlei: eine Museologisches Ziel all dieser Aktivitäten ist es, die Neu- perfekt ausgerüstete, neutrale Kubatur und die eindeutige Positionierung des Belvedere als Kompetenz-Zentrum für Verankerung dieser Zielsetzung in der Gesamtplanung. österreichische Kunst im Zusammenspiel mit der internatio- nalen Situation herauszuarbeiten. Hier gilt es, mit entspre- 15 Museums[Aus/Neu]Bauten
Der Umbau der ehemaligen Orangerie beim Unteren Belvede- re. Aus dem Einreichplan: Ansicht Süd, Schnitt und Grundriss © Belvedere / Architektur Büro Zottl, Wien
Die Bauaufgabe – rocken Ensembles. Sie fügt sich in den Reigen un- Orangerie im terschiedlicher räumlicher ‚Assets‘ der auf Gesamtwir- Unteren Belvedere kung und Expansion angelegten Neuplanungen des Museums Belvedere. Prinz Eugen von Savoyen Der bisher unscheinbare, kleinmaßstäbliche Ein- Der white cube entsteht in (1663-1736) hatte den Architekten Johann Lucas gang wurde durch eine, die nunmehrige Bedeutung des der ehemaligen von Hildebrandt (1668-1745) im Jahr 1714 mit dem Gebäudes ankündigende Empfangssituation und Vor- Orangerie beim Unteren Bauvorhaben Unteres Belvedere beauftragt, das auch platzgestaltung ersetzt. Der neuen Identität entspre- Belvedere, 26. Februar chend, lädt nun ein torartiges skulpturales Objekt zum 2007 die Orangerie und den Prunkstall umfasste und bereits 1716 fertig gestellt war. Betreten der Orangerie ein. © Kai Kuss, Wien Die Orangerie, das Pomeran- zenhaus des Prinzen, in dem exotische Pflanzen über Innerhalb des Gebäudes wurde eine Ausstellungs- den Winter gepflegt wurden, hatte seit 1953 die halle gestaltet, die allen Anforderungen von Wechsel- Sammlung Gotik der Österreichischen Galerie Belve- ausstellungen entspricht. Der nach Süden und zum dere beherbergt. Nun wurde sie für Ausstellungszwecke Kammergarten geöffneten Fassade entsprechend, wer- adaptiert, umgebaut und zeitgemäßen technischen den Tageslicht und Blick in der Lobby „aufgefangen“, Museumsstandards angepasst. die als zusätzliche nutzbare Zone zwischen Außenhaut und Ausstellungshalle entstand und eine weitere spezi- Die Orangerie bildet den nördlichen Abschluss des fische Qualität der neuen Orangerie darstellt. Kammergartens, also des privaten Gartens des ur- Die Eröffnungsschau Gartenlust. Der Garten in der sprünglichen Besitzers und Auftraggebers. Das Konzept Kunst und ihre Fokussierung auf historische und aktuel- für den Umbau und die Neubestimmung dieser ehema- le Kunst-Begegnungen mit kultivierter Natur fordern ligen Orangerie, beruht auf der Verbindung von hier geradezu die Fortsetzung dieses Gedankens, und Architektur, Gartenlandschaft und Kunst. sind somit die ideale Eröffnungs-Vorstellung der Halle. Durch subtile Maßnahmen erhielt die Orangerie – Rund um die Orangerie soll auch mit Unterstützung der ihrer neuen inhaltlichen Bedeutung als Halle für Bundesgärten wieder „barocke Gartenlust“ Einzug hal- Wechselausstellungen und für Veranstaltungen ent- ten. sprechend – eine größere Präsenz innerhalb des ba- 16 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Das Konzept für den Umbau und die Neubestimmung dieser ehemaligen Orangerie, beruht auf der Verbindung FACTS und Technische Daten: von Architektur, Gartenlandschaft und Kunst. Die Kosten des Umbaus der Orangerie betrugen ca. 1,5 Mio Eu- ro. Diese wurden aus Mitteln des Belvedere mit Zuschüssen des bm:bwk (jetzt Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit finanziert. Die Planung und Bauleitung des Umbaus der Orangerie er- folgte durch das Büro der Architektin Susanne Zottl und durch das Technische Büro von Dr. Jochen Käferhaus.
Fläche Ausstellungshalle: 347,49 m2 Dimensionen Ausstellungshalle: L 48,60 m; B 7,15 m; H 6,18 m Foyer: 37,56 m2 Lobby: 93,77 m2 Gang: 16,11 m2 Garderobe: 11,90 m2 Nassgruppe: 43,21 m2 Es konnten bei dieser Bauaufgabe weder dekonstruktivis- erfolgreich durchset- Wandfläche Ausstellungshalle: 680,07 m2 tische Gebärde noch postmodernes Zitat zur Sprache kom- zen konnte. Während Laufmeter Hängefläche in der Ausstellungshalle: men. Ob dies von Seiten der Architektin ein begeistert auf- in den anderen Ent- 107,89 m (111,49 m – 2 x 1,80 m) gegriffenes Wunschobjekt oder eine eher problematische würfen die Fenster- Länge Gebäude gesamt innen: 54,85 m Bauaufgabe war, ist hier nicht die Frage. Es war ein Auftrag wand quasi degradiert, mit klar gegebenen Einzigartigkeiten, die eine genaue Re- nur mehr der Belüf- cherche, die Kenntnis des Ortes, den Dialog und den Dis- tung gedient hätte, kurs voraussetzten und dazu herausforderten, im Kontext zu gelang es Zottl hier ein bestimmendes Raumelement und er- arbeiten, sowohl unter genauer Analyse der gegebenen Si- weiterndes Raumerlebnis zu schaffen. Entgegen der ur- tuation als auch mit Intuition. sprünglichen Forderung - nämlich die Fenster innen zu Die Aufgabe lautete also: Nicht großes Zeichen oder verplanken - hat sie daraus einen befreienden und eigentlich spektakuläre Gebärde, sondern sensible architektonische logischen Gedanken entwickelt: als Tribut an den besonde- Sprachentwicklung im Innenraum, die nach Außen hin ihre ren Ort die ausgesprochene Öffnung hin zum Garten, die vi- Wirkung entfaltet. suelle Durchlässigkeit. Der neue Wandelgang, auch Lobby Was seit Jahrzehnten eine bedingte Touristen-Enttäu- genannt, wurde somit zum ausschlaggebenden Moment schung war – schwer zu erreichen, sowohl physisch, als auch für die Auftragsvergabe und zum Clou der gesamten Neu- geistig und emotional – und allenfalls noch als „best-of“ gestaltung der Orangerie. Geheimtipp für Mittelalter-Aficionados gelten konnte, hat Die größte Herausforderung neben der architektoni- nunmehr berechtigtes Potential und die klare Chance zum schen Aufgabe, laut Susanne Zottl, war durch den äußert erstaunlichen Erlebnisraum und Mekka für Kunstinteressier- knappen zur Verfügung stehenden Zeitraum gegeben. Hier te zu werden. kam noch dazu, dass der Auftrag ursprünglich nur einen In- nenausbau betraf und erst kurz vor Weihnachten 2006 um Das Gebäudekonzept von Susanne Zottl die Gestaltung einer neuen Eingangssituation erweitert wur- de. Mit einigen Grunddaten sind die Kernidee und die Aus- richtung des architektonischen Konzepts prinzipiell erklärt. Viele Faktoren begünstigten, dass dieser Umbau so rasch Gefordert waren: über die Bühne gehen konnte und einen so glücklichen Ver- 1. Eine (zeitgemäßen Anforderungen entsprechende) Halle für lauf nahm. Wie Susanne Zottl betont, war die sehr gute Zu- Wechselausstellungen und für Veranstaltungen. sammenarbeit mit dem Auftraggeber Belvedere, aber auch 2. Alle dienenden Funktionen (Kassa, Garderobe, Toiletten) mit den ausführenden Firmen ausschlaggebend. Die Zielvor- sollten außerhalb der Halle ihren Platz finden. stellung „Eröffnung am 21. März 2007“ wurde von allen mit- 3. Wesentliche Verbesserungen für Haustechnik, Klima und getragen. Ohne ausgezeichnete Kooperation, vor allem auch Sicherheit. mit dem Bundesdenkmalamt und den Bundesgärten, und oh- 4. Ein Rundgang sollte ermöglicht werden. ne die vielen Extra-Einsatzstunden, so Zottl, wäre dieses Bau- 5. Rücksicht und Bezugnahme auf die Substanz und die Sprache vorhaben bestimmt nicht innerhalb von neun Wochen zu der historischen Gesamtanlage als Voraussetzung für alle Maß- bewältigen gewesen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender nahmen. Faktor war die günstige Witterung. Der Kern der Architekturaufgaben wurde vom Projekt- Es hatte im Herbst 2006 einen geladenen Wettbewerb Team im Architekturbüro Zottl betreut, je nach Phase gegeben, in dem sich Susanne Zottl gegen drei Mitbewerber unterschiedlich besetzt (im Allgemeinen waren 4-5 Mitar-
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Neuer Wandelgang der ehemaligen Orangerie, 3. April 2007 © Hadwig Kräutler, Wien
beiterInnen beschäftigt). Die planerische und künstlerische Leitung und die Koordinierung der konkreten Durchführung flossen bei Susanne Zottl zusammen. Bestimmte Arbeitsbereiche, wie z.B. die Statik oder die Haustechnik kamen von außen dazu (TB Käferhaus, Planung Elektro und HKLS, Bau- physik). Es gab dabei auch wirkliche Herausforde- rungen für Klimatechnik und Statik. Laut Vorgaben des Bundesdenkmalamtes durfte die sichtbare Dach- haut nicht verändert werden. Auch der Dachstuhl blieb in seiner Form bestehen. Die schon vorhande- nen Gaupen waren die einzig erlaubten Öffnungen, über welche die Regulierung von Zu- und Abluft auch künftig erfolgen muss.
„Ausstellungs-Location“ mit Möglichkeiten Der neuen Funktion als Ort für Wechselausstel- lungen entsprechend wurde also innerhalb des Orangeriegebäudes eine weitläufige Halle als white cube / black box gestaltet. Dieses neue „Raum-im- Raum“-Konzept verweist alle „dienenden“ Funk- tionen, wie Ticketverkauf, Garderobe, Lobby und Zugang zu den Nassräumen, außerhalb des Aus- stellungsbereiches. Durch das Abrücken der Hän- gewände von den Außenwänden wurde ein klima- tisch gut zu kontrollierendes Volumen geschaffen und für optimale Sicherheit der Objekte gesorgt. Der Raum ist trotz eingezogener Decke beein- druckende 6,20 m hoch und zeichnet sich durch ideale Hängeflächen aus. Drei freistehende, raumhohe Trennwände strukturieren den Innenraum des white cube. Bei Entfernen interpretiert in seiner formalen Ausgestaltung den barocken der Zwischenwände erscheint der Raum als weitläufige, ca. Garten und verbindet die Orangerie mit dem Außenraum 48 x 7 m große Halle, bei der die Raumlänge in einem und (Vgl. Baubeschreibung Susanne Zottl). voll zur Wirkung kommt. Ein tischlermäßig ausgearbeitetes, strukturierendes Objekt im „Zwischenraum“ zur Fensterfront An vielen Stellen – sei dies in der Ausstellungshalle leitet durch die langgestreckte hohe Lobby. Dieser Bereich selbst, im Wandelgang oder im Eingangs-Kubus – wurde von 18 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Die früher von außen gesehen geschlossen wirkende Fensterfront der Orangerie ist jetzt eine offene, Licht durchflutete Lobby gewor- den, die das Innen und Außen in lebendigem Licht- und Raum-Spiel verbindet.
der Architektin die technische Aus- chend der historischen Originalsituation – vom so genann- stattung eines Schnürbodens (wie im ten Goldkabinett direkt in den Bereich Orangerie. Theater) vorgesehen. Mit dieser Auf- forderung zur Veränderung, mit Raum- Natürlich wird im Zuge dieser Umbau- und Neuplanun- teilern, unterschiedlichem Einsatz des gen alles getan, damit das erst entstehende “Produkt”, Aus- Lichts, mit Tür- und Vorhang-Elemen- stellungsforum Unteres Belvedere, dem Standard eines ten können neue Raumqualitäten er- zeitgenössischen Museums entspricht. Das heißt, Café, Shop, zeugt werden. In der Eröffnungsaus- Infrastruktur – alle Service-Einrichtungen die Besucher/Be- stellung Gartenlust, nimmt die nutzer einfach zu Recht erwarten und die in den vorhande- Einteilung der Kojen- und der Wand- nen Bauteilen des Belvedere, im barocken Gesamtkunstwerk situation in idealer Weise Bezug auf die mit seinen historisch definierten Funktionen und „bâtiments Proportionen der Ausstellungshalle in parasitiques“ bisher nicht gegeben waren – werden ihren ihrer Gesamtheit. Viele weitere Vari- Platz finden. anten können hier entwickelt werden. Es wird sich also erst zeigen, wie in der Überzeugender Clou: der Wandelgang zukünftigen Praxis all die Angebote, die durch die architektonische Um- Die früher von außen gesehen geschlossen wirkende Fen- und Neugestaltung grundsätzlich ge- sterfront der Orangerie ist jetzt eine offene, Licht durchflu- geben sind, wirklich zum Tragen tete Lobby geworden, die das Innen und Außen in leben- kommen. digem Licht- und Raumspiel verbindet. Die prägnante Die Eingangssituation wird jetzt Raumsequenz entlang der großen Südfenster der Orangerie durch einen schlichten, wohlpropor- vermittelt nun die Museumsaktivitäten nach außen, bis hin tionierten und ruhigen Glaskubus mit zum Oberen Belvedere. Darüber hinaus kann dieser Bereich beidseitiger Rampe bestimmt. Ge- auch im Rahmen der Wechselausstellungen gestaltet werden genüber dem Eingangs-Kubus und in und bildet so ein weithin in die Parkanlagen sichtbares Sig- dessen gesamter Höhe wurde in der nal neuer Aktivitäten. Die Architektin Susanne Zottl wähl- östlichen Wand des white cube eine te die treffende Bezeichnung „Augen der Orangerie“! Von Einbringöffnung mit großen Doppel- hier aus öffnet sich der Blick nach Draußen, auf den Kammergar- flügeltüren errichtet. Dies erlaubt die ten, auf die gesamte Gartenanlage und auch auf die Jahreszeiten Anlieferung großformatiger Gemälde und Lichtverhältnisse – genauso, wie von draußen die Drama- und Skulpturen, bleibt jedoch wäh- turgie des Wandelganges das Mitspielen der Besucher, das op- rend des Ausstellungsbetriebes verbor- tische Mitverfolgen ihrer Bewegung ermöglicht. Der/die Be- gen. sucherIn wird zu einem Teil des Ensembles, verdeutlicht Die Erschließung des gesamten Ge- dieses, lässt die unterschiedlichen Möglichkeiten des Drinnen bäudes ist nun barrierefrei gestaltet. und Draußen, der konkreten Raumerlebnisse erst bewusst wer- Höhensprünge wurden durch Rampen den. mit einer maximalen Steigung von 6% erschlossen, die Sanitäreinrichtungen Die Raumstruktur und räumliche Gliederung des langen gemäß den vom Wiener Veranstal- Ganges (L = 55 m; B = 1,8 m, H = 6,8 m) nimmt Bezug auf tungsstättengesetz geforderten Dimen- die barocke Situation und die Gestaltung des Gartens, setzt sionen umgebaut. Schwerpunkte. Der Punkt der Kompression ist dort, wo auch die ursprüngliche barocke Gestaltung, genau in der Mittel- Weitere Planungsschritte für noch leichtere Erreichbar- achse, eine Verengung erfährt und somit ‚Undurchdring- keit und andere Verbesserungen sind bereits abgeschlossen, lichkeit‘ andeutet. die nächsten Vorbereitungen haben schon begonnen. Sie Zusätzlich rhythmisiert wird dieser Bereich sowohl op- bringen die Errichtung eines überdachten, ‚gläsernen‘ Korri- tisch als auch räumlich durch den natürlichen Lichteinfall dors aus dem Unteren Belvedere, mit Ausgang – entspre- und durch die Veränderung des Fußbodenniveaus, der den 19 Museums[Aus/Neu]Bauten
»Wenn ein Museum und sein Inhalt zu einem ästhetischen Ganzen verschmelzen, passiert etwas Außerordentliches. Die Kunst wird erweitert und erhöht, und der Betrachter hat mehr davon und reagiert intensiver. Die Herausforderung besteht für Architekten wie Museumsdirektoren darin, diese Synthese aus dem Kunstwerk und seiner räumlichen Situation herzustellen. Darin liegt das Geheimrezept eines wirklich großen Museums.«
Ada Louise HUXTABLE, zit. nach NEWHOUSE, V., Wege zu einem Neuen Museum, 1998, S. 220
Eindruck unterschiedlich hoch gelegener Fensterstöße Architektonisches Programm vermittelt. Das Fußbodenniveau steigt vom Foyer beim ,Minimalismus mit maximalen Folgen’ Haupteingang langsam bis zur Parapethöhe der Fenster in der Gangmitte an, wodurch diese als französische Fenster erlebt Mit dem Umbau der Orangerie im Unteren Belvedere ist werden. Der geschlossen wirkende, in der Tat niedrigere, ein weiteres Beispiel geglückter Verbindung von zeitgenössi- mittlere Bereich, wo auch in der Gebäudefront kein Fenster scher Architektur und Denkmalpflege entstanden, von zwei ist, tritt dadurch noch deutlicher ins Bewusstsein. Disziplinen, die sich sonst oft verständnislos gegenüber ste- Susanne Zottl verstand es, hier eine logische Parallelität hen, aneinander vorbei argumentieren und gegeneinander zur Enfilade im Baukörper der Schlossarchitektur zu ent- arbeiten. wickeln und damit ein Thema aufzunehmen, das seine klas- Susanne Zottl, die ein Architekturstudium bei Prof. Wil- sisch barocke Ausdrucksform im gebauten Kosmos der auf helm Holzbauer in Wien abschloss und ein Master Studium Sonnen- und Lichterlebnisse ausgerichteten Architektur des in Los Angeles absolvierte (1993) meint, es ist nicht mög- Belvedere hat. Die erlebte optische und inhaltliche Erwei- lich, im Studium eine hundertprozentige Vorbereitung zu ge- terung geht in beide Richtungen, einerseits in den Gar- währleisten für den späteren sensiblen und nachhaltigen ten, andererseits in die Ausstellungshalle. Umgang mit historischer Bausubstanz. Hierfür seien nur die Die Oberflächengestaltung dieses Bereiches, die verwen- allgemeinen Voraussetzungen zu schaffen, sozusagen die Of- deten Materialien und Farbgebung und auch die Unterkon- fenheit und die Kenntnis der Komplexität der möglichen struktion und technische Bestückung (Stromschienen, Aufgabenstellungen. In der Praxis und im konkreten Fall ist Beleuchtung) des Wandelganges sind wie im Ausstellungs- dann jeweils mit Abwägen der Möglichkeiten und mit einer raum selbst gehalten. Erfahrung, die man sich (z.B. im Umgang mit den Behörden) Die Materialität und die neue Bausubstanz stellen einen erst erarbeiten muss, die sinnvollste und praktikabelste Lö- spannenden Kontrast zum Hauptgebäude des Unteren Bel- sung neu anzupeilen. Die verlangte Virtuosität besteht im vedere dar, durch das Zusammenspiel unterschiedlicher flexiblen Aufgreifen der Gegebenheiten und im Schaffen Oberflächen, von Transparenz, Durchdringung und raum- stimmiger Erlebnisräume aus dem Vorhandenen, d.h. es geht greifenden Elementen. Blickverknüpfung und Lichtver- darum, vielfältige und komplexe Nutzungsanforderungen knüpfung durch Skulpturen und Gemälde werden als er- zu erfüllen, und gleichzeitig eine Ästhetik zu ermöglichen, wünschte Fortsetzung der Ausstellung nach außen hin die Freiräume darstellt. Der white cube ist einfach eine neu- möglich. Aktuell ist diese Position im Kammergarten mit trale Ausstellungshalle, trotzdem sind die gestalterische Auf- einem faszinierenden Objekt aus Glas und Nirosta von Dan gabe und der Entwurf ganz wesentliche Grundsätze. Dem ar- Graham bestimmt, einem Licht einfangenden, teilweise wi- chitektonischen Konzept für diesen Umbau liegt keine derspiegelnden und Schatten werfenden „Pavillion“, der die abstrakte pragmatische Analyse im eigentlichen Sinn zu Optik der gesamten Anlage unterstreicht und die Grunde, sondern viel mehr ein genaues Hinsehen auf das Blickerlebnisse vervielfältigt. Gegebene, ein nachspürendes Beobachten mit Empathie. Dieses Konzept wird durch die neue Eingangssituation unterstrichen, wo eine helle und transparente Lösung allen Ideale räumliche, klimatische, lichttechnische, atmos- Anforderungen von Zugänglichkeit gerecht wird und die aus phärische und damit museographische Bedingungen in ei- dem Barock-Ensemble kommenden Besucher kontrapunk- nem klaren, zurückhaltenden aber veränderbar ‚bespielba- tisch empfängt. ren‘ Raum Orangerie stellen nun den funktionellen und ästhetischen Kontrast zum sonst evozierten Belvedere-Erleb- nis – nämlich barocke Pracht und Opulenz – in gezielter Dra- maturgie her. 20 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Gesamtanlage der beiden Belvedere Schlösser mit angren- zenden Gärten und Gebäuden aus der Vogelperspektive, nach dem Stichwerk Salomon Kleiners, Augsburg 1731–1740 Bildarchiv Belvedere, Wien
Das architektonische Programm der neu gestalteten Orangerie könnte also als ‚Minimalismus mit maximalen Folgen‘ bezeichnet wer- den, da es – auch wenn mit white cube scheinbar schon umschrieben – eine Vielzahl von Nutzungsvari- anten für die entstandenen Räum- lichkeiten eröffnet. Diese Verän- derbarkeit fordert geradezu heraus, je nach Thema und Konzept des je- weiligen zukünftigen Ausstellungs- geschehens, Eigenleben zu ent- wickeln: in einer erst zu wählenden Sprache, Form, Farbe, Rhythmus, Struktur, im aktuellen Medium. Der Bau beginnt natürlich erst zu zeigen was er kann, wenn einige Jahre der musealen und der exposi- torischen Nutzung tatsächlich er- lebt wurden, wenn erste Ausstel- lungen hier Zeichen setzen, Wege weisen, Potentiale spüren lassen.
Im Wesentlichen ist die nun rea- lisierte Gestaltung der Orangerie auf Beobachtung und Interpretation der gegebenen Verhältnisse begründet – „wir wollen der Orange- Dank geht an Frau Architekt Mag. Susanne Zottl für Un- rie die Augen belassen“ – und verkörpert die logische Ent- terlagen und ein informatives Gespräch (10. April 2007). wicklung aus dem Zusammenspiel der historischen Bausub- stanz und der neuen Aufgabensituation. Text: Mag. Dr. Hadwig Kräutler, Belvedere Der Umbau der Orangerie ist indessen auch als ein erster T +43/ 1/ 79 557 -120, F -124, [email protected] aber sehr deutlicher Schritt in Richtung gesamt-projektierte Neu-Positionierung und Teil eines umfassenderen Konzeptes Belvedere zu sehen. Ein solches wird vom historisch bedeutsamen Ge- Prinz Eugen-Str. 27 samtkunstwerk Belvedere und dessen spürbarem ‚großen A-1030 Wien Atem’ eines fürstlichen Ambiente ja geradezu verlangt. www.belvedere.at
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Technisches Museum Wien – Blicke
Südfassade des ZU(G)BAUS und „Energiefeld“ © 2007 www.oln.at THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten in die Zukunft ZU(G)BAU – ein energieeffizienter Zubau für die Eisenbahn
Wolfgang Tobisch
Das Technische Museum Wien setzt seit Sommer 2005 ein schon Anfang der 1990er Jahre begonnenes Projekt eines Zubaus für die Verkehrssammlung um. Die einzige Möglichkeit für die Aufstellung von Fahrzeugen in einer Halle neben dem Haupthaus war, wie schon ursprünglich geplant, auf dem Dach der Tiefgarage hinter dem ehemaligen Imax-Kino.
ür das Projektteam stellte sich anfangs die Aufgabe, sich einerseits mit bestehenden Erwartungen aus- Feinander zu setzen aber andererseits sich von sub- jektiv geprägten Vorstellungen zu lösen und ein Projekt zu entwickeln, das dem jetzigen Technischen Museum ent- spricht: Das Ziel lautete, eine kulturhistorisch geprägte Aus- stellung zum Thema „Eisenbahn“ zu konzipieren, die über nationale Grenzen hinausschaut, und ein technisch inno- vatives Gebäude für die erste räumliche Erweiterung seit Bestehen des Museums zu errichten.
Ein Museum in Passivhausqualität
Nach einer grundsätzlichen Abklärung der Machbarkeit und einer ersten Kostenschätzung wurden Überlegungen an- gestellt, die Ausstellungshalle mit einer großflächig dimen- sionierten Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung aus- zustatten und der Eisenbahnausstellung eine zweite Präsentation über Erneuerbare Energie (das „Energiefeld“) anzuschließen. Durch Gespräche mit internen und externen Experten wurde aber bald klar, dass diese technische Auf- rüstung nichts mit Innovation, sondern lediglich etwas mit finanziellen Möglichkeiten zu tun hat. Besonders die Erzeu- gung von Strom durch Sonne ist wirtschaftlich heute noch nicht umsetzbar, wenn nicht bereits die Bauweise des Ge- bäudes berücksichtigt, möglichst wenig dieser wertvollen Energie zu verbrauchen. Auch widersprach diese Variante dem Vermittlungsansatz, das Thema verstärkt aus der Sicht des Nutzers und seiner Möglichkeiten aufzubereiten. Die Lösung, die bis zum heutigen Planungsstand eine Herausfor- derung geblieben ist, lautete daher, den ZU(G)BAU im Passivhausstandard zu errichten.
23 Museums[Aus/Neu]Bauten
Sicherlich „spektakulär“ wird die Einbringung der teil- weise über 100 Tonnen schweren Lokomotiven mittels Kränen und Hilfsbrückenkonstruktionen.
Lokomotiven in der Langhalle © 2006 Friedrich Weixelbaumer
Es handelt sich dabei um einen Energiestandard, der bis- phase eine große Herausforderung für Haustechniker und her sehr erfolgreich in zahlreichen Wohn- und Bürobauten Architekten dar: ein jährlicher Heizwärmebedarf von 15 umgesetzt wurde – für großvolumige Räume jedoch fehlt die- kWh/m2 und ein Primärenergiebedarf von 120 kWh/m2 pro se große Erfahrung. Ein Passivhaus zeichnet sich durch seine Jahr (als Vergleich dazu werden im historischen Altbau des hohe Dichtheit aus und nutzt die Wärme, die durch Son- Technischen Museums geschätzte 250 kWh/m2 pro Jahr ver- neneinstrahlung, Geräte und Personen abgegeben wird. braucht). Weiters wurde festgelegt, dass neben staubfreier Dadurch kann der Energieaufwand im Gebäude pro Jahr um Luft auch kein direktes Sonnenlicht auf die Objekte fallen rund 80% (KRAPMEIER/DRÖSSLER 2001) gegenüber darf und dass das Gebäude vom Passivhausinstitut in Darm- konventionell errichteten Bauwerken gesenkt werden, und statt, von Arsenal Research und dem Bundesministerium für es wird möglich, zumindest einen Großteil der zusätzlichen Verkehr, Innovation und Technologie überprüft und wissen- Energie für Wärme/Kälte, Licht und Warmwasser mittels schaftlich begleitet werden soll. einer Photovoltaik- und Solaranlage abzudecken. Über Pas- siv(Wohn-)häuser erfahren wir mittlerweile viel aus den Ein rund 25 Personen umfassendes Planungsteam aus Ar- Medien – besonders im Zusammenhang mit Klimawandel chitekten, Statikern und Baumanagern, Haustechnikern und der Gewinnung von erneuerbarer Energie. Es ist aber und Bauphysikern, Lichtplanern und Mitarbeitern wissen- einzigartig, über ein Museum in Passivhausqualität zu be- schaftlichenr Institutionen arbeiteten gemeinsam ein halbes richten, das alle konservatorischen Anforderungen der Jahr an der Basisplanung der für die Umsetzung dieser Vor- Exponate und einen hohen klimatischen Komfort für Be- gaben. Eine Hauptfrage, die sich gleich am Anfang stellte, sucherInnen erfüllen soll. war: Wo können die teilweise über 100 Tonnen schweren Lokomotiven auf der Decke der bestehenden Tiefgarage Besondere Herausforderungen aufgestellt werden? Das Ideal, diesbezüglich völlig frei zu sein und die Decke überall entsprechend zu verstärken, so So wurden Zielwerte festgeschrieben, die auch vom dass für das wissenschaftliche Konzept keine Einschränkun- Objektschutz und den Besucheransprüchen bestimmt sind – gen bestehen, musste sehr bald auf Grund der daraus resul- eine relative Luftfeuchtigkeit von 35% bis 45% (bedingt tierenden hohen Baukosten aufgegeben werden. So musste durch Metall und Holz als Hauptmaterialien der Großobjek- parallel zur Bauplanung ein wissenschaftliches Basiskonzept te Lokomotiven und Waggons) und eine Raumtemperatur entwickelt werden, das die Aufstellung der Großobjekte fest- von minimal 20°C (ausreichend im Winter) und maximal legte. Dabei war auf der einen Seite klar, dass die inhaltli- 26°C (angenehm in den heißen Jahreszeiten). Besonders die chen Entscheidungen nicht auf Grund von statischen Mög- klassischen Passivhausziele stellten in der ersten Planungs- 24 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
ZU(G)BAU bei Nacht © 2007 www.oln.at
lichkeiten festgelegt werden konnten, andererseits aber der te und emotionalisierte Präsentation zeigt. Diese Planung Aufstellungsplatz für sehr schwere Objekte beschränkt ist. hat wiederum Auswirkungen auf die Architektur der Halle: Das vom Wissenschaftsteam erarbeitete Basiskonzept, bei auf Grundlage der Ergebnisse von Lichtmessungen, die an ei- dem statische Möglichkeiten und neue inhaltliche Ansätze nem Modell der Halle unter einem „künstlichen Himmel“ an miteinander in Einklang gebracht werden konnten, wurde der Donauuniversität Krems durchgeführt wurde, konnte die von einem internationalen Beirat (s. u.) äußerst positiv auf- Anzahl und der Öffnungswinkel der Dach- und Wandsheds genommen. So wird in dieser Ausstellung neben der techni- optimiert werden. schen Entwicklung von Lokomotiven und Wagen, deren wirkungsgeschichtlichen Zusammenhängen und dem seit Schließlich geht von Passivhäusern die Faszination der Wolfgang Schivelbusch umfassend bearbeiteten Thema der Betriebskostenersparnis aus. Bei Wohnbauten sind Eins- „Eisenbahnreise“ (SCHIVELBUSCH 1977) erstmals dem parungen von bis zu 80% der Energiekosten nicht unreali- Thema „Gütertransport“ viel Platz gewidmet werden. stisch. Bei großvolumigen Bauten, wie den ZU(G)BAU, mit einem Gesamtvolumen von über 40.000 m3 fehlen uns heu- Das Gebäude als Ausstellungsobjekt te noch entsprechend sichere Werte. Was aber während der Planung klar wurde, ist, dass es einerseits ein großes Interes- Eine weitere Herausforderung für die Teams „Ausstel- se an der Definition von Standards für derartige Bauwerke lungskonzept“ und „Bauplanung“ war die Frage der Beleuch- gibt und andererseits sich dieses Projekt ideal dafür eignet, tung. Vom jährlichen Primärenergiebedarf wird rund die tausenden von BesucherInnen des Technischen Museums Hälfte für Licht benötigt – in absoluten Zahlen sind das rund Wien diese nachhaltige Art des Bauens zu vermitteln – erst- 50 kWh/m2 im Jahr. Im Vergleich dazu wird rund das Dop- mals wird es eine Ausstellung über „Erneuerbare Energie“ pelte an Energie für Licht im Haupthaus verbraucht – ein und Passivbauweise geben, in der konzeptionell davon aus- Grund dafür, auch diesbezüglich in den nächsten Jahren gegangen wird, was der Mensch will und was man alles tun Einsparmaßnahmen zu setzen. Dadurch wurde dem Projekt- kann, um diese Wünsche (z.B. hinsichtlich Behaglichkeit team aber klar, dass die Gestalter der Ausstellung Tageslicht beim Wohnen, niedrige Stromkosten, …) zu erfüllen. So als wertvolle Ressource verwenden müssen und es nicht wie steht dieses rund 5.800 m3 große Passivhaus als größtes Aus- üblicherweise möglich sein wird, den Ausstellungsraum stellungsobjekt selbst im Mittelpunkt der zweiten Ausstel- durch Einbauten abzudunkeln und anschließend durch lung des ZU(G)BAUS: dem „Energiefeld“. Ein wissenschaft- künstliches Licht wieder sichtbar zu machen. Es wurde daher lich begleitetes „Monitoring“ der Halle, bei dem Daten über mit einem Lichtplaner ein grundlegendes Lichtkonzept ent- die klimatischen Zustände des Passivbaus generiert werden, wickelt, das in die Passivhausberechnung eingeflossen ist. die u.a. zur Optimierung der Klimaanlageneinstellung bei- Für BesucherInnen wird es zwei unterschiedliche Ausstel- tragen, werden ebenso an die BesucherInnen vermittelt wie lungseindrücke geben: einen, der durch Tageslicht und sehr die Bauweise und der Bauprozess selbst. sparsam eingesetztem Kunstlicht eher neutral beleuchtet und einen, der in den Zeiten, in denen zu wenig Tageslicht zur Verfügung steht, eine durch künstliches Licht inszenier-
25 Museums[Aus/Neu]Bauten
Keine bloße
Ausblick Geräuschkulisse Noch ca. zwei aufregende Jahre liegen vor dem Projekt- team, für den Bau und die Einrichtung des Museums- Wenn Töne das ZU(G)BAUS. Bis Ende 2007 werden die Planungen ab- geschlossen sein und die Betonierarbeiten auf der eigentliche Ausstellungs- Ga rage ndecke können beginnen. Spektakulär wird die Ein- bringung der teilweise über 100 Tonnen schweren Lokomo- gut sind – im virtuellen tiven mittels Kränen und Hilfsbrückenkonstruktionen. Bei diesem Event und vielen weiteren Veranstaltungen bis zur Raum Eröffnung im Sommer 2009 wird die Öffentlichkeit immer wieder über den Fortschritt des Projekts informiert – also: Bleiben Sie am Zug. Rainer Hubert
Text: Mag. (FH) Wolfgang Tobisch, seit 2001 Mitarbeiter im Mehr als nur Zulieferer für die „Beschallung“ Technischen Museum Wien, Projektmanager der Neueinrichtung von Ausstellungsräumen und für die Bespie- „Alltag – eine Gebrauchsanweisung“ (Eröffnung 2005), seit 2005 Gesamtleiter des Projekts „ZU(G)BAU“ lung von „Musikglocken“! – Die audiovisuel- len Archive verwahren einen immer wichtige- Fotos: www.oln.at; Friedrich Weixelbaumer ren Teil unseres kulturellen Erbes. Im Internet Literatur: H. KRAPMEIER u. E. DRÖSSLER, CEPHEUS – Wohnkomfort ohne finden sie ein kongeniales Ambiente, ihre Heizung (2001) Inhalte zu vermitteln. W. SCHIVELBUSCH, Geschichte der Eisenbahnreise (1977) Eine Stelle wie die Österreichische Mediathek benötigt ein sozusagen „gläsernes“ Oberge- „ZU(G)BAU“-Beirat: schoß, einen speziellen Musealbereich, um Sylvia Hladky (Direktorin Verkehrszentrum des Deutschen Museums München), Frauke van der Haar (Leiterin Schienenverkehr die eigenen Tonaufnahmen und andere audio- im Verkehrszentrum des Deutschen Museums München), Kilian visuelle Medien entsprechend präsentieren zu Elsasser (Historiker, ehem. Projektleiter des Bereichs Schienenver- können. Es ist eine Galerie, die rund um die kehr im Verkehrshaus Luzern), Alfred Gottwaldt (Leiter Schienenver- kehr im Deutschen Technikmuseum Berlin), Karel Zeithammer Uhr geöffnet und überall benützbar ist. Ein (ehem. Leiter des Bereichs Schienenverkehr im Technischen Natio- Internet-Museum also, ein virtuelles Museum. nalmuseum Prag), Günther Dinhobl (Historiker, ÖBB) – Ein innerer Widerspruch?
ann ein Museum virtuell sein? Lebt das Museum nicht von der Präsenz der Objekte und der Präsenz Kder BesucherInnen? Die Frage stellt sich in dieser Form nicht, wenn es um aku- stische Exponate geht, wie sie die Österreichische Media- thek, eine Abteilung des Technischen Museums Wien, seit einigen Jahren ins Internet stellt: Eine historische Tonauf- nahme wie etwa ein Spendenaufruf des alten Kaisers Franz Joseph aus dem Jahr 1915 hört sich via Internet nicht anders an als von Schellack, CD oder Tonband. Die Androhung des Standrechtes im Radio während des österreichischen Bür- gerkrieges im Februar 1934 klingt nicht anders als der Originalmitschnitt auf Folie – höchstens besser, weil der Ton digital bearbeitet worden ist. 26 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
www.m edi athek.at Eine intuitive und klare Navigation eröffnet den Weg zu insgesamt über 1.500 Tönen und Videos
Für ein Museum der Bilder, der Technik oder anderer Ob- Die Zeit- und Kulturgeschichte primär mit Tönen darzu- jekte ist Internet bloß Ergänzung: die Reproduktion auf der stellen ist dabei eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufga- Website in Ehren, aber das Eigentliche ist und bleibt das Ori- be. Einerseits sind viele der audiovisuellen Exponate bunt, ginal im Museum. Ganz anders bei audiovisuellen Medien: lebendig und wirken sehr unmittelbar. Sie können ergreifen Hier geht es um die Qualität der Wiedergabe und darum, und betroffen machen. Sie zeigen, wie vielstimmig Ge- einen erläuternden Kontext zu schaffen. So gesehen ist das schichte und die Erinnerung an sie sein kann. Andererseits virtuelle Museum eine Präsentation von Originalen – ein sind größere Zusammenhänge und Bezüge mit solchen Me- echtes Museum also. dien allein nicht herstellbar und es müssen auch viele Ein- zeldokumente in einen inhaltlichen Bezugsrahmen gefügt Galerien und Ausstellungen werden, um verstanden zu werden.
Derzeit umfasst das virtuelle Museum sechs Galerien, Die virtuellen Ausstellungen greifen vor allem auf den fünf Sonderausstellungen und eine gerade eröffnete um- großen Fundus von Aufnahmen im Archiv der Österreichi- fassende „Akustische Chronik“, insgesamt mehr als tau- schen Mediathek zurück: weit mehr als eine Million Tonauf- send per Mausclick abspielbare Tonaufnahmen, mehrere nahmen und über dreißigtausend Videos. Ausdrücklich er- hundert Videoclips und Photos, von den dazu gehörenden wähnt sei aber auch die besondere Unterstützung, die diese Überschriften, Texten und Erläuterungen ganz zu schweigen. Präsentationen von anderen AV-Archiven – Filmarchiv Austria, Bildarchiv der Österreichischen Nationalbiblio- Galerien www.mediathek.at: thek, Archive des ORF, Phonogrammarchiv der Österreichi- • Musik schen Akademie der Wissenschaften – stets erhalten. Die • Chronik vernetzte Struktur des Internets erlaubt es, interessierte • Literatur BenützerInnen sogleich weiter in die befreundeten Medien- • Österreichische Stimmporträts stellen zu leiten. Aus einem „Museumsbesuch“ kann so un- • Wissenschaft und Kunst versehens eine Spezialrecherche werden. • Wort für die Ewigkeit Ausstellungen: Das virtuelle Museum, das sich besonders an StudentIn- • www.staatsvertrag.at nen, Lehrende und SchülerInnen wendet, ist besonders gut • Mozart (www.mozart.mediathek.at) geeignet, rasch auf interessante Themen und Themenvor- • Schifter (www.schifter.mediathek.at) schläge zu reagieren: wenn Österreichs großer Schellack- • Winter (www.mediathek.at/ausstellungen/ sammler, Günther Schifter, der Österreichischen Mediathek horst_winter) wichtige Schallplatten und historische Phonographen und • Radio Hören (www.mediathek.at/ausstellungen/ Grammophone schenkt – warum nicht aus diesem Anlass ei- radio_hoeren) ne Ausstellung zu seinem Leben, das zugleich viel über unser Land und den Wandel des Musikgeschmacks aussagt, ins Akustische Chronik (www.akustische-chronik.at) 27 Museums[Aus/Neu]Bauten
Netz stellen? Wenn 80 Jahre Radio, 50 Jahre Staatsvertrag zahlreichen Tonaufnahmen die Möglichkeit geboten, vom gefeiert werden – das virtuelle Museum leistet seinen ganz Tonausschnitt zum Gesamtdokument zu springen: Man hört spezifischen Beitrag dazu. Freilich kann es damit allein nicht sich einen klassischen „Sager“ von Bundeskanzler Figl an genug sein. Ein großer Rahmen ist notwendig, der aus Teilen und möchte den jetzt eigentlich im Gesamtzusammenhang ein Ganzes formt. Als solcher ist die „Akustische Chronik“ hören – kein Problem: mit Knopfdruck zur gesamten Auf- gedacht, die derzeit die Jahre 1900 bis 2000 umfasst. nahme.
Die „Fassade“ der virtuellen Schau Professionelle Digitalisierung – In der „Akustischen Chronik“ werden in rund fünfzig Ein- verlässliche Langzeitarchivierung zelseiten, die rund siebenhundert Tonausschnitte und Vi- Das virtuelle Museum ist ein „Haus“ mit Ausstellungen, deoclips beinhalten, die dramatischen Ereignisse unseres die nicht mehr abgeräumt werden müssen: die Schau zum Landes im vergangenen Jahrhundert behandelt, ergänzt Staatsvertrag wurde im Jahr 2006 von mehr Besuchern gese- durch einen umfassenden Chronik-Text. Sie bildet sozusa- hen als im eigentlichen Jubiläumsjahr! Vor allem aber: die gen die „Fassade“ der virtuellen Schau, dahinter – mit Links Exponate werden auf Dauer gesichert. verbunden – befinden sich die oben genannten aber auch Dafür sorgt Österreichs erstes digitales Bewahrungs- und noch andere Internetausstellungen. Die Staatsvertragsaus- Benützungssystem für AV-Medien: Die Österreichische stellung etwa, die die Jahre 1945 bis 1955 behandelt, besteht Mediathek hat einen Massenspeicher aufgebaut, der eine ihrerseits wiederum aus rund 120 Einzelseiten mit rund 650 verlustfreie und automatische Migration von Mediendateien Clips. Alle bestehenden und künftigen Ausstellungen wer- garantiert. Damit kann – trotz der Unsicherheit und kurzen den ebenfalls hier „eingehängt“ und sind so leichter zugäng- Lebensdauer gerade moderner Träger und Formate – eine lich. Es soll möglich sein, viele Themen in kleineren oder dauernde Bewahrung des Sammlungsgutes sichergestellt größeren Internetausstellungen zu behandeln – und doch werden. Die Österreichische Mediathek ist seit Jahren ein über die „Akustische Chronik“ einen großen inhaltlichen auch international anerkannter Vorreiter professioneller Di- Bogen über all diese Einzelaktivitäten zu spannen. gitalisierung und verlässlicher digitaler Langzeitarchivie- rung. Ein guter Teil des im Internet präsentierten Materials Mehr noch als in realen Museen können die BesucherIn- wurde im Rahmen von wissenschaftlichen Projekten digita- nen ihren individuellen Weg durch das Angebotene neh- lisiert, katalogisiert und analysiert. Viele Ergebnisse dessen men: vom einem „Ende“ der Ausstellung zum anderen: nur fließen in die Kommentare zu den Dokumenten im virtuel- ein Mausklick. Eine intuitive und klare Navigation eröffnet len Museum ein. Bei beiden derzeit laufenden wissenschaft- den Weg zu insgesamt über 1.500 Tönen und Videos. lichen Projekten (Aufnahmen aus dem Parlament und Jour- Die Ton- und Videoclips lassen sich steuern – vor, zurück, nalsendungen des ORF) ist geplant, entsprechende wiederholen; Texte dazu werden angeboten oder man kann „Sonderausstellungen“ ins Netz zu stellen, die die Projekter- – wie im Fall der Staatsvertragsausstellung – Kommentare gebnisse vermitteln. des Zeithistorikers Gerhard Jagschitz anhören; in vielen Tex- ten gibt es Hinweise auf andere Dokumente, zu denen man direkt hinspringen kann; anhand des „Zeitstreifens“ in der Text: Dr. Rainer Hubert, Technisches Museum Wien, Österreichische „Akustischen Chronik“ kann man eine Reise durch das 20. Mediathek, [email protected] Jahrhundert antreten und dort verweilen, wo es am interes- santesten ist. In der Staatsvertragsaustellung wurde auch bei Fotos: TMW 28 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Im Jahr 1800 brannte der Südflügel des großen Linzer Schlosses, das etwa unter Friedrich III. viele Jahre Residenzort des Habsburgerreiches war, zusammen mit großen Teilen der Altstadt von Linz ab und hinterließ eine große bauliche Lücke. Knapp 100 Jahre später wurde der Neubau des Oberösterreichischen Landesmuseums in der Linzer Museumstrasse eröffnet, der sich jedoch bereits beim Eröffnungsdatum als zu klein für die umfangreichen Sammlungen, insbesondere im Naturbereich, herausstellte.
Peter Assmann Projekt „Südflügel“ des Linzer Schlosses
Linzer Stadtbrand, 1800
ine erste Entlastung der Museumssammlun- gen ergab sich durch die nach dem 2. Welt- Ekrieg getroffene Entscheidung, die Schloss- Direktor Dr. Peter Assmann, Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, ruine zu renovieren und als Schlossmuseum Linz der Juryvorsitzender Architekt Mag.arch. Maximilan Luger, Landeskultur- Öffentlichkeit zugänglich zu machen – dennoch direktor HR Dr. Reinhard Mattes mit dem Siegerprojekt (v. l. n. r.) zeigte sich auch in den folgenden Jahren eine ekla- tante Raumnot, speziell der naturwissenschaftlichen Sammlungen. Ein oberösterreichisches Natur- im Jahr 2000 bemühten sich die Oberösterreichi- museum war bereits in der Zwischenkriegszeit schen Landesmuseen um ein Zusammenführen intensiv diskutiert wordenbis hin zu entsprechen- beider Diskussionsfelder und legten unterschiedli- den Grundsatzbeschlüssen, die aber nicht vollzogen che Konzepte für einen Neubau des Südflügels als wurden bzw. auf Grund der Zeitumstände nicht voll- zusätzliches Museumsgebäude für Natur und Technik zogen werden konnten. Auch in den Nachkriegs- vor – Überlegungen, die schließlich im Zusammen- jahrzehnten gab es intensive Bemühungen um die hang mit der bevorstehenden Situation von Linz Errichtung einer solchen „Naturschau Oberöster- als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2009 eine reich“. Seit der Übernahme der aktuellen Direktion zusätzlich Argumentation fanden.
29 Museums[Aus/Neu]Bauten
Linzer Schloss, Ansicht vor dem Brand von 1800
Modell des Siegerprojektes von HoG architektur (Martin Emmerer, Hansjörg Luser, Clemens Luser) Foto: Gernot Humer
Im Rahmen des Kulturhauptstadt- Jahres 2009 entsteht am Linzer Schlossmuseum ein wichtiger Zubau Südflügel
In der Regierungssitzung vom 16. Jänner 2006 wurde schriftlich von der Ober- österreichischen Landes- regierung beschlossen, den Südflügel des Schlosses wie- der „aufzubauen“ und damit einen markanten Erweiterungs- Eingangsbereich bau des Schlossmuseums Linz im Kulturhauptstadtjahr 2009 zu eröffnen. Besucher betreten das Museum im Bereich des Westflü- Unmittelbar danach wurde der Architektenwettbewerb gels und mit Blick über die Stadt. Sie finden sich in einem ausgeschrieben, den ein junges Grazer Architektenteam für zeitgemäßen und (benutzer-)freundlichen Foyer mit Info- sich entscheiden konnte. und Kassenbereich, Museumsshop, Orientierungszonen, Das Siegerprojekt von Martin Emmerer, Hansjörg Luser Ruhezonen für Gruppen, Schulklassen und Familien. Das und Clemens Luser (HoG architektur) nimmt in Kubatur Restaurant, das auch extern zugänglich ist, befindet sich auf und Lage die historische Position des abgebrannten Südflü- dieser Ebene (inkl. Terrasse und einem wunderbaren Blick gels auf und schließt den Hof grundsätzlich. Der Anschluss auf die Stadt). des Mitteltraktes an den neuen Südflügel wird durch eine transparente leichte Verbindung im ersten 0bergeschoß her- Naturschau Oberösterreich gestellt. Daraus resultiert ein neues räumliches Erleben: Die Der Ausstellungsbereich Natur soll zu einer Ent- beiden Innenhöfe verschmelzen miteinander und der ent- deckungsreise in die Naturgeschichte des Landes Oberöster- stehende große Hof öffnet sich zur Stadt. reich einladen. In dieser neuen Dauerausstellung, die die vier oberösterreichischen Lebensräume mit all ihren Eigenheiten Die Überlegungen für einen Neubau des Südflügels zielen und Besonderheiten darstellt, sollen Beispiele ökologischer auf fünf Museumsbereiche auf einer zusätzlichen Nutzungs- Zusammenhänge und biologischer Vielfalt gezeigt werden. fläche von 6.000 m2.
30 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
»Mit dem Zusatzbau „Südflügel“ entsteht am Schlossberg in Linz das zur Zeit größte Universalmuseum Österreichs an einem Ort.«
Südflügel Linzer Schlossmuseum Projektverlauf: Archäologische Ausgrabungen: Sommer/Herbst 2006, Frühjahr 2007 Baubeginn: Frühsommer 2007 Eröffnung: Jahresmitte 2009
Techniksammlung Im Ausstellungsraum Technik soll ein Einblick in die ren. Für Museen wird es immer wichtiger, mit Vermietung technik- und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung des von Räumlichkeiten breitere Zielgruppen anzusprechen und Landes gewährt werden. Spezielle Themen wie etwa durch zusätzliche finanzielle Mittel ihre Wirtschaftlichkeit Astronomie (Kepler), Nachrichten- und Informations- zu erhöhen. Der neue Veranstaltungsraum im ersten Ober- technik (Sammlung Auer-Radios), Kommunikationstechnik geschoß über der Eingangszone (mit Cafeteria bzw. Restau- (Sammlung Telekom) und Verkehrstechnik (historische rant) bietet Platz für ca. 400 Personen und wird deshalb vor Fahrzeuge, Eisenbahngeschichte) sollen diesen Bereich be- allem für Firmen bzw. Kongressveranstalter von Interesse sonders publikumsattraktiv machen. Spezielle Oberöster- sein. reichbezüge wie die erste Schienenstraße Europas auf dem Mit dem Zusatzbau des neuen Südflügelprojektes entsteht Kontinent oder das LD-Verfahren in der Stahlindustrie ver- am Schlossberg in Linz das zur Zeit größte Universalmuseum weisen auf Höhepunkte der Technikgeschichte unseres Österreichs an einem Ort. Die Oberösterreichischen Lan- Landes. Neu präsentiert wird auch das Museum Physicum. desmuseen sind im Jahr 1833 sehr bewusst als universell aus- gerichtetes Museum gegründet worden, um einen umfang- Wechselausstellungen reichen, informativ und sinnlich ausgerichteten Einblick in die Natur-, Kultur- und Kunstgeschichte der Gesamtregion Das Linzer Schlossmuseum ist seit seinem Bestehen Ort des Landes Oberösterreichs bieten zu können. von großen Museumsausstellungen des Landes. Um auch in Zukunft hochkarätige Ausstellungen mit internationalen Mit der neuen Museumsarchitektur wird zudem ein ein- Wertobjekten präsentieren zu können, sind jene klimatech- zigartiger Erlebnisbereich für den Stadtraum Linz gestaltet: nischen, konservatorischen Bedingungen wie auch sicher- ein Schloss, das nicht länger „abgeschlossen“ wirkt. Mit heitstechnischen Voraussetzungen zu schaffen, die es uns einer Art „Großbalkon“ knapp über den Dächern von Linz ermöglichen, den immer höheren internationalen Standards wird das Gebäude nicht nur stadtbildprägend wirken, son- gerecht zu werden. dern von vielen Seiten begehbar sein und damit auch neue Impulse für eine Wiederbelebung der Altstadt ermöglichen. Veranstaltungsraum Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres Linz 2009 entsteht hier ein attraktiver Kulturort. Weit über dieses Jahr hinaus- Im Schlossmuseum Linz werden seit vielen Jahren in Ko- reichend wird jedoch der Besucher die Grundbotschaft eines operation mit führenden Kulturinstitutionen Veranstaltun- umfassenden Universalmuseums erleben, das ihn an einem gen wie z.B. Konzerte aus der Reihe „Alte Musik“ angeboten. Ort in die Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte des Landes Mit einem attraktiven Veranstaltungsraum über den Oberösterreich einführt. Dächern von Linz sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um diesen Ort auch als Zentrum des kulturellen und Text: Mag. Dr. Peter Assmann, Direktor der OÖ. Landesmuseen gesellschaftlichen Lebens der Landeshauptstadt zu etablie- Fotos: OÖ Landesmuseen 31 Museums[Aus/Neu]Bauten
Das Jahr 2007 stellt ohne Zweifel den Höhepunkt in der nunmehr 173-jährigen Geschichte des Salzburg Museum dar. Nach mehr als hundert Jahren Diskussionen und Planungen hat das von Land und Stadt Salzburg getragene Museum seit 1. Juni 2007 mit der Neuen Residenz, dem prachtvoll renovierten 400 Jahre alten Palazzo aus der Zeit von Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau (1587–1612) am Mozartplatz 1, endlich einen adäquaten Standort im Herzen der Salzburger Altstadt. Erich Marx Ein „Jahrhundertprojekt“ verwirklicht: Das neue Salzburg
Umbau der „Neuen Residenz“ – zum modernen Museum
© Rupert Poschacher
An der Fassade des Innenhofs der Neuen Residenz wurden die Putzfaschen nach dem historischen Befunden in ziegelrot gefärbelt, wodurch sich ein repräsentativer Eindruck ergibt.
(Foto: Salzburg Museum, A. Hechenberger)
32 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
»Wertvolle Kunstobjekte, ästhetische Präsentation und spannende Inhalte bilden ein harmonisches Ganzes und bieten den Besucherinnen und Besuchern auf rund 3.000 m2 Ausstellungsfläche inter- essante Einblicke in die Salzburger Geschichte, Kunst und Kultur.«
Museum
Nord-Fassade mit Mozartdenkmal
it der Neueröffnung des Museums geht auch ein Entscheidungen mit Hindernissen umfassender Relaunch seines öffentlichen Auf- Mtritts einher. Der Name wurde – ohne Bruch mit Nach jahrzehntelangen Diskussionen über einen Neu- der langen Tradition – von Salzburger Museum Carolino Au- bzw. Erweiterungsbau des Museums am alten Platz oder einen völlig neuen Standort, war die Entscheidung der Stadt- und gusteum (SMCA) in Salzburg Museum geändert. Keine leichte Entscheidung, doch gab es dafür mehrere wichtige Landespolitiker Ende 1997 für die Neue Residenz gefallen. Argumente: Ohne konkretes inhaltliches Konzept erfolgte 1998 für die • Der seit 1834 ununterbrochen genutzte frühere Umbauplanung die EU-weite Interessentensuche, auf die Standort wurde endgültig verlassen. sich 145 Architekten gemeldet hatten. 15 von ihnen wurden • 1850 war die Übernahme der Patronanz durch von der Jury für den Architektenwettbewerb ausgewählt, der Kaiserinwitwe Caroline Auguste für das damalige 1999 durchgeführt wurde. Er endete allerdings mit einem Privatmuseum von immenser Wichtigkeit, das ist Eklat, weil keines der fünfzehn Projekte den baurechtlichen heute bedeutungslos. Bestimmungen des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes • Der Name Carolino Augusteum ist von Einheimi- entsprach und in der Jurysitzung auch formalrechtliche Feh- schen schon schwer auszusprechen, von ler begangen wurden. Deshalb musste der Architektenwett- Fremdsprachigen meist gar nicht. bewerb ohne Ergebnis abgebrochen werden. Zurück blieb • Der neue Name Salzburg Museum ist multilingual Ratlosigkeit bei allen Beteiligten und heftige mediale Kritik. und bedarf keiner Übersetzung. Mitte 2000 kam es zum Direktorenwechsel im SMCA von • Ein neues großes Museum braucht Modernität auch Wolfram Morath zu Erich Marx. Letzterer setzte sich mehre- in seinem Namen. re konkrete Ziele, um das Museum aus den negativen Schlag- zeilen zu bringen. Binnen drei Monaten erfolgte die Neuein- Salzburg Museum lautet sowohl die „Dachmarke“ für richtung des Festungsmuseums, das kurz darauf mit dem alle Häuser als auch für das neue „Haupthaus“ in der Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet wurde. An- Neuen Residenz. Mit dem Namen wurden auch das Logo und das corporate design durch Robert Six vom Wiener fang 2001 wurden die Ausstellungsbereiche im alten Haupt- Grafikunternehmen „Drahtzieher“ neu gestaltet. haus am Museumsplatz grundlegend umgestaltet und ein neuer großer Sonderausstellungsbereich eingerichtet. Die Präsentation der umfangreichen Sammlung historischer Mu- sikinstrumente wurde in das Bürgerspital verlegt. Noch im selben Jahr konnte auch das längerfristig angemietete Studi- engebäude an der Alpenstraße bezogen werden. Erstmals in seiner Geschichte verfügte das Museum damit über annähernd ausreichende Depotflächen, zeitgemäße Büros, 33 Museums[Aus/Neu]Bauten
Archäologische Ausgrabung: eine ca 6,5 m lange und 1,2 bis 1,4 m hohe Mauer mit fast vollständig erhaltenem Putz samt geometrischer Bemalung Salzburg(ca. 100 n. C hr.)Museum wurde entdeckt.
modern ausgestattete Werkstätten sowie ein großes Foto- Gebäude aus dem 1. bis 4. Jahrhundert n. und Reprostudio mit digitalem Großdrucker. Chr. freigelegt sowie zahlreiche Klein- Mit diesen Maßnahmen war ein erheblicher Imagege- funde aller Perioden geborgen. Zu aller- winn des Museums in der Öffentlichkeit verbunden und letzt fanden die Archäologen eine rund auch der Wille der Politiker von Land und Stadt Salzburg 6,5 Meter lange und 1,2 bis 1,4 Meter ho- wieder gegeben, die Finanzierung des Museums Neue Resi- he Mauer mit fast vollständig erhalte- denz zu gewährleisten, wofür schlussendlich 19,1 Millionen nem Putz samt geometrischer Bemalung Euro zur Verfügung gestellt wurden. aus der Zeit um ca. 100 n. Chr. Dieser Das Kuratorium hatte im Herbst 2000 dem Basiskonzept sensationelle Fund konnte nach langen von Direktor Erich Marx zugestimmt. Dieses sah für die Neue Diskussionen mit dem Bundesdenkmal- Residenz eine offene Hofzone als attraktives Entree, eine amt schließlich gehoben, konserviert große Sonderausstellungshalle unter dem Innenhof sowie und nur wenige Meter von seinem Fun- dessen Teilüberdachung für Veranstaltungen und eine unter- dort im unterirdischen Verbindungsgang irdische Verbindung zum Sattler-Panorama vor. Für das zum Sattler-Panorama aufgestellt wer- große Rundbild war ein Neubau im benachbarten Innenhof den. vorgesehen. Für die Ausstellungskonzeption engagierte Marx den re- nommierten Experten Dieter Bogner (bogner.cc, Wien), der in der Folge gemeinsam mit dem Museumsteam das Leitbild Umbau der Neuen Residenz und ein Grobkonzept erarbeitete, das die Basis für die Fort- 2003 bis 2005 setzung des Architektenwettbewerbes bildete. Dieser wurde im Dezember 2001 in Form eines Verhandlungsverfahrens Im November 2003 begannen die neu ausgeschrieben, zu dem die 15 Architekten des abgebro- Bauarbeiten. Das Museum selbst war chenen Wettbewerbes von 1999 eingeladen wurden. Drei- Bauherr mit voller Verantwortung für zehn Planungen wurden schließlich eingereicht, aus denen die Finanzen und die gesamte Auftrags- die Kommission im März 2002 das Projekt der Salzburger Ar- vergabe. Die technische Betreuung über- chitekten Reiner Kaschl und Heide Mühlfellner an erste nahm die Hochbauabteilung der Salz- Stelle, jenes von Goncale Byrne und Thomas Zinterl (Liss- burger Landesregierung. Die Neue abon) an die zweite und jenes des römischen Architekten- Residenz war mehr als 300 Jahre als teams Ferrini, Fumo, Sani, Stella an die dritte Stelle reihte. Verwaltungs- und Gerichtsgebäude ge- Kaschl/Mühlfellner erhielten den Auftrag und begannen so- nutzt worden, wie an den zahlreichen fort mit der Planung. Einbauten, Zwischenmauern und dem Aus dem Gutachterverfahren für die Ausstellungsgestal- zum Teil wenig pfleglichen Umgang mit tung ging der in Paris lebende Österreicher Rainer Verbizh, der Bausubstanz deutlich ablesbar war. Das Ziel des Umbaus Architekt und Scenographe, als Sieger hervor und schloss für die Museums-nutzung bestand im Einvernehmen mit dem mit dem zweitgereihten Team BEHF (Wien), später BWM, Bundesdenkmalamt darin, die historischen Raumstrukturen eine Partnerschaft. wieder herzustellen und die modernen Änderungen deutlich kenntlich zu machen. Dabei stellte sich den Planern das Während noch die Detailplanung lief, gingen die archäo- schwierige Problem, die umfangreichen technischen Ein- logischen Grabungsarbeiten im Innenhof der Neuen Resi- bauten ohne massive Eingriffe in die historische Substanz denz weiter. Dabei wurden nicht nur mittelalterliche und unterzubringen. In die Ausstellungssäle wurde eine mit Me- frühneuzeitliche Baureste, sondern auch mehrere römische tallplatten abgedeckte Bodenrinne entlang der Wände ein- 34 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
In warmem Rot und dunklen Grau ist die von Architektin Heide Mühlfellner entworfenen Einrichtung des Cafés „MozARTs – Espresso Gour- met“ im Erdgeschoß, gehalten. (Foto: Salzburg Museum, A. Hechenberger)
(Saliera lässt grüßen!) sowie die technische Vorsorge für den Einzelobjektschutz. Bei der räumlichen Konzeption des Museums mussten Kompromisse eingegangen werden, da der Zugang zum Architektin Gebäude auf der Seite des Residenzplatzes durch das Salz- Heide Mühlfellner burger Heimatwerk belegt ist. Die Landesregierung hatte plante den Umbau auch entschieden, die Amtsdruckerei und die EDV-Ser- und die Gestaltung ver sowie die Landesbuchhaltung noch nicht zu verlegen. der Neuen Residenz Daher betritt man das Gebäude jetzt vom Mozartplatz her für das Salzburg und durchquert bis zum Haupteingang den nach histori- Museusm schem Vorbild gefärbelten Innenhof. Im Erdgeschoß be- finden sich Eingangshalle, Kassa und Shop sowie eine für Ausstellungen und kleine Veranstaltungen multifunktio- nal nutzbare Säulenhalle. Das Café samt Gastgarten am Residenzplatz und im Innenhof ist verpachtet und erfreut sich bereits großer Beliebtheit. Der Innen- hof wurde in einem aufwändigen Verfahren – das gesam- te Gebäude musste mittels Betoninjektionen unterfangen und gesichert werden – zur Gänze unterkellert. Die so ent- standene rund 500 m2 große und 4,5 m hohe Kunsthalle erhielt eine durchgehende Lichtdecke, um niemals den Innenhof Eindruck eines Kellerraums aufkommen zu lassen. Hier (Foto: Salzburg Museum, R. Poschacher) werden in Zukunft die großen Sonderausstellungen statt- finden. gebaut, die einerseits den neuen Steinholzbelag vom Nicht realisiert werden konnte die geplante Überda- Mauerwerk optisch trennen und andererseits als Verteiler chung des Innenhofs. Die gegensätzlichen Anforderun- für alle Arten von Kabel für Strom, Multimedia- und Si- gen eines absoluten Regenschutzes für Veranstaltungen cherheitstechnik dienen sollte. Für die Klimaleitungen einerseits und die behördliche Auflage, das Dach standen die glücklicher Weise sehr zahlreichen Kaminzü- während der Öffnungszeiten des Museums offen halten zu ge zur Verfügung. Die Luftauslässe der Klimaanlage wur- müssen, andererseits, hätten zu einer so aufwändigen den in die Bodenrinnen gelegt und die Absaugschlitze Konstruktion geführt, dass diese aus finanziellen Gründen konnten möglichst unauffällig in den Türbereichen ange- nicht mehr weiter verfolgt werden konnte. Als Alterna- bracht werden. Größter Wert wurde auf den Außenhaut- tive wurden in den Boden des Hofs zwei Fundamente ein- schutz des Gebäudes und die Raumüberwachung gelegt gebaut, die zwei ca. 15 x 20 m große faltbare Schirme für 35 Museums[Aus/Neu]Bauten
Saal 1.13 im 1. Stock des Museums nach Abschluss der Umbauarbeiten. Hier befanden sich früher Sekretariat und Büro der damaligen LHStv. Gabi Burgstaller. Das abgehängte, hinterleuchtete Deckenelement nimmt wie in allen Sälen ohne Stuckdecke die Leitungen für Raumbeleuchtung und Multimediatechnik auf. Salzburg Museum(Foto: Salzburg Museum, R. Poschacher)
die Überdachung des Innenhofs aufnehmen könnten. Doch Grad kühle Wasser des vor dem Gebäude unterirdisch auch dazu bedürfte es einer zusätzlichen Sonderfinanzierung. fließenden Almkanals verwendet und dadurch sehr viel Strom gespart. Bei der Ausstellungsbeleuchtung gelang im Zusammen- Gute Teamarbeit wirken von Salzburg Museum, dem Technischen Büro Ing. Pürcher (Elektro- und Lichtplaner) sowie den beiden Firmen Die Zusammenarbeit mit dem Planerteam unter der Lei- Regent-Lighting (Schweiz) und Lumitech (Österreich) eine tung von Frau Architektin Heide Mühlfellner und ihrem revolutionäre Neuerung. Für die Wandanstrahlung wurden Mitarbeiter Michael Wiesmüller funktionierte hervorra- LED-Scheinwerfer entwickelt, die gegenüber herkömmli- gend. Es wurde immer die Balance zwischen Rücksichtnahme chen Leuchtmitteln – bei etwa gleichen Kosten – immense auf die historische Bausubstanz, zeitgemäßen gestalterischen Vorteile aufweisen: Ansprüchen und den Erfordernissen bzw. Wünschen des Bauherrn für die Museumsnutzung gefunden. Das Kurato- • deutlich geringere Wärmeentwicklung renteam des Museums unter Leitung von Chefkurator Peter • keine UV- und IR-Strahlung Husty wurde von Dieter Bogner voll gefordert und arbeitete • volle Dimmbarkeit mit großem Engagement bei der Detailplanung mit. • freie Regelung der Lichtfarbe (von 3.700 - 6.000 Kelvin) • Fernsteuerung einzeln und in Leuchten-Gruppen Technische Innovation – LED Licht • rund 10-fache Lebensdauer
Ein Ziel im Zuge der Neugestaltung der historischen Rä- Die beiden Firmen waren nicht nur bereit, die hohen Ent- umlichkeiten in der Neuen Residenz bestand in der Schaf- wicklungskosten zur Gänze zu übernehmen, sondern gaben fung bestmöglicher konservatorischer Bedingungen unter auch die Garantie, dass im Falle des nicht zeitgerechten Fer- Optimierung des Energieeinsatzes. So entschied sich das tigwerdens dieses weltweit ersten Versuchs, das Museum Salzburg Museum für eine Bauteilheizung in den Außen- vorübergehend mit herkömmlichen Leuchtmitteln ausge- wänden, die bewusst träge ist und zu sehr geringer Strömung stattet wird. Einsatz- und Innovationsfreude haben sich für der erwärmten Luft führt. Für die Kühlanlage im Keller wird alle Beteiligten ausgezahlt. Das Leuchtensystem funktio- zum erheblichen Teil das auch im Hochsommer rund 12 niert perfekt, und es ist davon auszugehen, dass in einigen 36 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
GESTALTUNGS-TEAM: Drehbare beleuchtete Zylinder auf dunklen vorgesetz- ten Wandelementen bieten umfassende Informationen ARCHITEKTEN zu den Themen Tourismus und Stadtentwicklung Kaschl/Mühlfellner, Salzburg
BAUMANAGEMENT Heinz Permanschlager, Land Salzburg Harald Zetto, Salzburg Museum
BAULEITUNG Johann Hutegger, Land Salzburg Gerhard Rehrl, Land Salzburg Helmut Leitner, Salzburg Museum
MUSEOLOGISCHES KONZEPT Dieter Bogner, bogner-cc, Wien, unter Mitarbeit von Ingrid Holzschuh und Andreas Meisinger
„MYTHOS SALZBURG“ Gestaltung: BWM Architekten, Wien Grafik: Drahtzieher, Wien Multimedia: Media & Design, Salzburg
„SALZBURG PERSÖNLICH“ Gestaltung: Fritz Pürstinger, Salzburg Grafik: grafic'design pürstinger, Salzburg Multimedia: Vogel Audiovision, Linz
TEXTDRAMATURG Christian M. Fuchs, Salzburg
CHEFKURATOR (Foto: Erich Marx) Peter Husty, Salzburg Museum
GESAMTLEITUNG Erich Marx, Salzburg Museum
Jahren die meisten Museen auf die Zukunftstechnologie Attraktives der LED-Leuchten umstellen werden, insbesondere dann, Ausstellungskonzept wenn auch die Punkt- und Konturenstrahler auf LED-Basis entwickelt sind. Ende Jänner 2007 wurde mit der Neugestaltung und Ein- richtung der Ausstellungsräume begonnen. Der kurze Zeit- Die Kosten wurden trotz der Komplexität des Projektes raum bis zur Eröffnung Anfang Juni von nicht einmal vier punktgenau eingehalten, was eine nicht hoch genug zu Monaten fordert von allen Beteiligten intensivsten Einsatz schätzende Leistung, insbesondere der Planungssteuerung und optimale Koordination. durch die Hochbauabteilung des Landes (Architekt Heinz Parallel zum eigentlichen Ausstellungsaufbau erfolgten Permanschlager) und den Finanzchef des Salzburg Museum noch die Tonproduktionen für den Audioguide, dessen In- Harald Zetto darstellt. Schließlich waren die von Land und halte fast durchwegs dramaturgisch in Dialogen angelegt Stadt Salzburg zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von sind. Außerdem beauftrage das Salzburg Museum noch zwei 19 Millionen Euro ja nicht aus dem Projekt heraus berech- Multimedia-Unternehmen (media & design, Salzburg und net, sondern politisch vorgegeben worden. Alle Bau- und Vogel Audiovision, Linz) mit der Produktion mehrerer Gestaltungsmaßnahmen hatten sich danach zu richten. Filme, interaktiver Stationen und Animationen. Im Sommer 2005 wurde mit einer glanzvollen Gala- So realisierte das Salzburg Museum ein für ein öster- Nacht die termingerechte Fertigstellung des Umbaus gefei- reichisches Landesmuseum völlig ungewöhnliches Ausstel- ert. Im Herbst desselben Jahres folgte die Eröffnung des Pan- lungskonzept, das sich vom reinen „stolzen Präsentieren“ orama Museum mit dem ausschließlich durch Spenden seiner Sammlungen löst und stattdessen die Objekte restaurierten Rundgemälde von Johann Michael Sattler. grundsätzlich in einen thematischen bzw. personenbezoge- Am 26. Jänner 2006 startete die von Rainer Verbizh (Paris) nen Kontext stellt. Wertvolle Kunstobjekte, ästhetische Prä- gestaltete Ausstellung „Viva! MOZART“ in der Neuen Resi- sentation und spannende Inhalte bilden so ein harmonisches denz. 220.000 Besucher zeigten sich begeistert und nutzten Ganzes und bieten den Besucherinnen und Besuchern auf auch das Angebot zum Menuett-Tanz, Spielen und Bölzl- rund 3.000 m2 Ausstellungsfläche interessante Einblicke in schießen nach Vorbildern der Mozartzeit. Im Sommer 2007 die Salzburger Geschichte, Kunst und Kultur. wird die Ausstellung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gezeigt. 37 Museums[Aus/Neu]Bauten
Die Rolle der Erzbischöfe wird durch eine filmische Inszenierung erläutert (Foto: Erich Marx)
„Mythos Salzburg“ „Salzburg persönlich“ Anders als in den meisten kulturgeschichtlichen Mu- Nicht nur die jeweils Herrschenden haben zu allen Zei- seen ist die Dauerausstellung im zweiten Obergeschoß der ten das Leben in Stadt und Land Salzburg geprägt. Die Neuen Residenz nicht nach chronologischen oder rein Ausstellung im 1. Stock zeigt in wechselnder Folge Bio- kunsthistorischen Gesichtpunkten ausgerichtet, sondern graphie, Schaffen und Wirkungskreis interessanter Salz- widmet sich in einer interessanten Abfolge den entschei- burger Frauen und Männer aus den Bereichen Kunst, Ar- denden Salzburger Themen seit Beginn der Neuzeit. So chitektur, Wissenschaft, Literatur, Musik, Fotografie, wird der Frage nachgegangen, wie der legendäre Mythos Handwerk und Arbeitswelt. Insgesamt hat das Kuratoren- Salzburg entstanden ist, wie ihn die Maler der Romantik team des Salzburg Museum 250 Personen aus mehreren im frühen 19. Jahrhundert geprägt haben, und wie er bis Jahrhunderten ausgewählt, die in den nächsten heute die Menschen fasziniert. Dabei spielen natürlich Jahr(zehnt)en ausgestellt werden sollen. Die erste Ausstel- Tourismus und Salzburger Festspiele eine tragende Rolle. lungsserie präsentiert nach dem gestalterischen und grafi- Ein weiterer Schwerpunkt der Dauerausstellung sind die schen Konzept von Fritz Pürstinger (grafic'design pürstin- absolutistisch regierenden Salzburger Erzbischöfe, spezi- ger, Salzburg) ab 1. Juni 2007: ell Kardinal Matthäus Lang und Wolf Dietrich von Rai- Jost Schiffmann (1822-1883) – Ein Pionier der Museums- tenau. inszenierung Wie organisierten die Erzbischöfe ihre weltliche Herrschaft? Johann Michael, Hubert und Anton Sattler – Eine Maler- Wer schuf aus der mittelalterlichen Kleinstadt eine barocke Re- familie in Salzburg sidenzstadt? Wie lebten die Bürger unter erzbischöflicher Do- Richard Mayr (1877-1935) – Ein Henndorfer auf der minanz? Welche Auswirkungen hatten Judenverfolgung und Weltbühne Gegenreformation in Salzburg? Wie sah der von Vincenzo Sca- Paracelsus (1493-1541) – Arzt, Alchemist, Philosoph mozzi geplante Dom aus? Baldi, Würthle und Co. – Frühe Salzburger Fotografen Nela (1954-1977) – Malen gegen die Zeit Auf diese und viele weitere interessante Fragen ver- Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) – Komponist für sucht die Ausstellung Antworten zu bieten. Kirche und Hof Das inhaltliche Konzept für den Ausstellungsbereich Wunibald Deininger (1879-1963) Architekt und Designer „Mythos Salzburg“ wurde von Dieter Bogner entwickelt, zwischen Tradition und Moderne die gestalterische Umsetzung lag in den Händen von Friderica Derra de Moroda (1897-1978) – Der Tanz – ein BWM, die Grafik bei Robert Six, jeweils in enger Koope- Leben! ration mit dem Museumsteam. 38 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
In der Kunsthalle, mit durchgehender Lichtdecke und 4,5 m Raumhöhe, wird als erste Sonderausstellung eine Werkschau von Hans Makart präsentiert
(Foto: Salzburg Museum, P. Laub)
Große Sonderausstellungen in der tiert, Eintritt kassiert und konnte davon samt Kunsthalle Familie ganz gut leben. Die Neuaufstellung des Panoramas ver- „Hans Makart (1840–1884) – Das große Liebes- sucht, die historische Situation nachzuemp- spiel“ heißt der Titel der ersten großen Sonderausstel- finden: Von einer Plattform blickt man wie lung in der Kunsthalle unter dem Innenhof der Neuen von der Festung auf die Stadt Salzburg und die umlie- Die neu eingebauten Residenz. Auf rund 500 m2 Ausstellungsfläche wird eine gende Landschaft zur Biedermeierzeit. Mit Fernrohren Architekturelemente, spezielle Werkschau des in Salzburg geborenen und in kann man viele Details erforschen. Eine technisch auf- wie hier das Stiegen- haus zu den Ausstel- Wien zum „Malerfürsten“ geadelten Meisters geboten. wändige Installation von Virgil Widrich außerhalb des lungsräumen, heben Dazu erscheint auch ein großer Katalog, verfasst von Panoramas macht den Vergleich der historischen An- sich durch moderne Ausstellungskurator Nikolaus Schaffer. Die folgende sicht mit dem Blick von heute möglich. Gestaltung bewusst Sonderausstellung ist dem Keramiker Arno Lehmann Rund um das Panorama wird in zwei Ausstellungsge- von der historischen (1905–1973) gewidmet, im Frühjahr 2008 folgt eine schoßen eine Auswahl der Kosmoramen von Hubert Architektur ab. Werkschau des zehn Jahre zuvor verstorbenen Salzburger Sattler (1817-1904) präsentiert. Bis zum Spätherbst (Foto: Salzburg Museum, Malers Lucas Suppin (1911–1998). 2007 werden 24 großformatige Städtebilder mit Dar- R. Poschacher) stellungen von Boston, Cadiz, Edingburgh, Genf, Genau, Panorama Museum Havanna, Köln, La Valetta, Lissabon, London, Malaga, Mexiko City, Monaco, Moskau, New York, Paris samt Im Mittelpunkt dieses bereits im Herbst 2005 eröff- Weltausstellung, Rom, Sarajevo, Sevilla, Toledo, Vene- neten Museumsteiles in der Neuen Residenz steht das dig, Vera Cruz und Wien gezeigt (vgl. VAELSKE, U. D., von Johann Michael Sattler 1829 fertig gestellte Rund- neues museum 03/1, 24ff.). gemälde mit 26 Metern Umfang und fünf Metern Höhe. Es ist das einzige erhalten gebliebene Reisepanorama, Panorama Passage von denen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vie- le existiert hatten. Sattler war mit seinem Panorama von Im unterirdischen Durchgang zwischen Salzburg Mu- 1829 bis 1839 durch Europa gereist und hatte das seum und Panorama werden zwei wichtige Themen in Rundgemälde in einem zerlegbaren Pavillon präsen- konzentrierter Form dargestellt. Prachtstück ist hier die
39 Museums[Aus/Neu]Bauten Das neue Salzburg Museum
Salzburg Panorama von Johann Michael Sattler: Von einer zentralen Plattform kann man auf die Stadt Salzburg um 1829 blicken und Details auf dem 125 m2 großen Rundgemälde durch Fernrohre betrachten.
(Foto: Salzburg Museum, A. Hechenberger)
im Innenhof bei den archäologischen Grabungen gefundene römische Mauer. Dazu werden weitere Funde aus diesem Teil des Munizipiums Iuvavum und auch spätere Bodenfunde ge- zeigt. Der zweite Ausstellungsbereich bietet in Kurzform 2.000 Jahre Salzburger Geschichte von der Römerzeit bis in die Gegenwart, zusätzlich erläutert durch vier Stadtmodelle, Texte sowie einzelne Objekte. Eine spannende Zeitreise für alle, die sich möglichst prägnant informieren möchten.
Pläne für die Zukunft Nur ausgewählte Objekte dieser beiden Sammlungsberei- che des Salzburg Museum wie z. B. die keltische Schnabel- kanne, der Helm vom Pass Lueg, ein romanisches Kruzifix aus dem Lungau oder der gotische Flügelaltar des Meisters der „Virgo inter Virgines“ und andere mehr können dem- nächst in einer größeren Pfeilerhalle im 2. Obergeschoß ausgestellt werden. Eine umfassende Präsentation dieser beiden Sammlungen wird erst im Zuge der Realisierung des Salzburger Museumsleitplans von Dieter Bogner an neuen Ausstellungsorten möglich sein. Dazu kommt noch die Not- wendigkeit einer grundlegenden Renovierung und Neuge- staltung des Museums im Bürgerspital mit der Spielzeug- sammlung und den Historischen Musikinstrumenten. Somit stehen in den nächsten Jahren noch weitere Bau- und Neugestaltungsprojekte bevor. Es wird noch einige Zeit dauern, bis das Salzburg Museum alle seine Pläne realisiert haben wird.
Text: Dr. Erich Marx, Direktor des Salzburg Museum Fotos: Salzburg Museum; A. Hechenberger, P. Laub, E. Marx, R. Poschacher www.salzburgmuseum.at
40 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Sattler war mit seinem Panorama von 1829 bis 1839 durch Europa gereist und hatte das Rundgemälde in einem zerlegbaren Pavillon präsentiert, Eintritt kassiert und konnte davon samt Familie ganz gut leben.
41 Museums[Aus/Neu]Bauten
Joanneum Neu Wolfgang Muchitsch
Zur Vorbereitung des 200-jährigen Jubiläums des ältesten Museums in Österreich im Jahr 2011 begann 1997 unter dem Titel „Joanneum Neu“, aufbauend auf einem Masterplan von Bogner + LORD, im Landesmuseum Joanneum eine in dessen Geschichte noch nie da gewesene Sanierungs- und Neuaufstellungswelle. Die Bereitstellung der dafür notwendigen Mit- tel erfolgt aus einem per Landesgesetzgebung für Baumaßnahmen im Landesmuseum Joan- neum zweckgewidmeten Anteil der Landes- rundfunkabgabe.
on den vorgesehenen Maßnahmen zur Sanie- rung und Neuaufstellung des zweitgrößten Mu- Vseumskomplexes in Österreich, der seit 2003 als gemeinnützige GmbH geführt wird, konnte ein Teil bereits umge- setzt werden. So wurden seit Beginn der 1990er Jahre, mit Ausnah- me der gesondert zu sehenden Errichtung des Kunsthaus Graz (€ 46 Mio.) im Rahmen des Projektes Europäische Kulturhauptstadt 2003, bislang weit über € 40 Mio. in verschiedenste Maßnahmen investiert. Zu den realisierten Pro- jekten zählen neben zahlreichen Investitionen zur Substanzerhaltung u.a.:
• die Einrichtung eines Zentralmagazins für südsteirischen Gemeinde Wagna im einen großen Teil der Sammlungsbestände Rahmen der Landesausstellung „Die Römer in Graz in der Steiermark“ 2004 •die Neuaufstellung der Sammlungen des • die laufenden Erhaltungsmaßnahmen in Landschaftsmuseums Schloss Trautenfels im Schloss Eggenberg (Gebäude und Park) mit steirischen Ennstal der Errichtung eines neuen Lapidariums, der • die Realisierung der beiden ersten Gestaltung des Planetengartens im Jahr Bauabschnitte der Neuen Galerie Graz 2004 sowie der Neuaufstellung der Alten •das im Jahr 2003 wieder eröffnete Volkskun- Galerie im Jahr 2005 demuseum in Graz • die Realisierung des im Herbst 2006 eröff- • die Errichtung eines Museumspavillons über neten Jagdmuseums in Schloss Stainz 42 den Ausgrabungen von Flavia Solva in der THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Generalsanierung der beiden ältesten Gebäude des Landes- museum Joanneum zum barrierefreien „Museumsquadrant“: Durch die großen, für dieses Projekt charakteristischen kegelförmigen Öffnungen, die sich zum Teil bis ins 3. Unter- geschoß ziehen, erhält das 1. Untergeschoß in weiten Bereichen Tageslichtqualität.
• In Schloss Stainz wird die stän- dige Präsentation der Landwirtschaft- lichen Sammlung mit einem Auf- wand von rund € 2 Mio. neu konzipiert und im Jahr 2009 anlässlich der 150. Wiederkehr des Todestages Erzherzog Johanns eröffnet. Gemein- sam mit dem Jagdmuseum wird damit der dortige Themenschwerpunkt „Ernährung“ abgerundet. • Bis zum Jahr 2009 soll auch der dritte Bauabschnitt der Neuen Galerie Graz im Aus- maß von € 8 Mio. abgeschlossen sein, um die geplanten Rundgänge in den Ausstellungsebenen zu ermöglichen.
Um den Gesamt- „Joanneumsviertel“ 2011 komplex des Landesmuseum Joanneum bis zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im Jahr 2011 in einem zeitgemäßen und seiner Bedeutung entsprechen- Der bei weitem größte Investitionsbedarf besteht bei den Rahmen zu präsentieren, sind weitere Projekte in Pla- der Generalsanierung der beiden ältesten Gebäude des nung bzw. bereits in Umsetzung begriffen: Landesmuseum Joanneum: dem im Jahr 1811 bezogenen Stammhaus in der Raubergasse 10 (erbaut 1665 bis 1674 • Im Herbst 2007 wird das neue Verwaltungszentrum als St. Lamprechter Stiftshof) mit den Naturwissenschaft- des Landesmuseum Joanneum in den Gebäuden lichen Sammlungen der Abteilungen Geologie & Paläonto- Mariahilferstraße 2 und 4 neben dem Kunsthaus Graz logie, Mineralogie, Botanik und Zoologie sowie dem bezogen. dahinter gelegenen Museumsgebäude Neutorgasse 45, • In Schloss Eggenberg wird das Münzkabinett neu errichtet in den Jahren 1890 bis 1898 als Kunstgewerbe- aufgestellt (Eröffnung am 11. Oktober 2007) und für museum, das künftighin die Sammlungen der Kulturge- die Archäologischen Sammlungen ein eigenes schichtlichen Abteilung sowie des Bild- und Tonarchivs mit Ausstellungsgebäude in Verbindung mit dem mittlerweile 2,5 Mio. Objekten beherbergen soll. Lapidarium errichtet (Eröffnung Juni 2008). Das Investitionsvolumen beträgt dafür insgesamt Die Vorarbeiten für dieses „Jahrhundertprojekt“ des Lan- € 2,3 Mio. desmuseum Joanneum begannen unmittelbar nach der Ausgliederung aus der Landesverwaltung im Jahr 2003. 43 Museums[Aus/Neu]Bauten
Im Museumsgebäude Neutorgasse 45, errichtet in den Jahren 1890 bis 1898 als Kunst- gewerbemuseum, sind die Sammlungen der Kulturgeschichtlichen Abteilung sowie des Stammhaus des Joanneums in der Rauber- Bild- und Tonarchivs untergebracht. ©LMJ gasse 10, bezogen im Jahr 1811. ©LMJ
Aufbauend auf städteplanerischen Überlegungen zur Steiermark, Landeshauptmann-Stv. Dr. Kurt Flecker, von dringend notwendigen Entwicklung des Stadtviertels rund der Notwendigkeit des Projektes überzeugt werden, worauf- um diese beiden Museumsgebäude wurde gemeinsam mit hin dieser die grundlegenden Weichen zur Finanzierung des Arch. DI Hermann Eisenköck von der Architektur Consult Gesamtprojektes stellte. Da die Finanzierung des Projektes ZT GmbH Graz im Jahr 2005 unter dem Arbeitstitel „Mu- die Kapazitäten des Landesmuseum Joanneum bei weitem seumsquadrant“ ein Masterplan erstellt. Dieser umfasst die überstieg und durch die Landesbibliothek als nachgeordne- Generalsanierung des Baubestandes der Objekte Raubergasse ter Dienststelle der Kulturabteilung der Steiermärkischen 10, Neutorgasse 45 sowie der im Rahmen des Joanneum 1811 Landesregierung auch andere Nutzerinteressen gegeben wa- mitbegründeten heutigen Landesbibliothek im Gebäude ren, entschloss sich die Landesregierung, die landeseigene Kalchberggasse 2 ebenso wie einen zwischen diesen Gebäu- Landesimmobiliengesellschaft mbH (LIG Steiermark) mit den liegenden Tiefbau zur gemeinsamen Erschließung der der Finanzierung und Realisierung des Projektes zu beauftra- Museen und der Bibliothek bzw. zur Abdeckung des dringend gen, weshalb die Liegenschaft mit Jahreswechsel 2006/7 an notwendigen Depotbedarfs der Bibliothek und des Museums. die LIG Steiermark verkauft wurde. Die Studie unterstrich den Handlungsbedarf vor allem in Zu- Auf Basis eines von allen Beteiligten gemeinsam erstell- sammenhang mit der schadhaften Bausubstanz, der überal- ten Raum- und Funktionsprogramms wurde von der LIG terten Haustechnik, der fehlenden Barrierefreiheit, der un- Steiermark im Juli 2006 ein zweistufiges Verhandlungsver- zulänglichen Arbeitsplatzsituation, der überfüllten Depots fahren zur Vergabe der Architektenleistungen EU-weit aus- sowie des im Bibliotheksbereich fehlenden Brandschutzes geschrieben. In einer ersten Verfahrensstufe wurden von der und zeigte – unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bun- Jury unter dem Vorsitz des Wiener Architekten DI András desdenkmalamtes und anderer Behörden – zugleich auch die Palffy aus 41 interessierten Architekturbüros zwölf Büros zur maximale Nutzungsmöglichkeit der Liegenschaft auf. Auf Ausarbeitung eines konkreten Projektes eingeladen. In einer dieser Basis wurde das Gesamtprojekt mit einer Bestand- zweiten Verfahrensstufe am 16. und 17. November 2006 wur- nutzfläche von rund 13.000 qm und einem Flächenzuwachs de das Projekt der Architekturbüros Nieto Sobejano/Madrid von weiteren 5.000 qm einschließlich der Neuaufstellung der und eep/Graz zur Realisierung ausgewählt. dortigen Sammlungen sowie der notwendigen Einrichtung mit € 48,5 Mio. veranschlagt. Dieses Projekt beschränkt sich darauf, mittels eines „mi- neralischen Teppichs“ unter Einbeziehung zeitgenössischer Anfang des Jahres 2006 konnte der damals erst seit Kunst eine Abdeckung über dem Tiefbau zu errichten, die kurzem in dieser Funktion tätige Kulturreferent des Landes keinen Garten vorspiegelt, sondern zwischen den Bestands- 44 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
„Joanneumsviertel” NEU
Vom Besucherzentrum aus gelangen die BesucherInnen sowohl in das Naturhistorische Museum in der Raubergasse als auch das Kulturhistorische Museum in der Neutorgasse.
objekten eine moderne Piazza entstehen lässt. Der Eingang tungszentrum Mariahilferstraße – eine Entflechtung der führt in der Mitte dieses Platzes in ein im 1. Untergeschoß Ausstellungsräume, die nunmehr erstmals als geordnete (rund 2.200 qm) gelegenes Besucherzentrum, in dem neben Rundgänge erschlossen werden. Die Ausstellungsflächen einer allgemeinen Einführung in den Komplex und die Ge- steigen von derzeit rund 1.500 qm auf nahezu 3.200 qm, die schichte des Landesmuseum Joanneum der Informations- sich neben einem interaktiven Hands-on-Bereich auf vier und Kassenbereich, ein Museumsshop, ein Café-Restaurant, Ausstellungsbereiche verteilen: Im 1. Obergeschoß entste- Teile der Freihandbibliothek der Landesbibliothek, der Be- hen ein großer Sonderausstellungsbereich sowie eine Studi- nutzerbereich des Bild- und Tonarchivs, multifunktionale ensammlung. Im 2. Obergeschoß wird die historische Auf- Veranstaltungsräume sowie Flächen für Schaulager vorgese- stellung der Mineralogie als einzigartiges „Museum im hen sind. Durch die großen, für dieses Projekt charakteristi- Museum“ saniert und zudem eine ständige Schausammlung schen kegelförmigen Öffnungen, die sich zum Teil bis ins 3. errichtet, die interdisziplinär unter Einsatz modernster Ver- Untergeschoß ziehen, erhält das 1. Untergeschoß in weiten mittlung die Entwicklung, den aktuellen Stand sowie Zu- Bereichen Tageslichtqualität. In den beiden weiteren Un- kunftsaspekte der Natur in der Steiermark beleuchtet. Die tergeschoßen sind zurzeit die Depotflächen für die Landes- Büro-, Labor- und Bibliotheksbereiche werden größtenteils bibliothek (3.000 qm) sowie der im Areal befindlichen im zum Teil bereits ausgebauten Dachgeschoß bzw. in der musealen Sammlungen (2.000 qm) vorgesehen. Nähe der Depotbereiche untergebracht.
Vom Besucherzentrum aus gelangen die BesucherInnen Im Kulturhistorischen Museum in der Neutorgasse sowohl in das Naturhistorische Museum in der Raubergas- werden die BesucherInnen in der opulenten Welt des Histo- se als auch das Kulturhistorische Museum in der Neutor- rismus empfangen und von dort aus in der ständigen Schau- gasse. sammlung im Erdgeschoß anhand bedeutender Leitobjekte Vor allem das Naturhistorische Museum erfährt – durch der Sammlung in die Kulturgeschichte des Landes sowie Raumrochaden mit der Landesbibliothek sowie der bereits durch eine konzentrierte Auswahl aus den rund 30 Sachge- 2007 erfolgenden Absiedelung aller in der Raubergasse un- bieten in das Kunstgewerbe der Steiermark eingeführt. Die tergebrachten Verwaltungsbereiche in das neue Verwal- großen Sonderausstellungsflächen im 1. Obergeschoß (rund 45 Museums[Aus/Neu]Bauten
Eingangsbereich des im Jahr 2003 wieder eröffneten Volkskundemuseums in Graz, Paulustorgasse 11-13a. ©LMJ
1.200 qm) sollen mit einem attraktiven Ausstel- Da sich der künftige Tiefbaubereich im Areal der lungsangebot die kulturhistorische Profilierung früheren Stadtbefestigung von Graz bzw. auf Teilen durch sammlungsübergreifende Projekte abrunden. des späteren Joanneumsgartens befindet und das Lan- Mit der Präsenz des Bild- und Tonarchivs sowie des desmuseum Joanneum selbst für andere Bauwerber Büros der Erinnerungen wird ein zusätzliches vorbildhaft vorgehen möchte, finden seit Herbst Schwergewicht auf die Auseinandersetzung mit zeit- 2006 intensive archäologische Prospektionen statt, geschichtlichen und gesellschaftskritischen Themen getragen vom Land Steiermark, dem Verein Archäo- gelegt. Auch in diesem Gebäude werden die Büro- logieland Steiermark und dem AMS Steiermark. und Bibliotheksflächen für die im Haus befindlichen Diese sollen im Frühjahr 2007 zum Abschluss ge- Abteilungen im obersten Geschoß untergebracht bracht werden. werden. Nach einer intensiven Planungsphase ist der Ausblick Baubeginn des neuen Joanneumsviertels für Ende 2008 vorgesehen. Die Eröffnung des Kulturhistori- Derzeit wird das Gesamtprojekt einer Bedarfsprü- schen Museums in der Neutorgasse einschließlich des fung durch den Landesrechnungshof unterzogen, aus Besucherzentrums soll zu Jahresmitte 2010, die Eröff- der heraus sich aus Kostenüberlegungen noch die ei- nung des Naturhistorischen Museums in der Rauber- ne oder andere Abänderung ergeben könnte, z.B. die gasse sowie der neu gestalteten Landesbibliothek zu Verlegung der Depotflächen des Landesmuseum Jo- Jahresmitte 2011 und damit rechtzeitig zum großen anneum im 3. Untergeschoß des Verbindungsbaues 200-jährigem Jubiläum des Landesmuseum Joanne- in eine zu adaptierende Lagerhalle neben dem bereits um im Herbst 2011 erfolgen. bestehenden Zentralmagazin. Mit dem Abschluss der Prüfung und der daraufhin vorgesehenen Freigabe Text: Hofrat Dr. Wolfgang Muchitsch, durch den Steiermärkischen Landtag kann noch vor Direktor Landesmuseum Joanneum der Sommerpause des Landtages gerechnet werden. Fotos: LIG Steiermark, LMJ
46 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Start frei für das Vorarlberger Landesmuseum Neu
Stiegenhaus – Im Dezember 2006 wurde das Konzept zur Neupositionierung des Umgestaltung für die aktuelle Vorarlberger Landesmuseums (VLM) durch Direktor Dr. Tobias G. Natter Ausstellung präsentiert, nun kann mit der konkreten Umsetzung des Vorhabens gestartet werden. Die Vorarlberger Landesregierung hat nach einer sorgfältigen Bedarfsplanung die Erfordernisse und Möglichkeiten für die anstehenden Sanierungs- und Umbauarbeiten geprüft. Auf dieser Grundlage wird jetzt der Architektenwettbewerb ausgeschrieben.
Martina Heise
Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz 1905, Foto: Stengel & Co.
as Vorarlberger Landesmuseum Dwurde 1857 ge- gründet und befindet sich seit 1905 im Gebäude am Bregen- zer Kornmarktplatz. Zuletzt im Jahr 1960 umgebaut, fanden seither nur die aller nötigsten Instandhaltungsarbeiten statt. Für ein modernes, attraktives Museum hinsichtlich Heizung und Lüftung, Neubau ist sinnvoll und Sicherheitstechnik und Brandschutz ent- spricht das Gebäude nicht den heutigen An- machbar forderungen. Auch die sanitären Einrichtun- Das Gebäude des Vorarlberger Landesmu- gen und die unterschiedlichen Niveaus seums steht nicht unter Denkmalschutz, des- genügen nicht üblichen Standards, zum Bei- halb wird in der Ausschreibung zum Archi- spiel in Bezug auf barrierefreien Zugang. tektenwettbewerb auch die Möglichkeit eines Durch die anstehenden umfassenden Baumaß- Neubaus eröffnet. Das bisherige Gebäude der nahmen und die Einbeziehung der früheren Bezirkshauptmannschaft Bregenz wird weit- Bezirkshauptmannschaft soll die Nutzfläche gehend erneuert. Dieses Haus ist zwar denk- des VLM mehr als verdoppelt werden – von malgeschützt, aber ein Abbruch des 3. Ober- derzeit knapp 2.000 auf über 4.000 m2. 47 Museums[Aus/Neu]Bauten
Angelika Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Talent Eine Ausstellung an zwei Orten: Bregenz und Schwarzenberg 14. Juni bis 5. November 2007
Angelika Kauffmann: Selbstbildnis in Bregenzerwälder Tracht, 1781, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
geschoßes sowie verschiedene Umbaumaßnahmen sind mög- lich. Eine Machbarkeitsstudie vom Jänner 2007 bestätigt, Aktuelle dass das Raumprogramm und das museologische Konzept Ausstellungen unter Einhaltung der Auflagen des Bundesdenkmalamtes verwirklicht werden können. Die Gebäudeausformulierung Aus Anlass seines stellt eine große städtebauliche und architektonische 150-jährigen Bestehens Herausforderung dar. Auf der Grundlage dieser Machbar- hat das Vorarlberger keitsstudie ist mit Netto-Errichtungskosten zwischen 28 und Landesmuseum zwei Ju- 30 Millionen Euro zu rechnen. biläums-Ausstellungen ausgerichtet. „150 Jahre Kompetenzzentrum für Geschichte und Schenkungen“ führt den Reichtum und die Vielfalt der Kultur Vorarlbergs Sammlungsbestände des Museums vor Augen. Archäologi- sche Schenkungen stehen neben Zeugnissen der Volkskul- Mit diesem Großprojekt, dessen Start mit dem 150-Jahre- tur; herausragende Werke der Bildenden Kunst treten in Dia- Jubiläum des Vorarlberger Landesmuseums zusammenfällt, log mit historischen Dokumenten aus der Vorarlberger werden die Weichen für einen zeitgemäßen Auftritt, für ei- Geschichte; ein Selbstbildnis des 20. Jahrhunderts trifft auf ne bessere Präsentation der Marke VLM und für die räumli- Mittelalterliches. che Erweiterung gestellt. Ziel ist es, dass das VLM Neu sich Mit der Eröffnung einer in Umfang und Qualität spekta- als „Kompetenzzentrum für die Landeskultur“ mit einer kulären Angelika-Kauffmann-Ausstellung im Juni 2007 grenzüberschreitenden Perspektive etabliert. Geschichte beginnt eine neue Ära im Vorarlberger Landesmuseum. und Kultur von Land und Leuten stehen im Mittelpunkt, sie Unmittelbar vor Beginn des grundlegenden Umbau- und Er- werden aber auch mit den Entwicklungen in den Nachbar- weiterungsprojektes des Landesmuseums markiert die von ländern und internationalen Tendenzen in Bezug gesetzt. Direktor Tobias G. Natter kuratierte Schau „Angelika Erster Bezugsrahmen ist der Bodenseeraum, der Kontext Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Talent“ einen Mei- europäisch. lenstein. Im neuen Landesmuseum soll es grundsätzlich zwei Foren geben: Einerseits wird die Schausammlung als roter Faden zur Schlüsselwerke Angelika Kauffmanns in historischen Entwicklung Vorarlbergs konzipiert. Themati- architektonisch ansprechend gestalteten sche Schwerpunkte werden den historischen Anfängen, ver- Räumen schiedenen kulturellen Zentren (Feldkirch, Hohenems), den Vorarlberger Barockbaumeistern, der Zeit um 1800 mit An- Dem ehemaligen Kurator an der Österreichischen Gale- gelika Kauffmann, der Industrialisierung im 19. Jahrhundert rie Belvedere und zahlreicher Großausstellungen in Berlin sowie dem 20. Jahrhundert gewidmet. und New York ist es dank seiner internationalen Verbindun- Daneben sollen Wechselausstellungen einen dynami- gen gelungen, Spitzenwerke aus aller Welt nach Vorarlberg schen Museumsbetrieb ermöglichen. Pro Jahr ist eine zu holen. Anlässlich ihres 200. Todestages am 5. November Großausstellung geplant, die im Sommer stattfinden wird 2007 wird besonders die Aktualität der Ausnahmekünstle- und speziell auch Festspielgäste und internationales Publi- rin, deren Strahlkraft bis heute ungebrochen ist, beleuchtet. kum anziehen soll.
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Vorarlberger Landesmuseum – seit 1960 kaum verändert, Foto: VLM
Terminplan für das VLM Neu Preisgericht des Architektenwettbewerbes: November 2007 danach Planung: Dezember 2007 bis September 2009 Baubeginn: Oktober 2009 Baufertigstellung: März 2012 Eröffnung: April-Juni 2012
Diese Jubiläums-Ausstellung vereint erlesene Leihga- Anders als die meisten ihrer Kollegen, die eine Laufbahn ben aus ganz Europa, Schlüsselwerke der Angelika-Kauff- als Hofkünstler einschlugen, entschied sich Angelika Kauff- mann-Sammlung des Vorarlberger Landesmuseums sowie mann trotz verlockender Angebote für den weit unsichere- erstmalig präsentierte Dokumente und Urkunden. Die ren Status einer freischaffenden Künstlerin, die, ganz dem künstlerische Entwicklung der 1741 in Chur/Schweiz gebo- modernen Verständnis entsprechend, für ein wechselndes renen Angelika Kauffmann, die als Weltbürgerin ihrer Publikum arbeitete. Ihre auch aus heutiger Sicht beein- Wahlheimat Schwarzenberg stets verbunden blieb, wird mit druckende Karriere ist verknüpft mit einer für eine Frau im ihrem außergewöhnlichen Lebensweg als Frau inmitten 18. Jahrhundert beispiellosen Mobilität. Aus einfachen Ver- einer spätbarocken Männerwelt in London und Rom in hältnissen stammend stieg sie zu einem gefeierten Star auf, Verbindung gesetzt. stand im vertrauten Kontakt mit Europas gekrönten Häup- „Angelika Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Ta- tern und führte einen Salon, zu dem die geistige Elite lent“ ist eine Ausstellung an zwei Orten und wird in eigens drängte. Ab 1782 ließ sie sich ständig in Rom nieder, wo ihr adaptierten und umgebauten Räumen präsentiert (14. Juni gastliches Haus ein geschätzter Treffpunkt für zahlreiche bis 5. November 2007). Zu sehen ist die von einem umfang- Künstler, Schriftsteller und Romreisende wie Canova, Brun, reichen Vermittlungsprogramm begleitete Schau über Leben Tischbein, Goethe, Herder u.a. war. Am 5. November 1807 und Werk der Künstlerin im Vorarlberger Landesmuseum in starb Angelika Kauffmann kinderlos in Rom und wurde nach Bregenz und über die Beziehung zu ihrer Wahlheimat einem prunkvollen Leichenzug in der Kirche San Andrea Schwarzenberg im neuen Angelika Kauffmann Museum in delle Fratte beigesetzt. Schwarzenberg/Bregenzerwald. Text: Martina Heise Angelika Kauffmann im Spiegel ihrer Zeit Fotos: VLM Die Künstlerin war zu ihren Lebzeiten eine gefeierte Angelika Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Talent Berühmtheit, die als Kosmopolitin nicht nur geografische Eine Ausstellung an zwei Orten: Bregenz und Schwarzenberg Grenzen überschritten hat. Die Ausstellung untersucht das 14. Juni bis 5. November 2007 Phänomen Angelika Kaufmann im Spiegel ihrer Zeit. 200 Vorarlberger Landesmuseum VLM wertvolle Exponate, darunter eine hervorragende Reihe von Kornmarktplatz 1 Selbstbildnissen, in welchen die Künstlerin dem Betrachter A- 6900 Bregenz als perfekte Schönheit entgegentritt, werden mit Urkunden T +43/ 5574/ 460 50 und Zitaten von Zeitgenossen in Beziehung gesetzt. Die Be- [email protected]; www.vlm.at sucher erfahren beim Durchschreiten der Ausstellung, die Angelika Kauffmann Museum nach Lebensabschnitten und geografischen Stationen ihres A-6867 Schwarzenberg Wirkens gegliedert ist, auch interessante Details über die T 43/ 5512/ 3570 Persönlichkeit der Ausnahmekünstlerin, über Skandale, www.angelika-kauffmann.com Netzwerke und Erfolgstorys. 49 Museums[Aus/Neu]Bauten Michelstettner Schule: Schulgeschichte zum Leben erweckt Auf ein Vierteljahrhundert Frontalunterricht im „NÖ Schulmuseum“ folgt dramaturgische Inszenierung in der „Michelstettner Schule“
Interaktive Station: Die Faszination der optischen Täuschung – neugierige Blicke verlieren sich im Unendlichkeitsspiegel 50 Eine Geschäftsführerin, die als gestrenge Direktorin auftritt, Ehrengäste, denen nach mehrmaliger Ermahnung ein Eintrag ins Klassenbuch angedroht wird – die Eröffnung der Michelstettner Schule am 14. April 2007 vermittelte einen Eindruck davon, was die Besucher vom wiedereröffneten Schulmuseum erwarten dürfen. Spannungsgeladen, heiter und neugierig – so präsentiert sich die Michelstettner Schule. Unverkrampft wird zwischen alter und neuer Pädagogik vermittelt. Neugierige Schülerinnen und Schüler begeben sich auf eine Zeitreise in die Schulgeschichte der letzten Jahrhunderte, und so mancher Besucher verlässt die Schule mit einem ausgezeichneten „Michelstettner Maturazeugnis“. N at Ph ur ys gesc ik R & C E ec hi rdkund c h hn h e e & en te mi Gesc e hi Lese chte n & Sc hre iben
Christine Steindorfer
„Uns war es wichtig, ein Museum zu bauen, in dem Vielerorts wurde die Dorfschule ins Heimatmuseum alte Objekte nicht nur betrachtet werden: Unsere Besucher verlegt – so gibt es nun an die 30 Schulmuseen in Öster- sollen Teil der Michelstettner Schule werden“, erläutert reich. Zu eigenständigen Schulmuseen wurden nur Dir. Otto Steindorfer, Obmann des Vereins NÖ wenige der Sammlungen, die umfangreichste davon Schulmuseum, die Idee hinter der neuen Michelstett- sollte bald in Michelstetten stehen. Lukschanderl ging ner Schule. Zur Umsetzung davon später, uns interes- dabei seinen eigenen Weg: Er beließ das Mobiliar dort, siert vorerst die Frage: Was war bis dahin? wo es immer schon stand, in der Schule von Michel- stetten, und erweiterte die Sammlung laufend. 1980 Rückblick: NÖ Schulmuseum – feierte das NÖ Schulmuseum Eröffnung. Schon 4 Dauerausstellung seit 25 Jahren Jahre später musste weiterer Platz geschaffen werden, um die ständig wachsende Sammlung adäquat präsen- Das Niederösterreichische Schulmuseum wurde tieren zu können. 1980 von OSR Dir. Rudolf Lukschanderl fast zufällig ge- gründet. Er versuchte möglichst viele Schulobjekte, Umfangreichstes Schulmuseum von einzelnen Büchern bis zur kompletten Klassenaus- Mitteleuropas stattung, vor dem Sperrmüll zu retten. Dieses bittere Ende drohte vielen ausrangierten Schulmöbeln und Die reichhaltige Sammlung von etwa 50.000 Lehrbehelfen in den frühen 70er Jahren, als eine Welle Schulobjekten verschaffte dem NÖ Schulmuseum eine der Schulschließungen durch das Land zog. Wenn einzigartige Stellung sogar innerhalb der Schulmuseen Lukschanderl von einer Schulschließung hörte, fuhr er in Mitteleuropa. Mit 15.000 Schulwandtafeln befindet hin, um die stummen Zeugen der Schulgeschichte zu sich hier die europaweit größte Sammlung dieser Art. retten. Verwunderte Blicke folgten ihm, wenn er mit Das NÖ Schulmuseum beherbergte 6 komplette Ori- dem „alten Krempel“ Richtung Michelstetten davon- ginalklassen. Landkarten, Wandtafeln, verschiedene fuhr. So trug er in mühsamer Kleinarbeit eine ansehn- Lehrmittelbehelfe und Bücher sowie einige Kuriosa bo- liche Sammlung zusammen. ten die Grundlage für eine permanente Darstellung des 51 Museums[Aus/Neu]Bauten
Die interaktive Station „Spiegelschrift“ holt die Erinnerung an das Erlernen der schwierigen Augen- Hand-Koordination zurück in die Gegenwart
Wer hier wohl seine Schultasche vergessen hat? (© http://goestl.globl.net)
Schulwesens. Viele Schulklassen kamen, um einen Blick auf ergänzt. Letztendlich wurde die Neukonzeption und bauliche den Schulalltag ihrer Großeltern und der Generationen da- Erweiterung des Schulmuseums vom Land Niederösterreich, vor zu werfen. Unzählige Pensionistengruppen machten ecoplus und dem Bundesministerium für Bildung, Wissen- eine Reise in die eigene Vergangenheit. schaft und Kultur sowie der Gemeinde Asparn/Zaya ge- In seinen Grundzügen blieb das NÖ Schulmuseum bis zu fördert. seiner Schließung im Sommer 2005 unverändert. In den Jah- Als Mitte 2005 die finanziellen Mittel gesichert waren, ren vor der Schließung wurde im Hintergrund bereits fleißig begannen die Inventarisierung und der Abbau der bestehen- gearbeitet. den Ausstellung, am 22. Juli 2005 fuhren die Bagger auf. Das ehemalige Schulgebäude und bisherige Herzstück des NÖ Eine Idee nimmt Formen an Schulmuseums stammt aus dem Jahr 1890 und musste gene- ralsaniert werden. In diesen Gebäudeteil und in den Zubau „Es war im Jahr 2001, als ich mit dem Schulleiter des NÖ aus den 1980er Jahren wurde eine Heizung eingebaut, um ei- Schulmuseums, OSR Horst Hubinger, durch unser Haus ging. nen Ganzjahresbetrieb des Museums zu ermöglichen. Zusätz- Wir sahen eine Sammlung, die wir lieb gewonnen hatten, die lich wurde das Erdgeschoß um fast 200 Quadratmeter jedoch besser aufbereitet gehörte. Am Dachboden zählten Ausstellungsfläche erweitert, um genügend Platz für die wir so viele Ausstellungsstücke, dass wir damit zwei, wenn reichhaltige Sammlung zu bieten. Im Obergeschoß des neu- nicht sogar drei Museen hätten füllen können. ‚Eigentlich en Zubaus fanden ein Veranstaltungssaal für Sonderausstel- schade‘, stellten wir fest und beschlossen dem Schulmuseum lungen und zum Vermieten, eine Bibliothek für die etwa neues Leben einzuhauchen“, erklärt Steindorfer. Zu diesem 15.000 Bücher, Büroräume sowie ein großzügiges Depot Zweck wurde 2001 das NÖ Schulmuseum an den 1999 ge- Platz. Die baulichen Rahmenbedingungen setzten somit erst- gründeten Verein NÖ Schulmuseum in Michelstetten aus- mals die Voraussetzungen für einen ganzjährigen und voll- gegliedert. Bis dahin war die Marktgemeinde Asparn/Zaya wertigen Museumsbetrieb. sein Erhalter. Ende 2002 bestärkten die positiven Ergebnisse einer Von Beginn an befasste sich der Museologe Dr. Franz Stür- Machbarkeitsstudie, die im Rahmen von Leader+ durchge- mer mit der Erarbeitung des neuen Museumskonzeptes. Er führt wurde, den Verein in seinem Vorhaben. Es folgten sichtete den reichhaltigen Fundus und erarbeitete Ausstel- Finanzierungsgespräche und Beratungen mit den Förderstel- lungsschwerpunkte. Schon frühzeitig erkannte er: „Um dem len. Ein erstes Konzept wurde erstellt, später abgeändert und sperrigen Thema ‚Geschichte des Schulwesens‘ etwas von 52 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
Naturgeschichteklasse: In diesen Bänken saßen die Kinder von Michelstetten, als die Schule von Michel- stetten noch als 8-jährige Volksschule geführt wurde
Leitspruch der Michelstettner Schule Den Menschen ihre Neugier, der Neugier ihre Freiheit. Alle Menschen haben ein Recht auf Neugier. Alle Menschen haben ein Recht auf Verstehen. Alle Menschen haben ein Recht auf Wissen. Alle Menschen haben ein Recht darauf, die Welt mit ihren eigenen Augen zu entdecken. seinem verstaubten Beigeschmack zu nehmen, muss mehr Trotz allen Augenzwinkerns, die Wissensvermittlung passieren als nur die Ausstellung neu zu präsentieren.“ kommt beileibe nicht zu kurz. Eine Auswahl der 50.000 Objekte aus dem Fundus wurde nach 2 Themengebieten zu- Die Lösung: Dramaturgische Inszenierung sammengestellt. Erstens ist die Entwicklung von fünf Schul- fächern umfassend aufbereitet. Zweitens thematisieren Zeit- ‚explore Erlebnisproduktionen‘, die international als Ex- portale die Entwicklung des Schulwesens von der Antike bis perten für Freizeiteinrichtungen arbeiten, wurden mit an Bo- in die frühen 1960er Jahre. ard geholt, um für das neue Schulmuseum eine erlebnisdra- Weiters wird die Ausstellung von interaktiven Stationen, maturgische Inszenierung als museologische die über das Museum verstreut sind, aufgelockert. Einige Vermittlungsform zu entwickeln. Fortan sollten alte Schul- davon treten gegen Ende des Mu- objekte nicht einfach ausgestellt werden, es gehe darum, die seumsrundgangs gleichsam den Besucher in das Geschehen einzubinden: Ab dem Moment, Beweis für den Wahrheitsgehalt in dem sie das Gebäude durch ein überdimensionales pädagogischer Prinzipien an, die Buch betreten, würden sie so wieder zu Schülern. Konse- von Impulsgebern wie Maria quenterweise folgte daher die Umbenennung auf „Michel- Montessori oder Rudolf Steiner stettner Schule“. postuliert wurden. Diese und Es wurde auch die „Michelstettner Matura“ als Besuchs- weitere pädagogische Reformer form entwickelt: eine Aktionsführung, die Wissensvermitt- werden ebenfalls vorgestellt. lung und Erlebnisfaktoren verbindet. Die Besucher lösen während ihres Museumsbesuchs Aufgaben in so ungewöhn- Fünf Unterrichtsfächer im lichen Prüfungsfächern wie Spiegelschrift und Rechnen mit dem Abacus. Dabei haben der Spaß am Lernen und die historischen Setting Neugierde Vorrang und nicht das in unserem Kulturkreis Fünf Schulfächern ist je eine eigene Klasse gewidmet: vorherrschende Paradigma des Messens, das in der Benotung Lesen & Schreiben sowie Rechnen stehen am Anfang des ihren Niederschlag findet und einen Großteil des Leistungs- Museumsbesuchs, denn diese Fertigkeiten stehen auch am drucks des Schulsystems ausmacht. Die Besucher sind einge- Beginn jeder Schulkarriere. Weiters sind jene naturwissen- laden zu experimentieren und im wahrsten Sinne des schaftlichen Fächer in eigenen Schulklassen dargestellt, Wortes Hand anzulegen. denen in unserem Kulturkreis große Bedeutung beigemessen 53 Museums[Aus/Neu]Bauten
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55 Klasse für Geografie und Geschichte: Nach dem Vorbild von Thonet wurden die Schulbänke in der Klasse für Geografie und Geschichte gestaltet Museums[Aus/Neu]Bauten
Mit dem Michelstettner Trichter kann man sich Wissen „eintrichtern“
wird: Erdkunde & Geschichte, Naturgeschichte, Physik & Chemie. Der „Unterricht“ findet in Schulklassen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert statt. Die Besucher sitzen auf alten Schulbänken, von der Wand lächelt ihnen der Kaiser milde entgegen, im Eck steht ein Kanonenofen. Die Petroleumlampen geben ein schwaches Licht, Wandtafeln dienen dem Anschauungsunterricht, und Unartige müssen in der Eselsbank mit dem Rücken zur Klasse Platz nehmen. Bis auf die elektrische Beleuchtung erinnert in den ein- zelnen Klassenzimmern nichts an die Jetztzeit. In händischer Kleinarbeit wurden die Wände aller Klassenzimmer pati- niert, sodass der Eindruck entsteht, sie wären durch die Jahr- zehnte hindurch geschwärzt. Selbst neue Fenster wurden ge- beizt und mit Schmirgelpapier nachbearbeitet, sodass sie alt und verbraucht aussehen. Eigens angefertigte Vitrinen sind dem vorhandenen Mobiliar nachempfunden. Die Besucher können sich durch dieses Setting sehr gut in den Schulalltag früherer Schüler hinein fühlen. schichte, Zoologie und Botanik sowie Somatologie (die Da die Schulmöbel in jedem Klassenzimmer aus unter- Lehre über den menschlichen Körper) wurden mit Hilfe schiedlichen Jahrzehnten stammen – beginnend mit 1890 in von Vogelbälgern, Mineralien, Kristallmodellen, Spiritus- der Klasse für Lesen und Schreiben, versprüht jede Klasse ein präparaten, Insektenkästen, Modellen menschlicher Organe eigenes Flair. „Willkommen in der Kaiserzeit!“ vermittelt die sowie Wandbildern und später erst Biologiebüchern gelehrt. Klasse für Geografie und Geschichte, in der ein Hauch von Die Besucher wühlen in einer Knochenkiste und versuchen, Jugendstil Einzug hält: die Schulbänke sind nach Thonet ge- die gefundenen Knochen den richtigen Tieren zuzuordnen. staltet, sie besitzen sogar eine Vorrichtung, um die Sitze hochzuklappen. Von den Schulwandbildern sticht vor allem jenes ins Auge, das die Länder der k. & k. Monarchie zeigt. Schüler-Lehrer-Wechselbeziehung Es gibt Zeugnis darüber ab, wie lange Lehrmittel verwendet Der Geschichte des Schulwesens begegnen die Besucher auf wurden: Mit der Hand zeichnete ein Lehrer die neuen Gren- ihrem Weg von Schulklasse zu Schulklasse. Dabei durch- zen der eben zerfallenen Monarchie ein. Die Entwicklung schreiten sie „Zeitportale“ im entsprechenden Epochenstil. der Geschichte- und Geographiebücher sowie Atlanten, In den Epochendarstellungen liegt der Schwerpunkt auf dem Winkelmessgeräte, urgeschichtliche und historische Funde oftmals schwierigen Dreiecksverhältnis Lehrer – Schüler – werden in dieser Klasse gezeigt. Gesellschaft: Wer besuchte die Schule und in welchem Al- Die Schulbänke der Naturgeschichteklasse erzählen wie- ter? Welche Schulformen gab es? Wer betrieb die Schulen? derum eine gänzlich andere Geschichte, nämlich die der Welche Fächer wurden unterrichtet und wie wurde der Schule von Michelstetten. Bis zum Ende des Schuljahres Stoff vermittelt? Welche gesellschaftliche Stellung hatten 1971/72 wurden die Michelstettner Kinder in eben diesen Lehrer? Wie wurden sie entlohnt, und fanden sie mit dem Bänken und in eben diesem Raum unterrichtet. Die Aus- Lehrberuf ihr Auslangen? Antworten auf diese Fragen fin- stellungsstücke zeigen die gesamte Bandbreite, in der das den die Besucher hinter Bildklappen, die sich in Gemälden Fach Naturgeschichte früher unterrichtet wurde: Erdge- mit Schulszenen aus den einzelnen Epochen verstecken. 56 THEMA – Mu seums[Aus/N e u ]Bau ten
hreiben Lesen & Sc Rechnen te Geschich Erdkunde & hichte Naturgesc hemie Physik & C
„Kinder sollten weniger durch Worte vermittelt bekommen als vielmehr durch eigene Aktivität selbst erlernen“, so fortschrittlich brachte es Heinrich Pestalozzi bereits Ende des 18. Jahrhunderts auf den Punkt. Die interaktiven Stationen der Mi- chelstettner Schule setzen diese Forderung in die Tat um. Zwei simple pädagogische Wahrhei- ten liegen ihnen zugrunde. Erstens, jegliches echtes Wissen wurzelt in körperlicher Erfah- rung. Und zweitens, eine Erfahrung ist umso nachhaltiger, je mehr Staunen sie hervorruft. Dies geschieht zum Beispiel beim „Unendlich- keitsspiegel“: Die Besucher schauen durch Gucklöcher, dahinter reflektieren zwei gegenü- berliegende Spiegel das Bild unendlich oft. Spie- gelbild folgt auf Spiegelbild und formt einen Tunnel in die Unendlichkeit, der in der Wahr- nehmung weit in die Wand hinein reicht. Oft lässt sich beobachten, dass Besucher, nachdem Als besondere Überraschung wird Kaiserin Maria sie durch den Unendlichkeitsspiegel geschaut haben, „kon- Theresia wieder lebendig und berichtet über die Errun- trollieren“, wie dick die Wand ist. genschaften der allgemeinen Schulpflicht. Vielfältige Do- In der Klasse für Lesen und Schreiben befindet sich die kumente und Aufzeichnung geben über die Zeit ab 1815 Interaktionsstation „Spiegelschrift“: ein Tisch, ein Blatt Auskunft: Zeugnisse, Fleißbücher, Zeichnungen, Lehrer- Papier, ein Bleistift und die im Normalfall einfache Aufga- zeugnisse, Dokumente zu Schulgebäuden, zur Schulorganisa- be, den eigenen Namen zu schreiben. Diese interaktive tion und zum Lehrerverdienstschema. Station holt die Erinnerung an das Erlernen der schwierigen Augen-Hand-Koordination zurück in die Gegenwart. Interaktive Stationen Der ersten interaktiven Station begegnen die Besucher Eine Schule für jedes Alter gleich im Foyer. Dort steht der Michelstettner Trichter – ei- Das Erlebnis-Schulmuseum Michelstettner Schule ist für ne Reminiszenz an den Nürnberger Trichter, mit dem man Besucher jeden Alters konzipiert. Die Hauptzielgruppen sich einer Sage des 16/17. Jahrhunderts zufolge Wissen ein- sind, wie schon im NÖ Schulmuseum, Schulklassen und trichtern konnte. Bei Versuchen am „Nachfolgemodell“ Gruppen. Durch die Neukonzeption werden vermehrt Fami- sollen Probanten schon gespürt haben, wie die Buchstaben lien und Einzelbesucher angesprochen. Vor allem am in den Kopf purzeln – angeblich. Wochenende finden viele Ausflügler ihren Schulweg nach Der Trichter als Symbol für das „Wissen in die Köpfe ein- Michelstetten. Für das Weinviertel wird mit der Michel- füllen“ ohne Rücksicht auf persönliche Vorlieben, Interessen stettner Schule ein weiterer touristischer Aufschwung er- oder Schwächen findet sich in einer augenzwinkernden Ab- wartet. wandlung, dem „Discipulus Michelstettneri“, im Logo der Michelstettner Schule wieder.
57 Museums[Aus/Neu]Bauten
Eingang: Die Besucher betreten die Michelstettner Schule durch ein überdimensionales Buch (© http://goestl.globl.net)
Im Rahmen des Projektes „Bridging Cultu- res“ wird gemeinsam mit dem Hilfswerk Austria und der Donau Universität Krems eine ver- gleichende Studie zum Thema „Interkultu- relle Kommunikation aus der Sicht von Ju- gendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren“ erstellt. Insgesamt 20 Schulen aus Österreich, Bosnien Herzegowina, Rumäni- en und die Universität URACCAN in Nicaragua arbeiten bereits fleißig an die- sem Projekt, das im November 2007 präsen- tiert wird und einen Vorgeschmack auf das kommende Jahr Am Tag der Eröffnung, des „Interkulturellen Dialoges 2008“ geben wird. dem 14. April 2007, zählte die Michelstett- ner Schule 400 Besucher. In den darauf folgenden Wochen Fakten setzte sich dieser positive Trend fort. Vor allem mit den Be- Das Projekt Michelstettner Schule wurde unter anderem vom Land Niederösterreich, ecoplus und dem Bundesministerium für sucherzahlen am Wochenende liegt die Michelstettner Bildung, Wissenschaft und Kultur gefördert. Insgesamt wurden Schule über ihren eigenen Erwartungen. Während der 1,7 Mio. Euro in den Umbau und die inhaltliche Neukonzeption Woche besuchen viele Schulklassen die Michelstettner investiert. Als Sponsoren übernahmen die NÖ Versicherung und Schule, Anmeldungen gibt es schon bis in den Herbst hin- die NÖ Hypo Bank in der Funktion eines „Klassensprechers“ die ein. Der rege Andrang stimmt die Verantwortlichen Patenschaft für jeweils eine Klasse. zuversichtlich, dass sie ihr Ziel von 20.000 bis 25.000 Besuchern im Jahr erreichen. Da Michelstetten nur eine Baubeginn 22. Juli 2005 Autostunde von Wien entfernt liegt, nutzen auch ver- Eröffnung 14. April 2007 Gesamtkosten 1,7 Mio. Euro mehrt Wiener das reichhaltige Angebot im Weinviertel Gesamtfläche 2.000 m2 (inkl. Veranstaltungsraum, für einen Tagesausflug. Bibliothek, Depot, Büro, Nebenräume) Es ist immer wieder toll zu beobachten, wie die Besucher ein Erlebnisfläche 800 m2 (rollstuhlgerecht) regelrechtes Glitzern in den Augen bekommen, wenn sie die Träger Verein NÖ Schulmuseum in Michelstetten, Michelstettner Schule betreten, wenn sie ehrgeizig ihr Geburts- Obmann Dir. Otto Steindorfer jahr am Abacus legen oder sich die Michelstettner Matura Geschäftsführung Carmen Jandl erschummeln. Auch das ist erlaubt! Museologie Dr. Franz Stürmer Inszenierung Explore Erlebnis Produktionen GmbH Pläne für die Zukunft Architektur DI Werner Stolfa Besucher 20.000-25.000 Besucher/Jahr werden erwartet „Wir wollen in Zukunft das Angebot der Michelstett- Regionalentwicklung Schaffung von fünf Arbeitsplätzen ner Schule noch stärker differenzieren und auf unsere Besuchergruppen abstimmen“, erklärt Carmen Jandl, Ge- Michelstettner Schule schäftsführerin der Michelstettner Schule. Weiters werden A-2151 Michelstetten 8 im Veranstaltungssaal Sonderausstellungen, Veranstaltun- T +43/ 2525/ 64037 gen und Fortbildungen stattfinden. Neben bereits beste- www.michelstettnerschule.at henden Kontakten sollen vor allem die Beziehungen zu Öffnungszeiten: 1. Februar bis 30. November, Di-So 9-17 Uhr den Lehramtsstudien sowie den Pädagogischen Akademien und Instituten vertieft werden. Die Michelstettner Schule möchte ihren reichhaltigen Fundus der universitären For- Text: Mag. Christine Steindorfer, MAS (wortart – Agentur für schung zur Verfügung stellen. Mittelfristig ist die Einberu- Kommunikation), PR-Verantwortliche der Michelstettner Schule fung eines wissenschaftlichen Beirates geplant, der die Fotos: Dieter Nagl/Michelstettner Schule; http://goestl.globl.net schulgeschichtliche Forschung vorantreibt. 58 Sammlung Andreas Karl, Wien / Foto: Peter Sedlaczek Peter / Foto: Sammlung Andreas Karl, Wien
spiel mit technik 14. Juni bis 18. November 2007
Eine Ausstellung des:
www.technischesmuseum.at
Generalpartner Technisches Museum Wien: Partner der Ausstellung: Feldherrn und ihre Zeit
60 1030 Wien, Arsenal Straßenbahn D/O/18 Täglich außer Freitag 9 bis 17 Uhr
www.bundesheer.at 61 Druckgraphik gehört nicht zu den spektakulären Objekten/Gebieten von Ausstellungen wie gold-schimmernde Damenporträts oder mit kräftigen Farben gemalte Landschaften. Umso erfreulicher war der starke Anklang einer von Karin Leitner-Ruhe kuratierten Ausstellung von Rembrandt-Radierungen im Schloss Eggenberg. Besonders das berühmte „Hundertguldenblatt“ hatte so mancher Besucher in Graz nicht erwartet. Die Blätter waren in korrekt beleuchteten Vitrinen nach Themenkreisen angeordnet, nämlich Porträts und Selbstporträts, Landschaften und Szenen aus der Bibel. Ein umfangreicher Katalog enthält nicht nur alle Bilder sondern auch eine besonders wertvolle Abhandlung über die Wasserzeichen.
Druckgraphik Joanneumim
Christa Höller
usätzlich zu den Rembrandt-Blättern hat Erbe der Zeichen- das Kupferstichkabinett der Alten Galerie akademie – Beginn Zam Joanneum noch weitere Schätze zu bie- einer bedeutenden ten, nämlich Druckgraphik vom Ende des 14. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Am Anfang die- Sammlung ser Sammlung stand die „Steirisch Ständische Im Jahr 1811 erwarben die Zeichenakademie“, gegründet 1785 vom Kupferste- Landstände den Lesliehof, ein cher Veit Kauperz (1741-1815). Er hatte nicht die Adelspalais in der Grazer Rau- Absicht, aus seinen Schülern perfekte Künstler zu bergasse und richteten das machen, sondern wollte das Kunstverständnis der noch heute dort befindliche Menschen seiner Zeit bilden und dazu auch den ver- Museum Joanneum ein. Kauperz schiedenen Handwerkern die für ihre Berufe not- zog mit seiner Schule ebenfalls wendige Fertigkeit im Zeichnen vermitteln. Der in dieses Palais, doch schon sie- Lehrplan umfasste Figuren- und Landschaftszeich- ben Jahre später übersiedelten nen, Baukunst und Perspektive, oft nach Vorlagen. Bildergalerie und Zeichenaka- Im Sommer war es Lehrern und Schülern sogar ge- demie unter ihrem Leiter Josef stattet, den Unterricht in die freie Natur vor der August Stark (1782-1838) in Stadt zu verlegen. das Palais Wildenstein (Hans Sachsgasse 1). Der nächste Aka- demiedirektor Joseph Tunner (1792-1877) führte Spezialkurse ein und stellte zusätzliche Leh- 62 Sch a uplatz – samme ln
Rembrandt, Die Bettler an der Haustür (1648)
rer an. Doch die Zeit hatte sich geändert, die bis dahin üblichen Unterrichtsmethoden galten als veraltet, aus der Zeichenakademie wurde 1907 die Landes-Kunst- schule. Die Akademie hinterließ einen Schatz, nämlich an die 8.000 Druckgraphiken und Zeich- nungen, die als Vorlagen gedient hatten. Sie stammten unter ande- rem teils von den Lehrern, teils von den besseren Schülern. Diese Sammlung ging 1907 in den Besitz des Joanneums über.
Doch schon vorher hatte sich der Glücksfall eines Legats ereig- net: Der aus Wien stammende Graphiksammler Josef Ritter von Heintl (1807-1871) vermachte in seinem Testament dem Joanneum an die 1.100 Kupferstiche und Radierungen. Große Namen fin- den sich unter den Künstlern: Dürer, Rembrandt, Bol, van Osta- de. Dazu kamen noch Reprodukti- onsstiche berühmter Gemälde von Tizian, Raffael und Rubens. Es war eine vielseitige Samm- lung deutscher, niederländischer, italienischer und französischer Blätter, die Heintl selbst als „Chalkographische Anthologie, ge- bildet aus Originalblättern deutscher und niederländischer Peintre-Gra- veurs“ bezeichnete. Die Sammlung enthielt zu den genannten Blät- tern auch solche aus Frankreich und Italien. Ihre Heimat war ab 1895 das neu errichtete Gebäude Neutorgasse 45, das von Carl La- cher als „Kulturhistorisches und Kunstgewerbemuseum“ gegrün- det wurde, wobei dort auch Räume 63 Rembrandt, Christus heilt die Kranken, gen. „Hundertguldenblatt“ (ca. 1649)
für die Landesbildgalerie vorgesehen waren. Am 26. Novem- Im Jahr 1941 wurde die Landesbildergalerie aufgeteilt, in ber 1901, genau 90 Jahre nach der Gründung des Joanneums, die Alte und die Neue Galerie, wobei diese Teilung auch die eröffnete Franz Wibiral das Kupferstichkabinett als eigene Graphik betraf. Aus heutiger Sicht ist diese Gliederung nicht Abteilung in diesem Haus. Er hatte dazu aus allen möglichen unbedingt sinnvoll, besser wäre es, den gesamten Bestand an Abteilungen des Landes die Blätter ins Joanneum übernom- Graphik – wobei jener der Alten Galerie heute rund 15.000 men, so dass die Sammlung rund 10.000 Objekte umfasste. In Blätter umfasst – wieder in einer einzigen, selbständigen In- den folgenden Jahren wurde sie noch durch Ankäufe aus dem stitution zu vereinigen. Immer wieder bereichern Legate die 19.und 20. Jahrhundert verdreifacht. Er selbst sah die Auf- Sammlung, die unter den bestehenden Umständen auf zwei gabe seiner Sammlung darin „die Kupferstichsammlung als Galerien aufgeteilt werden sollten. So etwa erhielt die Alte einen neuen, wirksamen Erreger in das Kunstleben unseres Galerie im Jahr 1958 vom Grazer Professor für Philosophie Landes einzuschalten.“ Konstantin Radakovic 13 Handzeichnungen und 730 gra- phische Blätter u.a. von Stefano della Bella und Nicolaes Wibirals Nachfolger Karl Garzarolli-Thurnlackh sammel- Berchem. te vor allem österreichische Kunst, besonders Druckgraphik österreichischer Barockmeister. Aber in seiner Amtszeit be- Exlibris gann eine Entwicklung, die man nicht unbedingt als be- grüßenswert bezeichnen kann. Er war nämlich gleichzeitig Eine Besonderheit ist die Sammlung von Exlibris, sind Leiter der Landesbildergalerie und des Kupferstichkabinetts, diese Blätter doch nicht nur Kunstwerke, sondern darüber wodurch beide Institutionen miteinander verschmolzen, hinaus Zeugen der steirischen Geschichte. Der Kernbestand aber nicht gleichwertig waren. Malerei und Plastik hatten enthält 30 Blätter von in Graz ansässigen aristokratischen den Vorrang vor der Graphik. Familien wie Attems und Inzaghi sowie von Ordensgeist- lichen der Stifte Kremsmünster, Pöllau und Stift Rein. Im Jahr 1973 erwarb die Alte Galerie eine Sammlung von 75
64 Sch a uplatz – samme ln
Johann Bernhard Fischer von Erlach, Entwurf für den Hochaltar von Mariazell, Feder in Braun, blaugrau laviert –
Das Kupferstichkabinett der Alten Galerie hat neben einem großen Bestand (mehr als 14.500 Blätter) an Druckgraphik auch etwas mehr als 400 Handzeichnungen.
65 Druckgraphik Joanneumim
Adriaen van Ostade, Der Quacksalber, Radierung, aus der Sammlung HeintI 66 Sch a uplatz – samme ln
Hans Burgkmair (?), aus dem Weisskunig: Der Kampf in voller Rüstung mit Hellebarden, Holzschnitt
Exlibris steirischer Prominenz vom 16. bis zum 19. Jahrhun- religiösen Themen. Diese entstanden häufig als Auftragsar- dert, darunter solche der Äbte von Seckau, Admont und beiten für das Kolleg und die Universität der Jesuiten, Rein. Diese Arbeiten stammen großteils von Grazer Ste- welche das spirituelle Zentrum der Gegenreformation waren. chern wie Daniel Manasser und Christoph Dietel. Bei ge- Was aber können alle diese Blätter mit ihren vielfältigen nauer Einhaltung der „Datumsgrenze“ müsste auch diese Themen heute noch den Besuchern sagen? Karin Leitner- Sammlung zweigeteilt werden. Ruhe meint dazu: „In einer Zeit der Globalisierung und Event- präsentationen schärft die Beschäftigung mit alter Druckgraphik den Blick auf Details und bildet einen Ruhepol mit Tiefgang.“ Bedeutende Zeitdokumente Überdies setzt die Druckgraphik die Tradition der ur- sprünglichen Zeichenakademie fort, denn ihre Bestände In einer selbständigen Abteilung für Druckgraphik, die bilden wertvolles Studienmaterial für das Kunsthistorische heute als Teil der Alten Galerie im Schloss Eggenberg un- Institut der Universität Graz. tergebracht ist, könnte die Ausstellungstätigkeit verstärkt werden. Da gibt es an die 70 Blätter von Dürer, darunter des- sen Große und die Kleine Holzschnittpassion, eine ebenso Literatur: Karin Leitner, Das Kupferstichkabinett der Alten Galerie des Landes- große Anzahl stammt von Lucas van Leyden. Rembrandts museums Joanneum in Graz, in: berühmtes „Hundertguldenblatt“ ist ebenso vertreten wie ei- Wiener Kunsthefte. Zeitschrift für Druckgraphik, 6. Jg., 3/2002, ne Besonderheit dieses Meisters, nämlich seine Darstellungen September 2002, Wien 2002, 22f. von Bettlern – ein zu seiner Zeit ganz ungewöhnliches Sujet. Goya ist ebenso zu finden wie Callot und Chodowiecki. Nur Christine Rabensteiner, Die ehemalige Landes-Bildergalerie im briefmarkengroß sind deutsche Stiche aus dem 16. Jahrhun- Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum, in: dert von Beham oder Pencz. Gut vertreten sind in der Samm- Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 27/28, Graz 1998, 491ff. lung die Werke steirischer Stecher, besonders solcher aus Rembrandt. Radierungen, Katalog zur Ausstellung, hrsg. von dem 18. Jahrhundert. Hier ist die Familie Kauperz zu nen- Alte Galerie am Landesmuseum Joanneum, Beiträge von Ulrich nen, mit Vater Michael und den Söhnen, von denen uns Becker, Helmgard Holle, Karin Leitner-Ruhe und Manfred Schreiner, einer als Gründer der Zeichenakademie begegnete. Graz war Graz 2006. besonders zur Zeit der Gegenreformation ein bedeutendes Zentrum für Druckgraphik, denn aus den Ateliers von Bern- Text: Dr. Christa Höller, Kulturjournalistin, Graz hard Herrmann und Christoph Dietell kamen Blätter mit Fotos: Mathias Wimler, Bild- und Tonarchiv, LMJ 67 Sammlung mit System:
Kategorisierung des mobilen Kulturgüterbestands in Oberösterreich Christian Hemmers
Hinter diesem Titel verbirgt sich ein ambitioniertes Projekt des Oberösterreichischen Museumsverbundes mit dem Ziel, die mobilen Bestände der Museen des Landes überblicksartig zu erfassen und zu kategorisieren. Aufbauend auf bestehende Ordnungsstruk- turen zur Kategorisierung der jeweiligen Sammlungsbestände soll dieses Vorhaben mithilfe einer einfachen Datenbank bewerk- stelligt werden.
as Bundesland Oberösterreich verfügt über chen Strukturen und der geringen finanziellen Möglichkei- etwa 280 Museen und Sammlungen. Entspre- ten oft viel zu kurz gekommen ist. Bei all der Begeisterung, Dchend den allgemeinen Museumsbooms sind für die bei den Museumsgründungen von den Initiatoren und den Zeitabschnitt von 1990 bis 2000 rund 90 Neuerrichtun- freiwilligen Helfern mitgebracht wurde, hatte man grundle- gen zu verzeichnen. Zu dieser großen Zahl an musealen Ein- gende Museumsarbeiten vernachlässigt. In Oberösterreich richtungen und Sammlungen gehören Institutionen wie die gibt es daher zahlreiche, vor allem kleinere Museen, die über Oberösterreichischen Landesmuseen, das Linzer Stadtmu- keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über ihre Sammlungs- seum Nordico, das Lentos Kunstmuseum oder das Museum bestände verfügen. Aufgrund dieser Tatsache gibt es daher im Innviertler Volkskundehaus in Ried, aber auch kleinere Bundesland auch keinen allgemeinen Überblick zu den Einrichtungen, wie die zahllosen ehrenamtlich geführten musealen Sammlungsbeständen. Gerade an diesem Punkt Heimathäuser und Heimatstuben. Dazu kann festgestellt hakt das Kategorisierungsprojekt des OÖ. Museumsverbunds werden, dass besonders bei Letzteren die Inventarisierung ein, genau hier liegt der Anstoß zur Initiierung des Projekts. und Sammlungsdokumentation aufgrund der ehrenamtli- 68 Sch a uplatz – b ewahre n
Münzsammlung, Zuordnung: Konvolute/Ensembles/Sammlungen – Objektsammlungen – Münzsammlung
»Teilweise gibt es regionale Unterschiede bei der Bezeichnung für ein und dasselbe Objekt«
Ordnungsstruktur
Der Startschuss für das Projekt erfolgte im Oktober 2004 Mit der „Systematik zur Inventarisierung kulturge- mit einer halbjährigen Eingangs- und Testphase, in der wir schichtlicher Bestände in Museen“, die vom Hessischen Mu- die Objektaufnahme anhand von drei freiwilligen Museen seumsverband bereits 1993 begonnen worden war, hatte man durchexerzierten. Bei dieser Gelegenheit sei den Verant- eine hierarchische Struktur gefunden, die besonders den Be- wortlichen des Stadtmuseums Schärding, des Ennsmuseums reich der Volkskunde leicht nachvollziehbar strukturieren Weyer und des Schulmuseums Bad Leonfelden für die ausge- konnte, aber gleichzeitig auch zahlreiche Möglichkeiten für zeichnete Zusammenarbeit herzlich gedankt. Änderungen und Ergänzungen bot. Bevor wir jedoch das Projekt tatsächlich in Angriff neh- Diese „Hessische Systematik“ gliedert die Kulturgüter men konnten, mussten wir uns für eine Struktur entschei- eines Museums in ihre jeweiligen Funktionsbereiche auf. Zu den, mit deren Hilfe die Objekte der zahlreichen so unter- den Funktionsbereichen sind zum Beispiel >Landwirt- schiedlichen Museen nach einheitlichen Kriterien geordnet schaft<, >Hauswirtschaft<, >Handwerk/Industrie/Han- werden konnten. Es musste möglich sein, das klassische del<, >Religion und Glaube<, >Brauch und Fest< … zu Heimatmuseum mit seinen Kulturgütern, die vorwiegend aus zählen. den Bereichen Landwirtschaft, Handwerk, Wohnen und Die Funktionsbereiche werden weiter untergliedert in Alltagsleben stammen, genauso aufzunehmen, wie die ver- Sachgruppen. Für den Funktionsbereich >Landwirtschaft< schiedensten Spezialmuseen wie zum Beispiel ein Schulmu- beispielsweise sind die verschiedenen untergeordneten seum, ein Kunstmuseum oder ein naturwissenschaftliches Sachgruppen >Bodenbearbeitung<, >Ernte<, >Ernteauf- Museum. So gerne der Mensch, und ganz besonders der wis- bereitung<, >Tierhaltung<, >Milchwirtschaft< etc. defi- senschaftlich oder mit Datenbanken arbeitende Mensch, niert. auch in Schubladen oder besser gesagt in Kategorien denken Jede dieser Sachgruppen wird nun wiederum weiter und arbeiten will und muss, so wenig lassen sich vom Men- unterteilt in Untergruppen. Das bedeutet also, dass dem schen individuell geschaffene Objekte immer vollständig Funktionsbereich der >Landwirtschaft< und der unterge- und kompromisslos einordnen. Auch wenn durch die Auf- ordneten Sachgruppe der >Ernteaufbereitung< die ver- nahme nur ein Überblick zu den Beständen gewonnen wer- schiedenen Untergruppen wie zum Beispiel >Dresch- den sollte, mussten in vielen Bereichen Kompromisse einge- geräte<, >Reinigungsgeräte<, >Behältnisse< … gangen, Abstriche gemacht und teilweise auch improvisiert untergeordnet werden. (vgl. Tabelle) werden. 69 Siegel- und Stempelsammlung, Zuordnung: Konvolute/Ensembles/Sammlungen – Objektsammlungen – Siegel- und Stempelsammlungen
»Mit jedem Museum kommen neue Begriffe zur Systematik hinzu.«
Die den Untergruppen zugeordneten Objekte (Gegen- fügte Funktionsbereich >Konvolute/Ensembles/Sammlun- standsbeispiele) werden anschließend durchgezählt und mit gen< dar. Hier können Sammlungsbestände, die aufgrund einer groben Datierung, sofern sie sich schätzen lässt, ver- Ihrer Zusammengehörigkeit nicht in einzelne Objekte auf- sehen. gespaltet werden sollen, im Ganzen erfasst werden. Das be- trifft beispielsweise monographische Sammlungen eines Am besten ist das System an einem konkreten Beispiel zu Künstlers, die persönliche Sammlung eines Verstorbenen erklären: Besitzt das Museum sechs Dreschstöcke und drei oder Bibliothekskonvolute. Dreschflegel aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Die Informationen zu den einzelnen Konvoluten/Ensem- werden diese wie folgt in die Datenbank eingegeben: bles/Sammlungen können natürlich nur oberflächlich aus- fallen, sind aber für eine überblicksartige Erfassung durchaus ausreichend. Im Funktionsbereich >Landwirtschaft<, Neben der Systematik mussten auch die Begriffe der Ord- in der untergeordneten Sachgruppe >Ernteaufbereitung<, und der dazugehörenden Untergruppe >Dreschgeräte<, nungsgruppen und Objektbeispiele (Gegenstandsbeispiele) aus der >zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert< geändert und vor allem erweitert werden. Mit jedem Muse- besitzt das Museum insgesamt 9 Objekte um kommen neue Begriffe zur Systematik hinzu. Teilweise und das sind 6 Dreschstöcke und 3 Dreschflegel gibt es natürlich regionale Unterschiede in den Bezeich- nungen für ein und dasselbe Objekt. Dieser vorwiegend um- gangssprachlichen Vielfalt kann im Rahmen einer Kategori- Obwohl sich diese Systematik in der Praxis hessischer sierung natürlich nicht Rechnung getragen werden. Es wäre Museen bereits bewährt hat und seit ihrer Einführung auch zwar wichtig, diese Begriffe in der eigentlichen Inventarisie- ständig überarbeitet wurde, war es nötig die Eigenheiten und rung anzuwenden, aber in einem starren System, das eine Charakteristika der oberösterreichischen Museen in diese Kategorisierung nun einmal darstellt, muss konsequent ein Struktur einzubauen und somit zu erweitern. Die Anzahl der Begriff für ein Objekt verwendet werden. Funktionsbereiche wurde von 18 auf 21 erhöht, und natür- lich mussten die verschiedenen untergeordneten Sachgrup- Um eine mögliche Betriebsblindheit im Umgang mit der pen und Untergruppen auch für bereits vorhandene Funkti- Systematik und besonders den damit zusammenhängenden onsbereiche erweitert und ergänzt werden. So wurde zum Ergänzungen und Änderungen auszuschließen, wurden die Beispiel der Bereich >Handwerk/Industrie/Handel< von 18 Begriffe der verschiedenen Funktionsbereiche und deren auf über 80 untergeordnete Sachgruppen erweitert, die die Einbindung in die Struktur der Systematik von KollegInnen Vielfalt der in den musealen Objekten repräsentierten aus dem Bereich der Volkskunde überprüft. Besonderes Au- Handwerke widerspiegeln. genmerk wurde dabei auf die Korrektheit der Begriffe und die Eine Ergänzung in der Systematik und eine Erleichterung Sinnhaftigkeit ihrer Einordnung innerhalb der verschiede- bei der Objektaufnahme stellt zum Beispiel der neu hinzuge- nen Funktionsbereiche gelegt. Aufgrund der oberösterreich- 70 Sch a uplatz – b ewahre n
Typisches Heimatmuseum
spezifischen Änderungen und Ergänzun- gen wird die Systematik jetzt als Ober- österreich Thesaurus bezeichnet. In diesem Zusammenhang sei der Dank an Dr. Andrea Euler, Mag. Ute Streitt und Dr. Thekla Weissengruber von den OÖ. Landesmuseen sowie Univ. Prof. Dr. Olaf Bockhorn und OR Dr. Gertraud Liesen- feld vom Institut für Europäische Ethno- logie der Universität Wien für die Durch- sicht und konstruktive Kritik des bisher Es gibt jedoch auch Objekte, deren Zuordnung schwierig ist, wie bei diesem erarbeiteten Thesaurus ausgedrückt. Unikat eines „Eier-Konservier-Gerätes“
Funktionsbereich Sachgruppen Untergruppen Gegenstandsbeispiele
Landwirtschaft Ernteaufbereitung Dreschgeräte Dreschflegel Dreschmaschinen Dreschstöcke Reinigungsgeräte Getreideschaufeln Kornsiebe Getreideputzmühlen Behältnisse Säcke Körbe Kisten Schaffe Zerkleinerungsgeräte Häckselmaschine Schnitzelmaschine Ernte Mähgeräte und Zubehör Sicheln Sensen Dengelgeräte Wetzsteine Mähmaschinen Motormäher Grabegeräte Kartoffelgraber Rübenheber Lesegeräte Heugabeln Heurechen Heuwender
Tabelle: Ausschnitt aus dem OÖ. Thesaurus 71 Die Datenbank Das zweite unverzichtbare Arbeitsmittel für die umfang- reiche Aufnahme der mobilen Kulturgüter in den Museen ist neben einer logisch nachvoll- ziehbaren Systematik eine den Bedürfnissen angepasste Daten- bank. Für das Projekt wurde spezi- ell eine Access-Datenbank erstellt, die dazu dienen soll, die hauptsächlich in Büroarbeit und führt nach weiteren 1-2 Ta- Objekte der Museen nach den strukturellen Vorgaben des gen zum Abschluss der Bestandsaufnahme des Museums. Oberösterreich Thesaurus aufzunehmen und zu speichern. In diesem Zusammenhang sei auch allen Museumsmitar- Aufgenommen werden der Name des Museums, die Posi- beiterInnen und -verantwortlichen unser Dank ausgespro- tion des jeweiligen Objekts innerhalb der Systematik, also chen. Sie haben dieses Projekt durch ihre Mithilfe erst Funktionsbereich, Sachgruppe und Untergruppe, eine Da- ermöglicht. Selbst winterliche Kälte und überfüllte Depot- tierung sowie eine Gesamtanzahl der Objekte, die dann im räumlichkeiten haben sie nicht davon abgehalten uns zu Beschreibungsfeld benannt und aufgelistet werden. unterstützen.
Der Arbeitsablauf Ziele Die praktische Umsetzung des Projektes in den Museen Im Rahmen des Projektes konnten bisher etwa 55 Mu- lässt sich auf zwei Arten bewerkstelligen. Entweder erfolgt seen mit einem Gesamtbestand von 54.000 Objekten er- die Aufnahme im Beisein einer/eines Kustodin/Kustoden, fasst werden. Ziel des Vorhabens ist es unter anderem, ei- wobei die Objekte in den Ausstellungsräumen aber auch in nen Überblick über die Bestände der oberösterreichischen den Depoträumlichkeiten Punkt für Punkt durchgegangen Museumslandschaft zu erarbeiten. Dadurch kann in Erfah- werden. Oder aber es existiert bereits in irgendeiner Form ei- rung gebracht werden, welche Schwerpunktsetzungen und ne Inventarliste, anhand derer die Datenbank gefüllt werden Themenkonzentration innerhalb der Museumslandschaft kann. Für ein „klassisches“ Heimatmuseum benötigt man für tatsächlich vorhanden sind und was zukünftig prioritär zur die Aufnahme vor Ort zwischen einem und fünf Tagen. Da- Erhaltung der Kulturgeschichte bzw. OÖ. Landeskunde ge- nach gibt es aber immer noch zahlreiche Objekte, die auf den fördert werden soll. Gleichzeitig lässt sich ein detailliertes ersten Blick nicht zugeordnet werden können oder für die Konzept für die zukünftige Betreuung und Förderung beste- man die Systematik erweitern müsste. Das geschieht dann hender Museen erarbeiten. 72 Sch a uplatz – b ewahre n
Kulturgüter-Datenbank: Grundlage für die zukünftige Betreuung und Förderung sowohl von bestehenden als auch von neuen Museen und Sammlungen
Schnupftabakdose, Zuordnung: Freizeit/Unterhaltung/Genuss – Tabakgenuss – Schnupfutensilien – Schnupftabakdose
Pieta, Zuordnung: Religion und Glaube – Kirchen- und Kapellenausstattung – Ausschmückung – Skulptur (Pieta)
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts ist Text: Mag. Christian Hemmers, Oberösterreichischer es, die Museumsverantwortlichen durch die Katego- Museumsverbund, Welserstraße 20, 4060 Leonding risierung der Sammlungsbestände, für das Thema [email protected] (digitale) Inventarisierung zu sensibilisieren. www.ooemuseumsverbund.at Sobald das Projekt abgeschlossen ist oder zumin- www.ooegeschichte.at dest ein ausreichend großer Teil davon, soll die Datenbank allen Beteiligten zugänglich gemacht Fotos: OÖ. Museumsverbund werden, um so den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit der Museen untereinander zu för- dern und auch die wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlungsbestände zu erleichtern.
73 Schmetterling– ganz schön flatterhaft
Ein interdisziplinäres Ausstellungsprojekt
Peter Huemer & Sylvia Mader
Den Schmetterlingen gilt die Sommerausstellung 2007 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Die Ergebnisse jahrelanger Schmetterlingsforschung im alpinen Raum werden damit, anschaulich aufbereitet, erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vor allem aber soll beim Publikum die Begeisterung für diese zunehmend gefährdete Tiergruppe geweckt werden.
ls interdisziplinäres, überregionales Pro- Schon im Eingangsbereich fügen sich 17 Rau- jekt – eine Kooperation der Tiroler Lan- penbilder des preisgekrönten deutschen Naturfoto- Adesmuseen mit dem Landesmuseum grafen Ingo Arndt zu einem spektakulären fünf Kärnten und dem Biologiezentrum der oberöster- Meter breiten Banner zusammen. reichischen Landesmuseen – umfasst die Ausstel- Generell spielen Kinder als Zielgruppe der Aus- lung einen biologischen und einen kulturgeschicht- stellung eine große Rolle, die Phantasie der Erwach- lichen Teil. senen wird jedoch gleichsam angeregt. Blicke durch das Mikroskop ermöglichen eine „neue Sicht der Dinge“. Flügelstaub gibt sich als geordnete Beschup- • BIOLOGISCHER pung zu erkennen, die letztendlich Farben und AUSSTELLUNGSTEIL Muster bestimmt. Eigene Stationen widmen sich verschiedenen Themenbereichen, vom Riechver- Der biologische Part der Schmetterlingsausstel- mögen der Falter und des Menschen bis hin zu lung gliedert sich in fünf Bereiche und spannt einen Suchspielen zum Thema Mimikry und Mimese. weiten Bogen von Falterleben und Artenvielfalt bis hin zu Lebensraum und Forschung. 22 großformati- ge Paneele, graphisch mit den kulturgeschichtlichen übereinstimmend, bilden den Rahmen, in welchen die Objekte eingebettet sind. Die Besucherfreund- lichkeit wird durch prächtiges Bildmaterial und möglichst kurz gehaltene Betextung, fernab von pu- rer Wissenschaftlichkeit, angestrebt. 74 Sch a uplatz – f o r sch e n
Begriffserklärung: MIMIKRY und MIMESE
Als Mimikry (engl. mimicry, von to mimic: „nachahmen, mimen“) wird in der Biologie eine angeborene Form der Tarnung bezeichnet, die zur Täuschung eines Signalempfängers durch ein nachgeahmtes – gleichsam „gefälschtes“– Signal führt, das für den Empfänger eine bestimmte Bedeutung hat. „Batesische Mimikry“ bedeutet, dass eine harmlose Art die Gestalt, die Farbe oder auch die Bewegung einer giftigen, Bananenfalter – ungenießbaren oder wehrhaften Art nachahmt. „Müllersche in der Ausstellung Mimikry“ hingegen liegt vor, wenn mehrere wehrhafte oder lebend zu bewundern ungenießbare Wesen eine ähnliche Musterung zeigen.
Die Mimese (griech. „Nachahmung“) ist die Nach- ahmung von unbeweglichen, zum Teil leblosen Objekten (z.B. Steine), Pflanzenteilen (z.B. Blätter, Zweige) oder tierischen Objekten zur Überlistung von Fressfeinden. Es ist eine besondere Form der Tarnung, die bewirkt, dass ein Lebewesen zum Bei- spiel von einem potentiellen Fressfeind zwar noch wahrgenommen werden kann, aber für etwas Uninteressantes gehalten wird. Bei Pflanzen wird das Anlocken von Tieren etwa durch Vortäuschen eines Brutplatzes zur Bestäu- bung Mimese genannt.
Quelle: http://de.wikipedia.org und www.was-ist-mimikry.de
Vielfältiges Falterleben nicht mit einer Flut von wissenschaftlichen Namen über- schüttet, sondern soll wichtige einheimische Schmetter- Was ist ein Schmetterling? lingsgruppen und ihre Unterschiede wahrnehmen. Schaukä- Was kann er und wie lebt und entwickelt er sich? Das sind sten mit Tagfaltern, Spinnern und Schwärmern, Eulen und die wesentlichen thematischen Schwerpunkte des biologi- Spannern sowie Kleinschmetterlingen zeigen einen kleinen schen Eingangsmoduls. Erklärungen der Unterschiede zwi- Ausschnitt der Artenvielfalt, ergänzt durch fachlich abge- schen Schmetterlingen und anderen Insekten auf einem stimmte Paneele. Die Namengebung und ihre Mehrdeutig- Paneel werden etwa durch spektakuläre Objekte überwie- keit dokumentieren ein Präparat des Braunen Bären zum An- gend tropischen Ursprungs dokumentiert. Gleich mehrere greifen und Streicheln sowie die Gegenüberstellung von Wandtafeln widmen sich der Metamorphose bzw. ihren un- Jungfuchs – kleiner Fuchs, Pfauenfeder – Tagpfauenauge und terschiedlichen Stadien: Ei, Raupe, Puppe und Falter. Struk- Totenkopf – Totenkopfschwärmer, jeweils dargestellt am tur- und Schillerfarben der Flügelschuppen erlebt der Besu- Pendant Wirbeltier und Insekt. cher durch ausgewählt prächtige Falter. Die zahlreichen, oft Im nächsten Bereich der Schmetterlingsschau laden drei winzigen Feinde der Schmetterlinge und ihrer Entwick- Dioramen von Peter Morass zur Suche nach versteckten Fal- lungsstadien lassen sich anhand von Originalpräparaten tern ein. Wiese, Wald und Gebirge werden von einer Viel- und einem Modell von Sandwespe und Raupe im Maßstab zahl an Arten bevölkert, oft unscheinbar und gut getarnt. 16:1 bestaunen. Eingebettet in äußerst naturnah gestaltete Lebensräume 180.000 Schmetterlingsarten sind weltweit bekannt, kann und soll der Besucher auf die Suche nach den Faltern 4.000 davon in Österreich, die Vielfalt ist überwältigend und gehen. Als kleine Hilfe findet er alle Arten auch beschriftet im Rahmen einer Ausstellung nur exemplarisch darstellbar. in separaten Schaukästen. Die vielfältigen Bedrohungs- Der Besucher wird daher im Modul „bezaubernde Vielfalt“ szenarien für Schmetterlinge stehen im starken Kontrast zu 75 Tropische Nachtfalter – darunter die weltweit größten Arten – sind zu sehen
den intakten Biotopen. Die Ursachen für den Falterrückgang und Staunen garantiert Möglichkeiten der Ver- Der letzte Ausstellungsteil widmet sich schließlich besserung werden eben- den tropischen Schmetterlingen. Präparate der welt- falls thematisiert. weit größten Arten wie der fast 30 cm große Eulenfal- Ein separater Bereich ter Thysania agrippina, Kometenfalter, Atlasspinner oder ist der Schmetterlingsforschung in Österreich gewid- schillernde Morphos sind hier in neun Schaukästen zu met, wobei hier vor allem auf den Paneelen lokale oder bewundern. Kuriositäten wie „tropische Schmetter- regionale Aspekte besonders betont werden und somit linge aus Tirol“, tatsächlich aus dem 1859 von Aus- Unterschiede zwischen den einzelnen Ausstellungsor- wandereren gegründeten Dorf Tirol in Brasilien stam- ten – die Ausstellung wird nach Innsbruck auch 2008 mend, zeigen Verbindungen zur alten Heimat auf. in Klagenfurt und 2009 in Linz gezeigt werden – vor- Besonderes Herzstück des Tropenbereiches und Attrak- programmiert sind. So werden in Innsbruck beispiels- tion für Besucher sind lebende Falter, die sich an Früch- weise neueste Projekte zur Erforschung der Falterfauna ten gütlich tun. Ein offener, bepflanzter Grünbereich der Stadt oder im Nationalpark Hohe Tauern vorge- mit mächtigen Bananenstauden dient den Tieren als stellt. Sammelinstrumente eines Forschers aus dem letz- Ersatzlebensraum. Die Anlage ist unmittelbar in die ten Jahrhundert, von einer Petromax-Lampe bis hin Ausstellung integriert, d. h. die Falter können im ge- zum Schmetterlingsnetz, Lupe, Pinzette oder Raupen- samten biologischen Ausstellungsbereich herum- zuchtkasten geben einen Einblick in die Blütezeit der flattern. Aus didaktischen Gründen, sprich Schutz der „klassischen Entomologie“. Im Gegensatz dazu wird Tiere vor Besuchern, werden aber Arten verwendet, die heute mit Leuchttürmen und automatischen Lichtfal- eher wenig flugaktiv sind, darunter vor allem südame- len, GPS und Computer gearbeitet. Primäres Ziel ist die rikanische Bananenfalter (Caligo sp.). Mit etwas Glück Erfassung exakter, objektivierbarer biologischer Daten ist sogar das Schlüpfen der Tiere zu beobachten, da Pup- aus dem Freiland und aus Sammlungen. Die hohe Be- pen und fallweise Raupen gezüchtet werden. Die Risi- deutung alter musealer Sammlungen ist auch in der heu- ken der Haltung von lebenden Faltern sind zwar vorab tigen Forschung unumstritten, sind sie doch der beste nicht sicher abzuschätzen, allerdings durch eine Koope- Beweis für Änderungen in der Natur und beinhalten ration mit dem Schmetterlingshaus in Wien minimiert. Funde aus heute völlig veränderten Gebieten. Als Vor allem die durch künstliches Licht verursachten Ver- besonderes historisches Glanzstück wird ein Teil der haltensstörungen mancher Arten sowie die kurze Le- forstentomologischen Sammlung von Fritz A. Wachtl benserwartung sind problematisch, werden aber durch erstmals nach der öffentlichen Präsentation auf der die Auswahl der Arten sowie die regelmäßige Nachbe- Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 gezeigt. setzung ausgeglichen.
76 Sch a uplatz – f o r sch e n
»Der Vorstellung von der Transformation der Seele als Schmetterling begegnen wir bereits in den altägyptischen Grabmalereien und in der hellenistischen Überlieferung.«
Eine gemütliche Leseecke mit Spielmaterialien für Salopp gesagt geht es darum zu erforschen, welche Ideen Kinder sowie digitales Kurzfilmmaterial über das Leben Menschen mit Schmetterlingen verbinden und wie die- der Schmetterlinge ergänzen die biologische Schau über se Tiere dargestellt werden. Der Ausstellungstitel spricht Schmetterlinge. die Vorstellung an, sie seien flatterhaft (unstet, mora- lisch nicht ganz einwandfrei). Ein Blick auf die Motiv- geschichte bestätigt diese Ansicht, dokumentiert aber Wo Schmetterlingsforschung und auch die Verwendung der Schmetterlingsform als Meta- Kulturgeschichte einander berühren pher für die Verletzbarkeit der Seele oder die mensch- liche Seele schlechthin. Die Beschäftigung mit Schmetterlingsdarstellungen Die detailgenaue Wiedergabe der Schmetterlingsar- in Kunst und Alltagskultur ist einer von vielen Aspek- ten fällt bei einigen niederländischen Stillleben des 17. ten der Kulturellen Entomologie, einer im deutschen Jahrhunderts auf. Sogar die Flügelhaltung von sitzenden Sprachraum bisher eher vernachlässigten Disziplin. 77 Christina Ariagno, Metamor- fosi, Rauminstallation mit Musik. Detail: Triptychon, 2005, Öl, Mischtechnik und Titandraht auf Leinwand Foto: Carlo Torchio
• KULTUR- GESCHICHTLICHER AUSSTELLUNGSTEIL
Im Ausstellungsteil „Kultur- Splitter“ werden Gemälde, Gra- phik, Bücher, kunstgewerbliche Objekte und Alltagsgegenstän- de aus dem Bestand der Tiroler Landesmuseen und von verschiedenen Leihgebern präsentiert. In sechs Bereiche gegliedert, bilden sie ein Kaleidoskop, das die Vielfalt der Schmetterlingsdarstellungen exemplarisch zeigt.
Der Bereich Gemalte Schmetterlinge ist der Rezeption des Schmetterlings als Seelenwesen in der modernen Kunst gewidmet. Auf einem Gemälde tummeln sich winzige Tag- falter um ein überzeichnet modelliertes, Bild füllendes, grü- nes Blatt. Ein anderes Bild zeigt einen übergroßen Falter, der anthropomorphe Züge trägt. Diese beiden großformatigen Gemälde stehen dem Phantastischen Realismus nahe. Sie oder fliegenden Faltern ist korrekt wiedergegeben. In Am- stammen von der Hand des nahe Innsbrucks ansässigen Ma- sterdam ließ sich ein Kreis miteinander bekannter Amateur- lers Eduard Klell. Als weitere Vertreter verschiedener Spiel- forscherInnen und KünstlerInnen nachweisen. Die Bezie- arten des Realismus in der österreichischen Malerei der Zwi- hung Biologe – Maler wirkt sich auch auf die Illustration schenkriegszeit sind Emanuel Fohn und Rudolf Lehnert zu vorteilhaft aus. Gerade die herausragenden Illustratoren nennen. Lehnerts Gemälde Ein Sonnentag, 1931, zeigt eine haben oft beide Berufsausbildungen absolviert. Nicht zuletzt Landschaft mit zwei Aurorafaltern im Großraum Innsbruck. erwies sich die Zusammenarbeit zwischen Biologen und Die ins Extreme gesteigerten Größenverhältnisse zwischen Kunsthistorikerin auch bei den Ausstellungsvorbereitungen Vorder- und Hintergrund dokumentieren die Fragestellung als ideale Symbiose. nach dem Verhältnis von Abbild und Wirklichkeit. Die Per- spektive aus tiefem Betrachterstandpunkt in unmittelbarer Nähe – quasi des im Gras liegenden Künstlers – setzte schon van Gogh bei seinen Schmetterlingsbildern, Klatschmohn und Schmetterlinge (1890), und Totenkopfschwärmer auf Aron- 78 Sch a uplatz – f o r sch e n
Schmetterling – ganz schön flatterhaft
11. Mai bis 9. Sep. 2007 Landesmuseum Ferdinandeum, Innbruck
Zielführender erschien es uns, dem Besucher Neues zu präsentieren. Die australische Malerin eX de Medici baut ihre Bilder aus exakt wieder- gegebenen Details von Schmetterlingen auf, z.B. aus Ocellen (Organe hinter dem Facettenauge), Flügelschuppen, Fühlern. Ihre Kenntnis der Kör- perteile verdankt sie der Freundschaft mit der Entomologin Dr. Marianne Horak, die der Künst- lerin Einblick in mikroskopische Studien ermög- lichte. eX de Medici thematisiert in ihrem Werk Tabus in der menschlichen Gesellschaft. Die Pianistin, Komponistin und Malerin stab (1889), ein (van Gogh hatte sich allerdings geirrt, der Christina Ariagno aus Romano Canavese bei Turin ist mit Schwärmer auf der Giftpflanze ist ein Wiener Nachtpfauen- einer kombinierten Rauminstallation aus Musik und Malerei auge.). Lehnert wechselt abrupt die Perspektive, indem er vertreten. Zentrales Element dieses Gesamtkunstwerkes ist die Schmetterlinge aus der Vogelschau darstellt. Aurorafal- ein Triptychon. Ariagno drückt in ihren Arbeiten die mit ter haben auf der Unterseite eine marmorierte Zeichnung, Eruptionen verbundene, gewissermaßen schmerzhafte Gren- nur die Flügeloberseiten sind weiß-orange. züberschreitung zwischen dem Materiellen und dem Immate- Bedrohlich, fast wie ein Kampfflieger wirkt der senkrecht riellen aus. Der Vorstellung von der Transformation der See- aufsteigende graue Riesenschmetterling in Hilde Nöbls le als Schmetterling begegnen wir bereits in den Landschaft mit Blumen (1954). Als Eindringling in eine altägyptischen Grabmalereien und in der hellenistischen künstlich bewahrte, sterile, sichere kleine Welt verbreitet Überlieferung. auch Elmar Peintners Schmetterling und Spieluhr im weißen Zimmer (1990), Unbehagen. Der dargestellte Falter gehört zur Familie Augenspinner (Saturniidae). Die großen Augen- Permanente Schausammlung flecken, die beim plötzlichen Aufklappen der Flügel sichtbar werden, setzt dieser tropische Nachtfalter ein, um seine Fein- Die niederländischen Stillleben (Bereich: KünstlerInnen de abzuschrecken. Im Gegensatz dazu werden beim Betrach- und Amateur-ForscherInnen) von Johannes Boumann, Jan ten von Marianne Liegls Gemälde Schmetterlingssommer Davidsz. de Heem, Jan van Kessel d. Ä., Rachel Ruysch und (2004), Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit wach. Pieter Verbruggen gehören zur permanenten Präsentation Neben den genannten Bildern zeitgenössischer Tiroler im 1. Obergeschoß des Tiroler Landesmuseums Ferdinande- KünstlerInnen werden auch einige wenige Arbeiten aus dem um. Ihre Anbindung an die Schmetterlingsausstellung im 2. Ausland gezeigt. Die Überlegung einer Präsentation inter- Stock erfolgt durch ein Leitsystem (ein Pfad aus Schmetter- national bekannter Meisterwerke aus der Kunstgeschichte lingssymbolen) und eine erweiterte Objektbeschriftung, die erübrigte sich angesichts des limitierten Budgets. Im Zeital- die dargestellten Schmetterlingsarten nennt. Nähere Infor- ter globaler Mobilität stellt sich die Frage nach der Sinnhaf- mationen zu den Tieren bietet der biologische Ausstellungs- tigkeit des teuren Transportes bekannter Werke generell. teil.
79 Schmetterling– ganz schön flatterhaft
Jan Davidsz. de Heem, Blumenstück 1655, Öl/Leinwand, 62,5 x 49 cm
Details: Zitronenfalter, Hausmutter
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
Thematisierung wirtschaftlicher Aspekte Engagiertes Team Im Bereich Schmetterlinge als Rohstoff-Lieferanten wird Eine über viele Jahre gewachsene intensive fachliche Zu- auf die Seidenproduktion in Tirol eingegangen. Aquarelle sammenarbeit zwischen verschiedenen musealen Institutio- auf dem Gewebe der Traubenkirschen-Gespinstmotte nen sowie freiberuflich arbeitenden Wissenschaftlern bilde- schätzten die ersten Touristen, die 1870-1920 nach Tirol ka- te die entscheidende Basis für das Zustandekommen der men, als Souvenirs. Das Malen auf Raupengespinsten wurde Schau. seit der Mitte des 18. Jahrhunderts praktiziert, zuerst im Das komplexe Thema wurde im Team umgesetzt. Als un- Pustertal (Süd-/Osttirol) später aber auch in anderen öster- gewöhnlich muss die überwiegend ehrenamtliche Mithilfe reichischen Regionen. Wegen der Empfindlichkeit des eines breiten Personenkreises, von Ausstellungsgestaltern Materials sind nur mehr wenige Raupengespinstbilder in bis zur Grafikerin, von Fotografen bis zu Gartenplanern und Museen und Kunstsammlungen erhalten. Die Tiroler Lan- nicht zuletzt der Künstler eingestuft werden. Die Begeiste- desmuseen sind in der glücklichen Lage, solche Raritäten aus rung für das Thema übertrug sich auch auf Sponsoren aus der dem eigenen Depotbestand präsentieren zu können. Privatwirtschaft wie die international renommierte Foto- technikfirma Durst in Brixen oder den Tiroler Gärtnereibe- Scharfes Auge – ruhige Hand ist der Titel des Bereiches, trieb Seidemann. In Kombination mit den Förderungen der der sich mit der wissenschaftlichen Illustration befasst. Ori- öffentlichen Hand vor allem dem Land Tirol und der Stadt ginale, die als Vorlage für Illustrationen in naturwissen- Innsbruck sowie durch Co-Finanzierung der Landesmuseen schaftlichen Büchern dienen, stellen als Ausstellungsstücke in Klagenfurt und Linz konnte ein in dieser Dimension sonst eher eine Seltenheit dar. Der Grund mag darin zu suchen kaum durchführbares Ausstellungsprojekt nach eineinhalb sein, dass sie vom Kunstbetrieb als angewandte Graphik ver- Jahren Vorbereitungszeit umgesetzt werden. nachlässigt werden. Text: Die Beliebtheit des Schmetterlingsmotivs in der Alltags- Mag. Dr. Peter Huemer, Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft kultur und im Kunsthandwerk dokumentieren ein silberner m.b.H., Naturwissenschaftliche Sammlungen, Innsbruck Kerzenleuchter (19. Jh.), ein Porzellanteller (Mitte des 18. Dr. Sylvia Mader, Kulturgüterarchivierung – Ausstellungen – Jhs.), Accessoires (um 1900), eine Reihe moderner Textili- Museumskonzeption, Innsbruck en, Bijoux und ein Snowboard der Firma Burton. Fotos: TLMF/Heim
80 www.tiroler-landesmuseum.at/archiv/schmetterling/index.html 81 bis .9.07 Helene Funke 1869–1957
LINZER Museen
Lentos KunstmuseumFUNKE Linz bis 9.9.07BILLY bis 8.7.07 ETC
Alfred Billy Fokussiert
Vom Steindruck82 zur &RÌHE&OTOGRAlEN künstlerischen Lithographie AUSDEM.ORDICOn-USEUMDER3TADT,INZ
Nordico – Museum der Stadt Linz Sch a uplatz – v e rmitteln
SCHIELE mit SchülerInnen für SchülerInnen: ein Pilotprojekt der Österreichischen Galerie Belvedere/Kunstvermittlung
Wie kann die Kunstvermittlung ihr junges Publikum, SchülerInnen sowie Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren frühzeitig aktiv und nachhaltig errei- chen und in die Erstellung eines Schulklassenführungskonzepts einbinden?
Roswitha Bittner
Die Fragestellung war Anlass für ein Projekt der Österreichischen Galerie Belvedere im Herbst 2006. Erstmalig wurden SchülerInnen eingeladen für gleich- altrige Schülergruppen ein Vermittlungskonzept zu erstellen. Im Rahmen der beiden Ausstellungen „Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis. Meisterwerke des österreichischen Expressionismus“ im Obe- ren Belvedere (14. Juni bis 24. September 2006) und „Nach Schiele“ im Atelier Augarten. Zentrum für zeitgenössischen Kunst der Öster- reichischen Galerie Belvedere (13. September 2006 bis 11. Februar 2007) wurden die SchülerInnen des ORG 6c Hegelgasse 14, 1010 Wien, betreut von ihrem Lehrer Stephan Engelhardt und der Kunstvermittlerin Roswitha Bittner, aufgefordert, eine Schulführung zu er- arbeiten und jene selbst durchzuführen.
ie Intention des einzigartigen Projekts war die und unabhängig agieren. Darüber hinaus zielte das Projekt Suche nach einem neuen Zugang zur Konzepter- auf eine Senkung der Hemmschwelle Jugendlicher gegen- Dstellung für Schulprogramme und das Aufheben über Kunst- und Kultureinrichtungen. Verständnis für der meist konsequent eingehaltenen Konzeptschemen. Werke zeitgenössischer Kunst sollte entstehen. Durch den intuitiven sowie unmittelbaren Zugang der Ju- gendlichen sollten neue Blickwinkel erschlossen und eine Ausstellungsthemen ungewöhnliche Herangehensweise praktiziert werden. Die Kunstvermittlung der Österreichischen Galerie Belvedere Der Titel „Die Tafelrunde“ der Schau im Oberen Belve- will sich auf die Bedürfnisse und Anliegen der SchülerInnen dere bezieht sich auf ein bekanntes Plakat Schieles, aus einlassen. Im Unterschied zu ähnlichen Angeboten im Be- dem Jahr 1918. Der Künstler ist inmitten gleichaltriger reich der Kunstvermittlung steuerte das Projekt auf keinen Künstlerfreunde zu sehen, die sich anlässlich ihres Austritts vorhersehbaren Ausgang zu, die SchülerInnen konnten frei aus der Wiener Kunstakademie 1909 als „Neukunstgruppe“ 83 »Einige Positionen der Schau empfanden die SchülerInnen als provozierend und entschieden, sich darauf einzulassen. «
am bürgerlichen Markt neu formierten. vorgestellt. Die SchülerInnen wurden auf Freundschaftsaktivitäten gehörten mensch- ihre Aufgabe vorbereitet, eine eigene lich wie künstlerisch zu Schieles wichtig- Führung zu entwickeln, und mit folgenden sten Strategien. Das sog. „Networking“ war Fragen konfrontiert: Was gefällt euch an Thema der Schau. Die Ausstellung „Nach Schulklassenführungen? Was gefällt euch Schiele“ widmete sich der Rezeption Egon nicht? Was wollt ihr erfahren? Wie wollt Schieles in der Kunst der Gegenwart und ihr die Information präsentiert bekom- stand in enger Verbindung mit der vorange- men? Was wollt ihr ändern? Führungen henden Ausstellung „Die Tafelrunde“ im seien oftmals zu langatmig und uninteres- Oberen Belvedere. Schieles Darstellung des sant, war die einstimmige Antwort. Nun lag menschlichen Körpers, die Intensität leibli- es an den SchülerInnen, uns, die Kunstver- cher Erfahrung und die krasse Art der mittlerInnen, eines Besseren zu belehren. Selbstbespiegelung bewegten nicht nur Pu- blikum, sondern auch KünstlerInnen. Die Die Gruppe traf sich fortan wöchentlich Aktualität und Wirkung des Künstlers aus im Atelier Augarten, um innerhalb der heutiger Sicht wurde an ausgewählten Bei- zweiten Schau „Nach Schiele“ zu arbeiten. spielen zeitgenössischer Kunst im Atelier Die Frage „Was ist eigentlich Kunst?“ be- Augarten präsentiert. schäftigte die Gruppe und war Thema des ersten Nachmittags. Die SchülerInnen wur- Projekt den daraufhin in den laufenden Entste- hungsprozess der Ausstellung eingebunden. Das Projekt startete im September 2006 Die Assistentinnen des Kurators, Anina mit einem Besuch der Schau im Oberen Huck und Veronika Wolf, berichteten Belvedere, wo eine ausführliche Ausstel- während eines Treffens von ihrer Arbeit: lungsbesichtigung sowie -besprechung mit der Konzeption einer Ausstellung, der Er- den SchülerInnen durchgeführt wurde. Die stellung eines Ausstellungskataloges, der Projektgruppe sollte Kunst von und um Arbeit mit den KünstlerInnen und den Schiele kennen lernen. Die Arbeit von organisatorischen Belangen des Ausstel- KunstvermittlerInnen im Museum sowie lungsaufbaus. Die Schülergruppe gewann einzelne Vermittlungsprogramme und einen guten Einblick in das Werden einer -methoden wurden während des Rundgangs Ausstellung, die Arbeit eines/r Kurators/In 84 Sch a uplatz – v e rmitteln
und der KunstvermitterInnen. Die Funktion und Struktur der 7a des ORG Hegelgasse 14 sozusagen zur kritischen Prü- des Museums wurde beleuchtet und die Intention einer Aus- fung vorgestellt wurde. Es kam erstmals zu einer Führung von stellung besprochen. SchülerInnen für SchülerInnen mit anschließender Diskus- sionsrunde, die von konstruktiver Kritik und Motivation Die vertiefende Auseinandersetzung mit den Kunstwer- geprägt war. ken und den KünstlerInnen passierte im Zuge mehrstündiger Workshops. Um der Aufgabe, eine Führung zu erstellen, Während der Führung wurden ausgewählte Kunstwerke langsam und behutsam auf die Spur zu kommen, wurden die von je einer Vortragenden präsentiert, welche zwecks Locke- SchülerInnen in Kleingruppen unterteilt. Ein sog. Wort- rung der Vortrags-Atmosphäre gezielte Fragen an das Publi- führer, ein Schriftführer, ein Zeichner sowie ein fragender kum richtete. Das selbst geschaffene Kunstwerk floss in die Betrachter wurden ernannt. Für jede Gruppe wurde ein Führung ein. Als Aufgabenstellung sollten die Besucher die Kunstwerk ausgewählt und mit Hilfe des Ausstellungska- Inspirationsquelle zu dem selbst gemachten Kunstwerk in der taloges und den BetreuerInnen betrachtet, befragt und Schau finden. Das Publikum wurde weiterhin zur Mitarbeit interpretiert. Gemeinsam versuchten die Kleingruppen dem aufgefordert und sollte an kreativen Tätigkeiten teilnehmen. Kunstwerk aus mehreren Blickwinkeln zu begegnen. Die Die umfangreiche Information zu den Kunstwerken wurde Auswahl der Objekte passierte nicht nach Gefallen. Einige kompakt, spannend und spielerisch vermittelt. Positionen der Schau empfanden die SchülerInnen als pro- vozierend und entschieden, sich darauf einzulassen. Die Projektgruppe hatte ihre Generalprobe bestanden Nach dem theoretischen Teil arbeitete die Projektgruppe und war auf den Hauptakt der offiziellen Präsentation ihres gleich nebenan im Atelier der Augarten Residency kreativ. Konzepts, die sog. Lehrerführung, vorbereitet. Vor einer Dort ließen sie sich von ihrem gewählten Werk inspirieren größeren Anzahl von fremden Lehrern frei und unbefangen und gestalteten aus unterschiedlichen Materialien ihr eige- zu referieren, war für die Projektgruppe eine große Heraus- nes Kunstwerk. Aus Alufolie, Papier, Farbe und vorgefunde- forderung. Die Teilnehmer der Führung waren von dem nem Material wurden spannende Ideen höchst erstaunlich, Konzept der SchülerInnen positiv überrascht, da kreative mutig sowie kreativ umgesetzt. Die selbst erschaffenen Eigeninitiative, mehrere Fragestellungen sowie kleine Objekte wurden innerhalb der Schau präsentiert. Die Schü- Bastelarbeiten abverlangt wurden. lerInnen positionierten ihre Werke im Eingangsbereich der Ausstellung hinter einer Glaswand. Eine Tafel sowie ein Gästebuch wiesen auf das Projekt hin. Das Gefühl, ein Die SchülerInnen stellten sich einer eigenständigen Kunstwerk erschaffen zu haben und jenes in einer Ausstel- intellektuellen Herausforderung, eigneten sich aus die- lung mit namhaften Künstlern zu präsentieren, empfanden ser Erfahrung heraus Wissen an, setzten es kreativ um die SchülerInnen vorerst als befremdlich und zweifelten an und referierten außerdem erstmals vor fremden Erwach- der Wertschätzung ihrer Ausstellungsstücke. Die SchülerIn- senen. In fruchtbarer Zusammenarbeit wurde soziale nen wurden eines Besseren belehrt, Einträge in das Gäste- Kompetenz, Einfühlungsvermögen sowie Verständnis buch drückten Begeisterung aus und sprachen Mut zu. gegenüber zeitgenössischer Kunst aufgebaut.
Präsentation Text: Mag. Roswitha Bittner, Freie Mitarbeiterin der Nach der musealen Präsentation der eigenen Werke wurde Kunstvermittlung/Österreichische Galerie Belvedere an mehreren Nachmittagen ein interaktives und spannendes Führungskonzept entwickelt, das filmisch dokumentiert und Fotos: Belvedere
85 des kaisers elfenbein. Meisterwerke aus Habsburgs Kunstkammern 27. März – 22. Juli 2007
kunst historisches khm
86 museum
MARIA THERESIEN-PLATZ | 1010 WIEN | Di – So 10.00 – 18.00, Do bis 21.00 | www.khm.at VOLKSKUNDE- MUSEUM
87 Das Allgemeinwissen um die Geschichte des afrikanischen Kontinents und seiner historischen Kunstschätze ist bedauernswerterweise immer noch gering. Vielmehr dominieren Katastrophenberichte oder ein touristisch angehauchter Blick auf Naturschönheiten unser Bild von Afrika. Mit der Ausstellung Benin – Könige und Rituale ist es in einer bislang noch nie da gewesenen Breite gelungen, die Kunst und Geschichte eines der mächtigsten Königreiche Westafrikas vorzu- stellen und zu dokumentieren. Gleichzeitig wird mit der Schau der Ausstellungsbetrieb des Museums für Völkerkunde Wien im sanierten Sonderausstellungsbereich wieder aufgenommen. Sie bildet den ersten Auftakt zur geplanten Wiedereröffnung des Museums nach jahrelangen Umbauarbeiten im kommenden Jahr.
Schlangenkopf mit Fragment eines Schlangenkörpers, Gelbguss, 18. Jh. © Museum für Völkerkunde Benin – Hamburg Könige und Rituale. Höfische Kunst aus Nigeria
Barbara Plankensteiner
ie über 300 Objekte um- fassende repräsentative DAuswahl führt die bedeu- tendsten Bronze- und Elfenbeinar- beiten Benins aus Museen in Europa, Nigeria und den Vereinigten Staa- ten von Amerika in einer Ausstel- lung zusammen. Insgesamt werden die historischen Benin-Werke auf über 4.000 Stück geschätzt. Während bisherige Benin-Aus- stellungen der Präsentation und Interpretation einzelner Museums- sammlungen gewidmet gewesen sind, haben jahre- gen nahezu die Hälfte der ausgestellten Stücke lange Vorbereitungsarbeiten es möglich gemacht, stammt. Ohne die beiden Kooperationspartner, das zum ersten Mal nach der Verbreitung der Kunst- Art Institute of Chicago und das musée du quai werke auf der ganzen Welt, eine repräsentative Branly in Paris, wo die Ausstellung nach Wien und Auswahl in einer Schau zu vereinen. Berlin gezeigt wird, wäre das Projekt in dieser Die Grundlage zu dem einzigartigen Projekt bil- Größenordnung allerdings nicht möglich gewesen. det die Zusammenarbeit des Wiener Museums für Entscheidend waren aber auch das Interesse und die Völkerkunde mit dem Ethnologischen Museum – Unterstützung von über 23 weiteren Leihgebern, Staatliche Museen zu Berlin, aus deren Sammlun- deren großzügige Leihgaben zu den wertvollsten Be- ständen ihrer Sammlungen zählen. Die bekannte 88 Sch a uplatz – präsen t i e r e n BENIN – KÖNIGE UND RITUALE
Ausstellung des Museums für Völkerkunde Wien, bis 3. Sep. 2007
Altargruppe – aseberia – mit Oba Akenzua; Gelbguss, 18. Jh. © Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Ubini – O Beny – Benin – Edo
Das westafrikanische König- reich Benin lag im Regenwald- gürtel im südlichen, küsten- nahen Bereich des heutigen Nigeria. Als eines der bedeu- tendsten Reiche im präkolonia- len Westafrika war es vor allem durch Handel und kriegerische Expansion reich und mächtig geworden. Dem Kern des frühe- ren Benin-Königreiches ent- spricht die heutige nigeriani- sche Provinz Edo State. Benin City, die ehemalige Hauptstadt des Reiches, zählt heute über 1 Million Einwohner und ist ein stark wachsendes urbanes Zen- trum in Südnigeria. Seit dem 13. Jahrhundert nannte sich das Königreich „Ubini“, und als portugiesische Seefahrer 1872 an der Küste der Benin-Bucht Benin-Sammlung des Wiener Museums für Völkerkunde ist anlegten, hieß es bei Ihnen „O Beny“, wovon sich der Na- mit über 60 herausragenden Werken vertreten und kann nun me Benin herleitet. Im 15. Jahrhundert soll ein bedeutender zum ersten Mal im Kontext zusammengehöriger Ensembles König das Reich und seine Hauptstadt in „Edo“ umgetauft gezeigt werden. Museumsfachleute und Wissenschaftler aus haben, eine Bezeichnung nach der die Bevölkerung sich Nigeria, den USA und Europa haben bei der Konzipierung und ihre Sprache noch heute benennt. und Zusammenstellung dieser in enger Zusammenarbeit Auch wenn sich die Rolle der Benin-Könige oder Obas im mit den nigerianischen Behörden und dem Königshaus in Laufe der Jahrhunderte veränderte, standen sie als zentrale Benin entwickelten Schau mitgewirkt. religiöse und politische Autorität einer komplexen Hierar- chie von erblichen und nicht-erblicher Titelträgern vor, vergleichbar mit der europäischen Aristokratie. Zur Ver- 89 Neben ihrer zeremoniellen und rituellen Bedeutung dienten die Bronze- Kunstwerke in Benin auch zur Dokumentation historischer Ereignisse – der Gießvorgang bringt Geschichte zum Erstarren.
Oba Akenzua II. begrüßt Queen Elizabeth II. und Prince Philip, Gelbguss, Holz, spätes 20. Jh. © Slg. High Priest Osemwegie Ebohon, Benin City Sch a uplatz – präsen t i e r e n
Reliefplatte: Emuru mit Widderrassel, Gelbguss,16./17. Jh. © Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
herrlichung des gottähnlichen Herrschers und zur Ausstat- Zuge der Jahrhunderte verän- tung der königlichen Ahnenaltäre und den verschiedenen derte. Dicht mit figurativen Gottheiten gewidmeten Palastschreinen schufen in Gilden Darstellungen beschnitzte organisierte Künstler beeindruckende Bronzegußarbeiten Elefantenstoßzähne ergänzten und feine Elfenbeinschnitzereien. Bronze galt aufgrund sei- vermutlich erst ab dem 18. ner Haltbarkeit und seiner glänzenden Oberfläche als könig- Jahrhundert das Altarinventar; liches Material. Es war dem Oba vorbehalten und jenen, durch die Komposition der dargestellten Figuren verweisen denen er die Verwendung erlaubte. Neben ihrer zeremoniel- sie auf besondere Charakteristika der Regimes verstorbener len und rituellen Bedeutung dienten die Kunstwerke in Könige. Sie könnten die Platten in deren Funktion der Dar- Benin auch zur Dokumentation historischer Ereignisse. stellung höfischer Würdenträger und Zeremonien abgelöst In Edo heißt sich erinnern wörtlich haben. Ab dem 18. Jahrhundert „ein Motiv in Bronze gießen“, der finden sich im Zentrum der Ah- Gießvorgang selbst bringt also Ge- Bronze galt aufgrund seiner nenaltäre auch Figurengruppen schichte zum Erstarren. Haltbarkeit und seiner glänzen- auf rechteckiger Basis aus Gelb- Das Korpus der Benin-Kunst um- guss, die sich auf entscheidende fasst eine Vielfalt von Objektkategori- den Oberfläche als königliches Ereignisse im Leben des verstor- en, unter denen sicherlich die Bronze- Material. benen Königs beziehen. platten und die Königsköpfe aus Gelbguss die bekanntesten sind. Die Bronzereliefs sind in der Kunst Afrikas einzigartig. Von ih- Früher Handel mit Europa nen existieren mehr als neunhundert Exemplare, die einst Der Name Benin findet sich ab dem 16. Jahrhundert auf eu- vermutlich Säulen in den weitläufigen Impluviumhöfen ropäischen Landkarten Afrikas, das Königreich war fortan ein des königlichen Palastes geziert haben. Ab dem 18. Jahr- wichtiger Handelspartner. Von der Zeit des ersten überliefer- hundert wurden sie gewissermaßen als Archivmaterial in ten Besuchs eines Portugiesen, João Afonso d’Aveiro, in einem der Palasthöfe gelagert. Einige von ihnen bilden be- Benin 1486 bis zum Fall des unabhängigen Königreichs im deutende Schlachten der Expansionskriege des 16. Jahr- Jahre 1897 gab es durchgehende Handelsbeziehungen mit hunderts ab, während die meisten von ihnen prachtvoll Europa, zuerst mit den Portugiesen, dann mit den Briten, Nie- ausgestattete Würdenträger und den König wiedergeben, derländern und Franzosen. Die von Benin gelieferten Güter wie diese vermutlich bei Zeremonien am Königshof aufge- veränderten sich über die Jahrhunderte. Ursprünglich han- treten sind. delte es sich um guineischen Pfeffer und Elfenbein; später ka- Seit dem 15. Jahrhundert standen Bronzeköpfe zum Ge- men Textilien aus Baumwolle und feinem Raffiabast hinzu, fer- denken an verstorbene Vorfahren auf Ahnenaltären und ner im Hinterland produzierte Perlen, Rotholz, Gummi und dienten gleichzeitig als Basis für beschnitzte Elefanten- schließlich Palmöl. Sklaven bildeten von Anfang an bis zur stoßzähne, die in die Öffnung des Kopfes gestellt wurden. Unterbindung des transatlantischen Sklavenhandels zu Be- Trotz ihres stilisierten Naturalismus sind die Königs- oder ginn des 19. Jahrhunderts im vom König regulierten und Königinmutterköpfe keine individuellen Porträts, sondern kontrollierten Austausch mit den Europäern ein wichtiges archetypische Darstellungen, deren Gestaltung sich ebenso Handelsgut. Auch Elfenbein blieb bis zum Ende des 19. Jahr- wie die Insignien der von ihnen wiedergegebenen Könige im hunderts für den Export von großer Bedeutung. 91 Bläserfigur, Gelbguss, 17./18. Jh. © Trustees of the National Museums Scotland, Edinburgh
Königreichs gaben. Die Ende des 19. Jahrhunderts an der Nigerküste dominie- renden Briten wollten sich den über die Jahrhunderte hinweg von Benin diktier- ten Handelsbedingungen nicht mehr beugen und selbst die Kontrolle über- nehmen. Sie hatten die an Benin angrenzenden Gebie- te sukzessive als Schutzge- biete unter ihre Verwaltung gebracht und unliebsame lo- kale Herrscher abgesetzt oder exiliert. Benin kam durch diese Entwicklungen immer stär- ker unter Druck, woraus auch der Angriff auf eine bri- tische Gesandtschaft 1897 zu erklären ist, die auf friedli- chem Wege versuchen woll- te, König Ovonramwen zum Die Europäer tauschten diese Güter anfangs hauptsächlich Einhalten eines 1892 abgeschlossenen Handelsvertrages zu mit Kupfer- und Messing-Manillas oder mit Kaurischnecken bewegen. Die Unterzeichnung dieses Vertrages, der den Kö- von den Malediven, ferner mit zahlreichen Luxusgütern, wie nig eigentlich unter die Souveränität der Briten stellte – sein unterschiedlichsten europäischen und indischen Textilien Inhalt war dem König vermutlich nicht in voller Konsequenz und feinen Seidenstoffen, Hüten, Korallen aus dem Mittel- verständlich gewesen –, bildete den Anfang einer Kette von meergebiet, später auch Schusswaffen und Munition, einer fatalen Missverständnissen, die schlussendlich zum Ende Vielzahl an Metallwaren, Spirituosen, Tabak sowie Eisen- des unabhängigen Königreichs Benin führten. Zur Vergel- und Bleibarren. tung der Ermordung der Mitglieder der britischen Gesandt- Im Endeffekt waren es nicht zuletzt ökonomische Fak- schaft wurde eine Strafexpedition ausgerichtet, die am 18. toren, die den Ausschlag für die Zerstörung des Benin- Februar 1897 die Königsstadt Benin besetzte. Sie entdeckte 92 Sch a uplatz – präsen t i e r e n »Auch wenn der heutige König keine politische Macht mehr hat, ist seine religiöse und rituelle Bedeutung für die Lokal- bevölkerung ungebrochen.«
Deckelgefäß in Form eines Antilopenkopfes, Elfenbein, 18. Jh. © Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
im Palast die unschätzbaren Kunstwerke und brachte sie zur Zentrum von Benin City gelegenen Palastbereich abgehal- Begleichung der Kriegskosten nach Europa. Aufgrund dieser ten werden. Bei diesen gut besuchten, volksfestartigen Er- tragischen Umstände gelangten die Objekte in Museen auf eignissen wird Bezug auf die glorreiche Geschichte des Rei- der ganzen Welt, wo sie heute als Zeugnis eines herausra- ches genommen, wobei bedeutender historischer Ereignisse genden westafrikanischen Reiches und dessen langer Ge- und Persönlichkeiten gedacht wird. Die Stärkung der rituel- schichte und faszinierenden Kultur einen unabdingbaren len Kraft des Königs steht hier aufs Neue im Mittelpunkt. Bestandteil des Weltkulturerbes darstellen. Auch wenn das unabhängige Königreich Benin um die Wende zum 20. Jahrhundert ein Ende gefunden hat, existiert Ausstellungsrundgang die Einrichtung des Königtums selbst bis heute. Der seit Die Ausstellung gibt einen Überblick über das Kunst- 1979 regierende König Oba Erediauwa residiert weiterhin schaffen in Benin und zeichnet die wichtigsten Etappen der im Königspalast im Zentrum Benin City’s, den sein Großva- Geschichte des mächtigen Königsreichs nach. Sie ist in drei ter nach 1914 wieder aufbauen ließ. Er ist der 38. Oba der große Teilbereiche gegliedert: in einen thematischen ersten seit dem 13. Jahrhundert herrschenden Königsdynastie. Teil, der die Struktur des Königtums erläutert, einen chro- Auch wenn der heutige König keine politische Macht mehr nologisch aufgebauten zweiten Teil, der die historische Ent- hat, ist seine religiöse und rituelle Bedeutung für die Lo- wicklung des Reiches und der Kunst nachzeichnet, und in kalbevölkerung ungebrochen. Der König verleiht weiterhin einen dritten, der Gegenwart gewidmeten Teil. sog. Chief-Titel und übt durch eine auf dem Gewohnheits- Den Auftakt zu dem thematischen Bereich bildet eine recht basierende Rechtsprechung, die Schlichtungsverfah- nachgebildete Lehmstruktur, die die Architektur der histo- ren entspricht, noch starken Einfluss auf die Bevölkerung rischen Paläste in Benin nachempfinden lässt, deren äuße- aus, die ihm großes Vertrauen entgegenbringt. Die patrili- re Rillenstruktur ausschließlich dem König und der Nobilität neare Ahnenverehrung und der Glaube an tradierte Gott- vorbehalten war. Einige Relikte des ehemaligen Palast- heiten in allen Schichten der Gesellschaft koexistieren mit schmucks sind hier ausgestellt, wie etwa Fragmente von der Zugehörigkeit der Bevölkerung zu zahlreichen christli- überdimensionierten Bronzeschlangen, die einst dessen chen Kirchen. Den augenscheinlichsten Ausdruck der unge- Dächer zierten. Der Königspalast war immer politisches und brochenen lokalen Bedeutung des Königtums von Benin im religiöses Zentrum des Reiches und gleichzeitig Aufbewah- Süden Nigerias findet sich in den überlieferten Praktiken fol- rungsort und hauptsächliches Verwendungsumfeld der mei- genden aufwändigen Zeremonien, die alljährlich in dem im sten Kunstwerke. 93 Reliefplatte: Portugiese mit 5 Manillas (Geldringen), Gelbguss, 16./17. Jh. © Museum für Völkerkunde Wien
Deckelgefäß, 18. Jh. © Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Der darauf folgende Abschnitt ist den über Jahrhunderte von europäischen Objekten inspirierten Beispiele werden währenden Handelsbeziehungen mit Europäern gewidmet. ebenfalls gezeigt. Hier sind Kunstwerke mit Darstellungen von Europäern zu Der nächste dem Hofzeremoniell und den zahlreichen sehen, aber auch Beispiele wichtiger Handelsprodukte, wie Würdenträgern gewidmete Teil der Ausstellung befasst sich etwa für den Export nach Europa vorgesehene Elfenbein- auch mit den zahlreichen Gilden, die der hierarchischen schnitzereien des 16. Jhs. und von den Portugiesen nach Hofstruktur angegliedert waren. Der Rang eines Würdenträ- Benin importierte Geldringe, die so genannten Manillas. gers oder seine spezifische Funktion im Hofgefüge war durch Diese wurden eingeschmolzen und ermöglichten durch die verschiedene Schmuckstücke erkennbar, die seine Zeremo- Materialfülle im 16. Jahrhundert eine Blüte der Kunst. Der nialkleidung zierten. Dazu zählten Hüftmasken aus Gelbguss, Kontakt mit fremdartigen Gegenständen hinterließ Spuren hohe Armreifen, Halsreife aus Koralle oder prachtvolle in der lokalen materiellen Kultur, einige Beispiele solcher Kopfbedeckungen. 94 Sch a uplatz – präsen t i e r e n
Gedenkkopf einer Königinmutter – uhumnwun-elao, Gelbguss, 15./16. Jh. © Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Eines der schönsten Beispiele der Königinmutter-Köpfe, ein früher Kopf aus dem Berliner Ethnologischen Museum, der schon einen Ruf als afrikanische Nofretete erlangt hat, wur- de als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Zur Visualisierung von Ahnenaltären dient eine Installa- tion, die realen Vorbildern nachempfunden ist. In dem wie- derum in einer Lehmstruktur untergebrachten Bereich, der der Religion und den Schreinen gewidmet ist, sind weitere Objekte ausgestellt, die in Zusammenhang mit der Vereh- rung der Ahnen und unterschiedlichen Gottheiten stehen, wie etwa eine Vielfalt von Ritualgefäßen. Hervorzuheben ist hier Olokun, der Gott des Meeres, des Reichtums und der Fruchtbarkeit, der ein Unterwasserreich beherrscht. Mit ihm werden die Wassertiere aber auch die über das große Wasser angelangten Portugiesen assoziiert. Der nachfolgende chronologische Teil der Schau zeichnet die Geschichte des Reiches nach und beginnt mit der Ära Im Zentrum der Ausstellung steht der König. Die Bronze- der so genannten Kriegerkönige, die mit der Blüte der Be- Gedenkköpfe für Könige zählen wohl zu den bekannte- nin-Kunst zusammenfällt. Hier finden sich Reliefplatten mit sten Benin-Werken. Eine chronologische Reihung zeigt die Darstellungen von Kriegszenen, Porträts bedeutender Herr- unterschiedlichen Stile solcher Köpfe, die ins 15. bis 19. scher der Zeit, aber auch ein seltenes Waffenhemd und Jahrhundert datiert werden. Weiters verweisen kostbare Re- Rundplastiken von Portugiesen, da diese bei manchen Feld- galia aus Koralle auf die herausragende Position des Herr- zügen unterstützend teilnahmen. schers, dem es als einzigem gestattet war, ein komplettes Im späten 17. Jahrhundert erlebte das Benin-Reich eine Zeremonialgewand aus Korallenperlengewebe zu tragen. Zur schwierige von internen Konflikten geprägte Phase. Nach- Gänze mit figurativen Darstellungen beschnitzte Elefanten- folgerivalitäten aber auch der Rückzug der Könige selbst aus stoßzähne fanden sich ursprünglich auch nur auf königlichen dem Kriegsgeschehen führten zu einer Umstrukturierung der Ahnenaltären; zwei der frühesten Beispiele werden vorge- Herrschaftsbedingungen. Bestimmte hochrangige Würden- stellt. Der Oba von Benin wird mit dem Leoparden assozi- träger erlangten großen Einfluss und Macht. Zwei bedeuten- iert, der in der Kunst sehr häufig abgebildet ist und als den Königen gelang es Mitte des 18. Jahrhunderts die Lage Symboltier des Königs gilt. zu stabilisieren und das Reich zu einer neuerlichen Blüte zu Die Königinmutter nahm als einzige Frau im Benin-Reich führen. Dazu trug auch eine Intensivierung des Elfenbein- eine hochrangige Position ein. Ihr waren ebenso Ahnen- handels mit den Niederländern bei, der großen Reichtum schreine gewidmet, auf denen Bronzeköpfe gestattet waren. einbrachte. Die Erholung von den vorhergehenden Wirren 95 »Der Königspalast war immer politisches und religiöses Zentrum des Reiches und gleichzeitig Aufbewahrungsort und hauptsächliches Verwendungsumfeld der meisten Kunstwerke.«
Krieger-Umhang, Wollstoff, Leder, Gelbguss, 18./19. Jh. (?) © The Trustees of the British Museum, Lon- don, Slg. Cockburn, Christy Fund
brachte auch ein neuerli- Materialien und kurze Videosequenzen nachvollziehbar. ches Aufleben der Kunst- Hier sind auch Leihgaben des heutigen Oba von Benin aus- produktion mit sich, und gestellt – rezente Bronzegüsse, die wichtige Persönlichkeiten viele der bekanntesten Be- der Geschichte darstellen. Eine Serie von künstlerischen nin-Werke stammen aus die- Fotoporträts heutiger Würdenträger in ihrem Zeremonialge- ser Zeit. Es wird angenom- wand vermittelt einen Eindruck der Bewahrung der Tradi- men, dass die Produktion der tionen im heutigen Benin und spiegelt auf faszinierende Reliefplatten im 17. Jahr- Weise die ikongraphische Grammatik und Frontalität der hundert versiegt ist und Darstellungen auf den historischen Reliefplatten wider. neue Objekttypen, wie etwa Benin – Könige und Rituale klingt mit Videosequenzen beeindruckende Figuren- aus, die Szenen aus den jährlich stattfindenden volksfestar- gruppen auf rechteckiger tigen Zeremonien im Palastgelände illustrieren. Basis, die so genannten Al- tarstücke, in den Kanon aufgenommen worden sind. Text: Mag. Barbara Plankensteiner, Kuratorin der Ausstellung Ein Charakteristikum der Fotos: British Museum, Ethnologisches Museum – Staatliche Kunst dieser Periode ist ihr Museen zu Berlin, Museum für Völkerkunde Hamburg, nahezu barockes Erschei- National Museums Scotland nungsbild. Die Werke sind dicht mit Motiven besetzt, die in engem Zusammen- hang mit okkultem, rituel- lem Wissen stehen. Hier BENIN – KÖNIGE UND RITUALE spiegelt sich auch die verän- Höfische Kunst aus Nigeria derte Rolle des Königs wider, der sich immer mehr in das bis 3. September 2007 Innere des Palastes zurückzog und sich stärker auf seine reli- giöse und rituelle Funktion beschränkte. Eine Ausstellung des Museums für Völkerkunde in Der nachfolgende Bereich der Ausstellung zeichnet an- Wien in Zusammenarbeit mit der National Com- hand von Zeitungsberichten und historischen Fotografien das Ende des Königreichs Benin nach, weiters wird die mit mission for Museums and Monuments, diesem einschneidenden Ereignis zusammenhängende Erin- Nigeria, dem Ethnologischen Museum, Berlin, dem nerungskultur in Benin anhand ausgewählter Kunstwerke Musée du quai Branly, Paris und dem angesprochen. Eine kurze Dokumentation der Rezeption der Art Institute of Chicago. Benin-Werke in Europa und ihren Vertrieb über den Kunst- Museum für Völkerkunde, Neue Burg handel leitet über zum letzten, der Gegenwart des Reiches 1010 Wien, Heldenplatz gewidmeten Teil. Eine kleine Auswahl von Arbeiten zeich- net die Entwicklung der Bronzegießkunst nach. Diese Tech- http://www.ethno-museum.ac.at nik wird auch durch eine Präsentation der verwendeten
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