Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/153

Deutscher

Stenografischer Bericht

153. Sitzung

Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 22: Tagesordnungspunkt 23: a) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- a) Zweite und dritte Beratung des von den net und digitale Gesellschaft“: Zweiter Abgeordneten , Gabriele Zwischenbericht der Enquete-Kommis- Lösekrug-Möller, sion „Internet und digitale Gesell- (Hildesheim), weiteren Abgeordneten und schaft“ – Medienkompetenz der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- (Drucksache 17/7286) ...... 18317 A wurfs eines Gesetzes über die Festset- b) Bericht der Enquete-Kommission „Inter- zung des Mindestlohnes (Mindestlohn- net und digitale Gesellschaft“: Zwischen- gesetz – MLG) bericht der Enquete-Kommission „In- (Drucksache 17/4665 (neu), 17/8385) . . . 18336 C ternet und digitale Gesellschaft“ b) Beschlussempfehlung und Bericht des (Drucksache 17/5625) ...... 18317 B Ausschusses für Arbeit und Soziales zu (CDU/CSU) ...... 18317 B dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, , Dr. Wolfgang (SPD) ...... 18318 D Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordne- Sebastian Blumenthal (FDP) ...... 18320 B ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt Voraussetzungen für (DIE LINKE) ...... 18321 B die Einführung eines Mindestlohns Dr. (BÜNDNIS 90/ schaffen DIE GRÜNEN) ...... 18322 B (Drucksachen 17/7483, 17/8385) ...... 18336 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) c) Antrag der Abgeordneten Jutta (CDU/CSU) ...... 18323 C Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Aydan Özoğuz (SPD) ...... 18324 D Fraktion DIE LINKE: Mehrheitswillen (FDP) ...... 18326 A respektieren – Gesetzlicher Mindest- lohn jetzt Dr. (DIE LINKE) ...... 18327 B (Drucksache 17/8026) ...... 18336 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ Peter Weiß (Emmendingen) DIE GRÜNEN) ...... 18328 B (CDU/CSU) ...... 18337 A (CDU/CSU) ...... 18329 B Dr. (DIE LINKE) Gerold Reichenbach (SPD) ...... 18331 A (zur Geschäftsordnung) ...... 18338 D Manuel Höferlin (FDP) ...... 18332 B Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) Dr. (CDU/CSU) ...... 18333 B (zur Geschäftsordnung) ...... 18339 B Gerold Reichenbach (SPD) ...... 18334 A (Peine) (SPD) ...... 18340 A (CDU/CSU) ...... 18335 B Dr. (CDU/CSU) ...... 18340 D 18362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Dr. Johann Wadephul (A) Deswegen sollte eine paritätisch zusammengesetzte Gutachten zu Forschung, Innovation und (C) Kommission mit dieser Aufgabe betraut werden. technologischer Leistungsfähigkeit Deutsch- lands 2011 (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das gibt es schon! und Mindestarbeitsbedingungengesetz!) Stellungnahme der Bundesregierung Ich bin gegen eine pauschale Politikerschelte. Ich bin der – Drucksache 17/8226 – Meinung, der Ausspruch „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ gilt auch für Politiker. Politiker sollten sich Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und nicht anmaßen, etwas von Wirtschaft und von den Löh- Technikfolgenabschätzung (f) nen, die auf dem Arbeitsmarkt zu zahlen sind, zu verste- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hen. Ausschuss für Kultur und Medien (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das gilt für Ihre Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Koalition möglicherweise!) Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei- nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Dafür haben wir Gewerk- schaften und Arbeitgeberverbände, und denen sollten Ich eröffne die Aussprache und erteile – ganz lang- wir uns anvertrauen. sam, damit zuvor wieder Ruhe einkehren kann – dem Parlamentarischen Staatssekretär für die (Zuruf des Abg. Stefan Rebmann [SPD]) Bundesregierung das Wort. Da sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- aufgehoben. Auf diesem Wege kommen wir zu einer neten der FDP) vernünftigen Lösung. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) desministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist Spitze in Europa – Vizepräsident Dr. h. c. : beim Wirtschaftswachstum und bei den Beschäftigungs- Ich schließe die Aussprache. zahlen. Das ist angesichts der Finanz- und Staatsschul- Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent- denkrise wahrlich bemerkenswert. wurf der Fraktion der SPD zur Festsetzung des Mindest- Was ist die Grundlage dieser positiven Entwicklung lohns. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in Deutschland? Die Bundesrepublik hat ein äußerst (B) unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf erfolgreiches Modell entwickelt, um mit innovativen (D) Drucksache 17/8385, den Gesetzentwurf der Fraktion Produkten und Dienstleistungen und einer starken indus- der SPD auf Drucksache 17/4665 abzulehnen. Ich bitte triellen Basis im weltweiten Wettbewerb bestehen zu diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, können. Allein ein Fünftel der Wirtschaftsleistung um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Deutschlands beruht auf dem Export von Technologie- tungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera- gütern. Das zeigt: Eine hohe Innovationskraft zahlt sich tung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen aus. die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Da- mit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Deutschland verbessert sich im aktuellen Innova- Beratung. tionsindikator der Telekom-Stiftung im Vergleich zum Jahr 2009 aus dem Mittelfeld auf Rang vier. Als einen Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh- wesentlichen Grund für dieses gute Ergebnis werden lung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Druck- mehr Investitionen der öffentlichen Hand in Wissen- sache 17/8385 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter schaft und Forschung genannt. Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf In der Tat: Diese Bundesregierung investiert mehr Drucksache 17/7483 mit dem Titel „Jetzt Voraussetzun- Geld in Forschung und Entwicklung als jede andere Re- gen für die Einführung eines Mindestlohns schaffen“. gierung zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- fehlung ist mit den Stimmen der beiden Regierungsfrak- Zwischen 2005 und 2011 stiegen die Ausgaben der Bun- tionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei desregierung für Forschung und Entwicklung um sage Enthaltung der SPD angenommen. und schreibe 42 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Drucksache 17/8026 an die in der Tagesordnung aufge- Dies ist ohne Zweifel ein Signal, ein Signal an die Wis- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- senschaft und an die Wirtschaft. So haben die deutschen verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung Unternehmen trotz Finanz- und Schuldenkrise ihre In- so beschlossen. vestitionen in Forschung und Entwicklung im Jahr 2010 Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: auf 47 Milliarden Euro gesteigert. Das ist ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2005. Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- regierung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18363

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel (A) Insgesamt haben wir es gemeinsam geschafft, dass der trielle Revolution. Mit der Förderinitiative „Forschungs- (C) Anteil für Forschung und Entwicklung am Bruttoin- campus“ schaffen wir langfristige öffentlich-private landsprodukt von 2,5 Prozent im Jahr 2005 auf 2,82 Pro- Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zent im Jahr 2010 gestiegen ist. Wir kommen immer nä- auf Augenhöhe, und das Ganze unter einem Dach. Mit her an das 3-Prozent-Ziel heran. dem Spitzencluster-Wettbewerb mobilisieren wir ge- meinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft Zukunfts- Entsprechend ist auch die Zahl der in Forschung und investitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Gestern Entwicklung tätigen Menschen gestiegen. Ich sehe Uwe haben wir die neuen Sieger vorgestellt. Ich nenne stell- Schummer hier sitzen, vertretend für alle den Bioökonomiecluster in Sachsen (René Röspel [SPD]: Ist der jetzt auch da und Sachsen-Anhalt. Man sieht: Es bewegt sich etwas in tätig?) Deutschland, und das ist gut so. einen Arbeitnehmervertreter. Er weiß, wie es bei den Ar- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) beitnehmern in der Forschung aussieht. Wir brauchen sie. Zwischen 2005 und 2010 gab es einen beachtlichen Zweites Prinzip: mehr Freiheit für wissenschaftliche Zuwachs von 72 000 Stellen im Bereich Forschung und Initiative. Spitzenleistungen in Forschung und Wissen- Entwicklung. Das ist ein wahrlich erfolgreiches Ergeb- schaft brauchen einen Raum der Kreativität und Freiheit, nis. damit sie sich entfalten können. Diese Bundesregierung steht dafür, dass sich die Forschungseinrichtungen ent- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) falten können, dass sie mehr Flexibilität und mehr Frei- heit bekommen. Damit unterscheidet sich die Bundes- In der rot-grünen Regierungszeit ist zwischen 2000 und regierung von der Opposition. Wir wollen thematische 2005 die Zahl der im Bereich FuE tätigen Personen zu- Breite und keine grüne Gängelung in der Forschung. rückgegangen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Oh!) (Lachen des Abg. René Röspel [SPD]) All dies zeigt, dass die heutige Bundesregierung auf Ihre grüne Gängelung führt zu Abwanderung von For- dem richtigen Weg ist. Dies sagt auch die Expertenkom- schungskapazitäten, wie wir dies gerade bei der Verlage- mission „Forschung und Innovation“. Sie hebt die positi- rung der Grünen Gentechnik von BASF ins Ausland er- ven Effekte der Hightech-Strategie hervor. Ich zitiere: leben mussten. Sie von den Grünen freuen sich darüber, wir nicht. Die Expertenkommission befürwortet diese Neu- ausrichtung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (B) – der Hightech-Strategie – Drittes Prinzip: alle Qualifikationen und Talente in (D) Deutschland nutzen. Jeder muss seine Chance bekom- ebenso wie die Auswahl der prioritären Bedarfsfel- men, sich und seine Talente zu entwickeln. der. (René Röspel [SPD]: Talent ist eine alte (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Hört! griechische Währung!) Hört! – [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch nicht das Ende! Da Auch hier gibt es positive Entwicklungen: kommt noch etwas hinterher! Kritische An- Erstens. Mit dem beschlossenen Anerkennungsgesetz merkungen!) würdigen wir die im Ausland erworbenen Berufsqualifi- Das ist für uns Ansporn und Ermutigung. kationen. Mit der Verbesserung der Zuzugsregelung für Hochqualifizierte im Gesetzentwurf der Bundesregie- Dabei orientieren wir uns an drei Prinzipien: rung stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutschland. Erstes Prinzip. Wir wollen die Zusammenarbeit zwi- Zweitens. Mit über 500 000 ist die Zahl der Studien- schen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stärken. Das anfänger so hoch wie nie zuvor. Mit dem Hochschulpakt ist das Markenzeichen dieser Bundesregierung. Wir sind haben Bund und Länder dafür den entscheidenden Rah- davon überzeugt, dass sich die Schlüsselthemen unseres men gesetzt. Landes, wie der Umbau der Energieversorgung oder der demografische Wandel, nur im Zusammenspiel aller Ak- Drittens. Seit 2005 hat sich die Zahl der Stipendien teure erfolgreich gestalten lassen. Allein zwischen 2010 für Begabte mehr als verdoppelt. Jeder kann sich jetzt in und 2013 wird die Bundesregierung im Rahmen der diese Stipendienkultur einbringen und dazu beitragen, Hightech-Strategie knapp 27 Milliarden Euro in den Be- dass wir mehr Stipendien in Deutschland bekommen. reich Klima und Energie, in die Gesundheitsforschung, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) in die Mobilitätsforschung, in die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie in die Sicherheits- Viertens. Noch nie hatten wir so viele ausländische forschung investieren. Studierende an deutschen Hochschulen. Das zeigt die Attraktivität des Hochschul-, Wissenschafts- und For- Mit ganz konkreten Zukunftsprojekten arbeiten wir schungsstandorts Deutschland. an den großen, uns alle bewegenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Wir arbeiten an einer Vision von Meine Damen und Herren, Bildung, Forschung und CO2-reduzierten und energieeffizienten Städten. Mit Innovationen sind der Schlüssel für Fortschritt und dem „Internet der Dinge“ gestalten wir die vierte indus- Wohlstand in diesem Lande. Sie stärken unsere Wettbe- 18364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel (A) werbskraft. Sie fördern die individuellen Zukunftschan- (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Na, na, (C) cen und die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten. na!) Der Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland ist in den letzten Jahren wahrlich attraktiver geworden. – doch, die Expertenkommission sagt es mit etwas ande- Auf diesem erfolgreichen Weg wird die Bundesregie- ren Worten: keine wissenschaftliche Grundlage –, rung weiter vorangehen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Stimmt gar Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hat die Expertenkommission zum Anlass genommen, zu überlegen, ob man die Forschungsfinanzierung nicht auf eine andere Basis stellen sollte. Sie sagt: Ein einheitli- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: cher Finanzierungsschlüssel für Forschung ist nicht nur Das Wort hat nun René Röspel für die SPD-Fraktion. möglich, sondern auch nötig. Das ist eine wegweisende (Beifall bei der SPD – Michael Kretschmer [CDU/ Formulierung. Ich finde, Forschungspolitik muss sich CSU]: Es ist alles gesagt, Herr Röspel!) damit befassen. Es ist beschämend, dass die Bundesre- gierung darauf überhaupt nicht eingeht. René Röspel (SPD): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Es wurde leider noch gar nichts zum Thema gesagt, DIE GRÜNEN) Kollege Kretschmer. – Herr Präsident! Meine sehr ver- Als wir fast auf den Tag genau vor sechs Jahren da- ehrten Damen und Herren! Als ich Ende Dezember 2011 rüber diskutiert haben, wie die Forschungsberichterstat- erfuhr, dass wir in der ersten Sitzungswoche im Januar tung in Deutschland zukünftig aussehen könnte, haben den Expertenbericht „Forschung und Innovation“ bera- wir hier im Parlament einheitlich gesagt: Ja, es ist rich- ten, habe ich gedacht: Wow, der liegt ja früh vor. Norma- tig, dass ein unabhängiges Gutachtergremium die Situa- lerweise wird er im Februar oder März veröffentlicht, tion der Forschung in Deutschland beleuchtet, seine Kri- und nun werden wir schon im Januar den EFI-Bericht tik darstellt und uns Handlungsoptionen aufzeigt. Alle 2012 beraten. – Als ich dann in die Tagesordnung waren sich einig. Die Bundesregierung schreibt in ihrer schaute, habe ich gesehen, dass wir über die Unterrich- Stellungnahme, dass dieses Gutachten eine gute Analyse tung durch die Bundesregierung zum EFI-Gutachten der Stärken und Schwächen des Innovationsstandortes 2011 diskutieren werden. Das heißt, die Bundesregie- darstellt. Sie schreibt – ich zitiere aus dem Kopf –, dass rung hat zehn Monate gebraucht, um eine Stellung- dieses Gutachten für sie sogar Grundlage für weitere for- nahme zu diesem Gutachten zu erarbeiten. (B) schungs- und innovationspolitische Entscheidungen sein (D) Dafür könnte ich sogar Verständnis haben. Diese Be- wird. Allerdings muss man ein solches Gutachten dann richte sind wirklich sehr interessant und enthalten eine auch lesen und Kritik aufnehmen. Menge Material und Informationen. Man braucht Zeit, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des dies vernünftig durchzuarbeiten. Aber dann habe ich diese Stellungnahme in die Hand genommen. Sie um- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) fasst nur etwa acht DIN-A4-Seiten. Der Umfang besagt Wir waren uns damals einig, dass wir uns von außen ei- ja nicht alles. Also habe ich gedacht: Gut, vielleicht steht nen Spiegel vorhalten lassen und die Kritik annehmen in der Stellungnahme viel Aussagekräftiges zu diesem müssen. Aber die Bundesregierung schaut an diesem Bericht. Aber mit so gut wie keinem Wort geht diese Spiegel vorbei. Bundesregierung auf das EFI-Gutachten ein. Das ist aber unser Thema. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich habe zuerst gedacht, es sei ein Zufall, dass das dieses DIE GRÜNEN) Mal wieder so ist. Aber beim Blick in die anderen Gut- achten habe ich festgestellt: Es ist offenbar die Strategie Kollege Staatssekretär Rachel, in Ihrem mündlichen und Systematik dieser Bundesregierung, sich von außen Vortrag haben Sie dies leider auch nicht getan; das be- nicht beraten zu lassen und nicht einmal vernünftige dauere ich sehr. Dabei wäre ein Blick in dieses Gutach- Vorschläge anzunehmen. ten ganz interessant gewesen. Im EFI-Gutachten 2011 ist wieder eine Reihe von Kernthemen behandelt worden. Im EFI-Bericht 2008 – das ist fast sogar ein positives Ich will nur eines beispielhaft herausgreifen. Die Kom- Beispiel, an dem Sie sich laben könnten – hat als eines mission nimmt ein zwischen der Bundesregierung und der Kernthemen die steuerliche Forschungsförderung der Landesregierung Schleswig-Holstein aufgetretenes sehr breiten Raum eingenommen, also die steuerliche Geschacher auf: Ein zu 50 Prozent vom Land Schleswig- Förderung von Unternehmen, die in Forschung und Ent- Holstein finanziertes meereswissenschaftliches Institut wicklung investieren. Wir als SPD haben das etwas war in die Helmholtz-Gemeinschaft überführt worden, zurückhaltend beurteilt. Wenn man dadurch tatsächlich sodass es nur noch zu 10 Prozent vom Land finanziert Investitionen heben kann, ist das ein geeignetes Instru- werden muss. Die schleswig-holsteinische Landesregie- ment. Wenn damit Wirtschaftsförderung einhergeht, rung kann dadurch also Geld sparen. Dieses Vorgehen, kann man darüber reden. Aber es kostet viel Geld – die für das es politisch und wissenschaftlich überhaupt kei- notwendigen Mittel muss man haben –, und es darf nicht nen Grund gibt zulasten der Projekt- oder Grundlagenforschung gehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18365

René Röspel (A) Vor diesem Hintergrund waren wir hier sehr zurückhal- können, dass eine normale Arbeitnehmerfamilie Schwie- (C) tend. rigkeiten hat, 1 000 Euro pro Jahr für das Studium der Kinder aufzubringen. Es waren die beiden Fraktionen von CDU/CSU und FDP und eine Bundesministerin, die sich in Sachen steu- (Beifall des Abg. [SPD]) erliche FuE-Förderung so weit aus dem Fenster gelehnt haben, dass dem Betrachter schon schwindelig wurde. Vielleicht ist das eine Wahrnehmungsfrage. Wissen Sie, was passiert ist? Nichts. Selbst die Gutach- (Heiner Kamp [FDP]: Ach was! Machen Sie tenempfehlung, die für Sie eigentlich positiv ausgefallen doch jetzt keine Neiddebatte auf! Das ist doch ist und positiv angenommen worden ist, ist nicht umge- eine reine Neiddebatte!) setzt worden. (Beifall des Abg. Dr. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: [SPD]) Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Murmann? Sie haben sich zwar weit aus dem Fenster gelehnt, aber Sie haben kein Stück zur steuerlichen FuE-Förderung in Deutschland beigetragen. René Röspel (SPD): Aber gerne. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Im EFI-Gutachten 2009 war Bildung eines der Bitte schön. Kernthemen. Gleich im Vorwort steht ein ganz wichtiger Satz: dass uns die Schwächen des deutschen Bildungs- Dr. (CDU/CSU): systems nachhaltig belasten und zu einer Bedrohung für Lieber Kollege Röspel, es ist nett, dass Sie eine Zwi- die Innovationsfähigkeit Deutschlands werden. Ein schenfrage gestatten. – Auch Sie haben sich inzwischen bestimmtes Diagramm, das in diesem EFI-Bericht ent- ja etwas von dem Gutachten entfernt. Deswegen möchte halten war, habe ich danach auch in vielen anderen Pu- ich Sie fragen, wie Sie folgende Zusammenfassung, die blikationen gesehen. Hier geht es darum, dass die Bil- am Ende des Gutachtens zu lesen ist, bewerten: dungschancen der Menschen in Deutschland so sehr wie in keinem anderen Industrieland von der Herkunft ab- Die dargestellte Bilanz zeigt: Deutschland ist im hängig sind. Diese Abbildung macht deutlich: Von Bereich von Forschung und Innovation attraktiver 100 gleich begabten Kindern, die aus Akademikerfami- und stärker als je zuvor. (B) lien stammen, werden 83 ein Studium aufnehmen, von (D) 100 gleich begabten Kindern, die aus Arbeitnehmerfa- (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: milien stammen, nur 23. Die Herkunft entscheidet also Richtig!) über die Bildungschancen. Der Appell, hier aktiv zu Deutschland hat seine Stellung als dynamischer werden, wurde übrigens nicht nur an die Bundesregie- Innovations- und Forschungsstandort in den ver- rung, sondern auch an die Politik insgesamt gerichtet. gangenen Jahren deutlich verbessert. Die Bundesre- Was haben Ihre Fraktionen gemacht? Sie haben vor gierung arbeitet daran, diesen Erfolgskurs in den diesem Gutachten wie erstarrt verharrt. Der Bundespar- kommenden Jahren fortzusetzen und Deutschlands teitag der CDU hat sich dann entschieden, sich von der Innovationsführerschaft weiter auszubauen – mit Hauptschule zu verabschieden – völlig ignorierend, dass umfangreichen Maßnahmen, zielgerichteter Förde- viele CDU-Bürgermeister in ländlichen Regionen längst rung und übergreifender strategischer Innovations- Abstand von der Hauptschule genommen haben, weil sie politik unter dem Dach der Hightech-Strategie. sich diese aus demografischen Gründen nicht mehr leis- Denn Bildung, Forschung und Innovationen sind ten können. der Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und Zu- sammenhalt und damit eine der wichtigsten Grund- Aber es gibt auch Regierungen, die die Ungleichge- lagen für eine gute Zukunft in Deutschland. wichte im Bildungssystem wahrnehmen und handeln. Ich bin sehr froh, dass die neue rot-grüne Landesregie- Das, was ich zitiert habe, war die komplette Zusam- rung in Nordrhein-Westfalen die Studiengebühren aus- menfassung der Studie. Wie bewerten Sie das? gesetzt und zurückgenommen hat. Sie sind nämlich ein wesentliches Kriterium dafür, dass Arbeitnehmerkinder René Röspel (SPD): kein Studium aufnehmen. Es gibt also tatsächlich Regie- Das kann ich nur voll unterstreichen, weil es in der rungen, die handeln. Tat so ist, dass Deutschland heute besser dasteht als vor 10 oder 15 Jahren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heiner Kamp [FDP]: Ein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- großer Fehler war das! – Dr. neten der FDP – Dr. Philipp Murmann [CDU/ [CDU/CSU]: Leider!) CSU]: Danke!) – Nein, das war kein großer Fehler. Vielleicht muss man – Das ist noch Teil der Beantwortung. – Im EFI-Gutach- etwas weniger als ein Abgeordneter, also weniger als ten ist übrigens immer eine ganz spannende Tabelle ent- 8 000 Euro im Monat, verdienen, um sich vorstellen zu halten, die weit über das hinausgeht, was in der Stellung- 18366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

René Röspel (A) nahme der Bundesregierung zu lesen ist, in der nämlich des Kooperationsverbotes einbringen, und Sie als Regie- (C) nur die Entwicklung seit 2005 betrachtet wird. Aus dem rung sind herzlich eingeladen, an diesem vernünftigen Stand: Im EFI-Bericht 2009 können Sie auf Seite 72 die Antrag mitzuwirken und ihn zu unterstützen. Abbildungen 13 und 14 finden. Dort ist die Entwicklung der Anteile der Ausgaben für Forschung und Entwick- Herzlichen Dank. lung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, seit 1982 dar- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gestellt. Hier wollen wir uns ja dem vereinbarten Ziel DIE GRÜNEN) – das sagte auch Staatssekretär Rachel – nähern. Man sieht hier: Als Helmut Schmidt die Regierung an Helmut Kohl abgegeben hat, war dieser Anteil viel höher als zu Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: dem Zeitpunkt, als Helmut Kohl die Regierung an Das Wort hat nun Martin Neumann für die FDP-Frak- Gerhard Schröder abgab. tion. ( [Weiden] [CDU/CSU]: Wie (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) war es 1950?) Das heißt, die erste christlich-liberale Koalition hat die- Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): sen Bereich heruntergewirtschaftet. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Röspel, Sie haben völlig recht: Wir Unter der rot-grünen Bundesregierung, seit 1998, ha- müssen uns mit dem EFI-Gutachten und mit den Aussa- ben wir der Forschung und Entwicklung sowie der Bil- gen darin kritisch auseinandersetzen. Das werden wir dung wieder einen Stellenwert gegeben und entspre- tun. Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf Ausfüh- chende Finanzen dafür zur Verfügung gestellt. rungen zum Gutachten 2011. Darin gibt es eine ganze (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Reihe von Empfehlungen. Ich gehe der Reihe nach vor des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und ziehe nicht nur die eine oder andere heraus. Es ist richtig und gut, dass die Große Koalition das fort- Ich möchte an dieser Stelle feststellen, dass wir – das gesetzt hat und Sie das jetzt auch tun. Deswegen kann ist dort deutlich vermerkt worden – nach der Finanz- und ich das unterstreichen. Wirtschaftskrise wieder eine führende Position in der Weltwirtschaft eingenommen haben, vor allen Dingen (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wir auch aufgrund der guten Forschungs- und Innovations- steigern das!) politik. Urheber waren aber nicht Sie, sondern andere. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Richtig!) (B) (D) Ich denke, damit ist Ihre Frage in aller Kürze ausrei- Ein Grund für diese Entwicklung – das kann ich an die- chend beantwortet. ser Stelle nur noch einmal unterstreichen – ist natürlich Wenn man sich das vorletzte EFI-Gutachten, das von unsere technologie- und innovationsorientierte Volks- 2010, anschaut, dann sieht man: Eines der Kernthemen wirtschaft. ist die Föderalismusreform. Seit der Föderalismusreform hat der Bund nicht mehr die Möglichkeit, den Ländern Im Gutachten kann man recht deutlich nachlesen, und sogar den Kommunen finanzielle Mittel für Bildung dass wir vor allen Dingen von den forschungsintensiven zur Verfügung zu stellen. Wer in den Kommunen tätig Industrien und von Spitzen- und Höchsttechnologien ist, der weiß, dass sie danach lechzen. Das Ganztags- profitieren. Auch in diesem Jahr wird die Entwicklung schulprogramm der rot-grünen Bundesregierung aus bei uns aufgrund eines Wirtschaftspotenzials mit Wachs- dem Jahre 2003 hat zu über 7 000 Ganztagsschulen ge- tumserwartungen von 0,75 Prozent überaus stabil sein. führt und den Kommunen geholfen. Das ist jetzt nicht Diese Leistungsfähigkeit wird vom Innovationsindi- mehr möglich. kator belegt. Hier ist Deutschland – das ist immer wieder Im EFI-Bericht 2010 findet sich zum ersten Mal die hervorzuheben – auf gutem Wege. Das lassen wir uns Forderung, dass das Kooperationsverbot dringend besei- nicht schlechtreden. In den letzten Jahren haben wir uns tigt werden muss. Diese Forderung, die auch im aktuel- im Ranking der innovativsten Nationen auf einen der len Bericht steht, ist an uns alle gerichtet, weil wir das in vorderen Spitzenplätze vorgearbeitet. Das ist ganz wich- der Großen Koalition beschlossen haben. tig. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass wir gegen- über vielen anderen OECD-Staaten und Konkurrenten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ einen Vorsprung durch Ideen und Innovationen haben. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Das müssen wir bewahren und weiter ausbauen. FDP) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Hier muss etwas passieren. Auch dazu hätte ich mir eine Äußerung seitens der Bundesregierung gewünscht. Viel- Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den Mitglie- leicht hören wir ja aus den Regierungsfraktionen gleich dern der Expertenkommission Forschung und Innova- noch etwas dazu. Das ist ein dringender Appell der Ex- tion für ihre geleistete Arbeit. pertenkommission. Dem sollten wir uns annehmen. Kollege Röspel, jetzt komme ich auf einen Punkt zu Wir als SPD haben das getan. Wir werden in der sprechen, den Sie auch angesprochen haben. Ein Grund nächsten Woche einen Antrag in Richtung Aufhebung für diese erfolgreiche Entwicklung liegt vor allem in der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18367

Dr. Martin Neumann (Lausitz) (A) selbstkritischen Analyse. Das ist genau der Punkt, und Wir zielen mit dem Pakt auf die außeruniversitären For- (C) genau das tun wir an dieser Stelle. schungseinrichtungen, die wir als integralen Bestandteil unseres Innovationssystems verstehen. Genau diese Ein- (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: richtungen müssen weiter gestärkt und auch weiter an Wo ist die denn?) die Wirtschaft herangeführt werden. – Frau Sager, Sie haben ja gleich im Anschluss noch Ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten legenheit, das aus Ihrer Sicht darzustellen. – Ich glaube, der CDU/CSU) wir dürfen uns an dieser Stelle nicht auf den Erfolgen ausruhen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, Hier ist eine jährliche Steigerung der Mittel von min- destens 5 Prozent zu verzeichnen. Damit geben wir ein (René Röspel [SPD]: Einverstanden!) deutliches Signal. Hier kommt die Stelle, an der wir ge- sondern wir haben unsere Position immer wieder bzw. nauer hinschauen müssen, Herr Kollege Röspel – das fortwährend zu überprüfen. sage ich auch an Ihre Adresse –: Wir müssen darauf ach- ten, dass es in der Finanzierung der Hochschulen in der Hier brauchen wir auch kritische Stimmen, die uns Kombination mit den außeruniversitären Forschungsein- die Schwächen vor Augen führen und an der Bewertung richtungen eine Balance zwischen der Steigerung der keinen Zweifel aufkommen lassen. Diese kritischen Mittel, die ich gerade angesprochen habe, und dem, was Stimmen können und sollen natürlich auch aus dem Wis- über die Länderhaushalte an Mitteln für die Hochschulen senschaftssystem selbst kommen. An dieser Stelle muss bereitgestellt werden muss, gibt. Auf diese Balance müs- es einen Dialog geben. Ich möchte hervorheben – des- sen wir achten. halb ist dieser Bericht für uns sehr wertvoll –, dass aus meiner Wahrnehmung heraus der Stellenwert der Exper- (René Röspel [SPD]: Einverstanden!) tenkommission mit jedem Bericht wächst. Das heißt aber auch – dazu wird in dem EFI-Gutach- Es gehört zur kritischen Analyse, dass wir über die ten ausreichend Stellung genommen –, dass wir das ge- Grenzen hinausschauen. Das ist ganz wichtig, vor allen samte System der Wissensgesellschaft im Auge behalten Dingen in diesem Wettbewerb. Wenn wir uns die inter- müssen. Das beginnt tatsächlich mit dem „Haus der klei- nationalen Entwicklungen konkreter anschauen und ana- nen Forscher“ im Kitabereich und hört bei hochwertigen lysieren, stellen wir wieder fest, dass wir an dieser Stelle Forschungsergebnissen auf. Wenn man sich die wirklich führend sind. Wenn wir zum Beispiel nach Biografien der vielen erfolgreichen Nachwuchswissen- Skandinavien blicken oder in den südostasiatischen schaftler genauer anschaut, sieht man, dass ihre Karriere Raum, stellen wir fest, dass wir uns mitten in einem tatsächlich auf Förderung und vor allen Dingen auf der hohen Qualität des Studiums beruht. Vor diesem Hinter- (B) Wettbewerb befinden. Dieser Wettbewerb – das ist an (D) alle Adressen gerichtet – nimmt keine Rücksicht auf grund sollten wir das Talentmanagement im Bereich der Versäumnisse, sei es bei Investitionen, sei es bei der not- Forschung und der Hochschulen tatsächlich als eine zu- wendigen Weichenstellung für Forschung und Innova- künftige Aufgabe erkennen. tion. In diesem Wettbewerb zählt nur die richtige For- An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen schungspolitik. – das muss man hervorheben, weil es ein Schritt auf dem An dieser Stelle hat die Expertenkommission den Fin- richtigen Weg ist –, dass wir mit der Aufstockung der ger tief in die Wunde gelegt. Die Schwächen werden be- Mittel für den Qualitätspakt Lehre und dem Hochschul- nannt – das ist ganz klar – und Empfehlungen gegeben. pakt eine wirklich sehr gute finanzielle Grundlage gelegt Ich glaube aber festzustellen – in diesem Kontext treffen haben. wir uns dann wieder –, dass der Weg richtig ist und dass (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) vor allen Dingen – das gilt auch in der Wirtschaft – das richtige Klima geschaffen wird – das ist ein ganz wichti- Weil es zum System gehört und weil die Opposition ger Punkt –, sei es zum Beispiel durch die Erhöhung der immer verschiedene Argumente dagegen anführt: In die- Investitionen des Bundes, sei es zusätzlich durch eine sem Zusammenhang freut mich die positive Aufnahme Wirtschaftspolitik, die Mehrausgaben in Forschung und des Deutschlandstipendiums durch die Expertenkom- Entwicklung generiert. Dabei belegt das Gutachten mission. Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie im- 2011, dass wir mit der strukturellen und vor allen Dingen mer machen. strategischen Ausrichtung auf dem richtigen Weg sind. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Jawohl!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie sagen immer: Das ist eine einseitige Orientierung. Ich sage noch einmal: Wir brauchen eine Kultur der För- Die Koalition hat mit der weiterentwickelten High- derung und der Unterstützung der Hochschulen in den tech-Strategie 2020 eine missionsartige – so möchte ich Regionen, wir brauchen ein funktionierendes bürger- das sagen – Ausrichtung vorgenommen und die For- schaftliches Engagement und müssen alle Kräfte der Ge- schungs- und Innovationsförderung auf globale Heraus- sellschaft bündeln, die ein Interesse daran haben, dass es forderungen ausgerichtet. Daneben ist der Pakt für For- auf diesem Weg weitergeht. schung und Innovation als ein ganz entscheidendes Instrumentarium etabliert. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (René Röspel [SPD]: Gute sozialdemokrati- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist sche Erfindung!) zu knapp, um sich den vielen Aspekten zu widmen. Die 18368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Dr. Martin Neumann (Lausitz) (A) Kommission hat uns sehr viele Empfehlungen mit auf (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (C) den Weg gegeben. Darüber muss geredet werden. Ich neten der CDU/CSU und der FDP und des habe das vorhin betont. Damit wir weiterhin Erfolg er- Abg. René Röspel [SPD]) zielen, ist, glaube ich, auch eine selbstkritische Analyse wichtig. Ich kann Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen, Das ist aber auch schon alles. Nicht die Menge macht es; dass wir uns in allen Projekten, die notwendig sind, bei manchmal macht es erst die Qualität. Es bleibt festzuhal- allem Guten und Positiven wie auch da, wo wir tatsäch- ten, dass mehr Mittel allein kein Garant für eine mo- lich noch Kräfte bündeln müssen, nicht auf dem Erfolg derne Innovationspolitik sind. ausruhen, sondern wir werden uns als christlich-liberale Zu den dann folgenden Kritiken – das hat Herr Röspel Koalition für eine Fortentwicklung des Forschungs- und schon gesagt – äußert sich die Bundesregierung entwe- Innovationssystems einsetzen. der gar nicht, oder sie reagiert durch gegenteilige Politik darauf. Deshalb frage ich mich: Warum vergibt die Bun- Lieber Kollege Röspel, ich muss das noch anspre- desregierung überhaupt derartige Aufträge, wenn sie in chen, weil Sie es hervorgehoben haben: Auf die vielen diesen Punkten nicht wirklich im Kern etwas ändern Empfehlungen und Hinweise werden wir Antworten ge- will? Da kippt der Buddha aus dem Schrein. ben. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. (René Röspel [SPD]: Da bin ich aber ge- Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – spannt!) Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Das Ich bedanke mich. ist vollkommen falsch!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Linke dagegen will etwas ändern. Lassen Sie mich das an einem Thema erklären, welches schon fast als Dauerbrenner der Berichte gelten kann: Föderalismus Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: und Bildung. Die Kommission fordert unmissverständ- Das Wort hat nun Petra Sitte für die Fraktion Die lich, den Wettbewerbsföderalismus im Bildungsbereich Linke. einzudämmen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – René Röspel [SPD]: Wie zu Zeiten Willy Brandts!) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Stattdessen soll eine kooperative Bildungspolitik prakti- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden ziert werden. Ebenso fordern die Expertinnen und Ex- (B) heute über ein Gutachten der Expertenkommission For- perten erneut die Überwindung der sozialen Spaltung im (D) schung und Innovation. Dieser Gruppe gehören sechs Bildungswesen. Das wurde also nicht nur 2009 gefor- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Wirt- dert, wie Herr Röspel gesagt hat, sondern auch im dies- schafts-, der Rechts- und der Sozialwissenschaft an. Sie jährigen Gutachten. Mehr Menschen aus bildungsfernen haben, wie man es von der Wissenschaft erwarten darf, Schichten sollen an die Hochschulen dieses Landes auch im Jahr 2011 – Herr Röspel hat es schon gesagt – kommen können. Ich frage mich: Wie viele Gutachten ihrer Auftraggeberin kein Gefälligkeitsgutachten vorge- braucht es noch, bis man in diesem Punkt nachhaltig um- legt und nicht nur eitel Freude bereitet. steuert? (Zuruf von der FDP: Richtig!) (Beifall bei der LINKEN) Dafür kann man sich bei den Wissenschaftlerinnen und Schließlich werden neue Angebote für Ganztagsschu- Wissenschaftlern nur bedanken. len gefordert. Die Lernbedingungen sollen verbessert und die Zahl der Abgänge ohne Abschluss soll gesenkt Ich hoffe, dass auch nach der personellen Umbeset- werden. zung dieser Gruppe eine solche kritische Distanz be- wahrt werden kann. Immerhin haben die Gutachten der Die Linke fühlt sich durch die Kommission in ihren letzten Jahre deutliche Signale gesetzt. Ich denke bei- Positionen bestärkt. Ich zitiere aus dem Gutachten: spielsweise an den Verriss der Studienreform – nichts Gute Bildungspolitik ist die Voraussetzung guter anderes als ein Verriss war es – oder an die Kritik zur Innovationspolitik. Komplexität und Budgettransparenz eben jener von Ih- nen gelobten Hightech-Strategie und Innovationspolitik. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- So weit, so gut. neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wie hat die Bundesregierung auf das Gutachten 2011 reagiert? Auch in diesem Jahr hat die Bundesregierung Seit Jahren drängen wir hier im Bundestag auf ein zunächst einmal mit bunten Bildchen reagiert. Mit ihnen Bildungswesen, das individuelles Lernen tatsächlich er- werden die wachsenden Mittel für Forschungsförderung möglicht. Es soll Schwächen ausgleichen, und es soll gefeiert. Das Eigenlob aus den Haushaltsberatungen be- eben auch die vielfältigen Talente von Kindern und Ju- kommt sozusagen einen visuellen Gedächtnisschrein. gendlichen fördern. Das wird aber nicht ohne Bundes- Aber die Expertenkommission ist eben nicht in Andacht hilfe gehen. Das bleibt auch in Bundesverantwortung, erstarrt. Sie hat vielmehr festgestellt, dass man den Auf- weil Bildung zur Gleichwertigkeit von Lebensverhält- wuchs der Mittel grundsätzlich anerkennen müsse. nissen gehört. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18369

Dr. Petra Sitte (A) (Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE entsprechende Änderung des Wissenschaftszeitvertrags- (C) LINKE]) gesetzes. Was macht die Bundesregierung? Statt das Koopera- Laufen nun Hochschulpakt und Exzellenzinitiative in tionsverbot zu beerdigen und mit den Mitteln konse- ein paar Jahren aus, müssen wir dann sowieso über ein quent und ohne Umwege das öffentliche Bildungswesen nachhaltiges Finanzkonzept diskutieren. Mir ist völlig zu stärken, wird viel Geld auf Nebengleisen – mit vielen klar, dass ein solches Konzept nicht erarbeitet werden bürokratischen Zwischenstopps – geparkt oder in solche kann, ohne zuvor das Kooperationsverbot beerdigt zu Programme wie Bildungs- und Teilhabepaket sowie ein haben. elitäres Studienprogramm geleitet. Das alles sind büro- Die Expertinnen und Experten, also die Geister, die kratische Monster, bei denen klar ist, dass viel Geld an Sie selbst gerufen haben, haben viele praktikable Vor- Stellen verpulvert wird, die mit Bildung direkt nichts zu schläge gemacht. Es bedarf schlicht und ergreifend muti- tun haben. ger und innovativer Grundsatzentscheidungen. Beim (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Kooperationsverbot können Sie damit anfangen. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Nächste Woche werden wir darüber im Bundestag disku- Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mittel sinnlos tieren. Dann werden wir sehen, welche Schlussfolgerun- verpulvern, das können sie!) gen Sie ziehen. Viel wichtiger wäre es, mit diesen vielen Mitteln das öf- Danke. fentliche Bildungswesen zu stärken. So könnte man we- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten sentlich mehr Effekte erzielen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Krista Sager für die Fraktion Bünd- Gemeinsam mit den Ländern sollte flächendeckend nis 90/Die Grünen. für eine gute Ausstattung der Bildungseinrichtungen ge- sorgt werden. Die Umsetzung moderner Lern- und Lehr- formen sollte gesichert werden. Gute Kitaplätze für alle Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kinder, längeres gemeinsames Lernen in Ganztagsschu- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun- len, offene, attraktive Hochschulen, und zwar nicht nur desregierung hat das Jahresgutachten 2011 der Experten- an einzelnen exzellenten Standorten, sondern überall, kommission Forschung und Innovation leider ausgespro- chen selektiv zur Kenntnis genommen. (B) genau das sind die Aufgaben, die im Gutachten der Ex- (D) pertenkommission nachzulesen sind. Genau das gehört (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Leider! – zu einer guten Innovationspolitik. René Röspel [SPD]: Sehr!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Dass Sie in Ihrer Stellungnahme zu jedweder Kritik total neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE schweigen – das haben die Kollegen bereits angespro- GRÜNEN) chen –, ist peinlich. Aber auch in Wissenschaft und Forschung wächst nun (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kritik am Wettbewerbsföderalismus. Das Einwerben sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- von zusätzlichen Mitteln, sogenannten Drittmitteln, aus KEN) der Wirtschaft und Bundesprogrammen wie beispiels- weise der Exzellenzinitiative dominiert mehr und mehr Diese Expertenkommission wurde von der Bundesregie- die Haushaltsanstrengungen an Wissenschaftseinrichtun- rung eingesetzt. Was haben Sie denn eigentlich von die- gen. Heute wissen wir aber aus vielen Schilderungen, sen Experten erwartet? Kollektive Lobhudelei, oder was? dass der Dauerstress wegen endloser Antragsrennen ins- (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- besondere personelle Ressourcen bindet, die letztlich NEN]: Genau!) massiv in der Lehre, aber auch in der Forschung fehlen. Angesichts der 19 000 Programme, die das Bundesfor- Sie behandeln das wie das Rauschen im Wald. Ich finde, schungsministerium bereits jetzt finanziert, fragt man dass Sie eine Missachtung gegenüber Ihren eigenen Ex- sich doch: Wäre das Geld nicht viel besser angelegt, perten an den Tag legen, wenn Sie kritische Aspekte mit wenn man einen Teil davon nutzte, um die Grundausstat- keinem Wort erwähnen. Dass die Opposition das nun an- tung von Wissenschaftseinrichtungen zu verbessern? ders macht, wird Sie sicherlich nicht verwundern. (René Röspel [SPD]: Die wollen die (Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Nein!) 20 000 vollmachen!) Kommen wir also zu einem besonders beliebten – Das kann sein. Aber wir werden versuchen, das zu ver- Thema: die steuerliche Forschungsförderung. Die hindern. Expertenkommission hat die steuerliche Forschungsför- derung wiederholt angemahnt. Wir wissen, dass sich das Schließlich könnten die Perspektiven des wissen- in anderen Ländern als ein ergänzendes Instrument für schaftlichen Nachwuchses dadurch verlässlicher und ge- kleinere innovative Unternehmen bewährt hat, die von rechter gestaltet werden. Natürlich gehört dazu auch eine der Projektförderung viel weniger profitieren als Groß- 18370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Krista Sager (A) unternehmen. Dass die CDU/CSU da bisher nichts zu- gend ausschöpfen. Die Große Anfrage der Opposition (C) stande bekommen hat, finde ich besonders peinlich. hat gerade gezeigt, dass nicht nur im Wirtschaftsbereich, sondern auch im Wissenschaftsbereich der Fortschritt (Beifall des Abg. René Röspel [SPD] – Albert leider immer noch eine Schnecke ist, wenn es darum Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Die Legis- geht, Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Die Bun- latur dauert vier Jahre, nicht zwei Jahre!) desregierung scheut davor zurück, da endlich zu ver- Sie haben sich gleich zweimal ein Bein gestellt, sehr bindlichen Regelungen zu kommen. Auch da: Schlechte verehrter Herr Rupprecht. Das erste Mal haben Sie sich Politik! ein Bein gestellt, als Sie sich auf die dödelige Klientel- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN politik der FDP, lieber Hoteliers zu fördern, als steuerli- sowie bei Abgeordneten der SPD) che Forschungsförderung zu betreiben, eingelassen ha- ben. Die Expertenkommission fordert außerdem, den sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzeichnenden Fachkräftemangel stärker durch eine ge- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- zielte Einwanderungspolitik zu bekämpfen. Was macht KEN) die Regierung da? Flickenteppich! Stückwerk! Hier eine Einzelfalllösung, dort eine Einzelfalllösung! Wir brau- Das zweite Mal haben Sie sich ein Bein gestellt, als chen wirklich ein Punktesystem für die Einwanderung, Sie sich von den Industrieverbänden ein besonders teu- und wir brauchen auch eine wirkliche Willkommenskul- res Modell haben einreden lassen. Dieses Modell wäre tur. Das zu Recht als Unwort des Jahres qualifizierte nicht nur teuer; es würde vor allen Dingen die Großkon- Wort „Döner-Morde“ zeigt doch, dass wir bei der Will- zerne der Pharma- und Autobranche bevorzugen. Dass kommenskultur wirklich noch Nachholbedarf haben. Sie das bei Ihrem Bundesfinanzminister schlecht durch- bekommen, muss einen nicht verwundern. Die Gutachter ( [CDU/CSU]: Bleiben Sie haben einfach recht, wenn sie sagen: Da muss die Koali- mal sachlich!) tion jetzt endlich einmal etwas zustande bringen und Das Jahresgutachten 2011 setzt sich ausgesprochen Farbe bekennen. kritisch mit der Föderalismusreform 2006 auseinander. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Gutachter – das wurde von den Kolleginnen und sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Kollegen hier schon gesagt – fordern die Rückkehr zu ei- nem kooperativen Föderalismus. Sie fordern ganz klar Die Kolleginnen und Kollegen haben zu Recht darauf die Rücknahme des Kooperationsverbotes. Für diese hingewiesen, dass es richtig ist, im Zusammenhang mit Forderung erfahren sie mit Sicherheit nicht nur viel Un- der Innovationspolitik die Bildungspolitik zu thematisie- (B) terstützung bei den Wissenschafts- und Bildungsorgani- (D) ren, weil sie die Grundlage jeder Innovationspolitik ist. sationen, sondern zunehmend auch in der Bevölkerung. (Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da finden die Gutachter erfreulicherweise klare Worte. Deswegen stellt sich besonders die Frage: Warum Sie sagen nämlich ganz deutlich: Das deutsche Bil- schweigt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu dungssystem ist selektiv, und es bietet zu wenig Chan- diesem Punkt? cengerechtigkeit und Chancengleichheit. Die Bildungs- reserven werden aus Sicht der Gutachter nicht effektiv (René Röspel [SPD]: Sprachlosigkeit!) genug mobilisiert. Es ist doch unlogisch, dass die Länder eine zunehmend Sie benennen auch Problemgruppen. Dazu gehören steigende Belastung aus der gemeinsamen Forschungs- ganz besonders Kinder und junge Menschen aus ein- finanzierung zu verkraften haben, dass sie immer weni- kommensschwächeren Familien, die von der Kinderbe- ger in der Lage sind, die Grundfinanzierung ihrer Hoch- treuung über die Schule bis in den Hochschulbereich hi- schulen angemessen sicherzustellen, aber parallel dazu nein benachteiligt werden. der Bund sich beim Ganztagsschulausbau seit 2006 aus der gemeinsamen Finanzierung verabschiedet hat. Da Vor diesem Hintergrund muss man noch einmal eines passt eindeutig etwas nicht zusammen. Daher brauchen feststellen: In diese Logik hinein kommen Sie jetzt mit wir eine Verfassungsreform, zu der sich die Bundesre- Ihrem Betreuungsgeld, das Eltern belohnen soll, wenn gierung dann auch bekennen müsste. sie ihre Kinder nicht in eine Kita mit der damit verbun- denen Frühförderung bringen, sondern davon fernhalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das ist bildungspolitisch ein Irrläufer erster Klasse. und bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bemerkenswert ist auch, dass die Gutachter kritische bei der SPD und der LINKEN – René Röspel Anmerkungen zur gemeinsamen Forschungsfinanzie- [SPD]: Harakiri!) rung machen. Auch wir sind der Meinung, dass die Strukturen nicht mehr logisch zu erklären sind: die un- Dass Sie darüber kein Wort verlieren, finde ich auch bla- terschiedlichen Finanzierungsschlüssel und die Zuord- mabel. nung von Einrichtungen zu Forschungsorganisationen. Dieses Instrument der Betreuungsprämie passt auch Wir haben dazu einen eigenen Antrag vorgelegt und den- nicht zu einem anderen Thema der Gutachter, nämlich ken, dass wir hierüber in eine Diskussion kommen müs- dass wir die Potenziale der jungen Frauen nicht genü- sen. Das, was die Gutachter als einheitlichen Schlüssel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18371

Krista Sager (A) vorlegen, hat uns nicht überzeugt, weil es viele Unge- geschafft, dass Deutschland das erste Mal seit der Wie- (C) rechtigkeiten und Ungereimtheiten nicht beseitigt. dervereinigung 1990 beim Anteil der Ausgaben für For- schung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt wie- (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Keiner der vor den USA liegt. Das ist ein starkes Signal. sagt, was es kostet!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber es darf wegen dieser Problematik nicht mit der „Helmholtzifizierung“ der Forschungslandschaft weiter- Wenn hier zwischen Helmut Schmidt, Helmut Kohl gehen. Wir müssen an dieses Thema heran, das hat der und Gerhard Schröder verglichen wird, dann muss man Wissenschaftsrat angemahnt und das sagt auch der Präsi- zur Kenntnis nehmen, dass dazwischen die deutsche dent der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wir erwar- Einheit, ein gewaltiger Kraftakt, gelegen hat, den dieses ten, dass sich auch die Bundesregierung diesem Thema Land, den wir erfolgreich gestemmt haben. Ich finde, es endlich stellt. gehört zur Redlichkeit dazu, dass man dies immer wie- der sagt, Herr Kollege Röspel. Es gibt im deutschen Forschungs- und Innovations- system durchaus mutmachende Aufbruchsignale – das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – bestreiten wir überhaupt nicht –, aber es gibt auch viele René Röspel [SPD]: Ja, das habe ich auch Baustellen. Aber wenn eine Bundesregierung überhaupt schon in der letzten Rede getan!) nicht in der Lage ist, sich auf Kritik einzulassen, dann bezweifeln wir, dass sie zu dem in der Lage ist, was die Nein, meine Damen und Herren, diese Koalition unter Gutachter immer wieder anmahnen: eine kritische, trans- der Regierung von hat nicht nur davon parente und ehrliche Bestandsaufnahme und ehrliche gesprochen, dass Forschung und Entwicklung wichtig Evaluation Ihrer Politik. Das leistet Ihre Stellungnahme sind, sondern sie hat dies wie keine Regierung in der in keiner Weise. Vergangenheit, in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wahrgemacht und in Forschung und Ent- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wicklung investiert. Das können Sie beklagen, bei der SPD und der LINKEN) (René Röspel [SPD]: Das beklagen wir über- haupt nicht!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Michael Kretschmer für die CDU/ und Sie können immer irgendwie daran herumkritteln, CSU-Fraktion. aber die deutschen Forschungsorganisationen, die deut- sche Wissenschaft sowie der hier vorliegende Bericht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sprechen eine ganz klare Sprache: Es wird anerkannt, (B) und die Menschen sind dankbar dafür, dass auf uns Ver- (D) Michael Kretschmer (CDU/CSU): lass ist, dass wir in diesem Bereich gemeinsam investie- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und ren. Herren! Für die Koalitionsfraktionen ist klar: Nur mit (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit kön- nen wir auf internationaler Ebene bestehen und unseren Sie haben drei Punkte angesprochen: den einheitli- Wohlstand im internationalen Vergleich auch in den chen Finanzierungsschlüssel, die steuerliche For- kommenden Jahren und Jahrzehnten erhalten. schungsförderung und das Kooperationsverbot. Zu allen drei Punkten möchte ich etwas sagen. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Sehr richtig!) Der einheitliche Finanzierungsschlüssel ist ein wich- tiger Teil der Überlegungen zu der Frage, wie man das Deshalb, meine Damen und Herren: Deutschland soll ein Wissenschaftssystem und die außeruniversitäre For- innovatives Industrieland sein und bleiben. schung in Zukunft neu aufstellt. Ich möchte nur eines zu (René Röspel [SPD]: Wir haben nichts bedenken geben: Als die Regierung von Wissenschafts- dagegen!) ministerin hier aktiv war, gab es nur ein Hauen und Stechen zwischen Ländern und Bund, Wir haben in den Krisen der vergangenen Jahre mehr weil sie permanent mit dem Kopf durch die Wand als deutlich gelernt, welch große Bedeutung die innova- wollte. tive Kraft und die technologische Leistungsfähigkeit un- seres Landes haben, um durch diese Krisen hindurchzu- (René Röspel [SPD]: Es gab auch ein paar kommen. Aus diesem Grund ist für uns vollkommen CDU-geführte Bundesländer, die blockiert ha- klar, dass wir in diesem Bereich weiter investieren müs- ben!) sen und jeder Euro, der in die Wissenschaft geht und für Sie hat per Dudenhausen-Erlass verfügt, dass sich die technologische Kooperation sowie für die Fachkräfteent- außeruniversitäre Forschung nicht mehr an den Fachpro- wicklung angewendet wird, gut angelegtes Geld ist. grammen des BMBF beteiligen konnte. Damit haben wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aufgeräumt. Wir haben heute eine ganz andere Koopera- tionskultur. Heute herrscht ein Klima, in dem über einen Wir investieren in den schweren Zeiten der Haus- einheitlichen Finanzierungsschlüssel gesprochen wird. haltskonsolidierung, in Zeiten, in denen wir eine Ver- schuldungsbremse haben, zusätzliches Geld in Milliar- (René Röspel [SPD]: Weil die Kultusministe- dengrößenordnungen in diesen Bereich und haben es rin in Baden-Württemberg eine andere ist! – 18372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Michael Kretschmer (A) Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre allerdings der erste Schritt, der passieren (C) Es gibt keinen Roland Koch mehr!) müsste. Wir reden dauernd von Bundesländern, die ihre Aufgaben nicht erfüllen können – vor allen Dingen Sie Ich bin froh darüber, dass neutrale Wissenschaftler die- erzählen davon. Sie sagen nicht, dass vor allen Dingen sen Gedanken aufwerfen. Wir sollten uns damit intensiv Länder, in denen die SPD regiert oder mitregiert, wie beschäftigen. Thüringen, Nordrhein-Westfalen, und jetzt Wir sollten allerdings nicht so tun, Herr Kollege Mecklenburg-Vorpommern, bei Wissenschaft und For- Röspel, als würde die Welt von diesem kleinen Raum schung kürzen. hier gesteuert. Wir leben vielmehr in einem föderalen Land. Das heißt, die Länder haben ein ganz gewichtiges (René Röspel [SPD]: Wer ist in Thüringen Wort mitzusprechen. Für meine Fraktion möchte ich noch einmal Ministerpräsidentin? – Ulrich ganz deutlich sagen: Wir wollen diese Diskussion füh- Kelber [SPD]: Thüringen hat eine CDU-Mi- ren, aber auf Augenhöhe mit den Ländern und nicht mit nisterpräsidentin!) erhobenem Zeigefinger. Das ist der größte Unterschied Wir werden in der nächsten Woche die Zahlen noch ein- zwischen unseren Fraktionen. mal miteinander diskutieren können. Vor allen Dingen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – tun Sie aber so, als könnten Sie für die Länder bestim- René Röspel [SPD]: Oha!) men und denen sagen, was richtig und was falsch ist. Wenn es um das Kooperationsverbot geht, müssen wir Wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir die als Allererstes – Grünen und die SPD überzeugt, dass die steuerliche For- schungsförderung in Deutschland eingeführt werden Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: soll. Das ist ein tolles Signal. Das war in den vergange- nen Jahren anders. Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Michael Kretschmer (CDU/CSU): Bei uns nicht! – René Röspel [SPD]: Nein, – ich bin sofort so weit – zur Kenntnis nehmen, dass nein! Es muss nur bezahlbar sein!) es eine gemeinsame Kommission von Bundesländern Ich habe da ganz andere Sachen gehört. Für die Koali- und Bundestag, geführt von Müntefering und Stoiber, tionsfraktionen ist klar, dass die steuerliche Forschungs- gab, in der auf Augenhöhe all das verhandelt wurde, was förderung ein wichtiges Instrument ist, das wir gerne wir dann, übrigens auch gemeinsam mit der SPD, umge- realisieren möchten. Aber, meine Damen und Herren, setzt haben. Wenn hier jetzt wieder Veränderungen ange- man muss ehrlich und redlich sein und seine Prioritäten mahnt werden, sollten wir darüber genau auf derselben (B) klar benennen. Augenhöhe diskutieren und nicht versuchen, uns gegen- (D) seitig Vorwürfe zu machen. (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ho- tels! – Zuruf des Abg. [SPD]) (Zurufe von der SPD) Wir haben unsere Prioritäten in den vergangenen Jahren Das führt mit Sicherheit nicht zu einem vernünftigen Er- und auch in diesem Jahr deutlich gemacht: Hochschul- gebnis. pakt, Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzini- tiative und viele andere Dinge. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

(René Röspel [SPD]: Alles SPD-Initiativen! – Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ulrich Kelber [SPD]: Hotelbettensteuersen- Das Wort hat Oliver Kaczmarek für die SPD-Frak- kung!) tion. Sobald finanzieller Spielraum für die steuerliche For- schungsförderung da ist, werden wir sie auch einführen. Oliver Kaczmarek (SPD): Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Ich finde Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin es in Ordnung, dass Sie Ihre Position in diesem Punkt schon etwas verwundert über den Verlauf der Debatte. geändert haben. Sie können gerne auch an diesen Projek- Ich habe das Gutachten gar nicht als eine Beurteilung ten mitwirken, meine Damen und Herren. des Regierungshandelns der schwarz-gelben Koalition (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gelesen, sondern als einen reichhaltigen Denkanstoß für Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: die Entwicklung von Innovationen in Deutschland. Wir hatten den ersten Antrag dazu geschrie- (Beifall bei der SPD) ben! Sie haben ein schlechtes Gedächtnis!) Vielleicht sollten wir uns mehr auf diesen Aspekt kon- Der letzte Punkt betraf die Frage des Kooperations- zentrieren. Sie listen hier – auch die Bundesregierung verbotes. Es wird in der kommenden Woche ja noch ein- hat das getan – alles nur akribisch auf, greifen aber keine mal Gelegenheit sein, intensiv darüber zu diskutieren. einzige Empfehlung der Kommission konstruktiv auf. Auch in der Diskussion darüber stört mich einiges. Ich Zur Redlichkeit – darauf ist hier ja schon eingegangen kenne keinen Antrag SPD-regierter Länder im Bundes- worden – gehört auch, zu sagen, dass die wesentlichen rat, in dem gefordert wird, dass das Kooperationsverbot Big Points, auf die sich die Forschungspolitik heute in aufgehoben wird. Deutschland bezieht, gar nicht von der schwarz-gelben (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!) Koalition eingeführt worden sind, sondern dass die ent- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18373

Oliver Kaczmarek (A) sprechenden Grundlagen während der rot-grünen Regie- (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Dazu hat jeder (C) rungszeit gelegt worden sind und die Hightech-Strategie, die Möglichkeit!) die so oft angesprochen worden ist, während der Großen Koalition in Angriff genommen worden ist. Das zu sa- Diese Diskriminierungsfreiheit ist ein konstitutiver Be- gen, hätte auch zur Redlichkeit gehört. Hier schmückt standteil des Internets. Wer das nicht versteht, hat das In- man sich mit fremden Federn. ternet nicht verstanden. Deswegen darf diese Diskrimi- nierungsfreiheit nicht allein dem Markt überlassen (Beifall bei der SPD) werden. Völlig richtig ist, dass der Bericht auch festhält, dass (Beifall bei der SPD) es eben nicht nur um Forschung und Entwicklung gehen darf, sondern dass auch nach dem gesellschaftlichen Nur kurz will ich ein weiteres Thema ansprechen; es Nutzen von Forschung und Innovation zu fragen ist; ist hier schon betont worden: Seit Jahren weist die Exper- denn nicht jede Innovation, nicht alles Neue ist zugleich tenkommission auf die bremsende Wirkung des Bil- ein Fortschritt. dungssystems in Deutschland für Innovationen hin. Die soziale Selektivität ist hier schon angesprochen worden. Für die SPD verbindet Fortschritt technologische Insgesamt will ich nur ein kleines Wort der Kritik an dem Innovation und wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaft- Bericht äußern. Aus meiner Sicht wird die Rolle der be- lichem und individuellem Wohlstand. Fortschritt soll ruflichen Bildung allenfalls am Rande benannt und die eben auch zu sozialer Sicherheit und demokratischer Bedeutung der beruflichen Bildung nicht ausreichend ge- Teilhabe der gesamten Gesellschaft beitragen. Wir müs- würdigt. Deshalb eine kleine Anregung für den Bericht sen auch erkennen: Das Fortschrittsverständnis der Ver- im nächsten Jahr: Das duale System der Berufsausbil- gangenheit stößt bezüglich Ressourcenverbrauch und dung gehört in Deutschland zu den wichtigsten Faktoren Klimaschutz an seine Grenzen. Nicht zuletzt deshalb ha- der Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesell- ben wir ja auch parteiübergreifend eine Enquete-Kom- schaft. Deshalb sollte es auch im nächsten Bericht aus- mission eingerichtet, die zum Ziel hat, einen alternativen führlicher beleuchtet und gewürdigt werden. Wohlstandsindikator zu entwickeln. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Vielleicht findet diese Verbindung von gesellschaftli- Das Kooperationsverbot war hier schon Thema. Ob chem Fortschritt und Innovation derzeit ihren deutlichs- Bewegung in diese Diskussion kommt, werden wir in ten Ausdruck in der Bedeutung und Nutzung des Inter- der nächsten Woche sehen, wenn wir die Debatte hier im nets. Innovation ohne das Internet kann zumindest ich Deutschen Bundestag führen. (B) (D) mir nicht vorstellen. Deswegen widmet die Experten- Zu den Vorschlägen: Die Bundes-SPD – so viel zum kommission diesem Thema einen breiten Raum und Thema Augenhöhe – hat unter Beteiligung vieler Kultus- zeigt auf, dass das Internet zumindest derzeit der größte minister und Ministerpräsidenten der SPD einen Vor- und dynamischste Raum für Innovationen ist. Der schlag erarbeitet, der es dem Bund und den Ländern Schutz dieses innovationsfreudigen Raumes war auch erlauben soll, gemeinsam Bildungsaufgaben zu finanzie- Teil einer Debatte von heute Morgen, als die Enquete- ren. Es wäre gut, wenn dies gelänge. Das sage ich ganz Kommission ihren Zwischenbericht vorgelegt hat. Der offen. Anders geht es auch gar nicht. Es wäre gut, wenn Schutz dieses innovationsfreudigen Raums ist eine for- wir im Bundestag einen breiten Konsens darüber finden schungspolitische Aufgabe von, wie ich meine, größter würden, dass wir diese Aufgabe angehen und das Ko- Bedeutung. Die Expertenkommission weist zu Recht da- operationsverbot aufheben. rauf hin, dass der Erhalt des offenen und neutralen Inter- nets im Widerspruch zu möglicher Preisdifferenzierung, (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Der Bun- Zugangsgebühren oder Marktallianzen steht. Sie sieht desrat ist der richtige Ort, nicht der Bundestag! die Netzneutralität – wörtliches Zitat – akut gefährdet. Fassen Sie einen Beschluss im Bundesrat, An der Stelle sind wir uns womöglich auch noch einig. dann reden wir weiter! – Gegenruf des Abg. René Röspel [SPD]: Dann brauchen wir auch Uneinig sind wir uns in der Frage, wie man diesen noch die Bayern!) Raum für Forschung und Innovation, aber auch für an- dere Entwicklungen schützen kann. Aus meiner Sicht ist – Auch im Bundesrat, aber es wäre schön, wenn der es eine wichtige Voraussetzung, dass Daten im Internet Bundestag auch dieser Meinung wäre. Sie können davon diskriminierungsfrei transportiert werden können. Es ausgehen, dass die sozialdemokratischen Ministerpräsi- darf kein Privileg für einzelne Anbieter mit Marktmacht denten den Änderungsvorschlag im neuen Art. 104 c GG geben. Deswegen wollen wir im Unterschied zur Koali- mittragen werden. Ich weise aber darauf hin, dass dies tion die Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz nicht das Einzige ist. Sie müssen auch dafür sorgen, dass verbindlich festschreiben. die Länder ihre hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen (Beifall bei der SPD) können. Dazu gehört es auch, auf Steuerentlastungen zu verzichten und zusätzliche Mittel für Bildung bereitzu- Jeder Mensch muss im Internet grundsätzlich zu jedem stellen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir darüber Inhalt freien Zugang haben und Inhalte selbst anbieten eine Diskussion führen werden, weil die Gesellschaft können, selbstverständlich nur Inhalte, die sich im Rah- viel weiter ist als die Diskussion, die wir hier in diesem men von Recht und Gesetz bewegen. Raum führen. 18374 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Oliver Kaczmarek (A) Meine Damen und Herren, es stimmt: Deutschland ist ternehmen die Standortpolitik in Deutschland als gut. (C) ein innovationsfähiges und innovationsfreudiges Land. Das ist ein großer Erfolg. Das liegt vor allem an den vielen Menschen, die tagtäg- lich in Bildung, Wissenschaft und Forschung und in den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Betrieben daran arbeiten. Innovationen bringen die Ge- Das alles haben wir trotz Finanz- und Wirtschaftskrise sellschaft jedoch nur dann weiter, wenn wir die Debatte und trotz Euro-Schuldenkrise erreicht. Daran hat die darüber zulassen, welchen gesellschaftlich und ökolo- Forschungs- und Innovationspolitik einen großen Anteil. gisch nachhaltigen Ertrag Innovationen bringen. Des- halb ist es gut, dass uns die Expertenkommission als Am Ende der Legislaturperiode werden wir gegen- Ratgeber zur Verfügung steht. Ich würde mich freuen, über 2005 – die Zahl ist schon mehrfach genannt wor- wenn wir zukünftig wieder mehr über die einzelnen den, aber sie muss auch heute wieder genannt werden – Empfehlungen diskutieren würden. einen Zuwachs des Bildungs- und Forschungsetats im Bundeshaushalt um sage und schreibe 74 Prozent haben. Vielen Dank. Das ist mit Ausnahme des asiatischen Raums weltweit (Beifall bei der SPD) die Spitzenposition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin : Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die In der Tat kann man sagen: Das EFI-Gutachten ist Unionsfraktion. kein Gefälligkeitsgutachten, sondern es zeigt uns, an welchen Stellen es noch etwas zu tun und zu verbessern (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gibt. Frau Sitte und Frau Sager, an allen Punkten, die Sie neten der FDP) aufgeführt haben, arbeiten wir im Augenblick. Da die Legislaturperiode nicht zwei Jahre, sondern vier Jahre Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): umfasst, ist es vernünftig, sich ein Programm für die Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- Dauer von vier Jahren vorzunehmen und nicht alles in ren! Frau Sitte, es ist natürlich und zum Glück kein Ge- das erste Jahr hineinzupacken. Wir werden in den nächs- fälligkeitsgutachten. Dennoch gefällt uns die zentrale ten zwei Jahren die anderen Punkte abarbeiten. Botschaft des EFI-Gutachtens sehr wohl. Diese Bot- (René Röspel [SPD]: Die Zeit wird aber schaft lautet nämlich, dass die Innovationskraft Deutsch- knapp!) lands exzellent ist. Das EFI-Gutachten belegt dies mit Schlüsselindikatoren. Ich zitiere aus dem Gutachten: Die Der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen Innovationskraft einer Volkswirtschaft bemisst sich an (B) ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Deswegen werden (D) den Patentanmeldungen. Hier liegt Deutschland welt- wir an der Einführung der steuerlichen Forschungsförde- weit nach der Schweiz auf dem zweiten Platz. – Das rung in dieser Legislaturperiode festhalten, sobald der EFI-Gutachten lobt explizit den massiven Mittelzuwachs Haushalt das zulässt. Wenn Sie die Medienberichterstat- zur Erreichung des 10-Prozent-Zieles, die Hightech- tung der letzten Wochen verfolgt haben, dann wissen Strategie, die Anstrengungen bei der Elektromobilität Sie, dass sowohl bei der Klausurtagung der CSU in und in vielen anderen Bereichen. Kreuth als auch bei der CDU-Vorstandstagung in Kiel Während die Länder um uns herum in Arbeitslosig- explizit Beschlüsse gefasst wurden, in denen diese keit und in Verschuldung versinken, wird Deutschland Punkte enthalten sind. Diese Beschlüsse wurden von al- von Tag zu Tag stärker. len und nicht nur von den Forschungspolitikern mitge- tragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vor einer Sache möchte ich warnen: Jeder, der sich Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wie- mit Innovationspolitik in Deutschland beschäftigt, ver- dervereinigung und mehr Lehrstellen als jugendliche Be- steht, dass man den Mittelstand nicht gegen die Großin- werber. Hingegen erleben wir, dass in anderen Ländern dustrie ausspielen kann. Europas die Jugendarbeitslosigkeit 40 Prozent und mehr beträgt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) All diese Erfolge wären ohne Forschung und ohne die Eine steuerliche Forschungsförderung muss sowohl den Kraft zur Innovation nicht möglich. Deutschland belegt Mittelstand als auch die Großindustrie, also den gesam- in der Tat Spitzenplätze im weltweiten Standortvergleich. ten Standort, umfassen, weil nämlich vernetzt geforscht Deutschland belegt – das wurde bereits gesagt – Platz vier und entwickelt wird. Man darf also nicht den einen ge- beim Innovationsindikator der Stiftung Telekom und gen den anderen ausspielen. Platz vier beim weltweiten Vergleich der Europäischen Ähnliches gilt für die Themen Wagniskapital und Union. Auch andere Untersuchungen zeigen, dass wir in Business Angels, bei denen wir nach wie vor strukturelle den letzten Jahren in sehr großer Anzahl Spitzenplätze bei Defizite haben. Ich sage an dieser Stelle aber auch, dass den Indikatoren einnehmen. wir in der Großen Koalition nicht die Kraft hatten, in Was sagt der Mittelstand zu diesen Entwicklungen? diesem Bereich etwas Vernünftiges hinzubekommen. 2005 haben bei Befragungen nur 10 Prozent der mittel- Auch daran arbeiten wir im Augenblick. Wir werden ständischen Betriebe gesagt, dass die Standortpolitik in auch da Verbesserungen erreichen, sobald der Haushalt Deutschland gut ist. Heute bewerten 77 Prozent der Un- dies zulässt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18375

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C) Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung Das ist doch gar nicht das Thema!) des Kollegen Rossmann? Deswegen ist es entscheidend, dass im Wettbewerbsver- gleich zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Deutschland und anderen Ländern Deutschland auch im Ja. Bereich der Großindustrie punktet. Ich stimme Ihnen zu – das ist unser Konzept –, dass der Mittelstand höhere Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Sätze bekommen soll. Herr Rupprecht, wir sind in Bezug auf die steuerliche (René Röspel [SPD]: Das wird immer teurer!) Förderung etwas erregt, weil es von Ihnen und vor allem vonseiten der Ministerin schon Presseerklärungen und Unser Vorschlag ist, dass der Mittelstand dreimal höhere Ankündigungen gab, dass diese Förderung in den Jahren Sätze bekommt als die Großindustrie bzw. die Großindus- 2010 und 2011 eingeführt werden sollte. Es ist immer trie entsprechend niedrigere Sätze, aber trotzdem davon wohlfeil zu sagen, dass man daran arbeitet. Meine Frage partizipiert. Wenn Sie mich persönlich fragen – darüber ist daher: Wann wird diese steuerliche Förderung kom- gibt es keinen Beschluss der Koalitionsfraktionen –, ob men? ich der Meinung bin, dass man im Zweifelsfalle mit einer Mittelstandskomponente beginnen sollte, um den Ein- Ich habe noch eine zweite Frage. Halten Sie den Un- stieg zu schaffen, so sage ich: Wenn wir feststellen, dass terschied zwischen 600 Millionen und 2 Milliarden Euro uns in einem Jahr nach wie vor die Euro-Schuldenkrise, für relevant? Ist heute Ihre Botschaft, dass dieser Unter- die Haushaltskonsolidierung und anderes den großen schied keine Relevanz hat? Dann müssten Sie ja – um Wurf erschweren, dann sollte man mit einem kleinen meine Frage einzuleiten – zu einer Differenzierung kom- Schritt anfangen. Ich teile aber nicht die Position von men. Meine Frage ist: Sind Sie zur Differenzierung be- Frau Sager, dass man auf Dauer die Großindustrie drau- reit, oder schließen Sie eine Differenzierung aus? ßen lassen sollte.

Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zum ersten Punkt, zum Zeitablauf. Sie werden nicht Wir brauchen bei all diesen steuerlichen Maßnahmen gehört haben, dass ich mich abschließend auf einen Ein- natürlich die Zustimmung der Ministerpräsidenten. Ich führungszeitpunkt festgelegt habe; denn ich bin mir be- stelle die Frage an Sie, ob Sie es gewährleisten können, wusst, dass das ein Thema für die ganze Legislaturperiode dass die SPD-Ministerpräsidenten den steuerlichen Maß- ist und dass wir angesichts der großen Krisen im Augen- nahmen auch zustimmen können? (B) blick beim Haushalt ganz klar Prioritäten zu setzen haben. (D) Deswegen haben sich die Pressemeldungen auf das Kon- Beim Kooperationsgebot und bei der Verfassungsfrage zept bezogen, das wir einführen wollen. Der Ablauf war stimmen wir mit Ihnen überein, dass wir für die befriste- in der Unionsfraktion ganz klar. Ähnlich war es bei den ten Pakte, sobald sie auslaufen, eine längerfristige Lö- FDP-Kollegen. Wir haben zunächst intern in den Fraktio- sung brauchen. Deswegen wird in wenigen Tagen der nen Eckpunkte formuliert. Diese Eckpunkte liegen vor. Wissenschaftsrat beauftragt, bis 2013 einen Vorschlag Diese haben in der Unionsfraktion einen sehr ausführli- vorzulegen. Zur Wahrheit gehört aber auch, sehr geehrte chen Diskussionsprozess ausgelöst. Zum Schluss gab es Damen und Herren, dass es noch nie so viel Kooperation einen Beschluss aller fachpolitischen Gremien, der be- und noch nie so viel Geld des Bundes für originäre Län- sagt: Wir wollen das. Eine entscheidende Frage ist noch deraufgaben im Bereich der Bildung gab wie heute: offen: Wann soll das in dieser Legislaturperiode sein? Das Hochschulpakt, Bildungspaket, Bildungsketten und vie- ist eine Frage der Finanzierung. Ich glaube, das ist ver- les andere mehr. Zu behaupten, derzeit wäre es nicht mög- nünftig. Alles andere würde die Bevölkerung nicht ver- lich, dass wir im Bereich der Bildung vonseiten des Bun- stehen. des den Ländern unter die Arme greifen, ist eine Falschaussage. Im Gegenteil. Im Augenblick tun wir das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) so stark wie noch nie. Herr Rossmann, ich will noch Ihre zweite Frage beant- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) worten. Sie fragten nach der Differenzierung. Noch ein- Ich muss leider zum Ende kommen. Gerne würde ich mal: Ich bin mit Blick auf die Vernetzung von Innovatio- noch etwas zum Thema Fachkräfte sagen. Dazu steht nen der festen Überzeugung, dass sich der Mittelstand in nicht nur etwas im EFI-Gutachten, sondern das Kabinett Deutschland nicht entwickeln kann, wenn es keine Groß- hat auch bereits ein Maßnahmenbündel beschlossen, das industrie gibt. Der Mittelständler, der der Automobilin- insbesondere Absolventen ausländischer Hochschulen in dustrie zuliefert, der Mittelständler, der als Maschinen- Deutschland das Aufenthaltsrecht erleichtert, was wir bauer zuliefert, braucht Innovationsnetzwerke mit der auch wollen. Dies werden wir im Frühjahr auch im Großindustrie. Deutschen Bundestag beschließen. Summa summarum (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: heißt das, dass wir die Punkte, die in dem EFI-Gutachten Das ist doch gar nicht das Thema!) angesprochen sind, in der Legislaturperiode sehr wohl bearbeiten und auch umsetzen werden. – Frau Sager, es bringt uns nichts, wenn EADS nach Pa- ris geht, weil der Mittelständler dann in Paris zuliefern Lassen Sie mich zum Schluss kommen. 2005, als wir wird. die Regierung übernommen haben, betrug die Arbeitslo- 18376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012

Albert Rupprecht (Weiden) (A) sigkeit 5 Millionen. Jetzt, nach sieben Jahren, gibt es so modernen Industrie- und Technologiestandort –, nämlich (C) viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie noch dem Saarland, weiß ich um die Bedeutung dieser Pro- nie. Wir haben eine so geringe Arbeitslosigkeit wie seit gramme, wie etwa das Zentrale Innovationsprogramm 20 Jahren nicht. Das ist auch eine Leistung unserer Inno- Mittelstand, das für die Unternehmen vor Ort wirklich vations- und Forschungspolitik. sehr wichtig ist. Dieses Programm haben wir gerade wieder um 500 Millionen Euro aufgestockt. Solche Pro- Danke schön. gramme sind wichtig; sie sind wirkungsvoll, sie sind ef- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fektiv, und davon profitieren alle. Das sind die Gründe für den Erfolg Deutschlands in der Welt. Vizepräsidentin Petra Pau: Allerdings dürfen wir uns darauf nicht ausruhen; da Kollege Rupprecht, gestatten Sie mir den Hinweis: gebe ich Ihnen völlig recht. Die Konkurrenz schläft Die mehrfache Ankündigung des Endes der Rede ersetzt nämlich nicht. China beispielsweise fördert seine FuE- nicht den Schlusspunkt. Tätigkeiten jährlich mit 100 Milliarden Euro. Auch an- Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin dere Regionen und Staaten streben dynamisch voran. Nadine Schön für die Unionsfraktion das Wort. Wir dürfen mit den derzeitigen guten Plätzen nicht zu- frieden sein; wir müssen vielmehr immer besser werden, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wenn wir diese Spitzenpositionen verteidigen wollen. Deshalb brauchen wir noch innovationsfreundlichere Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Rahmenbedingungen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Was wir uns vorstellen, haben die Kollegen bereits Kollegen! Ich kann nahtlos an den Kollegen Rupprecht angesprochen: zunächst die steuerliche Forschungsför- anschließen: Ja, wir können stolz sein auf unser Land. derung. Egal ob Weltkonzern oder innovativer Mittel- Deutschland gehört im Vergleich von 26 Industrielän- stand – in unseren Gesprächen vor Ort hören wir immer dern zu den vier innovativsten Standorten weltweit. Zu wieder, dass die steuerliche Forschungsförderung in den diesem Ergebnis kam unlängst der Innovationsindikator Betrieben ein wichtiges Thema ist. Auch das EFI-Gut- 2011. achten empfiehlt ein solches Instrument. Das ist ein sehr großer Erfolg, vor allem, wenn man Wir wissen sehr wohl: Man muss die steuerliche For- weiß, dass wir 2005 noch auf dem zehnten Platz lagen. schungsförderung mit Bedacht angehen. Auch Sie haben Unter CDU/CSU-geführten Regierungen sind wir in die sie in Ihrer Regierungszeit nicht umgesetzt. Natürlich ist Weltspitze aufgerückt; und darauf können wir wirklich die Haushaltskonsolidierung immer unser prioritäres (B) stolz sein. Ziel; das sage ich vor allem als junge Abgeordnete. Mei- (D) (Beifall bei der CDU/CSU) ner Meinung nach liegen jetzt gute und machbare Vor- schläge auf dem Tisch. Wir wissen um die Chancen die- Der Innovationsindikator wie auch das EFI-Gutachten, ses Instruments. Deshalb sollten wir diese Ideen nicht über das wir heute reden, sagen ganz klar: Deutschland aus den Augen verlieren. ist auf Erfolgskurs. Wir sind innovativ, wir sind inter- national konkurrenzfähig, und wir haben gute Zukunfts- (René Röspel [SPD]: Das ist mal eine klare perspektiven. Aussage!) Was sind die Gründe für den Erfolg? An erster Stelle Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Wagniskapital. sind es die Investitionen. Trotz Krise – das haben die Unser Problem: In Deutschland entstehen die Ideen, um- Kollegen bereits gesagt – hat Deutschland in den letzten gesetzt werden sie aber in anderen Ländern. Neben MP3 Jahren konsequent in Bildung und Forschung investiert. und der Tintenstrahltechnik gibt es viele weitere Bei- Seit 2005 sind die Ausgaben des Bundes in diesem Be- spiele: Die Ideen wurden in Deutschland entwickelt, in reich um 42 Prozent gestiegen. amerikanischen oder asiatischen Unternehmen jedoch wurden sie zu marktfähigen Produkten gemacht. Wir Als Mitglied des Wirtschaftsausschusses will ich auch aber wollen, dass in Deutschland nicht nur die Ideen ent- die Privatwirtschaft erwähnen. Auch hier sind die Aus- stehen, sondern dass hier aus den Ideen auch Produkte gaben in Forschung und Entwicklung gestiegen, und werden und die entsprechende Wertschöpfung in zwar um 20 Prozent seit 2005. Das ist eine beachtliche Deutschland stattfindet. Denn nur dann profitieren wir Zahl; sie muss auch erwähnt werden. Diese Investitionen alle von den Innovationen. sind der Treibstoff für Innovationen. Sie sind der Grund dafür, weshalb unser Land gerade in der aktuellen Krise (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) so gut dasteht. Das wird in allen Studien positiv heraus- Der Knackpunkt dabei ist oft die Finanzierung auf dem gestellt. langen Weg von der Idee zum Produkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Für die Finanzierung haben wir den High-Tech- Gelobt werden in den Gutachten neben den Investitio- Gründerfonds, seit vergangenem Jahr sogar den Grün- nen auch die Programme der Bundesregierung, vor al- derfonds II, mit großen Investitionen von Staat und Un- lem die Hightech-Strategie. Als Abgeordnete, die aus ei- ternehmen. Das ist eine tolle Sache mit wirklich großer nem Land kommt, das sich gerade im Strukturwandel Wirkung. Allerdings reicht das nicht: Wir brauchen in befindet – weg von der Montanindustrie, hin zu einem Deutschland – das sieht man im Vergleich mit anderen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2012 18377

Nadine Schön (St. Wendel) (A) Ländern – noch mehr privates Kapital, zum einen für die begleitende Berlin/Bonn-Gesetz, das die Aufteilung der (C) Gründungsphase, zum anderen für die ganz entschei- Bundesregierung auf die beiden Standorte Berlin und dende Wachstumsphase. Auch hier liegen gute Vor- Bonn regelte. Die Teilung der Bundesregierung war da- schläge unsererseits auf dem Tisch, an die wir in den mit ein Preis für die deutsche Einheit. Seit vielen Jahren nächsten Monaten herangehen wollen. schlägt Ihnen die Fraktion Die Linke die Wiedervereini- gung der Bundesregierung in Berlin vor. Da sagen Sie Liebe Kolleginnen und Kollegen, Innovationen ent- einmal, dass Sie hier keine lustvolle und kreative Oppo- stehen vor allem in einer Gesellschaft, die Innovationen sition haben! will, die sie akzeptiert und zulässt. Deshalb brauchen wir neben all den Rahmenbedingungen vor allem innovative (Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland Köpfe. Wir brauchen Menschen, die Lust haben, etwas [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Bei Ih- zu erfinden, etwas zu tun. Das geht mit dem Spaß am nen denke ich nicht sofort an „lustvoll“, Herr Tüfteln im Kindesalter los, geht mit dem Erfindergeist in Kollege!) den Schulen weiter und mündet schließlich in dem Mut, Die Linke garantiert: Keinem Bonner wird es sich selbstständig zu machen, mit seinen Ideen nach au- schlechter gehen. Die Fakten 2012 sind aber: Fast die ßen zu gehen und den Mut zu haben, sich mit seinem Hälfte der Regierungsmitarbeiter ist nach wie vor am Produkt dem Markt zu stellen. Standort Bonn. Auf der anderen Seite sind alle der Bun- desstadt Bonn versprochenen Ausgleichsmaßnahmen Dazu braucht es auch eine Gesellschaft, die für neue – im Sinne der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie des Technologien, Fortschritt und Unternehmertum, aber Erhalts und der Fortführung des Betriebs von Liegen- auch für Risiko offen ist. Daran, liebe Kolleginnen und schaften – seit 2005 bei weitem übererfüllt, unter ande- Kollegen, können wir alle arbeiten. Jeder von uns kann rem durch die Ansiedlung von 19 UN-Behörden. etwas dazu beitragen und mithelfen, dass wir ein innova- tives und erfolgreiches Deutschland und eine gute Zu- Diese Teilung erweist sich inzwischen als außeror- kunft haben. dentlich uneffektiv für das Regierungshandeln: Die Ent- scheidungsfindung dauert zu lange und wird durch büro- Vielen Dank. kratische Teilung behindert. 170 Beamte des Bundes (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sind auch in dieser Minute, in der wir jetzt debattieren, in der Luft, zwischen Berlin und Köln/Bonn. In jüngster Zeit haben wir erfahren: Die Teilung der Regierung ist Vizepräsidentin Petra Pau: für akutes Reagieren in Krisensituationen absolut un- Ich schließe die Aussprache. tauglich. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf (B) (Beifall bei der LINKEN) (D) Drucksache 17/8226 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Natürlich ist Bonn eine wunderschöne Stadt, in der verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung auch ich zeitweilig gern gelebt habe. so beschlossen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: NEN]: Aha! – Ulrich Kelber [SPD]: Da sehen Sie mal, wie tolerant wir in Bonn sind!) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland Aber wie soll ein Absolvent einer britischen Universität, Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. , der Bundesbeamter werden will, seiner englischen Part- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE nerin auf dem Weg nach Deutschland erklären, dass der LINKE Weg nicht in die Bundeshauptstadt Berlin, sondern nach Beendigungsgesetz zum Berlin/Bonn-Gesetz Bonn führt? – Drucksache 17/2419 – (Ulrich Kelber [SPD]: Das Argument hat mich Überweisungsvorschlag: jetzt überzeugt!) Haushaltsausschuss (f) Die Linke stellt einen Antrag, der moderat und reali- Innenausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung tätsnah ist und dem Sie sich – das glaube ich – auch an- schließen können. Wir nehmen Institutionen, wie bei- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die spielsweise das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre Deutschland, die in der Region Köln/Bonn inzwischen keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. fest verankert sind, selbstverständlich aus unseren Um- zugsabsichten aus. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege für die Fraktion Die Linke. (Ulrich Kelber [SPD]: Echt? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie (Beifall bei der LINKEN) großzügig!)

Roland Claus (DIE LINKE): Nun wird mir gelegentlich vorgehalten, die Linke in Bonn und Köln vertrete dazu eine andere Position. Das Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! stimmt ja auch. Ich sage allerdings: Na und? Das ist bei Vor 21 Jahren wurde die deutsche Teilung überwunden. allen anderen Fraktionen auch so. Vier Jahre danach folgten der Beschluss zum Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin und das ihn (Zuruf von der FDP: Nein!)