Die DEFA-Filmkomödie Anfang der 1960er Jahre Filmgespräch DEFA-Verbotsfilm

In der ersten Hälfte der 1960er Jahre unternahmen einige Vor Filmstart wird der Filmpublizist Klaus-Dieter Felsmann DEFA-Regisseure den Versuch, mit Genre-Filmen ihr Pub- kurz in den Filmabend einführen. Nach der Präsentation des likum zu erreichen. Meisterwerke entstanden zwar nicht, Films „Hände hoch oder ich schieße“ ist ein Filmgespräch HÄNDE HOCH bemerkenswert ist aber die große Unbefangenheit, mit geplant. der sie ihre Zuschauer zu unterhalten versuchten. Typisch KLAUS-DIETER FELSMANN hat in Berlin Germanistik und Ge- ODER ICH war, dass auch für die Unterhaltungsgenres damalige Re- schichte studiert. Er arbeitet als freier Publizist, Medienbe- alität in den Blick genommen und stets ernsthafte Gegen- rater und Moderator. Außerdem ist er Hauptausschutzvorsit- SCHIESSE stände behandelt wurden. Neben wurde zender bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (1965) in dieser Zeit Rolf Herricht als Komiker für den DEFA-Film (FSK) sowie Prüfausschutzvorsitzender und Prüfer bei der entdeckt. Er eignete sich besonders für die komische Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Er veröffent- Variante des ängstlichen Kleinbürgers, der sich überall licht regelmäßig Beiträge in TV-Diskurs und im Filmdienst, durchmogelt und nur manchmal aufbegehrt. Damit besa- ist u. a. Herausgeber der kopäd-Reihe „Buckower Medien- ßen seine Figuren sicherlich großes Identifikationspoten- gespräche“ und Verfasser zahlreicher Publikationen. Zuletzt zial für so manchen DDR-Bürger. Eine solche Heldenwahl erschien „Klang der Zeiten: Musik im DEFA-Spielfilm – Eine entsprach jedoch nicht den Vorstellungen, die sich die Annäherung“ (2013). DER DDR-Kulturpolitik von dem in der Kunst darzustellenden Menschentyp machte. Die Karikierung der Verhältnisse in RESERVE- den „bewaffneten Organen“ wie der NVA in „Der Reserve- DEFA-Verbotsfilme held“ oder der Polizei in „Hände hoch oder ich schieße“ HELD Im Dezember 2015 jährt sich zum 50. Mal das umfassendste (1964) missfiel einigen Genossen. Dass von den mehr oder we- Filmverbot der deutschen Kinogeschichte: 1965/66 wurden niger harmlosen Komödien die zweite dann dem Verbot nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED nahezu zum Opfer fiel, ist wohl auf das Entstehungsjahr 1965 zu- die gesamte Jahresproduktion der DEFA in verschiedenen rückzuführen. Kaum ein Film aus diesem Jahr fand nach Produktionsstadien gestoppt und zwölf Filme verboten. Im dem „Kahlschlagsplenum“ den Weg an der Zensur vorbei. Rahmen einer Filmreihe laufen alle diese damals verbote- „Der „Reserveheld“ hatte das „Glück“ zu diesem Zeit- nen Filme vom 20.–30.11. im Kino mon ami Weimar. Der punkt schon vor einem dreiviertel Jahr im Kino gestartet acht Jahre später entstandene, aber ebenfalls verbotene zu sein, auch wenn er später nur noch sehr selten gezeigt Film „Die Taube auf dem Dach“ (1973/90/2010) wird be- wurde. reits am 18.11. in Arnstadt gezeigt. In Sondershausen folgt am 19.11. eine Vorführung des Verbotsfilms „Hände hoch oder ich schieße“ (1965/2009) mit Rolf Herricht, der in ei- ner Veranstaltung mit dem in Sondershausen entstandenen Film „Der Reserveheld“ gezeigt wird. Sowohl in Arnstadt als FILMVORFÜHRUNG auch in Sondershausen steht der Filmjournalist Klaus-Dieter Felsmann als Gesprächspartner zur Verfügung. 19. November 2015 · 18.30 Uhr BÜRGERZENTRUM CRUCISKIRCHE Kontakt: Filmgespräch mit Landeszentrale für politische Bildung KLAUS-DIETER FELSMANN Thüringen Referat 4 (Wieland Koch) Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt Eintritt: frei Telefon: (0361) 37 92 740 Text- und Bildquellen: DEFA-Stiftung und Deutsche Kinemathek, Christiane Mückenberger, Ralf Schenk - Das zweite Leben der Film- Telefax: (0361) 37 92 702 stadt Babelsberg, DEFA-Spielfilme 1946–1992. Berlin 1994 www.lzt-thueringen.de HÄNDE HOCH ODER ICH SCHIESSE DER RESERVEHELD

Die ursprünglich als Der berühmte Filmschauspieler Horricht ist in den Stand Wirtschaftsplenum der Ehe getreten, doch die ersehnten Flitterwochen fallen geplante Tagung dien- aus. Er wird von zwei Polizisten zwangsvorgeführt, weil te der Abrechnung mit er den Einberufungsbefehl zur Reserve versehentlich ver- kritischen Kunst- und brannt hat. Der Versuch, sich zu drücken, schlägt fehl. Er Kulturschaffenden der muss seinen Reservistendienst in der Kaserne im Thürin- DDR. So wurden aktu- gischen Sondershausen antreten. Die anderen Soldaten elle Filmproduktionen­ bewundern und verhätscheln den Star, nur Hauptmann verboten, deren Re- Hottas, genannt Dynamit, nicht. Als Horrichts frisch ange- gisseure es wagten, traute Susanne zu Besuch in die Garnison kommt, zeigt die Gesellschaft der Hottas sich plötzlich von der netten Seite. Horricht vermu- „Hände hoch oder ich schieße“ erzählt die Geschichte des Zeit zu kritisieren und tabuisierte Themen an- und aus- tet, dass er mit seiner Frau flirtet und liest ihm, als Gene- Volkspolizisten Holms, der in einer Kleinstadt im Süden der zusprechen. Im Februar 1966 fand nach der ersten Roh- ral verkleidet, die Leviten. Der Vorgesetzte hat jedoch ein DDR zunehmend daran verzweifelt, dass er aufgrund der schnittabnahme von „Hände hoch oder ich schieße“ eine Einsehen. Horricht revanchiert sich, indem er fortan einen niedrigen Kriminalitätsrate nichts mehr zu tun hat. Seine da- Aussprache mit der Studioleitung statt, bei der Schnitt-, guten Soldaten abgibt. mit verbundenen Depressionen versucht er bei einem Psy- Kommentar- und Dialogänderungen festgelegt wurden. Der Film „Der Reserveheld“ entstand 1964 in Sondershau- chiater zu kurieren. Zugleich träumt er sich nach London, wo Der Autor Rudi Strahl und Regisseur Hans-Joachim Kas­ sen und erlebte am 27. Februar 1965 im Theater der er auf Gangsterjagd geht. Um ihm aus der Krise zu helfen, przik erstellten eine Liste mit 22 „Korrekturen“, die provo- Freundschaft in Sondershausen seine Premiere. Obwohl entführen befreundete Kleinganoven ein „feudalistisches kante Aussprüche und Kommentare verharmlosen sollten. unmittelbar nach dem Start ein Publikumserfolg, wurde Denkmal“ vom Marktplatz. Während der anschließenden Trotz starker Einschnitte wurde der anspielungsreichen der Film später nie mehr im Kino gezeigt: Der komödian- Verfolgungsjagd gelingt es Holms, seine Niedergeschla- Komödie die Zustimmung verweigert. tische Blick auf die NVA schien bald nach der Premiere genheit zu überwinden und sogar eine heimlich angebete- Mit dem Verdikt, der Film setze die Arbeit der Staats- wohl das Missfallen der DDR-Kulturwächter zu erregen, te Frau für sich zu gewinnen. Der Lustspielautor Rudi Strahl und Sicherheitsorgane ins falsche Licht und entspräche ganz gleich, wie harmlos diese Kritik auch daherkam. (1931–2001) schrieb den Film für Rolf Herricht (1927–81), nicht den „gegenwärtigen Aufgaben zur stärkeren Be- einen der beliebtesten Charakterkomiker der DDR. Regis- kämpfung der Kriminalität“, wurde die Komödie erstmals seur Hans-Joachim Kasprzik (1928–97) besetzte auch die verboten. Nach erneuter Sichtung 1970 bestätigte die weiteren Rollen mit nahezu allen zur Verfügung stehen- Behörde das Verbot „aus kulturpolitischen Gründen“. den komischen Darstellern des Landes wie Herbert Köfer, Ein Theaterlustspiel von Drehbuchautor Rudi Strahl nach Otto Stark, Eberhard Cohrs, Agnes Kraus, Gerd E. Schäfer, derselben Idee wurde jedoch genehmigt. In den Jahren Hans-Joachim Preil, Manfred Uhlich, Fred Delmare und an- 2008/2009 erfolgte eine Rekonstruktion des Films auf dere. der Grundlagen des in 570 Filmbüchsen beim Bundes- archiv-Filmarchiv lagernden Materials. Am 28. Juni 2009 erlebte mit „Hände hoch oder ich schieße“ Die Geschichte des Films endlich auch der letzte Verbotsfilm von 1965 im Die Gangsterkomödie „Hände hoch oder ich schieße“ geriet Kino International in Ber- nach Beendigung der Dreharbeiten, die 1965 in Altenburg, lin seine Premiere. Naumburg, Quedlinburg und Leipzig stattfanden, im Januar 1966 wie viele andere DEFA-Filme dieser Zeit in die Mühlen des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED.