Das Gespräch Mark Tavassol Und Judith Holofernes Von Der Band

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Das Gespräch Mark Tavassol Und Judith Holofernes Von Der Band 416. APRIL 05 MAGAZIN MAGAZIN516. APRIL 05 FRANKFURTER RUNDSCHAU FRANKFURTER RUNDSCHAU Fotos: EMI Music LTD/Gerald von Foris hut ab, udo Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass auf Deutsch nicht nur Schlager gesungen werden? Nena, Ideal, Extrabreit? Unsere Autorin hat einen anderen Favoriten: Eine Hymne auf Udo Lindenberg. Ja, man kann. Aber nur, wenn er Udo Lindenberg heißt. Denn da gab es noch die 15 Jahre vorher. Vielleicht lag’s an der Pubertät, vielleicht an Jürgen Marcus („Schmetter- linge können nicht weinen“). Jedenfalls war Udo eine Offenbarung. Da sang einer ganz große Prosa, so richtige Geschichten, du, von der Straße halt, Geschichten von Rudi Ratlos und Elli Pyrelli – alles in Deutsch. Und lange vor dem, was man später die Welle nannte. Udo war der Erlöser für alle, die von der Zett-de-eff-Hitparade Herpes kriegten, aber noch nicht im besetzten Haus wohnten. Der Held für alle Früh- und Ewigpubertieren- den, weil er ihnen versprach, dass das Leben noch etwas zu bieten hatte: „Dann ging das los / wir waren wie besessen / wir konnten nicht mehr schlafen / wir konnten das gespräch nix mehr essen.“ Wo solche Geschichten normalerweise aufhörten, machte Udo weiter: „Es war utopisch erektiv / als ich das erste mal mit dir schlief / es tat dir zwar ’n’ 16.04.2005 JUDITH HOLOFERNES UND bißchen weh / doch trotzdem haben wir die Sterne MARK TAVASSOL, gesehen.“ Aha, so war das also. Und selbstverständlich Helden und Arbeitgeber, kriegte Udo sie alle... und ließ sie wieder sitzen. Gut so. Köln, Deutschland Schließlich passen Feminismus und Musik nicht zusam- men. Ja, es gab auch Entjungferungen auf Englisch, Die Bündchen an Judith Holofernes’ Pulli sind ab- aber sie klangen anders, weniger explosiv. Außerdem gestoßen, sie ist nicht geschminkt, Bassist Mark Ta- waren die Wörterbücher schlecht, die Mütter verstanden vassol, Basketball-Trikot über T-Shirt, ist unrasiert. kein Englisch, und daher war es nur halb so aufregend. Nein, eigens gestylt haben sich die beiden Musiker Mit Müttern konnte man sich sowieso nicht auf Udo der Band „Wir sind Helden“ nicht für diesen Inter- einigen. Sie fanden ihn widerlich, hässlich und renitent. view-Termin. Sie geben sich natürlich und nett, Sie hatten Recht. Obwohl er sogar ihre romantischen manchmal sind sie sogar nett bis zur Schmerzgren- »judith ist naturbreit« Vorstellungen, wahlweise mit einem Hauch von Bildungs- ze. Nach Konzerten, erzählt Sängerin Judith Holofer- bürger-Appeal, bediente: „Du spieltest Cello / in einem nes, beantworte sie die Fragen der Fans, oft bis die Saal in unserer Gegend / ich saß immer in der ersten Stimme versagt. „Pola klebt mir manchmal den Mark Tavassol und Judith Holofernes von der Band „Wir sind Helden“ über Reihe / und ich fand dich so erregend.“ Erregend, Mund zu, damit ich endlich still bin“, sagt die sowas sang sonst keiner. „Plötzlich knallst du in mein 28-jährige Berlinerin. Pola Roy ist ihr Freund und Alkohol, mütterliche Instinkte und die Begeisterung für kitschige Texte. Leben“, so sprach eigentlich auch keiner. Und vor gleichzeitig der Schlagzeuger von „Wir sind Hel- allem trank niemand so viel Whiskey. Taumelnd und den“. Die Band (komplettiert von Keyboarder Jean- nuschelnd ging Udo auf Dröhnland-Tournee und sang Michel Tourette), der ganze Tross von Leuten, mit „Wir sind Helden“ haben ein sehr braves Image. Ist Arbeit Ihr Vergnügen? Wenn man Ihr Bandtage- was wir für relevant halten und womit wir uns aus- ren, weil ihnen irgendeine Splittergruppe zu radi- demonstriere ich und beziehe Stellung auf meiner Damit wären Sie dann doch im Fahrwasser der klas- nicht kannte, viele Dinge erfahren habe, die mich Das ist „Mein Herz ist leer“ von Christian Morgen- von Bodo Ballermann, denen sie auf Tour gehen, alle sind Freunde. „Das Stimmt es, dass Sie keine Hotelzimmer verwüsten buch im Internet liest, kann man den Eindruck ge- kennen. Wir wollten nicht schwafeln. Wir sind kei- kal ist oder nicht radikal genug. Mir gefallen am Webseite. sischen Deutschrocker wie Wolfgang Niedecken sehr berührt haben. Ich hatte mehr mit anderen als stern. dem die Damen den Samen nahmen. Irre war er schon funktioniert bei uns wie in einer guten Wohngemein- und keinen Alkohol trinken? ne programmatische Band, die sich hinsetzt und besten die kreativen Flügel, die sich mit „Culture und Peter Maffay, die sich für die SPD oder für Rot- mit mir selbst zu tun. Vielleicht sind diese Erlebnis- damals, aber witzig. In den 80-ern wurde er dann winnen. Weltprobleme sind unübersichtlicher. Holofernes: Ja. Morgenstern ist ein Stern für schaft“, sagt Holofernes. sagt: Und dieses Mal teilen wir der Welt Folgendes Jamming“ befassen, also damit, Firmenlogos zu Grün engagiert haben. se der Grund dafür, warum es in manchen Liedern so’n bisschen politisch. Das war zeitgemäß, lähmte Mark Tavassol: Nur weil wir nicht ständig besof- Tavassol: Ich will nicht sagen, wir arbeiten wenig, mich. Ich kenn’ das aber nicht, sondern eher die Die Wohngemeinschaft ist sehr erfolgreich. „Die mit. verhunzen und damit die Bekanntheit von Konzer- Holofernes: Wir picken uns da einzelne Sachen um die Angst geht, einen geliebten Menschen zu aber phasenweise seine Sprachpotenz („Herr Präsident, fen sind und uns nicht laufend übergeben, sind aber uns ist schon klar, dass anderswo auch sehr Holofernes: Bitte? lustigen Sachen. Reklamation“, das „Wir sind Helden“-Debüt-Album nen nutzen, um sie aufs Kreuz zu legen. Das finde raus: Wir haben uns in Tibet engagiert, mit einer verlieren, zum Beispiel durch Trennung. Und viel- ich bin jetzt zehn Jahre alt / und ich fürchte mich in wir noch lange nicht brav. Nur Judith trinkt kei- viel gearbeitet wird. Verstehen Sie sich noch als linke Band? zwischen Punk, Pop und Neue-Deutsche-Welle-Anlei- ich hochpolitisch und sehr unterhaltsam. Es ist des- Postkartenaktion, um zu verhindern, dass ein Im politischen Sinne. leicht um die vage Ahnung, dass man darüber ir- Einen haben wir noch: „Ich hab’ grad’ zärtlich an diesem Atomraketenwald“). Alle Schulchor-Leiter nen Alkohol. hen, hat sich 500 000-mal verkauft, zweieinhalb Mal Holofernes: Ich finde es interessant, das Musikerle- Holofernes: Na hoffentlich! Wir sind nicht weni- wegen meine Lieblingsform von aktiver Politik. Mönch hingerichtet wird. Das macht mir und an- Holofernes: Unter diesem Aspekt ja, aber nur un- gendwann hinwegkommen kann, dass man im dich gedacht, wie du behutsam und ganz sacht, und Claudia Roth haben das Kriegskinderlied geliebt. Platin. Und das, obwohl sie wenige Monate vorher Judith Holofernes: Ich finde, besoffen zu sein, hat ben zu entmystifizieren. Der Bandalltag besteht ger politisch als vorher. Und wir verabschieden uns deren Menschen mehr Freude, als wenn wir zehn ter diesem. Ernstfall über sich hinauswächst. Melancholische mich total verrückt gemacht. Du kamst, wann du Es war Mist. Macht aber nix. Für alle anderen hatte noch von allen Plattenfirmen abgelehnt worden war. oft etwas sehr Biederes. aus vielen verschiedenen Dingen. Und auch aus auch nicht aus einer Bewegung, bei der wir uns nie Tavassol: Was mich persönlich am meisten ein- Jahre darüber diskutieren, welcher Partei wir uns Liebeslieder sind sowieso mein Gebiet. wolltest, gingst morgens um acht. Tausend und ei- Udo den schwulen Jonny („Und bist du von den Die Band schickte ein Demo an Radiostationen, ein ganz viel Arbeit. Man braucht viel Hingabe und angemeldet haben, weil wir ein Album machen, spannen könnte, sind lokale Sachen. Man kann unter all denen, die uns nicht passen, vielleicht an- Tavassol: Musikalisch ist das nicht so sehr zu ver- ne Nacht.“ Flexibel-Betrieben / dann kannst du dich auch mal Tavassol: Aber Judith ist als Kind in einen Topf Aus der Sparte haben wir ein paar Texte dabei. Was Low-Budget-Video an Musikfernsehsender. Die spiel- Flexibilität. Für jemanden, der immer zu Hause auf dem intimere, traurigere Lieder drauf sind. nicht sagen, weltpolitische Probleme, Kriege, Ter- schließen können. gleichen. in Jungs verlieben“) und andere schöne Sachen. mit Zaubertrank gefallen. Sie ist naturbreit. halten Sie davon? „In mir, tausend Tränen tief, er- ten die „Helden“, bevor die Band überhaupt einen schlafen und duschen muss, ist das nichts. Aber es rorismus sind unwichtig. Aber ich merke immer Eine weitere Gemeinsamkeit zu den Deutschro- Holofernes: (singt) Tausend mal berührt, oder? Es folgte die Ranschmeiße an den Osten, erneut „Wir sind Helden“ haben Kritik aus der Linken ein- Bruce Springsteen und REM sind aufgetreten, um klingt ein altes Lied, es könnte viel bedeuten...“. Plattenvertrag hatte. Den bekamen sie bald, ein Auf- Holofernes: Das stimmt. Lustigerweise bemerke ist ein ganz tolles Leben mit ganz, ganz viel Spaß. wieder, dass ich am ehesten für die Dinge kämpfe, ckern sind die deutschen Texte. Was macht einen wurde die Liebe mancher Lindiander auf eine stecken müssen, Sie seien zu nett und nicht radi- eine zweite Amtszeit von George W. Bush zu verhin- Tavassol: Nee, das ist nicht Klaus Lage. Der erste tritt von Judith Holofernes in der Harald Schmidt ich übrigens auch andersrum nicht, wenn Leute be- die ich auch sehe. In Hamburg gibt es den Schan- guten Text aus? Tavassol: Das ist Blumfeld. Ein schöner Satz. Ein große Probe gestellt. „Hallo Erich kannst mich hör’n, Am Anfang haben Sie sogar Ihre Band-T-Shirts kal genug. dern. Wäre so etwas für Sie denkbar? Reim klingt fast schon nach einem alten Gedicht. Show brachte ihr den Ruf eines Sexsymbols. trunken sind. Es gibt ganz oft Situationen, in de- zen-Park, der liegt in einem multikulturell gepräg- Text ist nicht gut oder schlecht, weil er sich reimt hallololöchen, hallo?“ Ja, so ein frecher Kerl, sagte selbst bemalt. Immer noch behaupten Sie, alles We- Holofernes: Früher war mein Geschmack sehr ein- Die Erfolgsgeschichte von „Wir sind Helden“ nen ich mich wundere, warum Leute aggressiv Holofernes: Mir ist es als Frontfrau und Sängerin ten Viertel, in dem viele Kulturschaffende leben. Holofernes: Wenn es darum ginge, eine CDU-Re- oder nicht. Es kommt auf die Bilder an. Holofernes: Es könnte Michelle sein.
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