Barock Und Rokoko
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Rezension Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland Bd. 5: Barock und Rokoko Teil II: Katalog „Utinam semper doceant, delectent et commoveant libri“ Wenn der Leser einmal etwas schneller die 395 Nummern des Kataloges 'durchgewälzt', dann mit der Gattung „Druckgrafik bzw. Zeichnung“ von hinten beginnend wieder langsam sich nach vorn gearbeitet und dabei die Werke oder Objekte aus einem oft noch bestehenden Zusammenhang gerissen (leider oft weniger) betrachtet oder gesehen hat, findet er sich erleichtert bei den den Anfang und letztlich nur Sinn machenden „Ensembles“ wieder. Mit ihnen sollen auch die folgenden Anmerkungen und Überlegungen zu den einzelnen Katalognummern beginnen. Hierbei wird eher die Sicht eines normalen kritischen Rezipienten eingenommen und vorrangig auf leicht erreichbare Standardliteratur wie z.B. die neuere 'Propyläen-Kunstgeschichte', die Dehio-Handbücher der deutschen Kunstdenkmäler oder das Internet für Vergleiche zurückgegriffen. Ensembles Bei der Auswahl von drei repräsentativen, als 'residentiale' bis fast territoriale, kunstlandschaftliche 'Komplexe' verstandenen „Ensembles“ in 52 Katalognummern kamen die Herausgeber (noch Stefan Grohé?) kanonisch verständlicherweise auf 'Ottobeuren', das den Typus des Reichsklosters mit annähernd vollendeter barocker Anlage im Süden Deutschlands fast 'ideal' vertritt, auf 'Würzburg', das schon an der Mainlinie gelegen für ein altes, mit seiner Residenz das ehrwürdige Mainz wenigstens künstlerisch in den Schatten stellendes Reichsbistum steht, und schliesslich auf das norddeutsche, brandenburgische Berlin-Potsdam als Zentrum der grössten nichtkatholischen, weltlichen und 'geistlichen' Staatsmacht zumindest seit dem Grossen 1 Kurfürsten. In vergleichbarer Weise mussten sich die verschiedenen Bearbeiter eines 'Ensembles' arbeitsteilig zusammenfinden. Ensemble Ottobeuren Das „Ensemble Ottobeuren“ wird in sieben Katalognummern (Nr. 1-7) erfasst. Die Diskussion der Gesamtanlage (Nr. 1) beginnt Peter Heinrich Jahn, der anscheinend endlich volle Archiveinsicht bekam, mit dem volkstümlichen, höchstens äusserlich etwas passenden Vergleich Ottobeuren (142x128m) als „schwäbische[r] Escorial“ (letzterer 206x161m); oder hat ein geistlicher Reichsprälat im Grafenrang wie Rupert Ness wirklich gewagt, es mit dem spanischen König Philipp II gleich zu tun?, bzw. ein Kleinstaat wie eines der „schwäbischen Großklöster“ sich mit dem zeitweiligen Mittelpunkt eines Weltreiches, in dem die Sonne nicht unterging, zu messen?. Die ganzseitige farbige Ansicht auf Seite 29 in nicht wie im Barock nur virtueller Vogelschau (warum eigentlich nicht auch den erwähnten 'Idealplan' von 1764?) kann nicht die ungewöhnliche, dem Gelände geschuldete Fast-Südausrichtung und den Knick in der Axialität von Kirche und Klostergebäuden verdeutlichen. Auch um die Abhängigkeit von der Fürstabtei Kempten (und die Verwandtschaft zum Prämonstratenserkloster Marchtal) bei dem nicht integrierten, sondern fast frei vorgestellten und später erfolgten Kirchenneubau nachvollziehen zu können, wären einige Grundrisse (und der erwähnte Plan von 1710/11) hilfreich gewesen. Ausser dem allgemeinen Repräsentationszwang (und der damit verbundenen 'Bauwurmb'-Krankheit des neugewählten, sich betätigen und bestätigen wollenden Abtes Rupert Ness), worauf der Autor hinweist, war es wohl die 1710 erlangte (besser erkaufte) Loslösung vom Hochstift Augsburg und damit die erneuerte und wieder vollständige Reichsunmittelbarkeit, die die geschilderte Bauaktivitäten von 1711-1740 mit der ambitiösen, am Münchner Hof sich orientierenden Ausstattung dieses weltlich- geistlichen Zentrums auch nach dem benediktinischen Grundsatz ('ora et labora') auslöste. Da das Kloster seit 1834 bzw. 1918 als selbständige Benediktinerabtei wieder 'arbeitet' (und betet), sollte Peter Heinrich Jahn bei seinem Blick auf und in die Klosterkirche (Nr. 2) die Bezeichnung „ehem[alig]“ besser weglassen. Dass sich bei der geschilderten Planungs- und Baugeschichte der Klosterarchitekt P. Christoph Vogt an der Salzburger Kollegienkirche des Benediktinerordens orientierte, ist naheliegend, dass aber Abt Rupert 2 Ness um 1724 Wiener Ovalbauten wie St. Peter und die Karlskirche in Betracht zog, dann - im Streit mit dem Hochstift Augsburg von Karl VI enttäuscht - 1730 sich wieder auf Benediktinisches wie Weingarten besann, erscheint überzogen. So pflegte man z.B. seit 1733 wegen der Zollbefreiung immer den Namenstag des Kaisers. Leider gibt es keine Abbildung vom Entwurf Simpert Kramers, der schliesslich durch den Johann Michael Fischers ersetzt wurde, der den Zentralbau mit traditionellem Längsbau (vgl. Zwiefalten) glücklich kombinierte. Auch die jetzige Doppelturmfassade erinnert an den alten romanisch-gotischen Chor. Den beigegebenen Grundriss hätte man besser um 90 Grad nach rechts drehen und mit einer Nordung versehen sollen. Bis auf den gegenüber Zwiefalten ausgeprägten zentrierten Raumeindruck durch das sich im Vorschreiten öffnende, konchenartige Querschiff hätte der Verfasser die auf den folgenden Katalognummern verteilte Innenausstattung ab 1756 eigentlich noch weniger vorgreifen sollen. Interessanter wäre es gewesen, etwas darüber zu erfahren, inwieweit Johann Michael Fischer ausser der Raumgliederung durch Wände, Säulen, Pfeiler und Gewölbe die Innenausstattung durch Johann Michael Feichtmayr, Joseph Christian, die Vettern Zeiller (Johann Jakob Zeiller wieder als Entwerfer für die Tauf- bzw. Predigt-Pendants genannt, ähnlich Joseph Ignaz Appiani bei Johann Caspar Bagnato?) mit eingeplant hat. Wahrscheinlich ging Fischer von einem dem damaligen Modeempfinden verhafteten Standard einer etwas reicheren (oder auch ärmeren) Rokokoausstattung aus, sodass er mehr als Balthasar Neumann diese doch die Gesamtwirkung bestimmende 'Haut' arbeitsteilig Spezialisten v.a. wie Johann Michael Feichtmayr überlassen konnte (und wollte). Die am Ende der Literaturangaben datierte Quelle „Schwager/Dischinger 1197 [!]“ könnte man dann schon fast als Prophetie ansehen. Eigentlich ist das um 1760 entstandene, von Angela Dreyer vorgestellte Fresko über der Orgelempore (Nr. 3) von Ottobeuren wohl als Letztes der ab 1757/58 (Presbyterium und Chor von J. J. Zeiller um 1758; Vierung J. J. u. F. A. Zeiller und die Zwickel um 1759; Langhaus J. J. u. F. A. Zeiller um 1759/60?) erfolgten Ausmalung des Mittelschiffs entstanden. Die Seitenschiffe und Nebenbilder malte J.J. Zeiller 1763/64. Die 1000- Jahrfeier von 1764 musste allerdings auf 1766 (Altarblätter noch von Joseph Mages und Januarius Zick) verschoben werden. Die geschilderte legendenhafte Gründung durch den alemannisch-fränkischen Adeligen, Grafen vom Illergau und Herzog von Franken, Silach mit seiner Gemahlin Ermentrud und die Herkunft Ottobeurens von „Uttinbusa“ (?, klingt wohl feminin sympathisch, oder handelt es sich etwa nur um einen Rotazismus zu 'Uttinburra'?). Wer der begleitende Benediktiner(abt? = Sohn Silachs Toto?) oder der 3 Bischof (von Augsburg? = Tosso?, Gezzibert?) als weitere Gründungszeugen (Fundatio) von 764 sind, darüber schweigt sich Angela Dreyers Beitrag leider aus. Von zwei Engeln mit dem „ewigen Wachstum“ aus der Schöpfungsgeschichte inspirierend 'heimgesucht' kniet auf den Stufen sicher nicht mehr der schon 1740 verstorbene Abt Rupert Ness, sondern der derzeit regierende und eigentliche Bauherr der Kirche, Anselm Erb (1740- 1767), neben dem Kloster- und Konventswappen. Auf der rechten Seite versammeln sich zur „Confirmatio“ wohl Kaiser Otto I (972) oder Papst Eugen III und Kaiser Barbarossa (1152/1171). Im Kaisersaal erscheinen als 'Gedanke' von Rupert Ness Karl der Grosse als 'Confirmator' und Hildegard als 'Donatorin'. Zur „Donatio“ gehören wohl eine Hochadelige (Hildegard?) mit Mohrenpage und wohl ein Welfe (Welf VI, Herzog von Bayern?) und ganz rechts zur „Exemptio“ ein Bischof (von Augsburg?) und ein Kaiser (Joseph I, Karl der Grosse oder Karl V 1536?), im Hintergrund wohl Bischof Konrad von Konstanz mit seinem Kelch und der Spinne. Über der geschichtlichen Ebene schwebt eine himmlische Szenerie mit dem Ordensheiligen Benedikt in der Mitte, rechts die Lokalreliquienheiligen Alexander (Mantel) und Theodor, links Petrus und Paulus und vertieft/gehöht noch weitere Heilige, während über allem ein „spanisches [eher päpstliches] Kreuz“ hochgehalten wird. In ihrem bilanzierenden Schlusswort kommt die Bearbeiterin (mit himmlischer Eingebung?) statt zum 'schwäbischen Escorial' sogar zum „schwäbischen Vatican“, der die Zeiten gut überstanden habe. Während wir inhaltlich kaum etwas Neues erfahren haben, weist Angelika Dreyer in der nächsten Katalognummer (Nr. 4), dem „Pfingstwunder“ in der Vierung doch auch etwas auf die Maler hin, die mit 16 000 fl. ganz gut in Ottobeuren (z.B. gegenüber Spiegler in Zwiefalten) abgefunden wurden. Für die Autorin wie für uns alle Heutigen immer wieder erstaunlich ist die doch ziemlich nahtlose Zusammenarbeit der beiden nicht nur verwandten, stilistisch über Italien (z.B. Corrado Giaquinto und Venedig) zumindest ebenso nicht weit entfernten Zeiller. Auch im vorigen Bild kann sich der Rezensent im himmlischen Bereich eher die Hand J. J. Zeillers gut vorstellen. Leider werden die Teilentwürfe im Klostermuseum Ottobeuren – wohl ein erster Beweis für die aus Zeitgründen notwendige Kollaboration – nicht abgebildet. Über die Thematik oder Ikonographie des „Pfingstwunders“ und die Aus-Verbreitung des Hl. Geistes über die Welt und unter die Gläubigen auf der Basis der vier Evangelien gibt es wohl keinen Dissens. Vielleicht hätte man noch auch die Wappen von Kloster, Konvent und Abt