Fernsehnachrichten Im Zeichen Der Corona-Krise Von Torsten Maurer, Matthias Wagner Und Hans-Jürgen Weiß*
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Media Perspektiven 163 3/2021 Ergebnisse des Nachrichtenmonitors 2020 Fernsehnachrichten im Zeichen der Corona-Krise Von Torsten Maurer, Matthias Wagner und Hans-Jürgen Weiß* Dieser Beitrag setzt den Schlusspunkt hinter eine Nachrichtenoutput haben. Im Fall des Nachrichten- Langzeitstudie, in der die Hauptnachrichtensendun- monitors 2020 kommt ein weiteres – konkretes – gen und Nachrichtenmagazine von ARD/Das Erste, Untersuchungsziel dazu: Die nationale und interna- ZDF, RTL und Sat.1 in Jahresvollerhebungen aufge- tionale Nachrichtenlage, die sich 2020 durch die zeichnet und analysiert worden sind. Sie wurde erst- Corona-Pandemie ergab, ist mit keinem der bis- mals 2005 durchgeführt und bis einschließlich 2020 herigen Untersuchungsjahre des InfoMonitors bzw. jährlich wiederholt. (1) Im Folgenden werden die Be- Nachrichtenmonitors zu vergleichen. Dies wird im funde zum Untersuchungsjahr 2020 vorgestellt. Wie folgenden Abschnitt näher betrachtet. Auf jeden Fall eine Vorabauswertung der Nachrichtensendungen weisen bereits die Vorabanalysen von Daten des von Januar bis September 2020 zeigte, sind diese Nachrichtenmonitors zu den ersten neun Monaten maßgeblich von der Berichterstattung über die Co- des Jahres 2020 darauf hin, dass man in diesem rona-Pandemie geprägt. (2) Jahr vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie von einem „Nachrichtenjournalismus im Ausnahmezu- Untersuchte Im Rahmen des Nachrichtenmonitors werden die stand“ sprechen kann. Die Frage, wie sich das auf Nachrichten- sechs Fernsehnachrichtensendungen beobachtet die Nachrichtengebung im Fernsehen auswirkt, bildet sendungen und analysiert, die in Deutschland am stärksten daher die Leitlinie der Nachrichtenanalysen, deren genutzt werden: die vier Hauptnachrichtensendun- Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. Dabei gen „Tagesschau“ (Das Erste, 20.00 Uhr), „heute“ sind zwei Analyseaspekte zu unterscheiden: Zum (ZDF, 19.00 Uhr), „RTL aktuell“ (18.45 Uhr) und einen geht es um die Beschreibung der Corona-Be- „Sat.1 Nachrichten“ (19.55 Uhr) sowie die beiden richterstattung als solcher, soweit das mit dem in- Nachrichtenmagazine „Tagesthemen“ (Das Erste, haltsanalytischen Instrumentarium des Nachrich- 22.45 Uhr) und „heute journal“ (ZDF, 21.45 Uhr). tenmonitors möglich ist. Hierzu werden die Vorab- Die Unterschiede bei den Reichweiten der sechs analysen bis einschließlich September 2020, die wir Sendungen sind dabei groß (vgl. Abbildung 1). Im im letzten Jahr in einem Kurzbeitrag für das Coro- Jahr 2020 erreichte die „Tagesschau“ im Durch- na-Themenheft von Media Perspektiven vorgestellt schnitt 11,8 Millionen Zuschauer, bei den „Sat.1- haben, für das Gesamtjahr fortgeschrieben und aus- Nachrichten“ waren es 1,2 Millionen. Der wichti- geweitet. (6) gere Befund für 2020 ist allerdings, dass diese Sendungen im Vergleich zu 2019 erheblich stärker Kurz und knapp genutzt wurden. (3) Analysen zur Mediennutzung vor und während des Corona-Lockdowns im Früh- • Die Berichterstattung der vier untersuchten Hauptnachrichten und jahr 2020 im Rahmen der ARD/ZDF-Massenkom- zwei Nachrichtenmagazine war 2020 eindeutig von der Corona- munikation Langzeitstudie zeigen, dass die inten- Krise dominiert. sivere Zuwendung zu Fernsehnachrichten im Jahr • Knapp die Hälfte der Nachrichtensendezeit bestand 2020 aus 2020 eindeutig ein Effekt der Corona-Pandemie Beiträgen, die sich in irgendeiner Weise mit Corona befassten. war. (4) • In allen sechs Sendungen wurde umfangreicher über Politik und gesellschaftliche Themen berichtet als im Vorjahr. Untersuchungsziele Die Untersuchungsziele einer über 16 Jahre hinweg • Die Berichterstattung über Human-Touch-Themen und Sport ging als Vollerhebung Tag für Tag durchgeführten Nach- dagegen deutlich zurück. richtenbeobachtung und Nachrichtenanalyse haben • Über zwei Drittel der internationalen Berichterstattung befasste sich wir in unserem Beitrag zum Nachrichtenmonitor 2019 mit Europa und den USA. umrissen. (5) Grundsätzlich geht es darum aufzu- zeigen, wie die nationale und internationale Nach- richtenlage von den Redaktionen der untersuchten Zum anderen wird untersucht, wie sich die Fokus- Nachrichtensendungen aufgearbeitet wird: Was sie sierung der Fernsehnachrichten auf die Corona-Pan- davon auswählen und in Nachrichtenbeiträge um- demie auf die Struktur der gesamten Nachrichten- setzen. Von Interesse ist auch zu ermitteln, welchen gebung im Jahr 2020 ausgewirkt hat. Einfluss einerseits medienexterne („extrinsische“) und andererseits medieninterne („intrinsische“) 2020 – Das Jahr der Corona-Krise Faktoren auf die Nachrichtenselektion bzw. den Der Ausbruch der Corona-Pandemie in China Ende 2019 war aus Sicht der deutschen Medien zunächst * Göfak Medienforschung. ein eher marginales Thema der internationalen Be- Torsten Maurer/Matthias Wagner/Hans-Jürgen Weiß Media 164 Perspektiven 3/2021 Abbildung 1 Erst der Rückblick auf die Gesamtentwicklung der TV-Nachrichtenreichweiten 2020 Krise, die in Deutschland durch die Corona-Pande- Sehbeteiligung in Mio mie in Deutschland ausgelöst wurde, relativiert die 11,778 Wucht der ersten Covid-19-Infektionswelle im März und April 2020. So wurde diese von der der zweiten Welle, die Anfang Oktober 2020 einsetzte und bis ins Jahr 2021 hineinreicht, im Hinblick auf die Zahl der Infektionen und Toten deutlich übertroffen (vgl. Ab- bildung 2). Bis Ende 2020 haben sich in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 1,7 Millio- nen Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert, 33 000 sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. (7) Die 4,646 4,321 WHO berichtete Ende Dezember 2020 über 79,2 3,321 Millionen Corona-Infektionen und 1,8 Millionen To- 2,516 desfälle weltweit. (8) 1,215 Allerdings sollte man im Blick haben, dass die Virus- Corona-Krise betrifft Pandemie im engeren Sinn und die medizinischen u.a. Gesundheits-, Aktivitäten zu ihrer Bewältigung nur den medizi- Wirtschafts- und Tagesschau* heute** RTL Sat.1 Tagesthemen heute aktuell Nachrichten journal*** nischen Aspekt dessen darstellen, was man insge- Sozialpolitik samt als „Corona-Krise“ bezeichnen muss. Weltweit * Einschließlich der Dritten Programme, Tagesschau24, ARD-alpha und Phoenix. sind hierzu nicht nur weitreichende gesundheits-, ** Einschließlich 3sat. sondern auch wirtschafts- und sozialpolitische Maß- *** Einschließlich Phoenix. nahmen zu rechnen, die in ihrer Gesamtheit der Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK; VIDEOSCOPE 1.4, 1.1.2020- Bewältigung der Pandemie (in Deutschland: einer 31.12.2020, Marktstandard: AGF-Standard\TV. „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“) (9) dienen sollen und de facto in alle gesellschaftliche Abbildung 2 Systembereiche und in die Alltagswelt der davon Tägliche Corona-Neuinfektionen in Deutschland 2020 betroffenen Menschen hineinragen. Zentrale Stich- Mittelwerte pro Kalenderwoche worte hierfür sind in Deutschland der erste Lock- down von Ende März bis Anfang Mai 2020 und der 30 000 mehrstufige zweite Lockdown, der Anfang Novem- ber 2020 als „Lockdown light“ begann und danach 25 000 über das Jahr 2020 hinaus Schritt für Schritt ver- längert und verschärft wurde. 20 000 Dass die Entwicklung der Pandemie, die politischen 15 000 Maßnahmen zu ihrer Eindämmung und mehr noch die Debatten und Konflikte, die diese Maßnahmen 10 000 begleiten, im Jahr 2020 im Fokus der Berichterstat- tung, Analysen und Kommentare der Medien stand, ist mehr oder weniger zwingend. Systematische 5 000 empirische Analysen dieser Medienangebote sind derzeit jedoch noch selten (10), seltener auf jeden Fall als Analysen zu deren Nutzung und Einschät- 1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 zung in der Bevölkerung (11) und vor allem selte- Quelle: Robert Koch-Institut (RKI): Covid-19 Datenhub; https://npgeo-corona-npgeo- ner als essayistische Analysen und Kommentare de.hub.arcgis.com/datasets/dd4580c810204019a7b8eb3e0b329dd6_0 (abgerufen der Medienkritik. (12) Der vorliegende Beitrag kann am 1.2.2021). dieses Defizit nur in Grenzen beheben, weil der Nachrichtenmonitor 2020 konzeptionell und me- thodisch nicht speziell auf die Untersuchung der richterstattung. Ihre rasche weltweite Ausbreitung, „journalistischen Bewältigung“ der Corona-Krise die ab Ende Januar auch Deutschland erfasste, im deutschen Fernsehen ausgerichtet ist, sondern rückte sie ab März in den Mittelpunkt von Politik, auf die Analyse der Gesamtheit der Nachrichten- Wirtschaft und Gesellschaft. Im selben Monat sprach angebote in ausgewählten TV-Nachrichtensendun- die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell von gen. Einige Präzisierungen zum Umfang, zur Ent- einer Pandemie. Das Corona-Virus wird seitdem als wicklung und zu den Themenschwerpunkten der Sars-CoV-2 bezeichnet, die von ihm ausgelöste Lun- Corona-Nachrichtengebung sind auf dieser Basis genkrankheit als Covid-19. jedoch durchaus möglich. Fernsehnachrichten im Zeichen der Corona-Krise Media Perspektiven 165 3/2021 Untersuchungskonzeption und lysen zur Nachrichtengeografie, für die pro Beitrag Untersuchungsmethode maximal fünf geografische Bezüge erfasst und im Themen, Geografie Im Mittelpunkt des Nachrichtenmonitors stehen drei Rahmen der Auswertungsarbeiten gezählt werden. In und Akteure stehen Analyseschwerpunkte. (13) Untersucht werden 1) die der Akteursanalyse wird für jeden codierten Politiker im Mittelpunkt Themen, auf die sich die Nachrichtengebung be- und jede Politikerin ein gesonderter Fall angelegt. zieht, 2) die damit verknüpfte Nachrichtengeografie und 3) die Präsenz nationaler und internationaler Zur Auswertung der Daten der Themenanalysen und politischer Akteure in den Fernsehnachrichten.