Nur erzählte Geschichte?

Untersuchungen zur Darstellungsweise

und zur Glaubwürdigkeit

des Ammianus Marcellinus

(AMM. 16,10; 20,4-5)

Band 1

Von der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie genehmigte Dissertation

vorgelegt von

Hermann Kramer

Berichter: Universitätsprofessor Dr. Klaus Freitag

Universitätsprofessor Dr. Bruno Bleckmann

Tag der mündlichen Prüfung: 20. März 2018

Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Universitätsbibliothek online verfügbar.

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...... 1 2. Der Besuch des Constantius in Rom...... 14 2.1. Text (Ammianus Marcellinus, Res Gestae 16, 10, 1 – 21)...... 14 2.2 Übersetzung...... 16 2.3 Kommentar...... 20 2.4 Anhänge...... 145 2.4.1 Anhang 1 ...... 145 2.4.2 Anhang 2 ...... 146 2.4.3 Anhang 3 ...... 147 2.4.4 Anhang 4 ...... 150 2.4.5 Anhang 5...... 150 2.4.6 Anhang 6 ...... 152 2.4.7 Anhang 7 ...... 154 2.4.8 Anhang 8 ...... 156 2.4.9 Anhang 9 ...... 158 2.4.10 Anhang 10 ...... 160 2.5 Interpretation:...... 163 2.5.1 Vorbemerkung:...... 163 2.5.2 Constantius und Rom:...... 165 2.5.3 Constantius und der Senat von Rom...... 183 2.5.4 Constantius und das Volk von Rom:...... 189 2.5.5 Constantius und Roms Bauwerke:...... 191 2.5.6 Constantius und das Forum des Trajan:...... 216 2.5.7 Constantius und Trajan...... 226 2.5.8 Eusebia und Helena...... 229 2.5.9 Noch einmal: Constantius und Rom ...... 237 2.5.10 Was Ammian nicht berichtet...... 242 2.5.11 Rede des Themistius...... 243 2.5.12 Constantius als pontifex maximus...... 244 2.5.13 Entfernung des Viktoria-Altars aus der Curia...... 244 2.5.14 Die christlichen Basiliken in Rom ...... 246 2.5.15 Auseinandersetzungen um den Bischofsstuhl von Rom...... 250 2.5.16 Ammians Erzählintention und die historische Glaubwürdigkeit...... 251 2.5.17 Fazit...... 263 2.5.17 Anhang ...... 270

1. Einleitung

Ronald Syme hat im Jahre 1968 in seiner Rezension1 der Dissertation von Alexander Demandt2 geschrieben: „Sallust and Tacitus: one should look for their influence, not in style only. That is a question that still waits on a proper answer. Ammianus is a very ʽbookishʼ writer.“ Symes Anregung muss wohl so verstanden werden, dass Ammian auch hinsichtlich der von ihm dargestellten Inhalte Anregungen aus den Schriften des Sallust und des Tacitus bekommen hat, und wenn er dies in der Rezension einer Dissertation äußert, die sich mit dem Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus befasst, dann sind offensichtlich zumindest leichte Zweifel in der Hinsicht geäußert, dass sich alles immer so abgespielt habe, wie Ammian es darstellt, so dass der Historiker, der sich mit Ammians Res gestae befasst, auch hinsichtlich der dargestellten Inhalte immer wieder berücksichti- gen muss, dass Ammian vielleicht auch darin von den Darstellungen des Sallust oder des Tacitus, vielleicht auch noch anderer Literatur angeregt worden ist. François Paschoud hat im Jahre 1989 einem Aufsatz, der sich mit bestimmten Episoden aus Ammians Res gestae befasst, als Überschrift gegeben, was man bei GIORDANO BRUNO: Gli eroici furori, 1585, 2. T. 3. Dialog wie eine Sentenz liest: ʽse non è vero, è ben trovatoʼ. Paschoud versucht bei bestimmten in den Res gestae dargestellten Ereignissen den Nachweis, dass diese sich so, wie Ammian sie schildert, nicht abgespielt haben kön- nen, dass vielmehr Ammian hier jeweils ein Motiv aus der Literatur übernommen habe – also ʽbookishʼ sei – und so bestimmte Episoden oder zumindest wichtige Details nach lite- rarischem Vorbild „erfunden“ habe. Wenn auch nicht von Paschoud ausgesprochen, so wird damit doch eine lange Zeit und wohl auch heute noch oft vertretene communis opinio erschüttert, dass Ammian unter den Geschichtsschreibern der Spätantike der glaubwürdigste sei.

Ammianus Marcellinus war laut eigener Aussage (AMM. 14,9,1) im Jahre 353 n.Chr. als protector domesticus im Gefolge des magister militum Ursicinus in Antiocheia, wo Ursici- nus in einem Prozess gegen Anhänger des Cäsars Gallus den Vorsitz hatte. Als protector domesticus3 gehörte er zum Stab von einem der ranghöchsten Militärs im römischen Heer. Im Jahre 355 n.Chr. begleitete er, in derselben Funktion, Ursicinus von Mailand aus nach Köln, wohin Ursicinus vom Kaiser Constantius II. geschickt wurde, um Silvanus auszu- schalten, der sich dort hatte zum Augustus erheben lassen (AMM. 15,5). Im Jahre 357 n.Chr.

1 SYME (1968) 316f. 2 DEMANDT (1965) 3 Protectores domestici, organisiert in scholae und dem comes domesticorum unterstellt, sind belegt erst seit der Mitte des 4. Jahrhunderts.

1 wurde er, weiterhin protector domesticus im Stab / Gefolge des Ursicinus, von Constantius

II., wahrscheinlich von Sirmium aus in den Osten an die Perserfront geschickt (AMM. 16,10,21). Dort erlebte er die Belagerung von Amida durch den Perserkönig Sapor im Jahre 359 n.Chr., konnte sich aber vor der Einnahme der Stadt absetzen und nach Antiocheia ret- ten. Im Jahre 363 n.Chr. nahm er am Persienfeldzug des Kaisers teil und kehrte nach dessen Tod (26./27. Juni 363) mit dem Heer ins Römische Reich, wahrscheinlich nach Antiocheia, zurück. Diese Daten lassen sich mit Sicherheit aus seinem Geschichtswerk Res gestae erschlie- ßen. Als sehr wahrscheinlich darf auch gelten, dass er nach Rom gegangen ist und dort die Res gestae geschrieben und auch in Lesungen einem römischen Publikum vorgestellt hat

4 (Vgl. den Brief des Libanios an einen Μαρκέλλινος in Rom, LIBAN. epist. 1063. ) Von die- sem 31 Bücher umfassenden Geschichtswerk sind nur die letzten 18 Bücher erhalten. Die- se decken den Zeitraum von 353 bis 378 n.Chr. ab, d.h. die letzten acht Jahre der Herr- schaft des Kaisers Constantius II. und die Herrschaft der Kaiser Julian, , Valentinian, Valens und Gratian. Aus den Hinweisen, Anspielungen, biographischen Daten u.ä., die als gesichert gelten können, hat man erschlossen, dass die Res gestae wohl im letzten Jahr- zehnt des 4. Jahrhunderts abgeschlossen waren.

In der Sphragis seines Werkes (AMM. 31,16,9) bezeichnet Ammian sich als Grieche (Graecus), schreibt dieses Werk jedoch in lateinischer Sprache, was vor dem Hintergrund, dass er in Rom schreibt, nicht erstaunt, dagegen umso mehr, wenn seine Muttersprache Griechisch gewesen sein sollte. Laut Sphragis beginnt er die Res gestae mit der Geschichte des Kaisers Nerva, was bedeutet, dass er sich als „Fortsetzer“ des Tacitus versteht. Daraus ergibt sich ein weiteres erstaunliches Phänomen: In einer Zeit, in der es in der Historiogra- phie in lateinischer Sprache nur die Breviarien gibt5, nimmt Ammian eine Tradition wieder auf, in der es, soweit wir wissen, fast 250 Jahre lang keinen bedeutenden Vertreter gegeben hat. Sowohl als Grieche nach Rom zu gehen und dort in lateinischer Sprache zu schreiben, als auch gegen die in dieser Zeit in der Historiographie herrschende Tendenz Geschichte in der „klassischen“ Tradition zu schreiben, setzen bewusste Entscheidungen Ammians voraus. Die letztere dieser Entscheidungen bedingt, dass Reden und Exkurse, die in den Breviarien ganz fehlen, in das Werk aufgenommen werden und dass einige Elemente, die in den Bre-

4 Zur schwierigen Frage, ob Libaniosʼ Μαρκέλλινος mit Ammianus Marcellinus identifiziert werden kann, vgl. FORNARA (1992). 5 Die Annalen des Flavianus Nicomachus können hier unberücksichtigt bleiben, da weder über den Inhalt noch über die Form irgendetwas bekannt ist.

2 viarien nur sporadisch oder kurz angedeutet vorkommen, wie Exempla, Episoden und An- gaben über die innere Einstellung der Akteure der Geschichte und über die Ziele ihres Handelns, weitaus umfangreicher als in den Breviarien vorkommen.6 Die Gründe dafür sind nur schwer zu erkennen, da sie wie auch die biographischen Daten nur aus dem Werk erschlossen werden können. Wenn aber Ammian sich in direkter Form dazu geäußert haben sollte, dann dürfte das im Proömium zum Gesamtwerk geschehen sein. Dagegen dürfte es möglich sein, die Voraussetzungen zu benennen, damit dieses „Wagnis“ überhaupt gelin- gen konnte: Ammian muss die damals übliche Bildung bekommen haben, die zu seiner Zeit stark von der Rhetorik geprägt ist. Abgesehen von den zu Ammians Zeiten schon als Klassiker geltenden Cicero und Vergil müssen Sallust, Livius und Tacitus in einem gewis- sen Umfang noch im Original greifbar gewesen sein. Indem Ammian sich in die klassische Tradition der lateinischen Historiographie stellt, übernimmt er die Rhetorisierung und als schon im zweiten Jahrhundert festzustellendes Merkmal der Sprache der Historiographie auch die Poetisierung der Sprache, nahegelegt natürlich auch durch die nie unterbrochene Nähe von Epos und Geschichtsschreibung. In den erhaltenen 18 Büchern der Res gestae, die einen Zeitraum von ca. 25 Jahren abde- cken (353 n.Chr. - 378 n.Chr.), liegt die umfangreichste und detailreichste Geschichte für diesen Zeitraum vor. Es ist längst erschlossen worden, dass die 13 verlorengegangenen Bücher der Res gestae nicht annähernd so ausführlich gewesen sein können. Wo Ammian den Übergang zur ausführlichen Darstellungsweise gemacht hat, ist mehrfach Thema scharfsinniger Erörterungen gewesen, ist aber für die folgende Arbeit nicht relevant. Ehe der Versuch gemacht werden kann, diesen Sonderfall „Ammian“ in der lateinischen Historiographie der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts aus den wenigen biographischen Daten und dem Werk selbst ein klein wenig „aufzuklären“, muss anhand der Geschichte der modernen Ammianforschung gezeigt werden, dass auch nach knapp sechs Jahrhunder- ten der Ammianedition und -forschung noch hinreichend zu tun ist. Da Ammian für den erhaltenen Teil der Res gestae nur in einer Handschrift erhalten ist, die vor dem 16. Jahrhundert entstanden ist, dem Codex membr. s. IX Fuldensis, Vat. Lat.

6 Als Beispiel diene die Schlacht von Straßburg: EUTROP. 10,14: A quo [gemeint ist Julian] modicis copiis apud Argentoratum, Galliae urbem, ingentes Alamannorum copiae extinctae sunt, rex nobilissimus cap- tus, Galliae restitutae. - PS.-AUREL.VICT. Epit. de Caes. 42,13-14: Iste [gemeint ist Julian] in campis Argentoratibus apud Gallias cum paucis militibus infinitas hostium copias delevit. Stabant acervi montium similes, fluebat cruor fluminum modo; captus rex nobis Nodomarius; fusi omnes optimates; redditus limes Romanae possessionis; ac postmodum cum Alamannis dimicans potentissimum eorum regem Badomarium cepit. - AURELIUS VICTOR de Caes. 42,17: isque [gemeint ist Julian] nationes feras bre- vi subegit captis famosis regibus. - Bei FESTUS brev. 28 überhaupt nicht erwähnt, vage Andeutung höch- stens in Iuliano, in externos hostes expertae felicitatis principi. Dagegen AMM. 16,12 12,5 Teubnerseiten.

3 1873, (Sigle V)7, war nach der Entdeckung des Ammianus Marcellinus durch Poggio Brac- ciolini während der Zeit des Konstanzer Konzils (1414 – 1418) durch Abschriften für wei- tere Verbreitung zu sorgen, und als dies durch den Buchdruck deutlich erleichtert wurde, war im wesentlichen editorische Arbeit zu leisten, wobei die Ausgaben aus der ersten Hälf- te des 16. Jahrhunderts weder einen kritischen Apparat noch einen Kommentar enthielten, so dass zu den Verschreibungen in den Handschriften und dem Missverstehen der Ab- schreiber auch noch entstellende Konjekturen der Herausgeber kommen konnten. Zuerst kommentierend zu Ammians Res gestae und von historischem Interesse im modernen Sinn geleitet sind die Arbeiten der Brüder Valois (Henri de Valois (Henricus Valesius) 1603 – 1676 (Ammianausgabe 1636) und Adrien de Valois (Hadrianus Valesius) 1607 – 1692, von dem die Kapitelüberschriften in den Res gestae stammen. Im 18. Jahrhundert verwendet Edward Gibbon in seiner Geschichte für die Darstellung der Ereignisse, die die Zeit betref- fen, die Ammians Res gestae umfassen, die Res gestae z.T. bis in Details hinein als Quelle und begründet dies damit, Ammian sei „an accurate and faithful guide who composed the history of his own times without indulging the prejudices and passions which usually affect the minde of contemporary.“8 Selbst da, wo heute in der Geschichtswissenschaft große Vorbehalte gegenüber Ammians Darstellung sind, wie z.B. gegenüber den beiden Romex- kursen, war Gibbon der Ansicht gewesen, Ammian beschreibe seine Zeit „accurate[ly] and faithful[ly]“. Dieses Urteil Gibbons ist bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geblieben, wenn es darum geht, Ammian als historische Quelle für einen bestimmten Zeit- abschnitt der Spätantike zu verwenden. Da das Interesse für die Geschichte der Spätantike seit Gibbon niemals mehr erloschen ist, aber die Spätantike vor allem als eine Zeit des Ver- falls gesehen wurde, glaubte man, dies gelte für alle Bereiche, somit auch für die Ge- schichtsschreibung und die Literatur im Ganzen. Für Ammian bedeutete das, dass er im Vergleich zu den klassischen Autoren relativ wenig kommentiert wurde und die Kommen- tierungen sich vor allem auf die Realien, auf Daten der Ereignisgeschichte und sprachlich- grammatische Phänomene bezogen.9 Außerdem wurden für Ammians Res gestae ganze Listen erstellt mit sprachlichen Übereinstimmungen mit Sallust, Cicero, Vergil, Tacitus, aber auch Solinus, Florus, Valerius Maximus u.a.10 Ammian muss also sehr belesen gewesen sein. In den rein historisch orientierten Arbeiten geht es vor allem um Quellenforschung im tra- 7 Unabhängig von V und vor V entstanden nur der Codex membr. s. IX Hersfeldensis (Sigle M), der aber nur für AMM. 28,4,21Ende bis 28,5,2 den Text der Res gestae enthält. 8 GIBBON, EDWARD: The History of the Decline and Fall of the , Chapt. 26,5. 9 Kommentar von WAGNER-ERFURDT (1808) 10 Das letzte mir bekanntgewordene Beispiel die Dissertation von OWENS (London) 1948.

4 ditionellen Sinne, im weiteren Sinne um das Verhältnis Ammians zu den Breviarien, der Enmannschen Kaisergeschichte und der Historia Augusta11. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnend und zunehmend in der zweiten Hälfte findet eine Neubewertung der Spätantike insgesamt und vor allem auch der Kunst und Li- teratur der Spätantike statt. Während die traditionelle Quellenforschung zu Ammians Res gestae abgeschlossen scheint, hat diese Neubewertung der Spätantike und das daraus resul- tierende Interesse zu einer im Vergleich zur vorhergehenden Zeit größeren Fülle von Arbei- ten zu Ammian geführt. Es führte dazu, dass auch Ammians Sprache und sein Stil gegen das abschätzige Urteil Nordens12 neu bewertet wurden, was eine Reihe von Aufsätzen zu diesem Thema brachte, in denen Ammian meist neben andere Autoren der Spätantike wie Prudentius oder vor allem Claudian gestellt wurde und die zunehmende Poetisierung der Prosa herausgearbeitet wurde. In den Kommentaren kamen zu den Erklärungen der Realien und der Historie auch sprachliche und strukturale Erläuterungen, die weit über die lexika- lisch-grammatischen Kommentierungen hinausgingen13. Die damit einhergehende Speziali- sierung führte dazu, dass in den meisten Arbeiten entweder der historische Aspekt oder der philologische Aspekt zu Lasten des jeweils anderen Aspektes hervorgehoben wurde, und sich in der Ammianforschung so etwas wie zwei Richtungen ausbildeten, die oft nebenein- ander verliefen, ohne sich gegenseitig zur Kenntnis zu nehmen.14 Da jedoch alle antike Historiographie spätestens seit Herodot in ihren Darstellungsformen stark von der Rhetorik beeinflusst ist und man bei aller Literatur der Spätantike geradezu von einer Rhetorisierung sprechen kann, wurde sehr schnell klar, dass man in der Forschung zu Ammian beide Ten- denzen berücksichtigen muss. Dazu kommt, dass Topos-, Motiv-, Rezeptionsforschung und

11 Hier hat die Arbeit von Syme [SYME, RONALD: Ammianus Marcellinus and the Historia Augusta, Cambrid- ge 1968] einen gewissen Abschluss gebracht. Seine Arbeit ist jedoch schon deutlich unter dem Einfluss der Neubewertung der Spätantike zu sehen, und insofern ist sie Aufforderung zu weiterem Forschen auf diesem Gebiet. 12 In: NORDEN, EDUARD. : Antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v.Chr. bis in die Zeit der Renaissance Leip- zig (1898), im Nachdruck von 1971 640- 644. - Norden zitiert dazu einfach von Gutschmid ( VON GUTSCHMID Kleine Schriften V 583f.): „Ammian schreibt ein blumiges und barbarisches Latein; sein gesuchter, outrierter Stil steht unter dem Einflusse der asianischen Rhetorik , die in seiner Zeit den Geschmack beherrschte... Als Grieche und Soldat schreibt er unsicher. Aber die Diktion ist trotz des Schwulstes nicht ohne Kraft... Die Perioden sind gedunsen und leiden an Wortüberfülle. Poetische Worte sind sehr zahlreich, nicht minder obsolete Worte1), Mataphern und Neuerungen im Gebrauch der Worte. […] Am übelsten sind die schlechten Konstruktionen und die barocken Wortstellungen, die erst bei einiger Überlegung den Sinn des Schriftstellers ergeben.“ 13 Hier sei auf die von DE JONGE in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts begonnene und von DEN BOEFT, DEN HENGST und TEITLER weitergeführte Reihe der philologisch-historischen Kommentare verwiesen, die einmal einen Kommentar zum Gesamtwerk der Res gestae ergeben soll. Allerdings kann man jetzt schon sagen, dass aufgrund der Ergebnisse der Ammianforschung der letzten 50 Jahre die ersten Bände neu ge- schrieben werden müssten. 14 Dies gilt bis heute z.B. in allen Abhandlungen, die Ammian im Rahmen der Militärgeschichte behandeln, aber auch für die Standardwerke zur Prosopographie der Spätantike, wie PLRE.

5 moderne Literaturtheorien und Narratologie die Suche nach dem vom Autor vorgestellten Hörer- oder Lesepublikum und die Suche nach Erzähl- und / oder Belehrungsintention des Autors dazu angeregt haben, Ammians Res gestae unter immer neuen Aspekten zu erforschen. Hier seien in chronologischer Reihenfolge ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber schon ausgerichtet auf das Ziel, das mit der vorliegenden Abhandlung verfolgt wird, die Arbeiten aufgeführt, die vorrangig dazu geführt haben, zu den inzwischen kaum noch zu überschauenden Arbeiten zu Ammian eine weitere hinzuzufügen: Straub (1939) (Herr- scherideal)15; Demandt (1965 (Ammians Geschichtsbild); Urban (1966) (Topoi in Belage- rungsschilderungen)16; Syme (1968) (Verhältnis der Res gestae zur Historia Augusta); Ro- sen (1970) (Einfluss der Darstellungsformen auf die Glaubwürdigkeit); Bitter (1976) (To- poi in Schlachtenschilderungen); Sabbah (1978) (Ammians Methode(n)); Salemme (1987) (Vergleiche und similitudini); Paschoud (1989) und (1992) (Ammians Glaubwürdigkeit); Kautt-Bender (1991) („Anleihen“ aus Plautus; Dramatisierung); Wittchow (2001)(Erzähl- formen in den Res gestae); Mary (2003) und (2008) (Konzeptione(n) des Raumes in den Res gestae; Erschaffen eigener Wirklichkeiten); Kelly (2008) (Allusivität); Ross (2016) (Julianʼs romanisation)17. Abgesehen von den neuen Einsichten, die diese Arbeiten hinsichtlich der Arbeitsweise Ammians und hinsichtlich des formalen Aufbaus und der Struktur der Res gestae erbracht haben, ist es vor allem Eines, das von den Autoren dieser Arbeiten sowohl als Prämisse ihrer Arbeiten vorausgesetzt wird als auch als Ergebnis herauskommt und das am besten zu fassen ist in den Titeln der Arbeiten von MATTHEWS (The Roman Empire of Ammianus 15 In der Dissertation von Straub sind gerade für die beiden von mir im Folgenden behandelten Erzählungen Ammians Ergebnisse herausgearbeitet, die bis heute die Ammianforschung geprägt haben und mit denen sich jeder, der diese Erzählungen behandelt, auch heute noch wird auseinandersetzen müssen. Allerdings sei auch schon hier angemerkt, dass einige dieser Ergebnisse zumindest modifiziert werden müssten, z.B. dass sich der Prinzipat der frühen Kaiserzeit so deutlich vom Dominat des Kaisertums der Spätantike un- terschieden habe, wie es Straub darstellt, oder dass die Kaisererhebungen der Spätantike, besonders was die Mitwirkung des Heeres betrifft, sozusagen auf ein allgemeines Bewusstsein gegründet waren, das es ermöglichte, den legitimen Kaiser vom Usurpator zu unterscheiden. Außerdem müsste einmal genauer untersucht werden, ob nicht manche der Thesen in Straubs Dissertation einen Einfluss der Zeitumstände erkennen lassen (vgl. vor allem das Vorwort). 16 In den beiden Erzählungen, die ich behandle, kommt keine eigentliche Belagerung vor (In AMM. 20,4 ge- hen die Soldaten gegen das palatium Julians allerdings wie bei einer Belagerung vor.), aber die Arbeit von Urban ergibt, dass die Topoi in den Belagerungsberichten der Historiographen tatsächlich Topoi sind, weil sie in einer langen, bis auf Herodot und Homer zurückgehenden Tradition stehen. Und wenn Ammian in diesem Bereich Topoi verwendet, warum sollte das dann nicht auch in anderen Bereichen der Fall sein? - Zur Umsetzung der durch Urbans Arbeit gegebenen Anregungen vgl. die Dissertation von Bitter (1976). 17 Vor allem die von den oben genannten Arbeiten, die nach Sabbahs Buch (SABBAH, GUY: La méthode dʼAmmien Marcellin. Recherches sur la construction du discours historique dans les Res gestae, Paris 1978) erschienen sind, zu dem Rosen in: ROSEN, KLAUS: Ammianus Marcellinus, Darmstadt 1982, 67 sagt, dass sich „hinter dieses in der Spanne von THOMPSON bis SABBAH erreichte Ergebnis […] nicht mehr zurückgehen lasse, haben auf teils ganz verschiedene Weise und unter sehr verschiedenen Aspekten gezeigt, dass man bei allen antiken Historiographen und somit auch bei Ammian genau unterscheiden muss, was bloße Information historischer Fakten und was Konstruktion, bzw. Fiktion des Autors ist.

6 (1989); Hervorhebung von mir) und ROSS (Ammianusʼ Julian (2016); Hervorhebung von mir): In den Res gestae entsteht ein Bild des Römischen Reiches, wie Ammian es sich vor- gestellt hat, und der „Latin Julian“, den Ross in der Literatur der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts sucht, kann eine Fiktion Ammians sein. Sowohl bei Matthews als auch bei Ross hat das keinen resignierenden Rückzug auf eine Position zurück, dass man überhaupt nicht wissen könne, wie das Römische Reich in Wirklichkeit gewesen sei und was bei Julian in Wirklichkeit geschehen sei. Dennoch impliziert in der Historiographie das Phäno- men der Rhetorisierung als auch das Phänomen der Ereignisse, die auch zu Zeiten Ammi- ans so nicht vorgekommen sein können und folglich auch nicht beobachtet oder bezeugt worden sein können18, die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Historikers. Wenn man Ammians Aussage in 16,10,21 nimmt, er habe zu den iuniores in Ursicinusʼ Stab im Jahre 357 n.Chr. gehört, dann ist klar, dass er den Zeitraum, für den seine Darstel- lung ausführlich ist, selbst erlebt hat, somit seine mehrfache Berufung auf Autopsie von daher nicht zu beanstanden ist. Da er jedoch so etwas wie eine „Weltgeschichte“ schreibt, muss er, selbst wenn er in den Jahren als Soldat viele Gebiete des Römischen Reiches und vor allem diejenigen kennengelernt hat, in denen sich die wichtigsten Ereignisse dieser Zeit abgespielt haben (Gallien; Oberitalien; Donauraum; Konstantinopel; Kleinasien bis Syrien; Grenzgebiete zu Persien), daneben Quellen gehabt haben. Da er selbst jedoch keine Quellen nennt, bleibt für die Forschung hier nur der Weg, sie aus Ammian selbst durch Vergleich zu erschließen19. Natürlich ist das ein Problem nur für den modernen Interpreten, der darin einen Wider- spruch zu der immer wieder von den Geschichtsschreibern vertretenen Auffassung, die Wahrheit zu sagen, zu sehen glaubt. Aber in den oben aufgeführten Fällen hat man diese zur Zeit Ammians für wahr gehalten. Schwieriger aus heutiger Sicht zu beurteilen hinsicht- lich dieses Wahrheitsanspruches sind die Fälle, in denen es um die Rhetorisierung geht: Da wohl nicht mehr zu bestreiten ist, dass speziell in der Spätantike alle Literatur von der Rhe- torik beeinflusst ist, hat dies auch in der Ammianforschung manchmal zu der radikalen Po- sition geführt, auf die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes der Res gestae weitgehend zu verzichten20 und den Wahrheitsanspruch selbst für Rhetorik zu halten. Dazu kommen die Fälle, in denen Ammians Res gestae unter einem speziellen Aspekt untersucht worden sind

18 Beispiele aus Ammian: unterschiedliche Verwesungsgeschwindigkeit bei Leichen von Persern und Rö- mern (AMM. 19,9,9); nach dem Geschlecht unterschiedliche Lage von im Wasser treibenden Leichen (AMM. 26,10,18); einmaliges Verabreichen eines Giftes, das nicht unfruchtbar macht, aber nach jeder Em- pfängnis eine Fehlgeburt auslöst (AMM. 16,10,18) u.v.m. 19 Vgl. dazu in der oben genannten Arbeit von Rosen das Kapitel II 2. Ammians Quellen 52-72. 20 So z.B. WITTCHOW (2001) und ROSS (2016).

7 und die dabei erzielten Ergebnisse weiterführend eine solche Untersuchung hätten nach sich ziehen müssen.21 Schließlich sind hier diejenigen Arbeiten zu nennen, die entweder als Nebenprodukt zu dem Ergebnis führen, dass es nicht so gewesen sein könne, wie Ammian es schildere22, oder die eigens zu dem Zweck unternommen wurden, die Glaubwürdigkeit Ammians zumindest partiell in Zweifel zu ziehen23. Der Einfluss der Rhetorik auf Ammians Res gestae darf zwar unbesehen als für das ganze Werk geltend angenommen werden, aber er muss dennoch zunächst am Text nachgewiesen werden. In den speziell historisch orientierten Arbeiten wird zwar in den meisten Fällen ge- sagt, dass er bei Ammian vorhanden sei oder man damit rechnen müsse, aber es finden sich nur wenige konkrete Nachweise. Dann ist zu ergründen, in welchem Maße die Rhetorisie- rung beeinflusst, beeinträchtigt oder gar verhindert herauszufinden, wie es denn in Wirk- lichkeit gewesen ist. Letztlich möchte der Historiker, selbst wenn er sich der Grenzen, diese Wirklichkeit überhaupt erst zu definieren, bewusst ist und dass die Darstellung niemals eine äquivalente Abbildung sein kann, dies doch zumindest annähernd wissen. Der Einfluss der Rhetorik, vor allem die damit gegebene Möglichkeit, Lücken in der Überlieferung nach den Grundsätzen der Probabilität durch inventio24 aufzufüllen, aber 21 Ammians Constantius II. z.B. weist Züge auf wie der mürrische Alte in Plautusʼ Komödien (und dabei sind auch sprachliche Übereinstimmungen mit Plautus zu finden.)(KAUTH-BENDER (1991)) Hier ist wiederum auch ROSS (2016) zu nennen, der Ammians Bericht von der Erhebung Julians zum Cäsar (AMM. 15,8) als eine verfehlte „Adoption“ nach SALL. Iug. 9-10 und TAC. hist. 1,14-17 interpretiert. 22 So z.B. Ehling [ EHLING, KAI in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 47(1997) 229-233] zur Er- hebung des Prokop zum Augustus in AMM. 26,6,15,-18 und Baudy (1992). Waldherr (1997) zum Seebeben des Jahres 365 n.Chr. in AMM. 26,10,15,-19. 23 Hier sind natürlich an erster Stelle die beiden Aufsätze von Paschoud zu nennen, bei denen jeweils schon im Titel die Zielrichtung der Arbeit angegeben ist: PASCHOUD, FRANÇOIS: Valentinien travesti, ou: De la malignité dʼAmmien, in: BOEFT, J. DEN, HENGST, D. DEN, TEITLER, H.C. (Hrsgg.), Cognitio gestorum: The Historiographic Art of Ammianus Marcellinus, Amsterdam 1992, 67-84; PASCHOUD, FRANÇOIS: «Se non è vero, è ben trovato»: tradition littéraire et vérité historique chez Ammien Marcellin, in: Chiron XIX, 1989, 37-54 24 Nach antiker Theorie ist die inventio „das >Finden< der Gedanken“ (Cic. inv. 1,21,29), „das, was die res an mehr oder minder verborgenen Gedankenentwicklungsmöglichkeiten enthält, wird herausgeholt (ex- 4 cogitatio)“ [LAUSBERG 2008 ) 146]. Mit der probabilis … narratio (CIC. inv. 1,21,29) ist der Leser / Hörer 4 „von der Tatsächlichkeit des Inhalts“ der narratio zu überzeugen [LAUSBERG 2008 ) 180]. Nach antiker Theorie ist dies natürlich zunächst für die Auseinandersetzung vor Gericht gedacht, aber die immer wieder konstatierte Rhetorisierung der antiken Geschichtsschreibung schließt eben auch die Ausweitung oder Übertragung dieser Theorien auf die Geschichtsschreibung ein. - Es bedürfte längerer Ausführungen, um zu zeigen, dass die Annahme der inventio auch beim Geschichtsschreiber nicht in einem Widerspruch zu dem Anspruch der Geschichtsschreiber zu stehen braucht, immer der Wahrheit verpflichtet gewesen zu sein. Ein Hauptproblem aber dürfte sein, herauszufinden, an welchen Stellen man mit inventio rechnen muss und welche die Kriterien sind, die auf inventio schließen lassen. Dabei dürfte auch eine wichtige Rolle spielen, wie derjenige, der heute Ammian zu interpretieren sucht, die Probabilität der ammiane- ischen Erzählung beurteilt. Bezogen auf die von Paschoud behandelten Fälle enthüllt sich die Unwahr- scheinlichkeit erst nach dem Heranziehen spezieller wissenschaftlicher Erkenntnis, und wenn zu Ammi- ans Zeiten der Leser / Hörer die fast immer in diesen Geschichten vorkommenden Anspielungen und Umbildungen früherer Ereignisse bemerkte und verstand, dann dürfte dies wohl eher als Beweis ange- sehen worden sein, dass es so war, als dass es zu Zweifel angeregt hätte. Für die in dieser Arbeit vorge- legten Fälle sind in der Regel im Kommentar die Belege aufgeführt, nach denen Ammian seine Erzählung gestaltet haben könnte, und in der Interpretation wird begründet, warum Zweifel an der Historizität

8 auch der bewusste Anschluss an eine „unzeitgemäße“ Tradition vermögen zwar z.T. den Detailreichtum von Ammians Res gestae zu erklären, aber für sich genommen, nicht zu be- gründen, warum Ammian sich für diese „unzeitgemäße“ Form der Geschichtsschreibung entschieden hat und warum er nach Rom gegangen ist, um dort seine Res gestae zu schrei- ben. Da Ammian sich auch hierzu nicht direkt äußert, muss alles Diesbezügliche wiederum aus seinem Werk erschlossen werden: In der modernen Ammianforschung hat man die Ent- scheidung Ammians für Rom mit der Suche nach dem von Ammian intendierten Hörer / Leser verknüpft. Daraus ergibt sich gleichsam von selbst, dass der Vortragende / Autor ent- sprechend dem horazischen prodesse et delectare formvollendet seine Sicht der Geschichte und der Funktion der Geschichtsschreibung mitteilen will (Tendenz der Res gestae). Auch ein nur oberflächlicher Blick auf die Res gestae lässt erkennen, dass diese Tendenz geprägt ist von Vorurteilen Ammians in allen möglichen Bereichen, vor allem aber hinsichtlich der den handelnden Personen unterstellten Motive (Tendenziosität). Die Entscheidung für die klassische Geschichtsschreibung erfährt indirekt eine Begründung in der Polemik Ammi- ans gegenüber den Abbreviatoren (AMM. 15,1,1) und der Verteidigung seiner Form der Ge- schichtsschreibung gegenüber obtrectatores, deren Vorwurf wohl gelautet haben muss, dass Ammians Geschichtsschreibung zu viele minutiae enthalte, wir würden heute sagen, zu minutiös sei. Ammian nennt an dieser Stelle (AMM. 26,1,1) einige Beispiele, aber sagt leider nicht, wie eine nicht-minutiöse Geschichtsschreibung aussieht. Erschwerend kommt für den heutigen Interpreten hinzu, dass man in dem Detailreichtum der ammianeischen Geschichtsschreibung vom ersten Eindruck her vieles für minutiae hält, was Ammian of- fensichtlich nicht dafür gehalten hat. Aus diesem kurzen Überblick über die Forschungsgeschichte zu Ammians Res gestae er- gibt sich, dass einerseits die mit der Neubewertung der Spätantike einhergehende Intensi- vierung der Ammianforschung die Notwendigkeit einer Weiterführung zeigt, da vor allem Ergebnisse der Topos-, Motiv- und Rezeptionsforschung entweder erst noch zu erarbeiten sind (z.B. Rezeption Ammians im Mittelalter!25) oder in das bisher Erarbeitete zu integrie- ren sind (Allusivität in Ammians Geschichtsschreibung26; Ammians Religiosität, bzw. seine

angebracht sind. 25 Nachruf des Matthäus Paris von 1251 oder 1252 auf den Stauferkaiser Friedrich II.: Fridericus principum mundi maximus stuporque mundi et immutator mirabilis. - Dies gilt genauso für die Neuzeit, wenn man einmal von den Editoren und Kommentatoren, die entweder Philologen oder Historiker waren, absieht; ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Brief Fran-cesco Vettoris an Niccolò Machiavelli vom 23. Nov. 1513 [ www.aiutamici.com/fdp/eBook/ebook/Niccolo Machiavelli-LettereaFrancescoVettori.pdf ; zuletzt eingesehen am 23.Nov.2014] und auf LAURENCE STERNE: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman, zuerst publiziert 1759-67. Es scheint mir, dass in letzterem Werk vor allem Slawkenbergiusʼs Tale es wert wäre zu untersuchen, ob Kenntnis Ammians an-zunehmen wäre. 26 Das „Standardwerk“ zu diesem Thema ist jetzt sicherlich KELLY, GAVIN: Ammianus Marcellinus, The Allu-

9 Darstellung von Religiosität27) und dass andererseits Ammians Anschluss an die klassische Geschichtsschreibung noch einer vertieften Begründung harrt. Daraus lassen sich die der folgenden Arbeit zugrundegelegten Prinzipien, die dabei angewandten Methoden und die damit angestrebten Ziele herleiten: Weil Ammian ein sprachlich schwieriger Autor ist28, der Interpretierende der heutigen Zeit sich aber in einem Abstand von mehr als 1600 Jahren zu Ammians Zeiten befindet, und weil die Res gestae so detailreich sind, wird der eigentlichen Interpretation ein philolo- gisch-historischer Kommentar vorausgeschickt29, der auch die Realien erklärt, die aufgrund

sive Historian, Cambridge 2008, und jeder, der sich mit der Allusivität bei Ammian befasst, muss sich an Kellys Arbeit orientieren und wird dann immer wieder mit Bewunderung feststellen, wieviel man für Am- mians Arbeitsweise und seine Auffassung von Geschichtsschreibung aus den von Kelly genauestens nach dem von ihm gefundenen Klassifizierungssystem (pp. 198-214) analysierten Beispielen gewinnt. Weitge- hend ausgeklammert bleibt aber bei Kelly, ob nicht auch wie bei den exempla durch die Anspielungen das Paradox entsteht, dass einerseits die zeitliche Dimension in die Vergangenheit und manchmal auch in die Zukunft „verlängert“ wird und andererseits durch die notwendige Assoziation „Also war so etwas schon einmal da und wird vielleicht auch wieder so sein“ etwas Ahistorisches in die Darstellung kommt. 27 Letzte mir zu diesem Thema bekanntgewordene Arbeit ist DAVIES, JASON P.: Romeʼs Religious History: Li- vy, Tacitus and Ammianus on their Gods, Cambridge 2004 (es sei denn, man nähme wegen Julian auch ELM, SUSANNA: Sons of Hellenism, Fathers of the Church. Emperor Julian, Gregory of Nazianzus, and the Vision of Rom, Berkeley Los Angeles London 2012 dazu). Da das Thema immer noch äußerst kontrovers diskutiert wird und für manche Wissenschaftler die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Hei- dentum das Thema der Spätantike ist, ich mich aber darin nicht für kompetent halte und auch der Mei- nung bin, dass es in den von mir behandelten Geschichten Ammians keine Rolle spielt, wird es von mir nicht weiter behandelt. 28 Es ist gar nicht so einfach, Belege dafür in der modernen Literatur zu Ammian zu finden (Wer gibt schon gerne zu, dass er Schwierigkeiten hat, mit dem Latein Ammians zurechtzukommen?). Nur indirekt ver- weist darauf ein Satz bei Rosen (ROSEN (1982) 10): „Aber erst ihre [gemeint sind Ammians Res gestae] Sprache macht sie zu einem der am mühevollsten zu übertragenden Prosawerke überhaupt.“ Dass man jedoch diese Schwierigkeit bewältigen muss und ihr nicht durch Arbeit allein mit Übersetzungen entgehen kann, findet sich bei A.J. WOODMAN: Readers and Reception: A Text Case, in: MARINCOLA, JOHN (Hrg.): A Companion to Greek and Roman Historiography Chichester 2011, 133 – 144 S.144:“If they [gemeint sind scholars of historiography] read in anything but the original Latein, the reader will be unable to distin- guish actual historical information from the authorʼs imaginative constructions. And the study of history itself becomes impossible if readers do not acquire the means to distinguish fact from fiction.“ 29 Für AMM. 16,10 gibt es einen derartigen modernen Kommentar: DE JONGE, P., Philological and Historical Commentary on Ammianus Marcellinus XVI, Groningen 1972, ss. 109-145, für AMM. 20,4-5 gibt es derar- tige moderne Kommentare: SZIDAT, JOACHIM: Historischer Kommentar zu Ammianus Marcellinus Buch XX–XXI, Teil I: Die Erhebung Julians, Wiesbaden/ 1977 (= Historia ES H. 31) ss. 129-181; DEN BOEFT, J., D. DEN HENGST, H.C.TEITLER, Philological and Historical Commentary on Ammianus Marcelinus XX, Gronin-gen 1987 ss. 51-133. De Jonge behandelt im Kommentar zu 16,10 neben einigen Fragen zur Konstituierung des Textes vor allem die Eigenheiten der ammianeischen Sprache hinsichtlich des Wortge- brauchs und der Syntax und zitiert dabei und auch in der Erklärung der Realien mehrfach den Kommentar von Wagner-Erfurdt. Was den historischen Teil betrifft, so geht es vor allem um prosopographische An- gaben, während Angaben zu Allusivität, Glaubwürdigkeit Ammians, Funktion der exempla und zur Kom- position des Textes nicht behandelt werden. Szidat konzentriert sich in seinem Kommentar zu 20,4-5 trotz einiger Anmerkungen zu philologisch-sprachlichen Problemen vor auf den historischen Gehalt dieser Er- zählung. Dabei versucht er unter Auswertung aller Berichte, die in mehr oder weniger ausführlicher Schil- derung sich auf die Erhebung Julians zum Augustus beziehen, den Ablauf samit der Vorgeschichte zu re- konstruieren und alle sich aus Ammians Erzählung ergebenen Probleme zu lösen, stößt daber aber, da er sich den Ergebnissen der Arbeiten von Straub und Alföldi vorbehaltlos anschließt und die Problematik der Glaubwürdigkeit Ammians weitgehend ausklammert, mehrfach auf Ungereimtheiten und Widersprüche in Ammians Erzählung. Der Kommentar von DEN BOEFT u.a. zu AMM. 20,4-5 ist formal (d.h. in der Gliede- rung nach Lemmata und großenteils auch in der Abgrenzung der Lemmata) das Vorbild für meinen philo- logisch-historischen Kommentarteil gewesen, und so wie bei den Boeft u.a. vieles von dem, was bei Szi-

10 des zeitlichen Abstandes erklärungsbedürftig sind, der aber auch möglichst vollständig sog. Parallelstellen aus Ammian selbst und aus anderen Autoren anführt, um so die Besonder- heiten von Sprache und Stil Ammians besser zu erkennen. Dazu kommen die Stellen, wiederum aus Ammian selbst und anderen Autoren, deren Kenntnis Voraussetzung dafür ist, dass man exempla und vor allem auch Anspielungen richtig versteht. So nebenbei wird damit auch einfach durch die Quantität ein Beweis für Ammians bookish-Sein geführt. Dieser Kommentar ist nach den Kola oder Sätzen des ammianeischen Textes gegliedert. Da allgemein anerkannt ist, dass Ammian belesen war und der Detailreichtum der Res ge- stae sicherlich auch eine Folge dieser Belesenheit ist, werden im Kommentar lexikalische, inhaltliche und motivische Ähnlichkeiten aufgeführt, und im Kommentar und / oder in der Interpretation wird versucht zu klären, welche Funktion sie in der Erzählung haben. Weil die Rhetorisierung der Literatur der Spätantike heute nicht mehr bezweifelt wird, aber nur selten in der Historiographie nachgewiesen wird, wird versucht, an repräsentati- ven Stellen diesen Nachweis zu erbringen. Weil jede Rhetorisierung eine Manipulation der dargestellten Wirklichkeit ist und weil Ar- beiten speziell zu Ammian zumindest das negative Ergebnis erbracht haben, dass es manchmal nicht so gewesen sein kann, wie Ammian es schildert, wird der Ammiantext nicht nur daraufhin untersucht, wo derartige Stellen sind, sondern in der Interpretation auch versucht zu klären, ob die Rhetorisierung in Form der inventio Auswirkungen auf die dar- gestellte Wirklichkeit hat. Es ist in der Forschung zur antiken Historiographie unbestritten, dass Reden keine Au- thentizität beanspruchen können und Historizität nur in dem Sinne, dass in bestimmten Situationen in der Regel eine Rede gehalten wurde und dass das Gesagte nicht zu Wider- sprüchen zum Geschehensverlauf, zu den Rahmenbedingungen der Rede und im weitesten Sinne zum Sprecher (Aussehen, Charakter, Denkweise u.ä.) führen durfte. Dieses Prinzip ist natürlich auch in der folgenden Arbeit beachtet. Aus dem bewussten Anschluss Ammians an die klassische Historiographie in lateinischer Sprache folgt, dass auch Ammian, wenn er nicht als naiver Geschichtenerzähler dastehen will, in seinen Res gestae von einer bestimmten Geschichtsauffassung ausgehend die Dar-

dat steht, erscheint, so kommt auch inhaltlich vieles von dem, was bei den Boeft u.a. steht, wieder in mei- nem Kommentar vor (wobei ich mich bemüht habe, das jeweils kenntlich zu machen). Da jedoch seit 1987 auch im grammatisch-sprachlichen und stilistisch-literarischen Bereich die Kenntnisse hinsichtlich Ammians Res gestae umfangreicher geworden sind, habe ich es für nötig gehalten, dem in meinem Kom- mentar Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt soll in meinem Kommentar auch vorbereitet werden, was in der Interpretation besonderes Gewicht erhält, aber bei den Boeft u.a. noch nicht so intensiv bearbeitet ist, die Erzähltechnik Ammians, deren Einfluss auf die Darstellung des Geschehens, die inventio in Ammians Er- zählungen und die Glaubwürdigkeit Ammians.

11 stellung dazu benutzt hat, die Res gestae nach dieser Geschichtsauffassung zu gestalten, wie es Sallust, Livius und Tacitus auch getan haben. Schon ein flüchtiger Blick auf das, was vom Gesamtwerk erhalten ist, zeigt, dass bei Ammian zu dieser Tendenz vor allem im Hinblick auf die Hauptakteure in den Res gestae eine ausgeprägte Tendenziosität kommt. Beides nachzuweisen, wird neben anderem Ziel der Interpretation sein. Um einen hinreichenden Nachweis zu erbringen, dass es in den Res gestae so etwas wie eine für das gesamte Werk geltende Tendenz gibt, müsste natürlich der gesamte erhaltene Text der Res gestae interpretiert werden. Das gilt ebenso für den Versuch eines Nachwei- ses, dass Ammian bewusst an die klassische lateinische Historiographie anschließt. Das ist natürlich nicht möglich (Die von DE JONGE in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts begonnene und von DEN BOEFT u.a. fortgeführte Kommentierung des erhaltenen Gesamt- werks ist bis heute noch nicht abgeschlossen!30). Dass die dadurch erzwungene Auswahl dann auf AMM. 16,10 und AMM. 20,4-5 gefallen ist, ist in folgendem begründet: Beide Stellen stechen aus dem durchgehend detailreichen Gesamtwerk noch einmal durch besonderen Detailreichtum hervor, eignen sich also in besonderer Weise, in einem speziellen Aspekt zu erforschen, was Ammian mit diesem Detailreichtum bezweckt und inwiefern dieser dazu beiträgt, seine Entscheidung für die klassische Form der Geschichtsschreibung zu begründen. Daneben, und zwar gleichwertig, wenn nicht sogar wichtiger, zwei weitere Ansätze: In den Res gestae ist die Reihe der Stadtpräfekten der Stadt Rom fast vollständig und meist sogar verbunden mit einer den Stadtpräfekten betreffenden Episode wiedergegeben (was für den in den Res gestae behandelten Zeitraum auch für Konstantinopel möglich gewesen wäre, aber nicht geschieht). Dies ist eindeutig ein Zeichen für die große Bedeutung, die die Stadt Rom für Ammian hat. Rom ist auch in

AMM. 16,10 der Schauplatz im Zentrum der Geschichte, und für Ammian einer der beiden „Hauptakteure“. Constantius II. ist nicht nur im Hinblick auf die Gesamttendenz der Res gestae wichtig, sondern neben den anderen Kaisern des von Ammian behandelten Zeitraumes (Julian, Jovian, Valentinian, Valens, Gratian) derjenige, an dem man vor allem die Tendenziosität von Ammians Geschichtsschreibung nachweisen kann. Die die Geschichte Julians behandelnden Bücher (15-25) nehmen innerhalb der erhal- tenen Bücher (14-31) insofern eine Sonderstellung ein, als der darin behandelte Zeitraum (355–363 n.Chr. = 7,5 Jahre) im Vergleich zu dem in den letzten Büchern (26-31) behan- delten Zeitraum (363–378 n.Chr. = knapp 15 Jahre) nur ungefähr halb so groß ist, die Dar-

30 Inzwischen ist dies eingetreten: Zu Anfang des Jahres 2018 ist der Kommentar zum 31. Buch erschienen (J. DEN BOEFT, J.W. DRIJVERS, D. DEN HENGST, H.C. TEITLER: Philological and Historical Commentary on Ammmianus Marcellinus XXXI Leiden • Boston 2018).

12 stellung also weitaus ausführlicher ist als in den anderen Büchern (was, wenn man an- nimmt, dass das Gesamtwerk mit der Regierung Nervas (96 n.Chr.) begonnen hat, noch auffälliger ist). Allein schon daraus wird klar, dass für Ammian die Geschichte Julians in der Geschichte des Römischen Reiches, soweit er sie überblicken kann, so etwas wie einen Kulminationspunkt darstellt. Da auch ohne eingehendere Analyse allein aus der Kenntnis der Biographie Julians hervorgeht, dass innerhalb der Geschichte Julians die Erhebung zum Augustus ebenfalls so etwas wie einen Kulminationspunkt darstellt, ist damit eine hin- reichende Begründung gegeben, AMM. 20,4-5 eingehender zu untersuchen. Da man allein aus den quantitativen Verhältnissen herleiten kann, welche Bedeutung Ammian der Ge- schichte Julians beimisst, aber aus dem Abstand der heutigen Zeit man es ohne weiteres sa- gen darf, dass hier in der Bewertung Ammians irgendwie ein Missverhältnis vorliegt, dürfte auch AMM. 20,4-5 besonders geeignet sein, um die Tendenziosität Ammians in einem konkreten Fall zu belegen.

13 2. Der Besuch des Constantius in Rom

2.1. Text (Ammianus Marcellinus, Res Gestae 16, 10, 1 – 21)

1: Haec dum per Eoas partes et Gallias pro captu temporum disponuntur, Constantius, tamquam recluso Iani templo, stratisque hostibus cunctis, Romam visere gestiebat, post Magnentii exitium absque nomine ex sanguine Romano triumphaturus. 2: Nec enim gen- tem ullam bella cientem per se superavit, aut victam fortitudine suorum comperit ducum, vel addidit quaedam imperio, aut usquam in necessitatibus summis primus, vel inter primos est visus, sed ut pompam nimis extentam, rigentiaque auro vexilla, et pulcritudinem stipa- torum ostenderet agenti tranquillius populo. haec vel simile quidquam videre nec speranti umquam nec optanti, 3: ignorans fortasse quosdam veterum principum in pace quidem lic- toribus fuisse contentos: ubi vero proeliorum ardor nihil perpeti poterat segne, alium anhe- lante rabido flatu ventorum lenunculo se commisisse piscantis, alium ad Deciorum exem- pla vovisse pro re publica spiritum, alium hostilia castra per semet ipsum cum militibus infimis explorasse: diversos denique actibus inclaruisse magnificis, ut gloriosas suas res posteritati celebri memoria commendarent. 4: Ut igitur multa quaeque consumpta sunt in adparatu ... secunda Orfiti praefectura, transcurso Ocriculo, elatus honoribus magnis, stipa- tusque agminibus formidandis, tamquam acie ducebatur instructa, omnium oculis in eo contuitu pertinaci intentis. 5: Cumque urbi propinquaret, senatus officia, reverendasque patriciae stirpis effigies ore sereno contemplans, non ut Cineas ille Pyrrhi legatus in unum coactam multitudinem regum, sed asylum mundi totius adesse existimabat. 6: Unde cum se vertisset ad plebem, stupebat, qua celeritate omne, quod ubique est, hominum genus con- fluxerit Romam: et tamquam Euphraten armorum specie territurus aut Rhenum, altrin- secus praeeuntibus signis, insidebat aureo solus ipse carpento, fulgenti claritudine lapidum variorum: quo micante, lux quaedam misceri videbatur alterna. 7: Eumque post antegressos multiplices alios, purpureis subtegminibus texti circumdedere dracones, hastarum aureis gemmatisque summitatibus illigati, hiatu vasto perflabiles, et ideo velut ira perciti sibilan- tes, caudarumque volumina relinquentes in ventum. 8: Et incedebat hincinde ordo geminus armatorum, clypeatus atque cristatus, corusco lumine radians, nitidis loricis indutus; sparsi- que cataphracti equites, quos clibanarios dictitant, personati thoracum muniti tegminibus, et limbis ferreis cincti, ut Praxitelis manu polita crederes simulacra, non viros: quos lami- narum circuli tenues apti corporis flexibus ambiebant, per omnia membra deducti: ut, quo- cumque artus necessitas commovisset, vestitus congrueret iunctura cohaerenter aptata. 9: Augustus itaque faustis vocibus adpellatus, montium litorumque intonante fragore cohor-

14 ruit, talem se tamque immobilem, qualis in provinciis suis visebatur, ostendens. 10: Nam et corpus perhumile curvabat portas ingrediens celsas, et velut collo munito rectam aciem luminum tendens, nec dextra vultum, nec laeva flectebat; tamquam figmentum hominis: non, cum rota concuteret, nutans, nec spuens, aut os aut nasum tergens vel fricans, manum- ve agitans visus est umquam. 11: Quae licet adfectabat, erant tamen haec et alia quaedam in citeriore vita patientiae non mediocris indicia, ut existimari dabatur, uni illi concessae. 12: Quod autem per omne tempus imperii, nec in consessum vehiculi quemquam suscepit, nec in trabea socium privatum adscivit, ut fecere principes consecrati, et similia multa, quae elatus in arduum supercilium tamquam leges aequissimas observavit, praetereo, memor, ea me rettulisse, cum incidissent. 13: Proinde Romam ingressus, imperii virtutum- que omnium larem, cum venisset ad Rostra, perspectissimum priscae potentiae forum, ob- stupuit: perque omne latus, quo se oculi contulissent, miraculorum densitate praestrictus, adlocutus nobilitatem in curia populumque e tribunali, in palatium receptus favore multi- plici, laetitia fruebatur optata; et saepe cum equestres ederet ludos, dicacitate plebis oblec- tabatur, nec superbae, nec a libertate coalita desciscentis, reverenter modum ipse quoque debitum servans. 14: Non enim, ut per civitates alias, ad arbitrium suum certamina finiri patiebatur: sed ut mos erat, variis casibus permittebat. Deinde intra septem montium culmina, per acclivitates planitiemque posita urbis membra collustrans et suburbana, quid- quid viderat primum, id eminere inter alia cuncta sperabat: Iovis Tarpei delubra, quantum terrenis divina praecellunt: lavacra in modum provinciarum exstructa; amphitheatri molem solidatam lapidis Tiburtini compage, ad cuius summitatem aegre visio humana conscendit; Pantheum, velut regionem teretem speciosa celsitudine fornicatam; elatosque vertices, qui scansili suggestu consurgunt, priorum principum imitamenta portantes, et Urbis templum, forumque Pacis, et Pompei theatrum, et odeum, et stadium, aliaque inter haec decora urbis aeternae. 15: Verum, cum ad Traiani forum venisset, singularem sub omni caelo structu- ram, ut opinamur, etiam numinum adsensione mirabilem, haerebat attonitus, per giganteos contextus circumferens mentem, nec relatu effabiles, nec rursus mortalibus adpetendos. Omni itaque spe huiusmodi quidpiam conandi depulsa, Traiani equum solum locatum in atrii medio, qui ipsum principem vehit, imitari se velle dicebat, et posse. 16: Cui prope adstans regalis Hormisda, cuius e Perside discessum supra monstravimus, respondit astu gentili: Ante, inquit, Imperator, stabulum tale condi iubeto, si vales: equus, quem fabricare disponis, ita late succedat, ut iste, quem videmus. Is ipse interrogatus, quid de Roma senti- ret, Id tantum sibi placuisse, aiebat, quod didicisset ibi quoque homines mori. 17: Multis igitur cum stupore visis horrendo, Imperator de fama querebatur ut invalida vel maligna,

15 quod augens omnia semper in maius, erga haec explicanda, quae Romae sunt, obsolescit: deliberansque diu, quid ageret, urbis addere statuit ornamentis, ut in maximo circo erigeret obeliscum, cuius originem formamque loco competenti monstrabo. 18: Inter haec Helenae sorori Constantii, Iuliani coniugi Caesaris, Romam adfectionis specie ductae, regina tunc insidiabatur Eusebia, ipsa, quoad vixerat, sterilis: quaesitumque venenum bibere per frau- dem illexit, ut quotiescumque concepisset, immaturam abiceret partum. 19: Nam et pri- dem in Galliis, cum marem genuisset infantem, hoc perdidit dolo, quod obstetrix corrupta mercede, mox natum, praesecto plus quam convenerat umbilico, necavit: tanta tamque dili- gens opera navabatur, ne fortissimi viri suboles adpareret. 20: Cupiens itaque augustissima omnium sede morari diutius Imperator, ut otio puriore frueretur et voluptate, adsiduis nun- tiis terrebatur et certis, indicantibus Suevos Raetias incursare, Quadosque Valeriam, et Sar- matas, latrocinandi peritissimum genus, superiorem Moesiam et secundam populari Panno- niam: quibus percitus, tricesimo, postquam ingressus est, die, IV. Kal. Iunias ab urbe pro- fectus, per Tridentum iter in Illyricum festinavit. 21: Unde misso in locum Marcelli Severo, bellorum usu et maturitate firmato, Ursicinum ad se venire praecepit. Et ille, litteris gratan- ter acceptis, Sirmium venit, comitantibus sociis: libratisque diu super pace consiliis, quam fundari posse cum Persis Musonianus rettulerat, in Orientem cum magisterii remittitur potestate: provectis e consortio nostro ad regendos milites natu maioribus, adulescentes eum sequi iubemur, quidquid pro re publica mandaverit impleturi. 2.2 Übersetzung

1: Während diese Anordnungen in den östlichen Teilen (des Reiches) und in Gallien entsprechend den zeitlichen Möglichkeiten getroffen wurden, wünschte Constantius, so als sei der Janustempel (wieder) geschlossen und als seien alle Feinde niedergeworfen, Rom zu besuchen, um nach dem Untergang des Magnentius, ohne einen Siegernamen (zu erhal- ten), aufgrund (des Vergießens) von römischem Blut einen Triumph zu feiern. 2: Denn er besiegte kein Volk, das Kriege aufleben ließ, von sich aus [unter eigener Führung] und erfuhr auch nicht, dass eines durch die Tapferkeit seiner Führer besiegt worden sei, fügte auch nichts dem Reich hinzu und wurde nirgends in höchsten Gefahren als erster (in vor- derster Linie) und auch nicht unter den ersten gesehen, sondern (er feierte den Triumph), um einen allzu ausgedehnten Festzug, goldstarrende Fahnen und die Schönheit seines Gefolges einem Volk zu zeigen, das ruhig lebte und deshalb niemals erwartete und auch nicht wünschte, das oder etwas Ähnliches zu sehen, 3: wobei er vielleicht nicht wusste, dass einige von den alten Kaisern im Frieden sich mit Liktoren begnügt haben, wo aber die

16 Hitze der Schlachten nichts Langsamträges dulden konnte, dass da der eine trotz des wütenden Wehens der Winde sich einem Fischerkahn anvertraut hat, ein anderer nach dem Vorbild der Decier sein Leben für den Staat geweiht hat und wieder ein anderer das feind- liche Lager von sich aus mit den einfachsten Soldaten erkundet hat, dass schließlich diese auf verschiedene Art durch großartige Taten berühmt geworden sind, so dass sie ihre eige- nen ruhmreichen Taten der glänzenden Erinnerung der Nachwelt anvertrauten. 4: Sobald also vieles und das, was bei der Vorbereitung verbraucht worden war (?), .... zog er während der zweiten Präfektur des Orfitus durch Ocriculum und weiter dahin, stolz auf die großen Ehrungen, umgeben von furchterregenden Abteilungen, so als sei das Heer in Schlachtordnung aufgestellt, wobei die Augen aller auf diesen Anblick unablässig gerichtet waren. 4: Und als er sich der Stadt näherte, betrachtete er mit heiterem Gesicht die Ehr- erbietungen des Senats und die ehrwürdigen Bilder des Patrizierstammes und meinte, nicht wie Kineas, jener Gesandte des Pyrrhus, dass eine Menge Könige sich an einem Ort ver- sammelt habe, sondern dass ein Asyl für die ganze Welt da sei. 6: Als er sich von da zur Plebs gewandt hatte, staunte er, mit welcher Schnelligkeit das gesamte Menschen- geschlecht, das es überall gibt, in Rom zusammengeströmt sei: und so, als wolle er den Euphrat oder den Rhein durch den Glanz der Waffen erschrecken, saß er, während auf beiden Seiten die Feldzeichen vorausgingen, selbst allein auf einem goldenen Wagen, in der leuchtenden Klarheit verschiedener (Edel)Steine; da dieser so funkelte, schienen sich gewissermaßen zwei Lichter zu mischen. 7: Ihn umgaben hinter vielfältigen anderen, die vorausgingen, die Drachen, die aus purpurnen Stoffen gewebt waren, die an die mit Gold und Edelsteinen besetzten Spitzen der Lanzen gebunden waren, die wegen des riesigen Rachens durchweht werden konnten und deshalb wie vom Zorn erregt zischten und die Spiralen ihrer Schwänze im Wind (hinter sich) ließen. 8: Und hier schritt auf beiden Seiten die doppelte Reihe der Bewaffneten einher, mit Schild und mit Helmbusch ausgestattet, in hellem Lichte strahlend, mit leuchtenden Panzern bekleidet; und (dazwischen) verstreut die Panzerreiter, die man clibanarii nennt, maskiert, durch Panzerbedeckungen geschützt und mit eisernen Gürteln gegürtet, so dass man hätte glauben können, es seien Statuen, von der Hand des Praxiteles geglättet, nicht (lebende) Menschen; dünne Blechstreifen, passend zu den Biegungen des Körpers, die über alle Körperteile gezogen waren, umgaben sie, so dass die Bekleidung, egal wohin die Notwendigkeit die Glieder bewegte, sich anpasste, da die Scharniere zusammenhängend eingefügt waren. 9: Und so mit glückverheißenden Rufen Augustus genannt, erstarrte er vor Schrecken (nicht), als das Getöse der Berge und Ufer donnernd ertönte, wobei er sich solchermaßen und so unbeweglich zeigte, wie man ihn in

17 seinen eigenen Provinzen sah. 10: Denn er krümmte seinen sehr kleinen Körper, wenn er durch hohe Tore hindurchfuhr, und drehte sein Gesicht weder nach rechts noch nach links, wie das Abbild eines Menschen, wobei er, als ob sein Hals befestigt sei, den Blick der Augen geradeaus richtete, und man sah ihn niemals schwanken, obwohl das Rad (ihn) durchschüttelte, oder spucken oder den Mund oder die Nase wischen oder reiben oder mit der Hand fuchteln. 11: Mochte er das auch erkünsteln, so waren dies und manches andere in seinem „Privat“leben Anzeichen für eine nicht mittelmäßige Selbstbeherrschung, die allein ihm gewährt war, wie man glauben durfte. 12: Dass er aber während seiner gesamten Regierungszeit niemanden zum Sitzen in seinem Wagen genommen hat und keinen priva- ten Gefährten im Konsulat hinzugenommen hat, wie es zu Göttern erklärte Kaiser getan haben, und vieles Ähnliches, was er, zu hohem Stolz erhoben, wie äußerst gerechte Geset- ze beachtet hat, übergehe ich, da ich mir bewusst bin, dass ich es (dann) erzählt habe, wenn es vorgefallen ist. 13: Er zog also in Rom ein, der Heimstatt des Reiches und aller Tugen- den. Als er zur Rostra auf dem Forum, dem sichtbarsten (Zeichen) der alt(ehrwürdig)en Macht, gekommen war, staunte er. Überall, wohin sich seine Augen begaben, von der Dichte der Wunder geblendet, redete er zum Adel in der Kurie, zum Volk von der Redner- tribüne aus; unter vielfältiger Gunst wurde er im Palast empfangen und genoss die er- wünschte Freude. Und oft, wenn er Reiterspiele gab, freute er sich über die Witzigkeit der Plebs, und weil sie weder hochmütig war noch von der angeborenen Freiheit abwich, wahrte auch er selbst ehrerbietig das geschuldete Maß. 14: Denn er ließ nicht, wie in ande- ren Städten, die Wettkämpfe nach seinem eigenen Gutdünken beenden, sondern er überließ es, wie es Brauch ist, den verschiedenartigen Zufällen. Und als er dann die Teile der Stadt, die innerhalb der Gipfel der sieben Berge und auf den Hängen und in der Ebene liegen, und die Vorstädte besuchte, da erwartete er, dass, egal, was er zuerst gesehen hatte, das alles andere überrage: die Heiligtümer des Jupiter Tarpeius, soweit Göttliches Irdisches über- ragt, die nach der Art von Provinzen erbauten Bäder, die Masse des Amphitheaters, gefes- tigt durch das Gefüge aus tiburtinischem Stein, (des Amphitheaters), zu dessen oberem Rand der menschliche Blick kaum hinaufsteigt, das Pantheon, wie eine runde Stadtgegend, die in spektakuläre Höhe gewölbt ist; und die hohen Scheitel, die sich auf besteigbarem Unterbau erheben und die Statuen früherer Kaiser tragen, und der Tempel der Stadt, das Forum Pacis, und das Theater des Pompeius, das Odeion, das Stadion und dazwischen andere (weitere) Schmuckstücke der ewigen Stadt. 15: Als man aber zum Trajansforum gekommen war, einem einzigartigen Bauwerk unter dem ganzen Himmel, bewunderswert auch, wie wir meinen, aufgrund der Zustimmung der Götter, da blieb er „angedonnert“ wie

18 angewurzelt stehen, ließ seinen Blick über die gigantischen zusammenhängenden Bau- werke schweifen, die man nicht beschreiben kann und die (zu bauen) von Sterblichen nicht wieder angestrebt werden sollte. Und so sagte er, weil alle Hoffnung vertrieben war, etwas derartiges zu versuchen, dass er allein das Pferd des Traian, das mitten im Atrium steht und den Kaiser selbst trägt, nachahmen wolle und könne. 16: Der Prinz Hormisdas, der ganz in der Nähe stand, dessen Weggang aus Persien wir an früherer Stelle erwähnt haben, bemerkte mit der für sein Volk typischen Schläue und sagte: „Vorher, (mein) Kaiser, lass einen solchen Stall bauen, wenn du es vermagst: das Pferd, das du herstellen lassen willst, soll so in der Breite daruntergehen, wie das da, das wir sehen, (breit ist).“ Eben dieser ant- wortete, als er gefragt wurde, was er über Rom denke, ihm habe nur das gefallen, dass er erfahren habe, dass auch dort Menschen sterben.“ 17: Als nun vieles mit erschreckendem Staunen besichtigt worden war, da beklagte der Kaiser sich über die Fama, da sie schwach oder bösartig sei, weil sie, obwohl sie (sonst) immer alles vergrößere, unscheinbar (und nicht in der Lage sei), das zu erklären, was in Rom sei; und als er lange überlegte, was er tun solle, beschloss er, den Schmuckstücken der Stadt etwas hinzuzufügen, nämlich im Zirkus Maximus einen Obelisken aufrichten zu lassen, über dessen Herkunft und Aussehen ich an passender Stelle berichten werde. 18: Währenddessen unternahm die damalige Kö- nigin Eusebia, die selbst unfruchtbar war, solange sie gelebt hatte, einen Anschlag auf Helena, die Schwester des Constantius, die Ehefrau des Cäsars Julian, die, indem man besondere Zuneigung heuchelte, nach Rom geholt worden war. Sie suchte ein Gift und brachte sie durch Betrug dazu, es zu trinken, damit sie jedesmal, wenn sie schwanger würde, eine Fehlgeburt hätte. 19: Denn schon vorher brachte sie in Gallien, als Helena einen Jungen geboren hatte, diesen mit der List um, dass die Amme, die bestochen worden war, den gerade Geborenen tötete, indem sie die Nabelschnur weiter als man durfte, ab- schnitt; so große und so sorgfältige Mühe wurde aufgewendet, damit keine Nachkommen- schaft des größten Helden zur Welt käme. 20: Obwohl also der Kaiser wünschte, an dem allerehrwürdigsten Sitz länger zu verweilen, um reinere Muße und Freude zu genießen, wurde er durch ständige und zuverlässige Nachrichten erschreckt, die anzeigten, die Sue- ben seien in Rätien eingefallen, die Quaden in Valeria und die Sarmaten, ein äußerst erfah- renes Volk bei Raubzügen, verwüsteten das obere Mösien und das zweite Pannonien. Dadurch beunruhigt, brach er am dreißigsten Tag, seitdem er eingezogen war, d.h. am 30. Mai, von der Hauptstadt auf und eilte über Tridentum nach Illyricum. 21: Nachdem er von da den Severus, einen kriegserfahrenen, gereiften und gefestigten Mann an die Stelle des Marcellus geschickt hatte, ließ er Ursicinus zu sich kommen. Und der kam, nachdem er

19 den Brief mit Freuden erhalten hatte, in Begleitung der Gefährten nach Sirmium. Nachdem man lange über den Frieden Pläne erwogen hatte, der nach dem Bericht des Musonianus mit den Persern fest geschlossen werden könne, wurde er mit der Amtsgewalt eines Magis- ters in den Osten geschickt; nachdem die Älteren aus unserer Gemeinschaft befördert wor- den waren, um die Soldaten zu führen, erhielten wir Jungen den Befehl, ihm zu folgen, um alles zu erfüllen, was er im Interesse des Staates befehle. 2.3 Kommentar

10,1: haec: gemeint sind die in 16,9 geschilderten, über den dux Mesopotamiae, Cassi- anus, gemachten Versuche des praefectus praetorio Musonianus, zwischen Constantius und Sapor einen Friedensschluss zustandezubringen, und die in 16,2–4 geschilderten ersten Erfolge des Cäsars Iulian in Gallien. - per eoas partes et Gallias: a) ēōus,-a,-um nach griech. ἠῷος, bzw. ἐῷος, Adjektiv zu Ēōs (griech. ἡ Ἠώς die Göttin der Morgenröte) und damit für den Osten stehend: „östlich“.1 Zu der hier aus zunächst “wertfreien geographi- schen Bezeichnungen“ (Orient und Okzident) sich in dieser Zeit herausbildenden Antithese von „emotional geladene(n), assoziationsbefrachteten Schlagworte(n)“ vgl. PABST (1986) 175f. Die Antithese hier in inkonzinner Form und zugleich so etwas wie eine polare Aus- drucksweise. - b) Vgl. auch AMM. 18,4,2;18,5,5;22,9,14;26,5,2;30,4;31,10,11;28,1,1(in eois tractibus);20,3,1;28,1,1;30,2,9;30,4,8. - c) Galliae: immer im Plural, da die dem praefectus praetorio Galliarum unterstehenden Diözesen XIII und XVI schon seit Augustus mehrere Provinzen umfassen. - Ammian hat in den Kapiteln 11 und 12 des 15. Buches der Res ges- tae einen Exkurs über Gallien gebracht. In diesem Exkurs ist in 11,6-15 die verwaltungs- mäßige Einteilung Galliens beschrieben, beginnend mit Germania inferior an der Mün- dung des Rheins, dann den Rhein aufwärts bis zu den Alpen mit Nennung jeder Provinz (secunda Germania; prima (Germania)), dann sozusagen die nächste Reihe, wieder be- ginnend an der Küste (Belgica prima; secunda ... Belgica; Lugdunensis prima; secunda ...

Lugdunensis) (Vgl. CRUMP (1975) 36). - haec ... pro captu temporum disponuntur: Zur

2 3 4 Junktur pro captu temporum vgl. AMM. 14,11,4 ;15,1,1;21,4,2 ;25,6,5;25,8,10;27,8,4 ;

1 Wohl zuerst in Dichtung bei Catull, Vergil hat dieses Adjektiv achtmal, vgl. HAGENDAHL (1921) 19;71; oft bei Claudian (vgl. MOES (1980) 103); in Prosa selten seit PLIN. MAI. (6,33 ab oriente eous ... vocatur (oce- anus)). Vgl. auch DEN BOEFT u.a. (2008) 101 zu AMM. 26,5,2. - Vgl. auch AMM. 18,4,2: ad tuendas partes eoas; 18,5,5; 22,9,14; 30,4,1; 20,3,1: per eoos tractus; 30,2,9; 30,4,8. 2 ut pro rerum tunc urgentium captu disponeretur concordi consilio [„dass entsprechend dem Umfang der damals drängenden Sachen nach einmütiger Beratung Anordnungen getroffen würden“] 3 inter multa, quae pro captu instantium rerum erat acturus [„unter vielem, was er entsprechend dem Um- fang der anstehenden Dinge tun wollte“] 4 pro captu virium; ROWELL (1966) 844 schließt aus dieser Angabe, dass der Exkurs über Britannien (in den verlorengegangenen Büchern der Res gestae) ausführlich gewesen sein muss. Zu seinen Folgerungen vgl. auch zu 29,5,18.

20 5 6 7 28,3,5 ;31,7,1 ;31,10,15;31,10,20 [CHIABÒ 107, s.v. captus,-us]. An allen Stellen hat das Substantiv captus,-us die Bedeutung „Umfang“, „Fassungsvermögen“ und die jeweils durch pro captu + genet. gebildete Junktur gibt letztlich eine Einschränkung für den ge- schilderten Vorgang an [in 25,6,5 ist der Bau des Lagers dadurch eingeschränkt, dass man sich in einem Tal befindet], ohne dass jedoch dadurch eine Bewertung des Vorgangs durch den Autor vorgenommen würde, vielmehr ist speziell die Junktur pro captu temporum bei Ammian zu einer Floskel in Sätzen geworden, die zu einem neuen Abschnitt überleiten, was man z.B. daran sehen kann, dass Ammian diese Floskel in 31,10,20, obwohl es auch da um an die Zeitumstände angepasste Anordnungen geht (dispositis), zu poscebant setzt. - quasi cluso Iani templo: a) V liest quam recluso Iani templo. Quam muss korrupt sein.

8 Recludere = claudere [gewöhnlich recludere „aufschließen“] ist nicht zu belegen [GEOR-

GES 2,2228 führt nur diese Stelle an; die drei von DE JONGE (1972) 110 angeführten Stellen (Dig. 42,1,15,2;47,2,21,6; Instit. 2,2,7) können nicht ohne weiteres als Beleg gewertet wer- den, da an allen drei Stellen recludere bedeutet „etwas irgendwo einschließen, wegschlie- ßen“ (die Ortsangabe ist immer vorhanden). Re- in der Bedeutung „wieder“ ist eine der üblichen Bedeutungen des inseparablen Präfixes re-, so dass recludere als „wieder schlie- ßen“ durchaus möglich ist (wenn auch sonst nicht belegt), nur dass nicht verständlich ist, warum es hier auf die Wiederherstellung eines früheren Zustandes ankäme. - Da zwischen quasi und tamquam kein Unterschied besteht (vgl. MENGE §392) – es wird immer ein bloß angenommener Gedanke eingeführt -, beide Konjunktionen auch bei Partizipien vorkom- men (in der Spätantike in zunehmendem Maße), ist es schwer zu entscheiden, ob man die von allen Herausgebern akzeptierte Konjektur des Heraeus (quasi cluso ...) oder den Vor- schlag des Valesius (tamquam recluso ...), der handschriftlich leichter als versehentliches Weglassen des tam- zu verstehen ist, annimmt.- Gemeint ist in beiden Fällen, dass das Geschlossensein des Janustempel den Frieden symbolisiert. Ob der Brauch zur Zeit des Constantius noch bestand9, ist für die Deutung der Stelle irrelevant, und dass dies nicht

5 (Valentinus) ... exsules sollicitabat et milites pro temporis captu ausorum illecebrosas pollicendo mer- cedes [„er wiegelte Verbannte und Soldaten auf, indem er entsprechend dem Umfang der Zeit (SEYFARTH: für den Augenblick) ihnen verlockende Belohnungen für ihre Wagnisse versprach“] 6 ut super Armeniae statu pro captu rerum componeret impendentium [„dass er über den Zustand Arme- niens entsprechend dem Umfang der anstehenden Dinge Vereinbarungen treffe“] 7 dispositis igitur, quae pro temporum captu per Gallias res rationesque poscebant, et ... [„nachdem also das angeordnet war, was entsprechend dem Umfang der Zeiten die Umstände und die Überlegungen für Gallien erforderten“] 8 NOVÁK (1896) 16 weist darauf hin, dass recludere bei Ammian immer die Bedeutung „aufschließen“, „öffnen“ hat (15,3,3; 21,12,19; 22,12,8; 23,4,9; 27,12,7; 29,1,20). 9 Nach HA vit. Gord. 26,3 bestand der Brauch angeblich noch in der Mitte des 3. Jahrhunderts: (Gordian III. eröffnet den Krieg gegen Persien) Gordianus aperto Iano gemino, quod signum erat indicti belli, profectus est contra Persas.

21 mehr habe so sein können, weil man sich in der Zeit eines christlichen Kaisers befinde, ist schon von TILLEMONT (Histoires des Empereurs T.I p. 561) als Argument bestritten worden;

DE JONGE führt außerdem drei Stellen aus Claudian an, die sich alle auf die Zeit des christ- lichen Kaisers Honorius beziehen.10 - b) Zum Brauch, den Janusbogen nur dann geschlos- sen zu halten, wenn Frieden herrscht, vgl. DKP Bd.2, s.v. Ianus, 1311–1314 [W. EISENHUT]. Weder Augustus11 (vgl. RES GESTAE DIVI AUGUSTI, with an introduction and commen- tary by P.A. Brunt and J.M. Moore, Oxford 1967 (reprinted 1978), 54–55 zu Res gestae, cap. 13) noch Claudian oder Orosius sprechen vom Janustempel. Janus hatte zwar einen Tempel auf dem forum holitorium, aber der oben erwähnte Brauch war an den Ianus gemi- nus geknüpft, einen Torbogen, der den Durchgang vom Forum zum Argiletum und zum Quirinal bildete. Dass Ammian Tempel und Bogen verwechselt, scheint mir neben dem zum Abl. abs. gesetzten quasi darauf hinzuweisen, dass der Brauch zu Ammians Zeiten

12 nicht mehr bestand. - *c) LIV. 1,19,2: (Numa Pompilius) Ianum ad infimum Argiletum indicem pacis bellique fecit, apertus ut in armis esse civitatem, clausus pacatos circa om-

13 nes populos significaret. SUET. Ner. 13,3 (Beim „Triumph“ über Tiridates) Ianum gemi-

14 num clausit tamquam nullo residuo bello. - CLAUDIAN. 27,637–639: perpetuisque inmoto cardine claustris / Ianus bella premens laeta sub imagine pugnae / armorum innocuos paci largitur honores [„und während die Türangel sich aufgrund der ewigen Riegel nicht be- wegt, zerdrückt Janus die Kriege unter dem frohen Bild des Kampfes und schenkt dem

15 Frieden von Waffen unbeschädigte Ehren.“] - Vgl. auch EUTROP. Brev. 9,2,2: (Gordian)

10 Die Stelle aus OROSIUS, Hist. adv. paganos 7,3,4 (Postquam redemptor mundi, Dominus Iesus Christus, venit in terras et Caesaris censu Romanus adscriptus est, dum per duodecim, ut dixi, annos clausae belli portae beatissima pacis tranquillitate cohibentur) kann allerdings in diesem Zusammenhang nicht als Beleg dienen, da das Schließen des Janustempels zur Zeit des Augustus kein Anachronismus ist. 11 AUGUSTUS, Res Gestae, 13: Ianum Quirinum, quem clausum esse maiores nostri voluerunt, cum per totum imperium populi Romani terra marique esset parta victoriis pax, cum prius, quam nascerer, a condita urbe bis omnino clausum fuisse prodatur memoriae, ter me principe senatus claudendum esse censuit. - SUET. Aug. 22: Ianum Quirinum semel atque iterum a condita urbe ante memoriam suam clausum in multo breviore temporis spatio, terra marique pace parta, ter clusit. - FLOR. 4,12,64: Sic ubique certa atque continua totius generis humani aut pax fuit sub Numa rege et victa primum Carthagine aut pactio, aususque tandem Caesar Augustus septingentesimo ab urbe condita anno Ianum geminum cludere, bis ante clusum. - Allerdings Bringmann, S. 113: „Der Tempel des Gottes Janus wurde geschlossen ...“ und auch S. 114 in seiner Übersetzung von Res gestae 13: „Den Tempel des Janus Quirinus....“ 12 Eine gewisse Bestätigung durch HA Gord. 26,3: aperto Iano gemino, quod signum erat indicti belli, weil der Vorgang nach Ansicht des Autors einer Erläuterung bedarf. 13 Bei Livius ist im Anschluss angegeben, wann die Schließung bis zu seinen Zeiten vorgekommen ist (Bis deinde post Numae regnum clausus fuit, semel T. Manlio consule post Punicum primum perfectum bellum, iterum, quod nostrae aetati di dederunt ut videremus, post bellum Actiacum ab imperatore Caesare Augusto pace terra marique parta.) [Dazu VON HAEHLING (1989) 89]. Das ist hier bei Ammian nicht von Interesse. - Bei Tacitus wird nur Ann. 2,49,1 ein Janustempel unter denen erwähnt, deren Wiederherstellung von Augustus übernommen und von Tiberius vollendet wurde. Allerdings liegt dieser am Forum holitorium (Ortsangabe in derselben Form wie bei Livius!). 14 Auffallend, dass bei Sueton in 18,1 auch der Ausdruck augendi propagandique imperii vorkommt. 15 Der römische Kaiser Flavius Honorius (Regierungszeit 393–423, geb. am 9. Sept. 384 in Konstantinopel

22 Gordianus admodum puer, cum Tranquillinam Romae duxisset uxorem, Ianum Geminum aperuit et ad Orientem profectus Parthis bellum intulit. - Romam visere gestiebat: a)

AMM. 22,9,14: (Iulianus) at hinc videre properans Antiochiam, Orientis apicem pulchrum.- b) * HOR. c. 3,3,53–56 (Weissagung der Juno) (Roma) quicumque mundo terminus obstitit,/ hunc tanget armis, visere gestiens, / qua parte debacchentur ignes, / qua nebulae pluviique rores; *CLAUDIAN. VI Cons. Hon. 331–333 (zitiert in der Interpretation); 506-508: quin et Clitumni sacras victoribus undas, / candida quae Latiis praebent armenta triumphis / vise- re cura fuit [„Ja, ihm lag auch viel daran, die den Siegern heiligen Wasser des Clitumnus zu besuchen, die den Triumphen Latiums (schnee)weiße Stiere liefern“];*DIO (XIPH.) 77, 22,1: (Caracalla zieht nach Alexandreia): ἐπικρυπτόμενος τὴν ὀργὴν καὶ ποθεῖν αὐτοὺς προσποιούμενος [„indem er seinen Zorn verbarg und so tat, als sehne er sich nach ihnen“];

*HERODIAN. 4,8,6: (Caracalla) ἐκεῖ τε ὑποδεχθεὶς πολυτελῶς καὶ διατρίψας χρόνου τινὸς ἐπὶ τὴν Ἀλεξάνδρειαν ἐστέλλετο, πρόφασιν μὲν ποιούμενος ποθεῖν τὴν ἐπ᾿ Ἀλεξάνδρῳ κτισθεῖσαν πόλιν, καὶ τῷ θεῷ χρήσασθαι ὃν ἐκεῖνοι σέβουσιν ἐξαιρέτως [„nachdem er dort (gemeint ist Antiocheia) aufwändig empfangen worden war und sich ein gewisse Zeit auf- gehalten hatte, zog er weiter nach Alexandreia, wobei er vorgab, sich nach der unter Ale- xander gegründeten Stadt zu sehnen und dem Gott zu opfern, den jene ganz besonders ver- ehren.“]. - c) Die Formulierung ist eine Horazreminiszenz: in carm. 3,3 verkündet Juno, dass Roms Expansionsbestrebungen über die ganze Welt so lange erfolgreich sein werden, solange man nicht auf die Idee kommt, Troja wiedererstehen zu lassen; was aussieht wie

als zweiter Sohn des römischen Kaisers Theodosius I. d. Gr., gest. am 15. (?) Aug. 423 in Ravenna) besuchte anlässlich des Antritts seines 6. Konsulats (Amtsantritt am 1. Jan. 404) die Stadt Rom. Claudius Claudianus beschreibt im Panegyricus de sexto consulatu Honorii Augusti den Aufbruch zu dieser Reise aus Ravenna, die Fahrt nach Rom, den adventus des Kaisers in Rom, die Feierlichkeiten beim Amtsantritt und die sich daran anschließenden Veranstaltungen in Rom in den Versen 494–639 dieses Panegyricus. - Zahlreiche der Elemente sprachlicher und inhaltlicher Art, aus denen sich die Erzählung Ammians zusam- mensetzt, kehren in Claudians Panegyricus wieder. Sie sind im Folgenden im Kommentar, gekennzeich- net durch einen vorangestellten asterikos (*), in der Regel ohne weitergehende Erläuterung, bei dem entsprechenden Lemma des Ammiantextes angegeben. An dieser Stelle sei dazu nur bemerkt, dass der Panegyricus des Claudian später geschrieben und ediert worden ist als Ammians Res gestae, dass also Ammians 10. Kapitel des 16. Buches der Res gestae einen der Prätexte zu Claudians Panegyricus bildet. Zu allen weitergehenden Folgerungen vgl. die Interpretation. - Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwi- schen Ammianus Marcellinus 16,10 (a) und Claudians Panegyricus de sexto consulato Honorii Augusto (b) (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Anlass: (a) Triumph über Magnentius – (b) Antritt des 6. Konsulates. Anspielungen auf zentrale Ereignisse: (a) Aufrichten des Obelisken im Zirkus Maximus – (b) Erneuerung der Mauern Roms durch Stilicho (531). Wege: (a) (Mediolanum) – Ocriculum – Rom – Tridentum – Raetia – Valeria – Moesia superior – Pannonia secunda – Sirmium – (b) Ravenna – Padus – Fanum – Metaurus – Appennin – Clitumnus – Narnia – Tibertal – Rom – Rückweg kommt nicht vor. Wege in Rom: (a) Stadttore – Forum Romanum – palatium – Bauten im Zentrum – Trajansforum – (b) pons Mulvius – Palatinus collis. "Aktionen" des Einziehenden: (a) pompam ostendere (§2) – urbi propinquare (§5) – se vertere ad plebem (§6) – kein consessus – corpus curvare (§10) – Romam ingressus (§13) – Reden an den Adel – an das Volk (§13) – edere ludos (§13) – venire ad Traiani forum (§15).- (b) consessus (Stilicho – Honorius)(579/80) – Honorius triumphans (580) – ruft die Quiriten zur rostra (587/8) – sitzt auf solium eburneum (588) – relatio vor dem Senat.

23 der harmlose Wunsch, auch entfernte Gegenden zu besuchen und zu besichtigen, führt im Falle Roms zum Versuch, diese Gegenden im Krieg zu überwinden. Dies scheint bei Horaz Umwandlung eines Motivs, das bei Catull in carm. 11,9-10 so aussieht: sive trans altas gradietur Alpes, Caesaris visens monimenta magni [„sei es, dass er über die Höhen der Alpen hinwegschreitet und die Denkmäler des großen Cäsar besichtigt“].16 - d) Romaufent- halte der Kaiser in der Zeit von 298 n. Chr. bis 475 n. Chr. aufgeführt bei DEMANDT (2007) 376 Anm. 7: Der letzte Aufenthalt vor dem ConstantiusʼII. der des Nepotianus (3. Juni 350 n. Chr.), der nächste danach der Gratians im Sommer 376 n. Chr.17 - post Magnenti exi- tium: a) Die Herrschaft oder Usurpation des Usurpators oder röm. Kaisers Flavius Mag- nentius dauerte von 350 bis 353. Magnentius beging 353 in Lugdunum Selbstmord, als sei- ne Lage aussichtslos geworden war. Die entscheidende Niederlage erlitt er schon am 28. Sept. 351 bei Mursa (Pannonien) durch Constantius, dann noch einmal 353 in den Cotti- schen Alpen. - b) SEYFARTH 1, S. 256, Anm. 1 bezieht die ersten Worte (post emensos insu- perabilis expeditionis eventus) des erhaltenen Teils von Ammians Res Gestae auf Constan- tiusʼ Siege über Magnentius. - Vgl. DKP Bd. 3, s.v. Magnentius, 882/83 [A. LIPPOLD]; DE

JONGE (1935) 105 zu AMM. 14,1,1 (wonach die Kampfhandlungen in Gallien im Juli 353 mit der Schlacht bei Mons Seleuci geendet hätten). - c) Ausdrücklich bei Ammian Bezug auf Magnentius genommen 14,5,1 (Gerontium, Magnentianae comitem partis); 22,14,4: Bei einem Sieg über Julian habe Constantius vorgehabt, dessen Kopf genauso als Siegeszei- chen durch das Reich schicken zu lassen, wie er es mit dem des Magnentius getan habe: ut Iuliani ad eos (gemeint sind die Bewohner von Hierapolis) mitteret caput perduellis ingra- ti specie illa, qua Magnenti circumlatum meminerat membrum; Anspielungen in der Be- zeichnung tyranni in 15,8,6 und 17,5,13 (vgl. zu 26,7,12). - absque nomine: a) Absque ist im Frühen Latein eine Konjunktion (= si sine), kommt im klassischen Latein nicht vor und taucht seit Fronto, Gellius und Apuleius als Präposition (= sine) auf. [BRUGMAN, OSCAR:

Absque, in: Rheinisches Museum 32 (1877) 485–487; HAVERLING (1988) 45] - b) Damit ist gemeint, dass Constantius keinen Siegertitel wie Africanus, Britannicus, Germanicus o.ä. erhielt. Nach Paneg. 2(12),5,4 (si eius saeculo mos ille vixisset) kamen in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. derartige Siegertitel etwas aus der Mode, wahrscheinlich weil aufgrund des häufig zu findenden Titels victor omnium gentium überflüssig [MCCORMICK (1986)

113f.]. - c) Anders der bei OROS. 7,10,4 geschilderte Fall: Domitianus pravissima elatus iactantia sub nomine superatorum hostium de extinctis legionibus triumphavit, d.h., ob-

16 Beide Stellen schon bei BORZSÁK (1976) 365 als Reminiszenzen aus Catull, bzw. Horaz bezeichnet. 17 Zum Besuch Gratians vgl. die Interpretation. Vgl. auch HUMPHRIES (2003) 3.

24 wohl es auch hier um einen „Bürgerkrieg“ geht, wird der Triumphaltitel einfach gefälscht. -

*d) Vgl. auch VERG. Aen. 557/8 (Tod des Priamus): iacet ingens litore truncus, / avulsum- que umeris caput et sine nomine corpus. - ex sanguine Romano: a) Ex sanguine Romano gibt den Grund für den Triumph des Constantius an. Ebenso im Epilog des Constantius ex clade provinciarum den Grund für die Errichtung der Triumphbögen18. - b) Vgl. HA Sev. 9,10-11: atque ob hoc reversus triumpho delato appellatus est Arabicus Adiabenicus Par- thicus. Sed triumphum respuit, ne videretur de civili triumphare victoria. [„und deshalb zurückgekehrt wurde er, nachdem ihm der Triumph übertragen worden war, Arabicus, Adiabenicus und Parthicus genannt. Aber den Triumph wies er zurück, damit es nicht so aussah, als triumphiere er mit einem Sieg in einem Bürger(krieg).“]19. - Vgl. vor allem auch

CIC. Philipp. 4,2,4: (Antonius) ardens odio, cruentus sanguine civium Romanorum ... . - c)

Bezogen auf Constantiusʼ Krieg gegen Magnentius vgl. JULIAN, orat. 1 (εἰς Κωνστάντιον) 42a (οὐδὲ γὰρ ἐμφύλιον ἄξιον προσαγορεύειν τὸν πόλεμον, οὗ βάρβαρος ἦν ἡγεμὼν ἑαυ- τὸν ἀναγορεύσας βασιλέα καὶ χειροτονήσας στρατηγόν [„denn es war auch nicht richtig, als einen Bürgerkrieg den Krieg zu bezeichnen, dessen Führer ein Barbar war, der sich selbst zum Kaiser ernannt und als Feldherrn gewählt hatte“]), wo Julian offensichtlich die herrschende Ansicht, es sei ein Bürgerkrieg gewesen, dadurch zu entkräften versucht, dass er Magnentius zum Barbaren erklärt. - *d) LUCAN. 1,7–14: Quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri? / Gentibus invisis Latium praebere cruorem, / cumque superba foret Babylon spolianda tropaeis / Ausoniis umbraque erraret Crassus inulta, / bella geri placuit nullos habitura triumphos? Heu, quantum terrae potuit pelagique parari / hoc quem civiles hauserunt sanguine dextrae / …! - triumphaturus: a) Zur Endstellung des Partizip Fut. vgl. Pan. Lat. 2(12),37,1: Haemona … festinatinavit occursare venturo [gemeint ist Theo-

18 AMM. 21,16,15: ut autem in externis bellis hic princeps fuit saucius et afflictus, ita prospere succedentibus pugnis civilibus tumidus et intestinis ulceribus rei publicae sanie perfusus horrenda. Quo pravo proposito magis quam recto vel usitato triumphales arcus ex clade provinciarum sumptibus magnis erexit in Galliis et Pannoniis titulis gestorum affixis se, quoad stare poterunt monumenta, lecturis [„wie aber dieser Kaiser in auswärtigen Kriegen verwundet und niedergeschlagen gewesen ist, so ist er, wenn Bürgerkriege gün- stig verliefen, aufgeblasen und aufgrund der inneren Geschwüre des Staates von schaurigem Eiter über- strömt gewesen. In dieser bösen Absicht – böse eher als richtig oder üblich – ließ er in Gallien [Magnen- tius wurde 353 beim Mons Seleuci (in der Nähe des heutigen Gap (Frankr.)) besiegt] und Pannonien [28. Sept. 351 Niederlage des Magnentius gegen Constantius in der Schlacht bei Mursa (heute Osijek in Kroa- tien)] Triumphbögen aufgrund der Niederlage der Provinzen mit hohen Kosten errichten, wobei Auf- schriften seiner Taten angeheftet waren für diejenigen, die ihn, solange die Monumente stehen konnten, lesen werden“]. 19 Mit dem Sieg im Bürgerkrieg ist der Sieg des Septimius Severus über Pescennius Niger gemeint (März 194 n.Chr.). Die Triumphalnamen dagegen beziehen sich auf Ereignisse des Jahres 195 n.Chr. Der vom Senat bewilligte Triumph bezog sich auf Septimiusʼ Feldzüge dieses Jahres, wobei in den drei genannten Fällen der Triumphalnamen diese Völker nicht zum Römischen Reich gehörten, aber wohl Pescennius Niger unterstützt hatten. Die Begründung für die Ablehnung des Triumphes kann natürlich Konstruktion des Verfassers der Historia Augusta sein.

25 dosius I.]20. - b) Daraus geht hervor, dass Constantiusʼ Einzug in Rom von Ammian als Tri- umphzug gesehen wird. Im Jahre 358 wird Constantius zum zweitenmal als Sieger über die

Sarmaten ausgerufen (AMM. 17,13, 25) und zieht im Triumph in Sirmium ein (17,13,34: Sirmium cum pompa triumphali regressus est [gemeint ist Constantius]). - c) Der lange Zeitraum zwischen dem Untergang des Magnentius (353) und dem Feiern des Triumphes (357) ist als auffallend angesehen worden.21 Während man es teilweise darauf zurück- geführt hat, dass man in der Spätantike den Triumph gern mit einer Quinquennalien-,

22 Dezennalien- oder Vizennalienfeier kombiniert habe , will ALFÖLDI (1970) 100 es mit einer geänderten Weltbetrachtung begründen, wonach der Triumph nicht mehr so sehr an den Mut und das Talent des Feldherrn in einer speziellen Situation gebunden sei, sondern dem Kaiser, und zwar ihm allein, als dem victor omnium gentium zukomme.23 - d) Der Triumph- zug ist zu Constantiusʼ Zeiten nicht mehr faktisch der Abschluss der Rückkehr des sieg- reichen Heeres in die Heimat.24 - e) Verknüpfung von adventus und Triumph auch schon bei LIV. 5,23,4-6 (nach der Eroberung von Veji): Adventus quoque dictatoris omnibus ordi- nibus obviam effusis celebratior quam ullius umquam antea fuit, triumphusque omnem consuetum honorandi diei illius modum aliquantum excessit. Maxime conspectus ipse est, curru equis albis iuncto urbem invectus, parumque id non civile modo, sed humanum etiam visum. Iovis Solisque equis aequiperatum dictatorem in religionem etiam trahebant, triumphusque ob eam unam maxime rem clarior quam gratior fuit. 10,2: nec enim .... memoriae commendarent: über zwei Paragraphen sich erstreckende Periode, die als Ganzes dikolisch in antithetischer Form (sed) mit negativem ersten Teil (nec) und sich immer weiter entfaltendem zweiten Teil, bei Ellipse des Prädikates, geglie- dert ist, wobei auch die Binnengliederung zumindest im ersten Teil im wesentlichen diko-

20 Ausgeschrieben: Nec pia Haemona cunctantius, ubi te adfore nuntiatum, impulsis effusa portis obviam provolavit et, ut est omne desiderium post spem impatientius, parum credens patere venienti festinavit occursare venturo. Die Stelle ist deshalb ausgeschrieben, weil hier das traditionelle Motiv, dass beim adventus die Stadt dem Ankommenden entgegenzieht, mit dem ebenso traditionellen Motiv, dass die Stadt in freudiger Erwartung des Ankommenden ist, insofern abgewandelt ist, als sich aus der übergroßen Vorfreude Ungeduld ergibt, so dass das Entgegengehen zu einem Entgegeneilen wird. Ammians Bericht weicht insofern vom traditionellen Schema ab, als er von den Erwartungen der Stadt nur in negierter Form spricht und von Ungeduld und Vorfreude der Stadt überhaupt nicht die Rede ist. 21 Zwischen Cäsars Sieg über Gallien [wenn man die deditio des Vercingetorix im Sept. 52 v. Chr. als Ende des Krieges betrachtet] und dem Triumph [Sommer 46 v.Chr.] liegen fast sechs Jahre (!). 22 Vgl. STRAUB (1939) 179–181. 23 KLEIN (1979) 52–53 versucht, gestützt auf den zweimaligen Plural triumfis der Inschrift des Obelisken (DESSAU ILS 376, Zeile 4 und Zeile 24), den Nachweis, dass aufgrund der drei Alamannenfeldzüge der Jahre 354–356 Constantius zu dem Triumph berechtigt gewesen sei, womit auch die Zeitnähe wieder- hergestellt wäre. Er übersieht dabei jedoch, dass Zeile 20 (cum caede tyranni) ausdrücklich auf Magnen- tius Bezug genommen ist. 24 Zu Triumph und adventus vgl. auch die umfangreiche Bibliographie bei VITIELLO (2000) 552 Anm. 5 und Anm. 6, darunter vor allem KÜNZL, ERNST: Der Römische Triumph. Siegesfeiern im antiken Rom, München 1988; KOEPPEL, GERHARD M.: Profectio und Adventus, in: Bonner Jahrbücher 169 (1969) 130–194.

26 lisch gestaltet ist (erster Teil: nec gentem ... ducum vel addidit ... est visus; zweiter Teil: ut optanti/ignorans fortasse ... commendarent) und diese Teile dann nochmals dikolisch ent- faltet werden (nec superavit ... aut ...comperit/vel addidit .. aut ... est visus) und eine Klimax dadurch erzielt wird, dass das letzte Glied nochmals in ein Dikolon zerlegt ist (pri- mus vel inter primos), während im zweiten Teil der von ignorans fortasse abhängige Teil zwar wiederum dikolisch und antithetisch (ubi vero..) gestaltet ist, im zweiten Teil aber die Entfaltung in einem durch Anapher hervorgehobenen Trikolon (oder, falls diversos denique eigenständig neben alium ... alium ... alium, Tetrakolon) ausläuft. - aut victam fortitudine suorum comperit ducum: a) Vgl. EUTROP. Brev. 7,11,1: (Tiberius) nam nusquam ipse pug- navit, bella per legatos gessit suos. OROS. 7,4,2: (Tiberius) hic per semet ipsum nulla bella gessit, sed ne per legatos quidem alia gravia, nisi quod tantum aliquantis in locis praecog- niti cito gentium tumores comprimebantur; 7,10,13: (Domitian) bellum adversum Germa- nos et Dacos per legatos gessit pari rei publicae pernicie. - b) Auffallende Ausdrucks- weise: Gemeint ist wohl, dass er sich noch nicht einmal auf solche Fälle berufen konnte, in denen der Triumph des Herrschers darauf beruhte, dass seine Feldherrn die Siege errungen hatten, ein Triumph aber nur noch dem Kaiser zustand. Durch comperit wird darauf hinge- wiesen, dass Constantius nicht nur nicht selbst am Kampf teilnimmt, sondern dass er nicht einmal in der Nähe des Schlachtfeldes sich befindet [was für den Krieg gegen Magnentius erwiesenermaßen nicht gilt]. - Zu dieser eigenartigen Form, das für die Erzählung oder die Argumentation entscheidende Faktum zum Objekt eines X comperit zu machen, vgl. auch den Kommentar und die Interpretation von 29,5,46 (dort auch weitere Beispiele aus Ammi- an). - addidit quaedam imperio: a) Synonym zu addere auch amplificare (vgl. AMM. 25,9,9: (Im Zusammenhang mit Ammians Klage über die fortuna orbis Romani, als Jovian nach dem gescheiterten Perserfeldzug Julians gezwungen ist, mit den Persern einen Frie- den zu schließen, der auch Gebietsabtretungen beinhaltete) ...sed ne ob recepta quidem, quae direpta sunt, verum ob amplificata regna triumphales glorias fuisse delatas), bzw. adicere . Durch diese Stelle wird klargestellt, dass es sich bei addidit um eine „echte“ Gebietserweiterung handeln muss, wozu nicht die Wiedergewinnung eines Territoriums zählt, das schon einmal zum Römischen Reich gehört hat.25 - b) Imperium meint hier das

Römische Reich vor allem in seiner territorialen Ausdehnung, vgl. z.B. auch AMM. 15,8,7: fines imperii.26 In den meisten Fällen, in denen Ammian den Begriff imperium verwendet,

25 Vgl. VAL. MAX. 2,8,4: Cautum erat, ut pro aucto imperio non pro reciperatis quae populi Romani fuissent, triumphus decerneretur. 26 Vgl. dazu vor allem RICHARDSON (1991) passim. - Nach W. SUERBAUM, Vom antiken zum frühmittel- alterlichen Staatsbegriff, Münster , 19773, 162 ist in diesen Fällen mit dem Wort imperium keine „ideelle[..] Erhöhung des Wortes“ verbunden durch Koppelung an eine bestimmte Reichsideologie. Dies

27 ist jedoch das imperium des Kaisers gemeint, also das (römische) Kaisertum (Vgl. DEN

BOEFT (2005) 296 zu AMM. 25,9,8.), vgl. z.B. auch SYMMACH. Orat. 2,12 (Valentinian in Be- zug auf die Alamannen) quos ferro subtrahis, addis imperio. - c) Verweigerung eines Tri- umphes erwähnt bei Ammian in dem Exkurs in die römische Geschichte, den er anlässlich des von Jovian mit den Persern geschlossenen Friedens macht, 25,9,10: Publio Scipioni ob recuperatas Hispanias, Fulvio Capua post diuturna certamina superata, et Opimio post diversos exitus proeliorum, Fregellanis tunc internecivis hostibus ad deditionem conpulsis triumphi sunt denegati.[„dem Scipio wurde der Triumph verweigert, weil er Spanien nur wiedererobert hatte, dem Fulvius, nachdem er Capua nach tagelangen Kämpfen besiegt hatte, und dem Opimius nach verschiedenen Ausgängen der Kämpfe (d.h. es gab auch Nie- derlagen), obwohl die Fregellaner, damals tödliche Feinde, zur Kapitulation gezwungen

27 worden waren“] - d) Zur Sache vgl. auch EUTROP. 7,9 (Augustus) Romano adiecit imperio Aegyptum, Cantabriam, … Bosphorum et Panticapaeum; 8,8,2: (Antoninus Pius) defen- dere magis provincias quam amplificare studens; 8,6,2 (Hadrian) statim provincias tres reliquit, quas Traianus addiderat, et de Assyria, Mesopotamia, Armenia revocavit exercitus ac finem imperii esse voluit Euphraten. Pan. Lat. 8 (5),17,3: Gloriare tu vero, Caesar in- victe (gemeint ist Constantius I.), alium te orbem terrarum repperisse, qui Romanae poten- tiae gloriam restitudendo navalem addidisti imperio terris omnibus maius elementum. Epit. de Caes. 48,5: Fuit autem Theodosius propagator rei publicae atque defensor eximi- us. Nam Hunnos et Gothos, qui eam sub Valente defatigassent, diversis proeliis vicit. (Vgl. dazu BLECKMANN (1995) 93 und Anm. 49.) Von Ammian auch als Argument verwendet, um den von Jovian nach dem Perserfeldzug Julians geschlossenen Frieden zu kritisieren, 25,9,9: Numquam enim ab urbis ortu inveniri potest annalibus replicatis, (ut arbitror), terrarum pars ulla nostrarum, ab imperatore vel consule hosti concessa, sed ne ob recepta quidem quae direpta sunt, verum ob amplificata regna triumphalis glorias fuisse delatas.

Vgl. auch schon HOR. carm. 3,5,4 (adiectis Britannis imperio); AUG. Res gest. 27,1: Aegyp- tum imperio populi Romani adieci; 30,2: protuli … fines Illyrici ad ripam fluminis Danuvi;

SUET. Neron. 18,1: augendi propagandique imperii neque voluntate ulla neque spe motus umquam, etiam ex Britannia deducere exercitum cogitavit. - e) Aus der Zeit der zweiten Stadtpräfektur des Vitrasius Orfitus (vgl. §4) gibt es zwei identische Inschriften auf Mar-

sei bei Ammian eher bei den Begriffen orbis Romanus, orbis terrarum , totus orbis u.ä. der Fall. 27 Die Bestimmung des ius triumphandi, dass Rückgewinnung zuvor verlorenen römischen Territoriums nicht zu einem Triumph berechtige, wird durch die Beispiele als gültig erwiesen; was das aber damit zu tun haben soll, die Abtretung römischen Territoriums als eine actio indigna zu erweisen, ist mir nicht klar; DEN BOEFT 299f. (zu AMM. 25,9,9) geben keinen Hinweis.

28 morbasen vom Forum Romanum (CIL 1161/116228), in denen Constantius als propagator imperii bezeichnet ist. - *f) Ein bis in die republikanische Zeit zurückgehender Topos, in anderer Form z.B. CIC. res publ. 3,15 (24): (Rede des Philo) omni‹que pace› te sapientia iubet augere opes, amplificare divitias, proferre fines, - unde enim esset illa laus in sum- morum imperatorum incisa monumentis „finis imperii propagavit“, nisi aliquid de alieno

29 accessisset? VERG. Aen. 6,792–795: Augustus Caesar … / … qui … / … super et Gara- mantas et Indos / proferet imperium. OV. ars 177–180: Ecce, parat Caesar domito, quod defuit orbi / addere: nunc, oriens ultime, noster eris. / Parthe, dabis poenas: Crassi, gau- dete, sepulti, / signaque barbaricas non bene passa manus. - nec ... usquam in summis necessitatibus primus vel inter primos est visus: a) Zu in necessitatibus summis vgl. Kommentar zu 20,4,18. - b) primus vel inter primos in der Formulierung sallustisch, vgl.

SALL. Iug. 6,1: (über den jungen Jugurtha) ad hoc pleraque tempora in venando agere, leo- nem atque alias feras primus aut in primis ferire. Pacatus im Panegyricus auf Theodosius Pan. Lat. [Panegyrikus zu Ehren des Theodosius anlässlich des Rombesuchs im Jahre 389 n.Chr.] 12 (2),10,3: quin omnium castrensium munerum numeros primus aut cum primis obires.- c) In positiver Fassung topisch30 zur Beschreibung des idealen Feldherrn, wobei der erste Teil der Alternative, dass der Feldherr in der Schlacht der vorderste ist, rein litera- risches Relikt ist31, während beim zweiten Teil der Alternative zunächst am Normalfall gemessen wird, dass der Feldherr selbst nicht mehr kämpft, dass also Teilnahme am Kampf schon einen gewissen Sonderfall darstellt, dass aber triumphwürdig nur ist, wenn der Feld- herr in vorderster Linie mitkämpft, was in der Regel meinen dürfte, dass er als pedes mit- kämpft. Vgl. SALL. Cat. 59,1: dein remotis omnium equis, quo militibus exaequato periculo animus amplior esset, ipse pedes exercitum pro loco atque copiis instruit; VERG. Aen.

28 Propagatori imperii / Romani · d(omino) · n(ostro) / · Fl(avio) · Iul(io) / Constantio Maximo / toto orbe victori ac / triumfatori · semper · Aug(usto) / Memmius Vitrasius / Orfitus · v(ir) · c(larissimus) · iterum / praef(ectus) · urbi iud(ex) / sac(rarum) · cogn(itionum) / tert(ium) · d(evotus) · n(umini) · m(aiestati) · q(que) · eius. - Vgl. auch VITIELLO (1999) 400; HUMPHRIES (2003) 19. - Vgl. auch Epitome de Caesaribus 48,5: Fuit autem Theodosius (gemeint ist Theodosius I.) propagator reipublicae atque defensor eximius. 29 Dazu ausführlich für die augusteische Zeit CRESCI MARRONE (1993) 98–100. 30 Wie sehr der gesamte Komplex bei Ammian durch Topoi geprägt ist, kann man an der Stelle bestätigt sehen, an der Constantius Julian eine Anleitung für seine künftige Rolle als Cäsar in Gallien gibt, 15,8,13: et si hostibus congredi sit necesse, fixo gradu consiste inter signiferos ipsos, audendi in tempore conside- ratus hortator, pugnantes accedens praeeundo cautissime. 31 TAC. Agricola 18,2: ipse (gemeint ist Agricola) ante agmen, quo ceteris par animus simili periculo esset, erexit aciem enthält noch eine Spur davon. - PROKOP. Gotica 7,35: Τεΐας δὲ πᾶσιν ἔνδηλος γεγενημένος καὶ τὴν μὲν ἀσπίδα προβεβλημένος, ἐπανατεινόμενος δὲ τὸ δόρυ, πρῶτος ξὺν ὀλίγοις τισὶ τῆς φάλαγγος ἔστη ist am ehesten ein Beispiel für den ersten Teil der Alternative; es ist jedoch zu bedenken, dass Teja kein römischer Feldherr ist. - SALL. Cat. 61,4: Catilina vero longe a suis inter hostium cadavera repertus est ist sozusagen ein indirekter Nachweis. - HA vit. Probi 22,2-3: quinquennio enim imperii sui per totum orbem terrarum tot bella gessit, et quidem per se, ut mirabile sit quemadmodum omnibus occurrerit proeliis. Multa manu sua fecit.

29 7,733: ipse inter primos praestanti corpore Turnus / vertitur arma tenens; TAC. Agr. 35,4: dimisso equo pedes ante vexilla constitit; AMM. 24,5,11 (Julian auf dem Persienfeldzug): nusquam ab antesignanis ipse digrediens, ut inter primos dimicans militi ad fortiter facien- dum esset exemplo spectator probatorque gestorum; 25,3,5: principe volitante inter prima discrimina proeliorum (Vgl. dazu BITTER (1976) 71, Anm. 210.); Constantius, so AMM. 16,12,6932, habe in Briefen behauptet, er habe sich unter den Vordersten in der Schlacht von Straßburg aufgehalten, während er in Wirklichkeit weit entfernt gewesen sei. - d) An- ders das Verhalten Julians, zumindest in seinen Ankündigungen: AMM. 16,12,33 (Schlacht von Straßburg) adero ubique vobis; 23,5,19: (auf dem Perserfeldzug nach Überschreiten des Abora bei Kerkusium) adero vobis … imperator et antesignanus et conturmalis.(Vgl.

DEN BOEFT 120 zu AMM. 23,5,19.) - pompam: pompa [vgl. auch 14,7,10;15,8,21;17,13,34; 21,16,20;23,2,5;3,7;25,10,11; griech. ἡ πομπή] ist u.a. t.t. für den Triumphzug, vgl. DKP

Bd. 4, s.v. Pompa, 1017–1019 [H. GUGEL]; MOES (1980) 228. - agenti tranquillius populo: a) DE JONGE (1972) notiert lapidar in seinem Kommentar (S.11): Comparativus = positivus.

Hier ist auch möglich, dass der Komparativ für den Superlativ steht (vgl. dazu SVENNUNG

(1935) 277–282). - b) AMM. 14,6,4 (in dem den ersten Romexkurs einleitenden Lebensal- tersvergleich): (eius [gemeint ist Rom] populus) in iuvenem erectus et virum ex omnia plaga, quam orbis ambit immensus, reportavit laureas et triumphos; iamque vergens in senium et nomine solo aliquotiens vincens ad tranquilliora vitae discessit. - *c) HERODIAN. 2,11,3: (als Septimius Severus an den Grenzen Italiens mit seinem Heer erscheint, werden die Städte Italiens von Furcht erfasst) οἱ γὰρ κατὰ τὴν Ἰταλίαν ἄνθρωποι, ὅπλων καὶ πολέ- μων ἀπηλλαγμένοι, γεωργίᾳ καὶ εἰρήνῃ προσεῖχον [„Denn die Menschen in Italien, befreit von Waffendienst und Kriegen, achteten auf die Landwirtschaft und den Frieden“]; OROS. 7,3,3: in quantum tranquille agitur mundus (Gegenteil: in quantum perniciose inquietatur); 7,3,10: cum ... in summa tranquillitate universus mundus ageret cunctasque gentes pax una velaret. - pompam nimis extentam rigentiaque auro vexilla et pulchritudinem sti- patorum: a) Trikolon mit Chiasmus der Attribute und Substantive im ersten und zweiten Kolon, variatio der Konjunktionen (-que … et)33 und Enallage von Substantiv und Attribut im dritten Kolon (pulchritudinem stipatorum ≈ stipatoribus pulchris). - b) Zu nimis vgl. Kommentar zu 20,4,19. - c) Stipatorum: Hinsichtlich der Häufigkeit der Verwendung der nomina agentis auf -or (angehängt an den Supinstamm des Verbums) unterscheidet sich

32 Se solum, cum gestis non affuisset, et dimicasse et vicisse .... se inter primores versatum. 33 Weitere Beispiele aus Ammian bei BLOMGREN (1937) 28: 15,5,2 (caedes acerbas rapinasque et incendia); 28,6,22; 25,1,14; 20,7,1; 25,1,11; 16,12,13; 17,13,3; 28,1,6; 15,3,11; 22,2,2; 16,10,20; 20,5,1. - Beispiele für durch et ... -que gegliederte Trikola bei BLOMGREN (1937) 28.

30 Ammian nicht von den lateinischen Historiographen. Falls es sich um Neubildungen zur Zeit Ammians oder von Ammian selbst handelt, wird im Kommentar eigens darauf verwie- sen. Stipator wohl zuerst bei Varro und Cicero. - Gemeint sind die Soldaten der Garde- truppen, vgl. 17,13,6;19,11,12(Constantius);20,8,14;24,4,4(Julian);27,10,10 (Valentinian);

34 19,7,8(Sapor);19,1,7(Grumbates). Vgl. auch Kommentar zu 26,6,16 zu stipatus. - d) PLIN. Paneg. 23,3: (Traian bei seiner Rückkehr aus Moesien im Sommer des Jahres 99 n. Chr.) Neque enim stipatus satellitum manu sed circumfusus undique nunc senatus, nunc eques- tris ordinis flore, prout alterutrum frequentiae genus invaluisset, silentes quietosque licto- res tuos subsequebaris; nam milites nihil a plebe habitu tranquillitate modestia differe- bant.35 Vgl. auch Anhang 1. - agenti tranquillius populo haec vel simile quidquam vide- re nec speranti umquam nec optanti: a) agenti tranquillius: damit dürfte gemeint sein, dass das Volk Roms in Frieden lebt, vgl. z.B. LIV. 2,49,2: populo Romano tranquillam pacem agente; LUCAN. 1, 129–131 (Pompeius zu Beginn des Bürgerkrieges mit Cäsar): al- ter vergentibus annis / in senium longoque togae tranquillior usu / dedidicit iam pace ducem [„der eine, dessen Jahre sich schon zum Alter neigten und der durch den Gebrauch der Toga (schon) ruhiger (war), hatte schon durch den Frieden verlernt, Führer zu sein“]36.

- b) Zur Formulierung vgl. AMM. 26,2,6 (Valentinian in seiner Rede bei seiner Erhebung zum Augustus): nec speranti nec appetenti moderamina orbis Romani mihi ut potissimo omnium vestras detulisse virtutes. HERODIAN. 3,1,1: αὐτῷ (gemeint ist Pescennius Niger, als Septimius Severus von Rom aus gegen ihn in den Osten zieht) μηδέν τι τοιοῦτον προσδεχο- μένῳ.37 Zur Funktion dieser Anspielung auf den eigenen Text vgl. die Interpretation. - c)

Zu den Erwartungen des Volkes beim adventus, bzw. reditus des Kaisers vgl. PLIN. Paneg. 20,1: Iam te civium desideria revocabant, amoremque castrorum superabat caritas patriae; 22,1: ac primum qui dies ille, quo exspectatus desideratusque urbem tuam ingressus es! -

34 VIANSINO 2,608. Ebenso schon der Gebrauch bei Tacitus: TAC. Ann. 2,9,2 (Arminius); 4,25,3 (Tacfarinas); 11,16,1 (Arminius). 35 „Denn nicht dicht umdrängt von der Schar der Leibwächter, sondern umringt bald von der Blüte des Senates, bald von der des Ritterstandes, je nachdem, welche von beiden Gruppen gerade zahlenmäßig die Oberhand bekam, bist du deinen schweigend und ruhig (vorausziehenden) Liktoren gefolgt; denn die Soldaten unterschieden sich im Aussehen, dem ruhigen Auftreten und der Bescheidenheit überhaupt nicht von der Plebs.“ 36 AMM. 15,6,4: iamque vergens in senium et nomine solo aliquotiens vincens ad tranquilliora vitae discessit (Subjekt: Roma) sollte auch im Hinblick auf die oben zitierte Lukanstelle gesehen werden. 37 Vgl. auch HERODIAN. 1,7,1 (Commodus): ἐπειδὴ δὲ διεφοίτησεν ἡ φήμα ἄγγελοί τε ἧκον κηρύττοντες τὴν τοῦ βασιλέως ἄφιξιν, ὑπερήσθη τε ὁ Ῥωμαίων δῆμος καὶ χρηστὰς εἶχεν ἐλπίδας νέου αὐτοκράτορος ἐπι- δημίᾳ, πατρῴζειν τὸ μειράκιον ἡγούμενοι. Ἀνύσας δὲ τὴν ὁδοιπορίαν ὁ Κόμοδος μετὰ νεανικῆς σπουδῆς καὶ διαδραμὼν τὰς ἐν μέσῳ πόλεις, ὑποδεχθείς τε πανταχοῦ βασιλικῶς καὶ δήμοις ἑορτάζουσιν ἐπιφανείς, ἀσπαστός τε καὶ ποθεινὸς πᾶσιν ὤφθη. Ὡς δὲ πλησίον ἐγένετο τῆς Ῥώμης, πᾶσά τε ἡ σύγκλητος βουλὴ καὶ πανδημεὶ ὅσοι τὴν Ῥώμην κατῴκουν ἄνθρωποι, μὴ κατασχόντες αὑτῶν ἀλλ᾿ ἕκαστος φθάσει θέλων, δαφνηφόροι τε καὶ πάντα ἐπιφερόμενοι ἄνθη τότε ἀκμάζοντα, ὡς ἕκαστος οἷός τε ἦν, πόρρω τῆς πόλεως ἠπήντων, θεασόμενοι τὸν νέον καὶ εὐγενῆ βασιλέα. Ἐπόθουν γὰρ αὐτὸν ἀληθεῖ ψυχῆς διαθέσει ...

31 d) Als Julian nach seiner Ernennung zum Cäsar in Vienne einzieht, berichtet AMM. 15,8,21: cumque Viennam venisset, ingredientem optatum quidem et impetrabilem honorifice sus- ceptura omnis aetas concurrebat et dignitas … - e) *Anders CLAUDIAN. VI cos. Hon. 331– 336: Acrior interea visendi principis ardor / accendit cum plebe patres et saepe negatum / flagitat adventum. 10,3: ignorans fortasse: a) Auch sonst von Ammian verwendete Form der Kommentie- rung durch ein Prädikativum (meist im Nominativ, da auf das Subjekt bezogen: für igno- rans auch 14,1,22;18,3,5;18,3,7;26,8,13;30,8,6; für ignorantes 14,6,10;31,2,11;31,8,1; vgl.

CHIABÒ 350), wobei der Inhalt des Nichtwissens ebenfalls durch einen A.c.i. angegeben ist in 14,11,22 ((Gallus) ignorans profecto Alexandrum Magnum ... respondisse); 14,6,10 [be- stimmte Leute in Rom] ignorantes profecto maiores suos ... non divitiis eluxisse) und das Nichtwissen des Betreffenden manchmal als historische Tatsache (31,13,14 (nach der Schlacht von Adrianopel) Valentem ... circumsessum ab hostibus, qui esset, ignorantibus) dargestellt ist38 – eine indirekte Form auktorialen Kommentars liegt schon dann vor, wenn der Grad des Nichtwissens näher bestimmt ist: 18,3,5 (Hinrichtung des Barbartio) Valenti- nus ... penitus, quid erat gestum, ignorans;14,4,6 (die Sarazenen) et plerosque nos vidimus frumenti usum et vini penitus ignorantes; 18,2,11: trecentos milites expeditos, quid agi quove iri deberet, penitus ignorantes; 31,2,11 (die Hunnen) quid honestum inhonestumve sit, penitus ignorantes; 31,8,1: (die Goten) haec (gemeint ist die Belagerung von Städten) et similia machinari penitus ignorantes -, oft aber entweder durch Hinzufügung von aukto- rialem profecto (14,6,10 (s.o.);14,11,22 (Gallus in Haft; kurz vor der Hinrichtung) ad quae Adrasteo pallore perfusus hactenus valuit loqui, quod plerosque incitante coniuge iugula- verit Constantia, ignorans profecto Alexandrum Magnum ...;18,3,7 [im Epilog auf Bar- bartio] ignorans profecto veteris Aristotelis sapiens dictum;) als historische Tatsache bekräftigt oder durch Hinzufügen von auktorialem forsitan / fortasse (30,1,23: adulatori- bus forsitan ignorantibus;30,8,6: haec forsitan Valentinianus ignorans; vgl. auch 26,6,19: mirantur quidam profecto ... ignari for sitan exemplorum;29,5,23: quos nescientes forsitan admonemus) zu einer Vermutung des Autors „herabgestuft“ wird.[CHIABÒ 303;350; DEBRU

39 (1992) 286; FONTAINE (1992) 31] . - b) In sprachlich anderer Form auch 30,8,4: (Valentini-

38 So z.B. auch Sueton von Kaiser Claudius: SUET. vit. Claud. 29,1: honores, exercitus, impunitates, suppli- cia largitus est, et quidem insciens plerumque et ignarus; HA Firm. 3,1: plerique … ignari eo tempore ipso tres fuisse Firmos. 39 Zahlreiche weitere Beispiele aus Ammian können VIANSINO 1,675 s.v. ignoro, 1,667 s.v. immemor (15,14,12 : römische Soldaten cavendi immemores; 22,7,3: Julian praeclari illius dicti immemor Tulliani; 25,3,6: Julian cavendi immemor; 31,13,5: römische Soldaten cavendi immemores; also ebenfalls immer als Prädikativa und nur im Nominativ), 2,143 s.v. nescio, 2,184 s.v. obliviscor entnommen werden. (Vgl. auch SABBAH (2003) 72 Anm. 120.) - Dass diese Argumentationsform keine Erfindung Ammians ist, zeigt

32 an) atquin potuit exempla multa contueri maiorum et imitari peregrina atque interna hu- manitatis et pietatis, quas sapientes consanguineas virtutum esse definiunt bonas.40 - c) Mit dieser Form der Argumentation unterstellt Ammian dem Constantius, dass dieser die in den exempla genannten Personen nachgeahmt habe, wenn auch in Verkennung von deren Ab- sichten. DEMANDT (1965) 148 Anm.3 weist zu Recht darauf hin, dass man daraus nicht auf die Historizität des Nachahmens schließen dürfe [wenn das der Fall sei, weise Ammian ausdrücklich darauf hin, z.B. 14,6,20], sondern es nur der Motivierung eines „Exemplums durch den Schriftsteller“ diene. - quosdam veterum principum in pace quidem lictori- bus fuisse contentos: a) Zu princeps als einer der üblichen Bezeichnungen für den Kaiser vgl. auch zu §12, außerdem AMM. 14,7,5;21,16,8;20,4,5 u.ö. [CHIABÒ 611f.; BÉRANGER (1976b) passim]. Zum Attribut veterum vgl. §14: priorum principum imitamenta portantes. - b) seit Augustus hatte der Kaiser 12 Liktoren, seit Domitian 24, wobei die Zahl erreicht war, die in der Zeit der Republik der Diktator gehabt hatte. Vgl. ALFÖLDI ((1970) 102. - c)

Vgl. PLIN. Paneg. 23,3 (zitiert zu §2). Zum Messen am Verhalten der veteres principes vgl. auch TRÄNKLE (1962) 25. - ubi vero proeliorum ardor nihil perpeti poterat segne: a) vgl.

25,1,18: fragor nihil perpetiens iam remissum; 22,7,8: nihil segnius agi permittens; SALL. Iug. 53,6: dolus ... nihil languidi neque remissi patiebatur; 66,1: nihil intactum neque quietum pati; 88,2: Marius ... nihil apud se remissum pati (vgl. WIRZ (1877) 630); TAC. Agr.

20,7: nihil quietum pati ; TAC. Ann. 2,13,4: nihil remissum sensere (vgl. FESSER (1932) 15). - b) Dahinter steckt der Gedanke, dass der Kaiser / der Feldherr im entscheidenden Moment zögert oder zunächst gar nicht am Ort des Geschehens ist, somit zu spät kommt. Vgl.

SYMMACH. Orat. 2,6 (Wenn die einzelnen Abteilungen des Heeres getrennt operieren, wie unter Valentinian bei seinen Unternehmungen gegen die Alamannen, kann der Kaiser nicht gleichzeitig bei allen sein. Dennoch gilt:) nec dubitabant (die Soldaten der einzelnen

z.B. CAES. B.G. 6,42,1. Reversus ille (gemeint ist Cäsar) eventus belli non ignorans (Litotes non ignoro kommt bei Ammian nicht vor (!)) unum, quod cohortes ex praesidio essent emissae, questus – ne minimam quidem casui locum relinqui debuisse – multum fortunam in repentino hostium adventu potuisse iudicavit. [„Wohl wissend um die Wechselfälle des Krieges kehrte Caesar zurück ….“](Es handelt sich um die einen Bericht abschließende Analyse des Geschehens durch eine der handelnden Personen, hier durch Cäsar selbst. Vgl. dazu MUTSCHLER (1975) 183f.); LIBANIOS orat. 18,39 (über Julian): δύο δὲ ἄρα αὐτὸν ἐποίει τοιοῦτον· ἓν μὲν ἡ σοφία καὶ τὸ τὰ βουλεύματα εἰδέναι χειρῶν ὄντα δυνατώτερα, ἓτερον δὲ τὸ πιστεύειν αὐτῷ συστρατεύειν τοὺς θεούς. [„zwei („Dinge“) aber machten ihn zu einem solchen; erstens die Weisheit und das Wissen, dass kluge Pläne stärker sind als die Hände, zweitens der Glaube, dass die Götter mit ihm zu Felde ziehen.“]. - Lesefrucht: „tanto che i medici gli rinfacciarono lʼabitudine di salutare un albero che gli era caro, forse ignorando il rispetto per gli alberi radicato nella traditione bavarese“ (Unterstreichung von mir) [„ so dass die Ärzte ihm (gemeint ist der Bayernkönig Ludwig II.) seine Gewohnheit zum Vorwurf machten, einen Baum, der ihm lieb war, zu grüßen, weil sie vielleicht nicht den Respekt für die Bäume kannten, der in der bayrischen Tradition verwurzelt ist“], aus: CLAUDIO MAGRIS, L`infinito viaggare, Mailand 2005, p. 78 in dem Essay I castelli in aria di Ludwig. 40 Vgl. dazu KELLY (2008) 593, Anm. 28; nach Kelly Valentinian hier im Kontrast zu Julian, dem mehrfach von Ammian historisches Lernen bescheinigt werde (16,5,7; 23,5,16-23).

33 Abteilungen) principem protinus adfuturum. - alium anhelante rabido flatu ventorum lenunculo se commisisse piscantis: a) Zu rabido flatu ventorum vgl. auch zu 26,10,17 u.

19. - a) Lenunculus, vor Ammian nur bei CAES. bell. civ. 2,43,3; SALL. Hist. frg. 1,24 (s.u.)

[vgl. dazu JENKINS (1985) 81]; TAC. Ann. 14,5,3 und GELL. 10,25,5 (HSS lesen renunculi), somit bei Ammian ein gesuchtes Wort [ThLL VII,2 s.v. 2. lenunculus, 1166,43–56 (HÜB-

NER)]. - b) Bei Nonius Marcellus (einem Grammatiker des dritten oder frühen vierten Jhs. n.Chr.) in der Doctrina compendiosa per litteras: XIII, De generibus navigiorum steht: lenunculus: navigium piscatorium. Sallustius Hist. lib. II. primo, incidit forte per noctem in lenunculo piscantis.Damit dürfte gesichert sein, dass es sich um eine Sallustreminiszenz

41 handelt. [FINKE (1904) 22; FESSER (1932) 13] - c) Gemeint ist Gaius Julius Caesar ; als im Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius Cäsar zwischen dem Januar 48 v. Chr. und dem März desselben Jahres in der Bucht von Dyrrhachium auf die Verstärkungen wartete, die Antonius von Brundisium heranführen sollte, soll er ungeduldig und leicht verzweifelt ver- sucht haben, in einem Fischerkahn den Fluss Aoos hinunterzufahren und dann die Adria zu überqueren, um selbst die Hilfe zu veranlassen. - Cäsar selbst erwähnt im Bellum civile den Vorgang nicht, was dafür spricht, dass er unhistorisch ist; bei den Autoren, die ihn schil- dern (LUCAN, 497ff.; SUETON, Divus Iulius 58,2; PLUTARCH, Caes. 28; FLORUS 4,2,37; APPIAN. bell.civ. 1,6242) ist nur bei Appian., der aber wohl Sallust als Quelle benutzte, ein Anklang an Ammian erkennbar43 (dem Diminutiv lenunculus entspricht bei Lucan eine exigua carina, bei Sueton ein parvulum navigium, während es bei Florus ein speculatorium navi- gium ist; dem rabido flatu ventorum bei Florus ardente ventis mari); im übrigen setzt die Reduzierung der Anekdote bei Ammian voraus, dass sie so bekannt war, dass die wenigen Worte genügten, um trotz der Anonymisierung die Anspielung zu verstehen. Zum topi- schen Charakter vgl. auch PROCOP. bell. 7,6,22: Κόνωνος ἐς λέμβον τινὰ λάθρα ἐσβὰς ἐτόλ- μησε παρὰ τὸν στρατηγὸν Δημήτριον ἰέναι μόνος. - alium ad Deciorum exempla vovisse pro re publica spiritum: a) Zum Gebrauch der Präposition ad im Sinne von „nach“, „ge- mäß“ vgl. 14,11,32 (ad spadonum libidinem); 21,10,2 (ad exemplum urbium matris ...);

41 Wenn die Vermutung von Maurensbrecher (zu SALL. Hist. frg. 1,25) richtig ist, dass bei Sallust der fliehende Marius gemeint sei, hätte man hier ein weiteres Beispiel dafür, wie frei Ammian in seinen Anspielungen verfährt, indem er den Vorgang an eine andere Person bindet und ihn außerdem zu einem exemplum persönlicher Tapferkeit und persönlichen Wagemutes umformt. 42 Ἐς σκάφος ἁλιέως πρεσβύτου παρορμοῦν βιασάμενος τὸν πρεσβύτην ἐσήλατο χειμῶνος ὄντος, καὶ τὸ πεῖσμα κόψας καὶ τὸ ἱστίον πετάσας ἐπέτρεψε τῇ τύχῃ φέρειν [„In den Kahn eines alten Fischers, den er dazu zwang, sprang er hinein, während ein Sturm tobte, kappte das Tau, spannte das Segel aus und überließ es der Tyche, ihn zu tragen.“] 43 OWENS (1948) 177 führt die Stelle unter den „borrowings“ aus Sallust auf (SALL. Hist. 1,25: incidit forte per noctem in lenunculum piscantis.). Owens übernimmt den Vorschlag von Maurenbrecher (C. Sallusti Crispi Historiarum reliquiae, Leipzig 1891–93) Hist. I, fr. 11, II bei Nonius Marcellus zu tilgen und primo auf libro zu beziehen (vgl. FINKE (1904) 22).

34 26,9,9 (ad veteris Pepernae exemplum); 29,5,31 (ad Sagittariorum exemplum); 30,5,8 (ad provincialium residuorum exemplum); 15,1,2 (ad sententiam); 30,4,10 (ad religionem). - b)

Statt des simplex vovere auch devovere, z.B. AMM. 22,8,12;28,1,4, wo an beiden Stellen der Sohn des Königs Kodros sich weiht.44 - c) Mit den Worten ad Deciorum exempla lässt Ammian den mit alium Gemeinten sich auf das Beispiel des P. Decius Mus (Vater und Sohn) beziehen, die sich als Konsuln zur Rettung des Vaterlandes (der Vater im Latiner- kriege, im J. 340 v. Chr., der Sohn im Samnitenkriege, im J. 295 v. Chr.) freiwillig dem

Tode weihten [vgl. vovisse, substantivisch sprichwörtlich als devotio P. Decii consulis, LIV.

9,10,3, Deciorum devotio, MIN. FEL. 7,3 u.a.] - dass die devotio des Vaters literarische Übertragung von der devotio des Sohnes sein könnte [vgl. DKP Bd.1 s.v. Decius Nr. 5

45 [H.G. GUNDEL] 1409–11] , spielt für die Ammianstelle keine Rolle -; so auch Julian in sei- ner Rede vor den Soldaten während des Perserfeldzuges, AMM.23,5,19: At si fortuna versa- bilis in pugna me usquam fuderit, mihi vero pro Romano orbe memet vovisse sufficiet, ut Curtii Muciique veteres et clara prosapia Deciorum [„Aber wenn das wandelbare Schick- sal mich irgendwo im Kampfe niederwirft, wird es mir wahrlich genügen, mich für den römischen (Erd)Kreis geweiht zu haben, wie die alten Curtier und Mucier und die berühm-

46 te Familie der Decier.“]. [Vgl. auch BARNARD (1966) 287; PELLIZZARI (2003) 649;652]. -

Mit alium ist Claudius II. Gothicus (268–270) gemeint, vgl. AUREL. VICT. Liber de Caes. 34,1–5; Epitome de Caesaribus 34,3.47 Claudius Gothicus bei Ammian noch einmal

44 Als exemplum z.B. CIC. de fin. 5,62; Tusc. 1,116, HOR. carm. 3,19,2; VAL. MAX. 5,6. Vgl. auch NICCOLÒ MACHIAVELLI: Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio 2,16,2. 45 Nach CIC., Fin. 2,61 und Tusc. 1,8 tat deren Sohn, bzw. Enkel, der Konsul P. Decius Mus, dasselbe im Jahre 279 v. Chr. bei Asculum Satrianum im Kampf gegen Pyrrhus, während Cassius Dio, überliefert bei ZONARAS 8,5, berichtet, er habe nur mit dem Gedanken daran gespielt. Vgl. dazu DEN BOEFT u.a. (1998) 121f. zu AMM. 23,5,19. - Die devotio des P. Decius Mus auch schon bei Ennius (fr. 191–3 [Zählung nach O.SKUTSCH (Hrg.), The Annals of Q. Ennius, Edited with Introduction and Commentary, Oxford 1985]). ROTH (2010), 175 Anm. 17, vermutet, dass die devotio schon bei Ennius Ausschmückung sein könnte („The devotio may be an example of fictional embellishment“). 46 DE JONGE (1972) in seinem Kommentar, S. 113, scheint dagegen unter Deciorum aufgrund des Plurals den Kaiser Imp. Caes. C. Messius Quintus Traianus Decius Aug. und dessen beide Söhne Herennius und Hostilianus zu verstehen (Kaiser in den Jahre 249–251), von denen der Vater und der Sohn Herennius in Schlachten gegen die Gothen getötet wurden [vgl. AMM. 31,5,16: Ceciderunt dimicando cum barbaris imperatores Decii, pater et filius. „Im Kampf gegen die Barbaren sind die Kaiser Decius, Vater und Sohn, gefallen.“]. Vgl. auch STERTZ (1980) 507. - Die Decier als exemplum auch VERG. Georg. 2,169/70: Decios Marios magnosque Camillos, / Scipiadas duros bello et te, maxime Caesar; Aen. 824–825: quin Decios Drusosque procul saevumque securi / aspice Torquatum et referentem signa Camillum; LUCAN. 6,784– 786: Tristis felicibus umbris / voltus erat: vidi Decios, natumque patremque / lustrales bellis animas, flentemque Camillum / et Curios; CORIPP. Iohann. 8,506–507: hic (gemeint ist Putzintulus) socius Deciis infernas ibat ad umbras / felix morte sua.[RIEDLBERGER (2010) 397f.]; BARNARD (1966) 259f. glaubt in AMM. 15,4,11 in der Tat der drei Tribunen , Seniauchus und Bappo eine devotio nach Art der drei (!) Decier gefunden zu haben. Der Ammiantext ist jedoch an dieser Stelle so korrupt, dass ein derartiger Schluss nicht möglich ist. 47 AUR. VICT.: Sed Claudii imperium milites, quos fere contra ingenium perditae res subigunt recta consu- lere, ubi afflicta omnia perspexere, avide approbant extolluntque, viri laborum patientis aequique ac prorsus dediti rei publicae, quippe ut longo intervallo Deciorum morem renovaverit. Nam cum pellere

35 erwähnt (31,5,17: sed assumpto in imperium Claudio, glorioso ductore, et eodem honesta morte praerepto). [GILLIAM (1972) 142f.; STERTZ (1980) 509)] - d) Symmachus gelingt es, zu panegyrischen Zwecken aus einer devotio eine Aktion zu machen, die nicht das Leben kos- tet, somit gerade keine devotio mehr ist: orat. 2,8: in exercitu principis mei certatum est, quis primus exiret, necdum extrema riparum navalia rostra pulsaverant et iam miles inpi- ger desiliebat. Sub tali duce tuta devotio est.[„Im Heer meines Kaisers wetteiferte man darin, wer als erster (aus dem Schiff) ausstieg. Kaum hatte der Schiffsschnabel den äußer- sten Uferrand berührt, als der Soldat schon eifrig hinabsprang. Unter einem solchen Kaiser ist (sogar) eine devotio48 gefahrlos.“] - alium hostilia castra per semet ipsum cum militi- bus infimis explorasse: a) Hostilia castra für castra hostium vgl. auch 19,9,5 (zahlreiche weitere Beispiele der Ersetzung des Genetivattributs hostium durch das adjektivische Attri- but hostilis,-e bei FESSER (1932) 14f. - b) Enklitische Pronominalsilbe -met häufig bei Sal- lust (Iug. 56,2;60,2;85,4;13;25 u.ö.); vgl. auch N-W 2,361. - c) bezieht sich wahrscheinlich

Gothos cuperet, quos diuturnitas nimis validos ac prope incolas effecerat, proditum ex libris Sibyllinis est primum ordinis amplissimi victoriae vovendum. Cumque is, qui esse videbatur, semet obtulisset, sibi potius id muneris competere ostendit, qui revera senatus atque omnium princeps erat. Ita nullo exercitus detrimento fusi barbari summotique, postquam imperator vitam rei publicae dono dedit [„Aber die Solda- ten, die eine verlorene Lage zwingt, fast gegen das eigene Wesen Richtiges zu raten, haben, sobald sie durchschauten, wie gefährdet alles war, die Herrschaft des Claudius geradezu begierig gebilligt und ge- priesen, eines Mannes, der Strapazen ertrug, gerecht und vollkommen dem Staat ergeben war, so dass er nach langer Zeit den Brauch der Decier erneuert hat. Denn als er die Gothen schlagen wollte, die langes Versäumnis allzu stark und fast zu Einwohnern gemacht hatte, wurde aus den Sibyllinischen Büchern überliefert, der erste des höchsten Standes müsse sich für den Sieg weihen. Und als derjenige, der das zu sein schien, sich selbst angeboten hatte, bewies derjenige, der wirklich der Erste des Senates und aller war, dass ihm eher diese Aufgabe gebühre. So wurden ohne irgendeinen Verlust im Heere die Barbaren geschlagen und entfernt, nachdem der Kaiser dem Staat sein Leben zum Geschenk gemacht hatte.“]. - Epit.: Claudius vero cum ex fatalibus libris, quos inspici praeceperat, cognovisset sententiae in senatu dicendae primi morte remedium desiderari, Pomponio Basso,qui tunc erat, se offerente ipse vitam suam haud passus responsa frustrari dono rei publicae dedit, praefatus neminem tanti ordinis primas habere quam imperatorem. - Scheinbar im Widerspruch dazu steht die Überlieferung, wonach Claudius Gothicus nicht im Kampf gefallen sei, sondern an einer Krankheit gestorben sei (EUTROP. 9,11: qui tamen intra imperii biennium morbo interiit; HA vit. Claud. 12,2: finito sane bello Gothico gravissimus morbus increbuit, tunc cum etiam Claudius adfectus morbo mortalis reliquit et familiare virtutibus suis petiit cae- lum ; ZOSIM. 1,43,1–2; ZONAR. 12,26; so auch DE JONGE zur Stelle, Claudius sei nicht im Kampf gefallen, sondern in Sirmium an der Pest gestorben. - Wahrscheinlich auf dieser Unklarheit bei DE JONGE beruhend, sagt SEYFARTH 1,295, Anm. 98: „Claudius II. soll im Gotenkrieg ähnlich dem Decius Mus sich dem Tod geweiht haben. Doch ist dies wohl eine Verwechslung mit dem Kaiser Decius, dessen Leiche nicht gefun- den wurde.“). Der Widerspruch löst sich, wenn man wie ROHRBACHER (2006) 110f. annimmt, dass die Ver- sion von der devotio des Claudius erst im vierten Jahrhundert erfunden worden ist, als man Claudius Gothicus zum Großvater Konstantins d. Gr. machte ["The heroic sacrifice of the emperor is a fourth-cen- tury myth which, one imagines, followed in the trail of the "discovery" that Claudius was actually the grandfather of the usurping and ignoble emperor Constantine."]. Rohrbachers Schluss, dass hier bei Ammian eine der Stellen sei, wo er die sog. Enmannsche Kaisergeschichte benutzt haben könnte, ist für die Interpretation nicht von Belang. 48 PABST (1989) 73 übersetzt mit „Diensteifer“. Das ist nach meiner Meinung zu schwach, weil es das Para- dox überhaupt nicht erkennen lässt. Symmachus hat einleitend auf die Landung der Griechen am Strand von Troja verwiesen, wo die Landung nur durch ein Opfer erreicht werden kann. Einer der Wege dazu aber besteht in einer devotio. Dass Symmachus damit gleichzeitig Valentinian und die Römer gegen die mit Lügen und Betrug operierenden Griechen ausspielt, ist für die Deutung von devotio an dieser Stelle unerheblich.

36 auf Imp. Caesar C. Valerius Maximianus Aug. (293–311 n.Chr.); die Episode könnte im

Krieg Diokletians gegen die Perser stattgefunden haben (297 n. Chr.), vgl. FEST. brev. 25;

VICT. Caes. 39.33-37; EUTROP. 9,25: Mox tamen per Illyricum Moesiamque contractis copi- is rursus cum Narseo, Hormisdae et Saporis avo, in Armenia maiori pugnavit successu in- genti nec minore consilio simulque fortitudine, quippe qui etiam speculatoris munus cum altero ac tertio equite susceperit. „Dennoch zog er bald im Illyricum und in Mösien Trup- pen zusammen und kämpfte in Großarmenien gegen Narses, den Großvater des Hormisdas und des Sapor, mit gewaltigen Erfolg und mit nicht geringerer Klugheit und Tapferkeit, da er sogar die Aufgabe eines Kundschafters mit dem einen oder anderen Reiter übernommen hat.“ [BARNARD (1966) 264] - d) Die in der Spätantike sehr große Distanz zwischen dem Kaiser und allen übrigen findet ihren Niederschlag auch darin, dass es die infimi milites sind, mit denen der Kaiser kämpft, dass es ein Fischerkahn ist, dem sich Cäsar anvertraut. Vgl. auch die Abgeschlossenheit im Palast, das Alleinsein im Wagen u.a.m. - e) Explora- tions- und Kommandounternehmen werden in der Regel so durchgeführt, dass der Kaiser / Feldherr bestimmte Leute, bzw. Abteilungen vorausschickt. Dabei ist es der Normalfall, dass der Kaiser / Feldherr daran nicht persönlich teilnimmt. Wie diese Stelle und SYMMACH. Orat. 2,649 beweisen, kann dieser „Normalfall“ sowohl dazu benutzt werden, jemanden zu tadeln (wie hier) als auch dazu, jemanden zu loben (wie Symmachus es im Falle des Valen- tinian tut). - ut gloriosas suas res posteritati celebri memoria commendarent: Der glei- che Gedanke auch schon im ersten Romexkurs: 14,6,8: ex his quidam aeternitati se com- mendari posse per statuas aestimantes, wobei diejenigen, die richtig handeln, nur auf posteritas zielen, während diejenigen, die falsch handeln, in ihrem Irrtum auch noch auf aeternitas zielen. 10,4: ut igitur multa quaeque consumpta sunt in apparatu: a) Hinter apparatu hat V

50 eine Lücke von 17 Buchstaben; zu den Ergänzungsversuchen vgl. DE JONGE (1972) 114.

49 Divina consilia post terminum patent: intellegimus te ideo praemisisse nonnullos, ne esset tarda victoria, ideo plerosque tenuisse, ne esset multitudo suspecta. [„Deine göttlichen Pläne liegen nach dem Ende (Abschluss des Unternehmens) klar zutage: wir erkennen, dass Du einige deshalb vorausgeschickt hast, damit der Sieg nicht sich verspäte, die meisten aber deshalb (bei Dir) behalten hast, damit nicht durch die große Zahl Argwohn erregt werde.“] 50 Alle vorgeschlagenen Füllungen der Lücke beruhen auf der Annahme, dass die Länge der Lücke in V, in Buchstaben umgerechnet, eine einigermaßen korrekte Vorstellung vom Umfang des ausgefallenen Textes gibt. In W (einem Codex aus dem 15. Jh., der einmal dem Kardinal Bessarion gehörte) findet sich zu einer Lücke an der gleichen Stelle wie in V die Randnotiz hic deest unius folii scriptura ex iis que in exemplari vetusto legisse memini. Et est pars multi facienda; a me in Italia apud Ocriculum posita und in N (ebenfalls ein Humanistencodex) hic ait Blondius deficere folium, ut in exemplari vetusto legisse dicit (Beide Stellen schon von Valesius angeführt, vgl. WAGNER-ERFURDT 208f.). Beide Randnotizen beziehen sich auf den Humanisten Blondus (Biondo), die erste muss sogar von ihm selbst stammen. Dieser hat in seinem um 1453-55 erschienenen Werk Italia illustrata mehrfach Ammian als Quelle angeführt, dabei manchmal zitiert, manchmal wohl eher paraphrasiert. RITA CAPPELLETTO (Recuperi ammianei da Biondo

37 Bei der „Informationsdichte“, die fast jeder Satz bei Ammian enthält, könnte eine wichtige

Information verlorengegangen sein. Dies bleibt aber Spekulation. - b) SEYFARTH 2,175: „al- so wurden umfangreiche Vorbereitungen getroffen, dann [...]“; ROLFE 245: „So soon, then, as much had been disbursed in regal preparation and every sort of man had been rewarded according to his services“ (entsprechend der Wiederherstellung des Textes in BG: apparatu regio, pro meritis cuilibet munera reddita); VEH (1974)110: „Nachdem nun die Vorberei- tungen viele Unkosten verursacht hatten …,“. Alle diese Übersetzungen gehen davon aus, dass es sich um ut temporale handelt, mit consumpta sunt als Prädikat dieses Temporal- satzes. Damit ist multa quaeque das Subjekt, quaeque somit Nom. Plur. Neutr. von quisque

(so auch die Einordnung der Stelle bei CHIABÒ 666 s.v. quisque). Abgesehen davon, dass es nicht ganz logisch ist, an multa den Ausdruck für eine Gesamtheit anzuschließen (quisque jeder einzelne (aus einer Gesamtheit), vgl. z.B. MENGE §286 1); L.-H.-SZ. 199f., habe ich die Junktur multa quaeque, auch nicht in annähernd ähnlicher Form, nirgendwo gefunden51 (vgl. ThLL VIII,2 s.v. multus 1606,32–1619,24 (B.). Es dürfte also multa quaeque aufzu- fassen sein als multa et (ea), quae, womit ut am ehesten als ut finale sinnvoll zu denken ist, so dass die eigentliche Erzählung erst nach dieser auktorialen Bemerkung in Form einer praeteritio mit secunda Orf. pr. begänne. So wohl auch die Auffassung derer, die entweder

52 mittam (ERFURDT), praeteream (WAGNER) oder praetermittam (PIGHI) ergänzen. - c) Zu igi- tur vgl. die Interpretation. - d) Zuständig für die Organisation derartiger Veranstaltungen ist der magister officiorum am kaiserlichen Hof (vgl. CLAUSS (1980) 64–72; MCCORMICK

Flavio (Rome 1983) geht davon aus, dass die Angabe Biondos richtig sei, und rekonstruiert aus Biondos Text (Siquidem Ammianus Marcellinus, Constantii Caesaris ...noverit) als Füllung der Lücke protendi appareret. Schon Valesius hatte die Richtigkeit der Angabe Biondos bezweifelt (und alle späteren Herausgeber wohl ebenfalls). Cameron (ALAN CAMERON, Biondo´s Ammianus: Constantius and Hormisdas at Rome, in: Harvard Studies in Classical Philology 92 (1989), 423–436) hat nachgewiesen, dass die von Cappelletto versuchte Füllung aus verschiedenen Gründen nicht überzeugt, hat aber anerkannt, dass Biondo ein Ammiantext vorgelegen haben muss, bei dem in der Lücke mehr gestanden haben muss, als die siebzehn Buchstaben , die V nahelegt. In einem Vergleich der Länge der Lücken in V und in M (von diesem codex Hersfeldensis sind heute nur noch 6 Blätter vorhanden) – M dürfte sicherlich die Quelle von V sein -, bezogen auf AMM. 28,4,21-33, ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Übereinstimmung bestehe, man also über die Länge der Lücken wenig genaue Erkenntnis erlange, und dass der Schreiber von V sogar kleine Lücken in M einfach ignoriert habe. Sollte diese These richtig sein, so stehen alle Aus- sagen, die sich auf die Anzahl der ausgefallenen Buchstaben beziehen, natürlich unter Vorbehalt. - Came- ron selbst ist der Ansicht, in der Lücke habe etwas über die Gebäude gestanden, die sich zwischen Ocri- culum und Rom längs der Via Flaminia befanden (Ammian habe in hyperbolischer Darstellung die Stadt in Verbindung mit Ocriculum gesehen (so auch bei DIONYSIUS HARLICANASSEUS Ant. Rom. 4,13,3-4) – auf die fehlende Grenze zwischen den beiden Städten weist auch Biondo hin – und habe so auf die Beschrei- bung der Gebäude in Rom antizipierend hingewiesen. - Wenn dem so wäre, dann müsste jeder Leser annehmen, es gehe um die Gebäude Ocriculums. Denn Ocriculo transcurso kommt nach der Lücke. Was für einen Sinn sollte das jedoch haben? Constantius auch schon zu beeindrucken? Dann geht die Sonderstellung Roms verloren. Oder auch nicht? Wozu sie dann überhaupt erwähnen? 51 Vollkommen logisch AMM. 28,1,2: multa reputantem et varia, tamen praesentis temporis modestia fretus, carptim ut quaeque memoria digna sunt explanabo 52 Ausführliche Erörterung bei PIGHI (1935) 38-40.

38 (1986) 221). Dazu kommen natürlich auch die organisatorischen Vorbereitungen in Rom. Dazu gibt es eine Inschrift für Attius (?) Caecilius Maximilianus, zu dieser Zeit der prae- fectus annonae urbis Romae, in der dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit diesem Be-

53 such des Constantius ausdrücklich hervorgehoben wird. [MAZZARINO (1974) 207f.; Lʼan- née épigraphique 21 (1969/70) 13-4] - *e) LIV. 24,5,3–6: Nam qui per tot annos Hieronem filiumque eius Gelonem nec vestis habitu nec alio ullo insigni differentes a ceteris civibus vidissent, ei conspexere purpuram ac diadema ac satellites armatos, quadrigis etiam albo- rum equorum interdum ex regia procedentem more Dionysi tyranni. Hunc tam superbum adparatum habitumque convenientes sequebantur contemptus omnium hominum, superbae aures contumeliosa dicta, rari aditus non alienis modo sed tutoribus etiam, libidines no- vae, inhumana crudelitas.54 - secunda Orfiti praefectura: a) Es handelt sich um den prae-

53 Text der Inschrift nach GATTI, LAURA: Un nuovo senatore del basso impero, Attius (?) Caecilius Maximilianus, in: Rendiconti dellʼaccademia nazionale dei Lincei, classe di scienze morali, storiche e filologiche 24 (1969) 321–327 auf S.322: Panchar[i] / Attio Caecilio Maxo,oöoamp c(öarosso,p) v(iro) / quaest(pro) praetori camdodatp / [ü]raef(ectp) aeraroo Satirmo ac / [p]aroter voce, tuemto cons(ularis) / [a]quar(um) corr(ectori) Lucaniae et Britt(ii) [nach MAZZARINO (1974) 213 ist aufzulösen: Britt(orum,) / [p]raef(ecto) annonae urbis Romae / [c]uius diligentia ac provisione / [a]dventu ad urb(em) Romam d(omini) n(ostri) / [C]onstanti maximi victoris / [ac] triumf(atoris) semper [A]ug(usti) / [an]nona populo et for[tis]simo / [....]ti adfatim submini[strata e]st. - [signum „des Pancharius / dem Attius (?) Caecilius Maximilianus, dem c. v., dem Quästor, dem Prätor, dem Kandidaten, dem Präfekten der Kasse des Saturn und der ebenso Vizekonsular der Wasser(leitungen) war, dem Korrektor Lukaniens und Bruttiums, dem Präfekten der annona der Stadt Rom, durch dessen Sorgfalt und Vorsorge bei der Ankunft in der Stadt Rom unseres Herrn Constantius, des größten Siegers und Triumphators, des ewigen Augustus, dem Volk und dem sehr tapferen Soldaten die annona reichlich dargereicht worden ist“] - Im übrigen geht aus dieser Inschrift hervor, dass im Zusammenhang mit diesem Besuch der populus Romanus eine (wohl zu- sätzliche) annona erhalten hat und die Versorgung der mit Constantius ziehenden Truppen besondere Maßnahmen des praefectus annonae erforderten (falls in der letzten Zeile der Inschrift die Ergänzung der Lücke [....] von drei oder vier Buchstaben zu fortissimo / militi richtig ist (vgl. dazu Gatti a.a.O. 323f.) (der generelle Singular militi wäre hier erstmalig in Inschriften; MAZZARINO (1974) 204 bringt mehrere Beispiele aus dem Codex Theodosianus: 14,17,7 (vom 8. Mai 372); 7,4,25 (vom 23. Mai 398); 12,6,28 (vom 26. Febr. 401). Die Versorgung der Truppen und des kaiserlichen Gefolges dürfte für die Stadt eine große Belastung dargestellt haben. Dennoch dürfte die Angabe von CONTI (2009) 281 („il grandissimo esercito che accompagnava lʼimperatore“) übertrieben sein. 54 „Denn diejenigen, die so viele Jahre lang Hieron und seinen Sohn Gelon gesehen hatten, ohne dass diese sich in der Kleidung oder durch irgendein anderes Insigne von den übrigen Bürgern unterschieden, erblickten (jetzt) den Purpur, das Diadem und bewaffnete Begleiter und jemanden, der sogar mit einem Viergespann von Schimmeln manchmal aus dem Palast wie der Tyrann Dionysius herausfuhr. Zu dieser so überheblichen Ausstattung und Aufmachung passend folgten die Verachtung aller Menschen, hochmütige Ohren, Beschimpfungen, seltener Zugang nicht nur für Fremde, sondern auch für die Tutoren, neue Begierden und unmenschliche Grausamkeit.“ - Die Stelle ist hier zunächst nur zitiert, damit man eine Vor- stellung davon gewinnt, was Ammian mit apparatus gemeint haben könnte. Im übrigen gibt die Livius- stelle die Vorstellung wieder, die man sich in augusteischer Zeit von einem Tyrannen machte. Viele der dabei genannten Merkmale scheinen bis zur Spätantike hin auf den römischen Kaiser übergegangen zu sein (Purpur(mantel); Diadem; Viergespann; Auftreten in der Öffentlichkeit mit den Prätorianern (später den scholae palatinae); princeps clausus), einige werden nur zur Kennzeichnung der „schlechten Kaiser“ eingesetzt (libidines, inhumana crudelitas: man vergleiche vor allem Ammians Epiloge auf Constantius II.; Valentinian und Valens). DUNKLE (1971) passim versucht nachzuweisen, dass die hier beschriebenen Merkmale für den Tyrannen schon im ersten vorchristlichen Jahrhundert zumindest in der Literatur meist nicht auf direkter Anschauung beruhen, sondern schon Klischees sind, die in manchem dem Theater entnommen sind (Dunkle nennt es den „rhetorical tyrant“) (wobei natürlich Übereinstimmung mit der Wirklichkeit niemals auszuschließen ist). So dürfte denn auch in der Spätantike oft literarische Tradition

39 fectus urbi (Roms). Memmius Vitrasius Orfitus Honorius hatte die Stadtpräfektur zum ers- ten Male vom 8. Dez. 353 bis zum 13. Juni 356 inne und zum zweiten Male von 357 bis

55 359. - [CHASTAGNOL (1984) 139–147 und 149; SEYFARTH 1, 175 Anm. 101; PLRE 1, 651–

653: Memmius Vitrasius Orfitus signo Honorius 3; HUMPHRIES (2003) 19] - b) Es könnte sein, dass Orfitus die Stadtpräfektur als Belohnung für seine Haltung und Tätigkeit zu- gunsten des Constantius während der letzten Phase der Herrschaft des Magnentius erhalten hat. In CIL VI 1739;1740;1741;1742 ist dokumentiert, dass er zweimal als Gesandter des Senats fungierte (legatus secundo difficillimis temporibus petitu senatus et p(opuli) R(oma- ni)). Wahrscheinlich überbrachte er kurz nach der Niederschlagung der Usurpation die

Glückwünsche des Senats an Constantius.[PLRE 1, 652; HUMPHRIES (2003) 20] - c) CIL VI

56 31395 - transcurso Ocriculo: a) AMM. 21,7,1 (Überlegungen des Constantius) Illyricis percursis et Italia; 26,5,1 (Valentinian und Valens auf dem Weg nach Naissus) percursis Thraciis Naissum advenerunt. - b) Ocriculum eine Stadt in Umbrien, im Tibertal an der Mündung des Nar, ca. 65 km nördlich von Rom, an der via Flaminia; Ruinen in der Nähe

57 des heutigen Octricoli, vgl. DKP Bd. 4, s.v. Ocriculum, 229 [G. RADKE] - elatus honori- bus magnis: elatus, in übertragener Bedeutung, bedeutet zunächst, dass sich Constantius aufgrund der großen Ehrungen, die ihm auf dem Weg nach Rom zuteil werden, in „gehobe- ner“ Stimmung befindet (25,5,9 (Sapor) inopina prosperitate elatus; 27,8,9 (Theodosius sen.) ad audenda maiora prospero successu elatus; 29,5,13 (ebenfalls Theodosius sen.)

vorliegen. Damit soll nicht bestritten werden, dass purpura und Diadem in der Spätantike d i e Krö- nungsinsignien sind, aber manches von dem, was die Erscheinung des Constantius bei seinem adventus so auffallen lässt, könnte auf solchen Klischees beruhen, und man muss damit rechnen, dass z.B. das Einziehen mit den Bewaffneten von Ammian so gemeint ist, als agiere Constantius wie ein Tyrann. 55 Nach VITIELLO (1999) 400 wurde im Jahre 357, also wahrscheinlich während Constantiusʼ Rombesuch der vicarius praefecti urbi endgültig abgeschafft und der Machtbereich der praefectura urbana beschränkt bis zum centesimum miliarium. 56 Propagatori imperii / Romani d(omino) n(ostro) / Fl(avio) Iul(io) Constantio maximo / toto orbe victori ac / trium- fatori semper Aug(usto) / Memmius Vitrasius Orfitus v(ir) c(larissimus) / iterum praef(ectus) urbi iud(ex) sac(rarum) cogn(itionum) / tertium d(evotus) n(umini) m(aiestati) q(ue) eius. 57 Ocriculum noch einmal bei AMM. 28,1.22 genannt: post hanc gestorum seriem Hymetius ad oppidum ductus Ocriculum audiens ab Ampelio urbi praefecto et Maximino vicario confestimque perdendus, ut apparebat, data sibi copia tectius imperatoris praesidium appellavit nominisque eius perfugio tectus servabatur incolumis. Ein Grund für die Verlegung des Prozesses (von Rom (?)) nach Ocriculum wird nicht genannt (Anders beim Prozess von Skythopolis, vgl. AMM. 19,12,8, wo Ammian unterstellt, man habe den Ort unter anderem deswegen gewählt, damit wegen der Abgeschiedenheit weniger nach außen dringe, was vermutlich Ammian auch bei der Wahl des Ortes Ocriculum unterstellt.). Offensichtlich erstreckte sich die Gerichtshoheit des Stadtpräfekten (Ampelius) bis nach Ocriculum. - Curiosum am Rande: Chr. Miethe in seiner Besprechung von: BINDER, GERHARD: Von Rom nach Rimini. Eine Reise auf der Via Flaminia, Mainz 2008 in: Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologen-Verbandes, Landes- verband Nordrhein-Westfalen, 57. Jahrgang Heft 1/2009, S. 27: „vorbei an dem durch Horaz (carm. 19) bekannten Berg Soracte nach Umbrien mit ihren schon von Strabo gepriesenen Vororten Ocriculum (Otriculi) und Narnia (Narni)“ scheint mir ein Beispiel dafür zu sein, wie man den vermeintlich panegyrischen Charakter mancher Ammianstellen dieser Erzählung auch auf anderes, darin Vorkommen- des übertragen hat: Bei Strabo 5,227A (οἱ δὲ Αἴκουουμ Φαλίσκον λέγουσιν ἐπὶ τῇ Φλαμινίᾳ ὁδῷ κείμενον μεταξὺ Ὀρίκλων καὶ Ῥώμης) ist es eine rein geographische Angabe.

40 hoc successu victor elatus; vielleicht auch 22,11,9 plebs omnis (von Alexandria) elata gau- dio insperato (nach dem Tod des Artemius)); wahrscheinlich ist jedoch auch an diesen Stel- len die Konnotation „überheblich“ anzunehmen, auch wenn sie nicht ausdrücklich wieder- gegeben ist, wie es an mehreren anderen Stellen der Fall ist (15,3,9 (der Präfekt Rufinus): qui confestim quasi pinnis elatus; 16,12,4 (s.u.);16,12,69 (Constantius) magniloquentia elatus adulatorum; 20,7,16: rex (gemeint ist Sapor) ... gaudio insolenti elatus; 21,13,13 (Constantius über Julian nach dessen Erhebung zum Augustus) Iulianus ut vecors elatus; 22,2,2 (Julian, nachdem er die Nachricht vom Tod des Constantius erhalten hat) in immen- sum elatus; 18,3,6: Barbatio ... proditor erat et perfidus et post eius (gemeint ist der Cae- sar Gallus) excessum nobilioris militiae fastu elatus; 23,5,8 (Julian) quo omine (man hat einen toten Löwen zu Julian gebracht) velut certiore iam spe status prosperioris elatus; mit mehrfacher exaggeratio in 29,1,10: prodigiosa feritas des Valens) in modum ardentis- simae facis fusius vagabatur elata turpi adulatione multorum maximeque omnium praefec- ti praetorio tunc Modesti). Dass in elatus allein bei Ammian diese Konnotation gegeben ist, zeigt 27,12,14 (Sapor) cum sibi conduceret, humilis aut elatus. [CHIABÒ 235; ThLL

V.2.1 s.v. 2. effero 130,20–158,45 (BANNIER), spez. translate 147,49-150,9 und elatus 150, 43–152,44]. - stipatusque agminibus formidandis, tamquam acie ducebatur instructa, omnium oculis in eo contuitu pertinaci intentis: a) 26,7,16: (Procopius) multitudine stipatus armorum; 20,5,1: (Iulianus) saeptusque tutius armatarum cohortium globis. Beim

Panegyriker auch vom Gefolge der Tugenden umdrängt: SYMMACH. Orat. 6,1: tantum virtu- tibus stipatus ingreditur. - 22,2,4: (Julian bei seinem Einzug in Konstantinopel): stipatus- que armatorum et togatorum agminibus velut acie ducebatur instructa omnium oculis in

58 eum non modo contuitu destinato, sed cum admiratione magna defixis. Vgl. auch HERODI-

AN. 3,8,2 (Einzug des Septimius Severus in Rom nach seinem Sieg über Albinus, 197 n.Chr.): ἐς τὴν Ῥώμην ἠπείγετο, ἄγων ἅπαντα τὸν στρατὸν σὺν αὑτῷ, ὡς φανείη φοβερώ- τερος [„er eilte nach Rom, wobei er das gesamte Heer mit sich führte, damit er furchterre- gender erscheine“](diese dem Sept. Sev. von Herodian unterstellte Absicht bei Ammian erst in §6 (tamquam ... territurus) ausgesprochen); CASSIUS DIO 74,12,1 (Didius Julianus eilt nach seiner Erhebung zur Curia): Καὶ ὁ μὲν οὕτω πρὸς ἑσπέραν ἔς τε τὴν ἀγορὰν καὶ

58 CALTABIANO (1998) 352f. notiert, dass Ammian dieselben Vokabeln in verschiedenen Kontexten gebrauche, als habe er aus einem Formular geschöpft („lo storico utilizza persino in alcune parti die due diversi con- testi gli stessi vocaboli, quasi attingesse ad un formulario“) , wobei die Verschiedenheit im wesentlichen darin bestehe, dass Constantius in Rom nur begleitet vom Militär einziehe, Julian dagegen auch begleitet vom Senat von Konstantinopel, worin sich zeige, dass Julian jetzt „legittimo Augusto“ sei, da er „era considerato legittimo anche dal senato della nuova capitale“. Ich glaube nicht, dass es sich wirklich um einen verschiedenen Kontext handelt: Wenn der Senat Constantius entgegengeht, dann wird er ihn auch bei seinem Einzug begleitet haben.

41 πρὸς τὸ βουλευτήριον ἠπείχθη, παμπληθεῖς δορυφόρους μετὰ σημείων συχνῶν ὥσπερ ἐς παράταξίν59 τινα ἄγων, ἵνα καὶ ἡμᾶς καὶ τὸν δῆμον προκαταπλήξας πρόσθηται [„und so eilte dieser gegen Abend zum Forum und zur Curia, mit sehr vielen Leibgardisten, mit zahlreichen Fahnen wie für eine Parade aufgestellt, um uns und das Volk vorher einzu- schüchtern und so zu gewinnen“]; TAC. Hist. 1,17,1: Pisonem ferunt, statim intuentibus et mox coniectis in eum omnium oculis, nullum turbati aut exsultantis animi motum prodi- disse. Eine bezeichnende Abwandlung, wodurch der topische Charakter dieser Wendung bestätigt wird, bei LIV. 4,20,3: averteratque (Gemeint ist der tribunus militum A. Cornelius Cossus, der die ersten spolia opima errungen haben soll.) in se a curru dictatoris (gemeint ist Mam. Aemilius) civium ora et celebritatis eius diei fructum prope solus tulerat. - *b)

Adventus des Vitellius in Rom Anfang Okt. 69 n.Chr.: TAC. Hist. 2,89,1: Ipse Vitellius a ponte Mulvi insigni equo, paludatus accinctusque, senatum et populum ante se agens, quo minus ut captam urbem ingrederetur, amicorum consilio deterritus: sumpta praetexta et composito agmine incessit.- c) contuitu: Zur Variation im Ausdruck vgl. 19,2,2 (cuncta, quae prospectus humanus potuit undique contueri); 16,12,18 (conspectus). - d) In dem Teil des historischen Frieses des Konstantinsbogens, in dem der ingressus Augusti dargestellt ist, ist die Tatsache, dass die Blicke aller auf den Kaiser gerichtet sind, daraus abzulesen, dass bei mehreren Personen der vor dem kaiserlichen Wagen marschierenden Truppen die Gesichter entgegen der Marschrichtung fast nach hinten (und schräg nach oben) gedreht

60 61 sind. In demselben Fries das gleiche Phänomen auch in der oratio-Szene. - e) LʼORANGE 76 (zu derselben Szene wie unter b)): „Trotz des Gedränges der hier besonders dicht zusammengeschobenen Soldatenmassen [….] lösen sich streckenweise auch hier zwei klare Figurenreihen heraus, von denen sich eine jede in einer isolierten Raumschicht befindet und durch die angestrebte Isokephalie als Einheit hervortritt. Die Hintereinan- derreihung löst das Figurengewühl auf, bindet den einzelnen Soldaten an Reihe und Glied, und ruft so den Eindruck einer streng formierten Kolonne hervor.“ ROBERTS (1989) 92: „The imperial ideology represents the emperorʼs subjects as of one mind and of one voice in their adulation of their ruler.“ - f) SYMMACH. rel. 9 (Der Stadtpräfekt dankt den Kaisern

59 Παράταξίν ist Konjektur von Irmisch; VC lesen πρᾶξιν. 60 Vgl. L´ORANGE (1939/1978) 76 und Taf. 3B,12.13. 61 Vgl. dazu WARREN BONFANTE (1964) 416 "the figures of the dignitaries, symmetrically placed on either side, lead the eye to the central figure" (hier natürlich das Auge des Betrachters gemeint). - Lorenzo de ʼ Medici (bei NICCOLÒ MACHIAVELLI: Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio 3,29,12): E quel che fa ʼl signor fanno poi molti, / ché nel signor son tutti gli occhi volti. - Der Tyrann lässt denjenigen umbringen, der die Augen aller veranlasst, nicht auf ihn, sondern auf den Betreffenden zu richten, vgl. SUET. Calig. 35,1: Ptolemaeum […] non alia de causa repente percussit [Subjekt: Caligula], quam quod edente se munus ingressum spectacula convertisse hominum oculos fulgore purpureae abollae animadvertit.

42 Theodosius und Arcadius für deren Großzügigkeit, der Stadt Rom die Ausstattung für eine pompa circensis zu schenken. Innerhalb dieser relatio eine Passage über Pseudotriumphe): Alii triumphis suis haec dona servassent, ut posita lauru novis actoribus personarent Pompeiana proscaenia, ut pro captivis tetrarchis Indicae currum beluae praevenirent, ut equorum longus ordo instar gentium duceretur: vester triumphus Arsacidas post tergum revinctos et gazas victas Babylonias accipiet.[„Andere hätten diese Geschenke für ihre Tri- umphe aufgehoben, damit nach dem Ablegen des Lorbeers die Bühne des Pompeius- theaters von neuen Schauspielern tönte, damit statt gefangener Tetrarchen indische Tiere dem (Triumph)wagen vorangingen und damit die lange Reihe Pferde anstelle der der Völ- ker daherzöge: euer Triumph wird Arsaciden mit hinter dem Rücken gefesselten Händen und die Schatzkammern des besiegten Babylon aufnehmen.“]. - g) Die hier geschilderte Einzelheit ist neben anderem eines der Merkmale, aus denen man erschließen wollte, dass in der Spätantike der militärische Charakter der Adventus- und Triumphzeremonie zunahm

(vgl. MCCORMICK (1986) 90f.; FUENTES HINOJO (2011) 298). - h) Zu tamquam bei einer Parti- zipialkonstruktion vgl. zu 26,8,13.

10,5: cumque urbi propinquaret: a) mit urbi Rom gemeint - b) AMM. 22,9,14: (Julian kommt nach Antiocheia) urbique propinquans - c) Zu §§5-10 vgl. auch AMM. 22,2,4-5 (Ju- lians Einzug in Konstantinopel). Adventūs Julians bei Ammian auch 15,8,21-22 (Vienne in

355 n.Chr.); 21,10,1-2 (Sirmium in 361 n.Chr.); 22,9,14-16 (Antiocheia in 362 n.Chr.) [DU-

FRAIGNE (1994) 184] - d) Dem ankommenden Kaiser (oder auch einem Angehörigen des Kaiserhauses) eine gewisse Strecke entgegenzugehen gehört seit der frühen Kaiserzeit zum

Adventusritual, vgl. für Augustus Res gestae divi Augusti 12, für Germanicus SUET. Cal. 4,

62 für Titus in Antiocheia IOSEPH. Bell. Iud. 7,100f. - senatus officia reverendasque patri- ciae stirpis effigies: a) Zu senatus = nobilitas, bzw. nobiles vgl. AMM. 21,10,.7 (Verlesen des Briefes Julians im römischen Senat) … orationem acrem et invectivam probra quae- dam in eum explanantem et vitia scripserat ad senatum. Quae cum Tertullo administrante adhuc praefecturam recitarentur in curia eminuit nobilitatis cum speciosa fiducia benigni- tas grata …; 28,4,6 (2. Romexkurs) et primo nobilitatis … digeremus errata; 28,4,27: hac- tenus de senatu. - b) Officia meint in der Regel die Leistungen, die zwischen patronus und cliens oder amici zu erbringen sind; dazu gehören auf Seiten des cliens die salutatio und die Begleitung (in Zeiten der Republik aufs Forum, später bei adventus und profectio des

63 Kaisers ). - c) Zu reverendus,-a,-um vgl. zu AMM. 20,5,7. Vgl. auch Pan. Lat. 12,9,5: sic

62 Alle Beispiele bei KOLB (1987) 40 u. Anm. 41,42,43. 63 Es gilt als ein Zeichen von Großzügigkeit von Seiten des Kaisers, wenn er auf diese Begleitdienste ver- zichtet, vgl. SUET. Aug. 53,2; DIO 54,25,4 vom nächtlichen Kommen oder Gehen des Augustus [WALLACE-

43 agrestes Curii, sic veteres Coruncani, sic nomina reverenda Fabricii. SYMMACH. Epist. 1,2,4

64 (von Valerius Proculus) - d) Patriciae stirpis vgl. auch AMM. 28,1,52: homo patriciae stir- pis (gemeint ist Aginatius), wo durch den genetivus qualitatis Aginatius als im Vergleich zu jemandem wie Maximinus als einem alten Adelsgeschlecht zugehörig beschrieben werden soll, während hier ebenfalls an das Alter dieser Familien etwa im Vergleich zu den im Senat von Konstantinopel vertretenen Familien erinnert werden soll (was keineswegs bedeutet, dass diese Familien bis in die Zeiten der Republik zurückreichen). Seit Konstan- tin gibt es keine patricii im klassischen Sinne mehr, sondern nur noch die patriciatus dignitas (Cod. Theod. 9,40,17), die aber nicht erblich ist, so z.B. AMM. 26,6,7 von Petro- nius. (RE XVIII,4 (1949) 2222–2232 (B. KÜBLER)) - e) Effigies: VEH (1974) 110 und Sey- farth (1, 175) übersetzen mit „Gestalten“, VIANSINO (1, 283) dagegen mit „statue“. Da effi- gies immer ein Bild oder Abbild in irgendeiner Form bezeichnet, bereiten beide Über- setzungen Schwierigkeiten: Offensichtlich sind dem Constantius Delegationen, bestehend aus den Senatoren und der plebs entgegengezogen; diese dürften wohl kaum Standbilder mitgenommen haben, es sei denn Ammian tut so, als hätten die Adligen wie bei einer pompa funebris die Masken der Ahnen mitgenommen. Dass mit den effigies die Senatoren selbst gemeint sein könnten, dem widerspricht der Sprachgebrauch von effigies.65 - Beim adventus TheodosiusʼI. in Haemona gibt Pacatus den gleich nach den Senatoren genannten flamines das Attribut reverendus (Pan. Lat. 2(12),37,4: reverendos municipali purpura flamines). - f) SYME (1968) 136: "In Ammianus that body [gemeint ist der Senat] stands as a venerable memorial of the glorious past – no illusions about its power." - ore sereno con- templans: a) Vgl. 23,5,15: (Julian bei einer Rede vor den Soldaten während des Persien-

66 feldzugs): talia ore sereno disseruit. SYMM. Relat. 3,7 : (Constantius) per omnes vias

HADRILL (1982) 40; MAC-CORMACK, Art and Ceremony in Late Antiquity (1981) 17ff.] 64 Valerius Proculus / cum primis, quos non oneravit gloria patrum, / ponemus Proculum, vitae morumque decore / haud umquam indignum magnorum Publicolarum. / Olli semper amor veri et constantia, simplex / caelicorum cultus. Non illum spernere posses, / et quamquam reverendus erat, non inde timeres. 65 ThLL V,2, s.v. effigies 180,4–184,25 ((BRAND) K.-M.) verzeichnet die Stelle unter 183,63/4 unter II respicitur forma rei alicuius corporea, i.q. figura, habitus sim. und setzt in Klammern hinzu i. senatores, entspricht somit den Übersetzungen von SEYFARTH und VEH. - Im übrigen scheint mir die Formulierung Ammians angeregt durch Vergils veterum effigies ex ordine avorum / antiqua e cedro (VERG. Aen. 7, 177f.), wo innerhalb der Beschreibung der Laurentis regia Pici (171), eines Raumes, der die Doppel- funktion von Tempel und Palast erfüllt, der König Latinus die Abgesandten der Teukrer empfängt. - Zum Mitführen von effigies in einer pompa vgl. PAUL. FEST. p. 59: effigies quaedam ..., quae in pompa vehi solita sit, zum Material, aus dem zum Mitnehmen gedachte effigies sein konnten vgl. HOR. sat. 1,8,30: lanea et effigies erat, altera cerea. - Effigies nur noch zweimal bei Ammian (20,3,1: (solem) attenuateum in lunae corniculantis effigiem, deinde in speciem auctum semenstrem posteaque in integrum restitutum; 22.8,37 (die skythischen und parthischen Bögen) soli ... effigiem lunae decrescentis ostendunt) [CHIABÒ 236]; beide Stellen nicht vergleichbar, da es darum geht, den Kontur eines „Gegenstandes“ durch die Figur des abnehmenden Mondes zu beschreiben. 66 Vgl. dazu auch DEN BOEFT (1998) 111 zu AMM. 23,5,15.

44 aeternae urbis latum secutus senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis

67 deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores. ; AMM. 21, 15,9 (Constantius bei einer Rede vor den Soldaten): tribunali celso insistens stipatusque solito densius haec prosecutus est ad serenitatis speciem et fiduciae vultu formato. CORIPP. Ioann. 1,118: principis ante pedes gaudens steti ore sereno (gemeint ist Johannes). Zum

Toposcharakter vgl. PRUD. contr. Symm. 1,410f. (TheodosiusʼI. Rombesuch): cum princeps gemini bis victor caede tyranni / pulchra triumphali respexit moenia vultu; PROCOP. de aedif. 1,10,19 [Mosaik am Bronzetor des Kaiserpalastes in Konstantinopel, das die Sieg- haftigkeit Justinians darstellt] περιέστηκε δὲ αὐτοὺς ἡ Ῥωμαίων βουλὴ σύγκλητος, ἑορτασ- ταὶ πάντες. Τοῦτο γἀρ αἱ ψηφῖδες δηλοῦσιν ἐπὶ τοῖς προσώποις ἱλαρὸν αὐτοῖς ἐπανθοῦσαι.

- b) Zum Ausdruck vgl. LUCR. 3,290: voltu ... sereno; VERG. Aen. 1,255 (Jupiter): vultu, quo

68 caelum tempestatesque serenat; LUCAN. 4,363: Caesar facilis voltuque serenus. Somit ursprünglich dichterisch. - Der vultus serenus gehört zur Majestät des Kaisers und ist eine der Eigenschaften, die losgelöst von der aktuellen Situation, zur Götternähe beitragen.69 Serenitas ist schließlich sogar zu einer regulären Anredeform des Kaisers geworden70, vgl. aber auch die Attribuierung Serenissima für Venedig. - c) Contemplans, bzw. contemplan- tes, bezogen auf das Subjekt des Satzes ist eine stereotype Konstruktion bei Ammian (ins- gesamt 20mal; dazu 6mal mit considerans, vgl. CHIABÒ 156 u. 163). Dabei contemplari nur hier und 15,5,12 (Florentius Nigriniani filius ... contemplans diligentius scripta) in nicht übertragener Bedeutung.71 - non ut Cineas ille Pyrrhi legatus in unum coactam multitu- dinem regum: a) Adverbielles in unum (griech. εἰς ἕν) bei Komposita mit com-; con- bei

SALLUST (Iug. 31,14: eadem metuere in unum coegit; 80,2: eorum multitudinem in unum co- git), LIVIUS (9,13,4: coacto rursus in unum agmime) u.a. (vgl. GEORGES 2,3310); bei Ammi-

67 „durch alle Straßen der ewigen Stadt folgte er dem erfreuten Senat, er sah mit wohlgefälligem Gesicht die Heiligtümer, las die Namen der Götter, die in den Giebeldreiecken standen, erkundigte sich nach dem Ur- sprung der Tempel, bewunderte die Gründer.“ 68 Nachgeahmt bei PRUDENTIUS, Liber Cathemerinon 3,8 (von Christus) fronte serenus. Vgl. auch ENNODIUS, Panegyricus dictus regi Theoderico 286,1/2: Vernant lumina serenitate continua. 69 Vgl. TEITLER zu AMM. 21,13,9 mit dem Hinweis auf HOR. Carm. 1,37,25/6 ausa et iacentem visere regiam / vultu sereno (Cleopatra); SUET. Aug. 79,1: vultu erat vel in sermone vel tacitus … tranquillo serenoque; AMM. 24,4,26: (Iulianus) serenus imperator et clemens; 30,8,12 (Valentinianus) serenus et clemens wie Antoninus Pius; 21,13,9 (s.o.) allerdings in der für Ammian typischen Art, was im übrigen bedeutet, dass Ammian die von der kaiserlichen Propaganda vertretene und von den Dichtern und Panegyristen übernommene Ansicht, dies sei tatsächlich eine Eigenschaft des Kaisers, nicht generell anerkennt, so dass man prüfen müsste, ob er den Vorwurf der Heuchelei und Affektiertheit nur in bestimmten Fällen und bei bestimmten Personen anwendet. 70 Vgl. z. B. Cod. Theod. 1,12,5; 5,29,3. - Vgl. J. SVENNUNG, Anredeformen. Vergleichende Forschungen zur indirekten Anrede in der dritten Person und zum Nominativ für den Vokativ, Uppsala 1958; MACMULLEN, Some Pictures in Ammianus Marcellinus, 86 und 304 Anm. 20 (hier auch die beiden Stellen aus dem Codex Theodosianus angeführt.) 71 Livius gebraucht das Verbum fast nur in nicht übertragener Bedeutung; Sallust und Tacitus haben das Ver- bum nicht.

45 an häufig, z.B. 26,7,9: in unum quaesitae; 26,7,17: consentientes in unum; 29,5,25: Mazicas in unum collectos. - b) Kineas (Κινέας), aus Thessalien, ca. 350–277 v. Chr., war Diplomat des Königs Pyrrhus (geb. 319/18; König der Molosser in Epeiros 306–302, 297–272 und Hegemon des epeirot. Bundes; gefallen 272 im Straßenkampf in Argos) und führte zahl- reiche diplomatische Verhandlungen für Pyrrhus in Italien und auch in Rom; er galt als guter Kenner der römischen Aristokratie und soll „den römischen Senat als ein Synedrion von Königen bezeichnet haben“, vgl. PLUT. Pyrrhus 19,6: Λέγεται δὲ Κινέαν, ἐν ᾦ ταῦτ᾿ ἔπραττεν, ἅμα ποιησάμενον ἔργον καὶ σπουδάσαντα τῶν τε βίων γενέσθαι θεατὴν καὶ τῆς πολιτείας τὴν ἀρετὴν κατανοῆσαι, καὶ διὰ λόγων ἐλθόντα τοῖς ἀρίστοις, τά τ᾿ ἄλλα τῷ Πύρρῳ φράσαι καὶ εἰπεῖν ὡς ἡ σύγκλητος αὐτῷ βασιλέων πολλῶν συνέδριον φανείη.

[„Man erzählt, Kineas sei, während er diese Verhandlungen führte, zugleich mit dieser Tätigkeit und diesem Studium zum Betrachter ihrer βίοι geworden und habe den Wert ihrer Verfassung erkannt, und nachdem er mit den Aristokraten ins Gespräch gekommen sei, habe er unter anderem dem Pyrrhos erzählt und gesagt, der Senat erscheine ihm als

72 eine Versammlung von Königen.“], EUTR. 2,13,2–3: A quo cum quaereret Pyrrus, qualem Romam comperisset, Cineas dixit regum se patriam vidisse; scilicet tales illic fere omnes esse, qualis unus Pyrrus apud Epirum et reliquam Graeciam putaretur. [„Als Pyrrhus ihn (den nach Rom geschickten Gesandten) fragte, was für ein Rom er kennengelernt habe, antwortete Kineas, er habe das Vaterland von Königen gesehen; dort seien nämlich fast alle so, wie in Epirus und im übrigen Griechenland als einziger Pyrrhus gelte.“]73 An diesen beiden Stellen74 geht es den Verfassern jeweils darum, die Mitglieder des römischen Senats

72 Der Römische Senat als eine Versammlung von Königen auch bei LIV. 9,17,14 (In einem Gedan- kenexperiment spielt Livius durch, wie es ausgegangen wäre, wenn der römische Staat gegen Alexander den Großen gekämpft hätte. Zunächst zählt er zahlreiche Fälle auf, in denen die Römer oder einzelne von ihnen dem Alexander unterlegen gewesen wären, obwohl dieser nur einer und dazu noch ein junger Mann war. In dieser Reihe heißt es dann auch) Victus esset consiliis iuvenis unius (damit ist Alexander gemeint), ne singulos nominem, senatus ille, quem qui ex regibus constare dixit unus (damit ist Kineas gemeint) veram speciem Romani senatus cepit [„Besiegt worden wäre durch die Pläne eines einzigen jungen Mannes jener Senat – um einmal nicht einzelne zu nennen –, der aus Königen bestand, wie als einziger der gesagt hat, der sich ein wahres Bild vom römischen Senat gemacht hat.“]. - Den Hinweis auf diese Stelle habe ich ROTH (2010), 181 entnommen. 73 Weitere Stellen zu dieser Anekdote: IUSTIN. 18,2,10: Igitur Cineas, cum turbatam cum Romanis pacem ab Appio Claudio renuntiasset, interrogatus a Pyrro, qualis Roma esset, respondit regum urbem sibi visam. [FINKE (1904) 52 und Anm. 1)] 74 Vgl. auch FLOR. 1,13,19 (Qui autem ille senatus fuit, cum perorante Appio Caeco pulsi cum muneribus suis ab urbe legati interroganti regi suo, quid de hostium sede sentirent, urbem templum sibi visam, sena- tum regum esse consessum (concessum) confiterentur? [„Wie aber ist jener Senat gewesen, als auf Antrag des Appius Caecus die Gesandten aus der Stadt (Rom) mit ihren Geschenken vertrieben wurden und auf die Frage, was sie vom Wohnsitz der Feinde dächten, ihrem König gegenüber bekannten, die Stadt habe für sie wie ein Tempel ausgesehen und der Senat wie eine Versammlung von Königen.“] und APPIAN. Samn. Frg. 10,9: Kineas habe Pyrrhus geantwortet ὅτι πόλις ἐστὶ στρατηγῶν ὅλη, καὶ τοῦ Πύρρου θαυμά- σαντος μεταλαβὼν φάναι· «βασιλέων μᾶλλον ἢ στρατηγῶν». - SCIVOLETTO (1970) 42f. ist der Ansicht, dass Eutrop mit seiner Version von der bei Florus und Plutarch gegebenen Hauptüberlieferung der

46 dem Range, dem Ansehen und wohl auch dem Habitus nach einem König wie Pyrrhus gleichzustellen und – darin wird ein staatstheoretischer Hintergrund und gleichzeitig die romfreundliche Tendenz der Quellen, auf denen Plutarch und Eutropius fußen, sichtbar – aufgrund der Quantität die römische Aristokratie als der Monarchie überlegen darzustel- len. - Vgl. DNP Bd. 6, 470 Kineas 2); DKP Bd. 4, s.v. Pyrrhus 1., 1262–1264 [H. VOLK-

MANN] - Pyrrhus bei Ammian außerdem noch 24,1,3 (nach einer Stelle aus Livius: 25,14,8–

9) und 30,1,2 erwähnt. - *c) LIV. 9,17,14: senatus ille, quem qui ex regibus constare dixit unus veram speciem Romani senatus cepit!; HIERON. Epist. 123,17 (als ein exemplum neben Brennus und Hannibal) Pyrrhum tanta tenuit Romani nominis reverentia, ut deletis omni- bus, e propinquo recederet loco: nec audebat victor aspicere, quam regum didicerat civita- tem [„Den Pyrrhus hielt so große Ehrfurcht vor dem römischen Namen (zurück), dass er trotz Vernichtung aller sich aus einem nahe (an Rom) gelegenen Ort zurückzog: und er wagte es nicht, obwohl er der Sieger war, die Stadt anzuschauen, die, wie er erfahren hatte, eine Stadt der Könige war.“]. LORD BYRON: Childe Harold´s Pilgrimage, Canto IV, 26, 226– 229: The commonwealth of kings, the men of Rom! / And even since, and now, fiar Italy! / Thou art the garden of the world, the home / Of all art yields … . - sed asylum totius mundi adesse: a) ἄσυλον, < α−privativum + *συλα („berauben“), also ein Ort, an dem man nicht beraubt wird, nicht beraubt werden darf; zum Rechtscharakter und zur

Geschichte im Altertum vgl. DKP Bd. 1, s.v. Asylon, 670–671 [W. FAUTH]; L. WENGER, RAC 840 ff.; zum Gebrauch des Wortes in lateinischen Texten vgl. ThLL s.v. asylum [II,

990/1 V. STENGEL, PW. IHM]. Hier ist nur festzuhalten, dass das Wort zur Zeit Ammians nichts über die Herkunft oder den sozialen Rang desjenigen aussagt, der Asyl sucht.- b)

Zur Junktur asylum totius mundi vgl. AMM. 17,4,13 (Constantin zur Begründung dafür, dass er den Obelisken, den Constantius in Rom wird aufstellen lassen, aus einem geweihten Ort entfernen lässt) : si ablatum uno templo miraculum Romae sacraret, id est in templo mundi totius [„wenn er ein Wunder(werk) aus einem einzigen Tempel fortschaffe und in Rom

75 weihe, d.h. im Tempel der ganzen Welt“] (RUT. NAM. 1,48-50) . Bestandteil der laudes

76 Romae, vgl. GERNENTZ (1918) 40. 14,6,21 (im ersten Romexkurs) cum esset aliquando virtutum omnium domicilium Roma; CIC. de lege agr. 1,6,18: (Romam) hanc arcem omni- um gentium; NARZARIUS paneg. 4,35,2: sensisti, Roma, tandem arcem te omnium gentium et

Anekdote abweiche, wenn er Rom als Vaterland von Königen bezeichne, scheint dabei aber wohl von der falschen Annahme auszugehen, mit reges seien nicht die Senatoren, sondern wirkliche Könige gemeint. 75 Angeführt bei DEMANDT (1965) 117. - Vgl. auch DUFRAIGNE (1992) 507 Anm. 59, wo der Ausdruck asylum totius mundi mit Constantiusʼ Selbstbezeichnung als orbis totius dominus zusammengebracht ist. 76 SIL. ITAL. 15,90 - 92: Aspice – ne longe repetam – modo Roma minaci / impar Fidenae contentaque crescere asylo, / quo sese extulerit dextris.

47 terrarum esse reginam.77 - c) Weitere Definitionen für den römischen Senat aus dem 4. Jh.:

SYMM. Epist. 1,52: pars melior humani generis; SYMM. Orat. 6,1: nobilissimos humani generis; Nazarius (Pan. Lat. 4(10), 35,2: Sensisti, Roma, tandem arcem te omnium genti- um et terrarum esse reginam, cum ex omnibus provinciis optimates viros curiae tuae pig- nareris, ut senatus dignitas non nomine quam re esse inlustrior, cum ex totius orbis flore constaret; Expositio totius mundi et gentium 5578. - d) Von der Erweiterung des Senates auf

Völker außerhalb Italiens ist z.B. bei TAC. Ann. 11, 23–25 die Rede. 10,6: ad plebem: die plebs als das Pendant zu senatus (= nobilitas) (§5) in der von Am- mian meist in dieser Dualität gedachten römischen Gesellschaft, vgl. z. B. den zweiten Romexkurs 28,4,6 (Et primo nobilitatis ... dein plebis digeremus errata). - stupebat: a) vgl. Pan. Lat. 7(6),6,3: (während Julians Zug nach Illyricum) vidimus, felices illius viae

79 comites, stupentes urbium populos dubitasse credere quae videbant. - *b) VERG. Aen. 2, 796–798 (Aeneas kehrt nach der vergeblichen Suche nach Creusa zum vereinbarten Treffpunkt, dem Cerestempel außerhalb Trojas, zurück): Atque hic ingentem comitum adfluxisse novorum / invenio admirans numerum, matresque virosque, / collectam exsilio

77 Angeführt bei HARTKE (1951) 307. Anm. 2. - Zur Komplexität literarischer Beziehungen: Vergil ist der erste, der Aen. 2,761 das Wort asylum in Dichtung verwendet (VERG. Aen. 2,760–767: procedo et Priami sedes arcemque reviso: / et iam porticibus vacuis Iunonis asylo / custodes lecti Phoenix et dirus Ulixes / praedam adservabant. Huc undique Troia gaza / incensis erepta adytis, mensaeque deorum / crateresque auro solidi, captivaque vestis / congeritur. Pueri et pavidae longo ordine matres / stant circum.), wobei er das Wort mit Bedacht wählt: Im asylum des Junotempels, an einem Ort, der nicht beraubt werden darf, haben die siegreichen Griechen ihre Beute gesammelt und bewahren sie dort auf, um sie von da später nach Griechenland wegzubringen (vgl. R.G. AUSTIN, P. Vergili Maronis Aeneidos Liber Secundus, Oxford 1973 (Nachdruck der Erstausgabe von 1964) 275). TAC. Hist. 3,71,2/3 (die Vitellianer greifen das Kapitol an, auf dem sich die Flavianer verschanzt haben: faces in prominentem porticum iecere et sequebantur ignem ambustasque Capitolii fores penetrassent, ni Sabinus revolsas undique statuas, decora maiorum, in ipso aditu vice muri obiecisset. / tum diversos Capitolii aditus invadunt, iuxta locum asyli et qua Tar- peia rupes centum gradibus aditur. Improvisa utraque vis; propior atque acrior per asylum ingruebat.) verwendet den Begriff als rein geographische Bezeichnung, gestaltet aber die Gesamtszene nach dem zweiten Buch von Vergils Aeneis (Nachweis bei FOUCHER (2000) 419f.). Sollte Ammian beide Stellen vor Augen gehabt haben [Tacitus wurde im späten 4. Jh. nur noch ganz selten gelesen. Insofern ist Ammians Kenntnis des Tacitus ein Rätsel, vgl. hierzu SYME (1968) 217: "one of the many paradoxes of the age"; VAN DE WIEL (o.J.) 183f.; NEUMANN (1987) passim – Nach meiner Meinung muss Ammian Tacitusʼ Werke gekannt haben.], so hätte er das Wort sowohl in der Funktion verwendet, wie Tacitus es tut (asylum = Rom) als auch, wie Vergil es tut (Die Menschen sammeln sich in Rom, weil sie dort in besonderem Maße geschützt sind – was sich aus der Sicht Ammians als Hohn erweist, vgl. die Fremdenausweisungen oder auch die Prozesse unter Valentinian). - Vgl. auch CLAUDIAN. De bello Gildonico 390/1. Mascezel, fugiens qui dira piacula fratris / spesque suas vitamque tuo commisit asylo. - Zu Ammian und Vergil vgl. vor allem FONTAINE (1969) 431, auch wenn Fontaines Aussage, Vergil habe Ammian vor der Verzweiflung be- wahrt, reine Spekulation ist [„Cʼest ici quʼíl conviendrait dʼétudier de près lʼ influence de la poésie ro- maine sur cet historien; éminemment celle de Virgile. De la citation en forme à la simple alliance de mots, elle est considérable, et encore en grande partie inexplorée. Elle a peut-être sauvé Ammien du désespoir, en nourrissant malgré tout la flamme intérieure de sa sympathie." 78 habet (sc. Roma) autem et senatum maximum virorum divitum. quos si per singulos probare volueris, invenies omnes iudices aut factos aut futuros esse aut potentes quidem, nolentes autem propter suum ‘frui cum securitate’ velle. 79 Vgl. dort auch §4: titubantes senes non sine magno attoniti horrore cernebant imperatorem longam viam sub gravium armorum onere currentem.

48 pubem, miserabile vulgus. - qua celeritate omne, quod ubique est hominum genus, con- fluxerit Romam: a) SEYFARTH übernimmt die Konjektur von Bentley celebritate [R. BENT-

LEY, Emendationen hrsg. von P. Schröder und C. Zangemeister, RM 33,878,468–477 und 35,1880,336–349]. Berücksichtigt man einerseits, dass Ammian über die plebs Roms eine ähnliche Aussage treffen will wie über den senatus, nämlich dass sie aus der ganzen Welt stamme (mundi totius ≈ omne, quod ubique est, hominum genus)80 und jetzt in Rom anwe- send sei (adesse ≈ confluxerit Romam), und andererseits, dass Ammian nicht mehr nur den konkreten Vorgang vom 30. April des Jahres 357 n. Chr. beschreibt – wie noch an anderer Stelle nachgewiesen wird -, dann trägt auch die Schnelligkeit, die Constantius natürlich nicht wahrgenommen haben kann, zur αὔξησις der Stelle bei, indem sie den gesuchten Kontrast zwischen adesse und confluxerit bis zu einem Paradox steigert. - b) Confluere bei Ammian immer metaphorisch für das Sich-Versammeln von (einer) Menschenmenge(n)81, so auch 15,9,4;17,12,16;18,8,13;29,6,15;31,6,5 (VIANSINO 1,288 s.v. confluo). Vgl. auch Mon. Anc. 10: cuncta ex Italia ad comitia mea confluente multitudine, quanta Romae nun- quam narratur ad id tempus fuisse. PROCOP. anecdot. 19,14: αὐτοί [gemeint sind die Völker in den entferntesten Erdteilen] τε γὰρ ...ἐκ πάσης γῆς ξυνέρρεον ἐς Βυζάντιον; bell. 7,39,20. - Dieser metaphorische Gebrauch liegt auch für συρρέω an der Themistiosstelle vor (s.u.).82 - c) Nach den Regeln der consecutio temporum müsste statt confluxerit die Form des Konjunktivs des Plusquamperfekts stehen: confluxisset, und nach den Regeln der oratio obliqua müsste im Relativsatz der Konjunktiv stehen [da es sich nicht um den Zusatz eines Berichterstatters handelt]. Der Konjunktiv des Plusquamperfekts wird in der Regel als dem cursus geschuldet erklärt [confluxísset Rómam ergäbe keinen der üblichen

80 Zur bei Begriffen wie genus, qualitas u. ä. häufigen Enallage (omne ... hominum genus ≈ homines omnis generis: im Deutschen „alle möglichen Menschen“) vgl. SVENNUNG (1935) 234f.; VERG. Aen. 1,539 (Ilio- neus vor Dido) quod genus hoc hominum? (wiederaufgenommen in 542 durch genus humanum); AUGUS- TIN. Contra Gaudentium 1,28: genus hominum ... maxime in agris territans et victus sui causa cellas circumiens rusticanas, unde circumcellionum nomen accipit. HIERON. Vita Hilarion. 29: ita ut omni genere hominum solitudo repleretur; AMM. 31,3,8: per reliquas gentes, quod invisitatum (vgl. dazu SALEMME (1989) 66 Anm. 13) antehac hominum genus. Auch im Plural, vgl. AMM. 30,4,8: violenta et rapacissima genera hominum. 81 Metaphorisch natürlich nicht nur für das Sich-Versammeln einer Menschenmenge gebraucht, vgl. z.B. Pan. Lat. 3(11),10,2: Illud vero cuius miraculi est … quoddam versa vice provinciis pendi tributum, illinc ad universos fluere divitias, quo prius undique confluebant! 82 Ein Topos für die laudes einer Stadt wird aus der Junktur „Menschenmenge (oder auch anderes) strömt zusammen“, wenn aufgrund der Herkunft aus verschiedenen Gegenden, Völkern u.ä. sich die so entstan- dene Vielfalt in einer Stadt als für diese Stadt vorteilhaft erweist, somit zu den laudes dieser Stadt bei- trägt. Dies gilt sowohl für die hier angeführten beiden Themistiosstellen als auch für die Stelle bei Jorda- nes, auch wenn jeweils Konstantinopel und nicht Rom gemeint ist. Natürlich kann dieser Topos auch zur negativen Charakterisierung einer Stadt verwendet werden, vgl. z.B. TAC. ann. 15,44,3: repressaque in praesens exitiabilis superstitio [gemeint ist der christliche Glaube] rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam [gemeint ist Rom], quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque.

49 cursus, vgl. z.B. DEN BOEFT (1998) 28f. zu AMM. 23,2,6]; hier dürfte er jedoch der Vergegen- wärtigung dienen, womit dann auch das vorangehende Präsens im Relativsatz erklärt ist83. - d) THEMIST. or. 3,58,2: συρρεόντων γὰρ εἰς ἕνα χῶρον τῶν ἀγαθῶν ἁπάντων [„denn weil

84 alle Güter an einem einzigen Ort „zusammenflossen“]. Vgl. auch CIC. In Pison. 15 (33): (Ciceros Rückkehr aus dem Exil): Mei capitis conservandi causa Romam uno tempore quasi signo dato Italia tota convenit; SALL. Cat. 37,5: ii Romam sicut in sentinam conflu- xerant; JUVENAL. 3,60–65: non possum ferre, Quirites, / Graecam urbem. Quamvis quota portio faecis Achaei? / iam pridem Syrus in Tiberim defluxit Orontes / et linguam et mores et cum tibicine chordas / obliquas nec non gentilia tympana secum / vexit et ad circum

85 iussas prostare puellas. Vgl. auch SEN. Cons. ad Helv. 6,2: maxima pars istius turbae [gemeint ist die Menschenmenge in Rom] patria caret. Ex municipiis et coloniis suis, ex toto denique orbe terrarum confluxerunt. HERODIAN. 1,12,1: ἐν τῇ Ῥωμαίων πόλει ... πολυ-

86 ανθρώπῳ τε οὔσῃ καὶ τοὺς πανταχόθεν ὑποδεχομένῃ. AELIUS ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 61: ὅπερ δὲ πόλις τοῖς αὑτῆς ὁρίοις καὶ χώραις ἐστίν, τοῦθ᾿ ἥδε ἡ πόλις τῇ πάσῃ οἰκουμένῃ ὥσπερ αὐτῆς ἄστυ κοινὸν ἀπεδειγμένη· φαίης ἂν περιοίκους ἅπαντας ἢ κατὰ δῆμον οἰκοῦντας ἄλλον χῶρον εἰς μίαν ταύτην ἀκρόπολιν συνέρχεσθαι.87 Expositio tot. mund. 23

(für Antiocheia)(zitiert im Kommentar zu 26,6,20). SYMM. Epist. 4,28,2: in commune impe- rii caput undique gentium convenitur; - * GREGOR. NAZ. Orat. 21,27: οὕτω δὲ ἀσμένοις προσπίπτει [gemeint ist Athanasius bei seiner zweiten Rückkehr aus dem Exil nach Ale- xandria nach dem Lynchmord am Bischof Georgios im Jahre 362 n.Chr.] τοῖς ἐν τῇ πόλει καὶ μικροῦ τῇ Αἰγύπτῳ πάσῃ καὶ πανταχόθεν εἰς ταὐτὸ συνδραμούσῃ καὶ ἀπ᾿ ἄκρου

83 Zur Vergegenwärtigung vgl. RUBENBAUER-HOFMANN 247 (als lebhafte Darstellung bezeichnet); EHRISMANN, H., De temporum et modorum usu Ammianeo, Diss. Strasbourg 1886, 16-22, wo als Form der repraesen- tatio bezeichnet. - Zu indikativischen Nebensätzen in der oratio obliqua bei Ammian vgl. DE JONGE (1972) 137 zu AMM. 16,10,18; DEN BOEFT (1998) 109 zu AMM. 23,5,14; L-H-Sz. 548, wonach der Indikativ in Nebensätzen bei oratio obliqua vor allem in archaischem und spätantikem Latein häufiger vorkommt. 84 Stelle angeführt schon bei HARTKE (1951) 307. Anm. 2.; dort auch noch THEMIST. 57,25 (νῦν δὲ ἐθελονταὶ καὶ αὐτοκέλευστοι συνθέουσιν ἁπανταχόθεν) und JORDANES Getica 28,143: (der Gotenkönig Athanarich) miratur populos … diversarum gentium quasi fonte in uno e diversis partibus scaturiente unda. 85 Auch dies ist bei Ammian die Umformulierung eines Topos (vgl. MEN. Rhet. Gr. 3,385,32–386,1 κοινόν ἐστι συνέδριον καὶ βουλευτήριον τοῦ κοινοῦ γένους ἡ ἡμετέρα πόλις), wie schon bei THUK. 2,39,1 (τήν τε γὰρ πόλιν κοινὴν παρέχομεν, καὶ οὐκ ἔστιν ὅτε ξενελασίαις ἀπείργομέν τινα.). Vgl. auch PLIN. nat. 3,39: (Italia) una cunctarum gentium in toto orbe patria. Weitere Beispiele bei GERNENTZ (1918) 136; DOBL- HOFER (1977) 2,48. 86 TASSO, Gerusalemme liberata 17,17,3–7: non crederai chʼEgitto mieta ed are / per tanti, e pur da una città sua viene: / città, chʼa le provincie emula e pare, / mille cittadinanze in sé contiene. / Del Cairo iʼparlo; Wenn man Ammians Metapher vom Zusammenströmen weglässt, ergibt sich ein ähnlicher Sach- verhalt, und zwar ebenfalls hyperbolisch ausgedrückt. Außerdem scheint in Vers 5 ein ähnlicher Vergleich für die Stadt Kairo vorzuliegen, wie er bei Ammian in §14 für einzelne Bauwerke Roms gemacht wird. 87 „Was aber eine Stadt für ihre eigenen Grenzen und Gebiete bedeutet, das bedeutet diese Stadt für die gesamte Ökumene, da sie sich sozusagen als ihre gemeinsame (Unter)Stadt herausgestellt hat; man könn- te sagen, dass alle Periöken, oder diejenigen, die nach Demen einen anderen Ort bewohnen, in diese ein- zige Burg (Akropolis) zusammengekommen sind.“

50 88 παντός. HIERON. Ep. 107,1 (aus dem Jahre 400 n. Chr.): Auratum squalet Capitolium, fuli- gine et aranearum telis omnia Romae templa cooperta sunt; movetur urbs sedibus suis, et inundans populus ante delubra semiruta currit ad martyrum tumulos.[dazu ROBERTS (2001)

555f.; ENGELS (2014) 212–214 (für die Zeit der späten Republik)] - e) Variationen dieses Gedankens auch schon im ersten Romexkurs: 14,6,1: ex omni plaga, quam orbis ambit immensus, reportavit laureas et triumphos; 14,6,6: per omnes quot orae sunt partesque terrarum, ut domina suscipitur et regina („Umkehrung“ des Gedankens). - tamquam Euphraten armorum specie territurus aut Rhenum: a) griech. Akk.-Sing.-Endung (- ην). - b) Die beiden Flüsse stehen hier für die an das Römische Reich grenzenden Länder (Persien und Alemannia/ Germania), mit denen die römischen Kaiser in dieser Zeit mehr oder weniger ununterbrochen Kriege führten. Aufgrund der Personifikation der Flüsse ste- hen diese Länder für deren Herrscher und Völker. Die Personifikation von Flüssen, wohl

4 bis auf Homer zurückgehend, ist ein klassisches Mittel der Rhetorik (vgl. LAUSBERG (2008 ) 412f.) und findet sich auch häufiger bei Ammian, z.B. in 16,12,57 (decolor alveus insueta stupebat augmenta).89 - c) Euphrat, Rhein (und Donau) in der Regel zur Kennzeichnung der Ausdehnung des Römischen Reiches, wie es unter Augustus geschaffen wurde [vgl.

MEYER, H.D.: Die Außenpolitik des Augustus und die augusteische Dichtung Köln 1961;

WHITTAKER (1994); BRINGMANN (2007) 175; ENGELS (2014) 459f.], vgl. z.B. IULIAN. Sympos. 326C (Oktavian spricht) ὅρια ... διττὰ, ὥσπερ ὑπὸ τῆς φύσεως ἀποδεδομένα, Ἴστρον καὶ Εὐφράτην ποταμοὺς ἐθέμην. - d) Der Kontrast eines Sieges im Osten zu einem Sieg im

Westen schon bei AUGUST. Res gestae 32, von da an topisch (vgl. MACCORMACK (1972) 738 und Anm. 100), wobei dies hier mit dem Topos verbunden ist, dass allein das Drohen mit den römischen Waffen zum Erfolg führt. So auch schon bei Cassius Dio die clades Crassi- ana (40,12–30) zu der clades Varriana (56,19–24) u.a. durch die Nennung dieser beiden

90 Grenzflüsse zueinander in Beziehung gesetzt. - *e) TAC. hist. 1,40,1 (Sturz und Tod Gal- bas): igitur milites Romani, quasi Vologaesum aut Pacorum avito Arsacidarum solio de- pulsuri ac non imperatorem suum inermem et senem trucidare pergerent, disiecta plebe, proculcato senatu, truces armis, rapidi equis forum inruperunt. - altrinsecus praeeunti- bus signis: a) Das zusammengesetzte Adverb (< altrin (< alterim) + secus (zu sequor; in der Zusammensetzung „die Seite“ bezeichnend [vgl. GEORGES II, 2567]) bei Plautus (im

88 „so trifft er auf Leute, die ihn freudig begrüßen, und zwar auf die in der Stadt und beinahe in ganz Ägyp- ten, das von überall her und von jedem Ende (der Welt) zusammenläuft“ 89 Vgl. auch VERG. Aen. 8, 726-727: Eupharates ibat iam mollior undis, […] Rhenusque biscornis (mollior, weil er nach dem Sieg Octavians bei Actium nicht mehr erzürnt zu sein braucht). 90 Vgl. SIMONS, BENEDIKT: Cassius Dio und die Katastrophen von 9 n. Chr. und 53 v. Chr., in: Gymnasium 119 (2012) 571–596.

51 Altlatein in der Bedeutung ab altera parte), dann erst wieder im Spätlatein (in der Bedeu- tung ab utraque parte) [vgl. NEUE-WAGNER II 678/79; FESSER (1932) 42] und häufig bei

91 Ammian. - b) Im Griechischen ἑκατέρωθεν, vgl. HERODIAN. 5,6,8 (Festzug des Elagabal (s.u.) für den Sonnengott: οἵ τε προασπίζοντες ἑκατέρωθεν ἀντεῖχον, τῆς ἀσφαλείας τοῦ τοιούτου δρόμου προνοούμενοι. Ὁ δὲ δῆμος ἑκατέρωθεν παρέθει ... [„die Leibwächter hielten auf beiden Seiten dagegen, indem sie für die Sicherheit eines solchen Laufs sorgten. Das Volk aber lief zu beiden Seiten daneben mit ...“]92. - insidebat aureo solus ipse car- pento: a) Insidēre + dat (oder abl.) seit Cicero und Livius in Prosa, vgl. bei AMM. 19,1,3: (Sapor vor Amida) insidens autem equo ante alios celsior ipse praeibat agminibus cunctis aureum capitis arietini figmentum (vgl. hier §10) interstinctum lapillis (vgl. hier im folgen- den) pro diademate gestans; 21,16,21: eique (gemeint ist Jovian, als er den Leichnam Juli- ans nach Tarsos geleitet) vehiculo insidenti; 27,3,14: vehiculis insidentes.93 - b) aureo … carpento: CIC. Post reditum in senatu orat. 11 (28): Itaque P. Lentuli beneficio excellenti atque divino non reducti sumus in patriam sicut nonulli clarissimi cives, sed equis insigni- bus et curru aurato reportati. - *HA Heliog. 29,1: habuit gemmata vehicula et aurata con- temptis argentatis et eboratis et aeratis - carpentum ist in der Regel eine zweirädrige Kut- sche, die als Staats- und Reisewagen benutzt wird; damit das angemessene Fahrzeug für

91 AMM. 15,10,4;15,11,16;19,2,11;20,7,11;20,11,15;22,8,5;23,4,6;24,2,14;25,3,1;25,7,13;26,8,8;27,10,6;28, 4,26;30,4,19;31,7,13;31,7,15; aber auch Pan. Lat. 2(12),2,1 (hi omnes quibus altrinsecus iactor aestus); 33,3. - Für die anderen Zusammensetzungen mit -secus gilt: extrinsecus (N.-W. II 679) nicht bei Ammian; forinsecus (N.-W. II 679f.) 19,8,2;21,9,2); intrinsecus (N.-W. II 680) 16,8,8;17,7,6;19,8,1;20,7,9;20,11,9; 23,4,13;24,4,22;31,15,6; undiquesecus nicht bei Ammian; utrimquesecus (N.-W. II, 680) 21,12,9;29,1,4. - HERTZ (1874) 267 rechnet altrinsecus unter die Wörter, die bei Plautus und Apuleius vorkommen, Apu- leius wohl aus Plautus übernommen hat, so dass bei Ammian auch Entlehnung aus Apuleius vorliegen könnte. - Vgl. auch XENOPH. Cyropaed. 8,3,1-23: 1: Νῦν δὲ ἤδη διηγησόμεθα ὡς τὸ πρῶτον ἐξήλασε Κῦρος ἐκ τῶν βασιλείων [„Jetzt werden wir erzählen, wie Kyros zum ersten Mal aus seinem Palast aus- zog“] … 13: ἐπὶ δὲ τούτοις ἤδη αὐτὸς ἐκ τῶν πυλῶν προυφαίνετο ὁ Κῦρος ἐφ᾿ ἅρματος ὀρθὴν ἔχων τὴν τιάραν καὶ χιτῶνα πορφυροῦν μεσόλευκον [„Nach diesen erschien jetzt Kyros selbst aus dem Tor, auf einem Wagen, wobei er die Tiara aufrecht (auf dem Kopf) trug und ein in der Mitte weißes Gewand trug.“] … 15: ἐπεὶ δὲ προῄει τὸ τοῦ Κύρου ἅρμα, προηγοῦντο μὲν οἱ τετρακισχίλιοι δορυφόροι, παρ- είποντο δὲ οἱ δισχίλιοι ἑκατέρωθεν τοῦ ἅρματος· ἐφείποντο δὲ οἱ περὶ αὐτὸν σκηπτοῦχοι ἐφ· ἵππων κεκοσμημένοι σὺν τοῖς παλτοῖς ἀμφὶ τοὺς τρακοσίους [„Als aber der Wagen des Kyros herausgefahren war, zogen die vierhundert Gardisten vorneweg, es folgten auf beiden Seiten des Wagens die zweitau- send; es folgten aber seine Szepterträger auf Pferden, ausgestatttet mit ihren Speeren, ungefähr dreihun- dert an der Zahl.“]. 92 Elagabal läuft rückwärts vor dem Wagen, um den Gott während des ganzen Zuges anschauen zu können. - Entweder ist gemeint, dass die Gardisten ihn halten, falls er zu stolpern droht, oder dass sie zu beiden Seiten die Volksmenge zurückdrängen. 93 Vgl. TORQUATO TASSO, Gerusalemme liberata, 17,33–34: Nessun più rimanea, quando improvisa /Armida apparve e dimostrò sua schiera. / Venia sublime in un gran carro assisa, / succinta in gonna e faretrata arciera; / e mescolato il novo sdegno in guisa co´l natio dolce in quel bel volto sʼera, / che vigor dalle, e cruda ed acerbetta / par che minacci e minacciando alletta. / Somiglia il carro a quel che porta il giorno, / lucido di piropi e di giacinti; e frena il dotto auriga al giogo adorno / quattro unicorni a coppia a coppia avinti. / Cento donzelle e cento paggi intorno / pur di faretra gli omeri van cinti, / ed a i bianchi destrier premono il dorso / che sono al giro pronti e lievi al corso.

52 den adventus des Kaisers.94 Hier dürfte es sich jedoch um ein vierrädriges Fahrzeug gehan- delt haben, das normalerweise als carruca bezeichnet wird (vgl. SUET. Nero 30,3). Dass das Fahrzeug, das der Triumphator benutzt, gewöhnlich als currus bezeichnet wird (im übrigen ein zweirädriger Wagen ist), ist kein Widerspruch zum Sprachgebrauch Ammians; denn eine klare Scheidung zwischen Triumphzug und adventus ist zumindest hier nicht möglich.

- Vgl. dazu auch ALFÖLDY (1970) 93: „So wie das Triumphalkleid allmählich zur kaiserli- chen Festtracht geworden ist, gab die Beschränkung des wirklichen Triumphzuges auf die Mitglieder des Kaiserhauses auch dazu den Anstoß, daß aus dem Triumphwagen und dem sonstigen Zubehör des Triumphes die Ausrüstung der kaiserlichen Festzüge im allgemei- nen wurde.“ und S. 108 (nachdem Alföldy vorher mehrere Stellen angegeben hat, in denen vom Luxus des Triumphwagens die Rede ist, z.B. HORAT. epod. 9,21f: aureos currus; ,

Trist. 4,2,63: eburnus currus; APPIAN 12,116; MARTIAL 3,62,5: aurea carruca u.m.): „Das aureum carpentum des Constantius II., welches fulgenti claritudine lapidum variorum

95 glänzte (AMM. 16,10,6), war also keine Neuheit.“ - Dennoch, soweit mir bekannt, die ein- zige Stelle, an der von Edelsteinschmuck an einem Wagen die Rede ist (vgl. MARQUARDT,

94 Zum kaiserlichen Privileg, ein carpentum zu benutzen, vgl. auch CASS. DIO 60,22,2: Ὥστε καὶ κυρίως τρόπον τινὰ Βρεττανικὸν αὐτὸν ὀνομασθῆναι, καὶ τῇ Μεσσαλίνῃ τὴν προεδρίαν ἣν καὶ ἡ Λιουία ἐσχήκει καὶ τὸ καρπέντῳ χρῆσθαι ἔδοσαν. - Abb. eines carpentum RIC II 181 nr. 220: Münzporträt der Diva Iulia Augusta, der Tochter des Titus. Auf der Rückseite ihr Bild auf einem von zwei Elefanten gezogenen carpentum. 95 Auf dem Galeriusbogen in Thessaloniki zeigt das Relief auf Pfeiler AII 7 (nach der von LAUBSCHER (1975) 26 gegebenen Numerierung) den adventus des Kaisers (Galerius in Nisibis (?))(Beschreibung bei LAUB- SCHER (1975) 38–41; Abbildungen Tafeln 13;22;23): Der Kaiser sitzt auf einem von vier Pferden gezoge- nen Wagen auf einem hohen, nicht mehr näher bestimmbaren Sitz und wendet den Oberkörper dem Be- trachter zu. Hinter dem Wagen folgt die berittene Garde. Das Relief auf Pfeiler BII 19 zeigt ebenfalls einen adventus Augusti (Beschreibung LAUBSCHER (1975) 61–64; Abbildungen Tafeln 45,1; 46–50), wobei am linken Rand die Stadt erscheint, die der Kaiser verlassen hat, und rechts die, in der er empfangen wird; der Kaiser sitzt in einem offenen, zweirädrigen, von einem Zweigespann gezogenen Reisewagen auf einer Kathedra mit Seitenlehnen und hoher, stark gerundeter Rückenlehne mit gekreuzten Beinen auf hohem würfelförmigen Polster; er wird von der berittenen Garde begleitet. - Auf dem Konstantinsbogen in Rom zeigt das Eckrelief III (nach der Numerierung von LʼORANGE (1939/1978)) den ingressus Konstantins in Rom am 29. Okt. 312, einen Tag nach dem Sieg über Maxentius am Pons Mulvius (Beschreibung L´O- RANGE (1939/1978) 72–78; Abbildungen: Taf. 3b.12.13.20a u. b.23c. Abb. 10): Der Kaiser sitzt auf einem von vier Pferden gezogenen, vierrädrigen, reich geschmückten Reisewagen (kein currus triumphalis (!)). Das Fahrgeschirr ist reich geschmückt, vor allem der Brust- und Bauchgurt mit Appliken oder Edenstein- einlagen (LʼORANGE (1939/1978) 75). Der Kaiser hat soeben die Porta Flaminia durchfahren und bewegt sich jetzt mit dem Heereszug über die Via Lata zum Elefantenbogen Domitians (LʼORANGE (1939/1978) 77f.). - Vgl. hierzu auch ENSSLIN, W.: Carpentum oder carruca? Bemerkungen zum Fahrrecht und Amts- tragen im spätrömischen Reich und zum Versuch einer Datierung der HA, in: Klio 32 (1939) 89–105; CHASTAGNOL (1960) 203–205); LEHNEN (1997) 179–180; VITIELLO (2000) 576 und Anm. 73. - Vgl. CASSIUS DIO 44,6,3 (von Cäsar): ἔς τε τὰ θέατρα τόν τε δίφρον αὐτοῦ τὸν ἐπίχρυσον καὶ τὸν στέφανον διάλιθον καὶ διάχρυσον, ἐξ ἴσου τοῖς τῶν θεῶν, ἐσκομίζεσθαι κἀν ταῖς ἱπποδρομίαις ὀχὸν ἐσάγεσθαι ἐψηφίσαντο [„sie beschlossen, dass sein (gemeint ist Cäsar) vergoldeter (Wagen)Stuhl (d.h. die sella curulis) und der mit Edelsteinen besetzte und massivgoldene Kranz, gleich denen der Götter, in die Theater gebracht würde und er bei den Pferderennen hineingefahren werde“]. - An dieser Stelle ist zwar nicht ausdrücklich vom Wagen die Rede, aber diese Stelle zeigt, in wie engem Zusammenhang in Bezug auf die besonderen Privilegien des Alleinherrschers die äußeren Attribute, wie Gefahrenwerden, Vergoldung, Besetztsein mit Edelsteinen, stehen.

53 96 Privatleben, 707) . Edelsteine an Pferdephalerae (SUET. Calig. 55) und bei Sänften (HERO-

DIAN 5,8,6). - In früheren Zeiten auch beim ingressus andere Beförderungsmittel hervorge- hoben, vgl. CIC. Phil. 2,106 (von Antonius): Cum inde Romam proficiscens ad Aquinum accederet, obviam ei processit, ut est frequens municipium, magna sane multitudo. At iste operta lectica latus per oppidum est ut mortuus. TAC. Hist. 2,89,1: ipse Vitellius a ponte Mulvi insigni equo … . - c) Zur Verweigerung des consessus vgl. zu §12. - d) Statt die ge- samte Strecke im Wagen zu fahren, gilt es als Zeichen von civilitas, zu Fuß zu gehen, vgl. z.B. Pan. Lat. 3(11), 30,2 von Julian97. Somit allein schon das Fahren im Wagen als Zei- chen der Überheblichkeit gedeutet, vgl. 27,3,14 (von den Bischöfen) vehiculis insidentes circumspecte vestiti epulas curantes profusas adeo, ut eorum convivia regales superent mensas;98 - (carpento) fulgenti claritudine lapidum variorum: a) fulgenti claritudine ablativus qualitatis zu carpento99; für Ammian typische Enallage: claritas lapidum vario- rum für clari lapides varii (abstractum wird zum Subjekt der Aussage. - Dass ein Gegen- stand aufgrund der daran angebrachten Edelsteine blitzt, findet sich bei Ammian auch

21,1,4: (Iulianus) diademate utebatur lapidum fulgore distincto (nach VIANSINO 597 lapi- dum fulgor nach Culex 65f. (lapidum nec fulgor in ulla / cognitus utilitate manet). - b)

Nach MARQUARDT, Privatleben, 707 das erste Beispiel aus der Antike für die Verzierung eines Wagens mit Edelsteinen, vgl. jedoch HERODIAN. 5,6,6 (Elagabal (Name als Kaiser: M. Aurelius Antoninus) beim Festzug für den Sonnengott): τόν τε θεὸν αὐτὸν ἐπιστήσας ἅρμα- τι χρυσῷ τε καὶ λίθοις τιμιωτάτοις πεποικιλμένῳ κατῆγεν ἀπὸ τῆς πόλεως ἐπὶ τὸ προάστει- ον [„Den Gott selbst aber stellte er auf einen goldenen Wagen, der mit kostbarsten Steinen geschmückt war, und geleitete ihn von der Stadt in die Vorstadt.“]. - Edelsteinschmuck auch für eine Pferdephalera (SUETON, Caligula 55: Incitato equo, cuius causa pridie cir- censes, ne inquietaretur, viciniae silentium per milites indicere solebat, praeter equile mar- moreum et praesepe eburneum praeterque purpurea tegumenta ac monilia e gemmis do-

96 Vgl. jedoch HA vit. Sept. Sev. 22,1: ipse [gemeint ist Septimius Severus] somniavit quattuor aquilis et gemmato curru praevolante nescio qua ingenti humana specie ad caelum esse raptum. MARCUS HIERONYMUS VIDA (1490–1566) in dem 1525 zum ersten Male veröffentlichten Schacchia (ludus): Nondum Mercurius levibus talaria plantis / addiderat: nondum Titania lumina agebat / per liquidum curru gemmato Phoebus olympum, / tantum humeros pharetra insignis, et crinibus aureis. 97 KOLB (1987) 41 vermutet, dass der einziehende Kaiser nach dem Überqueren des Pomeriums zu Fuß ging. Kolb führt diese Stelle dafür an, dass Constantius II. diesen Brauch nicht mehr beachtet habe (und verweist auch auf CLAUDIAN. Carm. 28, 543ff. für Honorius) (41, Anm. 46). Auf dem Konstantinsbogen (vgl. oben) befindet sich der Kaiser noch im Wagen fahrend innerhalb des ummauerten Stadtgebietes (was allerdings nicht mit dem vom Pomerium umgrenzten Gebiet identisch ist). 98 Bei LUCAN. 9, 589/90 (et nulla vehitur cervice supinus / carpentoque sedens [„und er fuhr nicht, gestützt auf jemandes Nacken oder in einem Wagen sitzend“]) wird die Tatsache, dass Cato (im Bürgerkrieg gegen Cäsar) als Feldherr nicht in einem Wagen sitzt, unter den (topischen) Elementen aufgezählt, durch die sich der Feldherr nicht über die einfachen Soldaten erhebt. 99 Zu adjektivischem fulgens vgl. auch VERG. Aen. 10, 475: fulgentem … ensem.

54 mum etiam et familiam et suppelectilem dedit, quo lautius nomine eius invitati accipe- rentur. [„Einem Rennpferd, um dessentwillen er am Tage vor den Zirkusspielen, damit es nicht beunruhigt werde, in der Nachbarschaft durch Soldaten Ruhe zu gebieten pflegte, gab er abgesehen von einem Marmorstall, eine Krippe aus Elfenbein und abgesehen von Pur- purdecken und Halsbändern aus Edelsteinen auch ein Haus, eine Familie und Hausrat, damit die in seinem Namen Eingeladenen prächtiger empfangen wurden.“]) und für eine

Sänfte (HERODIAN 5,8,6 Ὁ δ᾿ Ἀντωνῖνος ἐν δέει πολλῷ γενόμενος, παραλαβὼν τὸν Ἀλέξαν- δρον, συγκαθεσθεὶς αὐτῷ ἐν τῷ βασιλικῷ φορείῳ, ὅπερ διὰ χρυσοῦ πολλοῦ καὶ λίθων

τιμίων πεποίκιλτο, κατῆλθεν ἐς τὸ στρατόπεδον. [„Antoninus geriet in große Furcht, nahm den Alexander hinzu, setzte sich zu ihm in die königliche Sänfte, die mit viel Gold und kostbaren Steinen bunt geschmückt war, und kam ins Lager.“]) bezeugt ist. - Vgl. auch HA vit. Aurel. 33,2 (Triumph im Herbst 274): currus regii tres fuerunt, in his unus Odenati, ar- gento, auro, gemmis operosus atque distinctus, alter, quem rex Persarum Aureliano dono dedit, ipse quoque pari opere fabricatus, tertius, quem sibi Zenobia composuerat sperans se urbem Romam cum eo visuram; HA, vit. Sev. 22,1 (der Kaiser träumt) quattuor aquilis et gemmato curru praevolante ... ad caelum esse raptum.100 - c) Beim Einzug Julians in

Vienne schreibt AMM. 15,8,22: salutarem quendem genium affulsisse; beim Einzug Julians in Antiocheia (AMM. 22,9,14) miratus (sc. Iulianus) voces multitudinis magnae salutare sidus illuxisse eois partibus acclamantis. CORIPP. Iohann. 4,474–476 (Gentius) : ipse ma- gister ovans, rutilato vertice fulgens, / fertur equo, cristique decens auroque coruscus / per medias volitans succendit proelia turmas/. - quo micante lux quaedam misceri videbatur alterna: a) quo kann nur auf carpento bezogen werden: der Wagen funkelt vor allem auf- grund der Edelsteine. - b) Micare (vgl. CHIABÒ 468) bei Ammian nur in Formen des Parti- zips, vgl. 17,13,18 (procul micantibus telis); 18,6,9 (micantes ... ignes); 19,2,12 (oculorum micantium des Julian); 19,2,12 (arma micantia) (vgl. zu dieser Stelle auch den Kommentar zu 20,4,14); 24,8,3 (astrorum noctu micantium); 25,4,22 (venustate oculorum micantium flagrans (Iulianus)); 31,10,14 (arma imperatorii comitatus auro colorumque micantia cla- ritudine (Gratian im Kampf gegen die Lentinenser)). - c) SEYFARTH übersetzt „und mit des- sen (gemeint ist der Wagen) Glanz sich ein bestimmtes Licht zu vermischen schien“, d.h. quo wird als Objekt zu misceri aufgefasst.101 Das, womit sich etwas vermischt, wird aber

100 ROBERTS (1989) 117 liefert eine Aufzählung alles dessen, was in der Spätantike als mit Edelsteinen besetzt beschrieben wird („bowls, the trapping of horses (phalerae), weapons and helmets, scepters, shoes and clothing, buildings, beds, and musical instruments“). 101 Übersetzung bei WARREN BONFANTE (1964) 414f. "upon a golden car in the resplendent blaze of shimmering precious stones, whose mingled glitter seemed to form a sort of shifting light"; von FONTAINE (1968) 165: „sur un char d´or brillant des feux de pierres diverses dont l´éclat semblait se mêler en une

55 bei miscere in der Regel durch den Dativ oder cum + Abl. ausgedrückt. Außerdem bleibt unklar, was es für Licht ist und warum dieses als wechselnd bezeichnet wird. Auch die

Angabe von DE JONGE (1972) 116: „grammatically quo micante belongs to: carpento, but in meaning to: lapidum variorum; so that the meaning is equal to: quorum micans lux or: quorum micantium lux.“ erklärt die Schwierigkeit des Textes nicht. Bei meiner Überset- zung gehe ich davon aus, dass quo micante Abl. abs.102 und nicht das Objekt zu misceri ist und dass alterna im Sinne von utraque oder duae gebraucht ist, vgl. dazu MGH SS 1 10 CLAVDII CLAVDIANI CARMINA recensuit Theodorus Birt, Berolini apud Weidmannos MDCC CXCII, Editio nova lucis ope expressa MCMLXI im Index vocabulorum, p. 468, s.v. alternus 2) = uterque vel duo mit mehreren Claudianstellen. Ich vermag allerdings bei diesem Ge- brauch von alternus den Singular (wie bei uterque) nicht zu belegen. - d) Nach WAGNER-

ERFURDT 210 vermischt sich das Licht des Goldes mit dem der Edelsteine, während VIAN-

SINO (2001) 285 („sul carro [trionfale] dʼoro (risplendente di pietre preziose di vario colore nei cui guizzi sembravano mescolarsi luci variopinte)) davon ausgeht, dass die verschie- denfarbigen Edelsteine verschiedenartiges Licht aussenden, das sich zu einem bunten Licht mischt (alterna nicht übersetzt (!)).103 Beide Deutungen sind nur mit Schwierigkeiten aus dem Ammiantext herzuleiten. - e) Als ein goldener Wagen mit silbernen Speichen und mit edelsteinbesetzten iuga ist der Wagen des Sonnengottes bei OVID, met. 2,107–110 beschrie- ben104. - Das Strahlen / Glänzen / Funkeln von Gold, Silber oder Edelsteinen wird öfter als das Erzeugen von Licht oder als das Reflektieren des (Sonnen)lichtes beschrieben (VARRO

Men. 121; PLIN. nat. hist. 21,16,8;37,83; APUL. mundi 26; SOL. 52,58 (vgl. ThLL VII,2 s.v. lux 1904,83–1917,81 [EHLERS], spez. 1913,20–40; s.v. lumen 1810,47–18,23,50 [EHLERS], spez. 1817,5–18: OV. met. 2,110 (s.u.); met. 2,4: argenti radiabant lumine valvae)). Somit könnte gemeint sein: Wenn der Wagen funkelt (quo micante), entsteht ein Licht, das sich mit dem Sonnenlicht vermischt, aber nur intermittierend auftritt, somit mit dem Sonnen- licht abwechselt (alterna).105

sorte de lumière changeante“. 102 Ähnliche Konstruktion auch 30,4,5: Demosthenes, quo dicturo concursus ... fieri solitos monumentis At- ticis continetur. 103 Dafür findet sich im 5. Jh. eine Parallele bei Basilius von Seleukia in der Vita der Protomärtyrerin Thekla in der Beschreibung eines mit Gold und Edelsteinen geschmückten Gürtels (Kap.5): ὡς πολύολβον εἶναι τὸ κάλλος, ἐκ πολλῶν τε καὶ ἀλλοχρόων ἀκτίνων συγκεραννύμενον. (Stelle schon von Valesius ange- führt). 104 Aureus axis erat, temo aureus, aurea summae / curvatura rotae, radiorum argenteus ordo./ Per iuga chrysolithi positaeque ex ordine gemmae / clara repercusso reddebant lumina Phoebo. - Von Diokletian und Maximian heißt es Pan. Lat. 3,8,3, sie seien so schnell angekommen, dass man meinen könnte, sie seien im Wagen des Sol oder in dem der Luna angekommen. - Auf dem Konstantinbogen befindet sich über dem Relief, das den adventus Konstantins in Rom zeigt, ein Tondo mit Sol in einer Quadriga. - Zur Verbindung des Kaisers beim Adventus mit dem Sonnengott Sol vgl. MACCORMACK (1972)730f. 105 Auffallende (semantische und strukturelle) Ähnlichkeit mit LIV. 9,10,2: Hoc senatus consulto facto lux

56 10,7: post antegressos multiplices alios: a) post vs. ante; post antegressos eigenartige Form des Pleonasmus - b) Das Partizip, wie häufig bei den Partizipien von Deponentien, zur Bezeichnung der Gleichzeitigkeit (und nicht der Vorzeitigkeit) - purpureis subtegmi- nibus texti circumdedere dracones: a) subte(g)men ist das, was darunter, bzw. eingewebt

106 wird, also der Faden, vgl. DE JONGE (1972) 117. Vgl. 23,6,67 und 14,6,9 (von der Luxus- kleidung mancher Römer: nimia subtegminum tenuitate perflabiles). Auch wenn im fol- genden, bezogen auf dracones das Attribut perflabiles erscheint, ist hier nicht gemeint, dass es ein besonders dünnes Gewebe war, vielmehr dürfte es eher in dem Sinne gemeint sein, wie Ammian das Verbum subtexere verwendet, wo das subtegmen so dicht ist, dass es den Blick auf den Himmel versperrt (17,4,15 (Aufrichtung des Obelisken) innectuntur vasti funes et longi ad speciem multiplicium liciorum caelum densitate nimia subtexentes; 19,7,3: ferrea monimenta membrorum (gemeint sind die Rüstungen der persischen Solda- ten, die gegen Amida vorrücken) caelum omne subtexunt; 20,3,1: caelum subtextum caligi- ne cernebatur; LUC. 7,5/9: ferro subtexitur aether; CORIPP. Iohann. 8,385: celsum subtexens lancea caelum densa volat; leztlich auf Vergil zurückgehend (Aen. 3,582: caelum subtexere fumo; Aen. 11,611: caelumque obtexitur umbra)), so dass auch hier (die dracones an den Spitzen von Lanzen befestigt (!)) der ganze Himmel drohend rot erscheint. - b) circum- dedere: Die Endung -ēre in der 3. Pers. Perf. Akt. Indik. statt der Endung -ērunt nach N.-

W. III/IV 190 vor allem bei den Dichtern und den Geschichtsschreibern (so auch HAVERLING

107 (1988) 114), nach FOUCHER (2000) 347 archaisch. - c) circumdedere dracones ergibt

quantitierend gelesen die heroische Klausel: - ᴗ ᴗ / - x (vgl. dazu BAEHRENS (1925) 69). - d) Der draco ist eine Standarte, das von den Parthern entlehnte und zu Trajans Zeiten im

quaedam adfulsisse civitati visa est. - Glanz, Funkeln und Purpurfarbe nicht direkt auf Constantius bezogen, sondern auf den Wagen und die ihn umgebenden Begleiter. Ganz anders SYMMACH. orat. 1, 7 (von Valentinian I.) Urgeor, Auguste venerabilis, ut mihi tamquam aliquod lumen astrorum post privatas exuvias iam purpuratus in oratione nascaris. Sentio divinae lucis adflatum, ut ferme adsolet, cum iubar emicat et mundi splendor aperitur, aut cum solis emergente purpura ruborem ducit aurora. Tandem rogatus exorere sideri novo similis, quod in rediviva diei erumpentis officia perfusum sacris undis adtollit oceanus! Procedat imperii candidatus insignis suis armis ante quam publicis. Nam semper enituit, qui electioni omnium solus occurrit. Galea diademate, sceptris pila mutentur. Auri praemium ferri labore meruisti. 106 Vgl. 14,6,9 (im ersten Romexkurs): (lacernae) nimia subtegminum tenuitate perflabiles (das Adjektiv erscheint in 16,10 kurz darauf auf die dracones bezogen (!)). 107 N.-W. äußern sich hinsichtlich der Häufigkeit des Gebrauchs nicht speziell zu Ammian. Eine kurze Durchsicht in CHIABÒ ergibt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), dass kein System erkennbar ist, dass es Verben gibt, von denen er nur die eine Form gebraucht (z.B. von accedere nur accessere), dagegen bei anderen beide Formen etwa gleich häufig sich finden (z.B. vom gleichen Stamm ced- bei discedere siebenmal discesserunt und sechsmal discessere. - Das Problem, ob erst in der Überlieferung Veränderung hinsichtlich des Gebrauchs aufgetreten sind oder dass die einzelnen Handschriften voneinander abwei- chen, stellt sich bei Ammian nicht, da für den Hauptteil seines Werkes nur eine Handschrift in Form von V vorliegt. - Statistische Angaben z.B. für Sallust bei LEBEK (1970) 199;303.

57 römischen Heer eingeführte Feldzeichen einer Kohorte (abgebildet auf der Trajanssäule108) eine Lanze mit einem darauf befestigten Drachen aus Purpurstoff mit einem silbernen Rachen und einem Körper, der sich, wenn der Wind in den offenen Rachen blies, hin und her bewegte und so gleichsam die Windungen einer Schlange nachahmte. Erste literarische

Erwähnung der Drachenfahnen bei NEMESIANUS, Cynegetica 85 (zweite Hälfte des 3. nach- christl. Jhds, vgl. Anhang 5)109, in der Mitte des 4. nachchristl. Jhdts schon topisch (vgl.

EUSEBIUS, vita Constant. 3,3) und dementsprechend auch in der folgenden Zeit (THEMIST. orat. 1,2a).110 In 15,5,16 erzählt Ammian, dass der Usurpator Silvanus die Drachen von den Lanzen abnehmen ließ, wahrscheinlich um sich daraus einen Purpurmantel fertigen zu las-

111 112 sen. - [MÜLLER (1905) 609; JUNKELMANN (1996) 78f. ] - e) Anders Julian in der Schlacht bei Straßburg (AMM. 16,12,12) triumphaturas aquilas et vexilla victricia. - f) MacMullen (Some Pictures in Ammianus Marcellinus 93) äußert als Vermutung, die zahlreichen Tier- metaphern bei Ammian, die Schlangen und Drachen betreffen (AMM. 14,5,6;14,7,13;15,2, 4;15,7,4;18,4,4;28,1,7;28,1,33), könnten von der Drachenfahne angeregt sein. - g) *Vgl. auch PRUDENT. Peristephanon 1,33–35: Caesaris vexilla linquent, eligunt signum crucis / proque ventosis draconum, quos gerebant, palliis / praeferunt insigne lignum, quod draco-

113 nem subdidit. - h) Es folgt ein langer Satznachtrag, der nach DEBRU (1992) 284 die Länge

108 Von daher wahrscheinlich bei GROSSE (1920) 231 der Schluss, der draco sei während Trajans Daker- kriegen von den Römern übernommen worden. - Auf der Trajanssäule, der Antoninussäule und dem Seve- rusbogen der draco nur bei den Barbarenabteilungen, dagegen auf dem Konstantinsbogen zum ersten Male bei einer Einheit des römischen Heeres.[MÜLLER (1905) 610] 109 Signa micant sinuatque truces levis aura dracones.[„Die Feldzeichen funkeln, und ein leichter Lufthauch wölbt die trotzigen Drachen.“] 110 THEMIST. orat. 1,2a: καὶ δράκοντας λεπτῶν ὑφασμάτων, μετεώρους ἐκ περιχρυσῶν καμάκων, ὑπὸ τοῦ πνεύματος μεστουμένους τε καὶ δονουμένους - Vgl. die zahlreichen weiteren Hinweise bei MACMULLEN, Some pictures in Ammianus Marcellinus, 93 und 307, Anm. 44, 45,46: ATHANAS., Vita S. Antonii 6; Hist. Arian. 80; CLAUDIAN. De III Cons. Honorii 138ff.; In Rufin. 2,177ff..,346ff.; Epithalamium 193; De IV Cons. Honorii 545; De VI Cons. Honorii 566ff.; HA Aurelianus 28,5: Persici dracones (Stelle auch schon angeführt bei SYME (1968) 41); THEODORET. H.E. 1,14. Erstaunlicherweise nicht dabei GREGOR. NAZ. orat. 4,66 (588B): κατὰ τοῦ μεγάλου συνθήματος [gemeint ist das Kreuz der Christen] ὃ μετὰ τοῦ σταυροῦ πομπεύει καὶ ἄγει τὸν στρατὸν εἰς ὕψος αἰρόμενον, καμάτων λυτήριον ὄν τε καὶ κατὰ Ῥωμαίους ὀνομαζόμενον καὶ βασιλεῦον […] τῶν λοιπῶν συνθημάτων, ὅσα τε βασιλέων προσώποις ἀγάλλεται καὶ πεπταμένοις ὑφάσμασιν ἐν διαφόροις βαφαῖς καὶ γράμμασιν, ὅσα τε δρακόντων φοβεροῖς χάσμασιν ἐμπνεόμενα ἐπ᾿ ἄκρων δοράτων αἰωρουμένοις καὶ διὰ τῶν ὁλκῶν ῥιπιζόμενα φολίσιν ὑφανταῖς καταστίκ- των ἥδιστόν τε ὁμοῦ καὶ φρικτὸν θέαμα προσπίπτει ταῖς ὄψεσιν. 111 Dracones und vexilla auf dem Eckrelief III des Konstantinsbogens (vgl. LʼORANGE (1939/78) 77), ebenso auf Pfeiler B Fries B I 15 (nach der Numerierung von Laubscher) des Galeriusbogens (im Raum über den Soldaten). - Nach VEGETIUS 2,13 ist die Drachenfahne das Zeichen der Cohorten (primum signum totius legionis et aquila quam aquilifer portat. Dracones etiam per singulas cohortes a draconariis feruntur ad proelium). 112 S. 78, Abb. 164 zeigt den Kopf einer Drachenstandarte aus feuervergoldetem und -versilbertem Kupfer, gefunden im vicus des Kastells Niederbiber (Rheinland-Pfalz) 1. Hälfte 3. Jahrhundert n.Chr. Abb. 165 ein rekonstruierter Draco mit Textilschlauch. Vgl. auch J.C.N. COULSTON 1991, The ¸draco´ Standard, in: Journal of Roman Military Equipment Studies 2, 1991, 101–114. 113 Nach SPEIDEL II (1992) 391 gab es zumindest im 5. Jh. sogar einen magister draconum, vgl. eine Grab- inschrift aus Pru-sias ad Hypium: Γεωργίου / τοῦ λαμπροτάτου σχ‹ο›λαρίου καὶ μα / γίστερος δρακόνων.

58 der hinter der hasta flatternden Fahne „abbildet“.114 - hastarum aureis gemmatisque sum- mitatibus illigati: a) ARRIAN. Τέχνη τακτική 35,3: τὰ Σκυθικὰ δὲ σημεῖά ἐστιν ἐπὶ κοντῶν ἐν μήκει ξυμμέτρῳ δράκοντες ἀπαιωρούμενοι. Ποιοῦνται δὲ ξυρραπτοὶ ἐκ ῥακῶν βεβαιω- μένων, τάς τε κεφαλὰς καὶ τὸ σῶμα πᾶν ἔστε ἐπὶ τὰς οὐρὰς εἰκασμένοι ὄφεσιν, ὡς φοβε- ρώτατα οἷόν τε εἰκασθῆναι [„Die skythischen Standarten haben die Form von Drachen, die in entsprechender Größe an Stangen befestigt herabhängen. Sie sind aus gefärbten Stoff- stücken zusammengenäht. Der Kopf und der ganze Körper bis zum Schwanz sind so schreckerregend wie möglich der Gestalt von Drachen nachgebildet.“] - b) 16,12,39 (Juli- an, der in einer kritischen Situation der Schlacht von Straßburg, zur gefährdeten Frontstelle reitet): quo agnito per purpureum signum draconis summitati hastae longioris aptatum velut senectutis pandentis exuvias [„nachdem er (gemeint ist Julian) an dem purpurfarbe- nen Zeichen des Drachens, das an der Spitze einer ziemlich langen Lanze angebracht war, erkannt worden war, eines Drachens (einer Schlange), die sozusagen ihre alte Haut ausbrei- tete“] - c) Zu gemmatus vgl. STAT. Silv. 1,2,144 vom currus Veneris: gemmato temone; HA vit. Sept. Sev. 22,1: gemmato curru, in Junktur mit aureus z.B. MART. 14,109: gemmatum

… aurum; HA vit. Heliog. 29,1: gemmata vehicula et aurata; AUG. doctr. Christ. 4,20,42: aurato gemmatoque ferro [ThLL VI, 2 s.v. gemmatus 1758,17–81 (I. KAPP)]. - hiatu vasto perflabiles: perflabilis in passivem Sinne auch 14,6,9;22,16,14, im übertragenen Sinne 30,7,10 (ad omnes dissensionum motus perflabiles gentes Mauricas) und im aktiven Sinne

14,6,18 (domus ... exundant vocabili sonu perflabili tinnitu fidium resultantes)[CHIABÒ 568;

115 GEORGES 2,1590; SVENNUNG (1935) 287f.] Vgl. auch CLAUDIAN. De sexto cons. Hon. 566– 568: Quid fixa draconum / ora velint? Ventis fluitant an vera minentur / sibila suspensum rapturi faucibus hostem? - et ideo velut ira perciti sibilantes: a) et ideo (oder ideoque oder auch asyndetisch ideo) bei Ammian beliebte Anschlussfloskel, vgl. 20,7,13; 27,11,7;

28,5,9;16,6,6;17,13,4 u.ö., vgl. BLOMGREN (1937) 35f. - b) percitus (< perci(e)o; bei Ammi- an nur in Formen des ppp vorkommend), ursprünglich nur in der Dichtung (elfmal bei Lukrez), seit Apuleius auch in Prosa (15mal) wird von Ammian 41mal (!)116 verwendet, vgl. auch §20 (CHIABÒ 565; ThLL X,1, s.v. percieo 1205,33–1206,72 [PARKER]). - 14,2,1 (Isauri) hac ... indignitate perciti vehementer; 14,11,23 irrevocabili ira princeps (gemeint ist Constantius) percitus et dolore; 16,11,8 (Julian) graviore motu animi percitus; 17,10,6 ira quisque percitus armorum; 19,11,10 quidam ex illis furore percitus truci u.ö. 114 Anm. 76: „Ainsi la fameuse description des bannières en dragons flottant au vent, au moyen dʼune phrase imitant par sa forme leur longue «traine»:“ 115 Perflabilis passivisch auch PALLADIUS 1,32; 1,36,2, aktivisch PALLADIUS 1,6,9. Vgl. auch zu AMM. 29,5,4 impetrabilis. 116 Davon nur dreimal in obliquen Kasus; in allen anderen Fällen von den Handlungsträgern ausgesagt.

59 10,8: et incedebat hinc inde ordo geminus armatorum: a) Vgl. TAC. Hist. 2,89,1: et composito agmine incessit ... GREGOR. NAZ. Orat. 5,17: (Leichenzug für Constantius II.):

τάξιν ἐνόπλιον, ὡς ζῶντι τῷ βασιλεῖ γινομένην; PHILOSTORG. HE 6,6: καὶ εἰς ἁρμάμαξαν ἐνθέμενοι ἐκόμιζον ἐπὶ τὴν Κωσταντινόπολιν σὺν τοῖς οἰκείοις ἕκαστος ὅπλοις αὐτῷ ἐφεπόμενοι καὶ κατὰ τὸν αὐτὸν κόσμον ὅνπερ καὶ ζῶντος ὑπὸ τοῖς ἡγεμόσι τεταγμένοι ἐτύγχανον.117 - b) armati für milites ist ganz geläufig; anders (angeblich) noch beim adven- tus Trajans (vgl. PLIN. Paneg. 23,3: nam milites nihil a plebe habitu tranquillitate modestia differebant). - clipeatus atque cristatus corusco lumine radians: a) Beide Adjektive/

Partizipien, vor allem in der Dichtersprache vorkommend (vgl. Stellen bei DE JONGE (1972)

118; CHIABÒ 129 (clipeatus nur hier bei Ammian); ThLL III clipeatus 1350, 52-72 [HOPPE]; seit Plautus, aber sehr selten; CHIABÒ 175: cristatus auch 24,6,10 (cristatis galeis corusci

118 Romani; ThLL IV cristatus 1210,78–1211,28 [WULFF] seit Vergil (Aen. 1,468: instaret curru cristatus Achilles), wenn auf den Helm bezogen, dann außer LIV. 9,40,3 nur in Dich- tung) geben durch die in corusco weitergeführte Alliteration, das Homoioteleuton (-atus) und die Enallage (dem Sinne nach gehören sie zu armatorum) der Stelle einen poetischen

Anstrich. - b) Coruscus,-a,-um , aus der Dichtersprache (vgl. HAGENDAHL (1921) 43; CHIABÒ

172; ThLL IV coruscus 1076,26–1077,80 [BURGER], elfmal (!) bei Vergil, ebenso bei Sta- tius; in Prosa zum ersten Mal bei Gellius), in der Bedeutung von splendidus,-a,-um mehr- fach bei Ammian und immer auf die Rüstung bezogen,119 meint vor allem das durch die

Bewegung hervorgerufene Aufblitzen (vgl. DE JONGE (1982) 3 zu 19,1,2). - c) Die Junktur

120 corusco lumine bei IUL. VAL. 1,31 (42,13 K.): rides sereno vel corusco lumine. - d) Zum

117 Beide Stellen schon angeführt bei DUFRAIGNE (1994) 263 und 264 Anm. 65. 118 Natürlich letztlich auf Homers κορυθαίολος zurückgehend (ERBIG (1931) 10). 119 19,2,2: corusci globi turmarum; 24,2,5: corusci galeis; 24,6,10: cristatis galeis corusci Romani (dazu VERG. Aen. 9,163: purpurei cristis iuvenes auroque corusci); 24,7,8: coruscus nitor ... armorum; 25,1,1: corusci thoraces. - Vgl. auch OV. met. 1,768: radiis insigne coruscis; VAL. FL. 6,517: Absyrtus clipei radiis curruque coruscus Solis avi ; SIL. 5,238: alacres agglomerant geminaque corusci fronte micant, paribus fulgent capita ardua cristia ; IUL. VAL. 1,31: versus vides sereno vel corusco lumine ; CLAUDIAN. 9,161: purpurei cristis iuvenes auroque corusci - Ammian verwendet 19,1,2 (Aufmarsch der Perser vor Amida) auch einmal das Verbum coruscare. Dazu BITTER (1976) 17 Anm. 44: „das Verbum ˊcoruscareˋ (ThLL IV,1074) spiegelt eine zuckende, vibrierende Bewegung wider und verleiht der an sich starren Kulisse durch das ständig wechselnde Aufblitzen der Waffen und Rüstungen Leben (im Epos: t.t. für das Schwingen der Waffen; cf. Aen. 10,651; 12,431,887,919; SIL. 17,458; VAL. FLAC. 2,228)“. 120 Schon notiert bei HAGENDAHL (1921) 43, Anm. 1. Iulius Valerius (zwischen 270 und 330 n. Chr.) meint an dieser Stelle wohl lumen für das Auge, den Blick. Er hat im übrigen 42: corusco sub lumine, 36: prae co- rusco fulgore oculorum und 35: ... ignoto lumine coruscaret. Bei Ammian braucht keine Iulius–Valerius– Reminiszenz vorzuliegen; vielmehr haben beide derartige Wendungen aus der Dichtersprache, vor allem aus Vergil entnommen. - Man vergleiche auch SIL. ITAL. (Vergilnachahmer (!)) 2, 395–405 (Hannibal vor Sagunt; Beschreibung der Waffen Hannibals): Ecce autem clipeum saevo fulgore micantem / Oceani gentes ductori dona ferebant, / Callaicae telluris opus, galeamque coruscis / subnexam cristis vibrant cui vertice coni / albentis niveae tremulo nutamine pennae; / ensem, unam ac multis fatalem milibus hastam ; / praeterea textam nodis auroque trilicem / loricam, nulli tegimen penetrale telo. / Haec, aere et duri chalybis perfecta metallo / atque opibus perfusa Tagi, per singula laetis / lustrat ovans oculis et gaudet origine regni. Natürlich liegt hier bei Ammian keine Silius-Reminiszenz vor, sondern beide schöpfen aus

60 Glanz und Funkeln der Waffen vgl. auch TAC. Hist. 2,89,1-2 (beim Einzug des Vitellius in Rom) … et composito agmine incessit. Quattuor legionum aquilae per frontem et toti- demque circa e legionibus aliis vexilla, mox duodecim alarum signa et post peditum ordi- nes eques, dein quattuor et triginta cohortes, ut nomina gentium aut species armorum fo- rent, discretae, ante aquilas praefecti castrorum tribunique et primi centurionum candida veste, ceteri iuxta suam quisque centuriam, armis donisque fulgentes, et militum phalerae

121 torquesque splendebant: decora facies ... ; AMM. 31,10,4: arma imperatorii comitatus (des Gratian) auro colorumque micantia claritudine. 24,6,10 (auf dem Persienfeldzug Juli- ans): cristatis galeis corusci Romani vibrantesque clipeos velut pedis anapaesti praeci- nentibus modulis lenius procedebant. Vgl. aber auch VERG. Aen. 8,616: arma sub adversa posuit radiantia quercu.[MINICONI (1951) 164] - e) Vgl. auch den Helmbusch an der nach- gemachten Rüstung eines Kataphraktenreiters bei JUNKELMANN (1996) 61 Abb. 118. - cata- fracti equites, quos clibanarios dictitant: a) catafractus,-a,-um Fremdwort aus dem Grie- chischen κατάφρακτος,−ον < καταφράττω einsperren, panzern; bei Ammian auch 16,12,38; 18,8,7;19,7,4122;20,7,2;22,15,16;24,6,8;25,3,4;6,2;28,5,6;29,1,1; in der lat. Literatur wohl

123 zuerst SALL. Hist. frg.4,64;66 , mehrfach bei Livius (35,48,3;37,40,5;11;42,1;7) [MOES (1980) 243]; dazu substantivisch Κατάφρακτοι (catafracti und catafractarii für die schwe- ren, gepanzerten Reiter, die im römischen Heer, wohl nach persischem Vorbild seit Hadrian nachweisbar sind [vgl. DKP Bd. 3, s.v. Kataphraktoi, 159 (A. NEUMANN)] und hier von Am- mian mit den clibanarii gleichgesetzt werden – während nach NEUMANN bei den catafrac- tarii nur die Reiter gepanzert gewesen seien, bei den clibanarii dagegen Reiter und Pferd

[Nach A. NEUMANN, DKP Bd. 1, s.v. Clibanarii, 1223, seien die clibanarii (nach GEORGES

I,1207 von einem Wort clibanus unbekannter Herkunft gebildet, nach SEYFARTH, S. 295/6

dem gleichen Sprachvorrat, wobei die Prosaiker sich aus dem der Dichtung bedienen. Das aber gilt nicht nur für die Sprache, sondern auch für die Motive, was für den Leser / Hörer bedeutet, dass er auch beim Geschichtsschreiber fast keine hic-et -nunc-, nur in dieser Situation anzutreffende Einzelheiten findet. 121 „in geordnetem Zug schritt er (gemeint ist Vitellius) einher . Die Adler von vier Legionen vorne und ebensoviele Fahnen ringsum aus anderen Legionen, dann die Feldzeichen von zwölf Alen und hinter den Reihen der Infanteristen die Reiter, dann 34 Kohorten, unterschieden entsprechend den Namen der Völker und den Waffengattungen. Vor den Adlern die Lagerpräfekten, die Tribunen, die ersten der Centurionen in weißer Kleidung, die übrigen jeder neben seiner Centurie, leuchten in ihren Waffen und Orden, und es funkelten die Phalerae und die Torques der Soldaten: ein schönes Bild.“ 122 Es handelt sich um die Belagerung von Amida. Zur Kontroverse, ob in diesem Falle die catafracti als Panzerreiter kämpfen oder ob sie abgesessen sind, vgl. DE JONGE (1982) 139 und LEVITHAN (2013) 194 Anm. 65. 123 SALL. Hist. 4,64: et sequebantur equites catafracti; 4,65: equis paria operimenta erant, namque linteo ferreas lamminas in modum plumae adnexuerant (vgl. AMM. 24,2,15: Romani hostem undique lamminis ferreis in modum tenuis plumae contectum ... lacessebant); 4,66: qui praegrediebantur equites catafracti ferrea omni specie (vgl. AMM. 29,3,4: ferrea species) [FESSER (1932) 21]. Bei Sallust sind persische Kataphraktenreiter gemeint. Fesser meint, Ammian habe solche auf dem Persienfeldzug Julians erlebt. Das mag sein. Hier jedoch handelt es sich um eine Abteilung des römischen Heeres.

61 Anm. 106 aus dem Persischen; nach MOES (1980) 245 nach griech. κλίβανος „Herd“, wo- bei die Bedeutungserweiterung zu „Panzer“, lorica ungeklärt bleibt; vgl. auch MÜLLER (1905) 586) nach persischem Vorbild zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. im römischen Heer als Ersatz für die um die Mitte des 3. Jh. n.Chr. verschwundenen catafracti aufgestellt worden.

Anders NICASIE (1998) 197, Anm. 47: „From Nazarius (Pan. Lat. X.22.4) it would sum that the term clibanarii originated as military slang for the more official cataphract(ari)i.“ Vgl. auch den Teil einer Grabinschrift aus Claudiopolis124: Militavit (gemeint ist Val(erius) Fuscianus) in vexillatione eqq(uitum) cat(afractariorum) / clib(anariorum) s(ub) c(ura) Valentis p(rae)p(ositi); die in der Notitia dign. Orientis genannten Abteilungen von equites catafractarii (5,34;6,35;6,36;7,25;8,29 (dazu Not. dign. Occ. 7,200), bzw. comites / equites clibanarii (5,29;5,40;6,32;6,40;7,31;7,32;7,34;11,8 (dazu Not. dign. Occ. 6,67); die Ritz-

125 zeichnung von Dura-Europos.) [Zu dem gesamten Komplex jetzt auch MÜLLER-RETTIG

(2016) 203 in den Anmerkungen zu Paneg. Lat. 4(10) 22,4] - b) CLAUDIAN. In Rufinum 2, 351–365:126 Hic ultrix acies ornatu lucida Martis / explicuit cuneos. Pedites illinc poscentia cur- sum / ora reluctantur pressis sedare lupatis;/ hinc alii saevum cristato vertice nutant / et tremulos umeris gaudent vibrare colores,/ quos operit formatque chalybs; coniuncta per artem / flexilis inductis animatur lamina membris. / Horribiles visu: credas simulacra moveri / ferrea cognatoque viros spirare metallo. / Par vestitus equis: ferrata fronte minantur / ferratosque levant securi vulneris armos./ Diviso stat quisque loco. Metuenda voluptas / cernenti pulcherque timor, spirisque remissis / mansuescunt varii vento cessante dracones. - [„Hier entfaltete die vom Schmuck des Mars leuchtende Schlachtreihe ihre Keile. Dort bemühen sich die Fußsoldaten, die den Lauf fordernden Mäuler durch Pressen der Wolfsgebisse zu beruhigen; hier schwanken andere furchtbar mit helmbuschbewehrtem Scheitel und freuen sich, dass zitternde Farben auf den Schultern vibrieren, die der Stahl bedeckt und formt; das kunstvoll zusammengefügte Blech wird elastisch belebt an den (damit) bekleideten Gliedern. (Sie sind) furchtbar anzuschauen: man könnte glauben, eiserne Standbilder bewegten sich und die Männer atmeten durch das verwandte Metall. Die Kleidung haben die Pferde. Sie drohen mit eiserner Stirn und heben, unbesorgt um eine Verwundung, die eisenbewehrten Flanken. Jeder steht am zugewiesenen Platz. Für den Zuschauer ist es ein Vergnügen, das man fürchten muss, und eine schöne Furcht, und indem ihre Windungen

124 Der Grabstein wurde gefunden beim bithynischen Claudiopolis. Wahrscheinlich aus der Zeit vor 324 n. Chr. (vgl. dazu SPEIDEL (1984) 151f.). Inschrift veröffentlicht in E.PFUHL – H.MÖBIUS: Die ostgriechischen Grabreliefs II Mainz (1979) 334 nr. 1401. 125 Wiedergegeben bei SPEIDEL (1984) 155. Zur Frage, ob es sich um einen persischen oder einen römischen clibanarius handelt, vgl. M. ROSTOVTZEFF u.a.: The Excavations at Dura-Europos, 6,1938, 439–452; SPEIDEL a.a.O. 155 (auch SPEIDEL II (1992) 410). - Beim ANONYM. VALES. 4,16 die Panzerrreiter als equites ferrati bezeichnet. 126 Dieses Gedicht Claudians stammt aus dem Jahre 396 n. Chr. Zum Heranziehen dieser Textstelle, um die Abfassung von Ammians Res gestae oder einzelner Bücher der Res gestae zu datieren, vgl. SYME (1968)15f.

62 nachgelassen haben, werden die bunten Drachen, weil der Wind nachlässt, milde.“] - CLAUDIAN. De VI. cons. Honorii, 569–577:127 Ut chalybem indutos equites et in aere latentes / vidit corni- pedes: „Quanam de gente“, rogabat /„ferrati venere viri? Quae terra metallo / nascentes informat equos? Num Lemnius auctor / indidit hinnitum ferro simulacraque belli / viva dedit?“ Gaudet metuens et pollice monstrat,/ quod picturatas galeae Iunonia cristas / ornet avis vel quod rigidos vibrata per armos / rubra sub aurato crispentur serica dorso. - [„Sobald sie die mit einem Panzer bekleideten Reiter sah und die im Erz verborgenen Pferde, fragte sie : „Von welchem Volk sind die eisernen Männer gekommen? Welches Land formt Pferde bei ihrer Geburt in Metall hinein? Hat etwa der Erschaffer aus Lemnos dem Eisen das Wiehern eingegeben und wirkliche Kriegsbilder geschaffen?“ Sich fürchtend freut sie sich und zeigt mit dem Daumen, dass der Junovogel die Käm- me (den bemalten/gefärbten Helmbusch) des Helmes schmückt oder dass rote Seidenstoffe, über die starren Flanken geschwungen, sich unten am vergoldeten Rücken kräuseln.“] - AMM. 25,1,12: Erant autem omnes catervae ferratae, ita per singula membra densis laminis tectae, ut iuncturae rigentes compagibus artuum convenirent: humanorumque vultuum simulacra ita capitibus diligenter apta, ut imbracteatis corporibus solidis, ibi tantum incidentia tela possint haerere, qua per cavernas minutas et orbibus oculorum adfixas parcius visitur, vel per supremitates narium angusti spiritus emittuntur. [„Es waren aber alle Abteilungen gepanzert, so über die einzelnen Körperteile mit dichten Plättchen bedeckt, dass die starren Verbindungen sich dem Gefüge der Glieder anpassten, und die Nachbildungen der mensch- lichen Gesichter so mit Sorgfalt an die Köpfe angepasst, dass in den festen mit Metall- plättchen überzogenen Körpern auftreffende Geschosse nur dort stecken bleiben konnten, wo man durch winzige Löcher, die den Kreisen der Augen angeheftet sind, nur wenig sieht,

128 oder (wo) der Atem beengt durch die Nasenspitze ausgestoßen wird.“] - HELIODOR Aethi- opica 9,15129 - Nazarius im Panegyricus auf Constantin über die Truppen des Maxentius im Rahmen des Zuges Constantins von Gallien nach Italien in der Schlacht bei Turin130 (Pan. Lat. 10,22,4): Quae enim illa fuisse dicitur species, quam atrox visu, quam formidolosa, operimento ferri equi atque homines pariter obsaepti! Clibanariis in exercitu nomen est.

127 Dieses Gedicht Claudians stammt ebenfalls aus dem Jahre 396 oder dem Jahre 397 n. Chr. 128 Im Hinblick auf die Beziehungen der Dichtung Claudians zu den Res gestae Ammians bedürften auch einer genaueren Analyse die Stellen, an denen Claudian die (gefälschte) triumphale Rückkehr des Eunu- chen Eutrop von einem Feldzug schildert, wobei auch bei Claudian Triumphzug, adventus (in Konstan- tinopel) und Feiern zum Antritt des Konsulats nicht zu trennen sind (CLAUDIAN. In Eutrop. 1, 252–345). Wie Ammian mit einer bestimmten Intention erzählt (vgl. die Interpretation), so ebenso Claudian, wobei seine Intention vor allem darin besteht, den Eunuchen Eutrop lächerlich zu machen. [Der Hinweis auf die Ammianstelle bei GARAMBOIS-VASQUEZ (2007) 165f. Anm. 453.] Für die Erzählintentionen Ammians be- zieht sich Garambois-Vasquez auf Sabbahs Interpretation der Ammianstelle (SABBAH (1978) 552). 129 Zu Ammian und Heliodor vgl. G.W. BOWERSOCK: Fiction as History (Berkeley) 1994, pp. 149-160; WEIS- WEILER (2015) 113. 130 Vgl. LʼORANGE (1939/1978) 49; HERRMANN-OTTO (2007) 39.

63 Superna hominibus tectis, equorum pectoribus demissa lorica et crurum tenus pendens sine impedimento gressus a noxa vulneris vindicabat. Te tamen, imperator, non terruit nec quod tanto numero duplicabat armatura terrorem nec quod vim armis numerus addebat.131

- HERODIAN. 8,1,3 (Maximinus zieht 238 n.Chr. nach Italien) αἵ τε τῶν καταφράκτων ἱππέων ἷλαι. - HA vit. Aurel. 34,4: iam populus ipse Romanus, iam vexilla collegiorum atque cas- trorum et catafractarii milites ... multum pompae addiderant.132 - HA vit. Alex. Sev. 56,5 (der Kaiser, der am 25. Sept. 233 n.Chr. in Rom einen Triumph feierte, in einer Rede vor dem Senat, vom Autor der HA angeblich aus den acta senatus zitiert): centum et viginti milia equitum eorum fudimus, catafractarios, quos illi clibanarios vocant, decem milia in bello interemimus, eorum armis nostros armavimus.133 - c) Die einzigen Stellen, an denen von einem Kampfeinsatz der Kataphraktenreiterei die Rede ist, sind IULIAN. Panegyr. in Constantium 1, 36d–37a134 und 3,60 a–b135. Beide Stellen beziehen sich auf die Schlacht von Mursa (28. Sept. 351); nach diesen Stellen tritt, nachdem die Schlacht bis dahin unent- schieden war, durch zwei Manöver der Kavallerie die Wende in der Schlacht ein136, wobei das Manöver der Kataphraktenreiter (bei Julian θωρακοφόροι) wohl einfach darin bestand,

131 Alle Stellen auch schon bei MACMULLEN, Some Pictures in Ammianus Marcellinus, 86. - Vgl. außerdem AMM. 16,12,7;29,1,1; HA (v. Aurelian.) 34,4: iam populus ipse Romanus, iam vexilla collegiorum atque castrorum et catafractarii milites et opes regiae et omnis exercitus et senatus (etsi aliquantulo tristior, quod senatores triumphari videbantur) multum pompae addiderant (bezogen auf einen Triumph zwischen Herbst 273 und Herbst 274, vgl. HARTKE (1951) 317 und Anm. 3)). Was sich bei Ammian als Eindruck aufdrängt, dass Constantius nicht nur über Magnentius, sondern auch über Rom habe triumphieren wol- len, ist hier, bezogen auf die Senatoren, klar ausgesprochen. Insofern und aufgrund sprachlicher Anklänge scheint mir Ammian der Prätext zu dieser Stelle der Historia Augusta zu sein. 132 Bei HERODIAN. 4,14,3 Kataphrakten auf Kamelen im Heer des Artabanos: ὁ Ἀρτάβανος ... ἵππον τε πολ- λὴν ἄγων καὶ τοξότων μέγα τι πλῆθος καταφράκτους τε ἀπὸ καμήλων ἔξωθεν μακροῖς δόρασιν. 133 „Wir haben 120 Tausend ihrer Reiter geschlagen, wir haben 10 Tausend Kataphraktarier, die jene Cliba- narii nennen, im Krieg getötet, mit ihren Waffen haben wir unsere Soldaten bewaffnet.“ - Die Stelle bezieht sich auf den Perserkrieg des Alexander Severus im Jahre 233 n. Chr. Sie ist ein Beleg dafür, dass der Autor der HA Ammians Res gestae gekannt hat. An dieser Stelle liegen hinsichtlich der Zahlen die üblichen Übertreibungen vor, die Erwähnung der Kataphraktarii = Clibanarii braucht aber kein Anachro- nismus zu sein (vgl. SYME (1968) 41). - Eine Sammlung der Stellen, an denen die catafracti/clibanarii er- wähnt sind, auch schon bei DUFRAIGNE (1992) 506 Anm. 57. 134 Καὶ ἦν ὁ πόλεμος ἐξ ἴσης, ἕως οἱ θωρακοφόροι καὶ τὸ λοιπὸν τῶν ἱππέων πλῆθος, οἱ μὲν ἐκ τόξων βάλλοντες, ἄλλοι δὲ ἐπελαύνοντες τοὺς ἵππους, πολλοὺς μὲν ἔκτεινον, ἐδίωκον δὲ ἅπαντας καρτερῶς [„Und der Krieg blieb unentschieden, bis die Panzerträger und die übrige Menge der Kavallerie, die einen, indem sie ihre Bögen abschossen, andere, indem sie ihre Pferde (gegen die Feinde) galoppieren ließen, viele (Feinde) töteten, (und) alle (anderen) energisch verfolgten“]. 135 Καὶ χρόνον μέν τινα χαλεπῶς καὶ μόλις ἀντεῖχον· ἐπεὶ δὲ οἵ τε ἱππεῖς ἔβαλλον ἐκ τόξων πόρρωθεν ἀφιπ- παζόμενοι καὶ οἱ θωρακοφόροι πυκναῖς ἐπ᾿ αὐτοὺς ἐχρῶντο ταῖς ἐπελάσεσιν ἅτε ἐν πεδίῳ καθαρῷ καὶ λείῳ νύξ τε ἐπέλαβεν, ἐνταῦθα οἱ μὲν ἀπέφευγον ἄσμενοι, οἱ δὲ ἐδίωκον καρτερῶς ἄχρι τοῦ χάρακος [„Und eine gewisse Zeit leisteten sie schwierig und unter Mühe Widerstand; als aber die Reiter ihre Bögen aus der Ferne abschossen, indem sie zurückritten, und die Panzerträger in dichten Angriffswellen gegen sie ritten, da man auf „reinem“ und glatten Gelände (kämpfte), und als die Nacht hereinbrach, da flohen die einen gern, die anderen aber verfolgen sie stark bis zum verschanzten Lager“]. 136 So auch BARCELÒ (2004) 99: „Am 28. September 351 kam es vor Mursa zu einer der blutigsten Schlach- ten des Jahrhunderts. 40 Vor allem dank der schwer gepanzerten Reiterei konnte Constantius II. einen ein- deutigen Sieg über die Armee des Magnentius erringen.“ Ähnlich auch schon BELLEN (2003) 62 unter Berufung auf ZOS. 2,45,4 (τῇ ἵππῳ πλεονεκτῶν (gemeint ist Constantius))

64 die Feinde im Galopp niederzureiten. Da beide Manöver (auch das der übrigen Kavallerie, die den Feind aus sicherer Entfernung mit einem Pfeilhagel überschüttet) nicht denkbar sind, wenn der Nahkampf der Fußsoldaten schon im Gange ist, somit nur bei der Eröffung oder auf den Flügeln denkbar sind, taugen die Stellen nicht, um ein klares Urteil über den militärischen Nutzen der Kataphraktenreiterei zu gewinnen137. - personati, thoracum muniti tegminibus et limbis ferreis cincti: a) Personatus,-a,-um bei Ammian nur an die- ser Stelle, hier in der ursprünglichen Bedeutung „(wie ein Schauspieler) mit einer Maske versehen/bekleidet“138. Eine genauere Beschreibung eines solchen Helms oder des herun-

139 tergeklappten Helmvisiers unter dem Gesichtspunkt der Angreifbarkeit AMM. 25,1,12. Während an der letztgenannten Stelle es um den Nutzen einer solchen Rüstung im Kriege geht (Es gibt nur eine Stelle, an der Geschosse eindringen können.), geht es hier um den Eindruck, den ein Reiter in solcher Rüstung auslöst, wodurch das Theatralische der gesam- ten Veranstaltung durch eine Einzelheit angedeutet ist.140 - b) Personati als erstes Kolon des Trikolons (im zweiten der Brustbereich, im dritten wohl der Unterleib gemeint; die „Panze- rung“ des Kopfes durch den Helm als selbstverständlich weggelassen; Hand-Arm- und Fuß-Bein-Bereich als die Bereiche nachher genannt, in denen die Beweglichkeit dieser „Panzerung“ fasziniert) weist auf den Teil des Körpers hin, bei dem man normalerweise

137 Alle anderen Stellen, an denen diese Schlacht erwähnt wird (EUTROP. Brev. 10,12,1-2; AUREL. VICTOR De Caes. 42,9-10; Epit. 42,4; ZOS. 2,46,2-58,1; ZON. 13,8,5-13; Cons. Const. A.D. 351,1) erwähnen die Ka- vallerie nicht. Im übrigen müssten die beiden Berichte Julians zunächst auf Topoi untersucht werden. Mir erscheint manches unwahrscheinlich (Beginn der Schlacht erst am Abend; Flucht des Magnentius nach der ersten Phase; erneute Formierung der Magnentianer im Zentrum). - Zu den Kataphraktenreitern vgl. auch H. SEYRIG, A helmet from Emesa, Archaeology 5 (1952)69; B. RUBIN, Die Entstehung der Kataphrak- tenreiterei, Historia 4 (1955) 264–83. Thomas Gerhardt. Review of Fatouros, Georgios; Krischer, Til- man; PORTMANN, WERNER, Libanios, Kaiserreden: Eingeleitet, übersetzt und kommentiert. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. August, 2003, 2; 5. - Auf dem Relief des Galeriusbogens, das eine adlocutio des Kaisers darstellt (Pfeiler B Fries B I 15 (Taf. 29–33) nach der Numerierung von Laubscher) befinden sich im Heer des Kaisers auch Kataphrakten. Dazu LAUBSCHER (1975) 17: „Historisch von besonderem Interesse sind die hier erstmals bezeugte Verwendung von Kataphrakten im römischen Heer (B I 15) sowie das Auftre- ten von Germanen als kaiserliche Leibgarde, das für die tetrarchische Zeit bisher nicht belegt war (A III 9.10).“ - Nach MAYER (2002) 60 Anm. 229, lägen dem Relief auf der Ostseite des Galeriusbogens die Ereignisse des Jahres 297 zugrunde und die Schluss-adlocutio des Kaisers, die sich an die clibanarii rich- tet, bringe die Wertschätzung zum Ausdruck, die man dieser Waffengattung beimaß, die darin begründet gewesen sei, dass sie allein „den gefürchteten sassanischen Kataphrakten gewachsen gewesen sein dürf- te[n], die das Rückgrat der persischen Armee bildeten.“ Mayer setzt demnach voraus, dass die clibanarii eine wichtige Rolle im Kampf gespielt haben. Mir scheint dies zu weit gehende Spekulation zu sein, zumal da auch die von Mayer hier wohl zugrunde gelegte Unterscheidung von clibanarii (römische Panzerreiter) und Kataphrakten (persische Panzerreiter) hinfällig ist, wie gerade obige Stelle zeigt. 138 Das Substantiv persona im Sing. nur einmal bei Ammian, in der Bedeutung „Maske (des Schauspielers)“ (29,2,23), während der Plural immer die Bedeutung „Personen“, „Persönlichkeiten“ hat (16,6,3;18,1,2; 28,1,15; 29,3,8;30,4,16). [CHIABÒ 575; ThLL X,1 Fasc. XI, s.v. personatus,-a,-um 1732,14-56 (DUBIELZIG)] - ThLL a.a.O. „1. notione originaria i.q. persona indutus, ornatus“. 139 Siehe vorhergehendes Lemma. 140 Nach JENKINS (1987) 56 sind bei Ammian alle Theatermetaphern aufgrund der negativen Einstellung Am- mians zum Theater negativ konnotiert; in diesem Falle wäre die negative Konnotation im Theatralisch- Unwirklichen zu sehen. (Jenkins behandelt diese Stelle nicht (!)).

65 am wenigsten Panzerung anbringen kann; erst mit dieser aber wird der folgende Vergleich mit Standbildern ermöglicht. - c) Vgl. 25,1,1 (die Perser auf Julians Persienfeldzug): radi- antes loricae limbis circumdatae ferreis et corusci thoraces longe prospecti. Limbus nor- malerweise der Streifen oder Saum auf einem Gewand, als gürtelartiger Reifen eines Pan- zers nur bei Ammian (ThLL VII,2 s.v. limbus 1402,50–1403,34 [B.]). - d) Auffallend das

Asyndeton vom ersten zum zweiten Kolon. - e) Ferreis nach DE JONGE (1982) 3f. zu 19,1,2 Poetismus. - Praxitelis manu: Πραξιτέλης, Bildhauer des 4. Jh. v.Chr., dessen berühmteste Werke die Aphrodite von Knidos und der eidechsentötende Apollon. Seine Meisterschaft lag u. a. in der Vollendung der Oberfläche, vgl. DKP Bd. 4, s.v. Praxiteles, 1124–25 (W.H.

141 GROSS). - ut Praxitelis manu polita crederes simulacra, non viros: a) Der Potentialis der Vergangenheit (Konjunktiv Imperfekt; in der Regel nur 2. oder 3. Pers. Sing.) nach üb- lichem Sprachgebrauch142 noch zweimal bei Ammian: 17,4,15 (Aufrichtung des Obelis- ken): ut machinarum cerneres nemus; 26,6,15 (Erhebung des Prokop zum Augustus): ut in

143 theatrali scaena simulacrum ... putares emersum. - Zur Funktion vgl. DEWAR (1996), 362 zu CLAUDIAN. VI. cons. Honorii 545: „the second person singular attempts to involve the

144 members of the audience in the scene personally.“ - [RUBENBAUER-HOFMANN 198 (§216,

1.B); L.-H.-SZ. 333f.] - b) IULIAN. Paneg. auf den Kaiser Constantius, (Orat. 1) 37C: Ἄπειρον γὰρ ἦγες ἱππέων πλῆθος, καθάπερ ἀνδριάντας ἐπὶ τῶν ἵππων ὀχουμένους, οἷς συνήρμοστο

τὰ μέλη κατὰ μίμησιν τῆς ἀνθρωπίνης φύσεως. [„Denn du hast eine unendliche Menge Reiter (an)geführt, die wie Standbilder auf ihren Pferden ritten, deren Glieder in Nachah-

141 Vgl. auch MARCUS JUNKELMANN, Reiter wie Statuen aus Erz, Mainz 1996. Der Titel des Buches ist aus die- ser Ammianstelle hergeleitet, vgl. S. 18. Dort auch der Hinweis, dass fast alle Fundstücke, die Teile der sogenannten Paraderüstungen der Reiter sind, aus der Zeit der zweiten Hälfte des zweiten und der ersten Hälfte des dritten Jhs. n.Chr. stammen, während es vor dem 4. nachchristlichen Jh. nur eine schriftliche Quelle gibt, nämlich Arrians im Jahre 136 n.Chr. geschriebenen Traktat Τέχνη τακτική (Kunst der Taktik), der 32,3-44,3 eine Beschreibung der ἱππικὰ γυμνάσια (Reiterübungen) enthält. Die nach Junkelmanns Forschungen gefertigten „Paraderüstungen“ für die Reiter und Ausrüstungen für die Pferde sind nach den Erkenntnissen gefertigt, die man für derartig ausgestattete Reiter und Pferde für das frühe 3. nachchristl. Jh. vor allem in den Provinzen Pannonia Superior und Pannonia Inferior gewonnen hat. Abbildungen auf dem Umschlag vorne, auf dem Frontispiz, Abb. 1 auf S. 2, Abb. 18 und 19 auf S. 12 und S. 13; Abb. 22 auf S. 15. - *Vgl. auch PETRON. Satyr. 34,8–10: Potantibus ergo [den hundert Jahre alten Falernerwein] et accuratissime nobis lautitias mirantibus larvam argenteam attulit servus sic aptatam, ut articuli eius vertebraeque laxatae in omnem partem flecterentur. Hanc cum super mensam semel iterumque abiecisset et catenatio mobilis aliquot figuras exprimeret, Trimalchio adiecit: Eheu nos miseros, quam totus homuncio nil est! Sic erimus cuncti, postquam nos auferet Orcus. Ergo vivamus, dum licet esse bene. 142 DE JONGE (1977) 111 (zu 17,4,15) „Coniunct. potent. of the past; according to the class. grammar.“ 143 Daneben auch im Konsekutivsatz mit Konjunktiv Präsens, d.h. bezogen auf die Gegenwart, vgl. z.B. AMM. 28,4,27 (zweiter Romexkurs; über die Senatoren): ut Heraclidas illos Cresphontem et Temenum putes. 144 Vgl. auch CLAUDIAN. VI Cons. 545f.: undare videres / ima viris, altas effulgere matribus sedes. - Bei Am- mian in allen drei Fällen in einen Konsekutivsatz eingebunden; oft auch parenthetisch, vgl. Stellen aus anderen Schriftstellern bei DEWAR (1996) 362: PLIN. Pan. 22,4; CLAUDIAN. Ruf. 2,176, IV Cons. 445; VERG. Aen. 8,676f.: totumque instructo Marte videres / fervere Leucaten auroque effulgere fluctus.

66 mung der menschlichen Natur zusammengefügt waren.“]; IULIAN. Orat. 3(2) 57C (die Rei- ter des Constantius im Krieg gegen Magnentius): Τούτων δὲ οἱ μέν εἰσιν αἰχμοφόροι, θώραξιν ἐλατοῖς καὶ κράνεσιν ἐκ σιδήρου πεποιημένοις σκεπτόμενοι· κνημῖδές τε τοῖς σφυροῖς εὖ μάλα περιηρμοσμέναι καὶ περιγονατίδες καὶ περὶ τοῖς μηροῖς ἕτερα τοιαῦτα ἐκ σιδήρου καλύμματα· αὐτοὶ δὲ ἀτεχνῶς ὥσπερ ἀνδριάντες ἐπὶ τῶν ἵππων φερόμενοι, οὐδὲν

ἀσπίδος δεόμενοι. - c) IULIAN. Paneg. auf den Kaiser Constantius, (Orat. 2) 57C: (Constan- tius in Pannonien beim Feldzug gegen Magnentius) αὐτοὶ δὲ ἀτεχνῶς ὥσπερ ἀνδριάντας

ἐπὶ τῶν ἵππων φερόμενοι [„sie selbst (gemeint sind die Reiter) aber wie Standbilder auf ihren Pferden dahinstürmend“]145 - d) Das Besondere dieser Stelle ist, dass es sich eigent- lich um Männer handelt, diese aber wie Statuen wirken. Hinsichtlich der Statuen des Sera- peums gilt das Umgekehrte (22,16,12: spirantibus signorum figmentis): eigentlich sind es

Statuen, aber sie wirken wie Lebewesen, weil sie atmen (nach VERG. Georg. 3,34: Parii lapides, spirantia signa; Aen. 6,847: excudent alii spirantia mollius aera [vgl. HAGENDAHL

(1921) 9 mit Hinweis auf NORDEN, Aen. p. 337]. Zur Faszination, die gepanzerte (Reiter oder Soldaten) ausüben, vgl. auch TASSO, Gerusalemme liberata 17,81,5–6 (Questa è la se- rie de gli eroi che viva / nel metallo spirante par si mova. Natürlich bei Tasso nach der Ver- gilstelle.) - quos lamminarum circuli tenues apti corporis flexibus ambiebant: a) Lam- minae für die Schuppen des Panzers schon bei SALL. Hist. frg. 4,65 (ebenfalls für die Kataphraktenreiter (und deren Pferde)) equis cataphractorum paria operimenta erat atque equitibus, namque linteo ferreas lamminas in modum plumae adnexuerant (AMM. 24,4,15)),

TAC. Hist. 1,79,3 (tegimen ferreis lamminis ... consertum); Ann. 3,46,3: paulum morae attu- lere ferrati restantibus lamminis adversum pila et gladios [ThLL VII,2 s.v. lammina 905,2–

907,49 (HÜBNER), spez. 906,3–19. - b) als Kompositum von ire normalerweise ambibant, vgl. jedoch APUL. met. 4,6 [N.-W. III/IV 319] - quocumque artus necessitas commovis- set: personificatio der necessitas auch 15,5,20;18,3,9;20,11,9;21,5,10;21,12,20;22,8,17;

145 Beide Stellen sind schon im Kommentar von WAGNER-ERFURDT (S. 211) und dann auch bei DE JONGE (1972) 119 angeführt. - Ich drucke hier auch den umgebenden Text, aus dem das Zitat entnommen ist: Τότε δὴ βασιλεὺς τούς τε ἱππέας ἐπὶ κέρως τάττει χωρὶς ἑκατέρου. Τούτων δὲ οἱ μέν εἰσιν αἰχμοφόροι, θώραξιν έλατοῖς καὶ κράνεσιν ἐκ σιδήρου πεποιημένοις σκεπόμενοι· κνημῖδές τε τοῖς σφυροῖς εὖ μάλα περιηρμοσμέναι καὶ περιγονατίδες καὶ περὶ τοῖς μηροῖς ἕτερα τοιαῦτα ἐκ σιδήρου καλύμματα· αὐτοὶ δὲ ἀτεχνῶς ὥσπερ ἀνδριάντας ἐπὶ τῶν ἵππων φερόμενοι, οὐδὲν ἀσπίδος δεόμενοι. Τούτοις εἵπετο τῶν ἄλλων ἱππέων πλῆθος ἀσπίδας φέροντες, οἱ δὲ ἀπὸ τῶν ἵππων τοξεύοντες. Πεζῶν δὲ ὁ μὲν ὁπλίτης ἦν ἐν τῷ μέσῳ συνάπτων ἐφ' ἑκάτερα τοῖς ἱππεῦσιν· ... [„Da stell(t)e der Kaiser die Reiter getrennt auf beiden Flügeln auf. Von diesen sind die einen Lanzenträger, geschützt durch getriebene Panzer und Helme, die aus Eisen gefertigt sind; Beinschienen, die ganz genau den Fersen angepasst sind und Knieschützer und andere derartige Umhüllungen aus Eisen um die Oberschenkel; sie selbst aber stürmen einfach wie Stand- bilder auf ihren Pferden dahin, ohne dass sie Schilde brauchen. Diesen folgte die Menge der anderen Rei- ter, die Schilde trugen, wieder andere, die von den Pferden aus mit den Bögen schossen. Von der Infante- rie aber befanden sich die Hopliten in der Mitte, wobei sie zu beiden Seiten hin an die Reiter anschlossen; ...“].

67 22,15,9;23,2,1;26,9,8;27,6,9;30,10,2 [SEAGER (1986) 59f.]. - vestitus für die Panzerung nur hier bei Ammian. - cohaerenter: Zu den vom ppa gebildeten Adverbien vgl. N.-W. II, 709- 725.146 10,9: Augustus itaque faustis vocibus appellatus: a) Wie das Attribut faustis nahelegt, bestehen die Akklamationen nicht aus dem einzigen Wort Augustus, bzw. Auguste, sondern enthalten wahrscheinlich eine Aussage, in der das Wohlergehen des Staates, bzw. hier der Stadt Rom und ihrer Bewohner mit dem Wohlergehen des Kaisers verknüpft wird, vgl. dazu derartige Akklamationen in der Historia Augusta.147 - b) Vgl. auch die Begrüßung des Cäsars Julian durch die Bewohner von Vienna (Vienne) 15,8,21: universa plebs … impera- torem clementem appellans et faustum … consonis laudibus celebrabat. - c) Nero hatte nach Tacitus und Sueton dafür römische Ritter in Dienst genommen (TAC. Ann. 14,15,9: ii dies ac noctes plausibus personare, formam principis vocemque deum vocabulis appellan- tes, quasi per virtutem clari honoratique agere; SUET. Nero 25,1: sequentibus currum ovan- tium ritu plausoribus). - non montium litorumque intonante fragore cohorruit: a) In V ist der Textbefund: apella (Lücke von 10 Buchstaben) otium. Während die Ergänzung zu appellatus sicher sein dürfte (Es geht um die Akklamationen, von denen, auch in ihrer historischen Entwicklung und Ausgestaltung, ALFÖLDI (1970) ausführlich im Kapitel III „Die kollektive Begrüßung des Kaisers und seine Ehrung in der Öffentlichkeit“, S. 79ff. handelt. Alföldi weist nach, dass es diese Akklamationen, auch in rhythmischer Gestaltung, schon während der Republik gegeben hat, dass der Schauplatz zunächst hauptsächlich das Forum148 war, und dass er sich dann zu den Spielen und zum Einzug in die Stadt hin ver- schoben hat, dass die Akklamationen schließlich aber überall dort ertönten, wo der Kaiser erschien.), gilt das für das folgende keineswegs: Es scheinen der Lärm und das Echo ge- meint zu sein, das die Augustusakklamationen erzeugen (Vgl. CLAUDIAN. De consulatu Sti- lichonis II, 404/405: ad caelum quotiens vallis tibi Murcia ducet/nomen Aventino Pallan- teoque recussum! [„Wie oft wird dir das murzische Tal den Namen zum Himmel führen, der vom Aventin und vom Pallanteum zurückgeworfen wird!“]; CLAUDIAN., De VI. cons. Honor. 611 sq.149). An diesen beiden Stellen ist direkt (reboat; Echo; recussum) vom Echo

146 Cohaerenter vor Ammian bei FLOR. 2,17,5; bei Ammian noch 20,7,4; 24,2,10; 28,4,30; 29,5,48. 147 A. SCHEITHAUER, Epigraphische Studien zur Herrscherideologie I. Salvis Augustis Felix ... Entstehung und Geschichte eines Formulars, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 114(1996) 213–226 [auch unter www.uni-koeln.de/phil_fak/ifa/zpe/downloads/1996/114pdf/114213pdf], S. 221. 148 Zu allen Orten und Bauten des Forum Romanum gibt es Rekonstruktionen des Zustandes des Forums in den verschiedenen Epochen aus verschiedenen Perspektiven unter http://www.digitales-forum-roma- num.de [zuletzt aufgerufen: 30.09.2017 17:05 Uhr]; allerdings fehlt noch die Spätantike; die letzte erstell- te Epoche ist Antoninisch/Severisch/Tetrarchisch. 149 O quantum populo secreti numinis addit / imperii praesens genius, quantamque rependit / maiestas alterna vicem, cum regia Circi / convexum gradibus veneratur purpura vulgus, /assensuque cavae

68 die Rede, während an der von DE JONGE, wahrscheinlich wegen der Erwähnung von mon- tium, litoris und fragor herangezogenen Ammianstelle (17,7,3: vom Erdbeben in Nikome- dia) kein Echo gemeint ist. Während an beiden Claudianstellen eine topographische Präzi- sierung die Anschaulichkeit steigert und an der Ammianstelle über das Erdbeben in Niko- media in der Ausweitung auf litora und montes die Größe der Katastrophe herausgestellt werden soll, fehlt hier zumindest für litora der anschauliche Anknüpfungspunkt, so dass es nur eine der rhetorischen Auxesis dienende Floskel wäre150. Hinzu kommt, dass das in der Lücke ergänzte non, das zu cohorruit gehören muss, auffallend in der Wortstellung ist, und die Aussage non ... cohorruit über Constantius bei einem Einzug in eine Stadt eigentlich eine Banalität darstellt151 – wie ich sie mir bei Ammian nicht vorstellen kann -, es sei denn, es sollte damit ausgedrückt werden, dass eine hieratische Starrheit auch durch noch so großen Donner nicht angetastet wurde. Mir scheint, dass noch keine befriedigende Lösung für die Ergänzung der Stelle gefunden ist. - b) Zum topischen Charakter vgl. VAL. FLACC. 2,

152 153 154 155 200–203 , STAT. Theb. 11,66f. ; 11, 118–120 (ohne horrere) ; SIL. IT. 2,543–545 . -

sublatus in aethera vallis / plebis adoratae reboat fragor, unaque totis / intonat Augustum septenis arci- bus Echo. [„Oh, wieviel an geheimem göttlichen Wirken fügt der anwesende Genius des Reiches dem Volke hinzu! Und wieviel Entgelt zahlen beide Majestäten, als der kaiserliche Purpur das durch die Stufen des Zirkus verknüpfte Volk verehrt und der Lärm (Beifall) durch die Zustimmung des Volkes in den Äther des gewölbten Tales sich erhebend widerhallt und eine einziges Echo in allen sieben Bögen „Augustus“ donnernd ertönen lässt.“] - Diese Stelle bei Claudian kann man sich aufgrund des Vokabulars, gewisser Topoi und auch Lokalitäten nicht gut ohne Kenntnis der 16. Kapitels des Ammian geschrieben vorstellen. Dennoch muss man vorsichtig darin sein, aus der Claudianstelle auf den Text bei Ammian zu schließen: Intonare enthält in sich nicht das „Widerhallen“ des Echos (so aber von allen Kommentaren und Über- setzern angenommen); damit aber ist es schwierig, zwischen den Augustusakklamationen und dem Lärm der Berge und Ufer einen direkten Zusammenhang herzustellen. - Vielleicht aber wiederum Vergil das Vorbild: VERG. Aen. 5,149–150: consonat omne nemus, vocemque inclusa volutant / litora, pulsati colles clamore resultant; 12,928–929: ... totusque remugit / mons circum et vocem late nemora alta remittunt [dazu TASSO Gerusalemme liberata 9,21,5-6: Gli alti monti muggìr, muggìr le valli, / e risposer gli abissi a i lor muggiti]. 150 Eine ähnliche Erscheinung sieht BITTER (1976) 17, Anm. 44 in der Junktur campi et colles für ein Schlachtfeld; allerdings liegt in diesem Falle zumindest Alliteration vor. - BORZSÁK (1976) 366 Anm. 36 verweist auf HOR. Carm. 1,20,3-8: datus in theatro / cum tibi plausus, / care Maecenas eques, ut paterni / fluminis ripae simul et iocosa / redderet laudes tibi Vaticani / montis imago. [ „als dir, lieber Ritter Mäze- nas, im Theater Beifall gespendet worden ist, so dass die Ufer des väterlichen Flusses und zugleich das scherzende "Bild" des Vatikanberges (gemeint ist das Echo) dir den Beifall „zurückgab“]. Damit könnte bei Ammian eine Reminiszenz aus klassischer Zeit vorliegen, wobei Ammian die bei Horaz in der Indivi- dualisierung liegende Anschaulichkeit vollkommen aufgegeben hätte. - Vgl. auch VERG. Aen. 5, 148–150 (Wettkämpfe auf Sizilien): Tum plausu fremituque virum studiisque faventum / consonat omne nemus, vocemque inclusa volutant / litora, pulsati colles clamore resultant. 151 Anders MACCORMACK (1972) 740: Der Kaiser sei so losgelöst von der Wirklichkeit, dass er weder sehe, was um ihn herum geschehe, noch trotz des „Donners“ etwas höre: "In Ammianus´ account also the em- peror moves in his procession as if completely untouched by what surrounds him; he does not turn his head to the multitude, and does not hear their shouts in his honour." 152 Inde novam pavidas vocem furibunda per auras / congeminat, qua primus Athos et pontus et ingens / Thraca palus pariterque toris exhorruit omnis / mater et adstricto riguerunt ubere nati. 153 Caeruleae dux ille comae, quo protinus omnis / horruit audito tellus pontusque polusque. 154 Audiit et medius caeli Parnassos et asper / Eurotas, dubiamque iugo fragor impulit Oeten / in latus, et geminis vix fluctibus obstitit Isthmos. 155 Sic voce instimulans dextra dea concita saevam / Eumenida incussit muris, tremuitque repente / mons

69 talem se tamque immobilem, qualis in provinciis suis visebatur, ostendens: a) Provin- ciae als Komplement zu Roma vgl. EUTROP. 8,1,1 (von Traian) Romae et per provincias aequalem se omnibus exhibens, amicos salutandi causa frequentas vel aegrotantes vel cum festos dies habuissent, convivia cum isdem indiscreta vicissim habens, saepe in vehiculis eorum sedens, nullum senatorum laedens, nihil iniustum ad augendum fiscum agens, liberalis in cunctos, publice privatimque ditans omnes et honoribus augens, quos vel

156 mediocri familiaritate cognovisset. In abgewandelter Form EUTROP. 8,12,2: Romae ac per

Italiam provinciasque. - Vgl. auch AMM. 27,3,15: qui (gemeint sind die Bischöfe von Rom; Ammians Äußerung im Rahmen der Auseinandersetzung um den Bischofsstuhl von Rom zwischen Damasus und Ursinus) esse poterant beati re vera, si magnitudine urbis despec- ta, quam vitiis opponunt, ad imitationem antistitum quorundam provincialium viverent, quos … - b) Der Gebrauch des Possessivpronomens suis ist auffallend, da weder Hervor- hebung noch Prägnanz157 vorzuliegen scheint, es sei denn, der Sprachgebrauch in der Spät- antike habe ein Verblassen der Bedeutung des Possessivpronomens mit sich gebracht158 oder Ammian habe anklingen lassen wollen, dass die Provinzen zwar Eigentum des Con- stantius seien, für Rom dies aber keinesfalls gelte. - Vgl. CIL III, 12483 = DESSAU 724 (aus den Jahren 338–340): ad confirmandam provincialium [s]uorum a[e]ternam securitatem. - c) In vielen Provinzen des Reiches war der Kaiser nur durch Bilder und Statuen zu sehen. Vielleicht ist das in visebatur auch hier gemeint.159 - c) se … immobilem … ostendens vgl. dazu das auf Vergil zurückgehende Klischee vom immobilis stare / manere / resistere u.ä., z.B. 15,2,3: (Ursicinus) sed contra accidentia vir magnamimus stabat immobilis; 15,4,7: Arbetio … stetit immobilis malo repentino perculsus; 16,12,3: (Julian) qui ignarus pavendi nec ira nec dolore perculsus, … in eodem gradu constantiae stetit immobilis; 18,8,12: ad usque ortum alterius solis immobiles stetimus u.ö.160 - visebatur: Visere ist verbum inten- sivum zu videre. Eine (oberflächliche) Auswertung der bei CHIABÒ (851) aufgeführten

circum et gravior sonuit per litora fluctus. - GIACOMO LEOPARDI Il tramonto della luna 51–55: Voi, collinette e piagge, / caduto lo splendor che allʼ occidente/ inargentava della notte il velo, / orfane ancor gran tempo / non resterete; 156 Die Eutropstelle über Traian ist hier so weit ausgeschrieben, weil über die Opposition Roma – provinciae hinaus weitere Anklänge festzustellen sind, die auf den topischen Charakter bestimmter Wendungen und Motive verweisen: se … exhibens ≈ se … ostendens; saepe in vehiculis eorum sedens vgl. §12; aequalem vgl. §12: tamquam aequissimas leges; nullum senatorum laedens vgl. §5. 157 Vgl. dazu MENGE §230. 158 Dies scheint der Fall zu sein an Stellen wie EUTROP. 8,7,1 (Hadrian) omni imperii sui tempore; 8,13,1 (Antoninus Pius) cum Commodo Antonino filio suo; 9,4 (Decius) filium suum Caesarem fecit. 159 MACMULLEN (1988) 255 Anm. 179 fasst die Stelle offensichtlich so auf und führt FRONTO Ad M. Caes. 4,12,4 und ZOS. 2,12,1 an. 160 Vgl. dazu FONTAINE (1982) passim [Fontaine a.a.O. 539 behauptet, diese immobilitas trage dazu bei, dem Constantius „lʼair ridicule dʼune sorte de statue vivante“ zu verleihen. Ich bin mir nicht sicher, ob Ammian hier Constantius lächerlich machen will; vgl. die Interpretation]; CALTABIANO (1991) 89.

70 Stellen zeigt, dass Ammian in diesem Falle das verbum intensivum nur der variatio wegen, ohne Bezug auf den darin ursprünglich enthaltenen Aspekt gebraucht.161 10,10: corpus perhumile curvabat: a) Vgl. 28,1,38 (die Angeklagten in den von Maxi- minus geleiteten Prozessen) salutantes humum paene curvatis contingentibus membris. - b) Humilis mit dem Präfix per- anscheinend nur hier an dieser Ammianstelle; im Epilog auf Constantius (21,16,19) findet sich kein Hinweis, der die hier getroffene Aussage bestätigt; somit ist der Vorschlag von BLOCKLEY (1980) 33 durchaus erwägenswert, perhumile als prä- dikativ zu nehmen: er pflegte seinen Körper sehr weit nach unten zu beugen („he used to bend his body very low“).Vgl. auch 26,8,9: (drei Reihen von Soldaten bilden auf einem Boot eine testudo: alii (sind diejenigen in der zweiten Reihe) ... semet curvantes humilius, wo eindeutig gemeint ist, dass diese sich weiter zum Boden hin bücken als diejenigen in der Reihe davor. - c) Alliteration als beliebtes Stilmittel bei Ammian, hier in der Form cor- pus perhumile curvabat portas ... celsas (mit dem gesuchten Gegensatz des perhumile zu celsas). - d) 16,12,63: (Julian befiehlt nach der beendeten Schlacht bei Straßburg, dass ihm der Alamannenkönig Chnodomar vorgeführt werde.) qui primo curvatus, deinde humi sup- pliciter fusus gentilique prece veniam poscens bono animo esse est iussus [„dieser, zuerst gebeugt, dann sich demütig auf den Boden werfend und in seiner Muttersprache um Ver- zeihung bittend, wurde aufgefordert, zuversichtlich zu sein“]. e) PLIN. Paneg. 22,2: (über Traian) tu sola corporis proceritate elatior aliis et excelsior, non de patientia nostra quendem triumphum, sed de superbia principum egisti. - f) Zur Erklärung dieses Verhal- tens verweist VIANSINO (2001) 331 auf CIC. De orat. 2,66: sibi ipsi magnum videri Memmi-

162 um ut in forum discedens caput ad fornicem Fabianum demitteret. - g) AMM. 15,5,37 über Constantius: ut iam caelo contiguus. - portas ingrediens celsas: a) Da Constantius über die via Flaminia nach Rom kommt, fährt er durch die porta Flaminia in die Stadt ein.

[RICHARDSON (1992) 303]. Zum Plural vgl. die Interpretation. - *b) PLUT. Pomp. 14,4: Πολ- λῶν δὲ δυσχεραινόντων καὶ ἀγανακτούντων, ἔτι μᾶλλον αὐτούς, ὥς φασι, βουλόμενος ἀνι-

161 DE JONGE (1935) in der Anmerkung zu 14,6,8 (mussitare) zitiert, ohne selbst dazu Stellung zu nehmen, HANS FESSER, Sprachliche Beobachtungen zu Ammianus Marcellinus, Diss. Bresslau 1932, p. 34, der dort auf den unterschiedslosen Gebrauch von intensiven und einfachen Formen bei Ammian hinweist (mit dem Zusatz, der Grund liege darin, dass Ammian kein Gefühl für Sprache gehabt habe). 162 So auch schon LUMBROSO (1924) 29. Bei Lumbroso auch ein Verweis auf CASTIGLIONE Il cortegiano (1733) 115: „di questa sorte di cose fu quella che disse Mario da Volterra dʼun prelato che si tenea tanto grandʼ uomo, che, quando egli entrava in San Pietro, sʼ abbassava per non dar della testa nellʼarchitrave della porta.“ - Vgl. auch TESS GERRITSEN Abendruh München (2014) [Originalausgabe: TESS GERRITSEN Last to Die New York 2012] 197: „Crowe sah auf seine Uhr und stand abrupt auf, während er seine Krawatte zurechtrückte. «Ich werde zu einem Interview erwartet», sagte er und verließ den Raum. «Sollten wir nicht mal diese Tür vergrößern lassen!», meinte Jane, «Bevor sein Kopf so groß wird, dass er nicht mehr durchpasst?» - Bei Ammian dann eine Übertreibung (in mehrfacher Form): Constantius senkt nicht nur den Kopf, sondern beugt den ganzen Körper, nicht nur etwas, sondern fast bis zum Boden (per-). Zu anderen Deutungen dieses Verhaltens vgl. die Interpretation.

71 ᾶν, ὁ Πομπήιος ἐπεχείρησεν ἐλεφάντων ἅρματι τεττάρων ἐπιβὰς εἰσελαύνειν· ἤγαγε γὰρ ἐκ Λιβύης τῶν βασιλικῶν συχνοὺς αἰχμαλώτους· ἀλλὰ τῆς πύλης στενωτέρας οὔσης, ἀπέστη καὶ μετῆλθεν ἐπὶ τοὺς ἵππους. [„Als viele sich gewaltig ärgerten, wollte Pompeius, wie man sagt, sie noch mehr verärgern und versuchte deshalb, auf einem Wagen, der von vier Elefanten (gezogen wurde), (in die Stadt) einzuziehen; er brachte nämlich viele von den königlichen (Elefanten) als „Kriegsgefangene“ aus Libyien mit; weil aber das Tor zu eng war, nahm er davon Abstand und stieg auf Pferde um.“] - velut collo munito aciem lumi- num tendens nec dextra vultum nec laeva flectebat tamquam figmentum hominis: a) (nec) dextra ... (nec) laeva: im Ablativ f. ohne Präposition zunächst vor allem in Dichtung

(Q. CIC. carm. Frg. 15; LUCR. 4,276) [ThLL VII,2 s.v. laevus 890,29–892,80 [B.], spez. 891,

45–52]. - b) XENOPH. Cyrupaed. 8,1,42: Ἐμελέτησε δὲ καὶ ὡς μὴ πτύοντες μηδὲ ἀπομυττό- μενοι φανεροὶ εἶεν, μηδὲ μεταστρεφόμενοι ἐπὶ θέαν μηδενός, ὡς οὐδὲν θαυμάζοντες. Πάν-

τα δὲ ταῦτα ᾤετο φέρειν τι εἰς τὸ δυσκαταφρονητοτέρους φαίνεσθαι τοῖς ἀρχομένοις. [„Er (gemeint ist Kyros) arbeitete bei ihnen (gemeint sind die Adligen der Perser in Führungs- positionen) auch darauf hin, dass man sie nicht ausspucken und sich schneuzen sah, aber auch, dass sie sich, wenn sie jemand anschaute, nicht dahin umdrehten, so als würden sie niemals (über etwas) in Staunen geraten. Er glaubte, das alles trage irgendwie dazu bei, dass sie ihren Untertanen verachtenswert erschienen.“] - TAC. Ann. 16,4,3 (Nero tritt im Theater auf) mox, flagitante vulgo ut omnia studia sua publicaret – haec enim verba dixere -, ingreditur theatrum, cunctis citharae legibus obtemperans: ne fessus resideret, ne sudo- rem nisi ea quam indutui gerebat veste detergeret, ut nulla oris aut narium excrementa viserentur.163 - c) im Epilog auf Constantius (21,16,16): luce oculorum edita - d) Vgl. die

Rückseite des in Antiocheia geprägten Goldmedaillons [J.P.C. KENT – B. OVERBECK – A.U.

STYLOW: Die römische Münze, München 1973 Tafel 148 Nr. 690] : Der Blick des Con- stantius ist genau auf den Betrachter gerichtet. 164 - Immobilität (hier im Teilaspekt velut collo munito und Kraft der Augen (hier in acies luminum nur angedeutet) gehören vor al-

163 CIC. De orat. 184 über einen, der sich in Rechtsdingen nicht wirklich auskennt, aber dennoch erectum et celsum, alacri et prompto ore atque vultu, huc atque illuc intuentem vagari cum magna caterva toto foro, praesidium clientibus atque opem amicis et prope cunctis civibus lucem ingeni et consili sui porrigentem atque tendentem über das Forum schreitet. 37 164 ELIAS CANETTI Die Blendung, Fischer März 2007 , 229: „Kien fühlte sich erleichtert. Erhobenen Hauptes folgte er seiner Vertrauensperson und wandte den Blick weder nach rechts noch nach links.“ - HENRY JAMES The Portrait of a Lady (first published 1881; published in Penguin Popular Classics 1997) 452: "They (gemeint sind Isabel Osmond und ihre Tochter) met him (gemeint ist Caspar Goodwood) twice in the street (in Rom), but he had no appearance of seeing them; they were driving, and he had a habit of looking straight in front of him, as if he proposed to contemplate but one object at a time. ... there was a strangeness in his figure too; something that made her feel afresh that it was rather terrible he should have come to Rome. He looked bigger and more lofty enough. She noticed that the people whom he passed looked back after him; but he went straigt forward, lifting above them a face like a February day."

72 lem zum Götterbild [WARREN BONFANTE (1964) 404f.]. - e) tamquam figmentum hominis: beim parthischen Triumph des Traian nach dessen Tod wurden unter Hadrian Münzen ge- schlagen, auf denen dargestellt war, wie ein Bild des stehend dargestellten Kaisers mit einem Lorbeerzweig in der rechten Hand und einem langen Szepter in der linken Hand auf dem von vier Pferden gezogenen Triumphwagen gefahren wurde [vgl. CRACCO RUGGINI

(1977) 429 Anm. 18; H. MATTINGLY, Coins of the Roman Empire in the British Museum, III, London (1936) tav. 47,7 und p.244, nr. 47 (AU)]. - nec spuens aut os aut nasum tergens vel fricans manumve agitans visus est umquam: a) im Epilog auf Constantius (21,16,7): quod autem nec os tersisse umquam vel nares in publico nec spuisse nec transtulisse in partem alterutram vel tum aliquando est visus ... ut dicta saepius praetermitto [„dass er aber in der Öffentlichkeit niemals gesehen wurde, wie er sich den Mund abgewischt hat oder die Nase (geputzt hat) oder gespuckt hat oder das Gesicht zu einer der beiden Seiten gedreht hat, übergehe ich, da es schon oft gesagt worden ist“]. - P.S. Trotz fast vollständi- ger inhaltlicher Übereinstimmung der beiden Stellen (nec dextra vultum nec laeva flectebat ≈ nec transtulisse in partem alterutram vultum; nec spuens ≈ nec spuisse; nec .. aut os aut nasum tergens vel fricans ≈ nec os tersisse .. vel nares; visus est ≈est visus; nec ... umquam ≈nec .. aliquando) kein bloßes Sich-selbst-Zitieren, sondern variatio bis in die Details (aufgrund der praeteritio oratio obliqua statt der Partizipien; Hinzufügung in publico, während zu der ersten Stelle die Öffentlichkeit durch den Rahmen der Erzählung automa- tisch gegeben ist). - Derartige Angaben werden in der Regel dahingehend verwertet, dass man daraus individuelle Züge des entsprechenden Kaisers entnimmt, hier des Constan- tius.165 - b) 27,3,5: advenit post hunc urbis moderator Lampadius ex praefecto praetorio, homo indignanter admodum sustinens, si, etiam cum spueret, non laudaretur, ut id quoque

166 prudenter praeter alios faciens, sed nonnumquam severus et frugi. - c) HERODOT 1,99:

165 Vgl. z.B. DEMANDT (1996) 15 „Der altgläubige Ammian berichtet um 400 immerhin noch, daß Constan- tius II. in der Öffentlichkeit weder schneuzte noch spuckte und keine Äpfel aß.“ - Da im Epilog auf Constantius diese Einzelzüge unter die bona gerechnet sind (21,17,8: dinumeratis carptim bonis), werden sie in der Regel auch in 16,10 als positiv für Constantius gewertet. Anders NERI (1984) 14, der sie in 16,10 als von Ammian ironisch gemeint deutet, somit aber Schwierigkeiten hat, sie im Epilog zu erklären („Questi atteggiamenti di Costanzo erano stati già oggetto dellʼironia di Ammiano nel contesto della descrizione dellʼadventus a Roma del figlio di Costantino, e non si vede come Ammiano potrebbe consi- derarli in questo caso aspetti positivi della personalità dellʼimperatore, pur inserendoli apparentemente tra le sue buone qualità.“) - *Vgl. auch Tristram Shandys Vater dazu, was ein künftiger governor seines Soh- nes alles zu unterlassen habe: „It is for this reasons, continued my father, that the governor I make choice of shall neither lisp, or squint, or wink, or tolk loud, or look fierce, or foolish; - or bite his lips, [...]or speak through his nose, or pick it, or blow it with his fingers. - He shall neither walk fast, - or slow, or fold his arms, - for that is lazinesse; - or hang them down, - for that is folly […]. He shall neither strike […] his neils, or hawk, or spit, or snift, […].“ (LAURENCE STERNE: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman Volume VI Chapter V (zuerst veröffentlicht 1759–1767; in der Taschenbuchausgabe Oxford 2008 S. 333) 166 Diese Stelle ist zweifellos eine Abwandlung einer Juvenalstelle (JUV. 3,106–107: laudare paratus /is

73 (Der Mederkönig Deïokes): κόσμον τόνδε Δηιόκης πρῶτός ἐστιν ὁ καταστησάμενος, μήτε ἐσιέναι παρὰ βασιλέα μηδένα, δι᾿ ἀγγέλων δὲ πάντα χρῆσθαι, ὁρᾶσθαί τε βασιλέα ἀπὸ μηδενός, πρός τε τούτοισιν ἔτι γελᾶν τε καὶ ἀντίον πτύειν καὶ ἅπασιν εἶναι τοῦτό γε αἰσ- χρόν.[„Deïokes ist der erste, der die folgende Ordnung eingeführt hat, dass niemand zum König hineingeht, sondern er alles durch Boten erfährt, dass der König von niemandem gesehen wird, außerdem auch noch, dass es für alle eine Schande ist, in seiner Gegenwart zu lachen oder zu spucken.“].167 - c) In einem eigenartigen komplizierten Gedankengang vergleicht AELIUS ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 15–16 die Größe Roms, bzw. des Römischen Rei- ches mit der „Kleinheit“ der persischen Herrschaft. Das Perserreich, spez. das zur Zeit Ky- ros d. Ä., zum Vergleich heranzuziehen, scheint nicht erst eine Erfindung des Aelius Aristi- des zu sein. Insofern dürfte auch Ammians Anspielung auffallend nur in Bezug auf diese Einzelheit sein. - tamquam figmentum hominis: a) figmentum Neubildung bei Gellius und Apuleius (vgl. DEL CHICCA (1984) 18; ThLL VI,1 s.v. figmentum 708,84–710,12 (VOLL-

168 MER) ) - b) vgl. AMM. 22,9,7 (Erläuterung des Namens der Stadt Pessinus) quidam enim figmento deae caelitus lapso, ἀπὸ τοῦ πεσεῖν, quod cadere nos dicimus, urbem asseruere cognominatam [„einige nämlich versichern, die Stadt sei, nachdem eine Statue der Göttin vom Himmel gefallen sei, nach (dem griechischen Wort) πεσεῖν, wo wir cadere sagen, benannt worden“]169; 19,1,10 (bei einem persischen Begräbnis) figmenta vehentes homi- num mortuorum.170 (weitere Stellen bei Ammian: 14,6,8;17,4,6;22,13,3;22,16,12;23,6,24;

15,5,1;30,1,22 (CHIABÒ 292)) - agitans: vgl. zu visebatur (§9) 10,11: quae licet adfectabat: a) Licet als einen Konzessivsatz einleitende Konjunktion

46mal bei Ammian (CHIABÒ 437f.) (gegenüber 27mal quamquam, 14mal etiamsi, 7mal quamvis); während in klassischer Zeit nur der Konjunktiv nach licet steht, hat Ammian

bene ructavit, sic rectum minxit amicus): DEN BOEFT u.a. (2009) 51 nennt es "a bowdlerized and priggisch paraphrase". Damit dürfte hinreichend über die Historizität derartiger Charakterisierungen geurteilt sein (anders VOGT (1963) 807). - Die sarkastische (?) [anders ARNALDI (1967) 115 „il tono birichino“ (schel- misch; spitzbübisch] - Charakterisierung des Lampadius setzt voraus, dass das Ausspucken als etwas nicht unbedingt Lobenswertes angesehen wurde, daneben aber auch als etwas, was bei der Bewertung eines Menschen nicht unbedingt zu den wichtigsten Verhaltensweisen gehörte; denn Ammians Gedankenführung ist: wenn er dabei schon auf Lob Wert legte, wie dann erst bei den wichtigen Dingen. 167 Hinweis auf die Herodotstelle schon bei Chastagnol 156 (CHASTAGNOL, ANDRÉ: Autour du thème du Princeps clausus, in: Bonner-Historia-Augusta-Colloquium 1982/83 149–161). (Der Mederkönig ver- sehentlich Déioklès genannt.) 168 Hominis ThLL a.a.O. 709,22 als genetivus explicativus bezeichnet (mir nicht verständlich). 169 Bei HERODIAN (1,11,2), dessen Text sicherlich der Ammianstelle zugrundeliegt (vgl. KELLY (2008), 234; dort versehentlich Herodian 1.1.1 statt Herodian 1.11), ἄγαλμα. 170 L´ORANGE (1984) 79: „Mit Worten, die schlagend an die des Ammianus erinnern, berichtet Bertil Gripen- berg von einem Kindeseindruck vom Zar Alexander III.: »Er starrte gerade vor sich hin, und seine Züge waren so unbeweglich wie die einer Statue. Ein Mann von Stein, eine Personifikation von Macht und Schicksal«291. (291: B. Gripenberg, Det war de tiderna, zitiert und verglichen mit Ammianus-Stelle von A. Boethius, Svenska Dagbladet 4.5.1944.)“

74 17mal das Prädikat im Indikativ [CHIABÒ 437 führt 20 Stellen auf; in drei Fällen (22,8,2; 22,8,29;31,2,3) ist zweifelhaft, ob licet einen Nebensatz einleitende Konjunktion ist.]. Im Gebrauch des Konjunktivs ist kein Unterschied zu dem des Indikativs zu erkennen. Vgl. auch Kommentar zu 26,8,14. - b) Adfectare mit Akk. Neutr. Plur. des Relativpronomens als

Objekt auch AMM. 21,1,8 (ex his, quae per varias disciplinas affectamus) (vgl. VIANSINO (1985) 63). Adfectare mit Objekt auch 14,1,2;14,1,10;14,6,8;19,9,7;19,12,12;21,1,8;26,5,9;

29,3,7;30,5,10 (vgl. DE JONGE (1982) 183f. Zu 19,9,7). - c) Zum Ausdruck des starken (falls noch wirklich als verbum intensivum empfunden) Strebens nach einer Sache von Gallus gesagt bei AMM. 14,11,8 (principem locum … clam affectabat), von Maximinus 30,2,11 (laedere modis, quibus poterat, affectabat) (und an zahlreichen weiteren Stellen). - d) als Eigenschaft, bzw. geradezu als Charakteristikum von Personen, spez. natürlich in den Epi- logen (dabei ist auch das Substantiv adfectator zu berücksichtigen (vgl. VIANSINO (1985) 62)) von Ursicinus 15,5,19 (summae … rei affectator), von Constantius 21,16,4 (doctrina- rum diligens adfectator), von Julian 25,4,18 (popularitatis cupiditate cum indignis loqui saepe affectans), von Valens 31,14,5 (laborum impatiens, duritiamque magis affectans im- manem) - e) mit der eindeutig negativen Konnotation des Gekünstelten, Affektierten (wie es auch an der zuletzt zitierten Stelle über Valens vorliegen kann) 22,7,1 (Julian geht zu Fuß: quod laudabant alii, quidam ut affectatum et vile carpebant) - f) in einem Zusammen- hang, in dem sich semantische und gedankliche Ähnlichkeiten zu dieser Stelle insgesamt finden: 16,12,29: Julian versucht während der Schlacht von Straßburg zu vermeiden, noch größeren Neid bei anderen zu erregen, indem er nicht eine Ansprache vor dem gesamten Heer hält: et alioqui vitabat gravioris invidiae pondus, ne videretur id affectasse, quod soli sibi deberi Augustus existimabat (gemeint ist Constantius). - g) Vgl. auch HERODIAN. 4,8,

171 6/7: Caracalla und Alexandreia. - in citeriore vita: SEYFARTH 1, 177 „im diesseitigen Le- ben“; wohl kaum richtig; ROLFE „of his more intimate life“; dagegen schon BÜCHELE „in seinem früheren Leben“, dem sich DE JONGE (1972) 121, anschließt (so auch in der Überset- zung Die römische Literatur in Text und Darstellung, Kaiserzeit II, S. 281). - Alle weite- ren Stellen bei Ammian (vgl. CHIABÒ, S. 124), an denen citerior nicht im rein geographi- schen Sinn gebraucht ist, nämlich 14,1,7 (citerioris vitae ministro), 25,4,3 (citerioris vitae ministro), 28,4,2 (citeriorem vitam)172; 30,1,22 (a citeriore ... obsequio) legen es nahe, dass die Übersetzung von Rolfe richtig ist, dass Constantiusʼ eben von Ammian konstatiertes

171 Ἐπὶ τὴν Ἀλεξάνδρειαν ἐστέλλετο, πρόφασιν μὲν ποιούμενος ποθεῖν τὴν ἐπ᾿ Ἀλεξάνδρῳ κτισθεῖσαν πό- λιν, καὶ τῷ θεῷ χρήσασθαι ὃν ἐκεῖνοι σέβουσιν ἐξαιρέτως· δύο γὰρ ταῦτα ὑπερβαλλόντως προσεποιεῖτο, τήν τε τοῦ θεοῦ θρησκείαν καὶ τὴν τοῦ ἥρωος μνήμην. 172 Es geht um den Stadtpräfekten Olybrius. SEYFARTH 4,119 übersetzt hier mit „Privatleben“.

75 „affektiertes“ Verhalten in der Öffentlichkeit zumindest partiell auch durch Verhaltens- muster im „Privat“leben, im Leben im Inneren des Palastes, erklärt werden kann. Woher Ammian davon Kenntnis haben will, spielt an dieser Stelle keine Rolle; dazu einige Erklä- rungsversuche, wenn es um Ammians Glaubwürdigkeit im historischen Bereich geht. - erant tamen haec et alia quaedam … patientiae non mediocris indicia ... uni illi con- cessae: a) Zur Litotes non mediocris vgl. über Prokop 26,9,11: nec mediocris staturae

(„und mit einer nicht mittelmäßigen Statur“); SUET. Calig. 37,1: nummos non mediocris summae; Claud. 3,1: non mediocrem operam dedit; Neron. 19,3: non mediocri laude digna; Vesp. 18: praemium … non mediocre; 23,3: non mediocris summae. HA Alex. Sev. 17,2: non mediocriter - b) Haec et alia quaedam ... indicia: patientiae … indicia vergleichbar

22,9,16 (patientiae … documentum leve; vgl. dazu TAC. Agric. 2: grande patientiae docu- mentum; [ROSELLE (1976) 147]. - Ammian schreibt Constantius die patientia nicht direkt zu, sondern sagt, dass er sie aus bestimmten Phänomenen erschlossen habe [Bezeichnen- derweise werden zwar im Epilog einige der Phänomene genannt, aus denen Constantiusʼ patientia erschlossen ist, aber nicht die patientia selbst.]. Dasselbe Verfahren, angewendet auf Gallus, in 14,7,3: erat autem diritatis eius hoc quoque indicium nec obscurum nec la- tens, quod … - (Teilnahme an blutigen Spielen), auf Valentinian in 29,3,2: quam rem (Aus Veränderungen der Stimme, des Gesichtsausdrucks und des Ganges kann man auf sein cholerisches Wesen schließen.) indicia varia testantur et certa, e quibus pauca sufficiet poni.173 25,4,7 (im Epilog auf Julian): dein prudentiae eius indicia fuere vel plurima, e quibus explicari sufficiet pauca; 28,6,3 (als Beweise für ein Verbrechen): ut indicia docu- ere verissima; 30,8,9: huius exempla continentiae similia plurima in Romanis exuberant ducibus, quibus omissis ... Quoniam non sunt perfectae virtutis indicia ... unum ex multis constans innocentiae vulgi veteris specimen ponam.[CHIABÒ 371] Zu dieser Form der Argu- mentation bei Ammian, aus körperlichen Haltungen oder Verhaltensweisen auf moralische oder intellektuelle Fähigkeiten zu schließen, vgl. vor allem SABBAH (1978) 391f. Zu ande- ren Verwendungen von indicium bei Ammian vgl. den Kommentar zu 16,10,20 und zu

26,6,5. - c) SEYFARTH übersetzt patientia mit Selbstbeherrschung: obwohl diese Bedeutung aus den einschlägigen Lexika nicht zu belegen ist, scheint sie mir hier am treffendsten; im Epilog auf Constantius (21,16) ist nichts direkt Entsprechendes zu finden, es sei denn, man wertete sein mäßiges Essen und Trinken wie seine sexuelle Sparsamkeit (a.a.O. § 6) als eine besondere Form der patientia. Während für Ammian dieses Verhalten des Constantius

173 Diese Form der Darstellung bedeutet nicht, dass Ammian Vorbehalte hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes hat, sondern dient vor allem der Anschaulichkeit (die Phänomene veranschaulichen den abstrakten Begriff) und sollen wohl auch „Wissenschaftlichkeit“ in Ammians Vorgehen beweisen.

76 „affektiert“ und bewusst inszeniert ist174, scheint es eine offizielle Propaganda gegeben zu haben (vgl. den Ut-Satz), die es als überaus große (Litotes!) Selbstbeherrschung ausgab und es als einen allein dem Constantius gegebenen Vorzug auslegte. - d) Der patientia ent-

175 spricht im Griech. καρτερία , vgl. z.B. THEMIST. Orat. 10,134a (Valens beim Friedens- schluss mit den Goten unter Athanarich auf einem Schiff in der Mitte der Donau im Winter

176 des Jahres 370 n.Chr.); SOCRATES H.E. 7,22,3 (über Theodosius II.) . - e) Zu patientia bei

Constantius II. vgl. Epitome de Caes. 42,18: patiens laboris: AUREL. VICT., Liber de Caes.

177 42,23: laboris patiens ac destinandi sagittas mire promptus. - f) PLIN. Paneg. 59,3: Audi- mus quidem te omne munus consulis obisse, sed audimus; diceris iustissimus humanis- simus patientissimus fuisse, sed diceris. Aequum est aliquando nos iudicio nostro oculis nostris, non famae semper et rumoribus credere. [„Wir hören zwar, dass du jede Aufgabe eines Konsuls erfüllt hast, aber wir hören es nur; man sagt, du seist der gerechteste, menschlichste und geduldigste gewesen, aber man sagt es nur. Es ist nur recht und billig, dass wir irgendwann einmal unserem eigenen Urteil und unseren eigenen Augen, nicht nur immer der fama und den Gerüchten glauben.“]; Pan Lat. 8,8,1-2 (Constantius I.): tanto studium litterarum favore prosequitur, ut … sentiat litteras omnium fundamenta esse virtutum, utpote continentiae, modestiae, vigilantiae, patientiae magistras; AUREL. VICT.

13,8 (Traian): Aequus, clemens, patientissimus atque in amicos perfidelis; SYMMACH. Orat.

174 Dass Ammian Constantius ist bestimmten Hinsichten für einen Inszenator hält, wird gestützt durch AMM. 21,16,1 (im elogium des Constantius): imperatoriae auctoritatis coturnum ubique custodiens. [Hinweis entnommen STENGER (2012) 207 Anm. 82] 175 Καρτερία treffend im Englischen bezeichnet als "mental and physical endurance" [so PETER HEATHER, (1998) 136; allerdings ist hier nicht die καρτερία gemeint, die man nach Heather von einem Philosophen in seinem Verhalten gegenüber den Vertretern eines autokratischen Regimes erwartete, sondern die Tu- gend, die man den Autokraten selbst zuschrieb, natürlich mit der gleichen Bedeutung. 176 THEMIST. a.a. O.: Ξέρξης μὲν οὖν τῆς πρὸς τοὺς Ἕλληνας ναυμαχίας οὔτε θεατὴς ἦν ἀνδρεῖος, ἀλλ᾿ ἐκάθητο ὑπὸ σκηνῇ χρυσῷ σκιαζόμενος ὀρόφῳ, μαλακίας μᾶλλον ἢ πλούτου σημεῖον, βασιλεὺς [damit ist Valens gemeint] δὲ καὶ ἐν ταῖς σπονδαῖς ἐπεδείκνυτο τὴν καρτερίαν, ἣν οὐκ ἤνεγκαν οἱ Σκῦθαι πολεμούμενοι, ἐφ᾿ ἡλίῳ στὰς ἐπὶ τῆς νεώς, ἡνίκα μάλιστα ἑαυτοῦ φλογωδέστερος ἦν, ἐπὶ ταὐτοῦ σχήματος ἐξ ἕω μέχρι δείλης ὀψίας. [„Xerxes also war auch kein tapferer Zuschauer der Seeschlacht gegen die Griechen, sondern saß unter einem Zelt, beschattet vom goldenen Dach, eher ein Zeichen für Weichlichkeit als für Reichtum, der Kaiser aber zeigte dieLeidensfähigkeit, die die Skythen, wenn sie bekriegt wurden, nicht ertrugen, in der Sonne auf dem Schiff stehend, als sie noch flammender als sie selbst war, in derselben Haltung vom Morgen bis zum späten Nachmittag.“] - Man beachte, wie ausgefeilt die Stelle bei Themistios ist: Stehen des Valens im Gegensatz zum Sitzen des Xerxes – auf dem Schiff im Gegensatz zum Zelt des Xerxes – in der Sonne im Gegensatz zum Schatten, dabei doppelter Chiasmus:

x ἐκάθητο ... σκιαζόμενος x ἐφ᾿ ἡλίῳ ... στάς und ὑπὸ σκηνῇ . σκιαζόμενος στάς . ἐπὶ τῆς νεώς; die bis ins letzte ausgefeilte Antithese ἐπὶ τῆς νεώς ... ὑπὸ σκηνῇ; die Gewichtsverschiebung in der inhaltlichen Füllung von Prädikat und Partizip (ἐκάθητο bei Xerxes gleichwertig neben οὔτε ... ἦν ἀνδρεῖος; dagegen ἐπεδείκνυτο stärker als στάς; mit νίκην ἐνίκησα σ. καθ᾿ ἑαυτόν nochmals der Vorrang der Innerlichkeit und eine Umwendung der καρτερία (patientia) und Steigerung: die eigene Person braucht die patientia, um als Besiegte das eigene Ich des Siegers zu ertragen. Es wäre geradezu verwunderlich, wenn das eine weitgehende Abbildung der Wirklichkeit wäre. - SOCRAT. a.a.O.: Καρτερικὸς οὕτως, ὡς καὶ κρύος καὶ καῦμα γενναίως ὑπομένειν [„so leidensfähig, dass er auch Kälte und Hitze aushielt“] 177 BARCELÒ (2004) 35 Anm. 15 verweist noch auf EUTROP. 10,15,2, wo aber von patiens, bzw. patientia nicht die Rede ist.

77 1,1;1,15 (von Valentinian I.) - g) uni illi concessae:178 Exklusivität des Kaisers mit ähnli- cher Formulierung auch Pan. Lat. 12,6,4 (Theodosius): tibi istud soli pateat, imperator, cum deo consorte secretum. - h) Die patientia im „Privatleben“ bildet den Gegenpol zu der gerade in der Öffentlichkeit gezeigten patientia. Ähnlich, ebenfalls bezogen auf patientia des Kaisers, nur mit anderen „Polen“ SYMMACH. Orat. 1,1 (von Valentinian): ibi (gemeint ist der Kriegsdienst in Afrika) primum tolerans solis et pulveris esse didicisti, cuius dudum cunabula Illyriae nives texerant; qui caesam glaciem paulo ante potaveras, is veluti ad alia elementa translatus arentis Libyae sitim patientia temperabas [vgl. dazu PABST (1989) 203]. - ut existimari dabatur: formelhaft bei Ammian, mit existimari nur hier, mehrmals mit opinari179, das Passiv dabatur hier in dem Sinne zu verstehen, dass das, was man glau- ben, bzw. erkennen sollte, von jemandem (bewusst) geliefert wurde, so dass man hier an- nehmen darf, dass die „Geber“180 die Leute am Hof des Constantius sind, bzw. Constantius selbst ist. - Die durch diese Formel gegebene Einschränkung des Wahrheitsgehaltes der Aussage gehört zu dem folgenden uni illi concessae, nicht zu indicia.

3 10,12: per omne tempus imperii: 9. Sept. 337–3. Nov. 361, vgl. KIENAST (2004 ) 314. - Imperium zur Bezeichnung der Herrschaft(szeit) als Kaiser bei Ammian auch 14,5,1; 16,5, 15;21,15,3;23,1,2;26,10,11;27,9,1;30,6,6. Vgl. auch den Kommentar zu 26,10,11. - nec in consessum quemquam suscepit nec in trabea adscivit socium privatum: a) Zu sus- cipere bei Ammian vgl. Kommentar zu 29,5,16. - b) Zur Bezeichnung eines jeden, der nicht zur kaiserlichen Familie gehört, als privatus vgl. auch CLAUDIAN. IV Cons. 46f.: (von Honorius) nasceris aequaeva cum maiestate creatus / nullaque privatae passus contagia

181 sortis (vgl. auch unten unter b)). - AMM. 23,1,1: Iulianus vero iam ter consul ascito in

178 AMM. 18,6,21: Iovinianus, Satrap von Corduene, als exklusiver Empfänger eines Geheimnisses: uni illi confessus (sc. Ammianus) 179 19,2,13 (utque opinari dabatur);21,14,5 (sempiternis Homeri carminibus intellegi datur);22,9,11 (ut datur intellegi);24,8,5 (ut opinari daretur);26,1,7 (ut opinari dabatur);26,10,16 (ut opinari dabatur); 28,2,8 (ut intellegi dabatur);30,5,18 (quam [gemeint ist die Traumerscheinung der Frau Valentinians] aes- timari dabatur Fortunam eius esse cum taetro habitu iam descessuram);31,13,12 (ut opinari dabatur) (alle Stellen bei KELLY (2008) 153 Anm. 63). 180 KELLY (2008) 153 Anm.63 „But dabatur should imply a donor. At 16.10.11 Constantiusʼstatuesque beha- viour and restraint were ˊsigns of no mean endurance, one was given to think, which had been bestowed uniqueley on himˋ [….] This refers obliquely but unmistakebly to individuals (ˊspin doctorsˋ) who interpreted Constantiusʼ actions.“ 181 Die Argumentation mit dem Gegensatz „Angehöriger der kaiserlichen Familie“ - „alle anderen sind privati“ [WICKERT (1956) 2290; WICKERT (1974)74ff.; DEL CHICCA (1982) 157] ist ebenfalls toposbildend, vgl. EUTROP. 8,5,1 (von Traian) talem se imperatorem esse privatis, quales esse sibi imperatores privatus optasset. 8,8,1 (Antoninus Pius) vixit ingenti honestate privatus, maiore in imperio. - Aus dem in der Wirklichkeit offenbar kaum noch zu überbrückenden Abstand zwischen einem privatus und einem Ange- hörigen der kaiserlichen Familie machen die Panegyriker den Topos, dass jemand trotz der Erhebung zum Augustus auch auf dem Thron ein privatus bleibt oder sich wie ein solcher verhält, vgl. Pacatus über Theodosius (Pan. Lat. XII, 12,5 und 16,2). - BÉRANGER, L´idéologie imperiale 43, Anm. 143 führt aus der Historia Augusta an: Hadr. 11,3;17,1; Marc. Ant. Phil. 6,1; Pert. 9,4; Sev. 5,1; Geta 3,2; Alex. Sev. 4,1; Gord. 4,4; Tac. 4,4;7,7; Prob. 3,1 u.ö. - Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. z.B. LIV. 4,13,2: Sp.

78 collegium trabeae Sallustio praefecto per Gallias quater ipse amplissimum inierat magis- tratum. Et videbatur novum adiunctum esse Augusto privatum, quod post Diocletianum et Aristobulum nullus meminerat gestum [„Julian aber, der schon dreimal Konsul gewesen war, hatte selbst zum vierten Male das bedeutendste Amt angetreten (363 n. Chr.), wobei er Sallustius, den Präfekten für Gallien, als Kollegen im Konsulat geholt hatte. (Und) es schien eine Neuerung zu sein, dass ein Privatmann dem Augustus zur Seite gestellt wurde. (Denn) niemand konnte sich erinnern, dass dies seit Diokletian und Aristobulos (Konsuln im Jahr 285 n. Chr.) (je) gesehehen war“].182 - Diese Aufteilung (auf der einen Seite nur der

183 Kaiser – auf der anderen alle privati) liegt auch schon PLIN. Paneg. 43,2 zugrunde : scri- beris [gemeint ist Trajan] ab amicis, ab ignotis praeteriris, nihilque inter privatum et principem est, nisi quod nunc a pluribus amaris.(Das Lob für Trajan besteht gerade darin, dass er trotz des Bestehens dieser Unterscheidung sich so verhält, als gäbe es sie nicht.) - c) Wird bei Ammian einem Kaiser das Attribut privatus beigelegt, dann ist gemeint, dass er zu dem betreffenden Zeitpunkt noch nicht Kaiser ist, so 22,9,9: Julian; 25,5,8: Jovian; 27,2, 1 und 26,9,1: Gratian;30,7,5 (und wohl auch 29,1,20): Valentinian.184 Im übrigen diese

Form der Unterscheidung schon lange vor Ammian: In TAC. Hist. 5,1,1 (Caesar Titus, perdomandae Iudaeae delectus a patre et privatis utriusque rebus militiae clarus) kann rebus … privatis nur bedeuten, dass Titus und Domitian noch nicht Caesares waren. Bei

SUET. Vit. Claud. 41,3 (de quarum [gemeint sind die von Claudius neu eingeführten Buch- staben] ratione cum privatus adhuc volumen edidisset, mox princeps non difficulter opti- nuit, ut in usu quoque promiscuo essent); vit. div. Tit. 1,1: privatus atque etiam sub patre principe. - d) Zum Ausdruck vgl. 15,8,17: (Julian nach seiner Erhebung zum Cäsar) sus- ceptus denique ad consessum vehiculi („schließlich aufgenommen zum Mitsitzen im

Maelius … elatus … supra modum hominis privati (gemeint ist, dass er zu dieser Zeit kein Magistrat ist); PABST (1989) 128 Anm. 19: „Privatus/ ἰδιώτης fungiert schon früh als Antithese zum princeps/imperator, der, obschon kein Magistrat, als Inhaber der „kaiserlichen“ Einzelgewalten bzw. des „kaiserlichen“ impe- rium [...] so sehr als der eigentliche Repräsentant der Gesamtheit erscheint, daß alle Nichtkaiser, selbst wenn sie Consuln sind, neben im [Druckfehler: ihm] privati heißen: s. etwa TAC. hist. 1,15,1; 1,37,1; PLIN. ep. 2,1,2; pan. 21,4[...]“" Zum Gebrauch bei Lukan vgl. LUCAN. Pharsal. 5,667–68 (zitiert im Kommentar zu 26,7,16) 182 Im Jahre 288 war der privatus Pomponius Ianuarius Konsul zusammen mit dem Augustus Maximian. Ob ein Versehen Ammians vorliegt oder bewusstes Verschweigen (videbatur (!)), ist erörtert bei DEN BOEFT (1998) 3f. (im Kommentar zu AMM. 23,1,1). - Durchsicht von SEECKs Regesten ergibt, dass unter Constan- tius II. tatsächlich kein socius privatus zum Konsul neben Constantius II. gemacht wurde; sollte aller- dings Ammian in Julian wieder das Gegenbild gesehen haben, der 363 Nevitta neben sich zum Konsul machte, so kann das deswegen nicht zählen, weil es zu dieser Zeit keinen Caesar oder Augustus in der kaiserlichen Familie gab. 183 Vgl. auch PLIN. Paneg. 10,4: privatus tibi videbaris, quam diu imperator alius esset. 184 Überall da, wo bei Ammian der Plural des Wortes vorkommt, im klassischen Sinne zur Bezeichnung derjenigen, die kein Amt innehaben und/oder nicht Soldaten sind (vgl. CHIABÒ 613).

79 Wagen“)185; 22,9,13 (Celsus durch Julian) adscitumque in consessum vehiculi („und hinzu- genommen zum Mitsitzen im Wagen“). Zur Sache vgl. auch 26,4,3 (Valentinian) Valentem ... Augustum pronuntiavit decoreque imperatorii cultus ornatum et tempora diademate redimitum in eodem vehiculo secum reduxit (am 28. März 364 n. Chr. in Konstantinopel);

CLAUDIAN. VI cos. Hon. 578–581: Tunc tibi magnorum mercem Fortuna laborum / persol- vit, Stilicho, curru cum vectus eodem / urbe triumphantem generum florente iuventa / con- spiceres …; OROS. Adv. pag. 7,15,3: (consessus des Marcus Antoninus Verus und des Annius Antoninus Verus) dum cum fratre in vehiculo sedet. Zur Tradition dieses Brauches

186 vgl. ALFÖLDI (1970) 110 ; KOLB (1987) 35f. So soll schon Cäsar dem Antonius diese Gunst erwiesen haben.187 Trabea bezeichnet hier einen weißen Mantel mit scharlachroten waage- rechten Streifen (trabes) und einem purpurnen Saum; trabea steht metonymisch für den Konsulat, so vor allem häufig bei Claudian (In Ruf. I,248f.; in Prob. et Olyb. cons. 175f. u. a.), vgl. aber auch SYMM. Epist. 9,112, bei Ammian außerdem 14,11,27;27,2,1;21,6,4; 21, 10,8. - Zum Gewähren des consessus (nicht beschränkt auf den consessus im kaiserlichen Wagen) als Zeichen der civilitas vgl. auch HA (Alexander Severus) 4,3: cum amicis tam familiariter vixit, ut communis esset ei saepe consessus; 18,2: salutatus consessum obtulit omnibus senatoribus atque adeo nisi honestos et bonae famae homines ad salutationem non admisit; 20,2: consessu omnibus semper offerret. - Constantius war nach seiner

3 Erhebung zum Augustus neunmal Konsul (vgl. KIENAST (2004 ) 316), und zwar in den Jah- ren 339;342;346 (jeweils zusammen mit seinem Bruder Constans);352;353;354 (jeweils zusammen mit seinem Vetter Constantius Gallus, dem Halbbruder Julians, der im Jahre

354 hingerichtet wurde);356;357;360 (jeweils zu-sammen mit Julian) (vgl. O. SEECK, Re- gesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr., Stuttgart 1919, 186ff.).188

185 GREEN (1973) 29 meint, Constantius habe hier wohl sein eigenes Verhalten bei der Erhebung Julians zum Caesar vergessen. Ich glaube, dass hier in 16,10,12 privatum ἀπὸ κοινοῦ auch zu quemquam gehört; Julian aber war nach der Erhebung kein privatus mehr; somit kein Widerspruch in Ammian und auch kein Vergessen bei Constantius. 186 Vgl. auch VELL. PATERC. 2,59,3: Quem (gemeint ist Octavian) C. Caesar, maior eius avunculus […] dile- xit ut suum natumque annos duodeviginti Hispaniensis militiae adsecutum se postea comitem habuit num- quam aut alio usum hospitio quam suo aut alio vectum vehiculo pontificatusque sacerdotio puerum honoravit; Cass. Dio. 63,20,3: ἔπειτα αὐτὸς [gemeint ist Nero bei seiner Rückkehr aus Griechenland] ἐφ᾿ ἅρματος ἐπινικίου, ἐν ᾧ ποτε ὁ Αὔγουστος τὰ πολλὰ ἐκεῖνα νικητήρια ἐπεπόμφει, ἁλουργίδα χρυσόπασ- τον ἔχων καὶ κότινον ἐστεφανωμένος, τὴν Πυθικὴν δάφνην προτείνων· καὶ αὐτῷ ὁ Διόδωρος ὁ κιθαρῳ- δὸς παρωχεῖτο; EUTROP. 8,10,3 (Verus Annius Antoninus) obiit tamen in Venetia, cum … proficisceretur et cum fratre in vehiculo sederet. - In abgewandelter Form EUTROP. 8,4: (Traian) saepe in vehiculis eorum (gemeint sind die Freunde) sedens. 187 Zum consessus als Zeichen der Auszeichnung für den, der zum „Mitsitzen“ zugelassen wird, vgl. auch den consessus caelitum bei der Aufnahme des verstorbenen Kaisers unter die Götter (für Constantius Chlorus im Jahre 310 n. Chr.: Pan. Lat. 7(6),7,3: receptusque est consessu caelitum, Iove ipso dexteram porrigente); dazu CRACCO RUGGINI (1977) 427 und Anm. 3. 188 Für Valentinian und Valens gilt, dass von ihnen fast nie ein „Privat“mann hinzugenommen wurde; für Theodosius dagegen, also für die Zeit, in der Ammian die Res gestae geschrieben hat, dass er selbst den

80 Daraus geht hervor, dass privatus hier jemanden bezeichnet, der nicht selbst Augustus oder Caesar ist. - Im übrigen dürfte privatum dem Sinne nach auch zu quemquam gehören, so dass AMM. 15,8,17 nicht im Widerspruch zu dieser Aussage steht: Aufnahme Julians in den consessus nach seiner Erhebung zum Caesar. - Das weite und damit auffallende Hyperba- ton unter anderem auch dem Bestreben nach Ausgewogenheit innerhalb der beiden Kola des Parallelismus geschuldet: nec in consessum vehiculi quemquam suscepit nec in trabea socium privatum ascivit (vgl. auch die variatio gegenüber anderen Stellen, wo ähnliche Junkturen gebraucht sind: Stellen s.o. - ut fecēre principes consecrati: a) V liest ut facere principes consecrati. Damit ist der Vergleichssatz ohne Prädikat. - Alle modernen Herausgeber übernehmen aus T fecere [T ist ein in der Pariser Nationalbibliothek unter Lat. 5820 aufbewahrter Kodex wohl aus dem 14. Jh., der (nach dem Stemma bei Clark, Praefatio V) erst in 3. „Genera- tion“ von V abhängt und fecere als Korrektur des Schreibers des Kodex enthält (Clark, Praefatio X)].189 - Castellus und Gelenius (BG) behalten facere bei und drucken consuevere statt consecrati, was insofern keinen Sinn ergibt, als bei principes ein quantifizierendes („alle anderen Kaiser“), bzw. qualifizierendes („die divinisierten Kaiser (haben es getan, bei den nicht divinisierten mag es so wie bei Constantius gewesen sein)“) Attribut fehlt. - Eine gewisse Stütze für die Lesart von T ist, dass diese Form der Argumentation sich auch 14,1,5 (quod aliquoties fecere principes saevi), 14,5,5 (quod inexorabiles quoque principes factitarunt) und 30,8,3 (cum id etiam principes interdum fecere saevissimi) findet. Das Problem ist, dass an den drei vorgenannten Stellen zwar auch derjenige, der verglichen wird, etwas niemals getan hat, was diejenigen, mit denen er verglichen wird, zumindest ab und zu getan haben, dass aber diejenigen Kaiser, mit denen verglichen wird, so furchtbare Kaiser gewesen sind, dass der Verglichene sie mit seiner Schlechtigkeit noch übertrifft. Vgl. auch 30,5,5 (ut saepe moderatores fecere tranquilli). - In allen oben aufgeführten Fäl- len arbeitet Amm. mit einem argumentum a fortiori: Wenn selbst konsekrierte Kaiser den

Konsulat nur dreimal für sich genommen hat, hinsichtlich des Kollegen aber durch die Reichsteilung in- sofern eine Verschiebung des Aspektes eingetreten war, als auch der Blick auf den Kollegen aus dem an- deren Reichsteil eine wesentliche Rolle spielte. Vgl. hierzu RODGERS (1981) 91f. (bezogen vor allem auf Theodosius). Das Thema wird unter dem Aspekt der Freundschaft auch behandelt von Pacatus im Pane- gyricus auf Theodosius (Pan. Lat. 2(12),15), wobei Pacatus es als einen Vorzug des Theodosius hinstellt, privati als Freundschaftsdienst den Konsulat zu übertragen. Geht man davon aus, dass Theodosius in der Regel nur über die eine Stelle verfügen konnte, dann gilt für die Jahre 380–389 (das Jahr, in dem Pacatus seinen Panegyricus gehalten hat), dass Theodosius und seine Söhne viermal, privati dagegen sechsmal den Konsul gestellt haben. Vergleichbar (mit Ammians Aussage) ist aber nur das Jahr 389, weil nur in diesem Jahr Theodosius beide Stellen besetzen konnte (beide Konsuln privati).[vgl. dazu auch LIPPOLD (1968) 235]. 189 Valesius hat es als erster übernommen.

81 consessus von „Privatleuten“ praktiziert haben, dann hätte Constantius zu der Zeit, als er nicht konsekriert ist, erst recht einen solchen consessus zulassen müssen. - b) Consecratus, bezogen auf princeps, meint die nach dem Tode, in dieser Zeit sofort bei der Bestattung vollzogene consecratio, durch die der Kaiser unter die Götter aufgenommen wurde und

190 den Titel DIVUS erhielt , so bei AMM. 23,6,4 vom Parther Arsakes mit dem Substantiv consecratio ausgedrückt191 und wie hier 23,5,8 durch das ppp für Gordian III.192(consecrato principi), während Ammian das in Inschriften übliche divus nur einmal verwendet (26,10, 8: divo Iuliano) (wobei beide Ausdrücke in der üblichen anachronistischen Verwendungs- weise dem Kaiser als Attribute zugeschrieben werden, wenn Handlungen zu dessen Lebe-

193 zeiten berichtet werden) . - Die Junktur principes consecrati kommt schon bei SUET. Cali- gula 35,3 vor194, wobei consecratus bei Sueton unstrittig dieselbe Bedeutung hat wie hier bei Ammian; daraus folgt, dass Caligula sich selbst als einen praesens deus bezeichnet, den das Volk dennoch nicht in gebührender Weise ehrt, was wiederum die Verärgerung Caligu- las in seinen Augen als berechtigt erscheinen lassen soll.195 - similia multa elatus in ardu- um supercilium tamquam leges aequissimas oberservavit: a) 16,12,4: rex Chnodoma- rius ardua subrigens supercilia ut saepe secundis rebus elatus; 29,2,12: ad ardua imperii supercilia (außerdem 22,16,16;30,4,17). CIC. In Pison. 9: Neque hercule ego supercilium tuum neque conlegae tui cymbala fugi; CIC. Post reditum in senatu orat. 7(15),7(16); GELL. 4,1,1 (ein angeblicher Experte in Grammatik, wenn er seine Kunst demonstrieren will) cum arduis superciliis; OROS. Adv. pag. 7,42,11: quo elatus supercilio. PROCOP. bell. 8,28,2 (der Gothe Usdrilas über Narses und seine Leute): ὀφρυάσαντες οὐχ ὅσα γε τὰ ἀνθρώ- πεια.196 Zu elatus vgl. §4. - b) Superlativ von aequus in einer Junktur mit einem Rechts-

190 DKP Bd. 1, s.v. Consecratio 3., 1279 [W. EISENHUT]; zuletzt dazu auch MAGYAR, ZSOLT: Imperial Cult and Christiani- ty. How and to What Extent Were the Imperial Cult and Emperor Worship Thought to Preserve Stability in the Roman World? In: Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 60 (2009) 385 – 395 http://ww.academia.edu/ 250713/Imperial_Cult_and …] - Vgl. auch EUTROP. 8,8,4 (Antontinus Pius) inter divos relatus est et merito consecra- tus. Zu consecratio im 1. und 2. Jhdt. n.Chr. vgl. auch KIERDORF, WILHELM: «Funus» und «consecratio». Zu Termino- logie und Ablauf der römischen Kaiserapotheose, in: Chiron 16 (1986) 43 – 69. 191 Astris … ritus sui consecratione permixtus est omnium primus. Vgl. ThLL IV s.v. consecratio 378,27- 379,43 (LOMMATZSCH): consecratio (griech. Ἀποθέωσις) wohl zuerst ACT. Arv. Claud. A16 a- tionem divae Aug(ustae), a. 119 szofosr Sih(ustae), in literarischen Quellen TAC. Ann. 13,2 decernitur a senatu Claudio censorium funus et mox consecratio. 192 Ubi … consecratio principi parentasset (sc. Iulianus); vgl. CHIABÒ 155; ThLL s.v. consecro 379,57-385,6 (LOMMATZSCH): das Verbum im Sinne von divinum reddere, in caelum tollere wie auch das Partizip schon bei CIC. 193 Von Constantius II. EUTROP. 10,15,2 (meruitque inter divos referri); 10,16,2 (inter divos relatus est); SYMM. Rel. 40,2 (Constantius aeque relatus in caelum);3,4;3,6;34,2 (divus Constantius);4;5; SYMM. Epist. 150,1 (divus Constantius) [CRACCO RUGGINI (1977) 435 und Anm. 37 und 38]. 194 Verärgert habe Caligula geschrien dominum gentium populum ex re levissima plus honoris gladiatori tribuentem quam consecratis principibus aut praesenti sibi. Die Parallele schon bei WAGNER-ERFURDT (1808) 212 angeführt. - Vgl. auch Pan. Lat. 6(7) 8,3: principem consecratum. 195 Vgl. die Interpretation. 196 Die Gelliusstelle schon angeführt bei HERTZ (1874) 287; SALEMME (1989) 101 Anm. 90.

82 begriff auch AMM. 22,9,12: aequissimum ius. - c) EUTROP. 8,1,1 (Nerva) aequissimum se et civilissimum praebuit. 8,12,1 (Marc Aurel) hic cum omnibus Romae aequo iure egit, ad nullam insolentiam elatus est imperii fastigio. AURELIUS VICTOR 9,5 (über Vespasian): Prae- terea legibus aequissimis monendoque, quodque vehementius est, vitae specie, vitiorum plura aboleverat. LUCIF. CALARIT. Ath. 1,14 p. 90,1 (ironisch für Constantius) aequissimus rex [vgl. OPELT (1972) 224]. Iniquissimae leges bei CIC. Balb. 41, aequae leges schon bei

VERG. Aen. 11,322, mehrfach bei Livius (z.B. 28,34,7: nec foedere nec aequis legibus). - d) Nach zwei konkreten Beispielen für Verhaltensweisen des Constantius, in denen sich ein Mangel an civilitas zeigt, behauptet Ammian in rhetorischer Verallgemeinerung und gleichzeitiger Abstrahierung (Neutr. Plur.!), dass es noch zahlreiche weitere Beispiele für ein derartiges Verhalten gebe197; similia multa meint somit ebenfalls ein Verhalten, das civi- litas vermissen lässt. Zu diesem Akk.-Objekt würde man ein Verbum wie agere o.ä. erwar- ten, aufgrund des folgenden Vergleichs folgt jedoch observavit (Zeugma; brevitas!). Zur Funktion des Attributs aequissimas zu leges und zum Zusammenhang mit der Eutropstelle über Marc Aurel vgl. die Interpretation. - praetereo memor ea me rettulisse, cum incidis- sent: a) Memor, bzw. memores bei Ammian nur als Prädikativum im Nom. Sg. oder Plur., bezeichnet außer in 21,7,4 (Gaudentius ... mandatorum principis memor) und 17,4,1 (Prosper et Spectatus atque Eustathius ... mandatorum memores) immer jemanden (zur Ausnahme in 22,3,8 vgl. unten), der durch das Sich-Erinnern zeigt, dass er aus früher Erlebtem gelernt hat (15,6,2 : Proculus;20,7,1: der Perserkönig Sapor;22,3,8 (Julian); 18,6, 2 (ordines civitatum et populi des Ostens);25,1,15 (die magistri der Elefanten im persi- schen Heer);31,4,13 (Athanaricus); mit folgendem A.c.i. auch 23,5,25 (nach einer Rede Julians) maxime omnium id numeri Gallicani fremitu laetiore monstrabant memores ali- quotiens eo ductante perque ordines discurrente cadentes vidisse gentes aliquas, alias supplicantes;31,4,13: Athanaricus ... memor Valentem dudum ... despexisse ... se (Subjekts- akk.(!)). Mit auktorialem Zusatz in 20,7,1: (Sapor) memor nimirum); bezogen auf den Autor nur hier, dabei bewusstes Sich-Abheben von Constantius ... ignorans (§3), der, wie der weitere Verlauf dieser Geschichte zeigt, auch in Rom nichts gelernt hat (vgl. die Inter- pretation). [VIANSINO 2,70; CHIABÒ 464]. - b) praeteritio mit Begründung; in der Formulie- rung ähnlich, aber mit der Folge, dennoch einiges darzulegen, AMM. 14,4,2: super quorum moribus licet … memini rettulisse, tam nunc quoque pauca de isdem expediam carptim.198

197 Somit ROLFEs Übersetzung (1982) 247 „many like habits“, wie GALLETIERs (1968) 166 „beaucoup dʼhabi- tudes analogues“ oder VIANSINOs (2001) 287 „a molti comportamenti simili“ [Unterstreichungen jeweils von mir] inhaltlich gerechtfertigt. 198 Teile der Formulierung an dieser Stelle nach SALL. Cat. 4,2;5, vgl. FORNARA (1992) 431. - Auffallende Ähnlichkeit in der sprachlichen Gestaltung auch 22,3,8 (Julian zu dem im Prozess von Kalchedon gefäll-

83 Zu referre vgl. auch 19,2,3 (ut rettulimus saepe).

10,13: proinde Romam ingressus: a) vgl. CIC. Phil. 13,19: (Antonius) Ingressus urbem est quo comitatu vel potius agmine, cum dextra, sinistra gemente populo Romano mina- retur dominis, notaret domos, divisurum se urbem palam suis polliceretur! HA vit. Sev. 14,7: et veluti ovans urbem ingressus Capitolium petit [„und gleichsam triumphierend betrat er die Stadt und begab sich zum Kapitol“]; AMM. 14,11,12 [der Cäsar Gallus] et in- gressus Constantinopolim tamquam in rebus prosperis et securis editis equestribus ludis capiti Thoracis aurigae coronam imposuit ut victoris.(13) quo cognito Constantius ultra mortalem modum exarsit ... . 199 b) Zum Weg des Zuges innerhalb Roms gibt es bei Ammi- an keinerlei Angaben. MCCORMICK (1986) 86 vermutet, der Weg habe dem beim Einzug Konstantins im Jahre 312 geglichen (in diesem Falle kann man vom Konstantinsbogen ein Detail rekonstruieren, nämlich das Betreten des Marsfeldes durch den Domitiansbogen.)200 - imperii virtutumque omnium larem: a) Der Lar (meist im Plural Lares) ist Schutzgott des Hauses und des fundus (Grund(stücks)) und wird am Herd und an den compita (Weg- kreuzungen) verehrt (dazu DKP Bd. 3 s.v. Lăres, 494–496 [ LEGLAY]). b) In der Junk-tur imperii virtutumque omnium larem ergibt sich aus der mit -que vorgenommenen Koor- dination von imperium (abstractum pro concreto: „das (Römische) Reich“) und virtutes omnes (abstractum: „alle Tugenden“) die Schwierigkeit für die Übersetzung, indem für den ersten Genetiv metonymische Verwendung von lar als Schutzgottheit, für den zweiten von lar als Heimat, Heimstatt vorliegt201. - Metonymische Verwendung von lar in ähnlichem

202 Kontext auch CLAUDIAN. De sexto consulatu Honorii, 39f. , auch wenn, wie der folgende ten Todesurteil für Ursulus): (Iulianus) praetendens, quod eum militaris ira delevit memor, quae dixerat, ut ante rettulimus, cum Amidam vidisset excisam (SEYFARTH 3,13: „Dabei gab er vor, ihn habe der Unmut der Soldaten zur Strecke gebracht, die sich seiner oben erwähnten Äußerung erinnerten, als er das zerstör- te Amida sah.“). Seyfarths Übersetzung bedeutet, dass Seyfarth memor als prädikativen Satznachtrag zu militaris ira betrachtet, nach meiner Meinung eine so ungewöhnliche Junktur, dass sie einer Kommen- tierung und eines Beleges bedürfte [DEN BOEFT u.a. (1995) 31 kommentieren nicht]. Könnte es nicht sein, dass memor Satznachtrag zu praetendens ist, man also nach delevit ein Komma setzen müsste? Dies würde auch zu dem oben skizzierten Gebrauch von memor bei Ammian passen: Julian erinnert sich an den damaligen Ausspruch des Ursulus und „lernt“ daraus, wie man eine Erklärung konstruiert (was allerdings auch bei Beziehung auf ira militaris gilt: aus der damaligen Beleidigung haben die Militärs gelernt, was man macht, damit dies nicht noch einmal vorkommt). Im übrigen bleibt dann immer noch der auffallende, weil nicht kenntlich gemachte Subjektswechsel in dixerat (Subjekt Ursulus (!)). 199 SABBAH (1978) 328 verweist zu dieser Stelle auch auf Paneg. Lat. 12,47,3 und nimmt an, Ammian habe die Wendung von Pacatus übernommen und durch die laudative Apposition erweitert. Abgesehen davon, dass die Wendung, auch nicht abgewandelt, bei Pacatus nicht vorkommt, ist der Ausdruck viel zu allge- mein, als dass daraus Schlüsse auf Abhängigkeit gezogen werden könnten. Durchaus richtig dürfte Sab- bahs Annahme sein, dass Ammian manchmal so arbeitet, vgl. zur Aufzählung §14Ende. 200 L´ORANGE (1939) 77–80. 201 Vgl. auch MAC CORMACK (1975) 137 Anm. 1: „in view of Ammianusʼ description of the Senate of Rome (16.10.5) [...] lar should not, I think, be understood to mean merely ʻhomeʼ, but something more ambi- valent, with a religious undertone, even though no cult is involved;“ 202 Non alium certe decuit rectoribus orbis / esse larem, nulloque magis se colle potestas / aestimat et sum- mi sentit fastigia iuris.[„Sicherlich gehörte es sich, dass die Lenker des (Erd)kreises keinen anderen Lar

84 Text zeigt, bei Claudian der Palatin und die Domus Augustana, sozusagen als Zentrum des kaiserlichen Rom, gemeint ist. [MICHAEL DEWAR, Claudian, Panegyricus de Sexto Consu- latu Honorii Augusti, Oxford 1996, 89]; CLAUDIAN., Stil. 3,125ff.; EUTROP. 2,63 (der Palast in Konstantinopel) Augustis laribus. - Larem (ursprünglich eine männliche Person (!)) als

Apposition zu Romam wohl hier zum ersten Mal. - d) Vgl. auch IULIAN. Εἰς Κωνστάντιον 6a: Ἐχέτω μὲν οὖν τὸ γέρας ἣν αὐτὸς ἐθέλεις καὶ ἣν ἀρετῶν μητέρα καὶ διδάσκαλον πολλάκις ἐπαινῶν εἴρηκας [„Das Privileg / den Vorrang (deine Geburtsstadt zu sein) soll also (diejenige Stadt) haben, die du selbst vorziehst und die du oft lobend Mutter und Leh- rerin der Tugenden genannt hast.“ Gemeint ist Rom.]; HERODIAN. 2,10,9 (Septimius Severus in einer Rede vor den Soldaten) τὴν Ῥώμην ... ἔνθα ἡ βασίλειος ἔστιν ἑστία. AMM. 14,6,6:

(Roma) ut domina suscipitur et regina. THEMIST. orat. 13,177d: ἡ κλεινὴ καὶ ἀοίδιμος Ῥώ- μη; 178b: Ῥώμη ... καὶ σύγκλητος ἀγορὰ θεῶν καὶ δῆμος ἡρώων καὶ φυλὴ ἑστιούχων δαι- μόνων ὀλβοδοτήρων. - cum venisset ad rostra, perspectissimum priscae potentiae fo- rum, obstipuit: a) Vgl. Pan. Theod. 40,3 (des Pacatus bei Theodosiusʼ Einzug in Rom im Jahre 389): quis in curia fueris, quis in rostris … ut te omnibus principem, singulis exhibu- eris senatorem; ut crebro civilique progressu non publica tantum opera lustraveris, sed privatas quoque aedes divinis vestigiis consecraris, remota custodia militari tutior publici amoris excubiis.203 - b) Die Schwierigkeit liegt in der syntaktischen Zuordnung der Worte perspectissimum ... forum: a. als Apposition zu rostra würde es eine Verwechslung von Teil und Ganzem bedeuten oder eine metonymische Verwendung von forum im Sinne von „ein Forum für Meinungsäußerungen“ voraussetzen, was nicht zu belegen ist. Außerdem wür- den Kurie und Senat nicht als Träger der Macht in früheren Zeiten (priscae potentiae) mit- einbezogen. b. Ein Asyndeton mit rostra anzunehmen, führt zu einer Disproportionalität innerhalb der beiden zu ad gehörigen Kola, die kaum anzunehmen ist. c. SEYFARTH bezieht die Worte zu obstipuit (als accusativus graecus (?)); eine solche Konstruktion ist bei obsti- pescere nicht zu belegen und würde auch dem nach langem Vordersatz mit nur einem Wort folgenden Hauptsatz das Überraschungsmoment nehmen. In Seyfarths Übersetzung er-

(= Heimat) hatten; und die Macht gilt auf keinem Hügel mehr und nimmt mehr die Gipfel des höchsten Rechtes wahr.“] - Die dazu komplementäre Vorstellung ist, dass die potestas geradezu im Exil verweilt, wenn sie nicht in Rom ist, vgl. CLAUDIAN.. Panegyric. de sexto consulatu Honorii 407f.: Quem, precor, ad finem laribus seiuncta potestas / exulat imperiumque suis a sedibus errat? [„Wozu, bitte, ist die (Amts) Gewalt, getrennt von ihrer Heimat, in der Verbannung und irrt das Reich (fern) von seinen Wohnsitzen umher?“] 203 „Wer du in der Kurie, wer du auf der Rostra gewesen bist … wie du dich allen gegenüber als Princeps, den einzelnen gegenüber als Senator gezeigt (verhalten) hast; wie du auf zahlreichen Ausflügen als Bürger nicht nur die öffentlichen Werke besucht, sondern auch Privathäuser mit deinen göttlichen Spuren geweiht hast, sicherer nach Entfernung der Bewachung durch die Soldaten durch das ständige Wachen der öffentlichen Liebe.“

85 scheint es als Subjekt, aber transitives obstipescere ist nicht belegt, außerdem muss wegen ingressus Constantius das Subjekt sein, so dass Seyfarth wohl nur aus Verständnisgründen forum in der Übersetzung zum Subjekt gemacht hat. - Am plausibelsten erscheint es mir, rostra als pars pro toto für das forum zu nehmen, dann wären die folgenden Worte dazu als Apposition möglich.204- [Zum forum Romanum vgl. RE Suppl. IV s.v.

Forum Romanum 461–511 (VIEDEBANTT.) Stuttgart 1924 (Nachdruck 1963); NASH (1961)

446–449; RECLAM-KUNSTFÜHRER 67–79; BAUER (1996) 7–80; STEINBY II Forum Romanum

(The Impe-rial Period) 336–342 (N. PERCELL); Forum Romanum (Età Tarda) 342–343 (C.F.

GILIGNI; P. VERDUCCI); COARELLI (2000) 55-108] - c) Obstupescere im Zusammenhang mit

Wundern vgl. PS. ORIG. hom. in Matth. 2,4 p.250,20: ut videntes caelum ambulantem … mirati et ob-stupescentes crederent … talia mirabilia facienti Christo, im Zusammenhang mit Schauen, Staunen, Bewundern z.B. auch CIC., De re publ. 6 (Somnium Scipionis), 19(20) haec ego admirans referebam tamen oculos ad terram identidem; 17 (17) haec cum intuerer stupens205; zahlreich bei Vergil (z.B. Aen. 1,494–495: Haec dum Dardanio Aeneae miranda videntur /, dum stupet obtutuque haeret defixus in uno / regina … [„Während das dem Dardaner Äneas bewunderswert erscheint, während er staunt und festgeheftet bei einer einzigen Betrachtung verharrt, ...“],OVID (z.B. met. 8,217–220 (Geschichte von Dädalus und Ikarus) hos aliquis tremula dum captat harundine pisces,/ aut pastor baculo stivave inni-xus arator / vidit et obstipuit, quique aethera carpere possent,/ credididit esse deos [„diese sah manch einer, während er mit zitternder Angerute Fische fing, oder eine Hirte, auf sei-nen Stab gestützt, oder ein Bauer, auf seinen Pflug gestützt, und er staunte und glaubte, Leute, die den Äther „pflücken“ könnten, seien Götter“], CLAUDIAN. VI Hon.

Cos. 51f. (Aci-es stupet igne metalli / et circumfuso trepidans obtunditur auro), CASSIOD. Var. 3,30,1 (die römischen Kloaken tantum visentibus conferunt stuporem, ut aliarum civi- tatum possint mi-racula superare; CHRON. MIN. II 161 (Im Jahr 519 n.Chr. besucht der Westgote Eutharich, der Schwiegersohn Theoderichs, den Theodorich als seinen Nachfolger vorgesehen hat, zum Antritt des Konsulates die Stadt Rom.206 (Vgl. ThLL IX

204 SERVIUS, Aeneid. 8, 361 (Romanum forum est, ubi nunc rostra sunt) bringt auch keine Klärung. 205 Erstaunlicherweise in 6,19-23 (20-25) auch eine Passage über die Entwertung des menschlichen Ruh- mes. 206 Eo anno multa vidit Roma miracula, editionibus singulis stupente etiam Symmacho Orientis legato divitias Gothis Romanisque donatas. Dignitates cessit in curiam. Muneribus amphitheatralibus diversi generis feras, quas praesens aetas pro novitate miraretur, exhibuit. Cuius spectaculis voluptates etiam exquisitas Africa sub devotione transmisit. Cunctis itaque eximia laude completis tanto amore civibus Romanis insederat, ut eius adhuc praesentiam desiderantibus Ravennam ad gloriosi patris remearet aspectus. Ubi iteratis editionibus tanta Gothis Romanisque dona largitus est, ut solus potuerit superare quem Romae celebraverat consulatum. - Die Stelle ist hier nur wegen des stupor des Konstantinopel und den östlichen Kaiser vertretenden Gesandten aufgeführt. Sie ließe sich durchaus für weitere topische Elemente in einem Bericht eines Rombesuchs auswerten.

86 2,1 s.v. obstupesco 259–262 [HEINE]; GERNENTZ (1918) 61f.) - Mit dem stupor meint Ammian eine Haltung, die das Er-gebnis eines Schocks ist, ausgelöst durch die Größe und Intensität, mit der das Erlebte ein-wirkt, so dass das Denken zunächst aussetzt, vgl. z.B. 31,5,11 [Es geht um die Bewertung der Niederlage des Valens und der Bewertung der Goten bei Adrianopel] negant antiquita-tum ignari tantis malorum tenebris offusam aliquando fuisse rem publicam, sed falluntur recentium malorum stupore confixi [„Leute, die die Vergangenheit nicht kennen, behaup-ten, der Staat sei niemals von so tiefer Dunkelheit des Unglücks eingehüllt gewesen, aber sie täuschen sich, weil sie vom stupor des frischen Unglücks wie gebannt sind“]. - rostra: a) rostrum ist der vorn am Schiff angebrachte mit Erz beschlagene Schiffsschnabel, der zum Durchbohren feindlicher Schiffe gedacht war; als Lucius Maenius (vgl. DKP Bd.3 s.v. Maenius, Nr. 5, 865 [H.G.

GUNDEL]) im Jahre 338 v.Chr. mit dem Triumph über Antium, Lavinium und Velitrae die Latinerkriege beendete, wurden die Schiffsschnäbel der erbeute-ten antiatischen Schiffe an einer Mauer hinter der Rednertribüne auf dem Forum als Tro-phäen angebracht. Dann bezeichnete der Plural rostra die Rednertribüne selbst. Diese sog. alte Rednertribüne (rostra vetera) befand sich an der Grenze zwischen comitium und forum, gegenüber der curia und wurde von Cäsar bei der Neugestaltung des Forums nie-dergerissen. Von

Augustus wurde die Rednertribüne an der Westseite des Forums [RICHARD-SON (1992) s.v. Forum (Romanum or Magnum) 170–174; s.v. comitium 97-98], westlich von dem Platz, an dem später die Phokassäule stand, zwischen dem Saturntempel und dem Umbilicus (Nabel (der Welt)) neu erbaut, in enormer Größe (29m lang, 10m breit), um dem Kaiser und seinem Gefolge Platz zu bieten. Diese rostra bestand bis in die späten Zeiten des Reiches. In der Spätantike gab es noch am Ostende des Forum Romanum eine diocleti-anische Rostra und die spätantiken Regionenverzeichnisse erwähnen noch eine am Tempel der

Dioskuren. - [DE JONGE (1972) 123/4; RECLAM-KUNSTFÜHRER 72; BAUER (1996) 21–26; BAUER

(1999) 230; COARELLI (2000) 84–86; NASH II (1961) 272-75] - b) CLAUDIAN. Paneg. de sexto consulatu Honorii 42–44: Attollens apicem subiectis regia rostris / tot circum delubra videt tantisque deorum / cingitur excubiis. [„Seinen Giebel erhebend, während die Rostra unten liegt, sieht der Palast ringsum so viele Heiligtümer und ist von so vielen Wachen der Götter umgeben!“]. - c) Rostra und curia als Metonymien für das öffentliche römische Leben

(ROBERTS (2001) 556: „Curia like rostra, regularlyserves as a metonymy for Roman public life“) in (spät)antiker Dichtung: Curia: STAT. Silv. 1,4,41; 5,2,27; Pan. Lat. 2,47,3; 4,35,2;

CLAUD. 4 Cons. Hon. 10; 6 Cons. Hon. 52; PRUDENT. C. Symm. 1,599; Rostra: Pan. Lat.

2,47,3; CLAUD. Cons. Stil. 2,390; 3,106; 3,201; Get. 82; 6 Cons. Hon. 42; 587; 644;

87 PRUDENT. Perist. 11,45. - omne latus, quo se oculi contulissent, miraculorum densitate praestrictus: a) Vgl. RUT. NAM. 1,93-96: percensere labor densis decora (vgl. AMM. §14) alta trophaeis, / ut si quis stellas pernumerare velit / confunduntque vagos delu-bra

207 micantia visus: ipsos crediderim sic habitare deos. CLAUDIAN. VI Cons. Hon. 51–52: Acies stupet igne metalli / et circumfuso trepidans obtunditur auro.208 - b) Beispiel für die brevitas, bzw. Informationsdichte in Ammians Kola: die Kunst- und Bauwerke auf dem Forum Romanum, die dem Besucher als Wunder erscheinen, stehen und finden sich dort in einer derartigen Dichte (Das abstrakte Substantiv densitas bei Ammian auch 20,11,28;

24,2,5; nach DE JONGE (1982) 48 zu 19,2,12 spätlat.), dass der Betrachter durch den von ihnen ausgehenden Glanz geblendet wird. - c) Praestringi (eigentlich „zugeschnürt wer- den“) in der Bedeutung „geblendet werden“ wohl zuerst bei Cicero (de fin. 4,37: vos ... aciem animorum nostrorum virtutis splendore praestringitis; Cat. mai. 42: (voluptas) men- tis, ut ita dicam, praestringit oculos; Vatin. 25: cuius dignitas ... praestringebat ... oculos), dann auch SEN. Epist. 48,11 (ut non magis auri fulgor quam gladii praestringat oculos meos); 71,34 (cadunt (sc. oculi) enim nimio splendore praestricti); TAC. Ann. 14,54,3: tra- ditis, quorum fulgore praestringor; AMM. 29,6,9 (rerum novarum lugubri visu praestric-

209 tus) ; AMM. 28,5.3 (signorum aquilarumque fulgore praestricti [gemeint sind die Barba- ren]); 29,5,8 (spectatissimi ducis adventu praestrictus (sc. Firmus); 29,5,15 (fulgore signo- rum et terribili vultu Theodosi praestrictus [gemeint ist Firmus]). - allocutus nobilitatem in curia populumque e tribunali: a) nobilitatem = senatum; der Senat als Körperschaft bei Ammian nur noch 14,6,5-6 (1. Romexkurs); 21,11,7 (Reaktion des Senates auf Julians

Begehren um Anerkennung als Augustus). [vgl. STERTZ (1980) 489] - b) Vgl. Paneg. Lat. 2, (12),47,2 (Rombesuch des Kaisers Theodosius im Jahre 389): ea vero, quae Romae gesta sunt, … quis in curia fueris, quis in rostris, horum haec linguis, horum, …, voce laudentur, qui ...[„Das aber, was in Rom geschehen ist, … , wer (wie) du in der Kurie gewesen bist, wer (wie) auf der Rostra, das möge mit den Zungen von denen, …. , mit der Stimme von denen gelobt werden, die ...“]; IULIAN. Orat. 3 (2) 76b: Τὸ δὲ ἐφ᾿ ἑκάστῃ συνόδῳ τὰς δημη-

207 Ammian berichtet objektiv von den Auswirkungen der Dichte der Wunder auf Constantius, Rutilius sub- jektiv von der Mühe, die es ihn kosten würde, es vollständig zu beschreiben, um dann ebenfalls eine Be- einträchtigung des Sehens zu notieren. Rutilius Namatianus scheint den Bericht Ammians gekannt zu haben. 208 PACK (1953) 185 verweist auf ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 6,9: Wenn du die Schönheit unserer Stadt kennen- lernen willst, schau hierhin und dorthin! (Zitat muss ungenau sein) und in Anm. 18 auf das Motto Michi- gans: „Si quaeris paene insulam amoenam, circumspice.“ 209 Im Gegensatz zu Seneca und Tacitus, bei denen noch die Augen das Objekt des praestringere sind (auch wenn eigentlich die betreffende Person gemeint ist), wird bei Ammian die Verinnerlichung noch weiter getrieben, indem die Person selbst das Objekt ist, was dann zu Wendungen wie metu praestrictus (29,6,9; 30,6,2) führt (die allerdings auch schon bei Cicero vorgeprägt sind).

88 γορίας ἐκλέγειν ἐς τὰ στρατόπεδα καὶ δήμους καὶ βουλευτήρια, μακροτέρας δεῖται τῆς ξυγγραφῆς [„Wenn man die bei jeder Versammlung, sei es vor dem Heer, sei es vor dem Volk, sei es vor den Ratsherren gehaltenen Reden [des Constantius] aufzählen wollte, be- dürfte es einer umfangreicheren Schrift.“]; CLAUD. Pan. de sexto consulatu Hon. 587–591: Hic est ille puer, qui nunc ad rostra Quirites / evocat et solio fultus genitoris eburno / ges- tarum patribus causas ex ordine rerum / eventusque refert veterumque exempla secutus / digerit imperii sub iudice facta senatu.- c) 313 wurde ein Panegyricus auf Constantin in Trier gehalten (Pan. Lat. 9), der sich auf Constantins adventus in Rom 312 n.Chr. bezog. Dabei war der Panegyrist nicht über Details infomiert (vgl. 9,20,2: quamlibet verba tua in senatu habita nobis ignota sint, tamen qualia fuerint clementiae tuae gloria nuntiavit [„obwohl wir deine Worte, die du im Senat gesprochen hast, nicht kennen, hat uns dennoch der Ruhm deiner Milde vermeldet, wie sie gewesen sind“]. - d) Der Konstantinsbogen hat auf der Stadtseite ein Relief mit einer Ansprache Konstantins an das Volk (LʼORANGE (1939), Tafeln 14–15), wobei der Ort durch die im Hintergrund dargestellen Gebäude ein- deutig als die Rostra auf dem Forum identifiziert werden kann. - e) IULIAN. Orat. 3 (2) 76D beschreibt mit Bewunderung die Eindrücklichkeit einer adlocutio ConstantiusʼII. an die

Soldaten. ConstantiusʼII. rhetorische Fähigkeiten sind auch erwähnt bei IULIAN. Orat.

1,32A, THEM. Orat. 2, 29A, 34B, 3,45C, 4,54A; AUREL. VICT. Caes. 42,1-4; LIBAN. Orat. 59,97, während ihm Ammian im Epilog jegliches rhetorisches Talent abspricht (21,16,4: sed, cum a rhetorice per ingenium desereretur obtunsum, ad versificandum transgres-

210 sus). - f) Zur Historizität der hier erwähnten Reden vgl. die Interpretation [PIGHI (1936) 31]. - g) Es ist anzunehmen, dass es bei dieser Gelegenheit auch ein congiarium für das Volk gegeben hat. - nobilitatem = senatum (abstractum pro concreto) vgl. auch 17,4,5: [Cornelius Gallus begeht zur Zeit Octavians Selbstmord] metu nobilitatis acriter indigna- tae, cui negotium spectandum (Ausplünderung der Provinz Ägypten) dederat imperator. 21,10,7: quae [Brief Julians ad senatum] cum Tertullo administrante adhuc praefecturam recitarentur in curia eminuit nobilitatis cum speciosa fiducia benignitas grata. 21,12,24: [Während Julian in Naissus ist] ibi Symmachum repertum et Maximum, senatores conspi- cuos, a nobilitate legatos ad Constantium missos exinde reversos honorifice vidit. 18,1,24:

210 Es gibt, überliefert mit den Reden des Themistios, die Δημηγορία Κωνσταντίου αὐτοκράτορος πρὸς τὴν σύγκλητον ὑπὲρ Θεμιστίου, auch als Epistula Constantii zitiert, eine an den Senat von Konstantinopel im Jahre 355 n. Chr. geschickte Rede des Constantius, in der dieser die durch ihn selbst initiierte Aufnahme des Themistios in den Senat von Konstantinopel mit der Wertschätzung begründet, die Themistios bei ihm genießt, und zwar aufgrund der Tatsache, dass auch ein Philosoph Leistungen für das Gemeinwesen erbringe und dies bei Themistius in besonderem Maße der Fall gewesen sei. - Vgl. dazu vor allem TEITLER (1992) 121 (Anm. 39/40/41).

89 nobilitatis decreto legati mittuntur (an den Kaiser). 18,1,42: scopae ... quibus nobilitatis curia mundabatur. 28,1,24: nobilitatis decreto legati mittuntur; 18,4,6 [im zweiten Rom- exkurs] Et primo nobilitatis, ... , dein plebis digeremus errata; gemäß der alten Dualität der Wendung SENATVS POPVLVSQVE ROMANVS (SPQR), wobei die Reden an den Orten ge- halten werden, wo sich der Versammlungsplatz der Körperschaft befand, Volksversamm- lung auf dem Comitium, Senat in der Curia.211 - Zum Anachronismus und zur historischen Glaubwürdigkeit der hier geschilderten Vorgänge vgl. die Interpretation. - curia: a) Die Kurie ist der Tagungsort des Senates. Die Curia Hostilia, das Versammlungsgebäude des Senates in republikanischer Zeit, lag genau am Nordrand des kreisrunden Comitiums mit Nord-Süd-Ausrichtung; hier ist die Curia Iulia gemeint: diese lag nordöstlich von der alten Kurie, in das Comitium hineinragend; der Neubau wurde 44 v.Chr. von Cäsar begonnen und 29 v.Chr. von Augustus eingeweiht. Nach einem Brand während der Regierung des Carinus (283–285) wurde sie von Diokletian im Jahre 303 n.Chr. unter Beibehaltung der alten Form wiederhergestellt. - [DE JONGE (1975) 123; RECLAM-KUNSTFÜHRER 70/71; NASH I

(1961) 301–303; RICHARDSON (1992) s.v. Curia Hostilia 102–103; STEINBY 1 (1993) Curia

Hostilia 331–332 (F. COARELLI); BAUER (1996) 7–11 (mit einem Plan der Curia 10); COAREL-

LI (2000) 68 (mit einem Plan des Comitiums), 69 (mit einem Plan der Curia)] - b) allocu- tus nobilitatem in curia: Glaubt man Libanius (orat. 18,154), dann hat Constantius den Senat von Konstantinopel niemals betreten. - e tribunali: Das Tribunal ist ursprünglich ein erhöhter Ort, auf dem zunächst nur der Tribun, später auch andere Magistrate (in der sella curulis) Platz nahmen, um Amtshandlungen vorzunehmen. Tribunalia hatten schließlich auch die Feldherrn, die Statthalter (vor dem Prätorium) und der Kaiser (manchmal auch in der Palastaula). Hier ist nicht eine genau identifizierbare Lokalität gemeint (so nur einmal bei AMM. 27,3,1 in der Episode, in der ein Esel das Tribunal der Stadt Pistoria besteigt; und vielleicht 24,2,3, wo in der Stadt Ozogardana noch zu Ammians Zeiten das Tribunal des

211 Zur Sache vgl. auch CLAUDIAN. De consulatu Stichonis liber tertius, 199–204: Seu circum trabeis ful- gentibus aureus intres, / seu celebres ludos, solio seu fultus eburno / cingas iure forum, denso seu turbine vulgi circumfusa tuae conscendant rostra secures. / Quae vero procerum voces, quam certa fuere / gau- dia, cum totis exurgens ardua pennas / ipsa duci sacras Victoria panderet aedes! [„Sei es, dass du (Roma zu Stilicho) golden mit ringsum glänzenden Trabeae eintrittst, sei es, dass du die Spiele besuchst, oder dass du gestützt auf den Sessel aus Elfenbein, das Forum mit Recht(sprechung) ausstattest oder dass deine Beile die vom dichten Wirbel des Volkes umgebene Rostra besteigen. Was für Rufe der Vornehmen aber hat es gegeben, was für zuversichtliche Freuden(rufe), als Viktoria selbst, sich steil mit allen Federn erhebend, den heiligen Tempel öffnete!“]. Mit proceres müssen die Senatoren gemeint sein, so dass der Augenblick des Betretens der Kurie gemeint ist, vgl. dazu BEHRWALD, (2009) 91, Anm. 124. Zur Bestäti- gung dafür, dass mit sacras aedes die curia als Tagungsort des Senates gemeint ist, führt BEHRWALD (2009) 91, Anm. 124, CLAUDIAN. a.a.O. 211f. an (Adsis (gemeint ist Victoria) perpetuum Latio votisque senatus / annue, diva, tui [„Hilf Latium auf Dauer und erfülle, Göttin, die Wünsche deines Senates!“]. - Zur Historizität des an diesen Stellen Ausgesagten vgl. die Interpretation. - Vgl. auch T.D. BARNES, Who were the Nobility of the Roman Empire, in: Phoenix 28 (1974) 444–449.

90 Kaisers Trajan zu sehen gewesen sein soll.), - dann dürfte am ehesten die rostra in Frage kommen; siehe jedoch die Ausführungen zur historischen Glaubwürdigkeit -, da jede An- sprache des Kaisers von einem erhöhten Platz aus erfolgt, vgl. für Constantius II. AMM. 14,10,10 [bei einer Rede vor dem Heer] tribunali assistens, 15,8,4 [bei der Vorstellung Julians beim Heer] tribunali ad altiorem suggestum erecto, 17,13,25 [bei einer Rede vor dem Heer] tribunali insistens, 19,11,10 [als er eine Rede halten will] in tribunal, 21,13,9

[bei einer Rede vor dem Heer] tribunali celso insistens, für Julian AMM. 20,5,1 [nach der Ausrufung zum Augustus] tribunal ascendit, um zu den Soldaten zu sprechen, 20,9,6 [zur Menge in Paris] et tribunali, ut emineret altius, superstanti, 24,3,3 [bei einer Rede vor dem Heer] constructo tribunali insistens, für Valentinian AMM. 26,2,2 [bei seiner Erhebung zum Augustus] permissusque tribunal ascendere celsius structum, 27,6,5 [bei der Erhe- bung des Gratian] progressus in campum tribunal escendit, für Prokop AMM. 26,6,18 (bei seiner Erhebung zum Augustus] cum itaque tribunal idem escendisset Procopius, woraus zu entnehmen ist, dass es sich in der Regel um eine Ansprache an die Soldaten handelt. - in palatium receptus: a) Gemeint ist der auf dem Palatin gelegene, vom Forum aus über den clivus Palatinus (Hangweg auf den Palatin) erreichbare, fast den gesamten Südostteil des Hügels einnehmende Palast (von daher der Name des Hügels, Palatium, in das Lehnwort Palast übergegangen), den der Kaiser Domitian wohl nach den Plänen seines Architekten Rabirius erbauen ließ (wohl 92 n. Chr. vollendet) – der Palatin war schon in den Zeiten der Republik bevorzugtes Wohngebiet des Adels gewesen; dann hatte Augustus sein Haus neben dem Apollotempel auf dem Palatin, danach kam die domus Tiberiana (Haus des Tiberius) hinzu, und Neros domus transitoria (Durchgangshaus) begann auf dem Palatin -, und der in der domus Flavia (Haus der Flavier) den Repräsentationsteil und der domus

Augustana (Haus des Augustus) die Privatwohnung des Kaisers enthielt. - [DE JONGE 124;

RECLAM-KUNSTFÜHRER 79-88 (mit einem Plan, S. 82); COARELLI 148–180 (Plan S. 148/49; speziell der Domus Augustana S. 172); NASH I 316–338; RE XVIII,3 s.v. Palatium 5–82 [K.

ZIEGLER] (Plan, col. 17/18) Stuttgart 1949; RICHARDSON (1992) s.v. Palatinus Mons 279–282;

STEINBY 4(1999) 28-40 (A. AUGENTI)] - b) PLIN. Paneg. 23,6: inde (nach dem Opfer auf dem Kapitol) tu in palatium quidem, sed eo vultu ea moderatione, ut si privatam domum pete-

212 213 res. - laetitia fruebatur optata: laetitia perfrui bei CIC. Catil. 1,26 und PLIN. epist.

212 „Darauf hast du dich in den Palast begeben, aber mit einer solchen bescheidenen Miene, wie wenn du ein Privathaus aufsuchtest.“ 213 Hic tu qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere, cum in tanto numero tuorum neque audies virum bonum quemquam neque videbis! Cicero antizipiert, wie groß Cati- linas Freude sein wird, wenn dieser nach erfolgreicher Verschwörung im Senat „feiert“, „triumphiert“. - Auch wenn nach den obigen Belegen laetitia (per)frui keine außergewöhnliche Wendung ist, so könnte

91 4,15,2; laetitia frui auch CIC. Phil. 14,12; OV. Pont. 2,1,12 und SEN. Epist. 72,8. - cum equestres ederet ludos: a) Es handelt sich um Wagenrennen, die im Circus maximus (vgl. zu §17) stattfanden. Ludos edere ist t.t. für die Tätigkeit des Veranstalters; daneben auch ludos exhibere (nicht bei Ammian) u.ä.; vgl. CHIABÒ s.v. edo (p. 234) und s.v. ludus (p. 445): 27,3,5: hic (Lampadius) cum magnificos praetor ederet ludos ...(„als dieser großarti- ge Spiele gab“); 22,7,2: Mamertino (cos. 362 n. Chr.) ludos edente circenses („als Mamerti- nus Zirkusspiele gab“); 14,5,1 [Constantius in Arelate 353 n. Chr.] post theatrales ludos atque circenses ambitioso editos apparatu („nach(dem) Theater- und Zirkusspiele mit ehrgeizigem Aufwand gegeben worden waren“); 14,11,2 [Gallus in Konstantinopel 354 n. Chr.] editis equestribus ludis („nachdem Reiterspiele gegeben worden waren“)214; für Juli- ans adventus und Aufenthalt in Konstantinopel von Ammian nicht die Veranstaltung oder

215 der Besuch von Spielen erwähnt (vgl. 22,2ff.; dazu NERI (1984) 52) . - Topisch beim

Adventus, beim Antritt des Konsulats, vgl. auch AMM. 21,10,2 [Julian nach seinem Einzug in Sirmium] edito postridie curuli certamine cum gaudio plebis [„nachdem er am folgen- den Tag zur Freude des Volkes ein Wagenrennen veranstaltet hatte“]; CLAUDIAN. de Stili- chonis consulatu liber tertius 265f.; de sexto consulatu Honorii 618 [dazu DEWAR (1996) 402 (mit Literaturangaben)216] - b) Dass die Spiele im Circus maximus unmittelbar nach der Aufnahme im palatinischen Palast erwähnt werden, ist auch durch die räumliche Nähe (Die Südfront des Palastes ist sozusagen Loge für den Circus maximus.) des Palastes und des Zirkus nahegelegt. Dieses Beieinander (zu dem in der Regel noch Thermenanlagen hinzukommen) als typisches Zeichen für Romanitas ist in vielen Städten des Imperium

Romanum nachgeahmt worden, in Byzanz z.B. in severischer Zeit (vgl. BASSETT (204) 27f.) - c) Die Ausrichtung von Spielen und Veranstaltungen im Zirkus ist auch ein Bestandteil der Siegesfeiern und ersetzt z.T. auch die Präsentation der Gefangenen im Triumphzug (davon ist z.B. hier bei Constantius überhaupt nicht die Rede). Darin wird auch eine für die

217 Spätantike typische Entwicklung sichtbar (vgl. MCCORMICK (1986) 91-93 ). - dicacitate plebis oblectabatur: a) Vgl. SUET. Vesp. 22,1: Et super cenam autem et semper alias

dennoch bei Ammian eine Anspielung vorliegen: Der unberechtigt Triumphierende freut sich dennoch wie einer, der zu Recht triumphiert, wie es Catilina getan hätte, hätte sein Verbrechen Erfolg gehabt. 214 Equestrium ludorum auch AMM. 28,4,31 (zweiter Romexkurs). 215 Vgl. auch Julians persönliche Einstellung zu den Wagenrennen in IULIAN. Misop. 340A: Μισῶ τὰς ἱππο- δρομίας, ὥσπερ οἱ χρήματα ὠφληκότες τὰς ἀγοράς. Ὀλιγάκις οὖν εἰς αὐτὰς φοιτῶ ἐν ταῖς ἑορταῖς τῶν θεῶν οὐδὲ διημερεύω, καθάπερ εἰώθεσαν ὅ τε ἀνέψιος ὁ ἐμὸς καὶ ὁ θεῖος καὶ ὁ ἀδελφὸς ὁ ὁμοπάτριος. Ἓξ δὲ τοὺς πάντας θεώμενος δρόμους, οὐδ᾿ αὐτοὺς ὡς ἄν τις ἐρῶν τοῦ πράγματος ἢ ναὶ μὰ Δία μὴ μισῶν αὐτὸ μηδὲ ἀποστρεφόμενος, ἄσμενος ἀπαλλάτομαι. 216 Allg. zu den ludi circenses: VEYNE, P.: Le pain et le cirque, Paris 1976; WEEBER, K.-W.: Panem et circen- ses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom, Mainz 1994 217 MCCORMICK (1986) 92 rechnet dazu auch, dass Constantius sein Siegesmonument im Zirkus Maximus er- richten lässt.

92 comissimus multa ioco transigebat; erat enim dicacitatis plurimae, etsi scurrilis et sor- didae, ut ne praetextatis quidem verbis abstineret; CLAUDIAN. VI Cons. Honorii 58-62 (von Theodosius bei dessen Rombesuch): cum se melioribus addens / exemplis civem gereret terrore remoto, / alternos cum plebe iocos dilectaque passus / iurgia, patriciasque domos

218 privataque passim visere deposito dignatus limina fastu. - b) Nach LACTANT. De mortibus persecutorum 17 soll Diocletian vorgehabt haben, den Antritt seines neunten Konsulates in Rom zu feiern, die Stadt aber verlassen haben, weil er libertatem populi ferre non potuit [„die Freiheit des Volkes nicht ertragen konnte“], und Honorius soll 407/08 aus Verärge- rung über das Volk von Rom sich nach Ravenna zurückgezogen haben. Zur Auslegung eines derartigen Verhaltens vgl. die Interpretation.219 - c) Vergleichbar, aber in der konkre- ten Ausgestaltung unterschiedlich AMM. 22,14,2/3 (Julian und die Antiocheiner): post quae multa in se (gemeint ist Julian) facete dicta comperiens coactus dissimulare pro tempore ira sufflabatur interna. Ridebatur enim ut Cercops homo brevis umeros extentans angustos et barbam prae se ferens hircinam ... . - d) Im zwei-ten Romexkurs bleibt diese Fähigkeit der dicacitas, des facete dicere auf die plebs aus frü-heren Zeiten220 beschränkt: 28,4,32: veteris illius plebis, cuius multa facete dicta memoria loquitur et venusta. - plebis ... nec superbae nec a libertate coalita desciscentis: a) Zum Hyperbaton von Beziehungswort und Apposition (Attribut) durch Dazwischenstellen des Prädikates vgl. BLOMGREN (1937) 100–106. - b) desciscere in der Regel publizistischer t.t. für den Abfall, bzw. das Abtrün- nigwerden. c) Libertas nicht allein der Freimut im Reden,221 sondern allgemein die Frei- heit, durch deren Besitz der civis Romanus sich von denen unterscheidet, die nicht römi- sche Bürger sind (thematisiert in einem Panegyrikus auch schon von AELIUS ARISTIDES Εἰς

218 „als er [gemeint ist Theodosius] sich in die besseren Beispiele einreihte und nach Entfernung des Schrec- kens als Bürger aufführte, indem er die gegenseitigen Scherze mit dem Volk und liebevollen Streit hin- nahm und es nicht verachtete, nach Ablegen des Prunkes Patrizierhäuser und private Schwellen zu besu- chen.“ - SCIVOLETTO (1970) 29f. Anm. 30 vermutet, Claudian habe das Motiv von Ammian übernommen (Er spricht allerdings von „il motivo del sovrano che si mescola alla folla nec circo“, meint aber damit wohl eher den Austausch von witzigen und beschimpfenden Bemerkungen mit der plebs, da kaum anzu- nehmen ist, dass sich der Kaiser im Circus Maximus wirklich unter das Volk begab.). 219 Für Honoriusʼ Verhalten vgl. THEOPHANES, p. 118,21 Bonn; Malalas, p. 349,12 Bonn. Beide Episoden als Verstoß gegen den Verhaltenskodex, der Kaiser habe in Rom den princeps popularis zu geben, erwähnt bei CAMERON (1970) 384. 220 Vgl. CASS. DIO 59,13,6;75,4,4;76,2,2-3;77,10,3;78,8,2; TACIT. ann. 6,13; SUET. Claud. 27,2; PLIN. pan. 2,6; PAUL. Dig. 40,9,17; dazu ALFÖLDY (1970) 80 mit Anm. 7. 221 So z.B. VIANSINO (2001) 331f. im Kommentar zur Stelle („la dicacitas si confonde con la libertas (della plebe)“). - Sicherlich so gemeint HA Vit. Car. 20,3: (Diokletian bei der Veranstaltung von Spielen) denique cum omnibus gentibus advocatis Diocletianus daret ludos, parcisse ausus est libertate, dicens castiores esse oportere ludos spectante censore. Im übrigen zeigt diese Stelle, dass die Verbindung von Spielen und libertas topisch ist. - Libertas (auch ohne Attribut wie dicendi o. ä.) = παρρησία, spätestens seit Cice- ro, vgl. ThLL VII, 2 s.v. libertas 1310,57–1319,8 [KUHLMANN], spez. 1314,41–1315,9. Als angeborene Eigenschaft nur noch bei ARNOB. Nat. 4,29 (Agragantino Euhemero ... Nicagora Cyprio vel Pellaeo Leonte vel Cyrenensi Theodoro vel Hippone ac Diagora Meliis vel auctoribus aliis mille, qui ... in lucem res abditas libertate ingenua protulerunt.)

93 Ῥώμην 36: μόνοι γὰρ τῶν πώποτε ἐλευθέρων ἄρχετε222). Damit unterstellt Ammian dem Constantius, dass dieser sich sonst wie ein tyrannus verhalte.223 - d) a libertate coalita: Metapher aus der Landwirtschaft (Verwachsen von Pflanzen mit dem Boden, bzw. des Pfropfreises mit dem Stamm), schon bei Sallust auf die politische Gemeinschaft übertragen (hi (Trojaner und Aborigines) incredibile memoratu est quam facile coaluerint; dann bei Livius und vor allem auch bei Tacitus. Bei Ammian insofern ungewöhnlicher Gebrauch, als entweder eine Person mit einem Abstraktum verwächst (15,5,35: princeps (gemeint ist Constantius) insolentia coalitus et tumore; 27,2,6: Balchobaudes armaturarum tribunus magniloquentia socordi coalitus; 29,6,11: (Probus) studio aedificandi coalitus; 16,7,6: Iulianum ... Asiaticis coalitum moribus, ideoque levem; 21,5,2: militem ... actibus coalitum gloriosis; 27,6,8: (Gratianum) nec tolerantia rerum coalitum asperarum) oder ein Abstrak- tum mit einer Person(engruppe) verwächst, wobei die Person gewöhnlich nicht genannt wird, aber sich aus dem Zusammenhang ergibt, wie hier: die Freiheit ist mit der plebs ver- wachsen; 14,10,4: coalito more (mit dem Soldaten); 15,3,8: (Rufinum) ultimorum semper avidum hominem et coalita pravitate famosum; 25,4,1: coalita maiestate conspicuus (Juli- an).224 Ammian unterscheidet nicht, ob die Eigenschaft angeboren ist oder durch den Einfluss der Umgebung erworben wird (vgl. bei Julian die durch das Aufwachsen in Asien erworbene levitas, während im Elogium auf Julian (25.4.16) levioris ingenii. - Zur Junktur vgl. TAC. Hist. 4,55,4 : (nach dem Tod des Vitellius auf einem Treffen führender Leute der Ubier, Tungrer, Treverer und Lingonen in Köln geäußerte Gedanken) si Alpes praesidiis firmarentur, coalita libertate disceptaturas Gallias, quem virium suarum terminum velint. *Vgl. auch Pan. Lat. 2(12),1,3 (Pacatus im Proömium seiner Rede anlässlich des Rombe- suchs des Theodosius im Jahre 389 n.Chr.): pro ingenita atque hereditaria orandi faculta- te [gemeint ist die facultas orandi der Römer] (vgl. dazu die Interpretation). - e) Nach

LACT. De morte persecut. 17,2 war es die libertas des römischen Volkes, die Diokletian veranlasste, im Jahre 303 (anlässlich der Vicennalienfeier zusammen mit Maximianus) verärgert die Stadt Rom zu verlassen (quibus solemnibus celebratis cum libertatem populi Romani ferri non poterat, impatiens et aeger animi prorupit ex urbe)225. - f) Superbia ist

222 Ob die Übersetzung von KLEIN (1983) 27 („Von allen, die jemals ein Reich besaßen, herrscht ihr allein über Menschen, die frei sind.“) richtig ist, wage ich nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall setzt Aristeides die gleiche Annahme wie Ammian voraus (ob dies der Wirklichkeit entspricht, spielt keine Rolle), dass die Römer frei sind. Klein weist in den Erläuterungen (S. 81 Anm. 45) darauf hin, dass hier nicht die politische, sondern die persönliche Freiheit gemeint sei, die unabhängig von der Staatsform sei. Das lässt sich natürlich ohne weiteres auf Ammian übertragen. 223 Diesen Vorwurf erhebt z.B. Hilarius von Poitiers gegen Constantius (In Constantium 5: (Constantius) non trudit ad libertatem, sed intra palatium honorat ad servitutem) 224 Vgl. VIANSINO (2001) 245; VAN DE WIEL (o.J.) 112; SELEM (1979) 160; DEN BOEFT u.a. (2005) 116. 225 Bei Lactanz muss mit libertas die Redefreiheit gemeint sein, die sich das Volk gegen Diokletian heraus-

94 ein Verhalten, das von der Mitte nach oben abweicht, während desciscere eine entsprechen- de Abweichung nach unten meint; in Verbindung mit den Verneinungen korreliert das Verhalten der plebs mit dem des Constantius (modum ... servans). - reverenter modum ipse quoque debitum servans: a) Zu den vom ppa gebildeten Adverbien vgl. zu §8.

Reverenter zuerst PLIN. Ep. 3,21,5;7,31,5; AMM. 16,12,41;22,7, 3 (CHIABÒ 692); AUSON. Epigr. 2(8),7 [N.-W. II, 723] - b) Zum Zirkus als dem Ort, an dem sich die civilitas des

Kaisers besonders gut zeigen kann, vgl. auch PLIN. Pan. 51,4: visenda autem cum cetera specie, tum quod aequatus plebis ac principis locus, siquidem per omne spatium una faci- es, omnia continua et paria, nec magis proprius spectanti Caesari suggestus quam propria quae spectet. - c) Wie die plebs die Extreme meidet und ein mittleres Maß einhält, so reagiert auch Constantius. Vergleichbar das Verhalten der Soldaten bei der Erhebung Juli- ans zum Cäsar (15,8,16: eumque (gemeint ist Julian), ut potiori (gemeint ist Constantius) reverentia servaretur, nec supra modum laudabant nec infra, quam decebat. [SEAGER (1986)2] 10,14: non enim ut per civitates alias ad arbitrium suum certamina finiri patieba- tur, sed, ut mos est, variis casibus permittebat: a) ad arbitrium auch 14,8,6;15,5,5; 18,4, 2;19,12,5;20,2,4;25,4,19;26,1,12;30,2,4; daneben zweimal ex arbitrio (20,10,2;21,8,1). - b) Man kann nur raten, was gemeint ist: Ammian unterstellt dem Constantius, dass er norma- lerweise bei einem Rennen, das auf soundsoviel Runden angesetzt war, dieses dann been- den ließ, wenn das von ihm favorisierte Team vorne lag.226 - c) Der gleiche Gedanke, aber in Anwendung auf einem ganz anderen Feld, liegt vor PLIN. Paneg. 24,3: Haeret lateri tuo quisquis accessit, finemque sermoni suus cuique pudor, non tua superbia facit [„Jeder, der hinzutritt, hält sich an deiner Seite, und dem Gespräch setzt für jeden sein eigenes Taktge- fühl, nicht dein Hochmut ein Ende.“] - intra septem montium culmina: a) VARRO de l.l. 5,41: Ubi nunc est Roma, Septimontium nominatum ab tot montibus quos postea urbs mu- ris comprehendit ...[„Wo jetzt Rom sich befindet, „Siebenberge“ genannt nach so vielen Bergen, die die Stadt später mit Mauern umfasst hat; ...“]; de l.l. 6,24: dies septimontium nominatus ab his septem montibus, in quis sita urbs est [„der Tag (ist) „Siebenberge“ ge- nannt worden nach den sieben Bergen, auf denen die Stadt liegt“]; PLIN. nat. hist. 3,66:

nahm, also das, was Ammian mit dicacitas bezeichnet. 226 In ähnliche Richtung geht WALLACE-HADRILL (1982) 38: „The emperor then did well to make a ritual of conceding trivia like the lifes of gladiators, or the victory of his least favorite team of horses.“ (Die ange- führten Belegstellen (SUET. Aug. 34,2; TAC. Ann. 1,77-8; JOS. A.J. XIX, 24-7) geben allerdings keinen Be- leg für meine Vermutung her.) - Vgl. auch HARRISON (1999) 189 Anm. 39: „Cf. Matthewsʼ observation (‘Ammianus and the Eternity of Rome’, 22) that in Rome alone did the emperor fail to control the out- come of horse-races (Amm. Marc. 16.10.14), ‘a sort of physical enactment of the concept of perfect liberty’.“

95 Urbem tris portas habentem Romulus reliquit aut, ut plurimas tradentibus credamus, IIII. moenia eius collegere ambitu imperatoribus censoribusque Vespasianis anno conditae DCCCXXVI m.p. XIIICC, complexa montes septem [„Romulus verließ die Stadt, die drei Tore hatte oder, um denen zu glauben, die sehr viele überliefern ... die sieben Berge um- fasste“]; Offenbarung des Johannes 17,7-14; die sieben Berge oder Hügel sind das Kapitol, der Palatin, der Aventin, der Quirinal, der Viminal, der Esquilin und der Caelius, also die- jenigen, die in den Jahren 387/386 v. Chr. von der sog. Servianischen Mauer umgeben wurden. Schon in der Antike wurde der Begriff der Siebenhügelstadt auch auf das zweite Rom, Byzanz/ Konstantinopel übertragen; und dann auf weitere Städte, z.B. Moskau als dem dritten Rom, aber auch Lissabon oder Bamberg. - [RECLAM-KUNSTFÜHRER 31; COARELLI

8; SEYFARTH 296 Anm. 112; SAMUEL BALL PLATNER, The Septimontium and the Seven Hills, Classical Philology, Vol. 1; No. 1 (Jan., 1906), 69–80] - b) Fester Bestandteil der laudes

Romae, vgl. GERNENTZ (1918) 19: CIC. ad Att. 6,5,2 (ἄστυ ἑπτάλοφον); VERG. Aen. 6,783;

Georg. 2,535; PROP. 3,11,57; TIB. 2,5,55: OV. Trist. 1,5,69; 3,7,51; STAT. Silv. 1,5,23; 2,7,45;

MART. 4,64,11; Pan. Lat. 2,45,7; CLAUDIAN. Stil. 3,65f.: septem circumspice montes, / qui solis radios auri fulgore lacessunt, / indutosque arcus spoliis aequataque templa / nubibus, et quidquid tanti struxere triumphi. [„ Betrachte ringsum die Sieben Berge, die mit dem Glanz ihres Goldes die Strahlen der Sonne herausfordern, und die Bögen, die mit Spolien „bekleidet“ sind, die Tempel, die die Wolken erreichen, und alles, was so bedeutende Tri- umphe errichtet haben.“]; RUTIL. 1,198; PRUDENT. c. Symm. 1,414. - per acclivitates plani- tiemque: polare Ausdrucksweise mit Kombination von abstractum und concretum und variatio von Plural und Singular; acclivitates im konkreten Sinne bei Ammian auch 14,2, 13 (cum neque acclivitas ipsa sine discrimine posset adiri letali [„weil auch der Abhang selbst nicht ohne Lebensgefahr angegangen werden konnte“ (in einem Ort namens Pale- ae)] und 17,7,4 (et quoniam acclivitate collium aedes pleraeque vehebantur [„und da die meisten Gebäude über den Abhang der Hügel stürzten“ (beim Erdbeben in Nikomedien)], vgl. CHIABÒ 17. - urbis membra: naheliegende Metapher aufgrund der auch sonst häufigen

Auffassung des Staates als eines Organismus, vgl. AMM. 18,5,1: rei publicae membra toti- us; IUSTIN. 5,10,10: per multa membra civitas dissipata in unum tandem corpus redigitur;

SUET. Aug. 48: membra partesque imperii; und bei Silius Italicus sogar zweimal von der Stadt Roma: 12,318: corpore sic toto ac membris Roma omnibus usa; 1,670: cur ut decisa atque avulsa a corpore membra despiciar? AMM. 15,7,5: vulgus omne paulo ante confer- tum per varia urbis membra diffusum [„das ganze Volk, das sich kurz vorher dicht gedrängt

96 durch die verschiedenen Stadtteile (der Stadt Rom) zerstreut hatte“]227, wobei an diesen beiden Ammianstellen der Ausdruck einfach „Stadtteile“ im geographischen Sinne bedeu- tet, im Gegensatz zu dem in 15,3,3 und 18,5,1 vorkommenden Ausdruck rei publicae mem- bra totius. Vgl. auch 20,6,7: oppidi membra; 27,3,7: per omnia enim civitatis membra. - collustrans: in der Bedeutung „in Augenschein nehmen“ in der Regel mit dem Objekt omnia, bzw. cuncta, was auch an dieser Stelle implizit durch die polare Ausdrucksweise per acclivitates planitiemque und die Junktur urbis membra ac suburbana angedeutet ist. Vgl. auch 20,11,5: (Constantius) moenia (der Stadt Amida) favillis oppleta collustrans; 24,5, 3: (princeps) [Julian] civitatem desertam collustrans; 27,10,10 Valentinianus ... centurias et manipulos capite intecto collustrans. Während ThLL III, 1664/5 [MERTEIL] s.v. collustro diese Stelle unter 2 translate de actione mentis: i. perquirere aufführt, sind die anderen drei Stellen unter i.q. videre, perspicere aufgeführt; meines Erachtens liegt bei Ammian an allen vier Stellen dieselbe Art der Verwendung vor: jemand betrachtet, bzw. mustert etwas eingehend und in seiner Gesamtheit. *VERG. Aen. 3,651-2: (Achaemenides erzählt) omnia conlustrans haec primum ad litora classem / conspexi venientem; TAC. hist. 2,70,1: (Vitel- lius nach der Schlacht von Bedriacum) vestigia recentis victoriae lustrare oculis concupi- vit; ann. 2,45,3: Arminius equo conlustrans omnia [dazu ROSS (2016) 48] - quidquid viderat primum, id eminere inter alia cuncta sperabat: a) Das Imperfekt sperabat ite- rativ (vgl. auch ducebatur (§4) u.ö.). - b) Auch nach der Konjektur von Valesius (erat), die DE JONGE (1972) 126 für unstrittig hält, bleibt der Satz schwierig: SEYFARTH übergeht das Problem, indem er primum mit „gerade“ und sperabat mit „meinte“ übersetzt

(ROLFE (1935) 249 „he thought“; GALLETIER (1968) 167 „il pensait“; VEH (1974) 112 „[er] glaubte“; VIANSINO (2001) 287 „credeva“), trifft aber wohl das von Ammian Gemeinte. Pri- mum, fast wie in den Konjunktionen cum primum, ubi primum, antizipiert die Reihe, ist aber nicht absolut auf die ganze Reihe bezogen, sondern immer auf den Punkt in der Reihe, wo Constantius gerade sieht / erlebt und insofern durch „gerade“ treffend übersetzt. In spe- rabat muss brevitas vorliegen: Constantius meinte, das gerade Geschaute übertreffe alles bisher Gesehene, und er erwartete, dass es nicht mehr übertroffen werden könne (SYME (1968) 40 in Paraphrase "Each monument in its turn seemed unsurpassable (10.14)."). - Ein ähnlicher Gedanke, ebenfalls bezogen auf das Schauen einer Ansammlung von „Wundern“, bei SIDON. c. 2,420–21 (Hic domus Aurorae rutilo crustante metallo / bacarum praefert le- ves aptata lapillos. / Diripiunt diversa oculos et ab arte magistra / hoc vincit, quodcumque

227 An der von VIANSINO (1984) 366 herangezogenen Symmachusstelle (epist. 11,14,1: corporatos nego- tiatores, membra alternae urbis) liegt anderer Gebrauch vor.

97 vides [„Hier stellt das Haus der Morgenröte, das rotglänzendes Metall überzieht, die glatten Steinchen der Perlen zur Schau. Immer wieder anderes zieht deine Blicke auf sich, und aufgrund der Meisterschaft der Kunst beeindruckt das am meisten, was du (gerade)

228 siehst.“] und PROKOP Bauwerke (Περὶ κτισμάτων) 1,1,47–48 . Es dürfte sich also auch schon hier bei Ammian um die Übernahme eines topischen Gedankens handeln. (Vgl. RO-

BERTS (1989) 73). - Iovis Tarpei delubra: a) Der Plural delubra (gemeint ist nur ein Tem- pel) aus der Dichtersprache übernommen, wohl zuerst bei Vergil, bei Ammian auch 14,8, 14229;17,4,12;22,8,5;22,9,5. - b) Gemeint ist der Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol. Zur Bezeichnung Iupiter Tarpeius vgl. VARRO de l.l. 5,41: e quis Capitolium dictum, quod hic, cum fundamenta foderentur aedis Iovis, caput humanum dicitur inven- tum. hi[n]c mons ante Tarpeius dictus a virgine Vestale Tarpeia, quae ibi ab Sabinis necata armis sepulta: cuius nominis monumentum relictum, quod etiam nunc eius rupes Tarpeium appellatur saxum [„von diesen (sieben Hügeln) ist (einer) Kapitol genannt (worden), weil hier, als die Fundamente für den Jupitertempel gegraben wurden, ein menschlicher Kopf gefunden worden sein soll. Dieser Berg hieß vorher tarpeischer (Berg) nach der vestali- schen Jungfrau Tarpeia, die dort von den Sabinern getötet und mit ihren Waffen begraben wurde; eine Erinnerung an deren Namen ist geblieben; denn auch heute heißt dieser Felsen noch tarpeischer Felsen“][RICHARDSON (1992) s.v. Capitolinus Mons 68-70]. Zur hier von

Ammian gewählten Bezeichnung vgl. SIL. ITAL. 12,741f. (schon von DE JONGE, (1972) 126, angeführt): Tum vero passim sacra in Capitolia pergunt,/ inque vicem amplexi permixta voce triumphum / Tarpeii clamant Iovis ac delubra coronant. [„Da aber ziehen sie überall weiter zum heiligen Kapitol, und sich gegenseitig umarmend schreien sie mit sich vermi- schenden Stimmen „Triumph“ und bekränzen den Tempel des tarpeischen Jupiter.“]230 -

Ebenso als Synekdoche die rupes Tarpeia für das Kapitol schon bei LUC. 1,195–6: (Jupiter) O magnae qui moenia prospicis urbis / Tarpeia de rupe und bei Prudentius für das heidni- sche Zentrum Roms (PRUDENT. Contra Symm. 1,547–49: Iamque ruit paucis Tarpeia in rupe relictis / ad sincera virum penetralia Nazareorum / atque ad apostolicos Euandria

228 Ταῦτα δὲ πάντα ἐς ἄλληλά τε παρὰ δόξαν ἐν μεταρσίῳ ἐναρμοσθέντα, ἔκ τε ἀλλήλων ᾐωρημένα καὶ μό- νοις ἐναπεειδόμενα τοῖς ἄγχιστα οὖσι, μίαν μὲν ἁρμονίαν ἐκπρεπεστάτην τοῦ ἔργου ποιοῦνται, οὐ παρ- έχονται δὲ τοῖς θεομένοις αὐτῶν τινι ἐμφιλοχωρεῖν ἐπὶ πολὺ τὴν ὄψιν, ἀλλὰ μεθέλκει τὸν ὀφθαλμὸν ἕκασ- τον, καὶ μεταβιβάζει ῥᾷστα ἐφ᾿ ἑαυτό, ἀγχίστροφός τε ἡ τῆς θέας μεταβολὴ ἐς ἀεὶ γίγνεται, ἀπολέξασθαι τοῦ ἐσορῶντος οὐδαμῇ ἔχοντος ὅτι ἄν ποτε ἀγασθείη μᾶλλον τῶν ἄλλων ἁπάντων. Ἀλλὰ καὶ ὣς ἀπο- στρέφοντες πανταχόσε τὸν νοῦν, τάς τε ὀφρῦς ἐπὶ πᾶσι συννενευκότες, οὐχ οἷοί τε εἰσι ξυνεῖναι τῆς τέχ- νης, ἀλλ' ἀπαλλάσσονται ἀεὶ ἐνθένδε καταπεπληγμένοι τῇ ἐς τὴν ὄψιν ἀμηχανίᾳ· ταῦτα μὲν οὖν τῇδε πη ἔχει. 229 Salamis et Pafus, altera Iovis delubris, altera Veneris templo insignis. Vgl. HAGENDAHL (1921) 90f. 230 Vgl. auch OV. fast. 6,33f.: (Iuno) dicor matrona Tonantis / iunctaque Tarpeio sunt mea templa Iovi. SIL. ITAL. 10,360; 10,432 [GERNENTZ (1918) 82f.]

98 231 curia fontes. - Zum Tempel und den heute noch sichtbaren Überresten vgl. DE JONGE

(1972) 126/7; COARELLI (2000) 48–51 (S. 49 Plan des Kapitols mit der antiken Bebauung),

NASH I, 530–533; STEINBY 1(1993) 232-234 (C. RAUSSER; G. TAGLIAMONTE). - c) Zur Ein- schätzung des Capitols bei Ammian vgl. 22,16,12: Serapeum (in Alexandria) … ita est exornatum, ut post Capitolium, quo se venerabilis Roma in aeter-num attollit, nihil orbis terrarum ambitiosius cernat.[BRODKA (1998) 89] - *d) CLAUDIAN. VI cos. Hon. 44–52: Iuvat infra tecta Tonantis / cernere Tarpeia pendentes rupe Gigantas / caelatasque fores mediis- que volantia signa / nubibus et densum stipantibus aethera templis / aeraque vestitis nume- rosa puppe columnis / consita subnixasque iugis immanibus aedes, / naturam cumulante manu, spoliisque micantes / innumeros arcus. Acies stupet igne metalli / et circumfuso trepidans obtunditur auro.232 374f.: iamque parabantur pompae simulacra futurae / Tar- peio spectanda Iovi. - quantum terrenis divina praecellunt: a) gesuchter Kontrast von Wortstellung und Inhalt - b) Prosaische Auswirkung für den normalen „Touristen“, vgl. Pacatus im Panegyricus auf Theodosius (Pan. Lat. 12,21,1: sed quod facere magnas urbes ingressi solemus, ut primum sacras sedes et dicata numini summo delubra visamus, tum fora atque gymnasia et pro suis extenta porticibus ambulacra miramur, ita …) - lavacra in modum provinciarum exstructa: a) Lavacrum seit der späten silbernen Latinität (vgl.

HAVERLING (1988) 54 Anm.1), im späten Latein = thermae - in modum + gen. statt eines ablativus modi vgl. auch 14,8,5;15,1,2;16,12,34;19,2,12;23,4,2;28,4,10 [DE JONGE (1982) 47 zu 19,2,12] - b) Zum Ausdruck vgl. auch 23,6, 31: vicis in modum oppidorum exstructis;

29,5,13: quem (sc. Fundum) … in modum urbis exstruxit; SALL. Cat. 12,3 (als eines der Merkmale für Luxus): quom domos atque villas cognoveris in urbium modum exaedifi- catas; SEN. epist. 90,43: non habebant domos instar urbium; HEGES. 4,13,2: castella in modum municipii exstructa; TAC. hist. 1,67: in modum municipii exstructus locus; 4,22: opera … in modum municipii exstructa.233 - c) Ammian verwendet lavacrum zur Bezeich- nung einer Badeanstalt auch 27,3,8 (prope Constantianianum lavacrum); 28,4,19 (a Silvani lavacro); 29,6,19 (porticum ... lavacro Agrippae contiguam); 31,1,2 (ad Valentini

231 Hinweis auf beide Stellen bei ROBERTS (2001) 546 und 555. 232 „Es freut, unterhalb des Dachs des Jupiter(tempels) [des Donnerers] Giganten am tarpeischen Felsen hängen zu sehen, ziselierte Türen, mitten in den Wolken Standbilder fliegen zu sehen und den Äther dicht zu sehen, weil die Tempel ihn vollstopfen, Erz, auf mit zahlreichen Schiffshecks bekleidete Säulen ge- pflanzt und Tempel sich auf riesige Joche stützen zu sehen, wobei die Hand die Natur anhäuft, und zahl- lose Bögen von Spolien funkeln zu sehen. Der Blick staunt über das Feuer des Metalls und wird zitternd durch das Gold, mit dem er überzogen ist, geblendet.“ 233 Ähnlich hyperbolisch auch SUET. vit. Neron. 31,1 (in der domus aurea) item stagnum maris instar, circumsaeptum aedificiis ad urbium speciem. - Die Herkunft dieser Wendung aus der Diatribe gegen Luxus ist schon bei Tacitus nicht mehr erkennbar; bei Ammian hier sogar für laudes Romae eingesetzt, an den anderen Stellen, um besondere Größe zu kennzeichnen.

99 lavacri succensionem), daneben auch balneae und einmal thermae; vgl. auch HA vit. Hadr.

19,10(lavacrum Agrippae);7,17,5;17,17,8f.; RUT. NAM. 1,102: celsa lavacra); die Beschrei- bung der Regionen der Stadt Rom aus konstantinischer Zeit zählt elf Thermenanlagen auf: Traianae [auf dem Gelände der Domus Aurea Neros von Apollodorus von Damaskus erbaut und am 22. Juni 109 n. Chr. von Kaiser Trajan eröffnet, vgl. RECLAM-KUNSTFÜHRER

119, NASH II, 472–477 (mit einem Grundrissplan), COARELLI (2000) 225-227], Titianae [ebenfalls auf dem Gebiet der Domus Aurea gelegene, von Kaiser Titus im Jahre 80 n. Chr. gleichzeitig mit der Eröffnung des Colosseums geweihte Thermen, vgl. COARELLI (2000)

225; NASH II 469–471 mit einem Grundrissplan von Andrea Palladio], Agrippianae [auf dem Marsfeld gelegene, von M. Agrippa im Jahre 25 v. Chr. eröffnete Thermenanlage, die unter Constantius und Constans 344/45 n. Chr. ein letztes Mal wiederhergestellt wurde, vgl. NASH II, 429-432], Surae [nur vom Severianischen Marmorplan her als auf dem Aven- tin gelegene Badeanlage zu identifizieren, die von Licinius Sura, einem Freund Traians, auf seinem Besitztum errichtet worden war, vgl. NASH II 467-468], Commodianae , Severi- anae [Damit dürften die Palastthermen auf dem Palatin in der von Septimius Severus veranlassten Erweiterung der Domus Augustana gemeint sein, vgl. COARELLI (2000) 178,

RECLAM-KUSNTFÜHRER 87], Antoninianae [Der Bau wurde 212 n. Chr. begonnen und die Anlage wurde 216 n. Chr. vom Kaiser Caracalla eröffnet. Der Verfall begann, als die Goten 537 n.Chr. durch Sperrung der Aqua Marcia die Wasserzufuhr abschnitten; vgl.

RECLAM-KUNSTFÜHRER 114–117 (mit einem Grundrissplan); NASH II 460-464; COARELLI (2000) 319f.], Alexandrianae [Damit dürfte die von Nero 62 oder 64 n. Chr. erbaute Thermenanlage gemeint sein, die 227 n. Chr. von Alexander Severus wiederhergestellt und vergrößert wurde und seitdem den Namen Thermae Alexandrinae trug, vgl. NASH II 460–

464; COARELLI (2000) 291], Decianae [ ], Diocletianae [Der Bau wurde 298 n. Chr. durch Diokletians Mitregenten Maximinian begonnen und nach dem 1. Mai 305, dem Tag der Abdankung der beiden Augusti, eingeweiht. Es waren die größten Thermen Roms; die heutige Piazza della Reppublica ahmt noch die Form der Exhedra der Diokletiansthermen nach, und Michelangelo verwendete den Tepidariumsaal als Hauptschiff für die Kirche S.

Maria degli Angeli. Vgl. RECLAM-KUNSTFÜHRER 117–119, 354–356; NASH II, 448–453; COA-

RELLI (2000) 252-254], Constantinianae [Die an der Südwestspitze des Quirinal liegenden

Thermen wurden um 315 n. Chr. unter Kaiser Konstantin erbaut; vgl. COARELLI (2000) 241;

NASH II 442 –447 mit einem Grundrissplan von Andrea Palladio.][STEINBY 5(1999) 40-69

(G. GHINI u.a.); KOLB (2002) 568–577] - d) Zu dem dem Vergleich zugrundeliegenden Gedanken („Ein Bad Roms hat die Ausdehnung einer ganzen Provinz des Römischen

100 234 Reiches.“) vgl. auch AMM. 22,9,3 („Die ganze Stadt Nikomedia ist (nur(?)) wie eine regio der Stadt Rom.“). Vgl. auch schon LIV. 25,25,5: (Marcellus vor Syrakus) inter Neapolim et Tycham – nomina ea partium urbis et instar urbium sunt – posuit castra. Andere Form dieses hyperbolischen Vergleichs: ein Haus ist größer als jede Stadt.235 - amphitheatri molem solidatam lapidis Tiburtini compage: a) amphitheatrum (ἀμφιθέατρον) ist ein in

Rom geschaffenes Fremdwort, zuerst bezeugt bei VITRUV. 1,7,1 [MOES (1980) 180]. - b)

Solido bei Ammian nur an dieser Stelle, vgl. CHIABÒ 734. Obwohl compages, bzw. compa- go (vgl. dazu ThLL III, s.v. compages, 1997–2000 [WULFF] und s.v. compago 2001–2003

[WULFF] bei Ammian sehr häufig vorkommt (vgl. CHIABÒ 151), verwendet es Ammian für ein Bauwerk nur noch 17,13,28 (struendo textis compagibus ponti [„um aus geflochtenen Gefügen eine Brücke zu bauen“]), und auf ein Amphitheater angewendet findet es sich nur

TAC. ann. 4,62 (neque firmis nexibus ligneam compagem superstruxit). - Gemeint ist das amphitheatrum Flavium, in dem Tal zwischen den Hügeln Palatin, Esquilin und Caelius an der Stelle, wo Neros Domus Aurea einen künstlichen See gehabt hatte, in den Jahren zwi- schen 70 und 76 n. Chr. vom Kaiser Titus Flavius Vespasianus begonnen und von seinem Sohn Titus Flavius Vespasianus im Jahre 80 n. Chr. vollendet und eingeweiht. Mit einer ellipsenförmigen Arena (Längsachse 86 m und Querachse 54 m) bot es für ca. 50.000 Zu- schauer Platz und erreichte im äußeren Ring eine Höhe von 50,1 m (äußere Ellipse: Läng- sachse 188,1 m, Querachse 156 m). Erbaut hauptsächlich aus Travertin, einem porösen Kalkstein, der hauptsächlich in der römischen Campagna beim heutigen Bagni di Tivoli abgebaut wurde (daher der lat. Name lapis Tiburtinus, nach der ca. 20 km östlich von Rom liegenden Stadt Tibur (heute Tivoli) benannt). Genutzt für Tierhetzen und Gladiatoren- spiele (diese 404 n. Chr. unter Honorius abgeschafft). Die griech. Bezeichnung (ἀμφί von

234 Nicomediam ... urbem antehac inclutam, ita magnis retro principum amplificatam impensis, ut aedium multitudine privatarum et publicarum recte noscentibus regio quaedam urbis aestimaretur aeternae. - Vgl. dazu auch KELLY (2003) 595. 235 OV. fast. 6,641f. (vom Haus des Vedius Pollio): urbis opus domus una fuit, spatiumque tenebat / quo bre- vius muris oppida multa tenent. HERODIAN. 4,1,2: τὰ βασίλεια [gemeint ist der Kaiserpalast in Rom auf dem Palatin] διελόμενοι [die Söhne des Septimius Severus] ἐν πλατείᾳ καὶ πολλῇ οἰκήσει καὶ πάσης πόλε- ως μείζονι. - Bei LUMBROSO (1924) 30 ist angeführt VARVARO-POJERO, Attraverso la Spagna, Milano (1882) 108: „non la finirei più [es ist die Rede von der Kathedrale von Sevilla] se volessi parlare di tutte le sa- grestie, di tutti gli uffici, di tutte le sale, di tutti i sotterranei, le scale, i corrridoi di questo colosso di catte- drale. Non è una chiesa, è un vero paese.“ und VERGA, Novelle rusticane, Torino (1883) 108 (von einer „fattoria in Sicilia“: „grande quanto un paese“. Ammian, wirklich zitiert dann, bei Girolami Preti in einem Brief an Antonio Lamberti (in Lettere di scrittori del seicento, Bari (1912), II, 243): „La questione proposta costì sopra il paragone della fabbrica della chiesa di san Pietro colle fabbriche degli antichi Ro- mani, si riduce a questi capi, che V.S. tocca nella sua cortesissima lettera: cio è alla grandezza, alla mate- ria, agli ornamenti, alla spesa ed allʼ architettura. Intorno alla qual dubitazione dirò il parer mio, anzi il testimonio degli scrittori; e, comminciando dalla grandezza della macchina, le terme antoniniane furono, senza amplificazione, quantoro volte maggiori (seguono vestigi sopra e sotto suolo ...). La qual grandezza diede occasione ad Ammiano Marcellino di dire, come sa V.S., «lavacra in modum provinciarum exstructa».“

101 beiden Seiten – θέατρον Theater) bringt zum Ausdruck, dass im Gegensatz zum griech. Theater, aber auch zum Odeion, die Arena sozusagen von beiden Seiten mit Zuschauer- plätzen umgeben ist (trotz der griech. Bezeichnung jedoch eine römische Einrichtung). Erst im Mittelalter Colosseum genannt, nach der dort befindlichen Kolossalstatue Neros:

Colossus Neronis). - [DE JONGE 127-128; RECLAM-KUNSTFÜHRER 98–101; COARELLI (2000)

185–194; NASH I 17–25; RICHARDSON (1992) 7–10; STEINBY 1 Amphitheatrum 30–35 (R.

REA); PETER CONOLLY, Colosseum, Arena der Gladiatoren, Stuttgart 2005 (englische Ori- ginalausgabe: Colosseum. Rome´s Arena of Death, London 2003) (im Anhang II: Das

Colosseum im Spiegel der Literatur)]. - c) MART. Liber spectaculorum 2,5-6 (Colosseum in

Rom): conspicui venerabilis amphitheatri / erigitur moles; TAC. ann. 4,62,2 (hölzernes Amphitheater in Fidenae): coepto apud Fide-nam amphitheatro ... neque firmis nexibus ligneam compagem superstruxit .. conferta mole; 13,31,1 (Brand Roms unter Nero): Nerone iterum L. Pisone consulibus pauca memoria digna evenere, nisi cui libeat lau- dandis fundamentis et trabibus, quis molem amphitheatri apud campum Martis Caesar extruxerat, volumina implere, cum ex dignitate populi Romani repertum sit res illustres

236 annalibus, talia diurnis urbis actis mandare. TAC. hist. 2,21,2 (Amphitheater in Placen- tia): nulla in Italia moles tam capax; CALP. SIC. ecl. 7,33-4: sic ibi planitiem curvae sinus ambit harenae / et geminis medium se molibus alligat ovum.237 - ad cuius summitatem aegre visio humana conscendit: a) Zur hyperbolischen Ausdrucksweise vgl. die Interpre- tation; zur Vorliebe Ammians für Substantive auf -tas (sog. fem. Eigenschaftsabstrakta, die von Adjektiven abgeleitet sind) vgl. LEUMANN-HOF-MANN-SZANTYR I, 243; zu visio = adspec- tus, conspectus vgl. DE JONGE (1972) 128, CHIABÒ 851; in derselben Junktur und mit derselben Bedeutung auch 20,3,12 (im Exkurs über die Sonnenfinsternis): Dass man bisweilen glaubt, die Fixsterne entfernten sich von ihren Plätzen am Himmel, beruht auf einer Sinnestäuschung des Auges [aliquotiens humana visione languente (da der menschli- che Blick manchmal „abschlafft“] - dass an dieser Stelle wahrscheinlich nicht die Fixster- ne, sondern die Planeten gemeint sind, spielt für die Bedeutung von visio keine Rolle, vgl. dazu SZIDAT (1977) zur Stelle. - b) MART. Liber spectaculorum 2,1-2;5-6: Hic ubi sidereus propius videt astra colossus / et crescunt media pegmata celsa via /.../hic ubi conspicui

236 Die Bezeichnung Ammians, die so gut zur Beschreibung des Colosseums zu passen scheint, ist also literarische Reminiszenz und von Tacitus gerade nicht für das Colosseum verwendet, wenn natürlich auch nicht auszuschließen ist, dass Tacitus, als er schrieb, das Colosseum vor Augen hatte. 237 „So umfasst dort die „Bucht“ des gekrümmten Sandes die Ebene und in der Mitte wird das Oval durch Zwillingsmassen zusammengebunden.“ - Alle oben aufgeführten Stellen entnommen M. Valerii Martialis Liber Spectaculorum edited with introduction, translation and commentary by KATHLEEN M. COLEMAN, Oxford (2006) 30.

102 238 venerabilis amphitheatri / erigitur moles, stagna Neronis erant. - c) Vgl. AELIUS ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 6: Τίς γὰρ ἂν τοσάσδε ὁρῶν κορυφὰς κατειλημμένας ἢ πεδίων νομοὺς ἐκπεπο- λισμένους ἢ γῆν τοσήνδε εἰς μιᾶς πόλεως ὄνομα συνηγμένην, εἶτα ἀκιρβῶς καταθεάσαιτο; ἀπὸ ποίας τοιαύτης σκοπιᾶς;239 - Pantheum velut regionem teretem speciosa celsitudine fornicatam: a) Der Name ist bezeugt Chronic. Min. I p. 417,516 [aus der Epitoma Chro- nicon des Prosper Tiro, somit den ersten Jahrzehnten des 5. Jhdts., zum Jahre 95 n.Chr.; 421,571 (zum Jahre 117 n.Chr.: Pantheum Romae fulmine incensum); Inscr. Dessau 129 ;

229 (Ex actis fratrum Arvalium a. 59 (in Pantheo)]; PLIN. nat. hist. 34,13 (Syracusana sunt in Pantheo capita columnarum a M. Agrippa posita); Curios. Urb. Reg. 9 p. 12,11 Urlichs

(vgl. MOES (1980) 228). - b) Im Rahmen größerer Baumaßnahmen auf dem Marsfeld ließ Agrippa, damals der Schwiegervater des Augustus, in den Jahren 27 und 25 v. Chr. einen

Tempel mit kreisförmigem Grundriss errichten [Der griech. Name, Πάνθειον – obwohl es sich um einen römischen Tempel handelt – wird verschieden gedeutet: Allerheiligstes oder Heiligtum für alle Götter, worunter dann vor allem die sieben Planetengötter zu verstehen wären], der 110 n. Chr. niederbrannte. Zwischen 118 und 125 n. Chr. ließ Hadrian den Bau in seiner bis heute erhaltenen Gestalt errichten, jedoch auf dem Architrav der Vorhalle aus Pietät, bzw. Bescheidenheit Agrippa als Erbauer nennen [M(arcus) Agrippa L(uci) f(ilius) co(n)s(ul) tertium fecit. Marcus Agrippa, der Sohn des Lucius, ließ, als er zum dritten Mal Konsul war, (den Tempel) erbauen.] mit einer Kuppel, deren Durchmesser im Inneren 43,3 m beträgt, was auch der Höhe des Gebäudes einschließlich der Kuppel entspricht, als Zen- tralbau mit einer säulengestützten Vorhalle mit Ausrichtung nach Norden [Dieses Bauprin- zip war auch in Rom und in Italien schon vorher bekannt, beim Pantheon allerdings in der Antike mit den größten Maßen durchgeführt, später oft nachgeahmt und in Michelangelos ursprünglichem Entwurf für den Petersdom ins Riesenhafte gesteigert.]. 608 n. Chr. schenkte Kaiser Phokas den Bau dem Papst Bonifaz III., der ihn 609 n. Chr. in die Kirche S. Maria ad Martyres umwandeln ließ (wegen der Bauform auch S. Maria della Rotonda genannt). - [RECLAM-KUNSTFÜHRER 107–109; COARELLI (2000) 280–284; NASH II 170–175;

HEINZ KÄHLER: Der römische Tempel, Berlin 1970; DE JONGE (1972) 128f.; WALTHER BUCHO-

238 „Hier wo der gestirnte Koloss [gemeint ist die Kolossalstatue Neros im Vestibulum der Domus Aurea] aus größerer Nähe die Sterne sieht / und mitten auf der Straße die hohen Gerüste wachsen /... / hier, wo die verehrungswürdige Masse des weithin sichtbaren Amphitheaters errichtet wird, waren Neros Teiche.“ - Es liegt bei Ammian sicherlich keine Anspielung auf diese Martialstelle vor (Die Bezeichnung eines Amphitheaters als moles ist topisch, vgl. oben.); dennoch ist auffallend, dass die erstaunliche Höhe eines Gebäudes (einer Statue) in beiden Fällen durch einen speziellen Akt des Sehens bestimmt wird. 239 „Denn wer könnte, wenn er sieht, wie so viele Bergspitzen besetzt sind, wie so viele Weiden in den Ebe- nen „verstädtert“ sind oder so viel Land in den Namen einer einzigen Stadt zusammengeführt worden ist, dann noch genau (alles) überblicken? Von welcher Warte aus (könnte er das tun)?“

103 WIECKI, Handbuch der Kirchen Roms, unter: S. Maria ad Martyres, 654–688; RICHARDSON

(1992) 283-286; STEINBY 5(1999) 284-5 (P. VIRGILI; R. SANTANGELI VALENZANI)] - regionem: regio wohl als t.t. für den Stadtbezirk, wie er schon für die angeblich von Servius Tullius geschaffene Einteilung benutzt wurde und für die von Augustus vorgenommene Neueintei- lung topisch wurde (vgl. DKP Bd. 4, s.v. Regiones, 1367 [G. RADTKE]), zur in diesem Begriff liegenden hyperbolischen Vergleichung vgl. die Interpretation; teretem deutet den kreisförmigen Grundriss an und speciosa celsitudine fornicatam (vgl. 26,8,9: eine testudo hat die Form eines aedificii fornicati; vgl. auch RUT. NAM. 1,97: quid loquar aerio penden- tes fornice rivos, wobei hier die Aquädukte gemeint sind) in Form einer Enallage (= fornice celsa speciosam,vgl. DE JONGE (1972) 129) die Wölbung der Kuppel, wobei forni- catam nicht auf Pantheum bezogen werden kann, sondern auf regionem bezogen werden muss. - elatosque vertices, qui scansili suggestu consurgunt, priorum principum imita- menta portantes: a) Elatus in der Bedeutung „herausgehoben“ = hoch z.B. auch 16,12,54 u.ö. [CHIABÒ 235] - b) VEA haben consurgunt, SEYFARTH liest nach der Konjektur von Herae- us elatosque vertices scansili suggestu concharum, ebenso DE JONGE mit der Angabe der

Übersetzung von BÜCHELE: „aufstrebende, bis zu oberst hinauf besteigbare Säulen, mit den

Abbildern früherer Kaiser“ und SEYFARTH übersetzt: „die hochragenden Säulen mit ihren im

Inneren nach oben führenden Wendeltreppen“. SEYFARTH, S. 296, Anm. 117 widerspricht dem kritischen Apparat in seiner eigenen Ausgabe, wenn er schreibt: „...An dem bei Am- mian stehenden Wort concharum hat Novák Anstoß genommen und qui scansili suggestu consurgunt emendiert. Pighi hat sich für diese Verbesserung ausgesprochen (Aevum 11 (1937) 394). Jedoch muss die Überlieferung gehalten werden, denn sie vermittelt einen pla- stischen Eindruck von den Wendeltreppen.“ Außerdem wird der falsche Eindruck erweckt, als sei der gesamte Ausdruck eine Emendation, während Novák gegenüber der Lesart von VEA nur qui eingefügt hat [Diese Einfügung von qui habe ich im übrigen auch schon in einer Leipziger Ammianausgabe von 1835 gefunden, bei der leider kein Herausgeber und

Textrezensent angegeben sind.] Außerdem scheinen sowohl DE JONGE als auch SEYFARTH von einer falschen Vorstellung auszugehen, was mit concha gemeint ist [ThLL IV, s.v. conc(h)a,

27–29 [SPELTHAN] führt die Stelle nicht auf], oder es liegt sogar eine Verwechslung mit coc(h)lea vor [vgl. ThLL III, s.v. coc(h)lea, C: scala in circulum ducta 1397/98 [BAN-

240 NIER] ]. Was sachlich gemeint sein muss, kann man recht gut aus einer Stelle der HA vit.

240 Die Möglichkeit, dass hier das Wort cochlea(e) vorgekommen ist, ist nicht ohne weiteres abzuweisen: HIERON. Vita Hilarion. 31 (der Berg, auf dem sich die cellula des Hl. Antonius befindet): in sublimi montis vertice quasi per cochleam ascendentibus [„auf dem Gipfel eines hohen (sublimi in Enallage) Berges, (zu dem) man sozusagen über eine Wendeltreppe hinaufsteigt“].

104 Heliog. 24,7 entnehmen: Constituerat et columnam unam dare ingentem, ad quam ascen- debatur intrinsecus, ita ut in summo Heliogabalum deum collocaret, sed tantum saxum non invenit, cum id de Thebaide adferre cogitaret („Er hatte beschlossen, auch eine einzige riesige Säule zu schenken, zu der(en Spitze) man im Inneren hinaufstieg, so dass er den Gott Heliogabal auf die Spitze stellen konnte, aber er fand keinen so großen Stein, obwohl er beabsichtigte, einen solchen aus der Thebais herbeizuschaffen.“) [Im übrigen scheint der Autor der Historia Augusta hier die Säulen mit den Obelisken zu verwechseln und von technischen Dingen nicht allzu viel Ahnung zu haben: Der Monolith hätte in seiner ganzen Länge ausgehöhlt werden müssen]. Mangels Besserem scheint es mir angebracht, die Ein- fügung von qui hinzunehmen, auch wenn die HSS offensichtlich keine Lücke aufweisen. - In der Descriptio urbis Constantinopolitane (aus der Zeit um 425 n. Chr.) werden derartige im Inneren begehbare Säulen für die Regio septima (columnam Theodosii, intrinsecus usque ad summitatem gradibus pervium)241 und für die Regio duodecima (columnam iti- dem intra se gradibus perviam)242 genannt (beide dann nochmals in der collectio civitatis (columnas intra se pervias duas) - c) Gemeint sind Säulen wie a) die Trajanssäule, 113 n. Chr. auf dem Trajansforum errichtet zur Erinnerung an Trajans (Regierungszeit 98–117 n.Chr.) Dakerkriege (101–102 und 105–106 n. Chr.) vom Senat und römischem Volk, wobei die Inschrift auf dem Sockel [Senatus populusque Romanus / imp(eratori) Caesari divi Nervae f(ilio) Nervae / Traiano Aug(usto) Germ(anico) Dacico Pontif(ici) Maximo trib(unicia) pot(estate) XVII, Imp(erator) VI, co(n)s(ul) VI, p(ater) p(atriae) / ad decla- randum quantae altitudinis / mons et locus tant[(is) oper]ibus sit egestus („Der Senat und das römische Volk dem Imperator Caesar Nerva Traianus, dem Sohn des göttlichen Nerva, dem Germanicus, dem Dacicus, dem höchsten Priester, der zum siebzehnten Male das Amt eines Tribunen bekleidete, zum sechsten Male Imperator und zum sechsten Male Konsul geworden ist, dem Vater des Vaterlandes, um zu zeigen, welche Höhe der Berg hatte, der unter so vielen Mühen abgetragen wurde.“)] angibt, wie hoch die Verbindung zwischen Kapitolshügel und dem Viminal war, die für die Planierung des Forums abgetragen werden musste [Säulenschaft: 29,78 m; Gesamthöhe mit Sockel: 39,83 m]. 1588 n. Chr. wurde die

Säule von Papst Sixtus V. mit einer Statue des Apostels Petrus bekrönt. - [DE JONGE (1972)

129; RECLAM-KUNSTFÜHRER 62/63; COARELLI (2000) 126-139; NASH I (1961) 283–286;

RICHARDSON (1992) unter Forum Traiani; COARELLI, FILIPPO: La Colonna di Marco Aurelio –

241 Im Zuge der Anlegung des Theodosiusforums (seit etwa 380 n. Chr.) errichtet (387 n. Chr.) und 393 n. Chr. mit dem Standbild des Theodosius versehen [BAUER (1997) 366; LEPPIN (2003) 197-201]. 242 Diese Säule wohl 421 n. Chr. fertiggestellt (auf dem hier Theodosiusforum, sonst aber Arcadiusforum genannten Platz) [BAUER (1997) 372].

105 The column of Marcus Aurelius, Roma 2008; COARELLI, FILIPPO: La colonna Traiana, Roma

1999; COARELLI, FILIPPO; ZANKER, PAUL; BRIZZI, BRUNO; CONTI, CINZIA; MENEGHINI, ROBERTO: The Column of Traian, Roma 2000] - d) die Marc-Aurels-Säule, nach Marc Aurels (Regie- rungszeit 161–180 n. Chr.) Tod begonnen, bis 193 n. Chr. oder 196 n. Chr. war sie vollen- det; das Reliefband erzählt von den Feldzügen gegen Markomannen und Quaden (172–173 n. Chr.) und die Sarmaten (174–175 n. Chr.); der Sockel ist 10,50 m hoch, der Säulenschaft 29,60 m; die Gesamthöhe beträgt 41,95 m. 1589 n. Chr. wurde sie von Papst Sixtus V. mit einer Statue des Apostels Paulus bekrönt [DE JONGE 129; RECLAM-KUNSTFÜHRER 329–330;

NASCH I 276–279; COARELLI (2000) 290–293; RICHARDSON (1992) s.v. Columna Marci Aure- lii Antonini (Columna Antoniniana) 95-96] und vielleicht auch c) der Säule des Antoninus

Pius [Zur Lage vgl. Plan bei COARELLI (2000) 291: auf dem Marsfeld, wo heute ein Gebäu- deblock steht, der von der Via di Campo, Via degli Uffici del Vicario, Via della Missione und Piazza del Parlamento eingeschlossen wird.], deren Säulenschaft allerdings ein Mono- lith war und somit keine Treppe im Inneren hatte [RICHARDSON (1992) s.v. Columna Antoni- ni Pii 94]. - e) Im Jahre 386 n. Chr. wurde in Konstantinopel mit der Errichtung der colum- na Theodosii auf dem forum Theodosianum (oder forum Tauri) begonnen; die Arbeiten wurden 393/4 mit dem Anbringen der Statue des Kaisers abgeschlossen. Die columna The- odosii war wahrscheinlich als Nachahmung der Trajanssäule konzipiert. In der Notitia urbis Constantinopolitanae 8,13 heißt es: columnam Theodosii, intrinsecus usque ad sum- mitatem gradibus perviam. - [MATTHEWS (1975) 109 Anm. 1 und 119; LEPPIN (2003) 198] - imitamenta: Vgl. CHAIBÒ 353, in der Bedeutung „Abbild“, „Statue“ auch AMM. 22,13,1: simulacrum in eo Olympiaci Iovis imitamenti aequiperans magnitudinem, („in ihm (im Apollontempel von Daphne) ein Standbild, das die Größe des Bildes des olympischen Zeus erreicht(e)“) und AMM. 17,4,15: anstelle einer bronzenen Kugel auf der Spitze des Obelis- ken, den Constantius II. im Circus Maximus aufstellen lässt, wird, nachdem diese Kugel durch Blitzschlag offensichtlich beschädigt wurde, facis imitamentum infigitur aereum, iti- dem auro imbraticatum („die Bronzenachbildung einer Fackel, die ebenfalls mit Gold ver-

243 kleidet ist, wird festgeheftet“). - Das Wort imitamentum relativ selten, vgl. AUL. GELL. 7,5,7: opplevit omnia non simulacris neque imitamentis, sed luctu atque lamentis veris;

243 Bei AMM. 22,13,1 liegt sicherlich Anklang an AUL. GELL. 6,5,7 (non simulacris neque imitamentis) vor (vgl. HERTZ (1874) 273. Hertz verweist darauf, dass das Wort imitamentum bei Ammian „auch taciteisch“ sein könnte (ohne Vorbehalt bei NEUMANN (1987) 38). Tacitus hat das Wort dreimal (ann. 3,5,2: doloris imitamenta;14,57,3: veterum Romanorum imitamenta;13,4,1: peractis tristitiae imitamentis), aber niemals in dem Sinne, in dem es Ammian verwendet, sondern so, wie Ammian imitatio (27,3,15: ad imitationem antistitum quorundam provincialium;28,4,32: ad imitationem Tauricae gentis) verwendet, wobei bei Taci- tus an zwei Stellen deutlich erkennbar ist, dass die Nachahmung nur Heuchelei ist.

106 TAC. ann. 3,5,6: laudationes et lacrimas vel doloris imitamenta. (ROSELLE (1976) 98) - urbis templum: a) Der unter Hadrian erbaute und von diesem 135 n. Chr. geweihte Dop- peltempel, mit zwei aneinanderstoßenden Apsiden, in deren westlicher das Bild der Roma, in deren östlicher das Bild der Venus als Stammmutter der gens Iulia und damit der römi- schen Kaiser stand. Der Tempel war an dem Platz erbaut, an dem im Atrium der Domus Aurea die Kolossalstatue Neros gestanden hatte. Es war das größte Heiligtum Roms in der Antike. Nach einem Brand wurde der Tempel 307 n. Chr. unter Maxentius wiederherge-

244 stellt. - [DE JONGE (1972) 130; RECLAM-KUNSTFÜHRER 78; COARELLI (2000) 106–108; NASH II

(1961) 496–499; RICHARDSON (1992) s.v. Venus et Roma, Templum 409–411; BAUER (1996)

59–61; STEINBY 5 (1999) Venus et Roma templum 121–123 (A. CASSATELLA)] - b) Dies ist der einzige Hinweis in diesem Kapitel auf die Roma dea (falls nicht die Formulierung gerade deshalb gewählt ist, einen Hinweis auf die Göttin Roma zu vermeiden), vgl. dagegen CLAU-

245 DIAN. bell. Gildon. 1,17–212; RUT. NAM. 1,48: inter sidereos, Roma, recepta polos. - fo- rum pacis: Von Vespasian nach dem Sieg über Judäa und der Eroberung Jerusalems (71 n. Chr.) begonnene Anlage mit dem templum Pacis (Tempel des Friedens) an der Südostseite; 75 n. Chr. vollendet; erst im 4. Jh. n. Chr., wohl wegen der Ählichkeit mit Forumsanlagen und auch, weil es auf dem Gelände erbaut war, wo sich das Macellum (Fleischmarkt) befand, forum Pacis (Markt des Friedens) genannt246. Die Bedeutung und der Glanz des Komplexes waren dadurch gegeben, dass Vespasian hier zahlreiche Kunstwerke griech. Künstler ausstellen ließ, dass hier an der Wand eines der Gebäude neben dem templum Pacis der in severischer Zeit (zwischen 203 und 211 n. Chr.) angefertigte Marmorplan der Stadt Rom (forma Urbis) angebracht war und sich hier wohl auch die praefectura Urbis (Stadtpräfektur) befand. Im 6. Jh. war nach dem Zeugnis des Prokop das Forum schon auf- gelassen und wohl auch weitgehend zerstört. - [DE JONGE (1972) 130; RECLAM-KUNSTFÜHRER

(1981) 61; BAUER (1996) 89–90; COARELLI (2000) 144–147 (Plan auf S. 115); NASH I (1961) 439–445 (Lageplan S. 439 mit Berücksichtigung der modernen Straßen] - Pompei thea- trum (griech. θέατρον): a) Im Jahre 61 v. Chr. begann Pompejus nach seinem dreifachen

244 Zur Bezeichnung vgl. auch HA vit. Hadr. 19,12: de eo loco, in quo nunc templum urbis est; AUR. VICT. Caes. 10,26: adhuc cuncta opera, quae magnifice construxerat (gemeint ist Maxentius), urbis fanum atque basilicam Flavii (= Constantini) meritis patres sacravere; Chronogr. de 354: hoc imperatore (gemeint ist Maxentius) templum Romae arsit et fabricatum est. CASS. Chron. (Chron. Min. II, p.142) zum Jahre 135: templum Romae et Veneris factum est, quod nunc Urbis appellatur. - Zum dort geübten Kult und zur Verbindung zur Ideologie der Roma aeterna vgl. JEAN GAGÉ, Le «Templum Urbis» et les origines de l´idée de «Renovatio», in Mélanges Franz Cumont, Bruxelles (1936) 151–187. 245 Vgl. hierzu auch J. GAGÉ: Le Templum Urbis et les origines de l´idée de Renovatio, in: Annuaire de l´ Institut de Philologie et d´Histoire Orientales et Slaves, 4 (1936) 150–187; SABBAH (1979) 24. 246 Ammian an dieser Stelle; Marc. Com. 69 (zum Jahre 408); PROCOP. bell. Got. 4,21,11: Φόρος Εἰρήνης; JOSEPH., bell. Iud. 7,5,7; CASS. DIO 65,15,1; HERODIAN. 1,14,2; GALEN. Comp. Med. 1,1 τέμενος τῆς Εἰρήνης. - Vgl. auch HA, tyrann. trig. 31,10.

107 Triumph mit der Errichtung eines Architekturkomplexes, zu dem neben dem Theater, das in Rom das erste festgemauerte war – deshalb auch die Bezeichnung theatrum marmoreum (Theater aus Marmor) – auch eine Portikus-Anlage gehörte, die ebenso wie das Theater vor allem durch ihre Ausmaße auffiel – deshalb auch theatrum magnum (Großes Theater) ge- nannt. Wahrscheinlich im Jahre 55 v. Chr. war der Komplex vollendet und wurde während des zweiten Konsulates des Pompejus in diesem Jahr eingeweiht. Restaurierungen wurden unter Augustus und Tiberius vorgenommen, eine Reparatur unter Domitian nach einem Brand im Jahre 80 n. Chr., und nach schwerer Beschädigung im Jahre 283 n. Chr. wiede- rum unter Diokletian und Maxentius größere Restaurierungen. - [COARELLI (2000) 276–279

(mit einem Grundrissplan auf S. 277); RECLAM-KUNSTFÜHRER (1981) 41; NASH II (1961)

423–428 (mit zwei Plänen auf S. 423 und S. 426); RICHARDSON (1992) 383–385; STEINBY V

Theatrum Pompei 35–38 (P. GROS); KOLB (2002) 256–261; http://www.pompey.cch.kcl.uk/ imgaes/proj_logo.gif (Posted: 04 Dec 2015 03: 18 AMPST in: The Ancient World Online)]

- b) TAC. ann. 13,54,3: profectique Romam, dum aliis curis intentum Neronem opperiuntur, inter ea, quae barbaris (gemeint sind Verritus und Malorix, Abgesandte der Friesen) osten- tantur, intravere Pompei theatrum, quo magnitudinem populi viserent.247 - Odeum: a) griech. ᾨδεῖον; im Lat. zuerst bei VITRUV. (5,9,1: (in Athen) et exeuntibus e theatro sinistra parte odeum, quod Themistocles ... pertexit); vgl. auch SUET. Dom. 5: excitavit ... Flaviae templum gentis et stadium et odium et naumachiam.[MOES (1980) 170f.] - b) COARELLI (2000) 290: „Südlich des Stadions (vgl. zum folgenden Lemma), und mit diesem eng ver- bunden, ließ Domitian ein Odeon bauen, das für musikalische Darbietungen diente. Den Regionenkatalogen zufolge konnte es 10.600 Zuschauer aufnehmen. Die Fassade des Palazzo Massimo am Corso Vittorio Emanuele wiederholt das Halbrund des Zuschauer- raumes, über dem der Palast errichtet worden ist. Einziger Überrest des Odeons ist eine große, aus einem einzigen Block gehauene Cipollinsäule, die wohl zur Bühnenfront gehört. Sie steht heute vor der rückwärtigen Fassade des Palazzo Massimo an der Piazza dei Mas- simi.“ Ganz anders DE JONGE (1972) 130 mit Lokalisierung in der Via di Monte Giordano, d.h. ca. 350 m westlich vom Stadion.[RICHARDSON (1992) 276; KOLB (2002) 376;596] - Sta- dium(< στάδιον)248: Erbaut um 92–96 n. Chr. unter Domitian wahrscheinlich an derselben Stelle, an der sich auch die Stadia des Cäsar, des Augustus und des Nero befunden hatten –

247 Hieraus ist die Größe dieses Theaters indirekt zu erschließen. Während aber bei Tacitus diese Größe nur als Mittel dazu dient, die des römischen Volkes zu beweisen, sind bei Ammian die Bauwerke sozusagen Selbstzweck (vgl. die Bemerkung des Hormisdas §16). 248 An allen anderen Stellen, an denen Ammian das Wort verwendet (15,4,3;19,6,1;22,8,10;20;16,11;23,6, 11;43;69;70;74;24,2,3;6,2;25,1,10;6,9), als Längenmaß, wahrscheinlich jeweils aus Strabon oder Erato- sthenes entnommen [MOES (1980) 64].

108 dessen stadium 62 n. Chr. infolge eines Brandes durch Blitzschlag zerstört wurde. Gedacht war das Stadion für die sog. griech. Wettkämpfe, enthielt somit keine spina („Gräte“, „Rückgrat“; Trennmauer im Zirkus) und keine carceres („Kerker“; Käfige für Pferdege- spanne). Um 228 n. Chr. unter Alexander Severus restauriert; deshalb wohl auch die durch das ganze Mittelalter bis ins 19. Jh. geltende Bezeichnung theatrum Alexandri oder Circus Alexandri. Die antike Form in der heutigen Piazza Navona bewahrt, außer dass das Stadion an der Westseite einen geraden Abschluss hatte. - [DE JONGE 131; RECLAM-KUNSTFÜHRER unter

Piazza Navona 330-331; COARELLI (2000) 289–290; NASH II 387–390; RICHARDSON (1992) s.v. Stadium Domitiani 366–367] - aliaque inter haec decora urbis aeternae: a) alia ... inter ... in variatio zu vorhergehendem inter alia... . Zur Bezeichnung der monumenta als decora vgl. RUT. NAM. 1,93 (oben zu §13 zitiert). Bei Rutilius ist decora alta sicherlich

Vergilreminiszenz (an gleicher Stelle im Hexameter VERG. Aen. 1,429 (von Karthago); 2,

448 (von Troja) [vgl. DOBLHOFER (1977) 62]). - b) Abschluss der Aufzählung (des Katalo- ges); Grundlage für die Aufzählung (den Katalog) und ihre (seine) Elemente könnten Kata- loge gewesen sein, wie sie in den Stadtbeschreibungen oder auch in Chroniken vorkom- men, vgl. z.B. Prosperi Tironis Epitoma Chronicon (aus den ersten Jahrzehnten des 5. Jdts) 516 (zum Jahre 95 n.Chr.)249. Zur Methode der Erweiterung der einzelnen Elemente durch Appositionen vgl. den Kommentar zu §13. Es ist unwahrscheinlich, dass das tatsächliche Itinerar des Constantius innerhalb der Stadt zugrundeliegt. - c) Rom als Ewige Stadt bei Ammian auch 14,6,1 (Orfitus praefecti potestate regebat urbem aeternam ...); 15,7,1 (ur- bem aeternam Leontius regens); 15,7,10 (aeternae urbis episcopi (Ringkomposition in Kap. 15,7 (!)); 19,10,1 (urbs verebatur aeterna (Personifikation); 21,12,24 (Maximum urbi praefecit aeternae); 22,9,3 (hinsichtlich der Ausstattung mit Gebäuden ist Rom der abso- lute Maßstab: Nicomediam ... ut ...regio quaedam urbis aestimaretur aeternae); 23,1,4 (Er- nennung des Apronianus zum Stadtpräfekten) ab urbe aeterna; 23,3,3 (während der Prä- fektur des Apronianus) in urbe aeterna; 25,10,5 (Julian sollte in Rom begraben sein) Tibe- ris intersecans urbem aeternam divorumque veterum monumenta praestringens; 26,3,1: Apronianus regens urbem aeternam; 28,1,1: saeviens per urbem aeternam ... Bellona; 28,1,36 (während der Prozesse unter Maximinus) quae decolorabant speciem urbis aeter- nae;28,1,56 funera urbs deploravit aeterna (Ringkomposition in 28,1(!));29,6,17: Claudio regente urbem aeternam. Vgl. 22,16,12 (zitiert zu §15), wo als Attribut venerabilis er- scheint, aber als Zeitangabe zu attollit der Ausdruck aeternum (ebenso 14,6,5, wo die

249 Multa opera Romae facta, in quis Capitolium, forum transitorium, divorum porticus, Iseum Serapium, Stadium, horrea piperataria, Vespasiani templum, Minerva Chalcidica, odium, forum Traiani, thermae Traianae et Titianae, senatus, ludus matutinus, mica aurea, meta sudans et pantheum.

109 fundamenta libertatis et retincula als sempiterna bezeichnet werden) und 27,3,3: urbs sacratissima. [MOORE (1894) passim; ALONSO-NUÑEZ (1975) 144; ELBERN (1990) 22 Anm. 26 (hier eine Reihe von Stellen für Valentinian I. bis Maiorian aufgeführt)] Abgewandelt der gleiche Gedanke auch 26,1,14 (quam rationem bisexti probatum etiam victura cum sae- culis Roma adiumento numinis divini fundavit) und 27,6,6 (Valentinian in einer Ansprache an die Soldaten: prospera deo spondente, cuius sempiternis auxiliis, stabit Romana res in- concussa).250 - Während die Bezeichnung urbs aeterna für Rom in den Angaben über die Stadtpräfekten reines Stereotyp zu sein scheint [die Besonderheit der Stellung Roms allein schon darin, dass der Name nicht genannt zu werden braucht: d i e Stadt], spielt die Attri- buierung an den anderen Stellen eine wichtige Rolle. Vgl. dazu die Interpretation. - c) Bei

AELIUS ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 29 noch als Wunsch: ἅπασα ἡ οἰκουμένη ... ἓν φθέγγεται, συν- ευχομένη μένειν τὸν ἅπαντα αἰῶνα τήνδε τὴν ἀρχήν [gemeint ist die Herrschaft Roms]251. 10,15: verum cum ad Traiani forum venisset: a) Innerhalb des unter Trajan (98–117 n. Chr.) von 107 n. Chr. (Jahr des Sieges über die Daker) bis 113 n. Chr. errichteten Kom- plexes, der sich im Nordwesten an das Forum Augusti [Augustusmarkt] anschloss und für den der Sattel zwischen Kapitol und Quirinal abgetragen werden musste und damit ein Durchbruch vom Forumstal zum Marsfeld geschaffen wurde, bezeichnet Forum Traiani den rechteckigen Platz, auf den man vom Augustusforum durch einen einbogigen Durch- gang kam und der an den Längsseiten mit Portiken und Exedren eingefasst war (an die nördliche Portikus und Exedra schlossen sich die mercati Traiani [Trajansmärkte] an) und in der Mitte den equus Traiani [Pferd des Trajan] enthielt, während an der Nordwestseite des Platzes die Basilica Ulpia in Querlage sich anschloss252, hinter der in der durch den Eingangsbogen des Forums, den equus Traiani und den Mitteleingang der Basilica Ulpia gegebenen Achse die Trajanssäule zwischen den beiden bibliothecae [Bibliotheken] sich erhob, an die sich als Abschluss auf leicht ansteigender Fläche das templum divi Traiani

[Tempel des göttlichen Trajan] anschloss, wobei neueste Forschungen [vgl. MENEGHINI (2001) 246ff.] ergeben haben, dass vom Tempel bisher keine Spuren gefunden wurden, der

Nordabschluss der Anlage vielleicht einen Eingang hatte wie in Fig. 2 bei MENEGHINI (2001)

249 abgebildet]. - [DE JONGE (1972) 131; RECLAM-KUNSTFÜHRER 61–63; COARELLI (2000) 122–

145 (Plan der Kaiserfora S. 114), NASH I 450–456; RICHARDSON (1992) 175–178; BAUER

(1996) 93–100; STEINBY 2 (1995) Forum Traiani 348–356 (J. PACKER); KOLB (2002) 389–

250 Vgl. auch LORD BYRON: Childe Harold´s pilgrimage: Canto III, 110, 1029–1030: Her thirst of knowledge, quaffing there her fill, / flows from the eternal source of Rome´s imperial hill. 251 Vgl. hierzu auch KLEIN (1983) 78f. Anm. 38. 252 Diese enthielt die auch im 5. Jh. n. Chr. noch funktionierende öffentliche Bibliotheca Ulpia [NHL 74].

110 392; vgl. auch Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologen-Verbandes, Landesverband Nordrhein Westfalen, 56. Jahrgang Heft 3/2008, RAN 4 Rom virtuell und in situ, 31–34

[N. GERTZ], 4. „Die Trajansmärkte sind im letzten Oktober neu eröffnet worden; Fotos un- ter dem Link http:// www.roma-antiqua.de/forum/galerie/search . php? searchid=39/5 . Roms Bürgermeister Veltroni betrachtet sie als „eines der wichtigsten Schmuckstücke unserer Stadt“. Die Märkte enthalten nun das erste Museum für antike Architektur. http://www . welt.de/welt print/article 1278765/Restauriert Roms Trajansmaerkte als Architekturmuse um.html.“ ROBERTO MENEGHINI, Il foro di Traiano, in: Mitteilungen des Deutschen Archäo- logischen Instituts, Römische Abteilung = Bulletino dellʼIstituto Archeologico Germanico, Sezione Romana, Bd. 108, 245–264] - b) In der zwischen 347 und 361 wahrscheinlich in Syrien entstandenen Expositio totius mundi et gentium wird als einziges Bauwerk mit Na- mensbezeichnung das forum Traianum erwähnt.253 Bei Polemius Silvius zu den entspre- chend den sieben Weltwundern sieben miracula urbis gerechnet.254 Wahrscheinlich auch in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. noch ein politisches Zentrum der Stadt Rom. 255 - c) Trajan gilt im 4. nachchristlichen Jahrhundert als einer der vorbildlichen Kaiser, vgl. PS. AUREL.

VICTOR Epitome 48,1; THEMISTIUS orat. 17, 215a; AMM. 16,1,4; dazu WICKERT (1954) 2153;

256 LIPPOLD (1968) 231; EDBROOKE (1975) 413 . - singularem sub omni caelo structuram, ut opinamur, etiam numinum assensione mirabilem: a) Eine auffallende s-Alliteration z. B. auch 14,7,9: scribens ad Caesarem blandius sollicitari se simulans. - b) In ut opinamur liegt trotz aller Konventionalität ein echter pluralis modestiae vor: Der Autor bezweckt nicht nur „die Herstellung eines engeren Kontaktes zwischen beiden Parteien“ (L-H-SZ 19f.), sondern stellt seine Meinung als auch eine von anderen geteilte dar, erhebt somit nicht den Anspruch auf Originalität. Vgl. auch KÜHNER-STEGMANN, Lateinische Grammatik, Teil II, Bd. 1,87. - c) Die Apposition zu Traiani forum schließt aus der Einzigartigkeit auf Erden (sub omni caelo) (wobei durch diese Formulierung schon auf den göttlichen Bereich verwiesen wird) auf die Bewunderungswürdigkeit des Bauwerks; diese wiederum wird

253 Est itaque quam maxima (gemeint ist Roma) et aedificiis divinis ornata. Quisque enim ex antefactis im- peratorum aut nunc qui sunt in eam condere aliquid voluerunt, et singuli eorum opus qualecumque in no- mine suo faciunt. Si enim volueris Antoninum, opera invenies innumerata, sicut et quod dicitur forum Traianum quod habet basilicam praecipuam et nominatam. Vgl. hierzu auch GRIG/KELLY (2012) 34 Anm. 5: „It [gemeint ist Ammians Text] shares an interesting congruence of focus with the account in the Expo- sitio Totius Mundi et Gentium 55, which also presents the Forum of Trajan but is far more openly hostile to Constantinople (50).“ 254 POLEMIUS SILVIUS ed. Th. Mommsen: Abh. d. sächs. G.d.W., vol. III, 1857 p. 270: Inter quae omnia VII sunt mira praecipua: id est Ianiculum, cloacae, aquaeducti, forum Traiani, amphitheatrum, odeum et thermae Antonianae.[GERNENTZ (1918) 66] 255 Vgl. VITIELLO (1999) 398: „quel complesso ... aveva costituito il cuore pulsante della politica romana;“ 256 Stellen mit für Trajan günstigen Aussagen bei SYME, SIR RONALD, Emperors and Biography: Studies in the Historia Augusta Oxford (1971) 91-3,101,103,106,111.

111 damit begründet (numinum assensu ist ablativus causae!), dass auch die Zustimmung der Götter vorliege – wobei man natürlich gern wüsste, worin Ammian diese gegeben sah -.

Damit dürften sowohl die Übersetzungen von SEYFARTH 1,179 („Nach unserer Meinung läßt es sich mit keinem anderen Bauwerk unter dem Himmel vergleichen und verdient sogar nach der Meinung der Gottheiten Bewunderung“) als auch BÜCHELE („die, unserem Bedün- ken nach, selbst die Bewunderung der Götter verdient“) und ROLFE (1935) 251(„and admi- rable even in the unanimous opinion of the gods“) korrekturbedürftig sein, während DE

JONGE (1972) 132 („admirable also on the basis of the evident approval of the gods“) das Richtige trifft. Damit bleibt allerdings noch das Problem der Beziehung von ut opinamur: Ich würde meinen, dass für Ammian kein Anlass besteht, sein Urteil über die Einzigartig- keit des Trajansforums abzuschwächen, bzw. einzuschränken, während ein derartiger Vor- behalt bei Aussagen, die die Götter betreffen, durchaus angebracht ist. - Ähnliches „Ein- greifen“ der Götter auch 22,8,3: ad Ausoniam veterem ductu numinum properavit Aeneas; 24,4,24: existimabatur Mars ipse, si misceri hominibus numina maiestatis iura permittunt, affuisse castra Lucanorum invadenti Luscino. (Beide exempla in weit zurückliegender Ver-

257 gangenheit (!)). - d) CASSIOD.. Var. 7,6: Traiani forum vel sub assiduitate videre miracu-

258 lum est: Capitolia celsa conscendere hoc est humana ingenia superata vidisse. PAUL.

DIAC. Vita Gregorii 24 (PL 75, 56f.) (in der Erzählung von der Befreiung der Seele Trajans auf Fürbitten Gregors d.Gr.) cum quadam die per forum Traiani, quod opere mirifico con-

257 Ein Eingreifen der Gottheit in den Gang der Ereignisse erwähnt AMM. 14,11,12: Gallus verlässt Antio- cheia numine laevo ductante; 16,12,62: nach der Schlacht von Straßburg: quibus ita favore superni numi- nis terminatis; 25,8,3: beim Rückzug aus Persien: tandemque universi praeter mersos ad ulteriores veni- mus margines favore superi numinis discrimine per difficiles casus extracti; 29,5,40: Theodosius sen. han- delt erfolgreich mit Hilfe der Gottheit; 29,6,7: ein propitium numen begleitet das Handeln des Messala, so dass die Tochter des Constantius vor Gefangennahme durch Barbaren gerettet wird; 31,10,18: Sieg Gra- tians mit Hilfe der Gottheit; 31,16,4: hoc casu caeleste reppulit numen. Daneben mehrere Stellen, an de- nen die Hilfe der Götter oder der Gottheit erwartet, bzw. erbeten wird (14,10,12;17,13,28;21,13,14; 27,6,826,6,9) oder deren Eingreifen angenommen oder zur Begründung angeführt wird (19,12,12;21,14,3; 25,10,1). - Für die Interpretation der jeweiligen Stelle ist es unerheblich, ob sich darin eine spezifische Religiosität Ammians ausdrückt, oder ob es sich um literarisch-historiographische Konvention handelt. 258 „Das Forum Trajans ist ein Mirakel, mag man es noch so lange betrachten, und wer zum erhabenen Kapitol hinansteigt, sieht ein Werk, welches über das menschliche Genie erhaben ist.“ [Übersetzung nach FERDINAND GREGOROVIUS, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 1859–1872. Neuausgabe 2. Aufl. Mün- chen 1988, I, 139] - Bauers Behauptung [BAUER (1996) 128: „Polemius Silvius nahm es [gemeint ist das Trajansforum] in seine Liste der Sieben Wunder Roms auf 177. 177 Polem. Silv. 545.“] muss ein Versehen sein (mit FRANCESCO ALBERTINI: Septem mirabilia orbis et urbis Romae et Florentinae, 1510?): Im Laterculus des Polemius Silvius [MGH AA 9. Chronica minor. saec. IV.V.VI.VII.(I) 545 ist die (Basilica) Ulpia unter den 11 Basiliken aufgeführt, quae sint Romae. - Cassiodor hebt aus der Gesamtheit der Bauwerke Roms, die alle besonders bewunderswürdig sind (quamvis Romuleae fabricae collatae sibi vix possit praecipuae reperiri, quia totum ad ammirationem noscitur exquisitum, quod ibi cernitur esse fundatum) Trajansforum und Kapitol (gegenüber Ammian in umgekehrter Reihenfolge) heraus. Wie sehr in solchen Passagen das rhetorisch-argumentative Moment im Vordergrund steht, ist bei Cassiodor daran erkennbar, dass auch diese beiden „Superlative“ im folgenden noch durch die Wasserleitungen in Rom übertroffen werden, indem deren gesundheitsfördernder Aspekt hinzugenommen wird, und dass auch im 6.Jh. n.Chr. bei der Auswahl der Vergleichsobjekte der Aspekt „christlich-pagan“ überhaupt keine Rolle spielt.

112 stat esse extructum, procederet. - e) LUMBROSO (1924) 31 verweist auf HOM. Odyss. 5,73– 75: (Hermes kommt zur „wunderschönen“ Insel der Kalypso, um den Auftrag der Götter zu überbringen, dass Odysseus heimkehren solle): ἔνθα κ᾿ ἔπειτα καὶ ἀθάνατός περ ἐπελθὼν / θηήσαιτο ἰδὼν καὶ τερφθείη φρεσὶν ᾗσιν. / Ἔνθα στὰς θηεῖτο διάκτορος ἀργειφόντης. [„Da würde dann selbst ein Unsterblicher, wenn er dorthin kommt und es sieht, schauen und sich in seinem Herzen freuen . Da blieb der geleitende Argostöter stehen und schaute.“] Bei Ho- mer ist das Staunen nicht ausdrücklich genannt, weil es in der „Handlung“ des Stehen- bleibens ausgedrückt ist. - haerebat attonitus: a) In der praefatio der Notitia urbis Con- stantinopolitanae wird als Ziel der in dieser Schrift gelieferten Zusammenstellung genannt: ut admirantis intentio singulis edocta monumentis, amplitudine quoque tantae felicitatis attonita fateatur huic urbi nec laudem sufficere nec amorem [„dass die Aufmerksamkeit des Bewundernden, belehrt durch die einzelnen Denkmäler, „angedonnert“ auch durch den Umfang eines so großen Glückes, bekennt, dass dieser Stadt weder der Lobpreis noch die Liebe genügen“]. - Passio Sanctae Salsae, XIII. (p. 100; zz.16–18) (als Wirkung der Lek- türe eines Wunderberichtes): verum quae postmodum miraculi magnitudo martyris merito fuerit subsecutum, attonitus lector et auditor cautus, ausculta. - b) VERG. Aen. 5,529: atto- nitis haesere animis (die Aeneaden beim Anblick eines brennenden Pfeiles, der mit einem

259 Kometen verglichen wird). CORIPP. Iohann. 8,210: attoniti siluere viri. - c) Zum Zusam- menhang von attonitus und stupor vgl. SERV. Aen. 3,172: attonitus … est stupefactus; nam proprie attonitus dicitur, cui casus vicini fulminis et sonitus tonitruum dant stuporem.

VERG. Aen. 3,172: talibus attonitus visis et voce deorum; 4,282: attonitus tanto monitu im- perioque deorum. APUL. met. 1,8: in stuporem attonitus; 2,13: attonitus [et] repentinae visi- onis stupore. (vgl. ThLL II s.v. attonitus 1154–1158 (MÜNSCHER)) - per giganteos contex- tus circumferens mentem nec relatu effabiles nec rursus mortalibus appetendos: a) giganteus,-a,-um (griech. γιγάντειος) meton. für „riesenhaft“ vor allem in der Dichtung seit augusteischer Zeit (vgl. vor allem OV. Fast. 5,555: (der Tempel des Mars Ultor auf dem Forum des Augustus) Digna Giganteis haec sunt delubra tropaeis (Die Giganten türmten Berge (Olymp, Ossa, Pelion) übereinander, um den Himmel zu ersteigen (!)); weitere Stel- len bei DE JONGE (1972) 132 nach HAGENDAHL (1921) 41), wobei die Verbindung zum Rie- sengeschlecht der Giganten (Γίγαντες; vgl. DKP Bd. 2, s.v. Gigantes, 797f. [H. VON GEI-

260 SAU]) wohl immer erhalten blieb (vgl. auch Claudians Gedicht „Gigantomachia“) . - Vgl.

259 Nach RIEDLBERGER (2010) 240 zur Corippstelle ist attonitus = attentus. Nach meiner Meinung ist auch ca. 200 Jahre später eine solche Bedeutungsabschwächung nicht möglich (auch der Hinweis auf CORIPP. Iohann. 4,400f. (conticuere citi intentique magistrum /suspexere viri) ändert daran nichts, sondern belegt nur, dass Coripp variiert). 260 Curiosum am Rande: Die Junktur giganteam manum bei SYMM. or. 2,21 lässt natürlich die Verbindung

113 RUT. NAM. 1,99–100 (von den Aquädukten in Rom): hos potius dicas crevisse in sidera montes, / tale Giganteum Graecia laudat opus. Vgl. auch SYMMACH. Orat. 2,21 (im Zusam- menhang mit Bauten und Stadtgründungen Valentinians im Rheingebiet): prodidit vetus fabula, giganteam manum quondam montanas turris intulisse sideribus.261 - b) Contextūs = aedificia v.s. nur an dieser Ammianstelle (vgl. VIANSINO (1984) 370; ThLL IV s.v. contextus

262 694,66-695,46 [JACOBSOHN], Zeile 65f.) - c) circumferens mentem (Die Junktur bei Ammi- an nur an dieser Stelle; vgl. aber 29,2,7: (Heliodorus) os circumferens vultuosum omnibus- que formidatum) sicherlich nicht nur (DE JONGE 132) „unusual term for: oculos (vultus) circumferre“, aber auch nicht nur die geistige Tätigkeit bezeichnend (SEYFARTH 1,179: „und seine Gedanken schweiften um die gewaltigen Konstruktionen“), sondern beides in einem Ausdruck konzentrierend gibt Ammian damit ein weiteres Beispiel für sein Streben nach brevitas. Zum Vorgang vgl. auch LIV. 5,41,4 (Die Gallier unter Führung des Brennus in Rom) circumferentes oculos ad templa deorum arcemque solam belli speciem tenentem.263 - d) effabilis vielleicht von Apuleius übernommen264, wo es überhaupt zum ersten Mal vor- kommt (apol. 64; ThLL V.2.1 125,73–126,9 (BANNIER)), bei Ammian nur an dieser Stelle

265 (CHIABÒ 234). - e) mortalibus aus der Dichtersprache übernommen für hominibus (Men- schen); zum auktorialen Kommentar in Form eines Gerundivs vgl. auch zu 26,7,11: aliud veloci diligentia maturandum. - f) Das Verbalsubstantiv relatus, selten vorkommend seit

zum mythischen Hintergrund noch viel deutlicher erscheinen; vgl. auch OV. Fast. 5,555: Giganteis … tropaeis; SIDON. carm. 6,7: Gigantei ... belli. [GERNENTZ (1918) 52f.] 261 Es ist schwer zu beurteilen, ob das Attribut giganteus nur die schiere Größe bezeichnet oder ob auch noch der mythologische Hintergrund (Die Giganten versuchen mit dem Aufeinandertürmen von Pelion und Ossa, also ebenfalls einem „Bauwerk“, den Himmel einzureißen (vgl. VERG. Georg. 1,278–280), sind somit die Gottlosen) da ist. Vielleicht ist Ammian dem Vorwurf, Trajan habe Ähnliches wie die Giganten versucht, zuvorgekommen, indem er vorher erklärt hat, das Bauwerk habe auch die Zustimmung der Göt- ter. - Bei Symmachus jedenfalls ist die Tat der Giganten zwar zur vetus fabula erklärt, aber indem sie zum Kontrastprogramm zu Valentinians Tun wird, ist sie weit davon entfernt, den Bezug zum Mythos zu ver- lieren. 262 Ammian verwendet contextus noch 23,6,2 und 30,7,4. Vgl. dazu DEN BOEFT 134 zu Ammian. 23,6,2. 263 Der Ausdruck wohl letztlich wieder auf Vergil zurückgehend: VERG. Aen. 3,490: sic oculos, sic ille ma- nus, sic ora ferebat (zitiert in: DONNA TARTT: The Secret History, zuerst veröffentlicht 1992, im ersten Ka- pitel, um den Eindruck zu beschreiben, den das Verhalten des Prof. (of Classics (!)) Julian Morrow in einer bestimmten Szene auf den Protagonisten macht). 264 So HERTZ (1874) 268. Hertz verweist aber auch auf VERG. Aen. 3,621 (ipse [gemeint ist der Zyklop] arduus, altaque pulsat sidera … nec visu facilis nec dictu adfabilis ulli), wo auch die Lesart effabilis überliefert ist. Ammian könnte durchaus die vergilische Wendung nachgeahmt haben (durch nec … nec gegliedertes Dikolon, mit in einem Kolon dem Adjektiv vorangestellten Supinum). 265 THEMIST. orat. 13,177d: τυχὸν γὰρ οἱ ὑμέτεροι ὀφθαλμοὶ οὕτως ὁρῶσιν, ἡ κλεινὴ καὶ ἀοίδιμος Ῥώμη πέλαγος εἶναι κάλλους ἄφραστον καὶ ἀνεξήγετον, ἧς ἐγὼ θεατὴς μετὰ τοὺς καλοὺς νέους καὶ τοὺς καλοὺς νόμους. [„Denn vielleicht sehen eure Augen so: die berühmte und vielgepriesene Roma scheint ein unaussprechliches und unergründliches Meer von Schönheit zu sein; diese (gemeint ist die Roma) zu schauen komme ich mit den schönen jungen Männern und den schönen Gesetzen.“]. SABBAH (1978) 352 und Anm. 19 sieht hier eine der „ressemblances textuelles“ (dazu rechnet Sabbah auch 178b: σύγκλητος ἀγορὰ θεῶν, vgl. Ammian. §5: senatus non multitudo regum ...).

114 Seneca, bei Ammian noch 20.8,4.266 - Traiani equum ... locatum in atrii medio: Das Reiterstandbild bildete das Zentrum des Forumplatzes, der hier sozusagen als das atrium des gesamten Komplexes und speziell der basilica Ulpia angesehen wird, wobei der Fo- rumsplatz zumindest im zentralen Teil wohl von Denkmälern freigehalten war (vgl. sōlum), sicherlich um die Wirkung des Reiterstandbildes zu steigern (so wie heute beim Reiter- standbild Hadrians auf dem Kapitolsplatz). Diese Einschränkung (solum) ist notwendig; denn auch das Trajansforum wird wie alle anderen Fora auch, ein bevorzugter Platz für die

Aufstellung von Statuen u. ä. gewesen sein [Vgl. L. FRIEDLÄNDER, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, 3, Aalen 1964 (Neudruck der 10. Auflage der Ausgabe Leipzig 1923) 75 und spez. Anm. 13 (mit dem Hinweis auf die zahlreich auf diesem Forum gefun- denen Postamente; auf diesem Forum auch die Statuen des Rhetors Marius Victorinus und des Dichters Claudianus aufgestellt [L. FRIEDLÄNDER , a.a. O. 79; AUGUSTIN. conf. VIII 2,3

(vgl. HIERON. Chron. z. J. Abr. 2370); CIL VI 1710 = Dessau 2949 (vgl. CLAUDIAN. de bell. Poll. praef. 7ff.)] - Die Grabungen und archäologischen Forschungen auf dem Trajansfo- rum von 1991–97 und 1998–2000 haben ergeben, dass das Reiterstandbild nicht genau im Zentrum des Platzes gestanden hat, sondern von diesem aus in der Achse des Platzes etwa 25 m nach Süden verschoben war. Die Fundamentgrube misst 3,76 x 7,54 m. Daraus hat man als Basisfläche ein Rechteck von 2,26 x 6.04 m als Standfläche für das Reiterstandbild errechnet, und zwar in einer Höhe von 3,60 m über dem Pflaster des Platzes. Indem man diese Zahlen ins Verhältnis zu den am Reiterstandbild des Marc Aurel gewonnenen gesetzt hat, ist man zu dem Schluss gekommen, das Reiterstandbild des Trajan ist ca 1,6 bis 1,7 mal größer gewesen als das des Marc Aurel, was ein Höhe von 10 bis 12 m für das gesamte Denkmal ergibt. - Das Pferd steht, mit einer Vorderpfote erhoben, der Reiter hält in der rechten Hand eine umgekehrte Lanze, mit der Spitze zur Erde und in der linken das Bild einer Viktoria [von Münzabbildungen rekonstruiert, vgl. MENEGHINI (2001) 253-54; dort auch 253 eine hypothetische Rekonstruktion in Fig.5]267. - imitari se velle dicebat et pos- se: a) Auffallende Verbindung zweier Modalverben bei Ammian auch 14,11,9 (rem publi- cam nec posse dividi nec debere); 18,8,8 (ambigentes, cuinam deberet aut posset occurri). - b) Die Absicht, der Wille oder die Bemühung, jemanden nachzuahmen, auch 16,2,5: fi- dentius Caesar (gemeint ist Julian) audaciam viri fortis imitari magnopere nitebatur, ne

266 Vgl. VIANSINO (1984) 365, der zwei Stellen bei Symmachus anführt (epist. 4,55;9,71). Vgl. auch ENNODIUS 23,20: relatu digniora. 267 Vgl. auch E. BABUT, Les statues équestres du Forum, in: MEFR 20, 1900, 209–222; J. BERGEMANN, Römische Reiterstatuen, Mainz 1990; KERSTEN, MARKUS/SYRÉ, EVELYN: Trajan, sein Pferd, sein Triumph und ein verschlungener Weg zu den Göttern. Zur Poetik der Apotheose im Panegyricus des jüngeren Pli- nius, in: Göttinger Form für Altertumswissenschaft 16 (2013) 419-436

115 qua interveniat mora, adhibitis catafractariis solis et ballistariis parum ad tuendum recto- rem idoneis percurso eodem itinere Autosudorum pervenit (Zu den Bezügen zwischen dieser Stelle und 16,10 vgl. die Interpretation.); 28,1,13 (Maximinus) ideoque pedes huc et illuc exsultando contorquens saltare, non incedere videbatur, dum studebat inter altaria celsius gradientes, ut quidam memorant, imitari Bachmanas; vgl. hierzu auch die Inter- pretation. - c) In der Nähe der Curia fand sich die Basis für ein Reiterstandbild des Con- stantius (CIL VI 1158 (= ILS 731)268, gestiftet vom Stadtpräfekten Neratius Cerealis (der a.d. VI kal. Oct. a. 352 (26. Sept.) bis a.d. VII id. Decembr. a. 353 (7. Dez.) Stadtpräfekt war), also in der Zeit, als Magnentius Italien hatte verlassen müssen und Constantius sich dieses Reichsteils bemächtigt hatte.269 - d) Im Zuge der von Theodosius I. betriebenen Re- habilitation seines Vaters, Theodosiusʼsen., hatte der römische Senat im Jahre 384 be- schlossen, Theodosius sen. zum divus zu erheben und Reiterstandbilder des Theodosius aufzustellen (SYMM. Relatio 9,4: familiae vestrae et stirpis auctorem, Africanum quondam et Brittannicum ducem statuis equestribus inter prisca nomina consecravit). Es besteht kein Grund, warum dieser Beschluss nicht durchgeführt worden sein sollte. Allerdings ist weder über die Platzierung noch über die Ausführung dieser Reiterstandbilder etwas bekannt. Vgl. auch die Interpretation. 10,16: cui prope astans regalis Hormisdas: a) Vgl. 14,7,5: (Gallus) consularem Syriae Theophilum prope astantem ultima metuenti multitudini dedit. 30,8,8: (Themistocles) ad comitum quendam prope adstantem versus. - b) regalis270 hier „königlicher Prinz“, „Prinz aus königlichem Blut“ (vgl. DE JONGE (1972) 133: royal prince, prince of royal blood); vgl. auch 19,1,5 (comitante cohorte regali). Hormisdas ist der Sohn des gleichnamigen Perser- königs (König 302–309 n. Chr.); während der Auseinandersetzungen um die Nachfolge seines Vaters wurde er gefangengesetzt, wurde später befreit und floh um 324 zu Constan- tin d. Gr. Von Constantius II. wurde er zum Führer einer Kavallerieabteilung gemacht und nahm auch auf römischer Seite am Perserfeldzug Julians teil. - [DKP s.v. Hormisdas 1.,

1226 [J. DUCHESNE-GUILLEMIN]; PLRE 443 HORMISDAS 2; SEYFARTH 1, 297 Anm. 125; DEN

268 Restitutori · urbis · Romae adque orbis et extinctori · pestiferae · tyrannidis / d · n · Fl · Iul · Constan- tio · victori · ac · triumfatori / semper · Augusto / Neratius · Cerealis · v · c · praefectus · urbi / vice sacra iudicans · d · n · m · que · eius. - Vgl. dazu auch BAUER (1996) 74; VITIELLO (1999) 399. „Von der konstan- tinischen bis zur theodosianischen Dynastie ist für jeden Kaiser mindestens eine Statue [auf dem forum Romanum] belegt.“(BAUER (1996) 72; Nachweise im Anhang 402-404) 269 Im Gegensatz zum Equus Domitiani, der im Zentrum des Forum plaziert war, hatten sowohl das Reiter- standbild Konstantins als auch das des Constantius einen weniger den Gesamteindruck des Forum störenden Platz neben der Straße am Bogen des Septimius Severus. Vgl. BAUER (1996) 74; BAUER (1999) 232f. (Wahl des Aufstellungsortes bestimmt „durch optische Flucht der Zugangswege“, was nicht der von demselben Verfasser in der Arbeit von 1996 gegebenen Erklärung widerspricht.); HUMPHRIES (2003) 17. 270 ZOS. 2,27,1: τοῦ βασιλείου γένους

116 BOEFT u.a. (2005) 8f. zu AMM. 25,1,2; DEMANDT (1970) 581] - c) PIGHI (1936) 34 bezeichnet 16,10,15–16 als „colloquio“ zwischen Constantius und Hormisdas und verweist auf 21,5, 11-12 (Julian und Nebridius); 22,14,4–5 (Julian und Theodotos); 18,8,5-6 (Antoninus und Ursicinus); 30,11,12 (Faustinus und Nigrinus); 29,3,6 (Valentinian und Theodosius sen.); 18,1,4 (Julian und Delphidius); 29,5,46 (Theodosius sen. und Igmazen). - cuius e Perside discessum supra monstravimus: Persis (nach griech. Περσίς),-idis oder -idos (griech. Genetivendung)[Ammian benutzt beide Formen, z.B. 18,4,1 Persidis, 23,6,73 Persidos] ist zunächst im engeren Sinne die Landschaft Persis, eine Satrapie des Achämenidenreiches, damit ebenso des Alexanderreiches und des Seleukidenreiches; dann aber auch die Be- zeichnung für den gesamten Sasanidenstaat [z.B. 28,4,1: rex ... Persidis (gemeint ist Sapur)], wie andererseits Ammian in seinem Exkurs über Persis (23,6) [gemeint das Sasa- nidenreich] den Begriff auch noch zweimal in diesem engeren Sinne benutzt (23,6,14 und 41). Hier dagegen im weiteren Sinne, so wie umgekehrt Ammian auch Parthi für Persae und Parthia für Persis benutzt271. - Monstravimus ist der bei Schriftstellern übliche sozia- tive Plural, vgl. oben zu ut opinamur. - Von Hormisdasʼ Flucht muss in den verloren-

272 gegangenen Büchern die Rede gewesen sein. ZOS. 2,27 erzählt die Geschichte von der Flucht des Hormisdas, zunächst zum König der Armenier und dann von da aus zu Kon- stantin, wie eine der Geschichten aus Herodot oder auch aus Tausendundeinenacht mit zahlreichen romanhaften Zügen, von denen einer bis heute sich in Karikaturen größter Be- liebtheit erfreut, dass nämlich die Frau des Hormisdas im Magen eines Fisches eine Feile in das „Gefängnis“ geschmuggelt habe, wobei Zosimus, wohl im Bewusstsein des fiktiven Charakters seiner ganzen Erzählung den Anlass in weit zurückliegende Zeiten verlegt und auf persönliche Ressentiments zurückführt – Hormisdas bedroht die persischen Großen, weil er sich von ihnen gekränkt fühlt – und den eigentlichen Anlass – Thronstreitigkeiten beim Tod des Königs, indem der jüngere Sohn sich nicht von der Macht ausschließen las- sen möchte – nur als den Augenblick beschreibt, in dem die Kontrahenten des Hormisdas endlich die Möglichheit erhalten, sich zu rächen. Dass sich Zosimus des fiktiven Charak- ters bewusst war, verrät die Übergangsformel zum Folgenden [ἀλλὰ ταῦτα μὲν ὅπως ἔσχεν ἀφηγησάμην: aber das habe ich erzählt, wie es (tatsächlich) war]. 273 - c) Das Motiv, dass

271 Zum Gebrauch der Begriffe bei Ammian vgl. auch DEN BOEFT u.a. (1998) 38 zu AMM. 23,3,2. 272 Alle Stellen, an denen Ammian auf Stellen aus den verlorengegangenen Büchern verweist, bei ALONSO- NUÑEZ (1975) 40–44:14,1,8;14,4,2;14,7,7;14,7,21;14,10,2;16,6,2;16,10,16;18,9,3;20,1,1;20,6,5;22,9,6;22, 13,3;22,15,1;23,5,7;23,6,24;25,4,23;27,8,4;28,3,8;29,5,16;29,5,18;29,6,1. 273 Vgl. Anhang 2. - Die Geschichte ist bei Zosimus ohne Zusammenhang mit dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Text, sondern, wie Zosimus selbst sagt, nur aus Gründen der Synchronität an dieser Stelle eingefügt.

117 der Anblick außergewöhnlicher Größe und Schönheit im Betrachter dazu führt, dass er sei- nen ursprünglichen Plan aufgibt, kehrt bei Ammian noch einmal wieder: 31,16,7 (nach dem Sieg bei Adrianopel versuchen die Goten, Konstantinopel einzunehmen) cum muro- rum ambitum insularumque spatiis immensis oblongum et inaccessas pulchritudines urbis et incolentium plebem considerarent immensam iuxtaque fretum, quod Pontum disterminat et Aegaeum [„als sie das weite Oval der Mauern und der unermesslich geräumigen insulae (Wohnblöcke; Stadtteile), die unzugänglichen Schönheiten der Stadt und die unermessliche Menge ihrer Bewohner in Betracht zogen, dazu das Meer (die Meerenge), das (die) das Schwarze Meer und das Ägäische Meer trennt“], da brachen sie ihre Belagerungsvorberei- tungen ab und zogen plündernd durch die nördlichen Provinzen.274 - astu gentili: a) Eigent- lich ist nur schwer zu erklären, wie astu (allgemein akzeptierte Konjektur des Valesius) zu a gustu (Lesart von V) verschrieben worden sein soll. - b) Astus im Altlat. nur im Abl. (vgl.

L.-H.-SZ. 116f.; ThLL II s.v. astus 983,9– 984,73 (MÜNSCHER); RIEDLBERGER (2010) 123), gar nicht vor den Augusteern, von diesen wieder aufgenommen, auch viermal bei Livius, bei Seneca zum ersten Mal im Akk. pl., im Nom. Sing. zuerst bei Silius. - c) Im übrigen findet sich bei WAGNER (2.p.217; zitiert bei DE JONGE (1972) 135) nur die allgemein gehaltene Bemerkung: „Sane astum Persis ubique tribuit Marcellinus, et in hoc responso inest astus non vulgaris“[„In der Tat legt Marcellinus den Persern überall astus bei, und in dieser Antwort liegt ein nicht gewöhnlicher astus“]. Dagegen werden keine Stellen angeführt, an denen Ammian Beispiele für diesen astus gäbe [Im Persienexkurs (23,6) mag dem am ehesten die Bezeichnung als callidi entsprechen (§80)]. Worin liegt im übrigen die „Schläue“ oder „Gewandtheit“ oder „Hintergründigkeit“ der Bemerkung des Hormisdas? - Astus gentilis äquivalent zu astus gentis (adjektivisches Attribut statt Genetivattribut), vgl. 24,1,13275 (auf Julians Perserfeldzug) et cui per regiones ignotas de obscuris erat suspec- tior cura, astus gentis et ludificandi varietas timebatur [„und wer in unbekannten Gegen- den sich an sich schon argwöhnischer (als üblich) um Unklarheiten kümmerte, der fürch- tete (dazu noch) die Verschlagenheit dieses Volkes und seinen Einfallsreichtum, (den Feind) zu täuschen“], wobei es sich hier um den üblichen Barbarentopos hinsichtlich der Kriegführung handelt. 31,12,9: (Verhandlungen mit den Goten vor der Schlacht von Adria- nopel) eiusdem regis (gemeint ist Fritigern) ... qui astu et ludificandi varietate nimium sollers ... (ebenfalls Barbarentopos). Vielleicht am ehesten vergleichbar 31,10,21 (in der Retrospektive qualifiziert Ammian das Handeln des Maurus, als er Julian gegen dessen

274 Hinweis auf diese Stelle bei WARREN BONFANTE (1964) 424 Anm. 47 (in anderem Zusammenhang). 275 Stelle angeführt im Kommentar bei VIANSINO (2001) 332.

118 Willen mit dem torques krönt, als astu arroganti, d.h., Julian wird „ausgetrickst“; zum „Tricksen“ des Hormisdas vgl. die Interpretation.276 Außerdem pleonastisch in 15,5,5 (astu callido) und topisch über die Kriegführung der Nicht-Römer in 17,13,27 (non congressi- bus nec armis fretus aut viribus, sed latrociniis assuetus occultis, astu et ludificandi varie-

277 tate) [CHIABÒ 78]. - d) Gentilis in der Regel bei Ammian, um etwas als nicht-römisch zu bezeichnen (wie im Griechischen ἐθνικός im Gegens. zu Ῥωμαῖος, vgl. RIEDLBERGER (2010) 112), vgl. für die Alamannen 16,12,65 (Chnodomarius gentili ... prece veniam poscens); 18,2,13;30,3,4; für die Quaden und Sarmaten 17,12,12 und für die Gothen 31,4,4.278 - e) Vgl. auch 26,4,1 (Dagalaifus zu Valentinian, als man fordert, Valentinian möge sich sofort einen Kollegen zur Seite stellen): si tuos amas, inquit, imperator optime, habes fratrem, si rem publicam, quaere quem vestias. - stabulum tale condi iubeto: sog. Imperativ des Fu- turs (imperativus futuri, vgl. LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR I, 340/341), der schon in früh- nachklassischer Zeit mit dem Imperativ vermengt wurde, was „recht bald zu ihrem völlig unterschiedslosen Gebrauch“ führte.279 - quem fabricare disponis: disponere (in der Be- deutung „anordnen“) c. infinitivo auch AMM. 25,6,14; 28,1,12; mit ut + Konjunkt. 16,12,27; mit A.c.i. 24,1,6. Hier „sich vornehmen“, „sich entscheiden“, vgl. AMM. 17,2,2 (ebenfalls mit Infinitiv); SULP. SEV. dial. 1,8,3; HEGES. 5,42,5. - equus ... ita late succedat: WAGNER: pedes proiciat (soll wohl heißen: das Pferd soll seine Füße (Hufe) so weit ausstrecken

(können); damit ist late richtig erklärt, aber es fehlt noch eine Erklärung für succedere; BÜ-

CHELE: „muss eben so weiten Spielraum haben“ erklärt ebenfalls late, aber nicht succedat. Zur Bedeutung von succedere an dieser Stelle vgl. die Übersetzung und die Interpretation. - 28,4,10: peregrinum ... interrogatum ..., ad quam successerit domum; 24,2,17: Aemili- anus enim testudine lapidea tectam successerat portam. Pan. Lat. 2(12), 8,4: nec pari in- dole Hannibal puer tentoria Hispana successit; 10,2: Vix tecta Hispana successeras [ge- meint ist Theodosius I.]: iam Histro praetendebas. - iste: nach DE JONGE (1972) 136 = hic;

276 Zu derartigen „Eigenschaften“ eines ganzen Volkes vgl. z.B. auch HERODIAN. 2,7,9: φύσει δὲ κοῦφον τὸ Σύρων ἔθνος, vor allem aber 3,11,8 (von einem Chiliarchen) καὶ γὰρ ἦν τῷ γένει Σύρος, δριμύτερο δ᾿ ὡς πρὸς τὰς ἐννοίας οἱ ὑπὸ τὴν ἀνατολὴν ἄνθρωποι. 277 Zum Gegensatz viribus – astu vgl. auch schon ENNIUS ann. 98 (astu non vi sum (=eum) summam servare decet rem [„es gehört sich, dass er mit Schläue, nicht mit Gewalt die höchste Sache (= Staat) bewahrt“]. 278 EDBROOKE (1975) 413 führt zu diesem Gebrauch von gentilis auch CTh 3,14,1; 11,30,62 an. 279 Ähnlich abwertend ein (Pferde)Stall in einer Anekdote bei PAULINUS von Mailand, Vita Ambrosii 31: (vor der Schlacht am Frigidus) Promiserat enim Arbogastes tunc comes et Flavianus praefectus Mediolano egredientes, cum victores reversi essent, stabulum se esse facturos in basilica ecclesiae Mediolanensis atque clericos sub armis probaturos; sed miserandi homines cum daemonibus suis male creduli sunt et aperiunt os suum in blasphemiam apud Deum. [Vgl. PFEILSCHIFTER (2014) 115f. - Annales Fuldenses zum Jahre 881: At illi (gemeint sind die Normannen) instaurato exercitu et amplificato numero equitum plu- rima loca in regione regis nostri (gemeint ist Ludwig III.) vastaverunt, hoc est Cameracum (Cambray), Traiectum et pagum Hasbanicum totamque Ripuariam, praecipua etiam monsteria, id est Prumiam, Indam, Stabulaus, Malmundarium et Aquense palatium, ubi in capella regis equis suis stabulum fecerunt.

119 nach meiner Meinung aufgrund des verächtlichen Nebensinnes (vgl. die Interpretation) in keiner Weise auffallender Gebrauch, vgl. H. MENGE, Repetitorium der lateinischen Syntax und Stilistik, Wolfenbüttel 1914, S.219 und S. 220; Anm. 4; L.-H.-SZ. 184. - is ipse inter- rogatus, quid de Roma sentiret: a) „eben dieser“, vgl. MENGE, a.a.O. 228; L.-H.-SZ. 187

(„umgangssprachlich“) - b) Zur Form vgl. auch FLOR. 1,13,20 (zitiert zu §5) - c) Obwohl Rom in der ganzen Geschichte immer präsent ist, wird, im Gegensatz zu den Dichtungen Claudians, Roma niemals zur allegorischen Gestalt, die spricht (und sich beklagt). - id tan- tum sibi placuisse aiebat, quod didicisset ibi quoque homines mori: a) V liest placu- isse; Valesius sagt, er habe im Codex Regius (gemeint ist Paris. Lat. 6120) von zweiter Hand am Rande displicuisse gefunden. Alle modernen Herausgeber haben die Lesart von V beibehalten. Erst jüngst hat sich CAMERON (1989) 432f. wieder für displicuisse entschieden. Die Übernahme von Valesiusʼ displicuisse bedeutet, dass Hormisdas bedauert (vgl. Came- ron a.a.O. 433 „Hormisdas is regretting“), dass die Leute in Rom sterben. Es bedeutet gleichzeitig, dass die Äußerung des Hormisdas keinen Sarkasmus und keine Boshaftigkeit enthält (so die übliche Auslegung bei Beibehaltung von placuisse, vgl. z.B. SEYFARTH 1,297 Anm. 127: „Der Perserprinz macht sich mit dieser boshaften Bemerkung über den Kult lustig, den die Römer mit ihrer ˹Ewigen Stadt˺ trieben.“ EDBROOKE (1975) 416: "This is the type of sarcastic comment about Rome that Ammianus may have expected an eastern sup-

280 porter of Constantius to make."). - b) *TAC. Ann. 3,6,3 (um das Übermaß der Trauer über den Tod des Germanicus einzuschränken, erinnert Tiberius in einem Erlass daran) princi- pes mortales esse, rem publicam aeternam esse. [Vgl. dazu SINCLAIR (1995) 10] 10,17: multis igitur cum stupore visis horrendo: a) Zu igitur vgl. zu §4. - b) Durch das Hyperbaton wird das Attribut horrendo hervorgehoben; die auffallende Wortstellung könnte allerdings auch durch den Cursus bedingt sein [horréndo vísis ergibt keinen der bekannten Cursus; vísis horréndo dagegen einen cursus planus]. - c) Horrendus,-a,-um ist sozusagen ein Lieblingswort bei Vergil, sowohl zur Kennzeichnung von Personen (Aen. 3,658 (Polyphem); 4,181 (Fama); 3,679 (Kypklopen); 6,10 (Sibyllen) u.ö. als auch von all dem, was beim Menschen, bzw. einem Betrachter horror auslöst, kommt aber auch bei

Horaz und Ovid häufiger vor, und ist zunächst vor allem in der Poesie geläufig [GEORGES 1,

280 Keine Bestätigung, aber ein beachtenswerter Hinweis für die Beibehaltung der Lesart von V: Ein Bruder von Giacomo Leopardi, Autor einer Elegie, geschrieben 1816 wegen des Todes seiner Cousine Cune- gonda Antica in Rom, gerichtet an deren Vater, den Marchese Carlo, schreibt : „Dalla città dei Cesari e dei pontefici giunge fino a noi una voce lamentevole, che annunzia la morte di una tenera ed innocente fan- ciulla. Come? Io esclamai, dunque si muore ancora nella città immortale? ... Come? lʼuomo cade mentre restano in piedi gli edifizi immensi che son opera dell uomo? ... .“ (GIUSEPPE PIERGILI, Nuovi documenti ecc., Firenze, Le Monnier, 1882, p. XX).2 (vgl. LUMBROSO (1924) 32f.).

120 3078; ThLL VI s.v. horreo 2976,22–2983,42 (EHLERS), spez. horrendus 2981,71–2983,42]. - imperator de fama querebatur ut invalida vel maligna: a) V liest imperator i fama. Die Verbesserung zu de scheint notwendig; vgl. 31,8,8: de te, Fortuna, ut inclementi quere- batur et caeca.[NOVÁK (1896) 17]. - b) Vgl. DE JONGE zur Stelle: = ...quae invalida et maligna esset (die schwach oder bösartig sei; Relativsatz mit kausalem Nebensinn) = quasi inv. vel mal.esset (da sie ... sei); kausales ut beim Adjektiv bei Ammian sehr beliebt und trotz der Entsprechung von ὡς im Griechischen nicht unbedingt ein Gräzismus, da auch bei Tacitus vorkommend. Gemeint ist insgesamt, dass die fama im Falle Roms letztlich der Wirklichkeit nicht nahe kommt.281 - c) Zur Personifikation der fama vgl. 18.6,3 (fama cele- ritate praeventa); Constantius unterstellt der fama, sie handele, wie zahlreiche Personen in den Res gestae Ammians handeln, die denunzieren und verleumden und dies aus reiner

Böswilligkeit tun, vgl. die Belege bei BRANDT (1999) 161 Anm. 234. - augens omnia semper in maius: in maius 15mal bei Ammian, in Verbindung mit augere auch 20,4,2: (Constantius II.) metuens, ne augerentur in maius;282 ähnliche Wendung auch 29,3,1: in maius exaggerando; 19,11,3: in maius exaggerata; 28,1,55: cuncta exteollebat in maius; 31,4,4: eruditis adulatoribus in maius fortunam principis attollentibus. Im übrigen auch von Sallust an bei den meisten Historikern: SALL. Iug. 73,5: Mari virtutem in maius cele- brare (nach THUK. 1,10,3: ἐπὶ τὸ μεῖζον ... κοσμῆσαι); LIV. 29,3,9: omnia in maius metu augente; 28,31,4: in maius verbis extollentes; 21,32,7: fama prius, qua incerta in maius vero ferri solent; TAC. Ann. 15,30,1: cuncta in maius attollens; 13,8,1: omnia in maius celebrata sunt. Vgl. auch Pan. Lat. 3(11),8,1: in maius extollere. - Vgl. auch TAC. Hist.

4,68,1: cuncta in deterius audita. - Zur Tätigkeit der fama in dieser Hinsicht vgl. AMM. 22,2,3: utque solet fama novitates augere; 14,10,14 (Constantius in einer Rede vor den Soldaten) arduos vestrae gloriae gradus, quos fama per plagarum quoque accolas extima- rum diffundet excellenter accrescens (was sonst der fama als Tätigkeit zugeschrieben wird,

283 erscheint hier als eine ihrer Eigenschaften). SYMMACH. Orat. 2,21: sed fama auxit

281 Vgl. LUMBROSO (1924) 33, der anführt PETRARCA, Lettere familiari II,14: „differiva la mia venuta a Roma temendo che gli occhi e la presenza non impicciolissero ciò che collʼ animo avea immaginato. Ma la presenza (mirabil cosa a dirsi!), lungi dal diminuire, tutto accrebbe.“ 282 Die Junktur augeri in maius bei Ammian auch 16,12,16;20,4,2 (s.o.);27,9,4; vielleicht Tacitusremi- niszenz: TAC. ann. 12,40: cuncta ut ex longinquo aucta in deterius afferebantur; ann. 3,56: modica de moribus adulescentis neque in falsum aucta rettulit; so auch schon FESSER (1932) 6. Vgl. aber auch schon LIV. 4,34,7: in maius, ut fit, celebrantes. - Daneben auch in maius accensus (16,4,1;28,1,51); in maius exaggerare (19,11,3;29,3,1); in maius extollere (28,1,55;31,4,4 (= LIV. 28,31,4); scandens in maius (17,13,28); adolescens in maius (22,15,7); crescebat in maius (25,4,4); crebescentis seditionis in maius (27,3,9); progredi ... in maius (30,9,1); dazu kommen die Beispiele, wo das Adjektiv verändert ist: in peius (14,1,6;2,1;15,3,5) vielleicht nach SALL. hist. 1,5 (in deterius composuit) und TAC. Aan. 4,6 (mutati in deterius); in melius (22,10,7;25,8,12;23,6,2) vielleicht nach SALL. hist. 2,24 (mutandum in melius servitium) und TAC. ann. 3,54; hist. 1,50;5,8 [Alle Stellen schon bei FESSER (1932) 6f.] 283 Das ist die eigentümliche Abwandlung eines alten Topos über die Tätigkeit der fama, vgl. die zu 29,5,5

121 invidiam. - quod … obsolescit: a) Zum Indikativ trotz oratio obliqua vgl. Kommentar zu

§6. Vgl. auch AMM. 18,3,2. - b) Obsolescere (wahrscheinlich zu alere gehörend [über die unsichere Etymologie vgl. Walde-Hofmann 2,197 und 1,427f. (zu exolescere)] in der Be- deutung „veralten“, „sich abnutzen“ „aus der Mode kommen“ seit AUCT. AD HER. und CIC. als Prädizierung in einem ähnlichen Gedanken bei Cicero von virtus (virtus splendet per se semper neque alienis umquam sordibus obsolescit) und Curtius von gloria (cito gloria obsolescit in sordidus hostibus). - Constantius meint, die fama habe ihn falsch über Rom informiert, sei, im Gegensatz zum optischen Eindruck, nicht in der Lage gewesen, den

284 Sonderfall Rom angemessen darzustellen. Rom als Sonderfall auch schon bei AELIUS

ARISTIDES Εἰς Ῥώμην 4: τὴν δὲ πόλιν ᾄδουσι μὲν πάντες καὶ ᾄσονται, τοσούτῳ δὲ ἐλάττω ποιοῦσιν ἢ σιωπῶντες, ὅσῳ παρὰ μὲν τὴν σιωπὴν οὔτε μείζονα οὔτ᾿ ἐλάττονα ἔστι ποιῆσαι τῆς οὔσης, ἀλλ᾿ ἀκέραιος τῇ γνώσει μένει, οἱ δὲ λόγοι τοὐναντίον οὗ βούλονται ποιοῦσιν· ἐπαινοῦντες γὰρ οὐ δεικνύουσιν ἀκριβῶς ὃ θαυμάζουσιν, ἀλλ᾿ ὥσπερ ἂν εἴ τις ζωγράφος σῶμα καλὸν καὶ περίβλεπτον ἐπιχειρῶν δεῖξαι διὰ τέχνης, εἶτα ἀπολείποιτο, πᾶς τις ἂν δὴ που φαίη λυσιτελεῖν μὴ γράφειν, ἀλλ᾿ ἢ αὐτὸ ἰδεῖν ἐᾶν, ἢ μὴ δεικνύειν αὑτοῖς ἐπὶ τὸ χεῖρον μιμούμενον, ὣς δὲ καὶ περὶ ταύτης μοι δοκεῖ τῆς πόλεως ἔχειν.285 - erga haec explicanda: erga + acc. + gerundivum (vgl. L.-H.-SZ. 377) zum ersten Male bei Ammian, z.B. 14,1,8 erga haec et similia multa scrutanda [„um das und vieles Ähnliches zu untersuchen“], 21,16,1: (über Constantius) erga tribuendas celsiores dignitates impendio parcus [„sehr sparsam darin, höhere Würden auszuteilen“], 26,8,14 [Procopius] erga alliciendas quas- dam civitates Asiae legendosque eruendi peritos auri ... segnius commoratus [„er verweilte zu träge, um einige Städte Asiens auf seine Seite zu ziehen und Leute zu sammeln, die es verstanden, Gold auszugraben“], 30,5,3 [Valentinianus] remissior erga maiores fortunas vel verbis asperioribus incessendas [„nachlässiger darin, größere (höher gestellte) Perso- nen mit recht harten Worten anzugreifen“], 31,14,2 [Valens] erga deferendas potestates vel adimendas nimium tardus [„allzu langsam, Ämter zu übertragen oder wegzunehmen“] - ut in maximo circo erigeret obeliscum: a) Zur Bezeichnung des Circus Flaminius vgl. OV.

zitierten Stellen aus Vergil und Ovid. 284 Vgl. auch PRUDENT. Peristephanon 1,73 – 75: O vetustatis silentis obsoleta oblivio! / invidentur ista nobis fama et ipsa extinguitur, / chartulus blasfemus olim nam satelles abstulit. 285 „Alle besingen die Stadt und werden sie besingen, aber sie machen sie desto geringer, als wenn sie schweigen, weder je größer noch geringer, als sie tatsächlich ist, man sie machen kann, sondern sie bleibt für die Erkenntnis unbeschädigt. Die Worte aber bewirken das Gegenteil von dem, was sie wollen. Denn wenn sie loben, zeigen sie nicht genau, was sie bewundern, sondern wie wenn ein Maler mit seiner Kunst einen schönen und ansehnlichen Körper als solchen zu zeigen versuchte, dann aber hinter seinem An- spruch zurückbliebe und daraufhin ein jeder sagen würde, es sei besser, ihn gar nicht zu malen, sondern entweder den Körper selbst sehen zu lassen oder nicht ihnen nicht zu zeigen, wenn man zum Schlech- teren hin nachahme (?), so scheint es sich mir auch mit dieser Stadt zu verhalten.“

122 fast. 2,392: quaque iacent valles, maxime circe, tuae; PLIN. Nat. Hist. 36,102 circum maxi- mum a Caesare dictatore extructum. SUET. Dom. 5: e naumachiae lapide maximus circus ... extructus est. [ThLL III 1183,79– 1188,11 (BANNIER), spez. 1184,52–74] - b) Ὀβελίσκος [demin. zu ὀβελός („Spieß“)]286 ist die griech. Bezeichnung für die monolithen spitzzulau- fenden Pfeiler vor ägyptischen Tempeln. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Kult der Sonne stehend, doch ist die genaue Bedeutung nicht bekannt. Seit Augustus wurden Obelisken immer wieder nach Rom gebracht und als Zeiger monumentaler Sonnenuhren oder als Wendemarken im Circus Maximus verwendet. Der hier erwähnte Obelisk (im übri- gen mit 32,50 m der größte der nach Rom gebrachten Obelisken) stammt vom Tempel des Sonnengottes in Heliopolis, aus dem Jahr 1449 v. Chr., preist die Taten des Pharao Thut- mosis III. Konstantin ließ ihn von Heliopolis nach Alexandria bringen (AMM. 17,4,13), um ihn in Konstantinopel aufstellen zu lassen (Sockelinschrift des Obelisken 5–6) [anders

AMM. 17,4,13, wonach schon Konstantin die Absicht gehabt habe, ihn in Rom aufstellen zu

287 288 lassen ], Constantius II. ließ ihn mit einer Spezialgaleere (vgl. AMM. 17,4,13 ) nach Rom

289 bringen . Über die Aufstellung im Zirkus Maximus vgl. AMM. 17,4. Zur Inschrift auf der Basis des Obelisken vgl. CIL VI, 1163. Im Febr. 1587 wurde der Obelisk, in drei Stücke zerbrochen, wiedergefunden, und Papst Sixtus V. ließ ihn 1588 auf der Piazza di S. Gio- vanni in Laterano wieder aufstellen. - [NASH II 142/43; RICHARDSON (1992) 84–87] - loco competenti: vgl. auch 17,9,7;26,5,15;30,7,4 und 23,5,7 (tempore competenti). 10,18: inter haec: häufige Formel, um Gleichzeitigkeit zu betonen, vgl. 14,6,1; 14,11,17; 15,5,9;19,6,7;22,12,1;23,2,1;26,1,6;27,6,1 und dreimal mit Anastrophe haec inter (25,7,4;

27,9,8; 28,2,10) (wahrscheinlich dichterischer Einfluss, vgl. HOR. Sat. 2,6,59;77; ep. 2,38;

290 VERG. Aen. 8,671) ; häufig statt interea auch schon bei Livius; mit relativem Satzan- schluss als inter quae 17,7,4;20,8,2;21,1,5;21,12,11 u.ö. [FESSER (1932) 5] - Helenae, soro- ri Constanti, Iuliani coniugi Caesaris: a) Helena (im Unterschied zur Mutter Konstantins gewöhnlich) minor (genannt) war die jüngste Tochter Konstantins und der Flavia Maxima Fausta, geboren wohl kurz vor 326. Im Jahre 355 n. Chr. wurde sie mit Julian kurz nach

286 Das Wort im Lat. zuerst bei PLIN. nat. hist. 36,64 (trabes ex eo lapide syenite fecere reges ... obeliscos vocantes); wenn man der späten Nachricht bei LYDUS, de mensibus I 12 p.5,4 Wünsch. trauen kann, wur- den diese Pfeiler vorher als Pyramiden bezeichnet (τὴν πυραμίδα, ἣν νῦν ὀβελὸν καλοῦσιν) [ThLL IX,2,1 s.v. obeliscus 44,7–58 (QUADLBAUER); MOES (1980) 150]. 287 VERA (1980) 113 bezeichnet dies als „lʼerrore“ des sonst so präzisen und objektiven Ammian. Abgesehen davon, dass man über die Attribute „preciso“ und „obiettivo“ streiten kann, erlaubt meiner Meinung nach gerade dieser „Irrtum“ Ammians einen Einblick in seine Arbeitsweise: Obwohl Ammian vor Ort hätte feststellen können, dass seine Aussage nicht stimmt, scheint er sich darum nicht gekümmert zu haben, als er schrieb. 288 Nach Ammian stammte der Plan für die Spezialgaleere natürlich schon von Konstantin. 289 Es gibt keine Angaben darüber, über welchen Zeitraum sich der gesamte Vorgang erstreckte. 290 Alle Stellen bei FESSER (1932) 6.

123 dessen Erhebung zum Cäsar verheiratet – Sie war somit mindestens 5 Jahre älter als Juli- an.291- und 360/61 n. Chr. muss sie gestorben sein, nachdem sie Julians Erhebung zum

Augustus noch erlebt hatte.[MÜLLER-RETTIG (2014) 222] - b) 15,8,18: deinde diebus paucis (nach der Erhebung Julians zum Cäsar) Helena virgine Constanti sorore eidem Caesari iugali foedere copulata; 21,1,5: inter quae (damit ist der Zeitraum um die Feier der Quin-

3 quennalia Julians in Vienne gemeint [KIENAST (2004 ) 323: 6. Nov. (?) 360]) Helenae con- iugis defunctae suprema miserat Romam in suburbano viae Nomentanae condenda, ubi uxor quoque Galli quondam, soror eius, sepulta est Constantia. Ohne Nennung des Na- mens 20,4,17: uxoris (nämlich Julians). - [DKP Bd. 2, s.v. Helena 2. [R. HANSLIK]; PLRE,

Helena 2, 401/10; K. BRINGMANN (2004) 26; LʼORANGE (1984) 158; CALTABIANO (1991) 77;

CHAUSSON (2002) 154] - regina ... Eusebia: zweite Ehefrau ConstantiusʼII., aus Thes- salonike, seit 352 mit Constantius verheiratet; sie übte starken Einfluss auf Constantius aus: auf ihren Rat hin soll Julian zum Caesar erhoben worden sein; sie galt als sehr schön

[AMM. 18,3,2: Eusebiae ... tunc reginae, decore corporis inter multas feminas excellentis („der damaligen Kaiserin Eusebia, die durch die Schönheit ihres Körpers unter vielen Frauen sich auszeichnete“)]; ihr zu Ehren verfasste Julian 356/57 einen Panegyricus (orat. 3)292; sie starb 360 n. Chr. [Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt.]. Keine Herrschafts- titel bekannt, keine Münzprägung, keine Porträts bekannt. - [DKP Bd. 2, s.v. Eusebia, 458

(A. LIPPOLD); PLRE, Eusebia 300/301; SEYFARTH 1, 275 Anm. 21 (zu 15,2,8); K. BRINGMANN

(2004) 38,40,44,49,51; LʼORANGE (1984) 157] – Eusebia als Constantius beim Rombesuch begleitend auch Chron. Pasch. Ausgabe Dindorf 1,542: Κωστάντιος Αὔγουστος εἰς τὴν ἑαυτοῦ εἰκοσαετηρίδα μετὰ πολλῆς φαντασίας καὶ παρατάξεως εἰσῆλθεν ἐν Ῥώμῃ· συν- εισῆλθεν δὲ αὐτῷ καὶ ἡ γυνὴ αὐτοῦ Εὐσεβία ἡ βασίλισσα, καὶ ἐποίησαν ἡμέρας ιδ᾿ ἐν τῇ Ῥώμῃ. - Eusebia als Ehefrau des regierenden Augustus Constantius II. als regina bei Am- mian auch 15,2,8;15,8,3;18,3,2 bezeichnet in der Bedeutung von „Kaiserin“ (Eusebia bei Ammian nur 21,6,4 allein mit dem Namen aufgeführt, an der Stelle, an der davon die Rede ist, dass Constantius Faustina als neue Ehefrau nach dem Tod der Eusebia nimmt), für die

Ehefrau eines amtierenden Cäsar bei AMM. 14,1,3;14,1,8 und 14,9,3 für Constantia, die

291 Dies galt auch für Julians Halbbruder Gallus, als er 351 mit Constantina, der Schwester des Constantius, verheiratet wurde. - Es wäre ungewöhnlich, wenn dies die erste Ehe der Helena wäre, trotz Ammians Helena virgine (15,8,18) [Constantina war mit Gallus in zweiter Ehe verheiratet.]; CHAUSSON (2002) 154 erwägt die Möglichkeit, dass Helena nicht aus der Ehe Konstantins mit Faustina stammte, sondern aus einer Verbindung Konstantins nach der Beseitigung der Faustina. 292 Nach IULIAN. Orat. 3,129A wäre Eusebia vor dem Jahre 357 schon einmal in Rom gewesen (PLRE 299 "probably in 354 (when Constantius was in ) she visited Rome"; RE, Constantius, 1081: „Im Frühling [des Jahres 356] zog er durch Raetien an den Rhein, während seine Gattin Eusebia nach Rom ging, um sich dort vom Senat feiern zu lassen und Geschenke unter das Volk zu verteilen“).

124 Ehefrau des Gallus. DE JONGE (1972) 138 merkt an, dass im Gegensatz dazu rex bei Ammi- an niemals für einen Augustus oder Cäsar vorkomme.(vgl. hierzu auch BÉRANGER (1976b)

49 und Anm. 12) - Nach IULIAN. Orat. 2(3),19 (129b-d) (vgl. Anhang 7) besuchte Eusebia die Stadt Rom, als Constantius sich auf einem Feldzug befand, bei dem der Rhein über- quert wurde. Julians Bericht enthält eine Reihe von Elementen, die für den adventus eines Kaisers gelten (Entgegenkommen des Volkes und des Senates; Freude der Aufnehmenden; Spenden an das Volk; Kostbarkeit der Ausstattung), wobei Julian so tut, als seien derartige adventus von Kaiserinnen Brauch. Verglichen mit der Erzählung Ammians ist auffallend die Übereinstimmung hinsichtlich der Höhe des Aufwandes und dass die üblicherweise bei einem adventus vorkommende (Geld)Spende an das Volk bei Ammian nicht erwähnt ist293, dagegen für den adventus Eusebias der am eingehendsten behandelte Punkt ist. - Zur Frage der Datierung vgl. den Anhang 7. - ipsa, quoad vixerat, sterilis: a) Vivébat stérilis ergäbe keinen der vier Cursus, víxerat stérilis dagegen den cursus tardus; die sog. Verschiebung des Plusquamperfekts (vgl. L.-H.-SZ. 320f.) tritt nach der klassischen Zeit immer häufiger auf, ist in der Dichtung oft durch das Metrum empfohlen, bei den Prosaikern durch die Rücksicht auf den Klauselrhythmus, wobei das verschobene Plusquamperfekt meist einem

Perfekt, seltener, wie an dieser Stelle, einem Imperfekt entspricht [DE JONGE a.a.O. verweist auf AMM. 16,5,12, wo eine Perfektform einer Plusquamperfektform koordiniert ist:... decre- vit ...-que ... responderat („(er) beschloss ... und ... hatte geantwortet (antwortete))“] - b) quoad vixerat formelhaft bei Ammian (14,4,5;15,1,2;16,7,3;16,12,25;17,4,3;21,16,7;26,9, 11;30,1,2), vgl. Kommentar zu 26,9,11. - *c) Hinsichtlich der Historizität (vgl. die Inter- pretation) ähnlich zu beurteilende Stelle Epit. de Caes. 14,8: Huius [gemeint ist Hadrian] uxor Sabina, dum prope servilibus iniuriis afficitur, ad mortem voluntariam compulsa. Quae palam iactabat se, quod immane ingenium probavisset, elaborasse, ne ex eo ad humani generis perniciem gravidaretur.294 - Romam affectionis specie ductae: a) ducere „jemanden kommen lassen, jemanden holen“ ansonsten nicht zu belegen, vgl. ThLL V 1. duco 2135,18-2165,72 [HEY] - Romam: Helena muss sich zu dieser Zeit bei Julian in Gal- lien aufgehalten haben - affectio „Zuneigung“ vgl. AMM.. 27,6,13 (Valentinian bei der Erhe- bung seines Sohnes Gratian zum Augustus zu den Soldaten) ... accrescentem imperatorem fidei vestrae commissum servetis affectione fundata („dass ihr den heranwachsenden Kai-

293 Vgl. dagegen am Anfang (16,10,4) über die Höhe des Aufwandes, der bei der Vorbereitung betrieben wurde (und für den wahrscheinlich die Besuchten aufkommen mussten). - Anders Theoderich im Jahre 500: Excerpta Valesiana 67: donavit populo Romano et pauperibus annonas singulis annis, centum viginti milia modios et ad restaurationem palatii seu ad recuperationem moeniae civitatis singulis annis libras ducentas de arca vinaria dari praecepit. 294 Vgl. WALLINGER, ELISABETH: Die Frauen in der Historia Augusta, Wien (1990) 18.

125 ser, der eurer Treue anvertraut ist, mit tiefgegründeter Zuneigung bewahrt“); Vorliebe Ammians für abstrakte Substantive295 - gen. + specie - b) Genauso das Vorgehen des Con- stantius, als er Gallus in den Westen des Reiches locken will: AMM.. 14,11,6: Restabat, ut Caesar post haec properaret accitus, et abstergendae causa suspicionis sororem suam, eius uxorem, Constantius ad se tandem desideratam venire multis fictisque blanditiis hortabatur. Quae licet ambigeret metuens saepe cruentum, spe tamen, quod eum lenire poterit ut germanum, profecta, cum Bithyniam introisset, in statione, quae Caenos Gal- licanos appellatur, absumpta est vi febrium repentina [„Es blieb noch, den Cäsar danach eilends herbeizuzitieren; und um einen (möglichen) Verdacht „abzuwischen“, forderte Constantius seine Schwester, dessen Ehefrau, mit vielen geheuchelten Schmeicheleien auf, zu ihm zu kommen, da er sich (das) schon lange gewünscht habe. Obwohl diese unschlüs- sig war, weil sie (ihn), da er oft „blutig“ war, fürchtete, fuhr sie dennoch los, in der Hoff- nung, sie werde ihn milde stimmen können, da er ihr Bruder sei; als sie aber nach Bithy- nien gekommen war, wurde sie durch einen unvermuteten Fieberanfall in einer Poststation mit Namen Caeni Gallicani dahingerafft.“]; 14,11,11 (der Tribun Scudilo versichert dem Gallus mehrfach) quod flagrantibus votis eum videre frater cuperet patruelis [„dass sein Vetter ihn sehnlichst zu sehen wünsche“]. - c) Missverstanden scheint mir die Stelle bei

DUVAL (1970) 302, wonach an dieser Stelle das offizielle Motiv für den Aufenthalt der Helena in Rom ausgedrückt sei: Constantius habe so gegenüber Rom und bestimmten Senatorenkreisen den Zusammenhalt der Familie zeigen wollen und damit die konstan- tinische Dynastie stärken wollen. - ut … immaturum abiceret partum: a) ut-finale oder ut-consecutivum? ROLFE (1935) 253: „so that … she should have a miscarriage“; GALLETIER

(1968) 168: „qui était destinée à la faire avorter ...“; VEH (1974) 114: „so daß es nach jeder

Empfängnis zu einer Fehlgeburt kam“; VIANSINO (2001) 289: „in modo che abortisse“;

SEYFARTH 1, 179: „daß jene … das Kind vorzeitig verlieren sollte“. Da im folgenden das absichtsvolle Vorgehen des Kaiserhauses gegen Julian sozusagen als Fazit festgestellt wird (ne … appareret (!)), dürfte ut auch hier final zu verstehen sein. Vgl. auch die Interpre- tation. - b) Es gibt die Vermutung, dass der frühe Tod sowohl der Helena als auch der Eusebia im Zusammenhang mit der Einnahme derartiger „Medikamente“ standen.296 - c)

295 Vgl. VIANSINO (1984) 365. Viansino konstatiert im Gebrauch dieser Wörter Übereinstimmung mit Sym- machus. 296 SEYFARTH 1,275 Anm. 21 (über Eusebia) : „Sie starb wahrscheinlich 360 an den Folgen eines Heilmittels, das ihre Unfruchtbarkeit heilen sollte.“; WIEBER-SCARIOT (1999) 249 (Nach ROBERT ÉTIENNE: La démogra- phie des familles impériales et sénatoriales au IVe siècle après J.C., in: Transformation et conflits au IVe siècle ap. J.-C., Bonn 1978, 139 und 158) „Robert Étienne hat .... vermutet, daß Eusebia durch den Ge- brauch der gleichen abortiven Mittel, die sie Helena gegeben habe, selbst unfruchtbar geworden sei.“ [Es ist allerdings nicht klar, warum Eusebia, die unbedingt einen Nachkommen für Constantius haben wollte,

126 Eine vergleichbare Geschichte bei PHILOSTORG. H.E. 12,2: καὶ γὰρ ἐπιβουλὰς πάσας τὸν Στελίχωνα κατὰ βασιλέως παλαμᾶσθαι, καὶ μηδ᾿ ὅτι γαμβρὸν αὐτὸν εἶχεν ἐπὶ θυγατρὶ δυσωπεῖσθαι, ἀλλὰ καὶ φάρμακον αὐτῷ ἀγονίας ἐγκεράσασθαι. Ἐλελήθει δὲ ἄρα ἑαυτόν, ἐν τῷ σπουδάζειν τὸν υἱὸν Εὐχέριον ἀνακηρύξειν παρανόμως βασιλέα, τὸν ἀπόγονον τῆς κατὰ διαδοχὴν καὶ θεσμὸν βασιλείας προεκθερίζων καὶ ζημιούμενος. Οὕτω δὲ κατάφωρον καὶ ἀδεᾶ τὴν τυραννίδα προενεγκεῖν τὸν Στελίχωνα λέγει, ὡς καὶ νόμισμα, μορφῆς λειπού- σης μόνης, κόψασθαι.297 - quotienscumque concepisset: Zum coniunctivus iterativus vgl.

L.-H.-SZ. 547: „In den iterativen Satzgefügen überwiegt im Altlatein der Indikativ fast ganz, schon häufiger bei Cic. und Caes., während bei Liv. und den Späteren der Konjunktiv ganz gewöhnlich ist.“ Vielleicht auch einfach ein coniunctivus obliquus.

10,19: et = etiam - in Galliis: Zum Plural s. zu AMM. 20,4,7. - mox natum: Man erwar-

298 tet hier die Bedeutung „soeben geboren“, „neugeboren“ ; nach GEORGES 2 1029/30 ist bei

299 dem Zeitadverb mox die Beziehung auf die vergangene Zeit nicht möglich ; LANGEN-

abortive Mittel genommen haben sollte] - Anders AUJOULAT (1983) 446: „Quant à la mort d´Hélène, elle constitue elle aussi un mystère.“ 297 „Denn [Davor ist erzählt, dass Stilicho als gegen den Kaiser Honorius II. gerichtete Aktivität Alarich die Alpenpässe geöffnet habe, so dass dieser von Illyrien her in Italien eindringen konnte.] Stilicho habe alle möglichen Anschläge gegen den Kaiser ersonnen und habe sich nicht einmal geschämt, dass er diesen als Schwiergersohn über seine Tochter hatte (Honorius II. war zunächst mit Maria, einer Tochter Stilichos, verheiratet (gest. Winter 407/08), dann mit Thermantia, ebenfalls einer Tochter Stilichos), sondern habe ihm sogar ein Gift eingeflößt, das zur Unfruchtbarkeit führte. Dabei vergaß er, dass er selbst in seiner Bemühung, seinen Sohn Eucherius gesetzwidrig zum Kaiser zu ernennen, von vornherein einen Nach- kommen um die diesem nach der Nachfolge und dem Gesetz (zustehende) Herrschaft brachte und schä- digte.“ - Als Rechtfertigung dafür, die bei Philostorgios geschilderte Episode neben die Ammians zu stellen, seien hier, abgesehen von der gleichen Vorgehensweise (Verhinderung eines potentiellen Konkur- renten für den eigenen Sohn durch einen Giftanschlag auf die Gebär- / Zeugungsfähigkeit eines anderen), angeführt: a) Obwohl die Episode nur lose mit der sonstigen Erzählung zusammenhängt (Hauptthema bei Philostorgios sind die Plünderungszüge der Goten unter Alarich), nutzt der Autor sie, um seine Vorein- genommenheit gegen Stilicho zu begründen (Während in Ammians Erzählung die Anteilnahme des Autors nur in der Pathetisierung zu erkennen ist, wird bei Philostorgios / Photios darüber hinaus dies da- durch deutlich, dass der Autor dem Stilicho eine falsche Denkweise nachzuweisen sucht [im übrigen ein Argumentationsmittel, das auch Ammian oft verwendet].) b) Der Autor hat keinerlei Zweifel am Wahr- heitsgehalt der Episode, so dass man sich fragt, wie er von diesen Interna des Kaiserpalastes erfahren hat. Wenn es sich um nach dem Tode Stilichos vom Kaiserhof verbreitete Rechtfertigungspropaganda gehan- delt haben sollte, müsste dies der Leichtgläubigkeit des Autors zugerechnet werden, wäre dann aber ein Indiz dafür, dass man dieser Art der Geschichtsschreibung mit Vorsicht begegnen muss (was genauso für Ammian gilt). Weder bei OLYMPIODOR (frg. 2 Müller) noch bei ZOSIMUS (5,28) findet sich ein Hinweis auf intrigantes Vorgehen des Stilicho in dieser Angelegenheit. Aus ZOSIMUSʼ Erzählung scheint sich zu ergeben, dass die Kinderlosigkeit der Ehen des Honorius sowohl mit Maria wie mit Thermantia Aus- gangspunkt für die „Erfindungen“ der Geschichtsschreiber sind. 298 Für „neugeboren“, bzw. „soeben verstorben“ in Lat. recens natus, bzw. recens mortuus vorkommend (PLAUT. Cist. 135f.: puerum aut puellam … recens natum; SUET. Aug. 7,1: recens eo nato; LACT. Inst. 6,10,18: recens natos; AMM. 21,6,5: Anatolio recens mortuo praefecto praetorio per Illyricum. [LÖFSTEDT (1967) 100] Sollte etwa Ammian der variatio wegen statt recens natus mox natus geschrieben haben? 299 Auch im spätantiken Gebrauch von mox als Konjunktion (= mox ut) in der Bedeutung von „sobald“ (vgl. L.-H.-SZ. (1965) 637; RIEDLBERGER (2010) 250 zu CORIPP. Iohann. 8,227) liegt keine Beziehung auf die Vergangenheit vor (im übrigen kann die Corippstelle auch ohne Deutung von mox als Konjunktion erklärt werden: Man muss nur mox primo ... continget equis, wie in der MGG-Ausgabe geschehen, als Parenthese drucken).

127 SCHEIDT 730/31 führt zwar unter 2. (nkl.) (von der Vergangenheit und in Aufzählungen) eine solche Möglichkeit auf, meint damit aber die Zukunft von der Vergangenheit aus gesehen.

300 DE JONGE (1972) 139 bezieht mox zu natum und führt als Belege aus Ammian die Stellen 26,3,4 und 31,12,4 an. Nach meiner Meinung ist aber an beiden Stellen die Beziehung auf die Zukunft eindeutig, und nur die Wortstellung ist auffallend, indem mox zu der Verbform davor gehört (coercenda, bzw. venturum). Mox muss also zu necavit bezogen werden, somit auffallend wiederum die Wortstellung (vgl. aber 19,9,9: quod nostrorum cadavera mox caesorum fatiscunt et diffluunt ...wo mox zu fatiscunt und nicht zu caesorum ge-

301 hört.) .[LÖFSTEDT (1967) 102; JONES, J.C.: Simul, simulac und Synonyma 5. Mox mit sei- nen Verbindungen, in: Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik: mit Einschluß des älteren Mittellateins 14 (1906) 524–531; HAVERLING (1988) 38; 142 (wo aber jeweils nur mox als Konjunktion als Merkmal für das Latein der Spätantike aufgefasst ist)] - obste- trix: das seit Plautus in der lateinischen Literatur vorkommende Wort von Ammian nur an dieser Stelle gebraucht.[GEORGES 2,1273; ThLL IX 2,1 s.v. obstetrix 240,32–241,27 (OO-

MES)] Obstetrix scheint der übliche Terminus für das zu sein, was im Deutschen mit „He- bamme“ bezeichnet wird. Unter den im ThLL aufgeführten Stellen (bis Tertullian vollstän- dig) ist keine, die sprachliche oder inhaltliche Anklänge zu dieser Stelle aufweist. - prae- secto plus quam convenerat umbilico: d.h. die Nabelschnur wurde zu nahe am Körper des Neugeborenen abgeschnitten. Nach SORANUS (aus Ephesos, Arzt in Rom um 100 n.Chr.) Γυναικεῖα 2,6 (im Kapitel πῶς ὀμφαλοτομητέον [„Wie der Nabel abzuschneiden ist“]) steht, die Nabelschnur müsse vier Finger vom Bauch des Neugeborenen entfernt abge- schnitten werden. - [WIEBER-SCARIOT (1999) 249] - tanta tamque diligens opera navaba- tur: vgl. 14,10,5: verum navata est opera diligens; 15,5,19 (Behandlung des Ursicinus am Hof von Mailand und Vorgehen gegen Silvanus) diligens enim opera navabatur, extingui Silvanum ut fortissimum perduellem aut, si secus accidisset, Ursicinum exulceratum iam penitus aboleret, ne superesset scopulus impendio formidandus [„man gab sich nämlich sorgfältig Mühe, dass Silvanus als der stärkste und tapferste Feind ausgelöscht würde oder dass, falls es anders gekommen wäre, Ursicinus, schon verwundet, ganz vernichtet würde, damit kein wirklich noch zu fürchtendes Riff übrigbleibe"] 31,4,5 (Aufnahme der Goten ins Römische Reich, indem die Römer selbst dafür sorgen, dass die Goten vollständig die

300 Anders auch PIGHI (1937) 72, und zwar ebenfalls schon mit Verweis auf 19,9,9. DE JONGE (1982) 14 zu 19,1,8 verweist auf 16,10,19 und gibt als Bedeutung an "soon after that", was dann an dieser Stelle wohl heißen soll: bald nach der Geburt; dies ist aber nicht möglich, wenn mox zu natum gehört. 301 Mox = ubi primum zweimal bei LUCIF. CALAR., De non conveniendo cum haereticis 1, p.3,23: mox autem introisset in tabernaculum Moyses, descendebat columna nubis; De non parcendo in deum delinquentibus 28, p. 269,34 (ille spiritus Pythonis) mox effugatus est de domo sua, … .

128 Donau überqueren können) et navabatur opera diligens, ne qui Romanam rem eversurus relinqueretur [auf dem linken Donauufer] vel quassatus morbo letali; [„und man gab sich sorgfältig Mühe, dass wirklich keiner, der den römischen Staat einmal vernichten würde, zurückblieb, selbst wenn er von einer tödlichen Krankheit befallen war“]; 29,5,2: (Intrigen am Kaiserhof gegen Firmus) navabatur opera diligens in palatio. Zu operam navare vgl. auch DE JONGE (1982) 11 zu 19,1,6 ("in Amm.´s time it must have been an old-fashioned, rather "stately" expression"). - ne fortissimi viri suboles/soboles (?) appareret: a) Als vir fortissimus werden neben Julian an dieser Stelle bei Ammian nur bezeichnet Ursicinus (14,11,3;18,5,4: Palatina cohors palinodiam in exitium concinens nostrum invenit tandem amplam nocendi fortissimo viro auctore et incitatore coetu spadonum) und Silvanus (15,5, 9: oben zitiert).302 Die Junktur schon mehrfach bei Sallust (Cat. 12,5 (fortissumi viri); 20,9 (o fortissumi viri); bell. Iugurth. 67,2;68,3;98,1), aber niemals für eine Einzelperson; dann bei Tacitus häufig in der Junktur fortissimus quisque (ann. 1,67;15,26; hist. 3,30;4,33;4,77; 5,21), wodurch auch bei Tacitus immer eine Gruppe gemeint ist; in der Beziehung auf Ein- zelpersonen schließlich mehrfach in HA, z.B. vit. Aurel. 9,3 (Aurelianum, fortissimum virum); 10,2 (Ulpii Criniti ... et fortissimi re vera viri et Traiani simillimi; vit. Heliog. 8 (vir fortissimus); vit. Claud. Goth. 16 (Claudium, optimum iuvenem, fortissimum militem).

- suboles: a) zur Zeit Ciceros noch poetisch (vgl. CIC. de orat. 3,153), vgl. vor allem VERG. Aen. 4,327–330: (Dido zu Aeneas, als sie ahnt, dass er sie verlassen will): saltem si qua mihi de te suscepta fuisset / ante fugam suboles, si quis mihi parvulus aula / luderet Aeneas, qui te tamen ore referret, non equidem omnino capta ac deserta viderer.303 Vgl.

SUET. Aug. 65,1: sed laetum eum atque fidentem et subole et disciplina domus Fortuna destituit; 94,11; Galb.1. - b) ähnliche Denkweise Ammians in 28,2,34: (plündernde Sach- sen, die sich auf römischem Territorium niedergelassen haben) interiere omnes ad unum eorumque suboles parva etiamtum, ne ad parentum exempla subcresceret. - c) ähnliche Erzählstruktur in 14,11,3: qui [gemeint sind die Eunuchen (≈ Eusebia sterilis (!)) am Hofe des Constantius] ponderibus invidiae gravioris virum fortissimum [gemeint ist Ursicinus] opprimebant subolescere imperio adultos eius filios mussitantes decore corporum favora- biles et aetate per multiplicem armaturae scientiam agilitatem membrorum inter cotidiana proludia exercitus consulto con silio cognitos. Vgl. auch 18,5,4: Ursicino fortissimo viro.

[BRODKA (1998) 57]

302 Daneben mehrfach im Plural als Anrede der Soldaten oder zur Bezeichnung sich besonders auszeich- nender Soldaten (16,12,40;23,5,16;27,6,7;25,6,3). - Vgl. auch HA Aurel. 19,5: vir fortissimus 303 GARCÍA RUIZ (2008) 58: „El término poético soboles recuerda un conocido texto virgiliano“ [Es folgt als Zitat VERG. Ecl. 4,48-49.]. Vgl. dazu die Interpretation.

129 10,20: Cupiens itaque ... et secundam populari Pannoniam: vgl. 17,12,1: Augusto inter haec quiescenti per hiemem apud Sirmium indicabant nuntii graves et crebri permix- tos Sarmatas et Quados vicinitate et similitudine morum armaturaeque concordes Panno- nias Moesiarumque alteram cuneis incursare dispersis.19,11,1: Inter haec ita ambigua Constantium Sirmi etiam tum hiberna quiete curantem permovebant nuntii metuendi et graves. - augustissima omnium sede: a) ablativus loci [im Spätlatein sehr häufig, wahr- scheinlich aus der Dichtersprache übernommen, vgl. L-H-SZ 145] - b) Die Junktur sedes august(issim)a bei Ammian nur an dieser Stelle, vgl. aber z. B. CLAUDIAN. 33,202: hic sedes augusta deae.304 - c) Der Superlativ, vor allem in Beziehung auf Tempel, Heiligtümer und

Götterwohnsitze (!) sehr häufig: CIC. Verr. 6,186: augustissimo et religiosissimo in templo;

CIC. phil. frg.IX 11 M: augustissima delubra; LIV. 3,17,5: augustissimam illam domum Iovis optimi maximi; 42,3,6: templum augustissimum regionis eius; 42,12,6: ad Delum, augustissimo et celerberrimo in templo; PLIN. nat. 6,135: Dianae templum, augustissimum illis gentibus; ganz selbstverständlich auch von den Kirchenschriftstellern übernommen:

HIER. epist. 54,13;58,3: Bethleem .. augustissimum orbis locum; AUG. civ. 2,19: in illa angelorum quadam sanctissima atque augustissima curia caelestique re publica; vor allem aber bei den Panegyrikern mit Beziehung auf alle möglichen Substantive, z.B. Pan. Lat.

6(7) 21,7: augustissima illa delubra (vgl. ThLL II s.v. augustus,-a,-um, 1379–1419 (DIEHL), spez. 1381). - d) Zur rhetorischen αὔξησις durch Hinzufügen von omnium vgl. zu 22,15,2: gentem omnium vetustissimam.305 - e) Rom an dieser Stelle als sedes bezeichnet, weil es augenblicklich der Aufenthaltsort des Kaisers ist, es ist für kurze Zeit Residenzstadt des Constantius. In der Attribuierung omnium augustissima ist allerdings auch das Eingeständ- nis enthalten, dass Rom keineswegs die einzige sedes des Kaisers ist (so auch BRODKA (1998) 88).306 - ut otio puriore frueretur et voluptate: a) Otium meint hier die Ruhe und

304 Zu Rom als sedes omnium augustissima vgl. auch SUET. Calig. 8,5: praesertim cum Gaius Antium omni- bus semper locis atque secessibus praelatum non aliter quam natale solum dilexerit tradaturque etiam sedem ac domicilium imperii taedio urbis transferre eo destinasse. 305 Zu weiteren Beispielen, bei denen omnium zu einem in superlativischem Sinne gebrauchten Positiv tritt, vgl. FESSER (1932) 7f. (22,15,3: super benivolo omnium flumine Nilo; IUSTIN. 12,16,8: Aristotele inclito omnium philosophorum). 306 Aus der Entstehungsgeschichte des Imperium Romanum ergibt sich, dass eigentlich nur Rom sedes impe- rii sein kann (vgl. dazu PABST (1984) 188–197). Da jedoch schon in den Zeiten der späten Republik Impe- riumsträger dazu tendieren, ihre sedes anderswo zu nehmen (z.B. Antonius in Alexandria), wird dieser absolute Anspruch Roms allmählich ausgehöhlt, und in der Spätantike, spätestens als die Kaiser wegen der Kriege an den Grenzen, fast nur noch in den Provinzen sich aufhalten, entspricht es nicht mehr der Wirklichkeit. Ammian spricht in diesem Kapitel nicht ausdrücklich von Rom als sedes imperii; aber da die Vorstellungen, die Cicero als Vorwürfe an Leute ausspricht, die die sedes imperii von Rom ver- schieben wollen (de leg. Agr. 1,10: sibi (gemeint sind diese Leute) nomen huius rei publicae, sedem urbis atque imperii, denique hoc templum Iovis optimi maximi atque hanc arcem omnium gentium displicere) bei Ammian zumindest anklingen (über die ganze Geschichte verteilt), dürfte es für ihn zumindest ein Po- stulat sein, Rom wieder zur sedes imperii zu machen. - Nur eine Vermutung: Im Jahre 371 n. Chr. hat

130 den Frieden in der Stadt Rom im Gegensatz zu Krieg und Unruhe an den Grenzen des Reiches. In diesem Sinne bei Ammian auch quies, bezogen auf die Stadt Rom auch im

Gegensatz zu innerstädtischen Unruhen: AMM. 27,3,3: quo (gemeint ist Symmachus) in- stante urbs sacratissima otio copiisque abundantius solito fruebatur; 27,9,9: alta est quies parta (nach Beilegung der kirchlichen Streitigkeiten)307; Collect. Avellana 10,1 (Kaiserli- ches Schreiben an den Stadtpräfekten Olybrius): Cum nihil possit esse iocundius vel abun- dantia vel quiete ac summa felicitas sit, …Vgl. auch otiose vivere einfach für „in Frieden leben“ in 22,7,10. - b) Das Attribut purius zu otium sonst nicht belegt. Vgl. auch zu 20,4,22

(summum otium) und 28,4,14 (in profundo otio, nach APUL. Met. 6,29); Pan. Lat. 4(19) 35,3: placidam quippe rerum quietem et profundum urbi otium gentes perdomitae condide- runt. - c) Otio frui entspricht εἰρήνην ἄγειν bei THEMIST. orat. 3,43c-d (bezogen auf Con- stantius und seinen Kampf gegen Magnentius (!))308. - assiduis nuntiis terrebatur et cer- tis indicantibus … : a) indicare hier im Sinne von referre, bzw. docere, d.h. es geht um die Übermittlung einer bestimmten Information, und zwar hier nicht in Form einer relatio der duces der Grenzgebiete, so auch indicium, bzw. indicare 14,3,4;16,8,3;17,1,8; u.ö. (SABBAH (1978) 390) - b) assiduis … et certis, um den Informationen einen sehr hohen Grad von Glaubwürdigkeit zu geben, um so die Dringlichkeit der Lage herauszustellen, vgl. dazu

SABBAH (1978) 397f. und den Kommentar zu 20,4,1 und 29,5,2. - Suevos: Suevi (auch Sue- bi, gr. Σουῆβοι) ist der Sammelname für eine Vereinigung germanischer Völker, zu denen

Ausonius die Mosella vollendet. Das Werk dürfte also Ammian zu der Zeit, als er die Res gestae schrieb, bekannt gewesen sein. Ausonius schreibt darin 378–380: Da veniam, da, Roma potens! Pulsa, oro, faces- sat / invidia et Latiae Nemesis non cognita linguae: / imperii sedem Romae tenuere parentes. [„Verzeih mir, mächtiges Rom, verzeih! Geschlagen soll sich bitte der Neid davonmachen und auch die der lateini- schen Sprache unbekannte Nemesis. Den Sitz des Imperiums haben in Rom unsere Ahnen gehabt“ (aber jetzt nicht mehr, weil Valentinian ihn in Trier hat)] und 420–422: nec praemia in undis / sola, sed Augus- tae veniens quod moenibus urbis / spectavit iunctos natique patrisque triumphos [„Aber ihre (gemeint sind Rhein und Mosel) Vorzüge liegen nicht allein in den Wellen, sondern weil sie (gemeint ist die Mosel) von den Mauern der augusta urbs (gemeint ist Trier) kommend die vereinten Triumphe des Sohnes (Gra- tian) und des Vaters (Valentinian) gesehen hat“]. Könnte es sein, dass Ammian solche Aussagen nicht un- widersprochen lassen wollte? 307 Es scheint so, als handle Ammian die Stadtpräfekturen u.a. nach dem Kriterium ab, ob sie „ruhig“, „friedlich“ waren oder durch tumultus, bzw. seditiones gestört wurden. Dabei ergibt sich dann oft auch die Verbindung von quies und abundantia, vgl. KOHNS (1961) 140. 308 Εἶτα Κάμιλλον μὲν οἱ τότε δεύτερον ἐνόμισαν οἰκιστήν, ὅτι τὰ λείψανα τῆς Κελτῶν ἐπιδρομῆς ἀνεσώ- σατο, σὲ δὲ οἱ νῦν οὐ ποιήσονται καὶ Ῥωμύλου πρότερον ἀρχεγέτην; ᾧ ἐξὸν εἰρήνην ἄγειν ῥᾳθύμως δι- πλασιάσαντα τὴν μοῖραν τῆς βασιλείας, οὐ παρεῖδες οὐδὲ προήκω τἠν τῆς πόλεως ἐλευθερίαν, ἀλλὰ τὴν χεῖρα τὴν ἀήττητον ὑπέσχες, ... [„Ferner hielten die damaligen (Leute) Camillus für einen zweiten Grün- der, weil er die Überbleibsel des Keltenangriffs rettete, werden dich aber nicht die jetzigen zu einem Stif- ter machen, der noch vor Romulus steht? Obwohl es dir möglich war, in Frieden zu leben, indem du leichtfertig den Teil der Herrschaft verdoppelt hättest (d.h. Magnentius als Herrscher dazugenommen hät- test), hast du nicht dich unbekümmert darüber hinweggesetzt und nicht die Freiheit der Stadt verraten, sondern deine unbesiegbare Hand schützend darübergehalten, ...“]. - Curiosum am Rande: AUGUST. confess. 5,8,14: sed illa erat causa maxima et paene sola, quod audiebam quietius ibi (in Rom) studere adules- centes et ordinatiore disciplinae cohercitione sedari.

131 z.B. auch die Alamannen gehörten. Bei Ammian kommt die Bezeichnung nur an dieser Stelle vor.309 Hier ist nichts darüber ausgesagt, woher diese Sueben kommen. Es ist nur mit Sicherheit anzunehmen, dass sie von der Nordgrenze Rätiens aus nach Rätien eingedrun- gen sind, d.h. aus Gebieten nördlich der oberen Donau und nördlich des Hochrheins, in denen normalerweise „Teilvölker“ der Alamannen als Siedler angenommen werden, näm- lich Iuthungi und Lentienses (vgl. dazu auch den Anhang 1).310 - [DKP Bd. 5, s.v. Suebi

2 (Σουῆβοι; Suevi) 408/9 (H. CÜPPERS); DE JONGE (1972) 140/41; RGA, Bd. 30, 2005 , s.v.

Sweben, 184–212 (L. RÜBEHEIL/H. CASTRITIUS)] - Quadosque Valeriam … et secundam populari Pannoniam: a) Zur Verbindung im Trikolon mit -que ... et vgl. §2. - b) Ammian berichtet nicht, was Constantius gegen die Sueben, Quaden und Sarmaten unternommen hat. Auf seine Unternehmungen gegen Quaden und Sarmaten bezieht sich IULIAN. Epist. ad

311 Atheniens. 279C/D, ZOS. 3,2,2 und wohl auch Artemii Passio 16 - Raetias: Die Provin-

309 CHIABÒ 756 - Der Name Suebi zur Bezeichnung eines Einzelvolkes scheint in der Mitte des 2. nachchrist- lichen Jhs. durch den Namen Quadi ersetzt worden zu sein. Gegen Ende des 4. nachchristlichen Jhs. taucht dann Suebi zur Bezeichnung von Einzelvölkern in den Quellen wieder auf, wobei es sich in der Re- gel zunächst wohl um Selbstbenennungen dieser Völker gehandelt hat (gleichzeitig damit ein allmähli- ches Verschwinden der Belege für die Markomannen und zeitlich etwas später für die Quaden). (vgl. RGA 30 (2005) 193/194, wo der Beginn dieser Entwicklung nach dem Tode TheodosiusʼI. angesetzt wird; in den Panegyrici Latini gibt es den Namen Suebi noch nicht; dagegen bei Claudian, z.B. De IV cons. Ho- nor. 655 [vgl. DE JONGE 1(1972) 40 zu AMM. 16,10,20]; de bello Gildonico 36–38 (Klage der Roma vor Jupit- er): Satiavimus iram / si qua fuit; lugenda Getis et flenda Suebis / hausimus. HA Marc. Aurel. 18,2: item Aurelianus contra Suebos et Sarmatas ... dimicavit); 22.1: Quadi Suebi Sarmatae. Ammian wäre damit einer der frühesten Belege für diese Entwicklung; damit wäre jedoch nicht erklärt, warum Ammian dies nur an dieser Stelle für die Juthungen so macht. - Bei PETERS (1945) 77 Anm. 8): „In Wahrheit waren die Juthungen ein suebischer Stamm,“ wahrscheinlich aus Ammian erschlossen. - Bei DITTRICH (1984) 53/54 Anm. 2) sind noch weitere Identifizierungsversuche angegeben. 2 310 Vgl. RGA 16 (2000 ) s.v. Juthungen, 141-144 (historischer Teil: D. GEUENICH) 143: „Auch Ammianus Marcellinus (Amm. 17,6) schildert einen Beutezug der J., bei dem im J. 357 wiederum Raetien verwüstet und röm. Städte zerstört wurden.“ - AMM. 17,6,1: Inter quae ita ambigua Iuthungi, Alamannorum pars Italicis conterminans tractibus, obliti pacis et foederum, quae adepti sunt obsecrando, Raetias turbulente vastabant adeo, ut etiam oppidorum temptarent obsidia praeter solitum. [„Während dieser so unsicheren Lage (gemeint ist die Lage im Osten an der Grenze zu Persien) dachten die Juthungen, ein Teilvolk der Alamannen, das an italisches Gebiet grenzt, nicht mehr an den Frieden und die Verträge, die sie durch flehentliches Bitten bekommen hatten, sondern verwüsteten Raetien derartig, dass sie gegen ihre Gewohnheit sich auch an die Belagerung von Städten heranwagten.“] - Wenn Ammian im 17. Buch die chronologische Reihenfolge nicht durchbrochen hat, dann gehören diese Ereignisse in das Jahr 358 n. Chr. (vgl. AMM. 17,5,1: Datiano et Ceriali consulibus) (dazu SAMBERGER (1969) 382). So nimmt wohl auch DRINKWATER (2007) 242 an, mit den Suebi seien einfach diejenigen gemeint, die im Bericht der Ereignisse des folgenden Jahres Iuthungi genannt werden. - Vgl. dazu auch die Interpretation . 311 Ep. ad Ath. 279C/D: Καίτοι εἰ μὴ θριαμβεύειν ἐξῆν (aufgrund des Sieges bei Straßburg) , ἀποσφάττειν τὸν πολέμιον κύριος ἦν καὶ μέντοι διὰ πάσης ἄγων τῆς Κέλτιδος ταῖς πόλεσιν ἐπιδεικνύειν καὶ ὥσπερ ἐντρυφᾶν τοῦ Χνοδομαρίου ταῖς συμφοραῖς οὐδεὶς ἐκώλυε. Τούτων οὐδὲν ᾠήθην δεῖν πράττειν, ἀλλὰ πρὸς τὸν Κωνστάντιον αὐτὸν εὐθέως ἀπέπεμψα, τότε ἀπὸ τῶν Κουάδων καὶ Σαυροματῶν ἐπανιόντα. / Συνέβη τοίνυν, ἐμοῦ μὲν ἀγωνισαμένου, ἐκείνου δὲ ὁδεύσαντος μόνον καὶ φιλίους ἐντυχόντος τοῖς παροικοῦσι τὸν Ἴστρον ἔθνεσιν, οὐχ ἡμᾶς, ἀλλ᾿ ἐκεῖνον θριαμβεῦσαι. - ZOS. 3,2,2: Ταύτῃ τὰ κατὰ Ἰουλιανὸν διαθεὶς ὁ Κωνστάντιος αὐτὸς μὲν ἐπὶ Παιονίαν καὶ Μυσίαν ἐχώρει, κἀνταῦθα τὰ περὶ Κουά- δους καὶ Σαρμάτας οἰκονομήσας ἐπὶ τὴν ἑῴαν ἐτρέπετο, τῶν Περσικῶν ἐφόδων εἰς ταύτην αὐτὸν ἑλκου- σῶν. [„Nachdem Constantius das, was Julian betraf, so angeordnet hatte, zog er selbst nach Pannonien und Mösien, und als er dort die Dinge mit den Quaden und Sarmaten geregelt hatte, wandte er sich nach Osten, weil die persischen Angriffe ihn dorthin zogen.“] - Artem. Pass. 16: Ἀκούσας δέ, ὅτι οἱ πέραν Ἴστρου βάρβαροι μέλλουσιν ἐπιστρατεύειν τῇ τῶν Ῥωμαίων ἀρχῇ, ἀπάρας τοῦ Σιρμίου πρὸς τὸν Ἴστρον

132 zen Raetia I und Raetia II gehören zur Dioecisis IX (D. Italiae Annonariae) und haben im Norden von Passau bis etwa Ulm die Donau als Grenze; dann die Grenze in etwa der heu- tigen Ländergrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern entsprechend zum Boden- see verlaufend; vom Ausfluss des Rheins aus dem Bodensee als Grenze zur Germania su- perior in südlicher Richtung über die Alpen (Furkapass), von da in östl. Richtung ein- schließlich des oberen Tessin und des Veltlin an Venetia et Istria grenzend bis etwa zum heutigen Bozen, von da in nördl. Richtung ins Inntal bis zum heutigen Innsbruck; von da ist der Inn bis Passau die Grenze zum Noricum. Hauptstadt der Raetia prima ist Curia (Chur), der Raetia secunda Augusta Vindelicorum (Augsburg). Das Gebiet der Provinzen erstreckt sich somit über das gesamte heutige Bayern südlich der Donau, Tirol, Vorarlberg,

Graubünden und die Nordostschweiz.- [DKP Bd. 4, s.v. Raeti, Raetia, 1330–33 (G. NEU-

MANN); SEYFARTH a.a.O. Anm. 45; DE JONGE (1948) zu AMM. 15,4,1.] - Quados: Die Quaden sind ein germanisches Volk, das zu dieser Zeit seine Wohnsitze auf dem linken Ufer der Donau hat, gegenüber Noricum ripense, Pannonia I und Valeria (vgl. die folgenden An- merkungen). Zur Geschichte dieses Volkes vgl. vor allem DKP Bd. 4, s.v. Quadi 1281–83

(J. FRITZ) - [DE JONGE (1972) 141; SEYFARTH 1,383 Namensregister: 16,10,20;17,12,1;8;9;12; 26,4,5;29,6,2 u.ö.] - Valeriam: Die Pannoniae (Pannonien) bilden die Dioecesis VIII (oc- tava) Pannoniarum (achte Diözese der Pannonien), wobei das in 103 oder 106 n. Chr. in Oberpannonien (Pannonia superior) und Unterpannonien (Pannonia inferior) eingeteilte Gebiet bei der diocletianischen Verwaltungsreform in vier Provinzen eingeteilt worden war: Pannonia prima (mit dem Vorort Saveria (heute Szombathely (Steinmanger) in Un- garn südlich vom Neusiedler See) und Savia (mit dem Vorort Siscia (heute Šišak, südöstlich von Zagreb in Kroatien) aus der ehemaligen Pannonia superior (mit der Haupt- stadt Carnuntum, heute in Österreich zwischen Petronell und Deutschaltenburg an der Donau, westlich von Bratislava); Valeria (mit dem Vorort Sopianae, heute Pécs, Fünf- kirchen, in Ungarn, zwischen Balaton und Drau), so benannt nach der kurz vor der Thron- besteigung (284 v. Chr.) geborenen Tochter des Kaisers Diokletian, Ehefrau des Galerius und damit Augusta, nach dem Tod des Galerius auf Befehl des Licinius zusammen mit ihrer Mutter hingerichtet, und Pannonia secunda (mit dem Vorort Sirmium, heute Srem- saka Mitrovica, südlich von Novi Sad an der Save und westlich von Belgrad in Serbien) aus der ehemaligen Pannonia inferior (mit der Hauptstadt Aquincum (heute im Stadtgebiet von Budapest); die Grenze der Pannonien ist von Vindobona bis Singidunum (heute Bel-

διέβη· καὶ πρὸς αὐτῇ τῇ ὄχθῃ χρόνον οὐκ ὀλίγον ποιήσας, ἐπεὶ τὰ τῶν βαρβάρων ἠρέμει συστήματα, πάλιν εἰς τὴν Θρᾴκην ἤλαυνεν.

133 grad) die Donau; von Vindibona, an Noricum grenzend, über die Raab und die Mur (bei Poetovio (heute Ptuj (Pettau), südöstlich von Maribor in Slowenien) an die Save in der Nähe des heutigen Radeče, die Save abwärts bis Siscia, dann südlich der Save parallel zu dieser in einem Abstand von ca. 50 km bis zur Grenze mit Moesia (s. dort). - [SEYFARTH 4,

381 Namensregister; DKP Bd. 4, s.v. Pannonia, 460–464 (G. NEUMANN); DNP Bd. 12/1 s.v. [6] V. Galeria 1088/89 (B.BL.); Bd. 9 s.v. Pannonia 250–256 (F. SCH. und A.W.)] - Sar- matas, latrocinandi peritissimum genus: a) Latrocinari bei Ammian nur in Formen des Gerundiums, vgl. 27,10,1: Alamannus regalis, Rando nomine, ... ad latrocinandum latenter irrepsit; 31,2,21: Halanes ... latrocinando et venando ... discurrentes. - Zu peritus + Gen. eines Gerundiums vgl. zu 29,5,33 (suadendi peritos). - b) Die Sarmaten sind ein Volk irani- scher Abstammung, das im 4. Jh. n. Chr. Gebiete nördlich der Donau von der Theißebene im Westen (heute in Ungarn) bis zum Borysthenes (Dnjester) im Osten (heute Ukraine) bewohnte. - c) Bei VENNING (2011) 671 von den drei Völkerschaften, bzw. Gebieten nur

Raetia genannt. - [DE JONGE (1972) 141/142; DKP Bd. 4 s.v. Sarmatae 1667/8 (J. FRITZ) und s.v. Sarmatia 1558 (J. FRITZ); DNP Bd.11, s.v. Sarmatai, 83–85 (J. VON BREDOW); SEYFARTH

4 Namensregister 384; CHIABÒ 707] - Für Constantiusʼ Vorgehen gegen die Sarmaten ver- weist man auf 17,12-13; JULIAN. Epist. ad Athen. 279c-d; AUR. VICT. 42,21; ZOSIM. 3,1,1 (so

ARNALDI (1977) 97 Anm. 31). An all diesen Stellen sind Ereignisse des Jahres 358 n. Chr. gemeint. Hier dagegen müssen Unternehmungen gemeint sein, die im selben Jahr wie der Rombesuch stattfanden, also im Jahre 357. Vgl. dazu auch die Interpretation. - c) die Ap- position einer der üblichen Barbarentopoi, wie sie all den Völkern zugesprochen werden, die die Grenzen des römischen Reiches in dieser Zeit bedrohen, nämlich Alammannen,

Pikten, Sachsen, Mauren, Gothen und Perser, vgl. WIEDEMANN (1986) 195. - superiorem Moe- siam: Moesia gehört im 4. Jh. n. Chr. zur Dioecesis V (Thraciarum) und zur Dioecesis VII (Daciae), mit der Donau als Grenze von Singidunum (heute Belgrad) bis zum Donaudelta am Schwarzen Meer im Norden, der späteren Trennlinie zwischen Ost- und Weströmi- schem Reich gegen Pannonien und Dalmatien, und einer im wesentlichen ostwestlich ver- laufenden Grenze gegen Epirus und Macedonia, nördlich von Dyrrhachium (heute Durrës in Albanien) an der Adria beginnend, auf halber Strecke zwischen Soupi (heute Skopje) und Stob(o)i (41034´N–21055´E in Mazedonien, südlich von Grdsko) den Axios (heute Va- dar) überquerend und an der Nestusmündung das Ägäische Meer erreichend. Vor den Dakerkriegen Trajans in Moesia superior (Obermösien)(westl.) und Moesia inferior (Untermösien)(östl.) geteilt, unter Diokletian in 5 Provinzen: Moesia I, M. II., Dacia medi- terranea, Dacia ripensis und Scythia, wobei Dacia ripensis Moesia I (westl.) von Moesia

134 II (östl.) trennte; Grenze Moesia I – Dacia ripensis an der Donau an der letzten Fluss- schleife vor dem Eisernen Tor, beginnend; somit Moesia I im heutigen Serbien; Grenze zwischen Dacia rip. und Moesia II an der Donau gegenüber der Einmündung des Olt in die

Donau, somit M. II Nordbulgarien und rumänische Dobrudscha. - [DE JONGE (1972) 142;

DKP Bd. 3, s.v. Moesia, 1386–1388 (CHR. DANOFF); DNP Bd. 8 s.v. Moesi, Moesia 328–

332 (F. SCHÖN / A.-M. WITTKE)] - secundam Pannoniam: vgl. zu Valeriam - percitus vgl. zu §7; durch eine Nachricht auch 15,5,34 (Abschluss der Silvanusepisode): ut ... Romae in Circo Maximo populus – incertum, relatione quadam percitus an praesagio – „Silvanus devictus est“ magnis vocibus exclamaret.[vgl. auch EARL (1967) 102] - tricensimo, post- quam ingressus est, die, quartum Kal. Iunias: a) quartum Kal. Iunias ist die verkürzte Form (nur bei Ammian und in der Historia Augusta zu finden (!), vgl. ThLL V,1 s.v. dies 1034,26ff.) für ante diem quartum Kal(endas) Iunias [„am vierten Tag vor den Kalenden des Juni“ (= 1. Juni), somit bei der anzuwendenden inklusiven Zählweise (der Tag der

Kalenden ist mitzuzählen) der 29. Mai (VENNING (2011) 671) [zur Erklärung dieses Datie- rungstypus vgl. SVENNUNG (1935) 238–247); L.-H.-SZ. 224] - b) „Die Erklärung des Typus ante diem tertium Nonas Maias ist nicht sicher; wahrscheinlich wurde a.d.t. infolge seiner starken Mechanisierung langsam fast nur als bloßes ante empfunden, so daß es einen neuen

Akk. bewirken konnte (so WACKERNAGEL, Synt. II 194ff.)...“ Es folgen weitere Erklärungs- versuche und Literaturangaben. - Diese Form der Datierung bei Ammian auch 14,5,1: diem sextum idus Octobres (10. Okt. 353); 15,8,17: diem octavum iduum Novembrium (6. Nov. 355); 17,7,2: diem nonum kal.(endarum) Septembrium; diem kann oben fehlen, weil schon in tricesimo ... die vorkommend); 22,13,1: diem undecimum kalendarum Novembrium; 23,3,7: diem sextum kalendas Apriles; 26,10,15: diem duodecimum kalendas Augustas; HA vit. Hadr. 4,7: tertium Iduum earundem. - b) Damit ergibt sich aus tricensimo, postquam ingressus est, die als Tag des Einzugs in Rom der 29. April (oder, falls auch hier die inklu- sive Zählweise gilt, der 30. April312). - c) Die Consularia Constantinopolitana (MGH AA9, Chron.min. I, p.238-242) haben zum Jahre 357: Constantio VIIII (nonum) et Juliano Caes(are) II (bis). His conss. introierunt Constantinopolim reliquiae sanctorum apostolo- rum Andreae et Luccae die V (quinto) non(as) Mar(tias) et introivit Constantius Augustus Romae IIII (ante diem quartum)k(alendas) Mai(as) et edidit XXXV (vicennalia ist Kon- jektur von Mommsen)[„Als Constantius zum neunten Male und der Caesar Julian zum zweiten Male Konsuln waren: Während deren Konsulat kamen die Reliquien der heiligen

312 So z.B. bei DITTRICH (1984) 53 Anm. 1 (im Text ohne Entscheidung: „vom 28. bzw. 30. April bis zum 29. Mai“)

135 Apostel Andreas und Lukas am 3. März nach Konstantinopel und der Augustus Constan- tius zog am 28. April in Rom ein und feierte den 35. Jahrestag (den zwanzigsten Jahrestag (wenn man Mommsens Konjektur akzeptiert)“313], somit den 28. April als Tag des introitus,

3 wie es dann z.B. auch bei SEECK, Regesten 204, und KIENAST (2004 ) 315, erscheint. - d) DE

th JONGE (1972) 142 „After the Emperor on April 28 357 under the second praefecture of Orfitus had entered the city, he leaves again on May 29th. Cf. Seeck Regesten p. 204“ registriert den darin enthaltenen Widerspruch zu tricensimo ... die nicht, ebensowenig SEY-

FARTH 1,181 zu seiner korrekten, in unsere Anschauungsform übertragenen Übersetzung

[„neunundzwanzig Tage nach seiner Ankunft, d.h. am 29. Mai“], während bei ROSEN (1982) 59 der Widerspruch insofern nicht zu erkennen ist, als er die Consularia Constantinopoli- tana folgendermaßen zitiert: „III k. Mai. Constantiusʼ Einzug in Rom = 16,10,20“. - e) Eine Lösung des Problems kann sich natürlich nur auf Spekulation stützen: Ammian hatte quintum statt quartum oder die Consularia Constantinopolitana III statt IIII oder Ammian

314 wählte einfach eine runde Zahl: tricensimo statt tricensimo primo usw. - [Vgl. AMM. 16,4, 2: Die Barbaren ziehen ab, nachdem sie Julian in Sens belagert hatten, post tricensimum …

315 diem; HIERON. Vita Hilarion. 42: intra triginta ... nec multo amplius dies] - f) HA vit. Sev.8,8: Domitium Dextrum in locum Bassi praefectum reliquit (sc. Severus) atque intra triginta dies, quam Romam venerat, est profectus. [„Anstelle des Bassus ließ er Domitius Dexter als Präfekten zurück und innerhalb von dreißig Tagen, seitdem er nach Rom ge- kommen war, brach er auf.“] - g) 19,9,9: cum septuaginta tresque dies Amidam multitudine circumsedisset armorum (sc. Sapor). In diesem Falle ist eine Deutung als runde Zahl nicht

313 Das Chronicon Paschale (MGH AA9, Chron.min. I p. 238–242) verzeichnet zum Jahre 357: ὑπ(άτων) Κωνσταντίου Αὐγούστου τὸ ια᾿ καὶ Ἰουλιανοῦ Καίσαρος τὸ β᾿ . 1. Ἐπὶ τούτων τῶν ὑπάτων μηνὶ δύστρῳ γ᾿ ἠνέχθη ἐν Κωνσταντινουπόλει τὰ λείψανα τῶν ἁγίων Λουκᾶ καὶ Ἀνδρέου τῶν ἀποστόλων σπουδῇ Κωνσταντίου τοῦ Αὐγούστου μετὰ σπουδῆς καὶ θεοσεβείας ψαλμῳδίας τε καὶ ὑμνολογίας, καὶ ἀπετέθη εἰς τοὺς ἁγίους ἀποστόλους. 2. Κωνσταντίνος Αὔγουστος εἰς τὴν ἑαυτοῦ εἰκοσαετηρίδα (-τερίδα m 1) μετὰ πολλῆς φαντασίας καὶ παρατάξεως εἰσῆλθεν ἐν Ῥώμῃ. συνεισῆλθεν αὐτῷ καὶ ἡ γυνὴ αὐτοῦ Εὐσε- βεία ἡ βασιλίσσα, καὶ ἐποίησαν ἡμέρας ιδ᾿ ἐν τῇ Ῥώμῃ. [„Als der Augustus Constantius zum elften Male und der Cäsar Julian zum zweiten Male Konsuln waren: 1. Unter diesen Konsuln wurden im Monat Dys- tros die Reliquien der Heiligen Lukas und Andreas, der Apostel, auf Betreiben des Augustus Constantius mit Anteilnahme und Frömmigkeit, unter Psalmodieren und Hymnengesang nach Konstantinopel gebracht und in (der Kirche) der Heiligen Apostel abgesetzt (aufbewahrt). 2. Der Augustus Constantius zog zum Jubiläum der Zwanzigjahrfeier unter großem Prunk und in voller Schlachtordnung in Rom ein. Mit ihm zog seine Frau, die Kaiserin Eusebia, ein, und sie verbrachten vierzehn Tage in Rom.“](Das Chronicon Paschale wurde auf Betreiben des Patriarchen Sergios von einem Kleriker zwischen 631 und 641 verfasst, vgl. DNP Bd. 2, s.v. Chronicon paschale (Ἐπιτομὴ χρόνων)) 314 Anders gelagert ist der von SEYFARTH (vgl. W. SEYFARTH, Sallusts Briefe an Caesar (Versuch eines Beweises ihrer Echtheit im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft ihrer Zeit) in: Klio 40 (1962) 128–141), a.a.O. 135, Anm. 2 bemerkte Gebrauch von quinquaginta in der Bedeutung von „unge- fähr fünfzig“ nach sallustischem Vorbild (quadraginta in der Bedeutung von „ungefähr vierzig“). 315 Ich gehe davon aus, dass Ammian Daten aus den Consularia Constantinopolitana übernommen hat (so auch ROSEN (1982) 59). Anders SEYFARTH 1, 30 (Ammian habe amtliche Tagebücher der römischen Beam- ten eingesehen.)

136 316 möglich. h) Bei GRIG/KELLY (2012) 19 wird die einmonatige Dauer des Besuchs in Bezie- hung gesetzt zur Regierungszeit des Constantius als Augustus von 24 Jahren.317- ab urbe: meint nach üblichem Sprachgebrauch d i e Stadt, also Rom. - per Tridentum: heute Trient, italien. Trento; im Etsch(Adige)tal, im 4. Jh. zur Provinz Venetia et Histria gehörend in der Dioecesis IX Italiae Annonariae. Raetisches oppidum, als municipium Iulia Tridentina von Caesar gegründet, unter Augustus der regio X. (tribus Papira) zugeteilt, war es im 2. Jh. n.Chr. colonia, wurde im 3. Jh. von den Alamannen geplündert, im 4. Jh. noch einmal kurzfristige Erholung (Stützpunkt römischer Truppen); Bischofssitz seit dem 4. Jh.; im 5.

Jh. aufgegeben. - [DNP 12/1 809 (HERBERT GRASSL)] - in Illyricum: a) Illyricum meint im 4. Jh. wahrscheinlich im wesentlichen das Gebiet, das nach der diokletianischen Verwal- tungsreform dem praefectus praetorio Illyrici unterstand, d.h. die ganze Balkanhalbinsel einschließlich Noricum, aber ohne Thrakien und das Gebiet der Dioecesis VI, somit die Provinzen Noricum (ripense u. mediterraneum), Pannonia I und II, Valeria, Savia, Dal- matia, d.h. Teile des heutigen Österreich, Ungarns, Serbiens, Kroatiens und Montenegros. -

[DE JONGE (1972) 142; CHIABÒ 352; SEYFARTH 1, 297 Anm. 133; DKP, Bd.2, s.v. Illyricum,

1367–1369 (J. SZILÁGYI); DNP, Bd. 5 s.v. Illyricum 940–943 (M.Š.K); J. BLEICKEN, Verfas- sungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, Paderborn 1978, Band 1, 152] - b) Constantius ist für den 21. Juli als in Ravenna befindlich bezeugt (Cod. Theod. 12,1,40) und für den 27. Okt. als in Sirmium sich aufhaltend (Cod. Theod. 8,5,10) [SEECK (1919) 204]. 10,21: misso in locum Marcelli Severo bellorum usu et maturitate firmato: a) vgl. 30,7,11 (Valentinian) ut erat expeditae mentis usuque castrensis negotii diuturno firmatus;

TAC. hist. 2,76,5: firmatus usu miles [gemeint sind die Soldaten der neun Legionen in Sy- rien, Judäa und Ägypten] et belli domitor externi.318 - b) Marcellus war magister equitum

316 Anhand dieser beiden Stellen kann man meiner Meinung nach das ganze Dilemma zeigen, in dem sich der Interpretierende bei fast allen Datierungen und Angaben zur Zeitdauer befindet: Triginta kann eine runde Zahl sein (ein Monat (!)). Somit ist der auf reiner Berechnung beruhende Ankunftstag keineswegs genau so sicher wie der Abreisetag. Genau dieser Unterschied im Grad der Sicherheit geht aber verloren, 3 wenn z.B. bei KIENAST (2004 )315 steht: „28. April 357 (Cons. Const. Chron. Pasch.) Adventus des Con- stantius in Rom. 29. Mai 357 (Ammian 16,10,20) Profectio aus Rom.“ - In 19,9,9 scheint die exakte Dau- er der Belagerung dadurch gesichert, dass Ammian zumindest den größten Teil in Amida miterlebt hat und sicherlich aufgrund der existenziellen Bedrohung einen unauslöschlichen Eindruck in Ammian hin- terlassen hat, so dürfte dazu nicht unbedingt die exakte Dauer von 74 Tagen gehört haben, so dass man annehmen muss, dass Ammian so etwas wie ein Tagebuch geführt hat. Damit aber ist man mitten in den Spekulationen, die die Daten- und Informationsbeschaffung bei Ammian und seine Arbeitsweise betref- fen, wo vieles einfach zur Glaubenssache wird: Vgl. z.B. DE JONGE (1982) 184 zu 19,9,7 (post diem quin- tum): "The exact indication of time is not fictitious, in my view, but has a real source, either by word of mouth or by the written word." 317 „Still, Constantius spent only one month of twenty-four years as Augustus in the city.“ 318 Als Tacitusreminiszenz schon aufgeführt bei FLETSCHER (1937) 390; ROSELLE (1976) 151; NEUMANN (1987) 217.

137 [„(Heer)meister der Reiter(truppen)“] in Gallien 356–357. Als Julian im Nov. 355 von Constantius zum Caesar erhoben wurde, wurden ihm Sallustius im Range eines praefectus praetorio als Chef der Zivilverwaltung und Marcellus als für den militärischen Bereich zuständig mitgegeben, wobei Marcellus der erste magister equitum per Gallias ist [d.h. dass die Zuständigkeit nicht mehr ausschließlich die Waffengattung betrifft (damit kommt die Bezeichnung magister equitum et peditum oder magister utriusque militiae auf – auch

Marcellus wird bei AMM. 22,11,2 ex magistro equitum et peditum genannt -, sondern vor allem ein Gebiet, das besonders gefährdet ist]. Da Marcellus versagte, indem er dem apud

Senones (in Sens) belagerten Julian Ende 356 nicht zu Hilfe kam (AMM. 16,4,3), wurde er von Constantius abberufen und ging nach Serdica in den Ruhestand (AMM. 16,8,1). - Seve- rus dürfte im Sommer 357 sein Amt angetreten haben.319 - Positive Wertungen der unter Constantius II. dienenden ranghöchsten Militärs bei Ammian auch für Cassianus (16,9,2),

Lupicinus (21,1,2) und natürlich Ursicinus. - [SEYFARTH 1, 290 Anm. 21 (zu AMM. 16,2,8);

PLRE 1, 550/1, Marcellus 3 Mag. Equ. (in Gaul) 356–357; BLEICKEN (1978), Bd. 1, 237 f.;

RE, Suppl. XII, s.v. Magister militum, 553–790 (A. DEMANDT); CALTABIANO (1979) 432; NERI

(1984) 17 Anm. 41; VENNING (2011) 671]. - c) Zur Eigenart Ammians, bei der Ernennung von Heermeistern den Amtsvorgänger zu nennen, vgl. 16,2,8;16,11,2;16,11,7;17,6,2;18,2,

7;18,5,4f.;18,6,1;19,3,2;20,2,1;20,2,5;20,9,5;21,8,1;25,8,11;28,3,9;31,11,1[DEMANDT (1972) 85] - d) Zur Eignung des Severus vgl. auch 16,11,1: magisque laetus (gemeint ist Julian), quod exercitum regebat Severus, nec discors nec arrogans, sed longa militiae frugalitate compertus, et eum recta praeeuntem secutus, ut ductorem morigerus miles. Außerdem LI-

320 BAN. Orat. 18,48 . - e) Severus ist somit als Nachfolger des Marcellus ebenfalls magister equitum per Gallias 357/58 (VENNING (2010) 671). Sein Nachfolger wird Lupicinus (AMM. 18,2,7). Wo Severus seine Kriegserfahrung gesammelt hatte, ist den Quellen nicht zu ent- nehmen. - [PLRE 832 Severus 8 Mag. Equ. (per Gallias) 357–58; DEMANDT (1970) 574] - Ursicinum: Ursicinus war magister equitum seit 349 (so PLRE) oder 350 (so müsste man aus Demandts Argumentation schließen, wonach beim Abzug des Constantius von der Per- serfront im Jahre 350, als Gallus ähnlich wie später Julian in Gallien, so diesem die for-

319 FRÉZOULS (1962) 683 vermutet, dass zunächst Ursicinus den Marcellus für einige Monate ersetzt habe. 320 Ταυτὶ μὲν οὖν καὶ ἔτι πλείω τούτων τὴν χώραν ἐπιὼν ἴσχυσεν οὔπω τοῦ πᾶν ὃ διανοηθείη πράττειν εἰς ἐξουσίαν ἥκων. Ὡς δὲ ἀπήλλακτο μὲν ὁ τοὺς πολεμίους δεδιὼς στρατηγός, εἰς δὲ τοὺς οἰκείους ὑβρίζων, ἧκε δὲ διάδοχος ἀνὴρ τά τε ἄλλα βέλτιστος καὶ πολέμων οὐκ ἄπειρος καὶ τῶν κωλυμάτων τὰ πολλὰ ἐπέπαυτο, τότε δὴ τότε τῷ βασιλεῖ καιρὸς ἐπιδείξεως ἀκριβοῦς παρῆν [„Darin also und in noch viel mehr als diesem gewann er (gemeint ist Julian) an Stärke und Macht, als er ins Land kam, wobei er noch nicht die Möglichkeit hatte, all das zu tun, was er beabsichtigte. Als aber der Feldherr nicht mehr da war, der die Feinde fürchtete, aber die eigenen Leute entehrte, kam als Nachfolger einer der besten Männer, der auch Erfahrung mit Feinden hatte, und da war Schluss mit den meisten der (bisherigen) Hindernisse, und da nun, da war für den Cäsar wirklich die Zeit gekommen für den genauen Beweis (seiner Leistungen).“]

138 male Oberhoheit im Osten übertragen wurde, „das faktische Militärkommando und die beratende Begleitung des Caesar [...] jedoch in die Hände eines eigens ernannten Heer- meisters gelegt“321 wurde). - Ursicinus wurde 355 von Constantius nach Mailand beordert und von dort nach Köln geschickt, um die Usurpation des Silvanus zu beenden. Diese Mis- sion endete (wahrscheinlich Anfang Sept. 355) mit der Ermordung des Silvanus (AMM. 15,5,31). Ursicinus trat nicht die Nachfolge des Silvanus im Heermeisteramt für Gallien an

(Nachfolger wurde Barbatio), blieb aber in Gallien, vgl. AMM. 16,2,8: Iulianus civitatem Remos … petit, ubi in unum congregatum exercitum … iusserat opperiri praesentiam suam: cui praesidebat Ursicini successor Marcellus et ipse Ursicinus ad usque expeditio- nis finem agere praeceptus isdem in locis. Für die Zeit bis zur Abberufung aus Gallien, von der hier die Rede ist, liegen keinerlei Nachrichten über Ursicinus vor.322 - [PLRE 1,832

Vrsicinus 2; DEMANDT (1970) 573f.] - Ursicinum ad se venire praecepit: a) Praecipio mit

Infinitivkonstruktion mehrfach bei CIC.; mit a.c.i.-Konstruktion in gleicher Bedeutung wie iubeo seit CURTIUS und PLIN. nat. hist. mit passivem Infintiv, mit aktivem seit Apuleius, und im Spätlatein ist diese Konstruktion ganz geläufig.323 - [L-H-Sz. 356] - b) Ammians Text konstatiert hier einen Zusammenhang zwischen der Ersetzung des Marcellus durch Seve- rus und der Abberufung des Ursicinus. Wahrscheinlich war die Entsendung des Ursicinus in den Westen von Constantius nur als provisorisch gedacht, und zwar zunächst nur so lange, bis für Silvanus ein geeigneter Nachfolger gefunden wäre, und dann, nach Julians Entsendung nach Gallien, bis dieser in seine Aufgaben hineingewachsen war. Dass die Ab- berufung erst jetzt erfolgte, war bedingt durch die neue Lage im Osten und dadurch, dass

Marcellus unfähig war. (Vgl. FRÉZOULS (1962) 683–685). - c) Wenn man annimmt, dass Ur- sicinus Gallien erst nach der Ankunft des Severus und der Übergabe der Amtsgeschäfte verlassen hat, dann dürfte Ursicinus Gallien im Juli 357 verlassen haben. (Vgl. FRÉZOULS (1962) 683.) - d) Aus dieser Stelle ist zu erschließen, dass Ammian nicht Augenzeuge des adventus des Constantius in Rom war.324 - litteris gratanter acceptis: a) zu den vom ppa

321 DEMANDT (1970) 571. 24-28. 322 In die Zeit nach der Beendigung der Usurpation des Silvanus und vor der Ankunft Julians in Gallien fal- len nach AMM. 15,8,1 Barbareneinfälle, die zu schweren Verwüstungen in Gallien führten (Constantium vero exagitabant adsidui nuntii deploratas iam Gallias indicantes nullo renitente ad internecionem bar- baris vastantibus universa.). Man wüsste natürlich gern, was das römische Heer und sein Führer Ursi- cinus getan haben, um diese Barbaren zu bekämpfen. Erklärungsversuche bei THOMPSON (1947) 42ff., spez. 47, Anm. 5, FRÉZOULS (1962) 685f.; DRINKWATER (2007) 214f. - GUZMÁN ARMARIO (2002)752f. Anm. 67 behauptet, Ursicinus müsse bei diesen Unternehmungen gescheitert sein, und das sei auch der Grund für die Abberufung gewesen. 323 Ammian gehört nicht zu den Schriftstellern, bei denen iubeo durchgehend durch praecipio ersetzt ist; Formen von iubere bei ihm noch etwa doppelt so häufig [CHIABÒ 415/16]wie die von praecipere [CHIABÒ 598] . 324 Trotzdem noch manchmal zu lesen, vgl. GUZMÁN ARMARIO (2002) 750 Anm. 49.

139 gebildeten Adverbien vgl. zu §8 (Das Deponens grator zunächst vor allem in Dichtung).

Gratanter noch mehrfach bei AMM. (17,12,15;19,11,7;23,3,8;25,10,10;28,5,11 (gratanter ... acceptae sunt litterae);29,5,19; aber auch AUR. VIC. Epit. 12,3; HA Maxim. 14,4; Gord. 9,7;

Macrin. 7,1; Clod. Alb. 12,1; Valer. 2,1; trig. Tyr. 3,4; Gallien. 12,1; außerdem SYMM. Epist.

7,76; LUCIF. CALAR. Moriendum esse pro dei filio 7 p. 299,31; 13 p. 312,12 und häufig bei späteren (vgl. GEORGES 1, 2964; N.-W. II, 715; LÖFSTEDT (1967) 96; VIANSINO (1985) 610;

HAVERLING (1988) 80) - b) HA trigint. tyr. 3,4: ab omnibus Gallis Postumus gratanter ac- ceptus. - libratisque diu super pace consiliis, quam fundari posse cum Persis Muso- nianus rettulerat: a) Librare in der Bedeutung „genau erwägen“ erst in der Spätantike, mit ratio o.ä. als Objekt z.B. AMM. 24,4,9 (librata ratione), CYPRIAN. Epist. 55,3 (non sine li- brata diu et ponderata ratione); AUGUST. serm. 180,9,10 (perpensa ratione et considera- tione librata); AMM. 29,4,17 (libratis sententiis), mit consilium als Objekt auch CYPRIAN. Epist. 45,3 (consilium ... salubri ratione libratum); die Herkunft der Metapher vom Wiegen mit der Waage noch erkennbar an Ausdrücken wie AMM. 14,5,1: insolentiae pondera gra- vius librans.[ThLL VII,2 s.v. libro 1349,57–1343,14 (COLLASSERO), spez. 1350,79–1351,23]. - b) Beratungen im consistorium. Es wird der Eindruck erweckt, als habe Ammian an die- sen Beratungen teilgenommen. Dies dürfte jedoch wohl kaum der Fall gewesen sein. Den- noch fingiert Ammian immer, als habe er zuverlässige Nachrichten über diese Beratungen (vgl. 20,4 (Beratungen in Julians consistorium hinsichtlich des Befehls zum Truppen- abzug), 25,5 (Wahl Jovians nach Julians Tod) u.ö.).325 - c) Zu posse + inf. praes. pass. vgl. auch zu 26,10,3;29,5,45. [CHIABÒ 591f.] Zur Nähe dieser Konstruktion zu den Umschrei- bungen für den fehlenden inf. fut. pass. vgl. LIV. 2,49,2: omnes finitimos subigi populos posse. - c) Zu super + Abl. in der Bedeutung „in Hinsicht auf“, „wegen“ vgl. auch 29,5,5. - In dieser Bedeutung mehrmals bei Cicero in den Briefen (ad Att. 10,8,10;14,22,2;16,6,1), aber auch bei CORN. NEP. Pausan. 4,1; SALL. Iug. 71,5 (super tali scelere suspectum); öfter auch bei Tacitus (ann. 2,35;11,3;11,15;11,23;12,38;12,61;15,5;15,36), häufig bei Gellius. [N.-W. II, 930f.] - Super pace bei Ammian auch 17,5,12;20,7,4. - d) Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Römer mit den Persern zu diesem Zeitpunkt in einem offenen Krieg befinden, der offiziell erklärt worden wäre. Nach AMM. 16,9 unternehmen die Perser immer wieder Raubzüge in die östlichen Provinzen des römischen Reiches; anscheinend sind die im Osten stationierten römischen Streitkräfte nicht in der Lage, diese Raubzüge auf Dauer

325 AUSTIN (1979) 14f. ist der Ansicht, Ammian selbst sei irgendwie in "policy-making" involviert gewesen, während BRINGMANN (1974) 47 Anm. 18 aus einer Stelle wie dieser schließt, dass Ammian keinen direkten Zugang zu diesen Kreisen gehabt habe, und darin sei dann ein deutlicher Qualitätsunterschied seiner Geschichtsschreibung im Vergleich zu der des Tacitus begründet, der Senatsmitglied gewesen sei.

140 zu unterbinden. Deshalb versucht Musonianus (vgl. dazu unten) zusammen mit Cassianus, dem dux Mesopotamiae, mit Sapor in Verhandlungen einzutreten, um zu erreichen, dass diese Überfälle aufhören. Das sicherste Mittel dazu ist nach Ammian, dass Sapor mit dem römischen Kaiser einen Friedensvertrag (vgl. AMM. 16,9,3: suaderet (gemeint ist Tamsapor, der für die Grenzprovinzen der Perser zuständige Mann) regi (gemeint ist Sapor) per litte- ras pacem tandem aliquando cum principe Romano (gemeint ist Constantius II.) firmare. Dabei scheint tandem aliquando darauf zu verweisen, dass der jetzige Zustand schon seit geraumer Zeit so ist, und pacem firmare kann bedeuten, dass es offiziell vor langer Zeit einmal einen Friedensvertrag zwischen Persien und dem römischen Reich gegeben hat, der, weil er faktisch nicht eingehalten wurde, einfach noch einmal bestätigt werden sollte, es kann aber auch bedeuten, dass pacem firmare gleich pacem facere ist, mit der Konnotation, es solle ein Vertrag sein, der zu einem dauerhaften Frieden führt. Dies gilt ebenso für pa- cem fundare, das hier in Variation zu pacem firmare gesetzt ist.326 - Die Junktur pacem fundare findet sich bei Ammian außerdem 25,7,5 (Nach dem Scheitern von Julians Persienfeldzug vor dem Friedensschluss Jovians mit Sapor): Persae praeter sperata prio- res super fundanda pace oratores ... mittunt; 18,7,7 (über Sabinianus, als dieser 359 im Osten Ursicinus ersetzt hatte, zu einer Zeit, in der mit den Persern kein Frieden zu machen war): quasi fundata cum mortuis pace; HA Sept. Sev. 22,4: in aeternum pace fundata. Pax fundata als Münzaufschrift z.B. zur Zeit des Gallienus (253–268)327, pax fundata cum Persis als Münzaufschrift bei Philippus Arabs (Anfang 244–Sept./Okt. 249)328, so dass man annehmen darf, dass die Wendung zumindest seit dem 3. Jh. zur imperialen Propaganda

326 DE JONGE, (1972) 144, zur Stelle entscheidet sich ausdrücklich für die letztere Möglichkeit: „fundari. Here not: firmare, stabilire, but: facere, componere, conficere, pangere." ROLFE (1935) 255: „the peace which Musonianus has reported might be established.“ - Zu fundare als variatio zu firmare und umgekehrt vgl. auch zu AMM. 20,5,5. - Vgl. auch securitate fundata (AMM. 14,11,23; 17,13,28), utilitatem fundare provinciarum (AMM. 17,9,1). 327 RIC 652; als Abbildung eine Trophäe mit zwei Gefangenen. 328 RIC 4,3, p.76, Nr. 69; Nr. 72 . Jeweils Darstellung der Pax mit Zweig und Szepter. Beide Münzen aus der Münzstätte von Antiocheia (!). - Unter Philippus Arabs erscheint auch die Legende Laetitia fundata zum ersten Mal (RIC 4,3, p.39, Nr. 235). - [CHRISTIAN KÖRNER, Philippus Arabs, Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Berlin · New York, 2004, S. 104 und Anm. 32, 33]

141 gehörte.329 - c) (Strategius) Musonianus330 ist zu diesem Zeitpunkt praefectus praetorio orientis331, somit der höchste zivile Beamte im Osten des Römischen Reiches. - Über die hier von Musonianus eingeleiteten Friedensverhandlungen mit dem Perserkönig Sapor be- richtet Ammian 17,5. Die Verhandlungen enden ohne Erfolg.332 - d) Rettulerat: Musonia- nus hatte somit eine relatio (wahrscheinlich von Antiocheia aus) an den Hof des Constan- tius geschickt. - e) Beratungen finden wahrscheinlich im consistorium statt. (Vgl. LEE

(1993) 40.) - in orientem cum magisterii remittitur potestate: a) Zu oriens vgl. zu AMM.

329 Vgl. ThLL VI,1 s.v. 1. fundo 1559,43-15,63,17 (ROBBERT), spez. 1560,64-68. - KÖRNER a.a. O. 118 (zu den Münzlegenden des Philippus Arabs) „Des weiteren erscheint der Aspekt des „Begründens“: Laetitia Fun- data, Pax Fundata cum Persis. Damit werden zwei Vorstellungen zum Ausdruck gebracht: Zum [Es fehlt offensichtlich aus Versehen „ersten“] schwingt beim Partizip Perfekt Passiv natürlich die Ergänzung a Philippo mit, der Kaiser erscheint somit als der „Begründer“ des Friedens und der Freude. Zum zweiten drückt das fundata auch die Vorstellung aus, dass Pax und Laetitia andauern werden, da sie nun fest be- gründet für die Zukunft sind.“ - Diese Feststellungen sind richtig: Das Ziel der Propaganda ist es, dem Kaiser immer neue, effektivere und glanzvollere Eigenschaften und Erfolge zuzuschreiben. Genau zu diesem Zweck dürfte auch aus einem einfachen pacem facere (wie es häufig bei Cäsar vorkommt, gerade im ablativus absolutus pace facta) ein pacem firmare und schließlich ein pacem fundare gemacht worden sein. Es fragt sich aber, ob nicht mit der Zeit auch ein gewisser Abnutzungseffekt eingetreten ist, die Metapher gar nicht mehr als solche empfunden worden ist und die Junktur so schließlich zu einer Floskel geworden ist, die vor allem der variatio wegen gesetzt wird. 330 Der Name dürfte Strategius Musonianus gewesen sein (so PLRE 1, 611), wobei nicht mehr zu entschei- den ist, ob Musonianus Beiname oder eigentlicher Name ist; da er im Codex Theodosianus (13,5,14 vom 11. Febr. 371 an den praefectus praetorio Modestus: Musoniani clarissimae memoriae p(raefecti) p(rae- torio) executione; außerdem auch in allen an ihn gerichteten Gesetzen: 8,5,5 (vom 25. Juli 354); 12,12,2 (vom 15. Jan. 357; 1,5,6 u. 7 (vom 7. Juni 357) jeweils: Musoniano P(raefecto P(raetori)o) Musonianus genannt wird, dürfte dies der eigentliche Name gewesen sein. Es ist sicherlich kein von Konstantin verliehener Spitzname (PLRE: "nickname"; ebenso DRINKWATER (1983) 352) gewesen [Dies stützt sich auf die bei AMM. 15,13,1-1 (Constantinus enim cum limatius superstitionum quaereret sectas, Manichaeorum et similium, nec interpres inveniretur idoneus, hunc sibi commendatum ut sufficientem elegit; quem offi- cio functum perite Musonianum voluit appellari ante Strategium dictitatum.) erzählte Anekdote, die nach einem sonst bei Ammian häufig vorkommenden Schema bei Städtenamen ausgehend von der Tatsache, dass wohl auch zu Ammians Zeiten, bzw. in den Quellen niemals der Doppelname genannt wurde, son- dern einmal der Mann als Strategius (so EUS. V. Const. 3,62,1 und Libanius), einmal als Musonianus (so im Codex Theodosianus, bei Athanasius und bei Himerius) genannt wurde, aber die Identität dennoch zweifelsfrei feststand , durch ein zeitliches Nacheinander zu erklären versuchte und die Umbenennung an eine Anekdote knüpfte, die in der bei Ammian wiedergegebenen Form nicht ohne weiteres verständlich ist, während Himerios [Or. 62,6 ἄνδρα αὐτῶν (sc. τῶν Μουσῶν) ἐπώνυμον καὶ ταῖς ἐκείνων τελεταῖς ἐν- σκιρτήσαντα ἡγεῖσθαι τῆς πόλεως συμβαίνει [„Es geschieht, dass ein Mann, der nach ihnen (den Musen) benannt ist und in deren Mysterien eingeweiht ist, die Stadt führt.“]; Zuordnung zu diesem Musonianus nicht gesichert, was aber im Hinblick auf die Verknüpfung des Namens mit den Musen keine Rolle spielt.] das Bindeglied liefert. Da jedoch die bei Himerios und Ammian angenommene Begründung, jemand habe den Beinamen Musonianus, weil er besonders gebildet ist, dem Musendienst ergeben ist [so auch ELM (2012) 102 Anm. 65], rhetorisch konstruiert zu sein scheint (Man erwartet dann einen Beinamen Musonius oder Musianus, während Musonianus die übliche Ableitung auf -anus vom Eigennamen Musonius ist; zu Namensbildungen auf -anus, -ianus vgl. auch MAYER (2002) 342; JULIUS BAUMGART, Die römischen Sklavennamen, Diss. Bresslau, 1936; SINCLAIR (1995) 228 Anm. 64), scheint mir auch Am- mians Umbenennungsanekdote Erfindung Ammians zu sein. - Allerdings bedarf es noch einer Erklärung, warum er in den Quellen nicht einmal als Strategius Musonianus erscheint. 331 Er hatte dieses Amt von 354–358 inne (vgl. PLRE 1, 611). Comes schon unter Konstantin (um 326); proconsul von Konstantinopel (vor 353); proconsul von Achaia (353); nach 358 Rückzug in den Ruhestand nach Konstantinopel; 371 (vgl. oben Cod. Theod. 13,4,14) war er schon tot. - [PLRE 1,611/12; DNP, Bd. 8, s.v. Musonianus, 552/53 (BRUNO BLECKMANN) (dort, ohne Beleg, als Fl. (= Flavius) Strategius Musonianus bezeichnet); SEYFARTH, 1, 289 Anm. 224 (ebenfalls als Flavius Strategius Musonianus be- zeichnet); CALTABIANO (1991) 77 Anm. 44]

142 20,4,1. - b) Magisterium meint das Amt eines magister (peditum, bzw. equitum, bzw.

333 334 militum), so als magisterium equitum schon bei LIV. 9,26,20;22,30,5 und SUET. Tib. 3,1 . Auch wenn das in der Spätantike neugeschaffene Amt eines magister equitum, magister peditum nichts mehr mit dem der republikanischen Zeit zu tun hat, so ist die Bezeichnung sicherlich aus dem Bestreben, an alte Tradition anzuknüpfen, entstanden.335 Ursicinus war magister equitum seit 349 (oder 350) und war zunächst als solcher im Osten tätig (deshalb hier remittitur), (bis er für das Unternehmen gegen Silvanus nach Gallien geschickt wur- de336). Aufgrund des Zusatzes cum magisterii potestate sieht es so aus, als sei er jetzt in Sirmium von Constantius in ein neues Amt, natürlich ebenfalls mit dem Titel eines magis- ter eingewiesen worden.337 Ob dies eine echte Beförderung gewesen ist (was voraussetzt, dass innerhalb der magisteria Rangunterschiede bestehen), ist nicht auszumachen. - pro- vectis e consortio nostro ad regendos milites natu maioribus: a) Consortium nostrum bezeichnet den Stab des Ursicinus, zu dem auch Ammian selbst gehört338 - 15,5,22 be-

332 Eine weitere (erfolglose) Gesandtschaft nach Persien gab es 358 unter Leitung des Rhetors Spectatus und des philosophus Eustathius, vgl. AMM. 17,5,15;17,14,1f.; EUNAP. VS 6,5,2-10; LIBANIUS Ep. 331. Dazu LEPPIN (1999) 465 und Anm. 47. 333 Dabei ist bei allen Autoren, bei denen der Begriff vor der Spätantike vorkommt, natürlich das Amt des magister equitum gemeint, den ein Diktator in seiner ersten Amtshandlung ernannte (und der auch gleich- zeitig mit dem Diktator abdankte) [DKP Bd. 3, s.v. Magister 1. equitum, 874f. (ADOLF LIPPOLD)]. 334 Vgl. ThLL VIII 1 s.v. magisterium 88,82-91,28 (RICHTER), spez. 89,24. 335 Dass auch magisterium als Bezeichnung für das Amt offiziellem Sprachgebrauch entspricht, ergibt sich z.B. aus Cod. Theod. 6,7,2 [a. 380]: magisterium equitum et peditum (ebenso AMM. 25,8,9); Cod. Iust. 2,12,25 [a. 392]: magisterium militare (so auch Cod. Theod. 6,8,1 [a. 422]); Cod. Theod. 6,22,4 [a. 372]: magisterium suscipere. - Weitere Stellen bei AMM.: 14,11,24;15,5,17(Silvanum) ... dum ex magisterio peditum altius nititur; 16,11,2: peditum magisterio (so AUR. VICT. Caes. 41,26;42,15);18,5,5;26,5,11: magisterii dignitate; 21,8,1: magisterium armorum (so Novell. Iust. 70 praef.) (vgl. ThLL a.a.O.). 336 Es gibt keine Informationen darüber, wie die Kompetenzen der Heermeister in Gallien zueinander und auch zum Cäsar Julian geregelt waren. CRUMP (1975) 48, Anm. 12 („Ursicinus supervised the command in the interval but presumably remained nominally magister equitum et peditum per Orientem.“) trägt nicht zur Klärung bei, weil dann gerade die Aussage an dieser Stelle cum magisterii ... potestate überflüssig erscheint. 337 Anders FRÉZOULS (1962) 680, wonach das so zu verstehen sei, dass Ursicinus wieder in sein früheres, ihm eigentlich immer von Constantius zugedachtes Wirkungsfeld zurückkehrte. 338 Erste Erwähnung der Zugehörigkeit Ammians zum Stab/Gefolge des Ursicinus in Ammians Res gestae 14,9,1 (Anfang des Jahres 354 erhält Ursicinus von Gallus den Auftrag, Hochverratsprozesse in Antio- cheia durchzuführen): inter has ruinarum varietates a Nisibi, quam tuebatur accitus Ursicinus, cui nos obsecuturos iunxerat imperiale praeceptum, dispicere litis exitialis crimina cogebatur. 14,11,5: et Ursici- num primum ad se venire summo cum honore mandavit ea specie, ut pro rerum tunc urgentium captu disponeretur concordi consilio, quibus virium incrementis Parthicarum gentium arma minantium impetus frangerentur. Et ne quid suspicaretur adversi venturus, vicarius eius, dum redit, Prosper missus est co- mes; acceptisque litteris et copia rei vehiculariae data Mediolanum itineribus properavimus magnis. 15,5,22-31 (Ursicinus wird von Mailand aus zur Beseitigung des Usurpators Silvanus nach Köln ge- schickt): (22) post haec ita digesta protinus iubetur exire tribunis et protectoribus domesticis decem, ut postularat, ad iuvandas necessitates publicas ei coniunctas, inter quos ego quoque eram cum Veriniano collega, residuis omnibus ab imperatore delectis. (23) ... et quamquam ut bestiarii obiceremur intractabilibus feris... mirabamur illam sententiam Tullianam...(24) Festinamus itaque ... invenimus ... (26) ... nos omnes sub elogio uno morte multandos ... (29) ... terrebant nos tamen ... (30) ... scruta- bamus .. [Ein Verzeichnis all der Stellen, an denen Ammian sich als an den geschichtlichen Ereignissen teilnehmend erwähnt, bei KELLY (2004) 38-42; darunter auch die Stellen, die zeitlich nach den hier geschilderten Ereignissen liegen.]

143 zeichnet er sich als zu den protectores domestici gehörend - , so dass das Possessivprono- men nostrum hier nicht die seit Cäsar häufiger vorkommende Bezeichnung für „unsere Leute“ im Sinne von „wir, die Römer“ im Gegensatz zu den Feinden, Barbaren etc. meint, sondern im eigentlichen Sinne die Teilnahme des Autors am Geschehen bezeugt, wie im folgenden aus iubemur ersichtlich ist. - b) Ein Grund für die Beförderung einiger Offiziere des Stabes ist nicht angegeben. Vgl. dazu die Interpretation. Wahrscheinlich wurden diese protectores zu tribuni befördert, vgl. von Gratianus maior, dem Vater Valentinians, 30,7,3: post dignitatem protectoris atque tribuni comes [MÜLLER (1905) 596; ELTON, HUGH: Warfare in Roman Europe, AD 350–425, Oxford 1996 242]. - Aus dem folgenden Text ist zu er- schließen, dass Ammian und die anderen jüngeren aus dem consortium nicht befördert

339 worden sind. - c) Zur Formulierung und zum Gedanken vgl. auch PLIN. Paneg. 62,7: pro- posita sunt senioribus praemia, iuvenibus exempla. - adolescentes eum sequi iubemur: a) Daraus, dass sich Ammian hier (357) als adolescens bezeichnet, und dass er sich 14,9,1 als zum Stab/Gefolge des Ursicinus gehörend bezeichnet (Anfang 354)340, nimmt man an, dass Ammian kurz vor 333 geboren ist. - b) Iubemur meint, dass der Befehl nicht von Ursicinus kommt, sondern von Constantius (vgl. 14,9,1). Zu einer Verbform in der 1. Pers. Plur. im letzten Satz einer Geschichte der Res gestae vgl. auch conspeximus in 26,10,19. Die 1. Pers. Plur. hier, weil es sich um das Handeln einer speziellen Gruppe handelt (alle Jüngeren e consortio nostro). Ein derartiges kollektives nos341 z.B. auch 15,5,24: Festinamus ... (Kommandounternehmen zur Beseitigung des Silvanus in Köln). - c) Diese Stelle ist in den Res gestae die einzige, die für die Jahre 356–358 n. Chr. eine Information über Ammian enthält. Zu allen autobiographischen Passagen in den Res gestae Ammians vgl. vor allem

MARY (2008) 228; KELLY (2008) 31–160, zu dieser Passage speziell 32 und 38. - quidquid pro re publica mandaverit, impleturi: a) Zu res publica bei Ammian vgl. zu 20,5,3. - b) Zur Endstellung des pfa vgl. zu 16,10,1.

339 Ammian war zu diesem Zeitpunkt um die 25 Jahre alt. MATTHEW (AmmianusʼHistorical Evolution) 31f. weist darauf hin, dass der Rang eines protector domesticus schon einer der gehobenen Offiziersränge war, dass in einem Alter von weniger als 25 Jahren in diesen Rang zu kommen, schon außergewöhnlich war, und dass man daraus schließen dürfe, dass er aus einer Familie stammt, die gute Verbindungen zu den höheren zivilen wie militärischen Kreisen in Antiocheia hatte. Vgl. auch WEISWEILER (2015) 132: „As protector domesticus, member of a élite unit of the Roman army, Ammianus formed part of the imperial aristocracy of the Roman Empire.“ - Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Ammian selbst in seiner militärischen Laufbahn je befördert worden ist.[Vgl. GARY A. CRUMP, Ammianus Marcellinus as a military historian, Wiesbaden 1975 (Historia Einzelschriften Heft 27), 6.] 340 Nach SEYFARTH 1,16 353 n. Chr., nach MATTHEW (AmmianusʼHistorical Evolution) 31 354 n. Chr. 341 Begriff übernommen von MARY (2008) 235: „un nos collectif“.

144 2.4 Anhänge

2.4.1 Anhang 1

Das Substantiv stipator für uns zum ersten Mal greifbar bei Cicero (vgl. Verr. 3,65: Apronius stipatores Venerios secum habebat; de leg. agr. 2,32 (finitores ex equestri loco ducentos, vicenos singulorum stipatores corporis constituit (der Volkstribun Publius Servius Rullus, der das Acker- gesetz eingebracht hat; die finitores werden hier von Cicero als Leibgarde der Mitglieder des Zehn- männerkollegiums bezeichnet, das die Ackerverteilung durchführen soll); de dom. 13: Quis est Ser- gius? Armiger Catilinae, stipator tui corporis (gemeint ist hier der von Cicero angegriffene Metel- lus), signifer seditionis, …; außerdem de off. 2,25); an allen diesen Stellen ist mit dem, der stipatores um sich hat, entweder ein Tyrann gemeint, oder jemand, der sich wie ein König (vgl. de leg. Agr. 2,32: dat praeterea potestatem verbo praetoriam, re vera regiam) verhält, aber eben nicht römisch-republikanisch, somit immer mit negativer Konnotation, in de dom.13 fast schon als Schimpfwort. In diesem Sinne, und zwar wohl von Cicero übernommen, an einer Stelle bei Sallust verwendet (SALL. Cat. 14,1: In tanta tamque corrupta civitate Catilina … omnium flagitiorum at- que facinorum circum se tamquam stipatorum catervas habebat). - Parallel dazu auch das Verb stipare, wenn auch fast ausschließlich in den Formen des Partizips gebraucht, um anzudeuten, dass jemand sich in der Öffentlichkeit dicht von einem Gefolge umgeben zeigt, so VERG. Georg. 4,215f. (vom Bienenkönig(!): Ille operum custos, illum admirantur et omnes / circumstant fremitu denso stipantque frequentes / …; Aen. 1,496f.: Dido / incessit magna iuvenum stipante caterva; 4,136;

4,544f.;10,328f.: ni fratrum stipata cohors foret obvia, Phorci / progenies;11,12f.; VELL. PATERC. 2,

58,2: hi … stipati gladiatorum D. Bruti manu. Bei Plinius (PLIN. Paneg. 23,2) wird dem „repub- likanischen“ Auftreten des Kaisers (Die Liktoren (!) gehen voraus. Diese werden niemals als stipatores bezeichnet.) das Auftreten der Kaiser entgegengesetzt, die in der Öffentlichkeit stipatum satellitum manu sind, wobei mit der manus satellitum nur die Prätorianer gemeint sein können. Dabei liegt der Gedanke zugrunde, dass der schlechte Kaiser in der Öffentlichkeit vor den eigenen Bürgern geschützt werden muss (Tyrannentopos). Bei Tacitus, zu dessen Zeit die Prätorianer längst eine feste Institution sind, ist der Terminus stipatores so etwas wie t.t. für die Leibwache, bzw. die Gardetruppen, aber Tacitus verwendet ihn nicht für die Prätorianer, sondern nur für die Gardetrup- pen des Arminius und des Tacfarinas: Ob damit über Arminius und Tacfarinas mehr ausgesagt wer- den soll, als dass sie eben wie nicht-römische Könige oder Fürsten eine Leibwache haben, ist schwer zu entscheiden. In der Übernahme des Wortes könnte es sich auch einfach um eine literari- sche Reminiszenz handeln. Das gilt genauso für Ammian und den Autor der Historia Augusta: Für Ammian halte ich es für ziemlich sicher, dass z.B. der auffallende Gebrauch des ppa Vergilreminis- zenz ist (so auch CLAUDIAN. 1,231: iuncto stipante senatu; 8,440: volat ille citatus / vectus equis nullaque latus stipante caterva). Was den Gebrauch des Substantivs betrifft, so dürfte Ammian, da er sowohl Ciceros als auch Tacitusʼ Schriften zu einem großen Teil gekannt hat, sich auch der

145 Restriktionen bewusst gewesen sein, denen der Gebrauch des Wortes sowohl bei Cicero als auch bei Tacitus unterliegt, aber da das Substantiv immer ein selten gebrauchtes und somit gesuchtes Wort geblieben ist und das Verb, vor allem in den Formen der Partizipien als in der Dichtersprache durch Vergil etabliert ebenfalls zum hohen Stil beiträgt, verwendet Ammian beide Wörter, um einfach das dichte Umgebensein von einer Leibgarde zu beschreiben, wobei es durchaus sein kann, dass die stets prekäre Lage des Kaisers in der Öffentlichkeit (Wenn das nicht so wäre, hätten die Panegyriker nicht stets bei den von ihnen gelobten Kaisern darauf hingewiesen, wenn sie angeblich ohne Garde sich in der Öffentlichkeit bewegten.) mitgemeint ist, aber nicht durch den Gebrauch dieser beiden Wörter als etwas für diese Zeit oder den betreffenden Kaiser Besonderes herausge- stellt. Somit stipatores zu dieser Zeit „Leibwächter“ (wenn z.B. corporis noch hinzugesetzt ist, wie z.B. später bei IORDANES Romana et Getica 15,86 (iussus deinde inter stipatores degere corporis principalis), so ist dies Ciceroreminiszenz) und stipatus,-a,-um „dicht umgeben“. In der Historia Augusta handelt es sich sogar bei den dort erwähnten stipatores ausschließlich um Leibwächter des Kaisers (vit. Max. 3,5; vit. Claud. A. 8,1; vit. tyr. 10,11; 18,11; vit. Gord. 14,7; vit. Alex. Sev. 54,6).

2.4.2 Anhang 2

ZOSIMUS Historia Nova II,27: Ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ πρὸς τὸν βασιλέα Κωνσταντῖνον ηὐτομόλησε Πέρσης ἀνήρ, Ὁρμίσδης ὄνομα, τοῦ βασιλείου γένους, ἐξ αἰτίας τοιᾶσδε. τοῦ πατρὸς αὐτῷ Περ- σῶν βασιλεύοντος καὶ τὴν γενέθλιον ἐπιτελοῦντος κατὰ τὸν Περσῶν νόμον ἡμέραν, Ὁρμίσδης εἰσ- ῄει θήραν πολλὴν εἰσαγαγὼν εἰς τὰ βασίλεια. τῶν δὲ παρακληθέντων εἰς τὴν εὐωχίαν οὐ τιμησάν- των αὐτὸν οὐδὲ κατὰ τὸ καθῆκον ἐπαναστάντων, ἀγανακτήσας ἠπείλησε τὸν Μαρσύου μόρον αὐτοῖς ἐπιθήσειν. οἱ μὲν οὖν πλείους ἠγνόησαν τὸν λόγον οἷα δὴ οὐκ ἐπιχώριον ὄντα, Πέρσης δέ τις ἐπιδημήσας τῇ Φρυγίᾳ καὶ τὸ κατὰ τὸν Μαρσύαν ἀκηκοὼς διήγημα τῆς ἀπειλῆς Ὁρμίσδου τὴν ἔννοιαν τοῖς παρακαθημένοις ἐξεῖπεν. οἳ δὲ κατασχόντες ἐν μνήμῃ τὴν ἀπειλήν, ἐπειδὴ τὸν πατέρα τὸν Ὁρμίσδου τελευτῆσαι συνέβη, μεμνημένοι τῶν ἀπειληθέντων οἱ Πέρσαι τὸν μὲν ἀδελφὸν τὸν αὐτοῦ νεώτερον ὄντα βασιλέα χειροτονοῦσι, καὶ ταῦτα τοῦ νόμου τῷ πρεσβυτέρῳ τῶν βασιλέως παίδων διδόντος τὴν τῶν ὅλων ἡγεμονίαν, Ὁρμίσδῃ δὲ πέδας ἐπιθέντες ἐφύλαττον ἔν τινι λόφῳ πρὸ τοῦ ἄστεος ὄντι. χοόνου δέ τινος διαδραμόντος ἡ τούτου γυνὴ τοιόνδε τρόπον αὐτῷ μηχανᾶται φυγήν. ἰχθὺν ἀγρεύσασα μέγαν ῥίνην σιδηρᾶν ἐντίθησιν τῇ τούτου νηδύϊ, καὶ ἀναρράψασα δίδωσιν εὐνούχῳ τῶν πιστοτάτων, εἰπεῖν αὐτὸν Ὁρμίσδῃ κελεύσασα παρόντος οὐδενὸς φαγεῖν τὸν ἰχθὺν καὶ τῷ κατὰ τὴν τούτου νηδὺν εὑρισκομένῳ χρήσασθαι πρὸς βοήθειαν. τοῦτο βουλευσαμένη καμήλους ἐκπέμπει πλήρεις οἴνου καὶ ἀφθόνου τροφῆς, εὐωχεῖσθαι διδοῦσα τοῖς τὸν ἄνδρα φυλάττουσιν. ἐπεὶ δὲ οἱ μὲν φύλακες τῇ εὐωχίᾳ προσεῖχον, Ὀρμίσδας δὲ τὸν ἰχθὺν διελὼν εὗρεν τὴν ῥίνην, τὰς ἐπικειμένας τοῖς ποσὶν πέδας διατεμὼν ἀναλαβών τε τὴν τοῦ εὐνούχου στολὴν διὰ μέσων τῶν φυλάκων ἤδη μεθυόντων ἐξῄει, καὶ τῶν εὐνούχων ἕνα παραλαβών ἀφικνεῖται πρὸς τὸν Ἀρμενίων βασιλέα, φίλον ὄντα καὶ ξένον αὐτῷ. καὶ διὰ τούτου μετ᾿ ἀσφαλείας διασωθεὶς τῷ Κωσταντίνῳ προσέδραμε, καὶ πάσης ἠξιώθη τιμῆς τε καὶ θεραπείας. ἀλλὰ ταῦτα μὲν ὅπως ἔσχεν

146 ἀφηγησάμην. In dieser Zeit lief ein Perser aus königlichem Geschlecht namens Hormisdas aus folgendem Grund zum Kaiser Konstantin über. Als sein Vater König der Perser war und nach dem Brauch der Perser seinen Geburtstag feierte, kam Hormisdas mit großer Jagdbeute (oder auch: wobei er eine zahlreiche Jagdgesellschaft mitbrachte) in den Palast. Weil die zum Fest Eingeladenen ihn nicht ehrten und auch nicht pflichtgemäß aufstanden, wurde er böse und drohte damit, ihnen das Schick- sal des Marsyas zuzufügen. Diese nun kannten in der Mehrzahl die Geschichte nicht, da sie ja keine einheimische (Geschichte) war, ein Perser aber, der in Phrygien gelebt hatte und von der Erzählung über Marsyas gehört hatte, erläuterte den (bei Tische) Sitzenden den Sinn der Drohung des Hormisdas. Diese behielten die Drohung in Erinnerung, und als es sich traf, dass der Vater des Hormisdas starb, erinnerten die Perser sich an das (ihnen) Angedrohte und wählten seinen jüngeren Bruder zum König, und zwar, obwohl der Brauch dem älteren der Söhne des Königs die Gesamt- herrschaft gab, den Hormisdas aber legten sie in Fesseln und bewachten ihn auf einem Hügel vor der Stadt. Als eine gewisse Zeit vergangen war, bewerkstelligte dessen Frau seine Flucht auf fol- gende Weise: Sie fing einen Fisch, legte in dessen Bauch eine große Eisenfeile, nähte wieder zu und gab dem zuverlässigsten Eunuchen (den Fisch), wobei sie ihm auftrug, dem Hormisdas zu sagen, er solle den Fisch essen, ohne dass jemand dabei sei, und solle das, was er im Bauch finde, als Hilfsmittel gebrauchen. Nachdem sie dies geplant hatte, schickte sie Kamele los, die mit Wein und reichlich Essen beladen waren, um den Wächtern ihres Mannes ein gutes Essen zu geben. Als die Wächter mit dem Bankett beschäftigt waren, zerlegte Hormisdas den Fisch, fand die Feile, feilte die seinen Füßen angelegten Fesseln durch, übernahm die Kleidung des Eunuchen und ging mitten durch die schon betrunkenen Wächter hinaus. Und mit einem der Eunuchen kam er zum König der Armenier, der sein Freund und Gastfreund war. Und nachdem er durch diesen sich in Sicherheit gebracht hatte, ging er zu Konstantin, und (dort) wurde er jeglicher Ehre und Pflege ge- würdigt. Aber das (alles) habe ich erzählt, wie es (wirklich) war.

2.4.3 Anhang 3

Hormisdas: Abgesehen von dieser Stelle erwähnt Ammian den Hormisdas noch 24,1,2342 (Hor- misdas auf dem Perserfeldzug Julians zusammen mit Arintheus als Kommadant der Kavallerie), 24,1,8 (Hormisdas als Dolmetscher und Unterhändler), 24,2,4343 (nach der Einäscherung der Stadt Ozogardana versuchen Surena und der Sarazenenphylarch Podosaces des Hormisdas durch einen

342 cornu vero laevum cum equitum copiis Arintheo tradidit et Hormisdae ducendum confertius per plana camporum et mollia [„die Führung des linken Flügels aber mit den Kavallerietruppen übertrug er (Julian) dem Arintheus und dem Hormisda, ...“] 343 24,1,8: defensores (einer persischen Festung), qui ad colloquium petito Hormisda promissis eius et iura- mentis illecti multa sibi de lenitudine Romana spondebant. - 24,2,4: Surena, post regem apud Persas pro- meritae dignitatis, et Malechus Podosacis nomine, phylarchus Saracenorum Assanitarum, famosi nominis latro, omni saevitia per nostros limites diu grassatus, structis Hormisdae insidiis, quem ad speculandum exiturum, incertum unde, praesenserant, ideo sunt temptamento frustrati, quod angusta fluminis inter- luvies et praealta transiri vado non potuit.

147 Hinterhalt habhaft zu werden, was aber misslingt); 24,2,11344 (die Verteidiger des von Julian bela- gerten Pirisabora bitten Hormisdas, zu dolmetschen und zu verhandeln); ebenso 24,2,20; 24,5,4345 (nach der Belagerung von Pirisabora wurde Nabdates, der Kommandant der Stadt, lebendig verbrannt, weil er sich angeblich hatte zu Schmähungen gegen Hormisdas hinreißen lassen); schließlich wird er 26,8,12 als Vater des Hormisdas erwähnt, der auf Seiten des Prokop als procon- sul Asiae gegen Valens kämpfte (so auch ZOS. 4,8,1). Nach ZOS. 3,11,3 ernannte ihn Julian während seines Aufenthaltes in Konstantinopel zusammen mit Viktor zum Heermeister.346 - Die übrigen

Erwähnungen bei ZOS. (3,13,3;3,13,4;3,15,4-6;3,18,1;3,23,4;3,29,2) beziehen sich alle wie bei Am- mian auf Julians Perserfeldzug und stimmen bis auf Einzelheiten mit den Angaben Ammians über- ein. - Dazu kommt die Angabe des ZONARAS Epit. 13,5,33, Hormisdas sei Reiterführer unter Con- stantius im Kampf gegen die Perser gewesen.347 - Dazu kommen schließlich zwei weitere Zeug- nisse über die Flucht des Hormisdas aus Persien (ZONARAS Epit. 13,5,25-31 und IOH. ANT. Frg. 178, 1348 (= p. IV 605 Müller), die aber ebenso romanhaft-anekdotisch sind, wie die Version des Zosi-

344 et aliquotiens Hormisdae ut indigenae et regalis colloquia petentes obnixe propinquantem probris atque conviciis ut male fidum incessebant et desertorem. 345 24,2,20: cum cessasse opera et munitores nihil temptare viderunt ulterius, quod quietis erat indicium certum, copiam sibi dari conferendi sermonis cum Hormisda poscebant. - 24,5,4: Nabdates ... adeptus- que veniam insperatam ad id proruperat insolentiam, ut Hormisdam laceraret omnibus probris. 346 δέκα δὲ διατρίψας ἐν τῷ Βυζαντίῳ μῆνας κατέστησε στρατηγοὺς Ὁρμίσδην καὶ Βίκτορα, καὶ τοὺς ταξι- άρχους αὐτοῖς καὶ τὰ στρατόπεδα παραδοὺς ἐπὶ Ἀντιόχειαν ἤλαυνε (sc. Ἰουλιανός) [„während er sich zehn Monate in Byzanz (zur tatsächlichen Dauer von Julians Aufenthalt in Konstantinopel vgl. PASCHOUD (1979) im Kommentar zu dieser Stelle, 99 Anm. 29) aufhielt, setzte er Hormisdas und Viktor als Feld- herrn ein und teilte ihnen die Taxiarchen zu und übergab ihnen die Heere und zog (dann) nach Antio- cheia“]. 347 οὗτος τοίνυν τῷ Κωνσταντίῳ κατὰ τῶν ὁμοφύλων συνεστρατεύετο, ἄρχειν ταχθεὶς ἱππέων ἴλης πολλῆς [„Dieser also zog mit Constantius gegen seine Volksgenossen zu Felde, wobei er als Kommandant eines großen Reitergeschwaders fungierte.“] 348 ZONARAS a.a. O.: Τούτου τοίνυν οὕτω τῆς βασιλείας ἐκπεπτωκότος, Σαπώρης εἰς τὴν ἀρχὴν ἀντεισῆκτο. καὶ ὃς εὐθὺς τὸν μὲν ἕτερον τῶν ἀδελφῶν ἐξετύφλωσε, τὸν Ὁρμίσδην δὲ δεσμήσας ἔμφρουρον εἶχεν. ἡ δέ γε μήτηρ ἐκείνου καὶ ἡ γυνὴ χρήμασι δεξιωσάμεναι τοὺς φρουρούς, εἰς ἐπίσκεψιν ἐκείνου παρεχω- ρήθησαν εἰσελθεῖν. καὶ εἰσελθοῦσαι ῥίνην αὐτῷ παρέσχον, ἵνα ταύτῃ τὰ σιδήρεα διακόψῃ δεσμά, ὑπο- θέμεναι καὶ ὅσα δέοι μετὰ ταῦτα ποιεῖν ἵππους τε αὐτῷ καὶ τοὺς συναποδράσοντες ἑτοιμάσασαι. εἶτα τοῖς φρουροῖς ἡ ἐκείνου σύνευνος δεῖπνον παρέθετο δαψιλές· οἱ δὲ καὶ βρωμάτων ἐμφορηθέντες καὶ τοῦ ἀκράτου σπάσαντες ἀκρατέστερον ἐλήφθησαν ὕπνῳ φαρεῖ. ὁ δ᾿ Ὁρμίσδας κοιμωμένων ἐκείνων καὶ τὰ δεσμὰ τῇ ῥίνῃ διέκοψε καὶ τῆς φρουρᾶς ἐξελθὼν ᾤχετο καὶ πρὸς Ῥωμαίους ἀπέδρα καὶ ὑπεδέχθη φιλοτι- μότατα. ὁ δὲ Σαπώρης ἐῴκει τῇ φυγῇ ἐκείνου ἐφήδεσθαι, οἷα τὸν ἐξ ἐκείνου ἀποσκευασάμενος φόβον· οὐ μόνον γὰρ ἐκδοθῆναι οἱ τὸν φυγάδα οὐκ ἐξεζήτησεν, ἀλλὰ καὶ τὴν γυναῖκα αὐτῷ ἐντίμως ἐξέπεμψεν. [„Nachdem dieser (gemeint ist Adanarses) also so aus der Herrschaft vertrieben war, trat stattdessen Sa- por die Herrschaft an. Und dieser ließ sofort den einen der Brüder blenden, den Hormisdas aber fesseln und gefangen halten. Seine Mutter und seine Frau bestachen die Wächter mit Geld, man gab ihnen die Er- laubnis, zu einem Besuch ins Gefängnis zu gehen. Und als sie hineingegangen waren, verschafften sie ihm eine Feile, damit er damit die eisernen Fesseln durchfeile, und sie versprachen auch, ihm alles das bereitzustellen, was er danach brauche, vor allem Pferde und diejenigen darauf vorzubereiten, die mit ihm ausbrechen wollten. Dann gab seine Ehefrau ein prächtiges Essen für die Wächter. Als diese sich den Bauch mit Essen vollgeschlagen hatten und maßlos ungemischten Wein getrunken hatten, wurden sie von tiefem Schlaf überwältigt. Als jene schliefen, feilte Hormisdas seine Fesseln durch, verschwand aus dem Gefängnis, entkam zu den Römern und wurde (dort) generös aufgenommen. Sapor aber schien sich über dessen Flucht zu freuen, da er die Angst vor jenem abgeschüttelt hatte; denn er verlangte nicht nur nicht, dass ihm der Flüchtling ausgeliefert werde, sondern schickte ihm sogar dessen Frau unter ehrenvoller Behandlung.“] - IOH. ANT. a.a.O.: Ἀδανάρσης .... κρατήσας ἐξέπεσε τῆς βασιλείας, ἔχων δύο ἀδελφοὺς, ὧν τὸν μὲν ἕνα ἐτύφλωσε, τὸν δ᾿ ἕτερον Ὁρμίσδην εἶχεν ἐν φυλακῇ· οὗ ἡ μήτηρ, συνειδυίας καὶ τῆς

148 mus. - Während der legendäre Charakter der Fluchtgeschichte unstrittig ist (vgl. PASCHOUD (1971) 218/219), werden die chronologischen Probleme nicht dadurch gelöst, dass man diese Geschichten ins Reich der Fabel verweist. PASCHOUD (1971) 219 erschließt aus der Angabe, dass Hormisdas zum Zeitpunkt seiner Gefangensetzung (309/310) verheiratet war, dass er um 290 geboren gewesen sein muss, somit beim Einsatz gegen Persien unter Julian 73 Jahre alt gewesen sei, und meint, das sei kaum glaubhaft. Außerdem führt er an, dass kaum an eine so lange Haftzeit (von 310 bis Herbst 324) zu denken sei. An diesen chronologischen Problemen ändert sich auch nichts, wenn man annnimmt, dass die Geschichte bei Zosimus falsch eingeordnet ist (Zosimus synchronisiert mit der Belagerung des Licinius in Nikomedia durch Konstantin und erzählt danach die Kapitulation des Licinius (Sept. 324), Johannes Antiochenus lässt Hormisdas zunächst von Licinius aufgenommen werden), da der Zeitraum 309/310 als chronologischer Ausgangs- und Fixpunkt bleibt. Wenn Hormisdas als potentieller Konkurrent Sapors zu diesem Zeitpunkt nicht umgebracht, bzw. geblen- det wurde, dann kann es nur ähnlich wie bei Gallus und Julian am Alter gelegen haben, d.h., dass er zu diesem Zeitpunkt noch wegen seines Alters als ungefährlich angesehen wurde. Das Verheiratet- Sein und In-Ketten-Gelegt-werden können aber als romanhafte Zutaten außer Acht gelassen wer- den, und man käme von 290 als möglichem Geburtsdatum ein gutes Stück nach unten, müsste aber immer noch vor dem Ende der Herrschaft Sapors (209) bleiben. Bleibt auch die Flucht zu/unter Licinius: Dass bei Zosimus jeder Zusammenhang zum umgebenden Text fehlt, ist schon oben gesagt. Bei Iohannes Antiochenus kann wegen des fragmentarischen Charakters dazu nichts gesagt werden; dennoch ist der anekdotische Charakter klar erkennbar, so dass die Beziehung der Ge- schichte auf Liciniusʼ Zeit Erfindung sein kann. Mir scheint allerdings ein entscheidendes Voran- kommen in der Klärung der Biographie des Hormisdas nur dann möglich, wenn man den bei Am- mian und Zosimus (in den Partien über Julians Perserfeldzug) gemeinten Hormisdas von dem in den Jahren 309/310 in der Auseinandersetzung um die Nachfolge auf den Thron des Perserreiches verwickelten Hormisdas (Hormizd) trennt und möglichst auch die Verbindung zu Licinius aufgibt: Ein Angehöriger des persischen Königshauses namens Hormisdas wird, als er gegenüber Sapor II. als möglicher Konkurrent erscheint, dazu gezwungen, Persien zu verlassen, geht womöglich nach Armenien und flieht, als Sapor Armenien bedroht, zu den Römern, vielleicht erst unter Constantius

αὐτοῦ γυναικὸς, δεσμοὺς σιδηροῦς τέχνῃ τινὶ κατασκευάσασα μαργαριτῶν ἔσωθεν ἐνέπλησε, καὶ δεηθεῖσα τῶν φυλάκων, τοὺς μὲν προτέρους δεσμοὺς ὡς βαρεῖς ἀφείλετο, ἐκείνους δὲ ἐπιτέθεικεν, ὡς ἂν, εἰ δυνηθείη φυγεῖν, ἄνευ βάρους πλοῦτον ἐπιφέροιτο. Ἡ δὲ γυνὴ αὐτοῦ ῥινίου αὐτῷ δέδωκεν, καὶ δειπνίσασα τοὺς φύλακας ὑπνῶσαι ἐποίησεν. Ὁ δὲ καιρὸν εὑρὼν ἐπιτήδειον τὰ δεσμὰ ῥήξας ἔφυγε, καὶ ἵππῳ χρησάμενος κατὰ διαστήματα ἐν σχήματι δουλικῷ παρὰ Λικιννίου φιλοτίμως ὑπεδέχθη. [„Nachdem Adanarses sich der Herrschaft bemächtigt hatte, wurde er (bald schon) gestürzt. Er hatte zwei Brüder, von denen er den einen, Sapor, nach Erlangen der Herrschaft blenden ließ, den anderen, Hormisdas, gefangen halten ließ. Dessen Mutter – auch seine Ehefrau wusste davon – ließ irgendwie kunstvoll Fesseln aus Eisen anfertigen und füllte sie innen mit Perlen, und nachdem sie die Wächter darum gebeten hatte, nahm sie dem Hormisdas die früheren Fesseln ab und legte ihm jene (neuen) an, damit er, falls er fliehen könnte, ohne (zu großes) Gewicht Reichtum mitführen konnte. Seine Frau aber gab ihm eine Feile, sie gab den Wächtern ein Essen und versetzte sie in Schlaf. Als Hormisdas (so) den geeigneten Zeitpunkt gefunden hatte, feilte er die Fesseln durch, floh auf einem Pferd – das er häufiger wechselte – in Sklaventracht und wurde bei Licinius freundlich aufgenommen.“]

149 (der nach Constantins Tod den Orient erhalten hatte). Dies würde sowohl für die Ernennung des Hormisdas zum Heermeister im Jahre 362/63 durch Julian als auch der seines Sohnes Hormisdas zum proconsul Asiae unter Prokop (365/66) zu vernünftigen Altersvoraussetzungen der Betref- fenden führen (Hormisdas Vater um 315 geboren, um 335–338 ins Römische Reich geflohen; Hor- misdas Sohn um 335 geboren, also während der Prokopusurpation ca. 30 Jahre alt). Damit würde auch erklärt, dass an keiner Stelle bei Ammian und Zosimus, an denen von Hormisdas im Zusam- menhang mit dem Perserkrieg Julians die Rede ist, auch nur andeutungsweise davon die Rede ist, dass der Kriegsgegner Sapor II. ein Bruder des Hormisdas ist; und an der einzigen Stelle, an der Zosimus (3,13,4349) zusätzliche Erklärungen liefert, sagt er zwar, dass der Bruder der Anlass zur Flucht gewesen sei, aber diese Bemerkung ist ohne jeglichen Bezug zur Gegenwart des Vorgangs und zur Person Sapors. - Dass Hormisdas 357 Constantius II. nach Rom begleitet, findet sich nur bei Ammian. Zu den sich daraus ergebenden Überlegungen zur Historizität vgl. die Interpretation.

2.4.4 Anhang 4

IORDANES, Getica 28,142-144: Ubi vero post haec Theodosius convaluit imperator repperitque cum Gothis et Romanis Gratiano imperatore pepigisse quod ipse optaverat, admodum grato animo ferens et ipse in hac pace consensit, Aithanaricoque rege, qui tunc Fritigerno successerat, datis sibi muneribus sociavit moribusque suis benignissimis ad se eum in Constantinopolim accedere invi- tavit. Qui omnino libenter adquiescens regia urbe ingressus est miransque: ˊenˋ, inquit, ˊcerno, quod saepe incredulus audiebamˋ, famam videlicet tantae urbis; et huc illuc oculos volvens nunc situm urbis commeatumque navium, nunc moenia clara prospectans miratur, populosque diversa- rum gentium quasi fonte in uno e diversis partibus scaturiente unda, sic quoque milite ordinato aspiciens: ˊdeusˋ, inquit, ˊsine dubio terrenus est imperator et quisquis adversus eum manu moverit, ipse sui sanguinis reus existitˋ. In tali ergo admiratione maioreque a principe honore suffultus paucis mensibus interiectis ab hac luce migravit. 2.4.5 Anhang 5

(M. AURELIUS OLYMPIUS) NEMESIANUS, Cynegetica 63–85: Mox vestros meliore lyra memorare tri- umphos / accingar, divi fortissima pignora Cari,350 / atque canam nostrum geminis sub finibus orbis / litus et edomitas fraterno numine gentes, / quae Rhenum Tigrimque bibunt Ararisque 351

349 Περὶ δὲ τοῦ Ὁρμίσδου καὶ πρότερον εἴρηται, ὅτι Πέρσης τε ἦν καὶ βασιλέως υἱός, ὑπὸ δὲ ἀδελφοῦ ἀδικηθεὶς καὶ φυγὼν πρὸς Κωνσταντῖνόν τε ἦλθε τὸν βασιλέα καὶ εὐνοίας δοκίμια παρασχόμενος τιμῶν καὶ ἀρχῶν ἠξιώθη μεγίστων [„Über Hormisdas ist auch früher (schon) gesagt, dass er ein Perser war, Sohn eines Königs, ihm von einem Bruder Unrecht zugefügt wurde und er (daraufhin) floh und zum Kaiser Konstantin kam, und weil er Beweise seines Wohlwollens gab, der höchsten Ehren und Ämter für würdig erachtet wurde“]. 350 Marcus Aurelius Carus, Kaiser Aug./Sept. 282–Juli/Aug. 283; seine Söhne sind: M. Aurelius Carinus, Kaiser Frühjahr 283–Aug./ Sept. 285 und M. Aurelius Numerius Numerianus, Kaiser Juli/Aug. [?] 283– Nov. 284. 351 Rechter Nebenfluss des Rhodanus (Rhône) in Gallien, heute Saône in Frankreich.

150 remotum / principium Nilique † bibunt †352 in origine fontem; / nec taceam, primum quae nuper bella sub Arcto353 / felici, Carine, manu confeceris, ipso / paene prior genitore deo, utque intima frater / Persidos et veteres354 Babylonos ceperit arces, ultus Romulei355 violata cacumina356 regni; / inbellemque fugam referam clausasque pharetras / Parthorum laxosque arcus et spicula nulla. / Haec vobis nostrae libabunt carmina Musae, / cum primum vultus sacros, bona numina terrae, / contigerit vidisse mihi: iam gaudia vota / temporis inpatiens sensus spretorque morarum / prae- sumit videorque mihi iam cernere fratrum / augustos habitus, Romam clarumque senatum / et fidos ad bella duces et milite multo / agmina, quis fortes animat devotio mentes: / aurea purpureo longe radiantia velo / signa micant sinuatque truces levis aura dracones. - [„Bald werde ich mich rüsten, mit besserer Leier eure Triumphe zu rühmen, ihr tapfersten Unterpfänder des divus Carus357, und ich werde unser Gestade, das unter den zwei Grenzen der Welt liegt, besingen, und wie die Völker durch das brüderliche Walten bezwungen worden sind, die aus dem Rhein und aus dem Tigris trinken und aus der abgelegenen Quelle des Arar und aus der Quelle des Nils an ihrem Ursprung trinken, und ich werde nicht verschweigen, welche Kriege du, Carinus, neulich mit glücklicher Hand unter dem Arktus (im Norden) vollendet hast, fast höherstehend als der Vatergott, und wie dein Bruder das Innerste der Persis und die alten Burgen Babylons eingenommen hat und die Verletzung der Spitzen des romuleischen Reiches gerächt hat; ich werde von der feigen Flucht der Parther berichten, wie sie die Köcher geschlossen haben, die Bogen nicht mehr gespannt haben und keine Pfeile mehr verschossen haben358. Unsere Musen werden euch diese Gedichte spenden, sobald es mir gelungen ist, zum ersten Male die heiligen Antlitze, die guten Gottheiten der Erde gesehen zu haben: schon nimmt der ungeduldige Sinn und Verächter (aller) Verzögerungen die Freuden und Wünsche voraus, schon glaube ich, den Augustushabit der Brüder zu sehen, Rom und den berühmten Senat und die für Kriege zuverlässigen Führer, die Heeresabteilungen mit den vielen Soldaten, denen die Opferbereitschaft die tapferen Sinne belebt: Goldene Feldzeichen, weithin mit Purpurtuch strahlend, funkeln, und ein leichter Lufthauch biegt die trotzigen Dra- chen.“] - Im folgenden Text wird Phoebe (Artemis) angesprochen und beschrieben: ihr Köcher ist buntbemalt (88: pictam pharetram), die Pfeile sind golden (89: sint aurea tela sagittae), die Schuhe purpurfarben (90: puniceis ... cothurnis), die Chlamys golddurchwirkt (91: chlamys aurato ... subtegmine), das Wehrgehänge aus mit Perlen (Edelstein) besetzten Bändern (92/92: gemmatis balteus ... nexibus), und im Haar trägt sie ein Diadem (93: implicitos diademate ... crines).

352 Derartige Wiederholungen (im nächsten Vers an gleicher Stelle im Vers) sind nicht zu belegen. Vgl. dazu WILLIAMS (1986) 166. 353 Wahrscheinlich Kriege in Germanien. 354 Wahrscheinlich Enallage: die Burgen des alten Babylon. 355 Romuleus = römisch 356 Vielleicht sind damit die Kaiser gemeint. Carus starb angeblich durch Blitzschlag in Persien. 357 D.h., Carus muss zu diesem Zeitpunkt tot sein. Terminus post quem somit Dez. 283. 358 Zu den Schwierigkeiten, diese Textstelle zu deuten, vor allem spicula nulla, vgl. HEATHER J. WILLIAMS, The Eclogues and Cynegetica of Nemesianus, Leiden 1986, 167f.

151 2.4.6 Anhang 6

Ursicinus in Gallien: AMM. 16,10,21 bietet zwei Schwierigkeiten: 1) Wozu gehört unde? 2) Die Abberufung des Ursicinus aus Gallien muss in irgendeinem Zusammenhang mit der Ablösung des Marcellus durch Severus im Heermeisteramt stehen, sonst wäre der abl. abs. vollkommen über- flüssig. Zu 1) Alle Übersetzer beziehen unde zu misso des Ablativus abs. , d.h. Severus wäre von Illyricum, d. h. Sirmium aus nach Gallien geschickt worden, nachdem Constantius von seinem Romaufenthalt dort angekommen war. Severus hätte dann vielleicht den Brief mit dem Abberu- fungsbefehl für Ursicinus nach Gallien mitgenommen. - Die Abberufung des Marcellus erfolgte auf Julians Beschwerde, Marcellus sei ihm, obwohl er mit seinen Truppen in der Nähe war, nicht zu

Hilfe gekommen, als er in Agedincum von Germanen eingeschlossen war (AMM. 16,4,3). Wenn man Ammians Chronologie glauben darf, dann müsste der Vorgang selbst noch in das Jahr 356 gehören

(vgl. per eum annum 16,6,1; und AMM. 16,11,1 (at Caesar exacta apud Senones hieme turbulenta Augusto novies seque iterum consule (357 n. Chr.) lässt auch die im folgenden gegebene Deutung mit einiger Gewaltsamkeit zu, setzt aber voraus, dass Severus bei Julians Unternehmungen des Jah- res 357 von Anfang an dabei ist, was bedeutet, falls Severus erst von Sirmium aus nach Gallien geschickt worden ist, dass Julian seine Aktionen dieses Jahres erst gegen Mitte August begonnen haben kann (SEECK, Regesten 204)), anscheinend aber, nachdem die Truppen Julians dort ihr Win- terlager bezogen hatten (16,3,3; DEMANDT (1970) 574 „Ende 356“), und da des weiteren davon die Rede ist, dass Julian schon in den Vorbereitungen für die nächsten Feldzüge (womit die des Jahres 357 gemeint sein müssen) steckte, könnte die Belagerung durch die Germanen auch im Jahre 357 gewesen sein, und sollte Ammians Angabe, die Belagerung habe einen Monat gedauert (16,4,3) richtig sein, kommt man schon in das Frühjahr des Jahres 357; da anzunehmen ist, dass Marcellus nach seiner Abberufung bei seinem Aufenthalt in Mailand mit Constantius zusammentraf, müsste dies vor der Abreise des Constantius nach Rom geschehen sein (vgl. SEECK, Regesten 203; BRING-

MANN (2004) 54). Man fragt sich dann, warum nicht schon spätestens zu diesem Zeitpunkt die Nachfolge des Marcellus geregelt wurde. Könnte es also nicht eher so sein, dass die Abberufung des Ursicinus erst von Sirmium aus erfolgte, dass also unde zu praecepit gehört? - Zu 2) Die hier von Ammian gewählte Formulierung lässt vermuten, dass Ursicinus noch habe in Gallien bleiben müssen, bis man sicher sein konnte, dass sich Fehler wie bei Marcellus nicht wiederholen;359 wir hätten damit ein indirektes Werturteil über Ursicinus, womit man bei Ammian sicherlich rechnen kann. Es kann aber nicht sein, dass es Aufgabe des Ursicinus in Gallien war, den dort tätigen Heer- meister zu überwachen oder dessen Fehler zu kompensieren, auch wenn Ammian vielleicht diesen Eindruck erwecken will. - Ursicinus war wegen der Silvanususurpation nach Gallien (Köln) ge- schickt worden. Dennoch verließ er nach Erledigung dieser Mission Gallien nicht, wurde aber auch

359 Anders BLOCKLEY (1972) 447: Die Abberufung des Ursicinus sei Zeichen für die wachsende Selbststän- digkeit Julians. Das setzt voraus, dass Blockley eine ähnliche Ansicht wie Demandt vertritt: Während die- ser die Klage Julians aus der Epist. ad Athen. übernimmt, würde bei Blockley der pädagogische Aspekt für diese Maßnahme des Constantius im Vordergrund gestanden haben.

152 nicht Nachfolger des Silvanus. Für diesen Verbleib wird in der Regel angeführt, dass Barbatio als

Nachfolger des Silvanus (AMM. 16,11,2) erst 357 n. Chr. nach Gallien geschickt worden sei (AMM.

16,11,2), Ursicinus somit mehr als ein Jahr dessen Funktionen in Gallien erfüllt habe. Nach AMM. 16,2,8 sei Marcellus Anfang des Jahres 356 Ursicinusʼ Nachfolger geworden, Ursicinus aber sei beauftragt worden, bis zum Ende des Feldzuges ebenfalls dort zu bleiben. Dies ist eine ganz unge- wöhnliche Maßnahme, zumal da AMM. 16,2,8 ausdrücklich gesagt wird, dass es sich um dasselbe Heer gehandelt habe, zu dem auch noch der neu ernannte Caesar Julian kommt.360 Letzteres hat man in der Regel damit erklärt, dass Julian noch nicht das volle imperium gehabt habe (DEMANDT (1970) 573 „Julian war mehr eine repräsentative Rolle zugedacht.“), während man die Doppelung im Heermeisteramt aus der militärischen Lage in Gallien erklärt (ebenfalls DEMANDT (1970) 574). Die Formulierung bei Ammian sieht allerdings so aus, als habe man schon zu diesem Zeitpunkt ge- wusst, dass Marcellus versagen werde und mit dieser vorausschauenden Maßnahme Schlimmeres verhindert, sieht also als nachträglich von Ammian konstruiert aus, passt aber genau dazu, dass Ursicinus erst dann aus Gallien abberufen wird, als Marcellus durch einen tüchtigen Nachfolger ersetzt ist. - Zu diesem aus sachlichen Gründen schwer erklärbaren Verbleib des Ursicinus in Gal- lien neben Julian und Marcellus kommt als weiteres hinzu, dass, obwohl sich Julian und Ursicinus über ein Jahr gleichzeitig in Gallien in leitenden Stellungen aufgehalten haben, sich wohl auch in Reims bei der Übernahme des Heeres durch Julian begegnet sein müssen 361, dennoch von Ursici- nusʼ Tätigkeit in diesem Jahr bei Ammian absolut nichts gesagt ist. Entweder hat Ursicinus in die- ser Zeit nichts Erwähnenswertes geleistet (weil vielleicht die Gefährdung durch die Germanen gar nicht so groß war), oder er hatte sogar Misserfolge (dann hätte Constantius allerdings einen Grund gehabt, ihn aus Gallien abzuziehen, ihn aber wohl nicht mit einem neuen Kommando betraut), oder er hatte neben einem Julian gar keine Möglichkeit, sich zu entfalten und Ruhm zu gewinnen, obwohl er ehrgeizig war, so dass ihm die Abberufung aus Gallien gelegen kam (vgl. §21 gratanter; normalerweise würde ich ein solches qualifizierendes Adverb ganz der inventio Ammians zuschrei- ben, aber in diesem Falle könnte die Historizität dadurch gesichert sein, dass Ammian mit in Gal- lien war (Dass Ursicinus seine Freude, endlich aus Gallien wegzukommen, auch gegenüber den Untergebenen ausdrückte, ist verständlich.). Das schließt nicht aus, dass gratanter dennoch allein aus dem Zusammenhang dieser Stelle zu verstehen ist, vgl. die Interpretation)). - Es gibt einige weitere Auffälligkeiten an dieser ganzen Geschichte, von denen manche leicht zu klären sind, andere dagegen wie die obigen noch weiterer Klärung bedürfen: 1) Bei der Schilderung des Versa- gens des Marcellus (16,4,3) sagt Ammian, Marcellus habe keine Hilfe geleistet, obwohl er ganz in der Nähe war (agens in stationibus proximis). Dabei denkt er sicherlich daran, Ursicinus zu entlas-

360 Was natürlich auch bedeutet, dass auch Ammian für gewisse Zeit in der Nähe Julians war [VOGLER (1979) 40]. 361 Dies gilt dann natürlich genauso für Ammian selbst. BRODKA (2009) 16: „Ammian hatte damals die Mög- lichkeit, die Anfänge der politischen Karriere Julians aus der Nähe zu beobachten. Es liegt nahe, dass die Grundlagen für seine Bewunderung und seinen Enthusiasmus für Julian gerade zu dieser Zeit geschaffen wurden.“ (so auch schon ROWELL (1964) 285f.)

153 ten: der Leser soll annehmen, dass dieser nicht in der Nähe war. Aber warum sagt er nicht, wo er war; das hätte doch ein schönes Kontrastprogramm ergeben. 2) ENSSLIN (1931) 112 begründet das Schweigen Ammians über Ursicinusʼ Tätigkeit in Gallien mit einem sehr engen Verhältnis des Ur- sicinus zu Julian, THOMPSON (1947) 52 mit einem besonders kritischen Verhältnis. Eine Entschei- dung ist nicht möglich (so auch schon DEMANDT (1970) 574), wohl aber der Schluss, dass alles, was Ammian über Ursicinus schreibt (oder auch nicht), bis in die Einzelheiten hinein mit äußerster

Vorsicht zu lesen ist (vgl. vor allem DRINKWATER (1994) passim zur Silvanusepisode). So ist denn auch auffallend, dass beim Verbleib des Ursicinus in Gallien nach der Ankunft des Marcellus Am- mian herausstellt, dass Ursicinus auf Befehl gehandelt habe (wie er in 16,10,21 sich und seine Kameraden so darstellt (iubemur), dass er nach der Ankunft in Sirmium die Beförderung der Älteren aus dem Stab des Ursicinus erwähnt, ohne dass irgendwo der Grund für diese Beförderun- gen angegeben wäre (aus der gesuchten Antithese maioribus, adulescentes und der dazu scheinbar inkongruenten Prädizierung „Beförderung der einen – Hoffnung auf Leistung der anderen in der Zukunft“ muss man schließen, dass die Beförderungen für Leistungen in der Vergangenheit erfolgt sind, also Leistungen in Gallien, von denen wir nichts erfahren. Oder ist immer noch das Unterneh- men gegen Silvanus gemeint? 3) Als Ursicinus wieder im Osten des Reiches tätig ist, spielen sich ähnliche Dinge wie in Gallien ab: Mit Sabinianus kommt ein weiterer Heermeister in den Osten, nur dass diesmal (für Ammian) von vornherein feststeht, dass dieser Mann unqualifiziert ist (bei Marcellus hat es sich erst später herausgestellt). Im Gegensatz zum Geschehen in Gallien wird Ursicinus zwar abberufen (unter dem Vorwand, ein höheres Amt, nämlich die Nachfolge des Bar- batio, am Hofe zu erhalten), wird dann aber in den Osten zurückbeordert, weil die Perser angreifen, wobei der Oberbefehl bei Sabinianus bleibt (18,6,5). - Sabinianus erscheint im folgenden nur noch einmal, und zwar erstaunlicherweise in einer ähnlichen Situation wie Marcellus, indem er es unter- sagt, dass Ursicinus dem von den Persern belagerten Amida Hilfe bringt (19,3,1). Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Ammian einerseits Personenkonstellationen „konstruiert“ und die Verhaltensweisen dieser Personen in gewissem Maße schematisiert, und sich andererseits nicht scheut, darauf zu verzichten, so umfangreich über bestimmte Ereignisse zu berichten, wie er es könnte, wenn er dadurch erreicht, dass z.B. für die Ereignisse in Gallien Julian und für die des Perserkrieges Ursicinus und vor allem er selbst umso deutlicher hervortreten.

2.4.7 Anhang 7

IULIAN. Orat. 2(3), 19 (129 b–d): Εἰ γὰρ δή τις τὴν περὶ τῶν ἄλλων σιωπὴν ὑποπιστεύσειεν ὡς ματαίαν οὖσαν προσποίησιν καὶ ἀλαζονείαν κενὴν καὶ αὐθάδη, οὔτι που καὶ τὴν ἔναγχος ἐπιδημίαν γενομένην αὐτῇ, τὴν εἰς τὴν Ῥώμην, ὁπότε ἐστρατεύετο βασιλεὺς ζεύγμασι καὶ ναυσὶ τὸν Ῥῆνον διαβὰς ἀγχοῦ τῶν Γαλατίας ὁρίων, ψευδῆ καὶ πεπλασμένην ἄλλως ὑποπτεύσει. Ἐξῆν δὴ οὖν, ὡς εἰκός, διηγουμένῳ ταῦτα τοῦ δήμου μεμνῆσθαι καῖ τῆς γερουσίας, ὅπως αὐτὴν ὑπεδέχετο σὺν χαρμονῇ, προθύμως ὑπαντῶντες καὶ δεξιούμενοι καθάπερ νόμος βασιλίδα, καὶ τῶν ἀναλωμάτων τὸ

154 μέγεθος, ὡς ἐλευθέριον καὶ μεγαλοπρεπές, καὶ τῆς παρασκευῆς τὴν πολυτέλειαν, ὁπόσα τε ἔνειμε τῶν φυλῶν τοῖς ἐπιστάταις καὶ ἑκατοντάρχαις τοῦ πλήθους ἀπαριθμήσασθαι. Ἁλλὰ ἔμοιγε τῶν τοιούτων οὔτε ἔδοξέ ποτε ζηλωτὸν οὐδέν, οὔτε ἐπαινεῖν ἐθέλω πρὸ τῆς ἀρετῆς τὸν πλοῦτον· καίτοι <με> οὐ λέληθεν ἡ τῶν χρημάτων ἐλευθέριος δαπάνη μετέχουσά τινος ἀρετῆς. - „Wenn nämlich jemand mein Verschweigen der übrigen (Wundererzählungen) so deutete, als wären sie nur eitle Anmaßung und leere, dreiste Prahlerei, wird er doch auf keinen Fall ihre Reise nach Rom, die jüngst stattgefunden hatte, als der Kaiser auf einem Feldzug war und mit Brücken und Schiffen nahe der Grenzen Galliens den Rhein überquerte, als erlogen und sonstwie erfunden deuten. Wenn man das erzählte, hätte man also natürlich an das (römische) Volk und den Senat denken können, wie er sie mit Freuden empfing, wie sie bereitwillig entgegengingen und sie empfingen, wie man eine Kaiserin empfängt, und man hätte von der Größe der Aufwendungen berichten können, wie großzügig und prächtig sie war, und die Kostbarkeit der Ausstattung und aufzählen können, wieviel sie an die Vorsteher der Phylen und die Zenturionen der Plebs verteilte. Aber mir schien nichts derartiges jemals erstrebenswert, und ich will den Reichtum nicht vor der Tugend loben; doch weiß ich, dass das freigebige Ausgeben von Geld Teil einer bestimmten Tugend ist.“ Die ersten vier Reden Julians fallen sicherlich in seine Zeit als Cäsar in Gallien. Aus der Tatsa- che, dass im Panegyrikus auf Eusebia nicht vom Rombesuch des Jahres 357 die Rede ist, hat man geschlossen, dass diese Rede vor diesem Rombesuch verfasst sein muss. Alamannenfeldzüge des Constantius sind bezeugt für die Jahre 354 und 356, so dass der Rombesuch der Eusebia spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 356 stattgefunden hat, die Rede somit im Winter 356/57 verfasst sein könnte.362 Dieser Schluss ist zwingend. Dennoch gibt es einige Ungereimtheiten, die allerdings nur z.T. die Datierung betreffen: 1) Verlockt durch den gleichen Anklang (Ῥώμη / Ῥῆνος) gelingt Julian das Bild eines sich in der Herrschaft des römischen Reiches ideal ergänzenden Paares: Während der Kaiser an den Grenzen des Reiches im Felde steht, glänzt die Kaiserin im Zentrum des Reiches mit größtmöglicher liberalitas. Selbst wenn dabei der Part der Eusebia panegyrisch verklärt sein mag, entsteht das Bild einer Kaiserin, die fast gleichberechtigt mit ihrem Mann zusammen regiert [So wie bei Constantius muss auch bei Eusebia der adventus als Teil der Herrschaftsausübung gesehen werden.]. Dieses Bild könnte sogar durch Ammian gestützt werden (Eusebias Rolle bei der Erhebung Julians zum Cäsar und ihre Rolle gegenüber Helena), und dass Ammian von diesem ersten Rombesuch der Eusebia nicht berichtet, könnte man damit begründen, dass dann der Rombesuch des Constantius nicht mehr das hätte werden können, was Ammian dar- aus gemacht hat. Aber ist Eusebia an der Seite eines Machtmenschen wie Constantius tatsächlich so mächtig gewesen? - 2) Damit werden die Überlegungen zur Abfassungszeit der Rede nicht hinfällig, aber sollte Eusebia im Spätsommer 356 nach Rom gereist sein (von Mailand?), wird der

362 Vgl. VATSEND (2000) 11-13. Dort auch referiert, welche anderen Positionen es in der Forschung gibt und wer welche Position vertritt, wobei VATSEND 1(2000) 1 Anm. 3 zu Recht die Position ablehnt, dass die Romreise Eusebias mit dem Besuch des Constantius im Jahre 357 zusammenfalle.

155 Zeitrahmen für die gegen Helena gerichteten Aktionen der Eusebia weiter eingeschränkt.363 - 3) In der Interpretation wird versucht, einige der Unwahrscheinlichkeiten herauszuarbeiten, die mit dem Tun Eusebias und Helenas während des Rombesuchs verbunden sind. Da ein Rombesuch der Euse- bia unstrittig ist (eben aufgrund von Julians orat. 2(3)), würde ich folgendes zu bedenken geben: Ammian hat das Bild des sich ideal ergänzenden Kaiserpaares aus Julian entnommen (oder auch der Hofpropaganda, die nicht anders gewesen sein wird), hat den Rombesuch der Eusebia mit dem des Constantius zusammengelegt und hat die Tätigkeiten beider entsprechend seiner Erzählinten- tion ausgestaltet. Damit fiele natürlich die Abhängigkeit der Datierung der Rede Julians von Constantiusʼ Rombesuch.

2.4.8 Anhang 8

HA, vit. Gallien. 7,4–9,8: Interfectis sane militibus apud Byzantium Gallienus, quasi magnum aliquid gessisset, Romam cursu rapido convolavit convocatisque patribus decennia celebravit novo genere ludorum, nova specie pomparum, exquisito genere voluptatum: iam primum inter togatos patres et equestrem ordinem albato[s] milite[s] et omni populo praeeunte, servis etiam prope omni- um et mulieribus cum cereis facibus et lampadis praecedentibus Capitolium petit. Praecesserunt etiam altrinsecus centeni albi boves cornuis auro iugatis et dorsualibus sericis discoloribus praeful- gentes; agnae candentes ab utraque parte ducentae praecesserunt et decem elefanti, qui tunc erant Romae, mille ducenti gladiatores pompabiliter ornati cum auratis vestibus matronarum, mansu[a]e- t‹a›e ferae diversi generis ducent‹a›e ornatu quam maximo affectae, carpenta cum mimis et omni genere histrionum, pugilles flacculis, non veritate pugillantes. Cyclopea etiam luserunt omnes ape- narii, ita ut miranda quaedam et stupenda monstrare‹a›t. Omnes viae ludis strepituque et plausibus personabant. Ipse medius cum picta toga et tunica palmata inter patres, ut diximus, omnibus sacer- dotibus praetextatis Capitolium petit. Hastae auratae altrinsecus quingenae, vexilla centenea praeter ea, quae collegiorum erant, dracones et signa templorum omniumque legionum ibant. Ibant praeterea gentes simulatae, ut Gothi, Sarmatae, Franci, Persae, ita ut non minus quam duceni globis singulis ducerentur. Hac pompa homo ineptus eludere se credidit populum Romanum, sed, ut sunt Romanorum facetiae, alius Postumo favebat, alius Regiliano, alius Aureolo aut Aemiliano, alius Saturnino, nam et ipse iam imperare dicebatur. Inter haec ingens qu[a]erella de patre, quem inultum filius liquerat, et quem e‹x›terni utcumque vindicaverant. Nec tamen Gallienus ad talia movebatur obstupefacto voluptatibus corde, sed ab his, qui circum eum erant, requirebat: ˊEcquid habemus in prandio? Ecquae voluptates paratae sunt? Et qualis cras erit scaena qualesque circenses?ˋ Sic con- fecto itinere celebratisque ‹h›ecatombiis ad domum regiam redit conviviisque et epulis decursis alios dies voluptatibus publicis deputabat. Praetereundum non est haud ignobile facetiarum genus. Nam cum ‹g›rex Persarum quasi captivorum per pompam (rem ridiculam) duceretur, quidam scur- rae miscuerunt se Persis, diligentissime scrutantes omnia atque unius cuiusque vultum mira inhia- 363 Vgl. dazu die Interpretation.

156 tione rimantes. A quibus cum quaereretur, quidnam ageret illa ‹in›solentia, illi responderunt: ˊPatrem principis quaerimus.ˋ Quod cum ad Gallienum pervenisset, non pudore, non maerore, non pietate commotus est scurrasque iussit vivos exuri. Quod populus factum tristius, quam quisquam aestimat, tulit, milites vero ita doluerunt, ut non multo post vicem redderent. „Nachdem die Soldaten in der Tat bei Byzanz getötet worden waren, „flog“ Gallienus, als habe er etwas Großes vollbracht, schnellstens nach Rom, ließ die Väter zusammenrufen und feierte seine Decenalien mit einer neuen Art von Spielen, einer neuen Art von Aufzügen und einer ganz beson- deren Art von Lustbarkeiten: jetzt zum ersten Male zwischen den Vätern in der Toga und dem Ritterstand (schreitend), während auch von fast allen die Sklaven und die Ehefrauen mit Wachsfackeln und Leuchten vorausgingen, ging er zum Kapitol. Zu beiden Seiten gingen auch je hundert weiße Rinder voraus, die mit ihren durch Gold verbundenen Hörnern und seidenen ver- schiedenfarbigen Decken strahlten; je zweihundert weiße Schafe gingen auf beiden Seiten voraus und zehn Elefanten, die damals in Rom waren, eintausendzweihundert Gladiatoren, für den Festzug mit vergoldeten Matronengewändern geschmückt, je zweihundert verschiedenartige zahme Tiere, mit dem größtmöglichen Schmuck ausgestattet, Wagen mit Mimen und allen möglichen Schauspie- lern und Faustkämpfer, die mit schlappen Bällen nicht in Wirklichkeit kämpften. Auch spielten alle Clowns den Zyklopenpantomimus, so dass sie manches Bewunderns- und Staunenswertes zeigten. Alle Straßen ertönten von Spielen, Lärm und Beifall. Er selbst in einer bunten Toga und einer mit Palmzweigen bestickten Tunika mitten unter den Vätern, wie wir schon gesagt haben, (schreitend), während alle Priester die Toga praetexta trugen, ging zum Kapitol. Zu beiden Seiten gingen je fünfhundert vergoldete Lanzen, je hundert Standarten außer denen, die die der Kollegien waren, die Drachen(fahnen) und die Fahnen der Tempel und aller Legionen. Außerdem gingen „gefälschte“ Völker, wie Gothen, Sarmaten, Franken und Perser, so dass nicht weniger als je zweihundert in den einzelnen Abteilungen zogen. Mit diesem Aufzug glaubte dieser läppische Mensch das römische Volk täuschen zu können, aber, wie nun einmal der Witz der Römer ist, einer war für Postumus, ein anderer für Regilianus, wieder ein anderer für Aureolus oder Aemilianus, oder auch Saturninus – denn selbst von dem sagte man, er herrsche schon. Unterdessen gab es große Klage wegen des Vaters, den der Sohn ungerächt gelassen hatte und den jedenfalls Auswärtige gerächt hatten. Dennoch ließ sich Gallienus durch derartiges nicht rühren, weil sein Herz durch die Lustbarkeiten in Staunen versetzt war, aber diejenigen, die um ihn herum waren, fragte er: „Ob wir wohl etwas zum Frühstück haben? Ob wohl die Lustbarkeiten vorbereitet sind? Und wie wird morgen die Bühne sein, und welche Zirkusspiele wird es geben?“ Nachdem so der Weg vollendet war und Hekatomben dargebracht worden waren, kehrte er zum Kaiserpalast zurück, feierte Gastmähler und Bankette und bestimmte andere Tage für öffentliche Lustbarkeiten. Nicht übergangen werden darf eine (andere) nicht unbedeutende Art von Witzeleien. Denn als die Herde der persischen Quasi- gefangenen in der Prozession (eine lächerliche Sache) vorbeizog, mischten sich einige Clowns unter die Perser und erforschten besonders sorgfältig alles und betrachteten mit auffallender Ver-

157 wunderung das Gesicht eines jeden einzelnen. Als man sie fragte, was denn diese unverschämte Frechheit solle, antworteten sie: „Wir suchen den Vater des Kaisers.“ Als das Gallienus zu Ohren kam, ließ er sich nicht durch Scham, nicht durch Trauer und nicht durch Pietät rühren und befahl, die Clowns lebendig zu verbrennen. Dies nahm das Volk trauriger hin, als jemand zu ermessen ver- mag, die Soldaten aber ärgerten sich darüber so (sehr), dass sie nicht viel später Gleiches mit Glei- chem vergalten.“

SYME (1968) 40 sagt über Ammians Schilderung des Besuchs des Constantius: "The portrayal of Ammianus achieves a classic validity. It deserved to excite emulation in a later age: the pomp of military entry to a capital city and the impression produced by the monuments of a glorious past upon one who came in pride like Constantius – though not wholly as a conqueror." Dann führt er aus, dass sich in der Historia Augusta mit den oben ausgeschriebenen Abschnitten aus der vita Gal- lieni Ähnliches finde, nur dass die Historia Augusta eine Parodie, fast nur aus Banalitäten daraus gemacht habe. Auch wenn Syme es nicht ausdrücklich sagt, der Autor der Historia Augusta hat sich

364 nach seiner Ansicht Ammians Erzählung zum Vorbild genommen. - VERA (1980) 128f. hebt darauf ab, dass es sich bei Gallienus ebenfalls um einen falschen Triumph handele, weil er in einem Bürgerkrieg errungen sei, und wertet den Bericht der Historia Augusta als einen weiteren Beitrag der damals aktuellen Debatte.365 Ich glaube, dass man schon bei Ammian nicht mehr von Aktualität sprechen sollte; und beim Autor der Historia Augusta sollte man in diesem speziellen Fall eher das literarische Spiel als die Aktualität bemühen.

2.4.9 Anhang 9

DRINKWATER (2007) 48 ist der Ansicht, dass Suebi an dieser Stelle von Ammian (oder seiner Quelle) bewusst gesetzt worden sei ["There were occasions, however, on which ˊSuebiˋ and its derivations appear to have been used deliberately. One example of this may be Ammianus Marcel- linusʼcitation of reports of Suebic raids on Raetia to explain Constantius IIʼs departure from Rome in 357 26 AM 16.10.20."]. Leider erläutert er nicht, was genau Ammian damit gemeint habe; aber aus den Darlegungen im Kontext scheint mir folgendes zu entnehmen zu sein: Innerhalb des elb- germanischen Dreiecks (vgl. Drinkwater Karte S. 47) werden diejenigen, die sich in der nach Süd- westen zeigenden Spitze befinden, wobei nach Nordosten der frühere Limes in etwa die Abgren- zung festlegt, (von den Römern) Alamannen genannt, wobei die Bezeichnung nichts darüber aus- sagt, ob es sich wirklich um eine gens handelt, ob ethnische Geschlossenheit vorliegt und in wel-

364 Entschiedener Widerspruch bei MOMIGLIANO (1969) 425. Communis opinio heute allerdings die Priorität von Ammians Res gestae. - Zum Vergleich der hier in Frage kommenden Stellen vgl. auch MAZZARINO (1974) 208 und Anm. 45. 365 An dieser Stelle müsste Vera sagen, was er unter „aktuell“ versteht: Symmachusʼ relatio 9 gehört in den Spätsommer 384; der Panegyricus des Pacatus, den Vera ebenfalls heranzieht, in das Jahr 389. Für die Historia Augusta gilt, dass sie nach Ammians Res gestae stehen muss. Das Erscheinungsdatum der Bücher 14–25 (falls diese überhaupt sukzessive und getrennt von den Büchern 26–31 erschienen sind) ist aber so umstritten wie eh und je. Je weiter man jedoch die Aktualität von 384 weg ausdehnt, desto widersprüchlicher wird die Sache.

158 cher Form, falls sie aus anderen Gebieten dorthin gekommen ist, diese „Wanderung“ vonstatten gegangen ist. Innerhalb des elbgermanischen Dreiecks hat es Bewegungen von Nordosten nach Südwesten gegeben, aber auch umgekehrt. Diejenigen, die sich jeweils in der Nähe der Grenzen zum römi- schen Reich befanden, vor allem aber auf dem Gebiet, das vormals zum römischen Reich gehört hatte, wurden als Alamannen bezeichnet, die weiter entfernten, die südlich der Basislinie (von der Elbemündung bis etwa zum Oberlauf der Oder) wurden nach traditioneller Sprechweise, wie sie z.B. bei Tacitus in der Germania vorliegt, als Suebi bezeichnet oder auch als Teil oder Untergruppe davon (im Zentrum der Basis) als Semnones. Bei den hier genannten Suebi würde es sich natürlich auch um einen der üblichen Kriegs- und Beutezüge (im Englischen als raids bezeichnet) einer Gruppe von Kriegsleuten, in der Regel unter dem Kommando eines Führers, handeln, nur dass durch die Bezeichnung als Suebi festgestellt werden sollte, dass diese Gruppe nicht aus den an das Römische Reich angrenzenden Territorien, bzw. Völkern oder Gruppierungen kommt (das wären in diesem Fall Lentienses und Iuthungi), sondern aus Barbarengebieten, die sich in größerer Entfernung zum Römischen Reich befanden. Vergleichbar wäre dies mit dem Fall der barbaros gentis sive Semnonum sive Iouthungorum (auf einem Stein, der 1992 in Augsburg gefunden wurde und dessen Inschrift sich auf einen Sieg bezieht, den der ritterliche Gouverneur der Provinz Rätien am 24. oder 25. April 260 über diese Semnonen oder Juthungen errang. Es kommt hier nicht darauf an, ob Semnonen und Juthungen identisch sind oder die einen eine Untergruppe der anderen bilden (dazu ausführlich DRINKWATER (2007) 57–61), sondern dass man zu Genialisʼ Zeiten zur Erklärung eines neuen Begriffs (Iuthungi) offensichtlich auf einen gebräuchlichen (Semnones) zurückgriff und damit eine Gruppe als mit den Semnones irgendwie im Zusammenhang stehend charakterisierte. Diese Theorie gibt so gesehen eine plausible Erklärung für das Vorkommen der Sueben an die- ser Stelle, bleibt aber wegen ihrer Exzeptionalität im Werk Ammians durchaus erklärungsbedürftig. Das fängt damit an, dass im Zusammenhang des Ammiantextes die Unterscheidung zwischen raids aus nahen Gebieten und solchen aus größerer Entfernung völlig belanglos ist (Constantius sieht sich gezwungen, den Rombesuch abzubrechen). Außerdem taucht gegen Ende des 4. Jahrhunderts die Konfusion zwischen Suebi und Alamanni gehäuft auf, wobei man in der Dichtung auch an die bessere metrische Verwendung des zweisilbigen Wortes denken könnte (so DRINKWATER (2007) 46 selbst). Ist außerdem dieses raid das einzige gewesen, bei dem sich diese besondere Information bis zu Ammian hin erhalten hat? Könnte es nicht auch hier so sein, dass die germanische Gefahr ein derartig fester Bestandteil der römisch-kaiserlichen Propaganda geworden war, dass man selbst in seriöser Geschichtsschreibung solche raids auch „erfand“ und damit natürlich auch den Namen des beteiligten Volkes?

159 2.4.10 Anhang 10

a) Gregor von Nyssa366: De vita s. Gregorii thaumaturgi 920A–920D367: Ἐντεῦθεν ὁ μέγας ἐκεῖ- νος τῆς κατὰ τῶν δαιμόνων ἀριστείας ἀρξάμενος, καὶ οἷόν τι τρόπαιον κατὰ τῶν νικηθέντων τὸν νεωκόρον περιαγόμενος, προκαταπλήξας τε τῇ φήμῃ τὸ ἔθνος, οὕτως ἤδη μετὰ πεποιθήσεώς τε καὶ παρρησίας εἰς τὴν πόλιν εἰσήλαυνεν, οὐχ ἅρμασι καὶ ἵπποις καὶ ἡμιόνοις καὶ τῷ πλήθει τῶν παρεπομένων ἐπικομπάζων, ἀλλὰ ταῖς ἀρεταῖς ἐν κύκλῳ δορυφορούμενος, πανδημεὶ δὲ πάντων προχεθέντων τῶν οἰκητόρων τοῦ ἄστεος, ὡς ἐπί τινα καινοῦ θεάματος ἱστορίαν, καὶ πάντων ἰδεῖν προθυμουμένων, τίς ἐκεῖνός ἐστιν ὁ Γρηγόριος, ὃς ἄνθρωπος ὢν τῶν νομιζομένων παρ᾿ αὐτοῖς εἶναι θεῶν, καθάπερ τις βασιλεὺς ἐξουσίαν ἔχει, προστάγματι φέρων καὶ ἄγων, ὅπουπερ ἂν βούλη- ται, πρὸς τὸ δοκοῦν ἐξοικίζων τε καὶ ἐνοικίζων, ὥσπερ τὰ ἀνδράποδα, καὶ τὸν θεραπευτὴν ἐκεῖνον φέρει, καθάπερ ἐν ἐξουσίᾳ τινὶ δουλωσάμενος, ὑπεριδόντα μὲν τῆς τιμῆς ἐν ᾗ τὸ πρότερον ἦν, τῶν δὲ προσόντων πάντων τὴν μετ᾿ αὐτοῦ διαγωγὴν ἀλλαξάμενον. Τοιαύτῃ δὲ γνώμῃ πάντων προσ- δεχομένων αὐτὸν πρὸ τού ἄστεος, ἐπειδὴ κατ᾿ αὐτοὺς ἐγένετο, πάντων εἰς ἐκεῖνον ἀτενῶς ἀποβλε- πόντων, καθάπερ ὕλην ἄψυχον παριὼν τοὺς ἀνθρώπους, πρὸς οὐδένα τῶν ἐντυγχνόντων στρεφό- μενος, καὶ κατ᾿ εὐθεῖαν ἐπὶ τὴν πόλιν βαδίζων, πολὺ μᾶλλον αὐτοὺς εἰς ἔκπληξιν ἤγαγεν, ὑπὲρ τὴν φήμην τοῖς ὁρῶσι φαινόμενος. Τὸ γὰρ πρώτως εἰσελαύνοντα πόλει μεγάλῃ, μηδεμιᾶς συνηθείας τοσαύτης προϋπαρχούσης αὐτῷ, ἔπειτα μὴ καταπλαγῆναι δῆμον τοσοῦτον ἐπ᾿ ἐκείνῳ συνειλεγ- μένον, ἀλλ᾿ οἷον δι᾿ ἐρήμου βαδίζοντα, πρὸς ἑαυτὸν μόνον καὶ πρὸς τὴν ὁδὸν ἀποβλέπων, πρὸς οὐδένα τῶν περὶ αὐτὸν ἐπιστρεφόμενον ἠθροισμένων, τοῦτο ὑπὲρ τὴν ἐν τῷ λίθῳ θαυματοποιίαν τοῖς ἀνθρώποις ἐδόκει. - [„Von da begann jener Große seine Aristie gegen die Dämonen und wie ein Siegeszeichen über die Besiegten führte er den Tempelwächter / Priester368 herum, und nachdem er durch seinen Ruf im Voraus das Volk verblüfft hatte, zog er in die Stadt ein, nicht mit Wagen, Pferden oder Maultieren und nicht mit der Menge derer, die ihn geleiteten, prunkend, sondern von den Tugenden ringsum beschützt, wobei alle Bewohner der Stadt mit allen Angehörigen sich wie zur Vorführung eines neuen Theaterstücks (vor die Stadt) „ergossen“ und alle sehen wollten, wer dieser berühmte Gregor sei, der, obwohl ein Mensch, dennoch über die, die bei ihnen als Götter galten, wie ein König Macht hatte, mit seinem Befehl die Dämonen führte und dahin schaffte, wohin er wollte, und weg von da, woher er wollte, sie entsprechend seinem Beschluss aus einem Haus vertrieb oder in eines hineintrieb, wie die Sklaven, und jeden Diener führte, als habe er ihn irgendwie rechtmäßig zu seinem Sklaven gemacht, wobei dieser die Ehre nicht mehr achtete, die er vorher gehabt hatte, und alle seine (früheren) Eigenschaften und Fähigkeiten gewechselt hatte. Als Gregor zu ihnen kam, wobei alle ihn vor der Stadt in derartiger Haltung erwarteten, da ging er, während alle unverwandt auf ihn schauten, an den Menschen wie an seelenloser Materie vorbei,

366 Geb. um 335/40, gest. nach 394 n.Chr. - Nyssa Stadt in Kappadokien zwischen Ancyra und Kaisareia. 367 Γρηγόριος Θαυματουργός, geb. um 210 in Neocäsarea (Stadt in Pontus Polemiacus an der Straße von Amaseia im Lykostal), gest. um 270 n.Chr. 368 Gregor hatte den Teufel aus einem heidnischen Tempel vertrieben, worauf der Tempelwächter / Priester dieses Tempels sich ihm anschloss.

160 sich zu niemandem von denen, die er traf, umdrehend, sondern geradeaus zur Stadt schreitend, und dadurch brachte er sie noch mehr in Verblüffung, wobei er denen, die ihn sahen, noch über seinen Ruf hinaus erschien. Denn die Tatsache, dass er zum ersten Mal in eine große Stadt kam, wobei er von früher her damit nicht vertraut war, ferner die Tatsache, dass er nicht erschrak, als so viel Volk nur wegen ihm versammelt war, sondern wie durch eine Einöde schreitend, nur auf sich selbst und auf den Weg blickend, sich zu niemandem von denen, die um ihn versammelt waren, umdrehte, schien den Menschen über das Wunder, das er an dem Stein bewirkt hatte369, noch hinaus- zugehen.370 b) Excerpta Valesiana 2,65–67,69-70371: (65) Eodem tempore intentio orta est in urbe Roma inter Symmachum et Laurentium, consacrati enim fuerant ambo. Ordinante deo, qui et dignus fuit, superavit Symmachus. Post factam pacem in urbis ecclesia ambulavit rex Theodericus Romam et occurrit beato Petro devotissimus ac si catholicus. Cui papa Symmachus et cunctus senatus vel populus Romanus cum omni gaudio extra urbem occurrentes. (66) Deinde veniens ingressus urbem, venit ad senatum et ad Palmam populo adlocutus, se omnia, Deo iuvante, quod retro prin- cipes Romani ordinaverunt, inviolabiliter servaturum promittit. (67) Per tricennalem triumphans populo ingressus palatium, exhibens Romanis ludos circensium. Donavit populo Romano et paupe- ribus annonas singulis annis, centum viginti milia modios et ad restaurationem palatii seu ad recu- perationem moeniae civitatis singulis annis libras ducentas de arca vinaria dari praecepit. (69) Verba enim promissionis eius, quae populo fuerat adlocutus, rogante populo in tabula aenea iussit scribi et in publico poni. (70) Deinde sexto mense revertens Ravennam, aliam germanam suam Amalabirgam tradens in matrimonium Herminifredo regi Turingorum. 372 369 Gregor hatte das Wunder vollbracht, dass ein Stein auf seinen Befehl hin sich durch die Luft bewegte. 370 Während zahlreiche topische Elemente der Adventus-Schilderungen auch hier bei Gregor von Nyssa un- verändert oder nur leicht verändert erscheinen, lässt die Verwendung des Motivs vom starren, geradeaus gerichteten, über die Menge hinweggehenden oder an ihr vorbeigehenden Blick des Einziehenden, das sowohl bei Ammian als auch bei Gregor von Nyssa vorkommt, nur den Schluss zu, dass literarische Abhängigkeit in irgendeiner Form vorliegt. Für die Interpretation der Ammianstelle ist es nicht von Belang, wie diese Abhängigkeit im Einzelnen ausgesehen hat. Selbst wenn man bei Gregor von Nyssa an- nimmt, dass seine Großmutter Makrina Augenzeugin des Einzugs des Gregor Thaumatourgos in Neocäsa- reia gewesen sein könnte (was voraussetzte, dass man den Abstand zwischen zwei Generationen mit mindestens 35 Jahren ansetzt) oder zumindest selbst noch einen solchen gehört haben könnte, ist eine der- artige motivische Übereinstimmung ohne Annahme literarischer Abhängigkeit völlig unwahrscheinlich, bzw. man müsste annehmen, dass Ammian hier das Motiv bei Gregor oder dessen Quelle gefunden habe und auf Constantius II. übertragen, womit zumindest für Constantius II. nicht gesichert wäre, dass er sich tatsächlich beim Einzug in Rom so verhalten hat. Der umgekehrte Weg, dass Gregor von Nyssa Ammians Erzählung oder dessen Quelle gekannt hat, wäre natürlich auch möglich. Dies müsste aber zunüächst genauer untersucht werden, (was im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann). Ich würde deshalb vermuten, dass man in der Literatur eine Stelle finden müsste, an der genau das, was hier das Spezifische ist, dass nämlich jemand in einer Situation, in der es auf das Sehen und Gesehen-Werden ankommt, von seiner Seite aus diese Reziprozität gerade nicht erfüllt, und dass es um eine Stelle geht, die zum Bildungskanon des 4. nachchristlichen Jhds. gehörte. Ob letztere Bedingung von Xenophons Kyro- pädie erfüllt wurde, vermag ich nicht zu beurteilen. - Wie dem auch sei, hinsichtlich der beiden Erzäh- lungen scheint mir die Sache ganz ähnlich zu sein, wie bei Ammians und Hieronymusʼ Erzählungen vom großen Seebeben (vgl. Kommentar und Interpretation zu AMM. 26,10,15–19). 371 Text nach KÖNIG, INGEMAR: Aus der Zeit Theoderichs des Großen: Einleitung, Text, Übersetzung, Kom- mentar einer anonymen Quelle, Darmstadt 1997. 372 Vgl. dazu BELLEN (2003) 279. Ob allerdings Bellens Aussage, bis zu diesem adventus Theoderichs seien

161 c) Ein adventus der besonderen Art am 25. April des Jahres 603 n. Chr. [MGH EE 2 364]: Gre- gorii I. papae registrum epistolarum: Venit autem icona suprascriptorum Focae Augusto et Leontiae Augustorum Romae septimo Kalendarum Maiarum, et adclamatum est eis in Lateranis in basilica Iulii ab omni clero vel senatu: „Exaudi Christe! Focae Augusto et Leontiae Augustae vita!“ Tunc iussit ipsam iconam domnus beatissimus et apostolicus Gregorius papa reponi eam in oratorio sancti Cesarii intra palatio. - [Vgl. dazu ALFÖLDI (2009) 262; allgemein zum adventus von Bildern

ANDO (2000) 250-253]

d) PAULUS AEMILIUS VERONENSIS: De rebus gestis Francorum Buch 3 (ss 111–113 der Ausgabe: Historiae iam denuo emendatae Pauli Aemylii Veronensis, de rebus gestis Francorum, a Phara- mundo primo rege usque ad Carolum octavum, libri X Basel 1569): filium Anconam usque pro- secutus inde flexit, inermisque, ut prius, inermi comitatu Urbem petit. Per annum adventus Caroli in expectatione fuerat. Monachi viri sancti cum Zacharia Sacerdote reduce oratores ex sancta urbe Hierosolymis advenerant, afferentes, pia magis quam magnifica munera religionis gratia, claves sacrosancti sepulchri, ac Calvarii montis vexillum. Hique nuntiabant mox affore legatos Aaronis Regis Persarum, et munera etiam ex Africa. Numquam in urbe Roma, ne iura quidem terris dante, tantum exterorum mortalium fuit. Confluxerant ex reliqua Italia, ex continentibus regionibus, ex propinquis, ex ulterioribus, ex longinquis, ex ultimis prope oris ad famam venturi Romam Caroli, causam Pontificis maximi cognituri. Statura erat eminenti, corpore amplo, membris congruentibus, facie pulchra, canicie reverenda, vultu maiestatis pleno, universa specie augusta. Visuri erant eum cum Pontifice maximo in templo terrarum sanctissimo, in urbe terrarum parente, velut nihil maius in terris conspecturi. Continens agmen per aliquot milia passuum, variae gentes, dissonae linguae, multiplex ut oris ita vestis habitus. Edixit Leo, ut cum suae quisque gentis hominibus conglobatim turmatimque Regi occurrerent. Quicquid decorum magnificumque usquam est, proferebatur. Lau- des Regis omnibus resonabant linguis. Duces sua quisque decora dum Romae totius orbis conventu conicerentur, terrarum omnium sermone celebrata cognoscebant: ac viventes gloria et posteritate perfruebantur. Cogniturus de Leone venerat Rex. Cum igitur ad cognoscendam causam consedisset: qui in Pontificem maximum manus iniecerant, alienis criminibus audaciam seque tegentes, ultro eum accusabant. Carolus quaesitor, Leo idem et accusator, et reus, Coniuratores utrunque et accusa- tores et rei. Francus dici, reticeri, perorari iubebat: hactenus silentium actum. Cum vero ad rogan- das sententias descendit Rex, tunc demum patientia silentiumque ruptum, ac omnis simulatio depo- sita. Episcopi magis sacrosanctae potestatis quam Regiae maiestatis memores, consentienti ore re- clamavere summum optimumque Regem esse Carolum: sed cuinam tandem de Pontifice maximo iudicium facere, fas esse: susciperet Leo in gremium causam suam: quique in caeteros clavium ius

derartige Einzüge in Rom den Kaisern vorbehalten gewesen, richtig ist, müsste erst noch erwiesen wer- den. - BELLEN (2003) 280: „er [gemeint ist Theoderich] revanchierte sich mit einer Rede programma- tischen Charakters. Diese richtete er zugleich an das Volk von Rom, […].“ Es ist die Frage, ob nicht auch hier einfach topische Elemente vorliegen, so dass über den programmatischen Charakter kaum geurteilt werden kann.

162 haberet, de se quoque ipse incorrupte iudicaret, solo numine vel teste conscientiae, vel vindice. Ita Leo, haud aegre ferente Franco demptum sibi grave onus de Pontifice maximo iudicandi, sugges- tum conscendit, crimenque iureiurando diluit: moxque sententia sua absolutus, cum fraudis capita- lis coniuratores rei agerentur, intercessit, satisque habuit axilium intendi. Nullo umquam tempore ab Urbe condita, neque res Romana liberior visa, neque Pontificia dignitas augustior. Caesarum maiestas iam et ante prope vilis ob res adversas, impiamque de imaginibus divorum sententiam, et tunc nulla, quod nullo exemplo per aliquot iam annos mulier Irena sola mortuo marito Caesare imperaret, haudquaquam Caesareo sanguine orta. Haec vera erant: sed scribebant dictitabantque iniqui, eam ipsam filium Caesarem non modo rerum arbitrio, sed luminibus privasse. Quam falsam invidiam ut ab se amoliretur, iam inde ab initio oratores et in Urbem, et in Franciam miserat: sed inviso semel nomine Graeco, fidem mater non faciebat, Constantinum filium se absente insciaque a Principibus Graecorum odio libidinis atrocitatisque comprehensum poenas dedisse. Romani proce- res animis aliter afficiebantur. Solum Imperii velut a numine insessum, quasi numine offerente Regi Franco dandum, summis in religionem meritis id deditum: eum victoriarum gradibus / ad id culmen conscendisse, ut summus Regum, summum rerum humanarum titulum obtineat: diem quoque, locum, annum, celebritatem mortalium id postulare. Octingentesimus salutis annus agebatur, et rem divinam natali domini ac Dei nostri Leo in aede Petri faciens, ingenti assensu procerum, qui undi- que in Urbem admiratione Caroli Francorumque convenerant, Carolum Augustum appellatum, infulis, ac caeteris Imperii insignibus exornat. Acclamavit populus, Carolo Augusto divinitus coro- nato, magno et pacifico Imperatori, Vita et Victoria. Cum deinde templa circumiret, effusae in publicum virgines matronaeque ac pueri contineri non poterant, quominus propius adire, salutare, contingere conarentur. Certatim ruebatur, crescebatque semper turba. Nummus procul sparsus in vulgus, et tandem multitudo divisa in areas, aedesque sacras, ubi in conspectum se omnium oculis daturus erat, ac sui appellandi dextraeque contingendae copiam facturus. Roma et caeterae Italiae Urbes incredibili laetitia afficiebantur, quandringentesimo duodeseptuagesimo circiter anno quam insignia Imperii Romani in Thraciam delata fuerant, velut postliminio revertisse, summique nominis dandi ius in Italiam revocatum. e) PROCOP. bell. 4,9,1-16: Adventus Belisars in Byzanz und Triumph über die Vandalen im Jahre 534 n.Chr.373 2.5 Interpretation:

2.5.1 Vorbemerkung: Ammians Schilderung des Besuchs des römischen Kaisers Constantius II. in Rom im zehnten Kapitel des sechzehnten Buches der Res gestae ist sicherlich einer der am meisten

373 Text zu umfangreich, um hier angeführt zu werden. Einige Ähnlichkeiten seien hier angedeutet: Gestal- tung der Geschichte als Ringkomposition, adventus und Triumph miteinander verbunden; Episode des τῶν τις Ἰουδαίων (§6).

163 behandelten Abschnitte aus dem Werk Ammians. Deshalb bedarf es vorweg einer kurzen Begründung, wenn diesen zahlreichen Abhandlungen hier eine weitere hinzugefügt wird. In vielen Fällen wird dieser Text in mehr oder weniger großen Ausschnitten in Text- sammlungen oder auch Handbücher aufgenommen374, weil er als ein Glanzstück ammiane- ischer Darstellungskunst gilt und einen Inhalt wiedergibt, der repräsentativ für die Phase des Übergangs zum byzantinischen Kaisertum zu sein scheint, vor allem aber auch – man- gels anderer Quellen – wegen seiner Ausführlichkeit und seines Detailreichtums den für die gesamte Kaiserzeit so wichtigen Vorgang eines adventus375 am anschaulichsten, aber auch am getreuesten wiederzugeben scheint.376 Dazu kommen mehr oder weniger ausführ- liche Abhandlungen und Interpretationen, bei denen der Ammiantext entweder nur heran- gezogen wird oder auch bis in Einzelheiten hinein ausgewertet wird, um bestimmte The- men und Thesen der Literatur, Kultur und Geschichte der Spätantike377 zu veranschauli- 374 Als Beispiel für eine Textsammlung mit Texten allein aus Ammian möge dienen: Ammianus Marcellinus, A Selection, with Introduction Notes and Commentary by ROGER BLOCKLEY, Bristol 1980, wo unter der Überschrift "The Visit of Constantius II", S. 24–37 AMM. 16,10,1-19 abgedruckt und kommentiert ist; als Beispiel für eine Textsammlung mit Texten von lateinisch schreibenden Schriftstellern der Spätantike: MICHAEL VON ALBRECHT (Hrsg.): Die römische Literatur in Text und Darstellung, Band 5, Kaiserzeit II. Von Tertullian bis Boetius (Herausgegeben von HANS ARMIN GÄRTNER), Stuttgart 1988, wo SS. 276–285 unter der Überschrift „Der Kaiser und die Roma Aeterna“ AMM. 16,10,1-17 abgedruckt und übersetzt ist. - Hinsichtlich der Handbücher sei verwiesen auf: The Cambridge Ancient History, Volume XIII, The Late Empire, A.D. 337–425, Edited by AVERIL CAMERON, PETER GARNSEY, Cambridge 1998, unter: VI. Con- stantius in Roma, 357, S. 29–32; ALEXANDER DEMANDT, Die Spätantike, Römische Geschichte von Dio- cletian bis Justinian 284–565 n.Chr.; München 2007, 109f. [in: Handbuch der Altertumswissenschaft (her- ausgegeben von HANS-JOACHIM GEHRKE und BERNHARD ZIMMERMANN, Dritte Abteilung, Sechster Teil)], INGE- MAR KÖNIG, Die Spätantike, Darmstadt 2007, im Kapitel „Die Erben Constantins des Großen“, SS. 22-24. Nachgetragen sei hier auch noch: BRANDT, H.: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284-363), Berlin 1998 153-158. 375 Der letzte adventus eines Kaisers (oder Cäsars) in Rom ist der des Konstantin vom 18. (oder 21. (?)) Juli 326 n.Chr. gewesen, der nächstfolgende wahrscheinlich erst der TheodosiusʼI. vom 13. Juni 389 n. Chr. (zum Rombesuch Gratians vom Jahre 376 n.Chr. vgl. das Kapitel: Ammians Erzählintention und die historische Glaubwürdigkeit. - ANDO (2000) 255 ist der Ansicht, dass der Triumph des Kaisers Aurelian im Jahre 273 in der Historia Augusta (SHA vit. Aurel. 33-34) unter anderem deshalb so ausführlich geschil- dert worden sei und auch in den anderen Quellen relativ häufig erwähnt worden sei (Ando sagt: „left a dispropotional mark in our sources“), weil der letzte Triumph eines Kaisers so lange zurückgelegen habe und der nächste auch erst in großem zeitlichen Abstand erfolgen sollte. Ob Ähnliches auch für Ammian zutrifft, ist schwer zu entscheiden. 376 WERNER HARTKE, Römische Kinderkaiser, Darmstadt 1972 (Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage [1951 Berlin], unter "E. Kaiserliche Triumphe und Bauten", 304–321; JOACHIM LEHNEN Adventus Princi- pis, Untersuchungen zu Sinngehalt und Zeremoniell der Kaiserankunft in den Städten des Imperium Ro- manum, Frankfurt 1997, in der Reihe Prismata, Beiträge zur Alterwissenschaft, Band VII, unter 2.2. Der Adventus als Demonstration von Herrschaft, 75–77 und 209–213; SABINE G. MACCORMACK, Art and Cere- mony in Late Antiquity, Berkely-Los Angeles–London 1981 (First Paperback Printing 1990), im Kapitel ADVENTVS, The Classical Tradition in Action, ii Constantius II in Rom in 357 A.D.: Triumph Trans- formed into an Urban Roman adventus, 39–45; ANDO (2000) 147. - Vgl. z.B. DUFRAIGNE (1992) 503: „Lʼentrée de Constance II à Rome, en 357, a donné lieu, chez Ammien, à une description précise, détail- lée, littérarairement élaborée.“ 377 Literatur: G. SABBAH La Méthode dʼAmmien Marcellin. Recherches sur la construction du discours histo- rique dans les Res gestae. Paris 1978, im Kapitel „La persuasion esthétique“ unter „Structure et symbole“, 570–571 glaubt hier auf eine Schilderung gestoßen zu sein, die durch die Vielschichtigkeit der Interpreta- tionsmöglichkeiten auf die Weite und Tiefe schließen lässt, die ein Text Ammians bietet. - FRANK WITT- CHOW, Exemplarisches Erzählen bei Ammianus Marcellinus. Episode, Exemplum, Anekdote. München.

164 chen oder zu beweisen. Soweit ich sehe, ist bisher aber noch nicht versucht worden, das gesamte sechzehnte Kapitel (einschließlich der Helena-Eusebia-Episode und der daran anschließenden Paragraphen von der Abreise des Kaisers nach Sirmium und dem „Eintritt“ des Autors in die Geschichte) als eine in sich geschlossene Erzählung zu sehen, möglichst viele Einzelheiten dieser Erzählung auf ihre historische Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen und Ammians Erzählintention(en) (?) für diese Geschichte zu gewinnen378.

2.5.2 Constantius und Rom: Ammian beginnt die Erzählung mit einem zunächst konventionell aussehenden Über- leitungssatz379; darin wird konstatiert, dass in den beiden Gegenden des römischen Reiches, in denen wegen der von den Germanen und den Persern drohenden Gefährdung der Gren- zen stetiges Handeln erforderlich ist, alles Nötige angeordnet ist, ohne dass hier die Anord- nenden genannt würden (disponuntur Passiv!); aus dem folgenden Text wird aber klar, dass nicht Constantius der dort Handelnde ist, so dass sich nachträglich daraus ein Vorwurf gegenüber Constantius ergibt, dass er die eigentlich dringenden Aufgaben vernachlässige. Dann wird der eine Hauptakteur380 der folgenden Geschichte (Constantius als das erste

Leipzig 2001, 299–304 entdeckt in diesem Kapitel eine für Ammians Erzählen typische Form, nämlich eine besonders aussagekräftige Anekdote. - Kultur: RALF BEHRWALD Die Stadt ein Museum? Die Wahr- nehmung der Monumente Roms in der Spätantike, Berlin 2009 (Klio, Beiträge zur Alten Geschichte, Beihefte, Neue Folge Band 12) unter 2. Panegyrik und Herrscherankunft b) Ammians Schilderung des Adventus von 357, 76–86 unter dem Aspekt, den Eindruck zu erfassen, den die Bauwerke Roms auf Con- stantius gemacht haben. - Geschichte: Bei J. STRAUB Vom Herrscherideal in der Spätantike, Darmstadt 1964, im Kapitel IV. Dominus – Princeps, 175–204, sind Ammians §§ 1-17 teils in Zitaten, manchmal mit dem lateinischen Text, manchmal in Übersetzung, teils in nacherzählender Form eingefügt, um, orientiert an Ammian als Hauptquelle, den Unterschied zwischen einem Kaiser als princeps und einem Kaiser als dominus herauszuarbeiten. - Auch NERI (1984) 58 und Anm. 150 ist der Ansicht, Ammian habe in 16,10 Constantius II. vor allem als dominus darstellen wollen. 378 Oft finden sich auch Beurteilungen oder Charakterisierungen, die dem Namen nach für ganz 16,10 gel- ten, aber in Wirklichkeit nur auf den ersten Teil bezogen sind, vgl. z.B. ROBERTS (1989) 132: „In the bril- liant display of the adventus ceremony of an emperor, as described by Ammianus Marcellinus (16.10, of Constantius II)“. 379 Ähnliche Überleitungen bei Ammian auch 22,1,1 (dum haec …). - Die Attribuierung „konventionell aussehend“ bezieht sich nur auf den Inhalt; außerdem handelt es sich um meinen Eindruck; ob ein Leser / Hörer zur Zeit Ammians, dem der Poetismus Eoas und die gesamte Wendung (PIGHI (1935) 89 bezeichnet sie als solemnia verba) aufgrund des rhetorisch-poetischen Schmucks ganz anders erschien, vermag ich nicht zu beurteilen; außerdem könnte genau dadurch eine von Ammian beabsichtigte Beeinflussung des Lesers / Hörers vorliegen. - Unmittelbar vorher (16,9) ist nur von Vorgängen im Osten des Reiches die Rede, während Ereignisse in Gallien zum letzten Male 16,2-4 erzählt sind. Auch wenn also haec auch auf im Text weiter Zurückliegendes zu beziehen ist, dürfte es keinesfalls so weit zurückreichen, wie BLOCKLEY (1980) 29 es will, dass nämlich auch die Ereignisse um Magnentius gemeint seien. 380 Der andere Hauptakteur ist Rom. Schon hier sei jedoch auf folgendes hingewiesen: Die beiden Haupt- akteure sind nicht gleichartig und im Hinblick auf Ammians Erzählintention nicht gleichwertig: Zwar ist es keineswegs so, dass Rom für die sich aus dem seit längerer Zeit (gestiebat Imperfekt!) bestehenden Wunsch des Constantius und seines Gefolges ergebenden Handlungen nur die Kulisse abgibt, aber aktiv ist es nur in dem Sinne, dass es oder einer seiner Teile, Repräsentanten oder Körperschaften, bei Constan- tius und seinem Gefolge bestimmte Reaktionen hervorruft, und zwar in vielen Fällen allein schon durch das bloße Vorhandensein. Selbst da, wo es oder bestimmte Personen Roms handeln, geht es allein um die Erfüllung der durch das Zeremoniell auferlegten Pflichten (dem Kaiser entgegengehen; Jubelrufe beim Einzug), und wenn Rom durch seine Repräsentanten spricht, dann gibt Ammian niemals das an, was ge-

165 Wort des Hauptsatzes!) in zweifach überraschender Form eingeführt: Während in der Re- gel die Städte, die Ziel eines kaiserlichen adventus sind, oder deren Bewohner sich danach sehnen381, den Kaiser zu sehen (oder wiederzusehen)382, setzt Ammian den intensiven Wunsch des Kaisers an den Anfang, während der zweite „Hauptakteur“ der Geschichte, die Stadt Rom, sich hier noch ganz in der Rolle eines Objektes findet, eine Konstellation, die sich im Verlauf der Geschichte als eine Illusion des Constantius herausstellen wird, so wie es auch eine Illusion schon ist, zu glauben, man hätte den Janustempel schließen können – wenn es den Brauch noch gegeben hätte -, da alle Feinde (cunctis in betonter Stellung am Ende des abl. abs.) besiegt seien: da durch quasi dies als subjektive Begründung für den Wunsch des Constantius ausgewiesen wird, von der der Autor sich somit ausdrücklich dis- tanziert, steht am Anfang der Geschichte ein Irrtum des Constantius, dessen Schwere noch dadurch unterstrichen wird, als durch den Rückgriff auf einen Brauch, der zu dieser Zeit wahrscheinlich gar nicht mehr geübt wurde, die Zeit des Augustus evoziert wurde in der Anspielung auf die Stelle aus dem Tatenbericht des Augustus.383 Und darin liegt das zweite Überraschungsmoment der Eröffnung: Constantius unterliegt schon hier seinen Illusionen:

sagt wird (erstes Treffen noch vor den Toren der Stadt; das Volk im Zirkus), während dies für Constantius und sein Gefolge mehrfach geschieht, bezeichnenderweise sogar einmal um der Dramatisierung wegen in direkter Rede. Somit spielt sich Roms „Handeln“ unter einem anderen Aspekt ab, dem der Wirkmäch- tigkeit. Daraus ergibt sich im übrigen auch im zweiten Teil der Geschichte die Reduktion Roms auf seine Bauwerke und auf die Idee der Roma aeterna. Damit wiederum ist erklärt, dass das hier sich ergebende Bild von Rom nicht im Widerspruch zu dem sich aus den beiden Romexkursen ergebenden Bild steht. Somit ist es aber auch nicht statthaft, für diese Geschichte von „leurs descendants dégénérés“ [gemeint sind die Römer als Nachfahren Trajans] zu sprechen, wie es PIGANIOL (1972) 109 tut. 381 Zur in der Semantik des Verbs gestire liegenden Intensität vgl. auch Pan. Lat. 6,8,7: oculis ferre gestiret [„mit den Augen wünschte (das Volk den Maximian zum Kapitol) zu tragen“]; Pan. Lat. 9,19,5: oculis ferre gestiret (den Cicero bei seiner Rückkehr aus dem Exil) [vgl. MACCORMACK (1981) 289 Anm. 95]. - Zur Sache vgl. die im Kommentar zitierte Stelle aus CLAUDIAN (VI Cons. Hon. 331–333). 382 Vgl. z.B. CLAUDIAN. De sexto consulatu Honorii 331–333: Acrior interea visendi principis ardor / accen- dit cum plebe patres et saepe negatum / flagitat adventum; [„Inzwischen entzündet eine sehr heftige Lei- denschaft, den Kaiser zu sehen, das Volk und die Väter und verlangt die oft verweigerte Ankunft“] (zu Beginn des Jahres 404; bei DÖPP (1980) 229 aufgeführt, wie seit langem die Hoffnungen der Römer, der Kaiser werde die Stadt besuchen, enttäuscht worden waren. - Ich möchte vermuten, dass ein solcher Wunsch am Beginn eines adventus oder auch als das den adventus auslösende Moment ein Topos in Adventus-Schilderungen ist – es ist natürlich auch möglich, dass Claudian sich bewusst auf Ammian bezieht -; in der unkonventionellen Verwendung des Topos bei Ammian könnte man dann durchaus eine raffinierte Form der Lesersteuerung sehen: Rom ist so überlegen, dass es warten kann, zwar auch Erwar- tungen an den Kaiser hat, aber solche, die konträr zu denen des Kaisers sind und sich am Ende als die wirkmächtigeren herausstellen. (Anders z.B. HUMPHRIES (2003) 25, der die Claudianstelle als historisches Dokument verwertet.) - Trotz der Behauptung Neris (NERI (1984) 51: „la sua [gemeint ist Julian] è una visita intensamente desiderata ed attesa dal popolo e dal senato della città [gemeint ist Konstantinopel]“), im Gegensatz zu Constantiusʼ Rombesuch sei Julians adventus in Konstantinopel ersehnt und erwartet worden, ist in der entsprechenden Ammianstelle (22,2,4–5) nicht davon die Rede. 383 Die Schließung des Janustempels als Symbol des Friedens auf dem ganzen Erdkreis gehört zum Reper- toire des Geschichtsschreibers, vgl. z.B. OROSIUS Adversum paganos 1,1,6: anno imperii Caesaris qua- dragesimo secundo, cum facta pace cum Parthis Iani portae clausae sunt et bella toto orbe cessarunt [„im 42. Jahr der Kaiserherrschaft des Cäsar (gemeint ist Augustus), als nach dem Friedensschluss mit den Parthern die Türen des Janus geschlossen wurden und die Kriege auf dem ganzen (Erd)Kreis aufhörten.“]

166 er glaubt, er habe alle Voraussetzungen erfüllt, um einen Triumph zu feiern384, und er glaubt, das werde man ihm in Rom auch abnehmen, wenn er nur entsprechend auftrete. Abgesehen von der Einführung der Hauptakteure in einer für den Ablauf der Ereignisse wichtigen Konstellation liefert Ammian in diesem ersten Satz sofort auch den Grund für Constantiusʼ Rombesuch (der Wunsch des Constantius) und den Zweck (den Triumph über

Magnentius zu feiern, so auch VENNING (2011) 671: „to celebrate his triumph over Magnen- tius“), wobei der Wunsch nicht vom Zweck getrennt werden kann; denn der Wunsch, Rom nach der Besiegung der Feinde zu besuchen, deutet schon auf den Triumph hin und setzt bei Constantius voraus, dass er der Ansicht ist, für einen Triumph sei allein Rom der ange- messene Ort. Zwar würden die ablativi absoluti quasi ... cunctis auch gut zu triumphaturus passen (so dass Ammian um der stilistischen Ausgewogenheit der Kola willen eine distri- butio auf visere gestiebat und triumphaturus vorgenommen hätte), aber es sieht eher so aus, als habe Ammian indirekt zu verstehen geben wollen, dass Constantiusʼ Rombesuch nicht etwa dadurch zustande gekommen sei, dass er Rom um seiner selbst willen habe sehen wollen. Sowohl der von Ammian angegebene Grund, sofern man ihn als notwendige Voraus- setzung für den Zweck sieht, als auch der angegebene Zweck ergeben sich aus der Inschrift auf der Basis des Obelisken, wobei der zeitliche Abstand des Historikers vom Geschehen sich darin zeigt, dass er den Namen des Usurpators nennt, während die Inschrift des Obe- lisken ihn nach den Gesetzen der damnatio memoriae verschweigt.385 Natürlich ist der von Ammian angegebene Grund für den Besuch von den Historikern immer wieder angezweifelt worden. Vgl. z.B. EDBROOKE (1978) 48: "Constantius did visit the city of Rome during the prefecture of Orfitus, but the sojourn there was less to honor Rome and Orfitus than to establish peace in the city before beginning his eastern cam- paigns." Edbrooke meint damit die unruhigen Zustände, die sich daraus ergeben haben, dass der Bischof Liberius wegen seines Festhaltens an Athanasius sich in der Verbannung befand, von der römischen Bevölkerung aber zurückersehnt und -gefordert wurde und auch der von Constantius eingesetzte Bischof Felix nicht sich ganz den Erwartungen des Con- stantius entsprechend verhielt. Obwohl im ersten Satz sich an keiner Stelle die Behauptung findet, der Triumph des Constantius sei nicht berechtigt, kann der folgende Satz nur als eine weit ausgeführte Argumentation gegen eine solche Behauptung (nec enim) verstanden werden, so dass die

384 Im übrigen steht der Sieg über die Alamannen noch aus (Verweis auf Julian (!)).[NERI (1984) 46] 385 Zu Ammians Verwendung von epigraphischem Material in den Res gestae vgl. GIORCELLI (2003) passim.

167 Behauptung implizit schon im ersten Satz gegeben sein muss, nämlich in der Angabe des Zweckes, in der Ammian dasjenige, was allein er mit einiger Wahrscheinlichkeit behaupten kann, nämlich dass es ein Triumph über Magnentius werden sollte, zu einer adverbiellen Bestimmung der Zeit macht und dann die beiden Bestimmungen hinzufügt, die niemals Absicht des Constantius gewesen sein können, sondern nur Kommentar des Autors, um die Unrechtmäßigkeit des Triumphanspruchs gleich mitzuliefern.386 Während also Ammian als Grund für den Besuch den Wunsch angibt, Rom zu sehen, um den Triumph über Magnentius zu feiern, registrieren die Consularia Constantinopoli- tana nur, dass er Rom besuchte und einen Jahrestag feierte387, erwähnen aber nichts von einem Triumph, wohingegen Ammian nichts von der Feier eines Jahrestages sagt. Während man die Begründung, die die Consularia Constantinopolitana implizit geben, nicht an- zweifelte – sich damit aber das Problem ergab, um welchen Jahrestag es sich handelte388 -, wurde die Angabe Ammians aus verschiedenen Gründen zwar nicht an sich in Zweifel gezogen, aber zumindest als alleiniges Motiv für Constantiusʼ Rombesuch als nicht aus-

386 Genauso die Argumentation Ammians im Epilog auf Constantius: Nicht die Siege über Magnentius be- gründen die Errichtung der Triumphbögen, sondern die „Niederlagen“ der Provinzen Gallien und Panno- nien, im Grunde ein Paradox und Beweis für den Sarkasmus des Autors. - Im übrigen ein Beispiel für Ammians oft angewendete Technik: Triumphzug und Triumphbogen bilden die beiden Hauptkompo- nenten der Gesamtvorstellung. Diese wird von Ammian „zerlegt“ und auf im Werk weit auseinander lie- gende Abschnitte verteilt, so dass hinsichtlich dieser Vorstellung der Epilog nicht zur bloßen Wieder- holung wird. - VITIELLO (1999) 368 Anm. 23 unter Bezug auf VERA (1980): „Due sono (Vera, La polemica, cit. 119–120) le critiche principali che Ammiano rivolge a Costanzo: il fatto che il suo regno conobbe solo sconfitte esterne, mentre le vittorie sugli usurpatori avevano provocato grande spargimento di sangue e non vi era motivo di celebrarle (cfr. Amm. XVI 10,1-3; XXI 16,15); lʼeccessivo fasto trionfale e lʼatteg- giamento altero et ieratico dellʼimperatore in occasione dellʼadventus, il quale avrebbe infastidito la plebe (Amm. XVI 10,4-12)“ . Beide sind der Ansicht, dass Ammian beide Punkte aus dem Senatorenkreis um Symmachus bezogen habe. 387 Vgl. die vollständige Notiz der Cons. Constant. zum Jahre 357 im Kommentar zu § 20. 388 Die Diskussion braucht hier nicht in allen Einzelheiten wiederholt zu werden; nur so viel sei referiert: Mit der überlieferten Zahl XXXV der Cons. Constant. könnten nur die vota XXXV für Constantius II. als Cäsar gemeint sein (Constantius II. war am 8. Nov. 324 Cäsar geworden und hatte 353 seine Tricennalia als Cäsar gefeiert), was selbst unter der Annahme, dass das Jahr nicht immer exakt eingehalten wurde, mit dem Jahr 357 nicht zu vereinbaren ist. Mommsen konjizierte daraufhin XX für die Vicennalia als Augus- tus, indem er den Todestag Constantins (22. Mai 337), der in die Zeit von Constantiusʼ Romaufenthalt fällt, als Tag für die Übernahme der Herrschaft annahm. STRAUB (1939) 179–180 hat, unter der Voraus- setzung, dass Mommsens Annahme nicht zulässig sei, sondern für Constantius der 9. Sept. 337 als offizi- eller Tag der Übernahme der Herrschaft durch die Söhne Konstantins zu gelten habe, den Nachweis er- bracht, dass die Feier der Vicennalia nicht in Frage komme, da der Tag des Jubiläums immer eingehalten worden sei, der 27. Sept. aber nicht in diese Zeitspanne falle. Daraufhin hat man in der Regel nur noch 3 unter dem Datum 28. April 357 den adventus des Constantius in Rom notiert (so z.B. KIENAST (2004 ) 315, oder nur noch den Triumph als Grund angeführt (so z.B. DEMANDT (1965) 109 mit der in Anm. 58 gegebenen Abweisung der Vicennalia-These), oder es wurden die Vicennalia weiterhin, ohne auf die Diskussion einzugehen, beibehalten (so The Ancient Cambridge History 30), oder man umgeht das Problem durch eine ausweichende Formulierung (so KÖNIG (2007) 22: „Nun endlich, anlässlich der bevor- stehenden Vicennalien seiner Erhebung zum Augustus, entschloss sich der Kaiser, die alte Hauptstadt Rom zu besuchen.“) oder man erklärt die Alternative „Tricennalia oder Triumph“ zu einer „zu scharfen Antithese“ (so PABST (1986) 428 Anm. 642). - Zu den Jubiläen im Zeitraum von 260 n. Chr. bis 337 n. Chr. vgl. CHASTAGNOL, ANDRÉ Les jubilés impériaux de 260 à 337, in: Crise et redressement dans le provinces européennes de lʼEmpire (milieu du IIIe – milieu du Ive siècle ap. J.C.), Strasbourg 1983, 11-25

168 reichend angesehen389 – was natürlich auch dazu beitrug, um so intensiver nach einer Lö- sung für das Problem der Angabe der Cons. Constant. zu suchen -, zumal da zwischen dem Sieg (den Siegen) über Magnentius und der Feier des Triumphes eine zu lange Zeit zu lie- gen schien (Nimmt man die Schlacht von Mursa am 28. Sept. 351 n.Chr. als Ausgangs- punkt, sind es ca. fünfeinhalb Jahre, nimmt man den Sieg in den Cottischen Alpen vom Jahre 353 n. Chr., dann immer noch ca. vier Jahre.) und dazu auch noch die Argumenta- tion Ammians, das sei ein Triumph über einen im Bürgerkrieg besiegten Feind gewesen, man glaubte dahingehend auslegen zu müssen, dass dies dann nicht der wahre Grund ge- wesen sein könne, und man deshalb nach Siegen des Constantius suchte, die so waren, dass sie Constantius berechtigten, einen Triumph zu feiern.390 Was nun als eine auktoriale Begründung für die fehlende Berechtigung eines Anspruchs des Constantius auf einen Triumph – diese ist nicht ausgesprochen, sondern aus der Quali- fizierung des Krieges gegen Magnentius als eines Bürgerkrieges zu erschließen – folgt, ist eine Argumentation, geht aber einher in der Form der Erzählung (nur so sind die perfecta superavit, comperit, addidit, est visus zu erklären; in einer Argumentation wären plus- quamperfecta erforderlich gewesen): In einem Trikolon, dessen erstes und letztes Glied je- weils dikolisch zerlegt ist, rechnet Ammian dem Leser sozusagen vor, dass Constantius die durch die Tradition vorgegebenen Kriterien, deren Erfüllung zum Triumph berechtigt, mehrfach nicht erfüllt habe, wobei um des Kontrastes zum Bürgerkrieg391 willen ein Sieg

389 Nicht eingegangen zu werden braucht im folgenden auf CONTI (2009) 282 („Diverso il caso della visita di Costanzo del 357 (vd. Par. II.1): Ammiano sostiene che, nonstante il tentativo di celebrare un trionfo, fu solo un adventus, in quanto la vittoria di Costanzo era in una guerra civile.“). Als hätte die Tatsache eines Sieges in einem Bürgerkrieg jemanden daran hindern können, einen Triumph zu feiern. Ebenso verfehlt Conti auf Seite 289: um zu begründen, dass ein adventus immer mehr wie die Epiphanie eines Gottes gestaltet wurde, „inoltre tale adventus è un evento improvviso“. 390 So vor allem KLEIN (1979), der die „Kombinations“these vertritt, Constantius habe Rom besucht, um sei- ne Vicennalien als Augustus zu feiern (Klein geht dabei auf Straubs Darlegungen ein S. 64) und um Tri- umphe zu feiern (SS. 51–53), und führt dazu im einzelnen an: 1) den zweimaligen Plural triumfis (Z.4; Z.24) auf der Sockelinschrift des von Constantius II. im Circus Maximus aufgestellten Obelisken 2) die Plurale ἀριστεῖα und τρόπαια in der Rede des Themistius (orat. 3,42b; 42c-d) 3) die drei Feldzüge des Constantius gegen die Alamannen in den Jahren 354 (AMM. 14,10), 355 (AMM. 15,4) und 356 (AMM. 16,12,15-17) 4) jahrelange Kriege gegen die Perser (53) 5) ein in Antiocheia geprägtes Goldmedaillon, dessen auf der Rückseite abgebildetes Gespann mit zwei Viktorien die Siege im Osten gegen die Perser und im Westen gegen die Germanen symbolisiert [J.P.C. KENT – B. OVERBECK – A.U. STYLOW, Die römi- sche Münze, München 1973 Tafel 148 Nr. 690]. - Die Argumentation von Klein bedürfte einer Überprü- fung auf Stichhaltigkeit; dies würde jedoch längere Darlegungen erfordern; außerdem erbringt es nichts für die Deutung des Ammiantextes, außer dass der Grad der Ammian unterstellten bewusst falschen Eti- kettierung des Triumphes erhöht oder vermindert würde. - Nicht schlüssig ist Kleins Argumentation si- cherlich in den Punkten, wenn er Ammians ex sanguine Romano auf die Abkunft des Magnentius aus einem barbarischen Stamm verweist (S.55) oder die Qualifizierung des Magnentius als Tyrannen als sach- lich gerechtfertigt erscheinen lassen will, weil nicht beachtet ist, dass ersteres ein Topos ist und letzteres der übliche Terminus für den gescheiterten Usurpator. - Daneben noch die Gruppe derjenigen, die beides anerkannten (und dabei in der Regel von seinen Vicennalia als Augustus ausgehen), z.B. MCCORMICK (1986) 40f. 391 Dass ein Sieg in einem Bürgerkrieg nicht zu einem Triumph berechtigt, ist zu Ammians Zeiten längst ein

169 über auswärtige Feinde, sei es durch ihn selbst oder seine Feldherrn, an die erste Stelle ge- setzt ist, das weniger wichtige Kriterium der Erweiterung des Reiches in die Mitte und als Steigerung gegenüber beiden die persönliche Teilnahme am Kampf392 an die letzte Stelle, weil aufgrund des darin enthaltenen Schaueffekts (visus est (!)) diese den im folgenden Finalsatz angegebenen eigentlichen Zweck des Triumphzuges vorbereitet wie auch die anschließenden exempla. Während zum Beweis dafür, dass der Sieg über Magnentius nicht zu einem Triumph

unter denen, die darüber schreiben, allgemein anerkannter Grundsatz (Anders der Panegyrist: Vgl. z.B. Pacatus in Pan. Lat. 12,46,3 (unten zitiert) [Dazu auch MÜLLER-RETTIG (2014) 255, wo allerdings davon ausgegangen wird, dass ursprünglich Triumphe nach Bürgerkriegen nicht möglich gewesen seien und dass im Jahre 389 n.Chr. Rom (womit wohl der Senat gemeint ist) für Theodosius einen solchen habe be- schließen können.], am deutlichsten ausgesprochen, soweit ich sehe, bei SERVIUS, zu Aeneid. 8,678 (sed quia belli civilis triumphus turpis videtur, laborat poeta ut probet iustum bellum fuisse, dicens Augustum esse „cum patribus populoque penatibus et magnis dis“, contra cum Antonio auxilia peregrina et mon- struosa Aegypti numina et re vera in exercitu Antonii omnes barbari fuerunt.) in der Zeit um 430 n.Chr. . Nach NERI (1984) 47 polemisiert Ammian gegen diese Auffassung). Es beginnt damit, dass Cäsars spani- scher Triumph über die Söhne des Pompeius als Triumph über spanische Rebellen ausgegeben wurde, dass Octavians Sieg über Antonius als ein Krieg gegen Ägypten deklariert wurde; es setzt sich darin fort, dass im Jahre 274 in Aurelians Triumphzug Zenobia und Tetricus als Gefangene mitgeführt wurden und kommt schließlich im vierten Jahrhundert dazu, dass Constantin nach seinem Sieg über Maxentius den Krieg gegen Maxentius zu einem bellum iustum zu machen sucht und eben Constantius aus Magnentius einen Barbaren [Belege für Cäsar bis Constantin bei GRÜNEWALD (1990) 74–75; zu Constantius oben im Kommentar.]. Das Interessante daran ist, dass außer bei der Inschrift des Konstantinsbogens die Berichte über diese Triumphe und, falls überhaupt darin vorhanden, das Bemerken des Verstoßes gegen die Tradi- tion oder auch die Kritik sich nur in Dokumenten finden, die in größerem zeitlichen Abstand zum Ereig- nis stehen und bei denen die Einstellung des Autors zu beachten ist: GRÜNEWALD (1990) 74 Anm. 77 führt für Cäsar DIO 43,42,1 und PLUT. Caes. 56 an, also Quellen, die mehr als 100 Jahre nach dem Ereignis liegen, zudem war Plutarch sicherlich für Pompeius eingestellt; für Octavian DIO 51,21,7f.; SUET. Aug. 17,8 und 22,2; PLUT. Ant. 60,1; und für Aurelian (Anm. 76) EUTROP 9,13,2; AUR. VICT. Caes. 35,5; HA vit. Aur. 33–34; trig. Tyr. 24; also ebenfalls Quellen mit einem zeitlichen Abstand von mindestens 80 Jahren. Es ist somit überhaupt keine Aussage darüber möglich, ob die Triumphzüge selbst zu dem Zeitpunkt, als sie stattfanden, überhaupt Anstoß erregt haben; und es ist auch nicht möglich festzustellen, wie virulent das Thema in der jeweiligen Gegenwart war, ob es nicht tatsächlich eher eine Sache des Diskurses, viel- leicht sogar nur wieder der Auseinandersetzung durch die Literatur und in der Literatur war. Entsprechend ist dann auch Ammians hier abgegebene Stellungnahme zu bewerten. Aus späterer Zeit wäre noch heran- zuziehen PROCOP. bell. 4,9 (Triumph des Belisar über die Vandalen vom Jahre 534 n.Chr.), wo Prokop aus- drücklich vermerkt, welch außergewöhnliches Ereignis der Triumph eines „Privatmannes“ war. Ehe die- ser Bericht Prokops in die Interpretation der Ammianstelle einbezogen werden kann, bedürfte es zunächst einer eingehenden Interpretation dieses Berichtes und vor allem einer Klärung der Frage, ob nicht Pro- kops Bericht vielleicht sogar von dem Ammians angeregt ist. - Die Aktualität des Diskurses in der Zeit, in der Ammian schreibt, wäre dann gegeben, wenn MAYER (2002) 139 mit seiner These („Obwohl Zeitgenos- sen wie Ammianus Marcellinus einem Triumph »über vergossenes römisches Blut« ablehnend gegenüber- stehen, läßt die Durchsicht der Inschriften, Panegyrici und Staatsreliefs nur den Schluß zu, daß unter der theodosiansichen Dynastie der Sieg über einen innerrömischen Feind auch als solcher in Wort und Bild gefeiert wurde.“ Beispiel dafür: Pan. Lat. 2(12),46,3: vidisti civile bellum hostium caede, militum pace, Italiae recuperatione, tua libertate finitum, vidisti [angesprochen ist Roma], inquam, finitum civile bellum cui decernere posses triumphum.) Recht hätte, dass die bei Constantin, aber auch bei Julian noch zu fin- dende verhüllte Form der Darstellung des Sieges über den Gegner im Bürgerkrieg, unter der theodosiani- schen Dynastie einer vorher nicht gekannten Offenheit gewichen wäre. Gerade diese Stelle hier würde dann gegenüber Julians Schilderung des Magnentius als Barbaren die Entwicklung seit jener Zeit bestä- tigen, indem jetzt Constantiusʼ Sieg offen als der in einem Bürgerkrieg bezeichnet wird. - Vgl. auch GIOR- CELLI (2003) 632. - Was die oft in der Wissenschaft angeführte Aktualität eines Diskurses betrifft, so gibt es auch ein methodisches Problem: Die Existenz eines Diskurses über ein bestimmtes Thema in den Zei- ten Ammians kann nur indirekt aus den heute noch vorliegenden Quellen erschlossen werden, und die

170 berechtigt, der Hinweis auf den Bürgerkrieg genügt hätte, wird in dieser anschließenden Argumentation dem Constantius generell (nec ... ullam ... aut usquam) die Berechtigung zu einem Triumph von Ammian bestritten, was zur Beweisführung im konkreten Fall gar nicht mehr nötig gewesen wäre, Ammian aber ermöglicht, über Constantius Aussagen zu machen, die über den konkreten historischen Anlass hinausreichen.393 Da Ammian den Übergang zur generellen Aussage nicht ausdrücklich kennzeichnet, vielleicht manchmal sogar bewusst verschleiert, kann dies zum Missverstehen bestimmter Passagen führen. In den hier von Ammian herangezogenen drei Kriterien ist im zweiten Teil des ersten Kriteriums die Tatsache berücksichtigt, dass seit den Zeiten des Augustus nur der Kaiser selbst einen Triumph feiern darf, dazu aber auch dann berechtigt ist, wenn ein Sieg durch einen seiner Feldherrn errungen wurde, ohne dass der Kaiser überhaupt anwesend war394. Ansonsten dürfte sich Ammian an den Kriterien orientiert haben, die ihm in der Tradition Aktualität dieses Diskurses in der Zeit, als Ammian schrieb, kann nur dann als einigermaßen wahrschein- lich gelten, wenn man von der Annahme ausgeht, dass Ammian das betreffende Thema nicht aus rein antiquarischem Interesse behandelt habe oder einfach nur von der historiographischen Tradition dazu angeregt worden sei, sondern auch auf Ereignisse der unmittelbaren Gegenwart habe anspielen wollen. Interessant in diesem Zusammenhang eine Stelle bei Livius (LIV. 6,16,5: Dictator [gemeint ist Aulus Cor- nelius Cossus] de Volscis triumphavit, invidiaeque magis triumphus quam gloriae fuit; quippe domi, non militiae partum eum actumque de cive [gemeint ist M. Manlius], non de hoste fremebant: num defuisse tantum superbiae, quod non M. Manlius ante currum sit ductus.). Dieser Liviusstelle liegt sicherlich die gleiche Einstellung zugrunde, wie bei Ammian, nämlich dass ein Triumph über einen römischen Bürger unerhört sei. Während aber bei Livius davon ausgegangen werden kann, dass es zwar zur Zeit des M. Manlius einen solchen Diskurs nicht gegeben zu haben braucht, sondern Livius aus der Zeit des ersten vorchristlichen Jahrhunderts in die Vergangenheit projiziert, kann bei Ammian einfach Anregung durch Livius vorliegen, es sei denn, die oben zitierte Stelle aus dem Panegyrikus des Pacatus wäre eine Replik auf Ammian oder seine eine Replik auf Pacatus. Wenn man bei Pacatus von der anachronistischen Fikti- on, als beschließe Rom, bzw. der Senat den Triumph, absieht, dann orientiert sich Pacatus an ähnlichen Kriterien wie Ammian, nur dass er sie so umdeutet, dass auch ein Sieg im Bürgerkrieg triumphwürdig ist (Verschweigen, dass die hostes Römer sind; Erweiterung des Reiches durch Wiedergewinnung Italiens), und die Formulierung civile bellum, cui decernere posses triumphum, scheint darauf zu verweisen, dass auch er die Ansichten bestimmter Leute zu diesem Thema genau kennt, die Folgen des Sieges im Bürger- krieg (pax; recuperatio Italiae; libertas) aber eine derartige Neuausrichtung (die, wie oben gezeigt ist, im Grunde längst Realität ist), rechtfertigen. 392 WILLIAMS (2009) 12 und Anm. 7 glaubt, hier Ammian einen Fehler nachweisen zu können, durch den Hinweis auf FESTUS brev. 27 (acriori Marte noviens decertatum est, per duces suos septiens, ipse [gemeint ist Constantius] praesens bis adfuit). Mit praesens muss aber nicht primus vel inter primos gemeint sein. 393 Kritik am Verhalten des Constantius bei Ammian auch 16,12,69–70 (Abschluss des Berichts über die Schlacht von Straßburg). 394 Auch wenn die „Rechtslage“ in diesem Punkt eindeutig zu sein scheint, ist wohl von der Zeit an, in der die Kaiser dies praktizierten, es als „ungerecht“ gegenüber den duces empfunden worden; denn nur so ist es verständlich, dass in einem Panegyricus vom Ende des dritten nachchristlichen Jahrhunderts der Redner die Präsenz ConstantiusʼI. auf seinem Britannienfeldzug kontrastiert mit dem Verhalten des Anto- ninus, der, wie ausdrücklich gesagt ist, seine Befehle für einen Britannienfeldzug von Rom aus gegeben habe. Dabei wird zwar das Vorgehen des Antoninus nicht getadelt, aber der Redner deutet zumindest an, dass Fronto, der Lobredner auf Antoninus, keine leichte Aufgabe gehabt habe: Pan. Lat. 8 (5) 14,1-2: Hoc loco venit in mentem mihi quam delicata illorum principum fuerit in administranda re publica et adi- piscenda laude felicitas, quibus Romae degentibus triumphi et cognomina devictarum a ducibus suis gentium proveniebant. Itaque Fronto, Romanae eloquentiae non secundum sed alterum decus, cum belli in Britannia confecti laudem Antonino principi daret, quamvis ille in ipso Urbis palatio residens gerendi eius mandasset auspicium, veluti longae navis gubernaculis praesidentem totius velificationis et cursus gloriam meruisse testatus est. At enim tu, Caesar invicte, ...

171 vorlagen, aus denen er die ihm geeignet scheinenden auswählte und diese vielleicht auch entsprechend seiner Erzählintention modifizierte.395 Hinsichtlich dieses Vorgehens Ammi- ans, das bei der Auswahl wie bei der Modifizierung notwendigerweise zu einer tendenziö- sen Darstellung führen muss, bleibt dennoch zu überprüfen, ob nicht durch Ignorieren historischer Tatbestände und falsche Darstellung in anderen Fällen ein falsches Bild des Constantius entsteht, damit aber auch Ammians Argumentieren an dieser Stelle seine Wirksamkeit einbüßt. Zunächst bleibt festzustellen: Es ist kein Gesetz überliefert, in dem

395 GRÜNEWALD (1990) 75f. schließt aus dieser Ammianstelle, dass Ammians Kritik „Ausdruck [...] eines all- gemeinen Rechtsempfindens war“, dass es also noch am Ende des 4. Jhs. zumindest bestimmte Kreise, zu denen sicherlich die senatorischen Familien Roms zu rechnen seien, gegeben habe, die dieses Rechts- empfinden hatten, und daraus schließt er dann, da es sich um ein auf Tradition gegründetes Rechtsempfin- den handelte, dass die Situation im Jahre 312 nach Constantins Sieg über Maxentius ähnlich gewesen sei; dass auch die Kenntnis der Regeln, in denen die Berechtigung zu einem Triumph festgehalten wurde, in diesen Kreisen ähnlich hoch gewesen sei, schließt er aus Paneg. Lat. 4(10),31,1-3, wobei als drei Krite- rien, die zu einem Triumph berechtigen, besiegte Heerführer, kriegsgefangene Barbaren und Kriegsbeute genannt werden. - Ich würde Grünewald darin Recht geben, dass es wohl immer bei den Römern ein star- kes Empfinden dafür gegeben hat, dass ein Bürgerkrieg ein Unglück ist und nicht so leicht zu recht- fertigen ist wie ein Krieg gegen auswärtige Völker, möchte aber bezweifeln, dass Ammians Argumenta- tion ein Rechtsempfinden voraussetzt, dass hinsichtlich der Berechtigung zu einem Triumph eine scharfe Unterscheidung zwischen Bürgerkrieg und Krieg gegen auswärtige Völker macht, weil ich mir nicht so sicher bin, dass Ammian überhaupt im Hinblick auf ein solches Rechtsempfinden argumentiert: Sein Ziel ist die Kritik an Constantius; die dazu nötigen Argumente scheint er mir öfter bei anderen Schriftstellern und aus eigenen Überlegungen zu holen als aus dem hier postulierten, aber nur schwer zu belegenden Rechtsempfinden bestimmter Kreise. Im übrigen ist das Argument, ein Sieg im Bürgerkrieg berechtige nicht zu einem Triumph, nur eines in einer mehrteiligen Reihe, die sich nicht mit den vom Panegyriker Nazarius herangezogenen Kriterien deckt [Grünewald hat sicherlich Recht, wenn er behauptet, dass Con- stantins Propaganda alles daran setzt, den Krieg gegen Maxentius zu einem bellum iustum zu stilisieren und vor allem den Makel zu beseitigen, es sei ein Sieg in einem Bürgerkrieg gewesen; aber auch in diesem Falle erscheint es mir unwahrscheinlich, dass er so berichtet hat, weil er damit exakt das Rechts- empfinden der römischen Sentorenkreise getroffen habe, sondern weil er auf diese Weise den heikelsten Punkt, nämlich dass ein Triumph über Maxentius im Grunde ein Triumph über die Römer war, die jetzt dem Sieger zujubeln sollten, entschärfen konnte. Auch der Bericht Ammians liest sich teilweise so, als sei Constantiusʼ Triumph über Magnentius ein solcher über Rom oder die Römer. Ich vermute, dass diese Färbung in Ammians Bericht letztlich durch Reminiszenzen (aus der Literatur, vielleicht aber auch aus Monumenten) an den adventus und Triumph Constantins in Rom bedingt sind. - Eine ähnliche Konstella- tion noch einmal beim adventus des Theodosius am 13. Juni 1989 in Rom, den Ammian erlebt haben könnte. Allerdings müsste Buch 16 zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen gewesen sein. [Da dies alles mit der komplizierten Frage zusammenhängt, wie Ammians Res gestae herausgegeben worden sind, sind Schlüsse in diesem Zusammenhang natürlich nicht zwingend.] - DUVAL (1970) 300f. ist der Ansicht, Ammian empöre sich in dieser Passage darüber, dass im Bürgerkrieg zwischen Constantius und Magnen- tius so viel römisches Blut vergossen worden sei (und bezeichnet diese Empörung Ammians als „naïve- té“). Zuvor hat er zunächst den Nachweis geführt, dass Julian in den beiden Panegyrici auf Constantius versucht habe, den Bürgerkrieg als Krieg gegen einen auswärtigen Feind und Magnentius als Barbaren darzustellen. Der Zusammenhang dieser beiden Punkte ist mir nicht ganz klar; aber es könnte gemeint sein, dass Ammian gegen diese Deutung polemisiere. Der Nachweis, wie bestimmte Passagen der Reden Julians zu deuten sind, ist überzeugend, so dass man fast sicher sein kann, dass das Thema auch im Jahre 357 noch aktuell gewesen ist. Dann aber läge bei Ammian der Versuch vor, die historische Wahrheit gegen die Propaganda des Constantius zu setzen. Wie man dies als Naivität bezeichnen kann, leuchtet mir nicht ein. - Ammian bewertet die „Helden“ seiner Geschichte(n) indirekt (durch Anspielungen) an den heroischen Idealen der Klassik, d.h. an den Idealen eines Homer und eines Vergil (Aeneas) [Vgl. OʼBRIEN (2006) passim, vor allem aber 282–284]. Dies spielt hier bei den drei Kriterien keine Rolle. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass mit dem Kampf in vorderster Reihe und den exempla sich Ammian auf einen individuellen Heroismus homerisch/vergilischer Prägung bezieht, wobei die devotio eines Decius diesen mit einem römischen Ideal verbindet.

172 die Voraussetzungen für einen Triumph katalogartig aufgezählt werden, so dass wohl auch schon für Ammian gegolten hat, dass er die herangezogenen Kriterien einem (oder auch mehreren) literarischen Texten entnommen hat, wie sie z.B. bei VALERIUS MAXIMUS, Facta et memorabilia 2,8,1–7 (Mit der Überschrift De iure triumphi396) vorliegen.397 Die negative Formulierung impliziert die Behauptung, Constantius habe (zumindest bis zum Frühjahr 357) außer im Bürgerkrieg keine Siege errungen, die eines Triumphes wür- dig gewesen seien [Erweiterung des Reiches hat es sicherlich nicht gegeben; Einsatz des Kaisers in vorderster Linie wäre, wenn tatsächlich vorgekommen, wahrscheinlich wohl dokumentiert]: Da es weder einen entscheidenden Sieg über Persien noch an der Rhein- grenze gegeben hat (Straßburg folgt erst noch!), wäre es ein leichtes gewesen, schon allein nach den bei Valerius Maximus gegebenen Kriterien hinsichtlich der Zahl der gefallenen Feinde mögliche Siege als solche anzusehen, die nicht zu einem Triumph berechtigten. Eingefügt seien hier einige Bemerkungen zu dieser Stelle, die nicht deren Funktion in- nerhalb des Kontextes, aber die Beziehung zu anderen Stellen der Res gestae betreffen: 1. Diese Stelle wird im Zusammenhang mit anderen Stellen gern benutzt, um Ammians Vor- eingenommenheit gegenüber Constantius zu belegen, indem man nachzuweisen sucht, Ammian habe historische Tatbestände verdreht oder er gehe von einer anachronistischen Sichtweise und einer falschen Bewertung der Politik des Constantius aus, so dass seine

Argumentation im Grunde ins Leere laufe. Natürlich am entschiedensten bei KLEIN (1979) passim (siehe dazu unten), aber vgl. auch STRAUB (1939) 57 und Anm. 307: „die anderen von Ammian gerügten Maßnahmen des Kaisers entsprechen alter Tradition, die auch dem Freund des Symmachus bekannt sein musste. So war der Triumph des Konstantius anläß- lich des Sieges bei Straßburg nach römischem Brauch vollkommen berechtigt, wenn es auch hart erscheinen kann, daß Julian nicht einmal den Siegernamen Alamannicus anneh-

307) 398 men durfte (Amm. XVI 12,69f); [...]“ , SELEM (1979) 155 (zu AURELIUS VICTOR De

396 Die Überschrift erweckt zwar den Eindruck, als handle es sich um eine systematische Abhandlung, aber trotz der häufigen Berufung auf Gesetze geht es immer um anhand historischer Beispiele sich ergebender komplizierter Regelungen in Einzelfällen. 397 DEN BOEFT u.a. (2005) 300 (zu 25,9,10) notieren: "V. Max. 2.8.4-5 is the source for the contents of this section." - 1) Ein Bürgerkrieg berechtigt nicht zu einem Triumph: VAL. MAX. 2,8,7. 2) Es muss der Sieg über einen auswärtigen Feind sein: VAL. MAX. 2,8,7: (Siege im Bürgerkrieg) utpote non externo sed domestico partae cruore. 3) Erweiterung des Reiches: VAL. MAX. 2,8,4: pro aucto imperio. 4) Feldherr in der ersten Reihe: Nicht bei Valerius Max. Es ist ein Topos, der seine besondere Wirksamkeit zu propa- gandistischen Zwecken erst dann gewinnt, wenn die Teilnahme des Feldherrn am Kampf nicht mehr der Regelfall ist. Somit nicht von Ammian erfunden, aber vielleicht von ihm erst zu einem Kriterium zur Berechtigung eines Triumphes gemacht; natürlich deswegen, weil er in Julian das Gegenbild präsentieren konnte. 398 Im übrigen ist die von Straub hier herangezogene Ammianstelle (16,12,69f.) so etwas wie ein Komple- ment zu dieser Stelle hier: hier feiert jemand Triumphe, obwohl er keine triumphwürdigen Siege errungen hat; dort darf jemand keinen Triumph feiern, obwohl er einen derartigen Sieg errungen hat; stattdessen

173 Caes. 42, 24–25): „È un giudizio nel complesso positivo per quanto riguarda i meriti mili- tari di Costanzo, che viene paragonato a Pompeo e a pochi altri antichi per le vittorie contro i Sarmati. Eppure, a prescindere dalle qualità personali, proprio le vittorie militari di Costanzo sone messe in ombra da Ammiano, che non poteva ignorare il giudizio di Aurelio

Vittore.“, BLOCKLEY (1980) 30: "This was not expected of Emperors of the period, though panegyrists did at time allege that they took part in the fighting (cf. Panegyrici Latini 4,29.3-6; 8,14,3-5; both passages on Constantin). Julian was often in the midst of the battle (e.g. 24.2.14-15; 6.11; 4.4-5), but his rashness finally led to his death and desaster for his army." und auch jüngst SABBAH (2010) 188: „Ammien ne pouvait pas ignorer cette conven- tion [gemeint ist, dass der Kaiser Siegestitel für sich beansprucht, wenn er gar nicht auf dem Schlachtfeld gewesen ist.] idéologique connue de longue date et admise par tous!“. Aus der Überzeugung heraus, Ammian tadle im Widerspruch zur historischen Wirklichkeit, übersieht man dann leicht, weil man andererseits der Überzeugung ist, wenn Ammian den Anspruch erhebe, wahrheitsgetreu zu berichten, dass es dann auch so sei, dass schon Am- mians Darstellung der Ereignisse tendenziös sein könnte. Dass Ammian gegenüber Con- stantius voreingenommen ist, kann gar nicht übersehen werden. Wenn man aber gerade diese Stelle zum Beweis dafür verwendet, dann ist immer gemeint, dass Ammians Kritik an Constantius hier unberechtigt sei399, weil die historische Wirklichkeit anders ausgesehen habe. Wenn aber, und sei es auch nur in der Idee, der Grundsatz gegolten hat, dass ein Bür- gerkrieg nicht zu einem Triumph berechtige, und dieser Grundsatz niemals widerlegt, son- dern nur von der Wirklichkeit überholt worden ist, dann zeugt das nicht für die Tendenzio- sität Ammians, sondern eher für die Skupellosigkeit derer, die jetzt auch Triumphe in Bür- gerkriegen feiern. Ammian dagegen wäre nur dann ein Vorwurf zu machen, wenn er das an Constantius kritisierte, ansonsten es aber billigte.400 Im übrigen scheint Julians Einzug in Konstantinopel auch nicht nur ein adventus gewesen zu sein (22,2,4)401, so dass sich Am-

beansprucht derjenige, der gar nicht dabeigewesen ist, an der Schlacht teilgenommen zu haben. [vgl. ARNALDI (1967) 109]. 399 Dieser Vorwurf in Richtung Ammians ist implizit auch dann gegeben, wenn man wie MCCORMICK (1986) 81 diese Haltung für eine Mode bestimmter konservativer Zirkel erklärt ("It is clear that in some con- servative circles, it remained fashionable to express resentment over the celebration of victories in civil war."). 400 Dies soll keine Ehrenrettung Ammians sein. Ich glaube nicht, dass in diesem Punkte Ammian aus tiefer moralischer Überzeugung so geschrieben hat, sondern dass er hier ein nach seiner Meinung schönes Argument gefunden hat, um Constantius zu kritisieren. Das ändert aber nichts daran, dass er Bürgerkriege für eines der größten Übel hält, und wohl auch klar erkannt hat, dass bei den Kaisern (und Usurpatoren) seiner Zeit das keinen davon abgehalten hat, einen Bürgerkrieg zu führen. 401 ELM (2012) 88 Anm. 1 unter Berufung auf Caltabiano [CALTABIANO (1998) 351: „lo storico si sforza, pro- prio in questi contesti e attraverso queste vivide immagini, di dare piena legittimazione al suo eroe“], Bé- ranger und Kolb: „Julianʼs adventus consciously evoked traditional Roman military virtues, and Ammi- anus used the adventus to legitimize Julian within a Roman imperial and religious context.“ Das müsste

174 mian bemüßigt fühlt, hinzuzusetzen, dass die Übernahme der Herrschaft dem Staat in die- sem Falle keinen Schaden gebracht habe (22,2,5), was aber nur dem Eingreifen der Götter zu verdanken war, keineswegs das Verdienst Julians war. 2. In dem Bestreben, nachzuwei- sen, dass die Triumphansprüche des Constantius berechtigt gewesen seien, somit beim Tri- umph in Rom nicht nur der über Magnentius gefeiert worden sei, sondern auch der aus Sie- gen über die Alamannen sich ergebende, versucht Klein den Nachweis (53), dass Ammian sich sozusagen selbst widerlege, indem er drei Alamannenfeldzüge des Constantius der Jahre 354 (14,10)402,355 (15,4)403 und 356 (16,12,15-17) erwähne. Wenn man dem Bericht Ammians Glauben schenkt, dann ist es im Jahre 354 überhaupt nicht zu Kampf-handlun- gen gekommen. Ammians Bericht über die Kämpfe gegen die Lentienser im Jahre 355 ist kaum dazu angetan, daraus einen triumphalen Sieg der Römer zu konstruieren (man beach- te nur den Abschluss des Berichtes (§12) in Form einer irrealen Bedingungsperiode), und so setzt Ammian wohl ganz bewusst ovans statt triumphans (§13) beim Einzug des Con- stantius in Mailand; für den Feldzug des Jahres 356, bei dem Constantius wie auch 355 im alamannischen Gebiet einmarschiert ist, gilt ähnliches wie für den des Jahres 354: von offenen Kampfeshandlungen, geschweige denn von einem Sieg in einer Feldschlacht ist bei Ammian nicht die Rede. 3. Einige Beobachtungen zu den im Kommentar angeführten Stellen aus den Res gestae: a. Ammians Behauptung, Constantius habe bis zum Jahre 357 keinen triumphwürdigen Sieg über einen äußeren Feind vorzuweisen gehabt 404, passt in den Rahmen seiner im Epilog gegebenen pointierten Formulierung, dass er generell derar- tige Erfolge nicht habe vorweisen können, wohl aber immer in Bürgerkriegen gesiegt habe; wie diese auch noch die vier Jahre bis zu seinem Tode einbeziehende Aussage hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes zu werten ist, ist deshalb schwierig zu entscheiden, weil Ammians Berichte durchaus tendenziös sein können (s.o.), weil es überlegte Politik des Constantius gewesen sein könnte, zumindest gegenüber Persien bloße Sicherungspolitik zu betreiben (so dass Ammians Urteil an der Sache vorbeigehen würde) und weil bei den Dokumenten, in denen unzweifelhaft von Triumphen und Siegestiteln die Rede ist (s.u.), schwer zu ent- scheiden ist, ob sie den Konventionen der Panegyrik entsprungen sind, Ammian jedoch,

dann ebenso für Constantiusʼ adventus gelten. Nach meiner Meinung ist es moderne Denkweise, Ammian an zahlreichen Stellen Legitimierungsversuche zu unterstellen. 402 Vgl. VENNING (2011) 668 [Venning führt grundsätzlich keine Quellen an, benutzt aber wohl in diesem Falle nur Ammian. Bezeichnend der Schlusssatz: „Constantius accepts an offer of peace and a treaty is signed.“] 403 VENNING (2011) 669: „Constantius campaigns against Alemmanic tribe, the Lentienses, near Lake Constance on the upper Rhine.“ 404 DUVAL (1970) 301 behauptet, Ammian widerspreche sich damit selbst (mit Hinweis auf 15,4,13). Vgl. dazu unten.

175 weil er einen ungerechtfertigten Maßstab anlegt, sie bewusst verschweigt oder entstellend wiedergibt. Neben Ammians Aussagen könnte man sich beziehen auf α. JULIAN. Epist. ad Athen. 279D: συνέβη τοίνυν, ἐμοῦ μὲν ἀγωνισαμένου, ἐκείνου δὲ ὁδεύσαντος μόνον καὶ φιλίως ἐντυχόντος τοῖς παροικοῦσι τὸν Ἴστρον ἔθνεσιν, οὐχ ἡμᾶς, ἀλλ᾿ ἐκεῖνον θριαμβεῦ- σιν [„Es geschah also, dass, während ich kämpfte, er aber nur reiste und freundschaftlich auf die Völker traf, die am Ister wohnen, nicht wir, sondern er triumphierte.“]. Diese Stelle setzt voraus, dass Constantius einen Triumph gefeiert hat, liegt aber genau in der Linie der Argumentation Ammians, indem Julian behauptet, es habe sich um einen Triumph gehan- delt, dem die Grundlage gefehlt habe, da Constantius gar nicht gekämpft habe. β. DESSAU, ILS 732 (S. 164): (Inschrift aus Sirmium) Imp. Caes. Fla. Iul. Constantius pius fel. / Aug. victor maximus / triumfator aeternus, divi Constantini optimi / maximique principis, divo- rum Maximiani et Constanti nepos, divi Claudi pronepos, pontifex maximus, Germanicus / Alamamnicus maximus, / Germ. max. Gothicus / maximus, Adiaben. Max.,/ tribuniciae potestatis / XXXII, imp. XXX, consuli VII, /p.p.proconsuli, viis munit/is, pontibus refecti, / recuperata re publica, / quinarios lapides per Il / lyricum fecit, / ab Atrante ad flumen / Savum milia passus / CCCXLV. Diese Inschrift wird von Straub und Klein zum Beleg dafür herangezogen, dass Constantius Siege über die Alamannen errungen habe, damit zu Recht den Triumphaltitel trage. Wie sowohl bei Dessau (vgl. Anm. 3) zur Inschrift) als auch bei Straub nachgewiesen wird, dürfte sich die Inschrift auf das Jahr 354 oder 355 beziehen, von den bei Ammian erwähnten Kämpfen des Constantius mit den Alamannen kommen dann nur die des Jahres 354 in Frage, bei denen – nach Ammian – es ohne Kampfhandlun- gen (s.o.) zu einer Friedensregelung gekommen ist. Dass Constantius den Titel Alamanni- cus getragen hat, ist aufgrund der Inschrift nicht zu bestreiten; die Behauptung Ammians, er habe keine triumphwürdigen Siege errungen, ist damit nicht widerlegt. γ. Goldmedail- lon, geprägt in Antiocheia, dessen Rückseite Constantius in einem Triumphwagen zeigt

(J.P.C. KENT – B. OVERBECK – A.U. STYLOW: Die römische Münze, München 1973 Tafel 148 Nr. 690 (Erläuterung S. 169)) [datiert in die Spätzeit des Constantius 355-361]. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Prägung anlässlich des Rombesuchs des Constantius erfolgte. Hin- sichtlich der von Ammian bestrittenen Triumphwürdigkeit der Kriegserfolge des Constan- tius ist es genau so wenig von Wert wie der Triumphaltitel. b. Gerade der Satz nec ... vel addidit imperio wird von BLOCKLEY (1980) 29 Anm. 2 herangezogen, um Ammian eine Ver- kennung der Politik des Constantius zu attestieren.405 Zu dieser "coherent policy of border

405 So auch DEMANDT (1965) 23 und Anm. 41, wonach Ammian hier die traditionellen Formen der römischen Außenpolitik vertreten habe, wie auch die Symmachusgruppe und der römische Senat, im Gegensatz zu den oft „real-politischer denkenden Kaiser“(n). Dass auch noch in den Zeiten, in denen Ammian schrieb,

176 defence based upon conservation of military manpower" (BLOCKLEY (1980) 29) vgl. auch

ROSEN (1968) 10ff., BARCELÓ (1981) 59f. Zwar mögen Rosen, Barceló und Blockley Recht haben, dass Ammian diesen Grundsatz der Politik des Constantius nicht erkannt hat oder nicht hat erkennen wollen, und dass Ammian tendenziös schreibt, ist kein Geheimnis, aber das lässt sich nicht aus dieser Stelle beweisen, wo es nur darum geht, Constantius an bekannten Kriterien – ob diese angemessen sind, ist hier nicht die Frage – zu messen (um natürlich zu einem für Constantius negativen Ergebnis zu kommen) und für seinen Fall den Widerspruch offenzulegen, der zwischen seinem Anspruch (wie er auch in den offiziellen Dokumenten wie obiger Inschrift als verwirklicht angesehen wird) und der diese Ansprü- che begründenden Wirklichkeit besteht. Im übrigen: Selbst wenn die Zeiten sich längst dahingehend geändert haben, dass es beim Feldherrn nicht mehr auf den persönlichen Ein- satz in vorderster Linie ankommt, muss es in einem System, das, zumindest in der es stüt- zenden Ideologie, alles in einer Person an der Spitze konzentriert, als logische Konsequenz gesehen werden, dass diese eine Person auch für alles verantwortlich gemacht wird und mit Maßstäben dieser Individualbewertung gemessen wird. Mit auf einem komplizierten Gedankengang beruhenden „Beweis“ dafür, dass der Tri- umph, den Constantius feiern wollte, kein Triumph sein konnte, weil mehrere der erforder- lichen Kriterien für einen „echten“ Triumph nicht erfüllt waren (es somit für Ammian ein

"fictitious triumph" (SABBAH (2003) 55) ist), enthüllt Ammian die wahren Absichten des Constantius, nämlich das Volk von Rom durch die Entfaltung äußeren Glanzes zu beein- drucken und dadurch wettzumachen, was von vornherein dem Unternehmen an Substanz fehlte. Damit wird in inkonzinner Form (Finalsatz statt pfa) an triumphaturus angeschlos- sen, gleichzeitig aber auch das Ergebnis der vorangehenden Argumentation (Constantius

die Ausdehnung des Reiches als Begründung für eine Ehrung in der öffentlichen Propaganda eine Rolle spielt, somit kein ganz anachronistischer Wertmaßstab ist, zeigt eine Inschrift aus Canusium für eine Reiterstatue Theodosiusʼd. Ä., CIL IX 333 = DESSAU Inscr. Sel. 780: Inclytae venerand(a)eque memoriae viro Flavio Theodosio / genitori domini nostri invictissimi perennisque principis / Theodosi(i) perpetui Aug., / cuius virtute felicitate iustitia et propagatus terrarum orbis et retentus, / statuam equestrem sub- auratam Apuli et Calabri pro voto et devotione posuerunt / curante ac perficiente Flavio Sexione viro perfectissimo correctore Apuliae et Calabriae [„Einem Manne berühmten und ehrenwerten Andenkens, dem Flavius Theodosius, dem Vater unseres unbesiegtesten und dauernden Herrn Princeps Theodosius, des dauernden Augustus, durch dessen Tüchtigkeit, Erfolg und Gerechtigkeit der Erdkreis sowohl erwei- tert als auch behalten worden ist, haben die Apuler und Calabrer eine leicht vergoldete Reiterstatue ge- setzt gemäß ihrem Gelöbnis und ihrer Hingabe, wobei Flavius Sexio, der vir perfectissimus, der Korrektor Apuliens und Kalabriens, dafür sorgte und (es auch) vollendete.“]. Im übrigen könnte auch das topisch sein, vgl. TAC. Ann. 4,32, wo Tacitus drei Gründe angibt, warum der Historiker es jetzt schwerer hat, zu Ruhm zu gelangen, als in der Zeit der Republik: a) immota ... aut modice lacessita pax b) maestae urbis res c) princeps proferendi imperii incuriosus [Gemeint ist Tiberius.][Hiernach ist nicht der größere Reali- tätsbezug des Kaisers für den Verzicht auf Ausdehnung verantwortlich, sondern eine individuelle Verhal- tensweise; natürlich kann das Unterstellung des Tacitus sein. Aber solange das Kriterium nicht von offizi- eller Seite ausdrücklich aufgegeben wurde, muss sich jeder Kaiser daran messen lassen, auch noch im 4. nachchristlichen Jahrhundert.]

177 konnte keinen wirklichen Triumph feiern, weil er dazu nicht berechtigt war. Also kam er nicht aus diesem Grund nach Rom.) vorausgesetzt, woraus sich der antithetische Anschluss (sed) erklärt. In diesem Finalsatz sind Erzählung, Beschreibung und Kommentierung durch den Autor fast unlösbar verbunden: (Von Ammian unterstellte) Absicht des Constantius ist es, dem Volk von Rom eine pompa mit ihrer ganzen Schönheit (Beschreibung) zu zeigen, wobei durch die Kommentierung des ersten Attributes (nimis) (Ist das Ammians Ansicht oder die des Volkes von Rom?) auf die Unangemessenheit hingewiesen wird, während die auf populus bezogenen Partizipien nicht mehr die Absicht des Constantius beschreiben, sondern Fortführung der Erzählung und Argumentation sind. Da Ammian dem populus Romanus sicherlich nicht unterstellen will, er hätte keinen Sinn für Schönheit gehabt, kann mit haec vel simile quidquam nur gemeint sein, dass er keine pompa zu sehen wünschte406, was Ammian damit begründet, dass er zu einer ruhigeren Lebensweise übergegangen sei. Agenti tranquillius ist eine Anspielung auf 14,6,4: Mit dem Eintritt ins Alter (senium) ist der populus Romanus gleichsam in den Ruhestand getreten (vgl. die Reaktivierung von Militärs, qui ... ad pacatiora iam vitae discesserant bei der Usurpation des Prokop

(26,7,1)), in dem er jetzt lebt (Zu agere in dieser Bedeutung vgl. VIANSINO 1,71–73 s.v. ago, spez. B)1), bzw. C)). Diese Stelle aus dem Lebensaltersvergleich ist für die Erklärung der Stelle hier nicht notwendig, da tranquillius agere allein schon das Zurückgezogensein aus dem Militärdienst beschreibt, aber sie zeigt, dass Ammian in seinen Aussagen über Perso- nen, Sachen o.ä. in der Regel auch an in seinem Werk weit auseinander liegenden Stellen keine Widersprüche hat. Im übrigen ist dieser „Ruhestand“ nur auf die Kriege außerhalb Roms zu beziehen und hat nichts mit den inneren Zwistigkeiten zu tun.407 Leider teilt uns Ammian nicht mit, was der populus Romanus denn lieber gesehen hät- te.408 Nimmt man seine im ersten Romexkurs gemachten Aussagen ernst, wäre da nicht

406 CALTABIANO (1987) 41 geht in eine andere Richtung: Das römische Volk habe deshalb keine pompa sehen wollen, weil es sich um einen Sieg in einem Bürgerkrieg gehandelt habe („I Romani , in altri termini, non potevano sopportare la vana ed empia celebrazione di una guerra fratricida.“). Möglich, wozu dann aber der Zusatz tranquillius agenti? 407 Es gibt in der Expositio tot. mund. 13 eine schwer zu deutende Stelle über den römischen Senat: habet (Subj. Roma) autem et senatum maximum virorum divitum. Quos si per singulos probare volueris, inve- nies omnes iudices aut factos aut futuros esse aut potentes quidem, nolentes autem propter suum ˊfrui cum securitateˋ velle [„Rom hat auch einen Senat aus sehr reichen Männern. Wenn man deren „Papiere“ prüfen will, wird man finden, dass sie alle hohe Staatsbeamte entweder geworden sind oder es sein werden oder zwar mächtig sind, es aber nicht (sein) wollen, wegen ihres Wunsches, mit Sicherheit / Sorglosigkeit zu genießen.“]. Frui cum securitate meint sicherlich das Gleiche wie frui pace, bzw. otio; damit aber wäre der Ausdruck vergleichbar Constantiusʼ Wunsch bei Ammian (16,10,20), länger in Rom zu bleiben, um den Frieden zu genießen., und der in der Expositio konstatierte Wunsch der Senatoren wäre vielleicht auch der Wunsch des populus und, da in tranquillius agenti schon enthalten, von Ammian hier nicht eigens erwähnt, aber an der späteren Stelle auf Constantius übertragen. 408 Bei LIV. 5,23,6 wird vom Triumph des Diktators Camillus im Jahre 396 v.Chr. nach der Eroberung von Veji gesagt: clarior quam gratior fuit, ohne dass gesagt würde, wem dieser Triumph nicht unbedingt

178 unbedingt etwas Positives zu erwarten. Darauf kommt es hier aber auch nicht an: Ammian will eine Ausgangssituation schaffen, in der sich Constantius und Rom, bzw. hier der populus Romanus fast wie Kontrahenten gegenüberstehen, wobei beide Erwartungen hegen und Wünsche haben (nec optanti vs. gestiebat), die nicht zusammenstimmen können. Die Erwartungen, die das Volk in Rom gegenüber dem princeps hat, beziehen sich in der Regel auf die Lebensmittelversorgung, congiaria und spectacula und im weiteren Sinne auch auf opera, d.h. die Bautätigkeit. Insofern sind sie ein topisches Element jeder Kaiserbiographie, nur dass in der Regel nicht ausgesprochen ist, dass das Volk bestimmte Erwartungen hat, sondern die Erfüllung oder Nichterfüllung ganz konkreter Erwartungen wird unter anderem zum Maßstab dafür genommen, ob es sich um einen guten oder schlechten Kaiser handelt.409 Dennoch wüsste man gern, worin, positiv gewendet, die Erwartungen und Wünsche des populus Romanus bestanden. Natürlich kann Ammians Formulierung bedeuten „Alles an- dere, nur das nicht!“, aber um nur das festzustellen, scheint mir Ammians Ausdrucksweise zu aufwändig. Wäre nicht der Hinweis, dass die Römer im Augenblick in Frieden leben (agenti tranquillius), dann hätte man annehmen können, die Römer hätten von Constantius all das erwartet, was Anlass zu einem berechtigten Triumph gegeben hätte, dass er z.B. tat- sächlich auf eine Erweiterung des Reiches hingearbeitet hätte.410

willkommen war. Gemeint sein können jedoch nur alle diejenigen, die bei Camillusʼ Triumph dabei sind, d.h. die Römer, bzw. die Stadt Rom. Bei Livius ist mehrfach gesagt, dass bei diesem Triumph das gewohnte Maß überschritten wurde. Vielleicht also auch hier bei Ammian eine Übernahme aus Livius? - STENGER (2012) 208 Anm. 88 („Überdies wird Julian in Konstantinopel begeistert empfangen, während in Rom niemand das eitle Schauspiel des Constantius zu sehen begehrt (16,10,2).“ kommt auch nur zu einem negativen Ergebnis. 409 Vgl. dazu BRADLEY (1980) passim. 410 In diesem Sinne, dass in einem Bürgerkrieg Kräfte sinnlos verschwendet werden, die man besser zum Ruhme des Römischen Reiches für auswärtige Kriege hätte verwenden können, die Verbindung Triumph – Bürgerkrieg schon bei LUCAN. 1,8–14 (Quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri? / Gentibus invisis Latium praebere cruorem, / cumque superba foret Babylon spolianda tropaeis / Ausoniis umbraque erraret Crassus inulta, / bella geri placuit nullos habitura triumphos? / Heu, quantum terrae potuit pelagique parari / hoc quem civiles hauserunt sanguine dextrae) und in leicht veränderter Form ca. zwanzig Jahre vor Ammian bei EUTROP. 10,12,1 (Ingentes Romani imperii vires ea dimicatione con- sumptae sunt, ad quaelibet bella externa idoneae, quae multum triumphorum possent securitatisque con- ferre.). BLECKMANN (1999) 94 findet bei Eutrop „Topoi aus einer anachronistischen republikanisch-impe- rialistischen Wertvorstellungen verpflichteten Diskussion“. Dürfte man den Vorwurf an Constantius, er sei zu einem Triumph nicht berechtigt gewesen, in dem Sinne umbiegen, er habe Bürgerblut vergossen statt das Reich zu erweitern, und zudem noch annehmen, dass Ammian dem römischen Volk dieselbe Denkungsart unterstelle, dann würde dieser Stelle die exakt gleiche Auffassung zugrundeliegen wie bei Eutrop. Nach meiner Meinung ist dies aber der Stelle nicht zu entnehmen, so dass es dabei bleibt, dass Ammian Constantius den Triumph im Bürgerkrieg zum Vorwurf macht und die Unangemessenheit dieses Triumphes durch das römische Volk kritisieren lässt. Letzterer Gedanke auch bei CLAUDIAN. De sexto cons. Honorii Augusti 392–397: (Roma spricht) His annis, qui lustra mihi bis dena recensent, / nostra ter Augustos intra pomeria vidi, / temporibus variis; eadem sed causa trophae / civilis dissensus erat. Venere superbi, / scilicet ut Latio respersos sanguine currus / aspicerem! und zwar ebenfalls ohne Verbindung mit „stattdessen“-Gedanken, aber mit deutlicher Kritik an den Vorgängern des Honorius. - Wenn Ammian so tut, als habe das römische Volk Gründe gehabt, vom Besuch des Constantius anderes als einen Tri-

179 Während ein Vergleich der Leistungen des Constantius mit den Normen der Zeit für Ammian ergeben hat, dass die des Constantius in keiner Weise triumphwürdig sind411, wird im folgenden indirekt durch Aufzeigen der exempla aus früheren Zeiten der Nachweis erbracht, dass dem Constantius bestimmte Eigenschaften fehlten, die es ihm ermöglicht hätten, überhaupt der Erinnerung Würdiges zu vollbringen: in Friedenszeiten fehlt ihm die civilitas412, in Kriegszeiten mangelt es ihm an Entschlossenheit, Opferbereitschaft, Mut und vor allem der Erkenntnis, dass sein ganzes Handeln zum Wohle des Staates erfolgen muss.

umph zu erwarten, aber es nicht für nötig hält, uns mitzuteilen, was es denn erwartete, dann ist es mög- lich, dass diese Erwartungen zumindest in bestimmten Kreisen so bekannt waren, dass es gar nicht nötig war, sie zu benennen. - VERA (1980) 89–132 hat den Nachweis versucht, dass in Symmachusʼrelatio 9, vor allem in §§ 2–3, das Thema des falschen oder gefälschten Triumphes behandelt werde – was Vera in der Überschrift „lʼabuso imperiale del trionfo“ nennt -, verbunden mit dem Thema der Behandlung Roms durch den Kaiser, wobei dabei auf einen bestimmten Kaiser angespielt werde, mit dem nur Constantius II. gemeint sein könne. Den Nachweis versucht Vera dadurch zu erbringen, dass diese beiden Themen in einem dem Constantius abträglichen Sinne auch von Ammian behandelt würden, wobei dieser dabei julianische Propaganda und von bestimmten römischen Senatorenkreisen vertretene Ideen aufgenommen habe. Symmachus war Stadtpräfekt von Rom im Jahr 384 n. Chr. Dass das Thema „Verhalten des Kaisers gegenüber Rom“ immer aktuell war, braucht nicht nachgewiesen zu werden; dagegen erscheint der Nachweis Veras, dass auch das Thema vom Missbrauch des Triumphes durch den Kaiser im Jahre 384 aktuell war, etwas gekünstelt. Dies ist jedoch für die Bewertung von Ammians Aussage nicht von Belang. Symmachus lässt seine Person ganz hinter der des populus Romanus zurücktreten, und Symmachus tritt hier nur als Sprachrohr für den populus Romanus auf, um dessen Dank für schon erwiesene munificentia, aber auch um dessen Wünsche, fast möchte man sagen, Forderungen zu formulieren. Das findet sich auch bei Ammian, nur dass der Geschichtsschreiber sich zwar hinter dem populus verbirgt, aber nicht sagt, was dieser wünschte und erwartete. Einiges könnte man aus Symmachusʼ relatio konstruieren: er erwartete keinen „gefälschten“ Triumph, womit allerdings agenti tranquillius noch nicht erklärt ist; er erwartete somit einen echten Triumph, vor allem aber auch Ausstattung für die Veranstaltungen im Zirkus und annonariae copiae, somit Dinge, die nicht in die Ausstattung des Triumphzuges flossen, sondern speziell der plebs zugute kamen. Damit würden weitere Stellen aus Ammians Bericht als Kritik an Constantiusʼ Verhalten erscheinen: multa consumpta sunt in apparatu (§4) wäre auf dem Hintergrund von Symmachusʼ Aussage zu sehen, dass gute Kaiser dem Palast manches entziehen, um es dem populus zukommen zu las- sen (§2); bei einem echten Triumph ist weniger wichtig, dass der Kaiser tamquam acie ducebatur instructa (§4), als dass ein longus ordo ... (gefangener) gentium duceretur (§3) und allgemein, dass der populus mit den Gaben der kaiserlichen munificentia erfüllt ist (§5) und dass der Kaiser durch die anno- nariae copiae vor allem die plebs fördere (§7) und dass Senat und Volk, statt dem Kaiser entgegenzuzie- hen, an die Tibermündung nach Ostia gehen, um die kaiserliche Flotte zu empfangen (§7). - Wenn die oben gegebene Deutung für tranquillius agenti richtig ist, nämlich dass damit auf das hohe Alter der Stadt Rom verwiesen ist, dann scheint Symmachusʼurbs cana (§7) nahezulegen, dass beide sich auf eine Lebensalterstheorie der Stadt Rom beziehen. Nicht bewiesen ist damit, dass Ammian sich die Ideologie des Symmachuskreises zu eigen gemacht habe, auch wenn nicht bestritten werden kann, dass er in vielem mit dieser übereinstimmt; außerdem sollte man nicht übersehen, dass Symmachus auf Fälschungen beim Triumphzug anspielt, während Ammian dem Constantius eine Fälschung der den Triumph legitimieren- den Voraussetzungen unterstellt. Deshalb halte ich in diesem Punkt die Beziehung auf Constantius bei Symmachus nicht für gesichert. Damit aber ergibt sich für Ammian, dass er von Symmachusʼ Schriften angeregt sein kann (dass er die relationes gekannt hat, ist nach meiner Meinung nicht zu bezweifeln, vgl. Kommentar zu AMM. 26,7,12), aber hinsichtlich der Historizität des bei Ammian über Constantius Ausge- sagten der Beweis unabhängig von Symmachus zu führen ist (speziell für die relatio 9: der adulatorische Charakter in den den Theodosius betreffenden Aussagen ist nicht zu übersehen; davon dürften auch alle für mali principes geltenden Aussagen beeinflusst sein). - Zum „gefälschten“ Triumph vgl. Caligulas Tri- umph über Germanien, SUET. Calig. 47. 411 Da Constantius zwar unverdientermaßen triumphiert, es aber nicht unterlässt zu triumphieren, kann man einige Abschnitte auch wie die Darstellung eines Pseudotriumphes lesen. Darin wäre dann eine Überein- stimmung mit dem oben zitierten Passus aus Symmachusʼ neunter relatio gegeben. VERA (1980) 122 sieht in Symmachusʼ Passage eine Anspielung auf den Triumph des Constantius im Jahre 357. Die von Vera

180 Das, was wie eine rhetorisch geschickt angelegte Reihung von exempla aussieht, erweist sich letztlich als vernichtendes Urteil über Constantius413, wobei der schwerste Vorwurf noch nicht einmal die oben genannten Mängel betrifft, sondern die dem Constantius unter- stellte Ignoranz auf dem Gebiet der Geschichte.414 Im übrigen ist dieser Abschnitt charakteristisch für ein Verfahren Ammians, das im gesamten 10. Kapitel noch mehrfach zu beobachten ist, nämlich eine Verschiebung, bzw. Ausweitung vom Speziellen zum Allgemeinen vorzunehmen: Durch in pace wird nicht nur agenti tranquillius wiederaufgenommen und die Antithese zu proeliorum ardor vorberei- tet, sondern auch der zivile Bereich miteinbezogen. Durch die exempla erfolgt durch die sich notwendigerweise ergebende Ausweitung auf die Vergangenheit nicht nur eine Lösung vom konkreten Anlass, der Absicht des Constantius, Rom zu besuchen und zu triumphie-

postulierte Aktualität des Themas im Jahre 384 ist allerdings nicht ohne weiteres zu erkennen. Vera geht davon aus, dass sich sowohl Ammian als auch Symmachus eigentlich mit ihrer Kritik gegen eine defen- sive Politik gegenüber äußeren Feinden richteten, wofür gerade die Politik Constantiusʼ II. gestanden habe, während bestimmte Kreise der römischen Aristokratie auf diesem Gebiet für eine aggressivere Politik gewesen seien. Nach meiner Meinung geht es in Ammians Darstellung der Politik des Constantius darum, dass er auf dem falschen Gebiet allein siegreich gewesen ist, nämlich in Bürgerkriegen. Constan- tius ist oft genug auch gegen Persien angetreten, nur eben nicht siegreich gewesen. Wenn also die Pseudo- triumphe des Constantius bei Symmachus nicht nur rhetorischer Gegensatz in der Schmeichelei gegen- über Theodosius sind, dann könnte es bedeuten, dass Theodosius seine Triumphe nicht auch in einem Bür- gerkrieg holen solle, sondern im Krieg gegen Persien [Voraussetzung wäre natürlich, dass man Genaueres darüber wüsste, ob die Anerkennung des Maximus im Osten als ehrlich angesehen wurde, und die Klärung, für wie zuverlässig und berechenbar Theodosius im Spätsommer 384 angesehen wurde]. Dann lägen Symmachus und Ammian in der Einschätzung des Constantius auf einer Linie, und Symmachus hätte in der Einschätzung des Theodosius Weitblick gezeigt (was natürlich nichts genützt hat). 412 Im ersten exemplum, wie übrigens auch in den folgenden, ist kein Name genannt. Gemeint ist, dass die Kaiser in der Regel noch nicht mit der Garde in der Öffentlichkeit auftraten, sondern in Anlehnung an die 3 Magistrate der Republik mit 12 Liktoren (seit Domitian mit 24) [Nachweise bei MOMMSEN, Staatsrecht I 387f. und ALFÖLDI (1970) 102f.]. Sich so zu geben, wie es die Magistrate zur Zeit der Republik taten, ist genau das, was in der Spätantike die kaiserliche Ideologie als civilitas bezeichnet [Vgl. z.B. PFEILSCHIFTER (2014) 144]. 413 PASCHOUD (1967) 67: „quand il parle de la visite de Constance II à Rome et des procès tenus sous le vicariat de Maximin, la déformation partisane de son récit est évidente; je ne pense pas quʼelle soit con- sciente, ni que lʼon en puisse de tirer des déductions sur les relationes personelles cordiales entre Ammi- en et des sénateurs.“ Ich glaube nicht, dass Ammian das, was er z.B. hier schreibt, unbewusst „entstellt“ hat. Zwar mag es sein, dass er in vielen Fällen nicht die Informationen gehabt hat (weil er sie gar nicht haben konnte), die man gebraucht hätte, um das gefällte Urteil zu begründen; aber gerade dann ist der Wahrheitsanspruch nicht verletzt. Außerdem genügte es vollkommen, wenn es so gewesen sein könnte. 414 Im übrigen zeugt diese Argumentationsform für das Selbstbewusstsein des Autors, das sich stützt auf sei- nen Wissensvorsprung (hier gegenüber Constantius). - Nach meiner Meinung sollte man auch 31,16,9 ut miles quondam in dem Sinne deuten, dass er, obwohl er ursprünglich nur ein (einfacher) Soldat gewesen sei, dennoch sich soweit gebildet habe, dass er Geschichte zu schreiben vermochte. Diese konzessive Auslegung findet sich auch schon bei R. BROWNING, History, in: E.J.KENNEDY (ed.) Cambridge History of Classical Literature II (Cambridge 1982) 749, aber im entschuldigenden Sinne [vgl. MATTHEWS, Ammi- anusʼ Historical Education, 30: "Others (most recently Robert Browning) have taken Ammianusʼ expres- sion ˊut miles et Graecusˋ rather in a concessive or apologetic sense, as if he were excusing himself as a mere soldier and Greek, for his effrontery in writing Roman history – an occupation (as Browning sug- gests) more characteristic of civilian, even aristocratic, persuits than of the military profession."] (Die übliche Deutung, dass Ammian durch diesen Hinweis sich als berechtigt erweise, über militärische Ereignisse zu schreiben, ist z.B. referiert bei MATTHEWS a.a.O. 30). Vgl. auch zu verbis ... simplicibus (Kommentar zu 20,5,2).

181 ren, sondern auch der Ausblick auf die Zukunft, vor allem natürlich auf Julian. Außerdem kann auch hier schon festgehalten werden: Ammian eröffnet die Erzählung, indem er in die Darstellung dessen, was für Constantius der Anlass war, Rom zu besuchen, nämlich einen Triumph über Magnentius zu feiern, von Anfang an seine Argumentation einflicht, dass der Sieg über Magnentius nicht zu einem Triumph berechtigt habe und dass Constantius für derartiges nicht die nötigen Voraussetzungen mitgebracht habe, wobei er dies durch exem- pla aus der Geschichte zu beweisen sucht und dabei eine ihm eigene Form der Argumen- tation verwendet, dass Constantius nämlich aus Unwissenheit so gehandelt habe. Im Hin- blick auf Constantius betreibt Ammian somit Demontage, im Hinblick auf den Sieg über

Magnentius könnte man es als „sminuire“ bezeichnen (vgl. VITIELLO (1999) 363). Beides setzt voraus, dass Ammian gegen ein Bild des Constantius oder eine Darstellung schreibt, in der ein idealisiertes und nach Ammian natürlich übertriebenes Bild des Constantius und seiner Taten gegeben wurde. Genauso verfährt Ammian in der Geschichte von der Errich- tung des Obelisken im Circus Maximus (17,4): Während die Schmeichler am Hof des Con- stantius diesen dazu bringen wollen, den Obelisken aufrichten zu lassen, womit er eine un- vergleichliche Leistung vollbrächte, weist Ammian schon im Anfang der Geschichte dar- aufhin, dass in den zwei Punkten, in denen er damit den Augustus wie seinen Vater Kon- stantin übertreffen würde, nämlich den Obelisken nach Rom transportiert zu haben und ihn dann aufgerichtet zu haben, er gar nichts Sensationelles vollbrächte, weil Augustus zwei nach Rom gebracht habe und habe errichten lassen, diesen größten aber aus religiöser Scheu nicht angetastet habe, und Constantin den Transport schon vorbereitet hatte und nur durch den Tod daran gehindert wurde, es bis zur Errichtung durchzuführen, wobei Ammi- ans Vorwurf des Nichtwissens diesmal sich gegen Leute allgemein richtet, in erster Linie aber gegen die Schmeichler. Demontage und „sminuire“ fallen hier also zusammen und beziehen sich zunächst wie beim adventus / triumphus415 nur auf die Vorgeschichte. Im Gegensatz zu dieser Geschichte ist bei der über die Errichtung des Obelisken zumindest ein Dokument vorhanden, in dem ein Beleg für das Bild und die Haltung gegeben ist, gegen die Ammian anschreibt, nämlich die Inschriften auf der Basis des Obelisken. In beiden Fällen aber scheint der sich anschließende Bericht in nichts mehr von der Demon- tage und vom "sminuire" beeinflusst [Der Bericht vom adventus / triumphus wird immer wieder auch wegen des darin dargestellten Glanzes und Prunkes zitiert (Dass Ammian damit habe Verschwendung kritisieren wollen, findet im Text keinen Anhaltspunkt.), und Constantiusʼ Verhalten wird meist nur noch partiell als negativ beurteilt; was die Errich-

415 Zum Verwischen der Unterschiede zwischen adventus und triumphus vgl. BEARD (2007) 323f.

182 tung des Obelisken betrifft, so wird auch von Ammian die Größe dieser Leistung nicht angezweifelt, es sei denn, die durchgehende Form der Darstellung im Passiv solle so zu verstehen sein, dass diese Leistung den Ingenieuren und nicht dem Kaiser zukomme.)] Dennoch können Demontage und „sminuire“ schon aus Gründen der inneren Logik der Geschichte nicht aufgegeben sein.416

2.5.3 Constantius und der Senat von Rom In Paragraph 4 setzt die eigentliche Erzählung ein417, wobei die zeitliche wie die räum- liche Angabe äußerst knapp gehalten sind und die zweite Angabe zunächst auch recht will-

418 kürlich erscheint. Aber durch AMM. 16,1,1 ist das Jahr festgelegt , so dass die Angabe des amtierenden Stadtpräfekten (der Stadt Rom (!)) abgesehen von der üblicherweise gegebe- nen Chronologie der Stadtpräfekten auch darin schon den eigentlichen Fokus des Gesche-

416 In der Interpretation der folgenden Passagen finden sich immer wieder Hinweise dazu. - Für die Geschichte von der Errichtung des Obelisken müsste dies noch eigens untersucht werden. 417 Die folgende Geschichte ist nur zu verstehen, wenn Rom in der Mitte des vierten nachchristlichen Jahr- hunderts, auch nachdem es nicht mehr das Zentrum ist, an dem alle für das Römische Reich wichtigen politischen und militärischen Entscheidungen getroffen werden, einen nicht zu vernachlässigenden Faktor für den regierenden Kaiser, bzw. den, der ihn in Rom vertritt, nämlich den Stadtpräfekten, darstellt, wobei der Wert dieses Faktors nicht nur vom Mythos und dem in der Vergangenheit über Jahrhunderte erwor- benen Prestige der Roma abhängig sein kann, sondern konkrete, sogar quantifizierbare Grundlagen haben muss. Es ist hier nicht möglich, dafür einen eingehenden Nachweis zu führen. Letztlich aber dürfte es die im Vergleich zu allen anderen Städten des Römischen Reiches unverhältnismäßige Größe der Stadt Rom samt der entsprechenden Einwohnerzahl gewesen sein. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen für die Regierbarkeit einer solchen Stadt bei den damaligen Infrastrukturen und die damit verbundenen Auswir- kungen für das Römische Reich sind unter dem Aspekt der Nahrungsmittelversorgung und der Finanzie- rung der Feste und Zirkusspiele beschrieben bei Peter Brown (BROWN (1982) 123–145, spez. 124–129). Bei Ammian ist das nicht eigens erwähnt, ebenso wenig wie die als fast unbeschränkt vorauszusetzende Macht des Kaisers, aber vielleicht ist damit eine Eigenart der ammianeischen Geschichtsschreibung we- nigstens z.T. zu erklären, dass Ammian nämlich die Reihe der Stadtpräfekten fast lückenlos in die Res gestae einfügt (vgl. BROWN (1982) 127 „Per il popolo di Roma il prefetto era la Città“) und dass er nur für die Bewohner Roms zwei umfangreiche Exkurse einfügt, auch wenn in beiden Fällen Ammians romzen- trierte Einstellung mit zu berücksichtigen ist. - Allg. zu Großstädten in der Antike vgl. VON PÖHLMANN, R.: Die Überbevölkerung der antiken Großstädte im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung städtischer Civilisation, Leipzig 1884 (Nachdruck Leipzig 1967); BRAUNERT, H.: Großstadt und Großstadtprobleme im Altertum, in: Hochschultage in Lübeck 1967, Lübeck 1968, 55–70; G. DAVERIO ROCCHI: Le poleis megalai e mikrai come tema letterario, motivo politico e rapporto giuridico, in Acme (1991) 53–71; NI- COLET (Hrg.): Mégapoles méditerranéennes. Géographie urbaine rétrospective. Actes du colloque organisé par lʼÉcole française de Rome et la Maison méditerranéenne des sciences de lʼhomme, Paris 2000; ENGELS, D.: Lʼétendue de la cité est un objet que l´homme politique ne doit pas négliger. Les critiques de la mégapole dans lʼAntiquité méditerranéenne, in: Latomus 72 (2013) 1055–1085; ENGELS, D.: Auf dem Weg ins Imperium. Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der römischen Republik, Berlin 2014, 211–226 (dort auch in den Anm. 339 und 342 die entsprechenden Literaturangaben). - Der Anschluss erfolgt mit dem hier nicht ohne weiteres einsichtigen Konnektor igitur: Da Ammian schon nachgewiesen hat, dass der Triumph des Constantius nicht berechtigt ist, muss dies ersetzt werden durch anderes, was sozusagen als Ausgleich dafür dient. Die besonders aufwändigen Vorbereitungen ergeben sich somit als notwendige Folge aus der Nichtrechtmäßigkeit. Zu dieser Funktion von igitur vgl. KRYLOVÁ, BARBORA: Die Partikeln ergo und igitur bei Ammianus Marcellinus. Ein textologischer Beitrag zur Diskussion um Ammians Sprachkompetenz, in: THOME, GABRIELE / HOLZHAUSEN, JENS (Hrgg.): Es hat sich viel ereignet, Gutes wie Böses. Lateinische Geschichtsschreibung der Spät- und Nachantike, München · Leipzig (2001) 64f. 418 Caesar (gemeint ist Julian) apud Viennam in collegium fastorum a consule octiens Augusto (gemeint ist Constantius) ascitus.

183 hens vorbereitet; aus AMM. 16,7,2 geht hervor, dass Constantius sich bei den Vorbereitun- gen in Mediolanum (Mailand) befand, so dass Ocriculum (Otricoli) als Durchgangsstation, da an der via Flaminia als der üblichen Verbindung von Mailand nach Rom419, ebenfalls zur räumlichen Einordnung genügt. Warum es ausgerechnet Ocriculum ist und kein anderer der vielen bemerkenswerten Orte an der via Flaminia, darüber darf spekuliert werden. Sicherlich kann aus dem Partizip transcurso nicht herausgelesen werden, dass damit die besondere Eile herausgestellt werden sollte, unter der der Weg nach Rom zurückgelegt worden sei420; denn das Verbum transurrere ist bei Ammian bei Itinerarangaben das übliche Verbum.421 Dagegen erfüllen sowohl die Zeit- wie die Ortsangabe eine wichtige Funktion in der Komposition der Geschichte, indem erstere beim Auszug des Kaisers unter aus- drücklicher Bezugnahme auf den Einzug in Paragraph 20 durch ein exaktes Datum präzi- siert wird und letztere in demselben Satz in per Tridentum ihre Entsprechung findet (Ring- komposition). Nachdem nur andeutungsweise auf die Ehrungen hingewiesen ist, die dem Kaiser unter- wegs von den Städten erwiesen werden, durch die er nach Rom kommt, wobei Ammian den Effekt dieser Ehrungen herausstellt, nämlich den Kaiser in eine gehobene Stimmung zu versetzen (elatus honoribus magnis), nutzt Ammian ein traditionelles Element, dass nämlich der Kaiser in der Öffentlichkeit nur umgeben von seiner Garde auftritt, dazu, ein Beispiel für das zu geben, was die Römer gerade nicht gewünscht und erwartet hatten, nämlich dass der Einzug des Kaisers der Einzug eines Heeres (agminibus Plural!) ist, das Angst verbreitet, weil es so aussieht, als sei es zum Kampf aufgestellt; somit muss es, zu- mindest in den Vorstellungen der Leute, einen Feind geben; dieser kann dann eigentlich nur Rom selbst sein.422 Dass der Gedanke, der Kaiser führe Krieg gegen die eigenen Städte

419 Vgl. HALFMANN (1986) 66: „Von Rom aus benutzten die Kaiser für Landreisen nach Gallien und auf den Balkan die via Flaminia [...].“, was dann wohl auch für die umgekehrte Richtung gilt. 420 HARTKE (1951) 308ff., spez. 308: „Ammian verwendet beim Anmarsch des Kaisers das Wort „durch- eilen“.“ und 309: „Die Schnelligkeit des Anmarsches auf Rom war in all diesen Fällen nötig, um das De- corum des traditionellen Bildes kaiserlicher Vollkommenheit zu wahren.“ - Auch LEHNEN (1997) 112 geht davon aus, dass in percurso die celeritas enthalten sei, sucht diese aber als nicht zum adventus-Zeremo- niell gehörend, sondern sich aus aktuellen Anlässen ergebend (hier der Wunsch des Kaisers, Rom zu se- hen) zu begründen. - Die Wirklichkeit dürfte bei den begrenzten Möglichkeiten hinsichtlich des Trans- portes über weite Strecken anders ausgesehen haben, vgl. ANDO (2000) 191. 421 22,9,3 (Julian auf der Fahrt nach Nikomedia): transgressus itaque fretum, praetercursa Chalcedona et Libyssa, ... , inde Nicomediam venit urbem; 21,10,2: (Iulianus) ... morarum impatiens percursis aggeribus publicis, Succos (nemine auso resistere) praesidiis occupavit [könnte aufgrund des unmittelbar davorstehenden morarum impatiens wie ein Gegenbeispiel aussehen, aber hier kann es sich wohl nicht um die zeremonielle Eile eines adventus handeln; die strategisch erforderliche Eile ist an dieser Stelle genügend anders ausgedrückt, so dass percursis nur das Passieren bezeichnet]. 422 So auch DUFRAIGNE (1994) 167. Ob man allerdings so konkret werden sollte, wie Dufraigne es tut (Con- stantius habe das Volk von Rom von der Unterstützung neuer Usurpationen (nach denen des Magnentius und des Nepotianus) abschrecken wollen.) erscheint mir fraglich. Auch Constantius wird gewusst haben, dass der Erfolg einer Usurpation in der Regel nicht von der Haltung der Bevölkerung abhängig war. Da-

184 seines Reiches, nicht so absurd ist, wie es zunächst scheinen mag, ergibt sich allein schon aus der Notwendigkeit der Städte, bei Usurpationen Stellung zu beziehen, was zum Bei- spiel bei Julian zum Vorgehen gegen Aquileja, bei Valens zum Vorgehen gegen Kalchedon und Philippopolis führt. Zudem wird es Constantius II. von Hilarius von Poitiers in seiner Schrift Contra Constantium imperatorem nachgesagt423: Mediolanensem piissimam plebem quam tu furore terroris tui turbasti! Tribuni tui adierunt sancta sanctorum et viam sibi omni per populum crudelitate pandentes protraxerunt de altario sacerdotes. Levius te putas, sceleste, Iudaeorum impietate peccasse? Effuderunt quidem illi Zachariae sangui-

von zu unterscheiden ist, wie Ammian derartige Vorgänge darstellt: Danach ist die Haltung der Bevöl- kerung durchaus wichtig, wie man aus Ammians Schilderung der Usurpation des Prokop entnehmen kann, wonach sich Prokops Soldaten angeblich davor schützen mussten, von den Dächern Konstanti- nopels angegriffen zu werden. - AMM. 22,2,4 (Text im Kommentar) stimmt in großen Teilen mit dieser Stelle im Wortlaut überein (zu den Abweichungen s.u.). Ammian zitiert sich sozusagen selbst. BLOCKLEY (1980) 31 schließt daraus, dass tamquam acie ducebatur instructa keine Kritik an Constantius bedeute dergestalt, dass er die Stadt unter Waffen betreten habe. HARTKE ((1951) 308 Anm. 1) sagt, der Ausdruck enthalte keine spezielle Spitze gegen Constantius (wie von STRAUB (1939) 186f.; 192 behauptet), weil es auch von Julian gesagt werde; STRAUB (1939) 186f. sieht darin deshalb eine Spitze gegen Constantius, weil Ammian damit auf einen Verstoß gegen das Verbot, die Stadtgrenze bewaffnet zu überschreiten, hin- weise. - Mir scheint, dass der Ausdruck tamquam acie instructa im Zusammenhang mit agminibus formi- dandis nicht anders interpretiert werden kann, als oben dargelegt, auch wenn man ihn nicht so pointiert auf den alten Brauch zu beziehen braucht, wie Straub es tut (STRAUB (1939) 152: „Konstantius aber ziehe ein, als ob es gegen den Feind ginge, da er in Begleitung von Bewaffneten das Pomerium überschritt“) [Zwar ist es durchaus möglich, dass Ammian aus Argumentationsgründen ein Verbot aus „uralten“ Zeiten heran- zieht – vgl. die Argumentation hinsichtlich der Berechtigung des Constantius, einen Triumph zu feiern -, aber ob er, nachdem das Verbot in der Realität seit mehr als 400 Jahren als nicht existent angesehen wurde, damit auf Verständnis rechnen konnte, wage ich zu bezweifeln]. Dann aber muss man auch die auf Julian bezogene Stelle so interpretieren [Im Bewusstsein dieser Konsequenz und davon ausgehend, dass Ammian das von Julian nicht angenommen haben kann, erklären sowohl Hartke als auch Blockley die Stelle als in diesem Sinne nicht relevant, eben zum Topos.], wobei es durchaus denkbar ist, dass Julian zu einem Zeitpunkt, in dem ihm die Herrschaft gerade zugefallen war, er sie aber in dem östlichen Reichsteil noch gar nicht hatte sichern können und vielleicht auch noch mit Widerstand rechnete, grundsätzllch so in die Städte einzog. Umso größer dann die Überraschung, dass er in Konstantinopel anders empfangen wurde als Constantius in Rom (vgl. cum admiratione). Das jedoch nährt den Verdacht, dass es sich an beiden Stellen letztlich um einen Topos handelt, dem ein Brauch zugrunde liegt, der keine Schlüsse auf die konkrete Situation zulässt, sondern dass ausgehend davon, dass der Kaiser grundsätzlich mit den Gardetruppen in der Öffentlichkeit erscheint, Ammian diesen Brauch für die konkrete Situation „umdeu- tet“ [Eine solche „Umdeutung“ nicht nur eines Elementes des adventus, sondern des ganzen adventus auch 22,9,14-15 (Einzug Julians in Antiocheia in scharfem Kontrast zu dem in Konstantinopel) (Bedro- hung für das Leben des Kaisers durch einen Feind im Feld, bzw. in der Stadt) und damit Ammian die Möglichkeit gibt, Julian mit Constantius zu vergleichen, bzw. durch Constantiusʼ Einzug in Rom auf den Einzug Julians in Konstantinopel hinzuweisen. - SABBAH (2003) 65: "The splendid description of the adventus and of the encounter, marked by mutual respect, between the emperorʼs majesty and that of the City relies on the panegyric and its traditional themes and ways of expression." Die Annahme eines gegenseitigen Respektes ist mit der hier vorgelegten Interpretation nur schwer zu vereinbaren. Ich sehe allerdings nicht, wo in dieser Geschichte besonders auf den Respekt, sei es den des Constantius, sei es den der Stadt Rom oder der Römer, hingewiesen würde. - DUFRAIGNE (1992) 508 Anm. 61: „On ne saurait marquer plus clairement lʼopposition entre lʼentrée de Constance à Rome, et celle de Julien à Constan- tinople.“ Hierbei scheint mir übersehen zu sein, dass tamquam acie instructa in beiden Fällen steht. 423 Die Abfassung dieser Schrift erfolgte entweder unmittelbar nach der Synode von Konstantinopel (360 n.Chr.) oder nach dem Tod des Constantius (361 n.Chr.). Vgl. dazu DIEFENBACH, STEFFEN: A Vain Quest for Unity. Creeds and Political (Dis)Integration in the Reign of Constantius II., in: WIENAND, JOHANNES (Hrg.): Contested Monarchy. Integrating the Roman Empire in the Fourth Century AD, Oxford (2015) 353-378, p. 353 und Anm. 2.

185 nem; sed, quantum in te est, concorporatosin Christo a Christo discidisti. Vertisti deinde usque ad Romam bellum tuum, eripuisti illinc episcopum: et o te miserum, qui nescio utrum maiore impietate relegaveris, quam remiseris! Zwar könnte mit bellum hier der Krieg des Arianers gegen die Katholiken gemeint sein, aber, wie das Vorgehen in Mailand beweist, sieht Hilarius im Vorgehen des Constantius die Durchsetzung seiner Ziele mit eindeutig militärischen Mitteln.424 Im übrigen findet sich genau dieser Gedanke auch schon bei Tacitus in der Geschichte vom Einzug des Vitellius in Rom (Hist. 2, 89–90), sofort am Anfang und ebenfalls durch eine Vergleichspartikel als einen im Grunde ungeheuerlichen Vorgang hingestellt: quomi- nus ut captam urbem ingrederetur. Somit erweckt auch der topische Ausdruck oculis ... intentis einen durchaus zwiespälti- gen Eindruck, indem so nicht nur die vollständige Zentrierung auf Constantius hervorgeho- ben, sondern auch die gespannte ängstliche Erwartung zumindest der Römer angedeutet wird. Wie beim adventus des Kaisers üblich, sind die Römer dem Kaiser entgegengezogen, wobei die Einzelheiten so selbstverständlich sind, dass Ammian sie nicht erwähnt, aber dadurch, dass er Rom in seiner Gesamtheit durch die klassische Form SPQR (Senatus populusque Romanus) erfasst (wenn auch im Text in die beiden Bestandteile „zerlegt“: erst der Senat, dann das Volk (in häufiger variatio hier als plebs)), den Eindruck erweckt, als sei ihm ganz Rom entgegengezogen, und für den weiteren Ablauf muss man annehmen, dass der gesamte Senat jetzt vor Constantius versammelt ist. Entsprechend der obigen „Zerlegung“ handelt Ammian zuerst die Begegnung des Con- stantius mit dem Senat ab, wobei er dadurch, dass er nicht nur schildert, sondern zugleich die Empfindungen und gar Gedanken des Constantius während der Szene wiedergibt und diese auch noch mit denen eines Gesandten des Königs Pyrrhus kontrastiert, einen Text produziert hat, der zu den verschiedensten Auslegungen Anlass gegeben hat. Dabei ist jede Deutung gerade an dieser Stelle notwendigerweise davon beeinflusst, wie man Constan- tiusʼ Verhalten und seine Einstellung gegenüber Rom annimmt, vor allem aber, ob man im Laufe der Geschichte darin eine Änderung bei Constantius zu sehen glaubt oder nicht. Da dies nur aus dem Text zu belegen ist, gerät man hier notwendigerweise in den hermeneu- tischen Zirkel. Ich schicke deshalb einige Bemerkungen voraus, deren Probabilität sich jedoch erst im weiteren Verlauf der Interpretation belegen lässt. Ich glaube nicht, dass der

424 HUMPHRIES (1998) 212 weist nach, dass Hilarius im 11. Kapitel aus einem adventus des Kaisers, an den bestimmte Erwartungen geknüpft waren, Constantius´II. Eroberung des Westens geworden sei, so dass hier literarisch gesprochen ein Antipanegyrikus entstanden sei. Genau entsprechend kann auch Ammians Schilderung des adventus sozusagen als Antiadventus gelesen werden (zumindest in einigen Teilen).

186 Bericht Ammians einen Wechsel oder gar Bruch im Bild des Constantius enthält, den man dann vielleicht sogar auf die Verwendung verschiedener Vorlagen zurückführen könnte.425 Ich glaube auch nicht, dass das Durchqueren des Stadttores oder Überschreiten des Pome- riums insofern einen Einschnitt markiert; denn Rom in seiner Gesamtheit (natürlich ohne die materielle Substanz, die Bauten) ist auch schon im Akt des Entgegengehens und Einho- lens des Kaisers präsent; wenn Rom Wirkung auf den Kaiser ausübt, dann vom ersten Zeitpunkt der Begegnung an; wohl tritt, je näher man dem Zentrum kommt, die Wirkung umso stärker ein, aber vorhanden sein muss sie schon am Anfang; das aber scheint mir aus- zuschließen, dass man im Ausdruck ore sereno etwas Spöttisches sehen kann, oder die Gleichsetzung des Senates mit einem asylum mundi totius als ironische Kommentierung ansehen kann.426

425 Wohl zuerst ausführlich bei R. LAQUEUR: Das Kaisertum und die Gesellschaft des Reiches, in: Probleme der Spätantike, Stuttgart 1930. Exkurs 4,33ff. Laqueur nimmt zwei Schichten im ammianeischen Bericht an, wobei eine auf eine constantiusfeindliche Quelle zurückgehe, die vor allem seinen Byzantinismus kri- tisiere, die andere, deren Einfluss ab Paragraph 13 spürbar werde, auf eine constantiusfreundliche (vgl. HARTKE (1951) 305f.). Dabei wird aus der Tatsache, dass Constantius sich vor allem bei den Spielen als civilis princeps gebe, geschlossen, dass dieses Verhalten im Widerspruch zum vorher genannten Byzan- tinismus des Kaisers stehe, Ammian es somit nicht gelungen sei, zwei in der Tendenz sich widerspre- chende Quellen zu harmonisieren. Meiner Meinung nach liegt kein Widerspruch vor [Eine mögliche Er- klärung aus den Erfordernissen des in Rom und den Provinzen je unterschiedlichen Zeremoniells bei AL- FÖLDI, Kontorniaten 51, Anm. 19], auch wenn ich mich der Erklärung von STRAUB (1939) 175ff.: in den Provinzen, d.h. außerhalb der Stadt Rom, sei der Kaiser dominus, und dazu gehöre der Byzantinismus, in- nerhalb der Stadt dagegen (civilis) princeps) nicht deswegen nicht anschließe, weil sie nicht richtig sei, sondern weil das Durchfahren des Tores nicht diesen Übergang bezeichnet (vgl. oben: Constantius ist schon mit Rom konfrontiert, als er die Senatoren und das Volk trifft), somit die Argumentation an der fal- schen Stelle ansetzt. Das hat im übrigen bei Straub zur Folge, dass er die dem Paragraphen 13 voraus- gehenden Stellen im Sinne des Bildes „Constantius als dominus“ interpretieren muss, so dass aus ore sereno ein seriöser Blick wird (STRAUB (1939) 187), aus ore sereno contemplans „nur eines seriösen Blickes für würdig gehalten werden“ und asylum mundi totius „die abfällige Bemerkung über „das Asyl der ganzen Welt““ und aus quod ubique est hominum genus „alles Gesindel, das es auf Erden gibt“ (STRAUB (1939) 183). 426 So SEYFARTH 1, 295 Anm. 104. Seyfarth beruft sich dabei auf HARTKE (1951) 131 A.1 und 307 A.2. Die Annahme von Ironie setzt voraus, dass man asylum als einen negativ konnotierten Begriff ansieht, somit in dem Sinne, wie heute der Begriff "Asyl" gebraucht wird, sofern eine Stätte oder ein Gebäude gemeint ist. Diese Auffassung könnte auch durch die Verwendung in der Gründungslegende Roms nahegelegt sein, weil es sich bei denen, die in Rom Asyl finden, um Räuber und Verbrecher handelt. Soweit er- kennbar, hat der Begriff selbst jedoch keine negative Konnotation (vgl. ThLL 2 s.v. asylum 990/1 (V. STEN- GEL; PV. IHM)). Im übrigen scheint Hartke an der ersten Stelle negative Konnotation anzunehmen, an der zweiten dagegen nicht. Vgl. auch BORZSAK (1976) 365 (ebenfalls unter Berufung auf Hartke). Vgl. auch ROSEN (1982) 29 [„Aber zitiert 16,10,5 auch kommentarlos den Eindruck, den der Rombesucher Constan- tius vom Senat gewann: Er erschien ihm nicht mehr als eine Versammlung von Königen, sondern als asylum mundi totius“], wo der Begriff zwar nicht übersetzt ist, aber doch wohl negative Konnotation gemeint ist (Zur Wirkung von „nicht mehr“ (Unterstreichung von mir) vgl. unten. - Anders DEMANDT (1968) 117 Anm. 105: „Hier kann diese Bezeichnung nicht die abschätzige Bedeutung aus der Grün- dungslegende haben“; BLOCKLEY (1980) 31 "Not ironical, as Seyfarth (note ad loc.) would have it. Despite the criticisms at 14.6 and 28.4, Ammianus is respectful of the senate (14.6.6) [...]." Dazu jüngst auch wieder mit negativer Konnotation von asylum STENGER (2012) 202 Anm.60. - In J.M. Coetzees Buch, Diary of a Bad Year, London 2007, trägt das 22. Kapitel die Überschrift: On asylum in Australia. Dabei wird das Wort genau in dem Sinne gebraucht, den es schon in der Antike hatte, nämlich „Schutz bietende Zufluchtsstätte“ zu sein, wobei es nicht auf den sozialen Status des Schutzsuchenden ankommt. Dass die meisten der "refugees" allerdings wegen des Wohlstandsgefälles kommen (bei Coetzee nach Australien)

187 Vielmehr spiegelt die kaiserliche serenitas427 die Gedanken, die sich bei Constantius einstellen428, als er Senat und Volk von Rom erblickt (bis dahin er alleiniges Ziel der Blicke der anderen, jetzt umgekehrt, ein Wechsel, der die gesamte Geschichte durchzieht: indem die Senatoren wie bei einer pompa funebris die Bilder der Ahnen mitführen, erscheint die zeitliche Dimension in Form der Tradition, evoziert Vorstellungen, deren Gehalt bis in die Anfänge Roms reicht (die Erwähnung des Pyrrhus führt schon weit in die Vergangen- heit429, die Bezeichnung des Senats als asylum mundi lässt an die Anfänge Roms unter Romulus denken, als die „Bevölkerung“ der neuen Stadt nur so gelang, dass die Stadt ande- ren Asyl gewährte); und wenn man in diesem selten vorkommenden Wort ein Anspielung (über Tacitus) auf Vergils zweites Buch der Äneis sehen darf, dann reichte es bis zum Aus- gangspunkt der Entstehung Roms, nämlich der Zerstörung Trojas. Die räumliche Dimen- sion dagegen wird mit asylum totius mundi ebenso weit gespannt wie die zeitliche, wobei hier wiederum ein Topos aus den laudes Romae430 von Ammian der Situation genau ange- passt verwendet wird: Der Senat als Zufluchtsstätte vor dem einziehenden Feind.431 Dass Ammian hier in einer Antithese („das nicht, sondern das“) formuliert, ist, wenn man es nicht als bloße Rhetorik oder Vorzeigen von Gelehrsamkeit abtun will, nicht ganz einfach oder wegen kriegerischer Auseinandersetzungen in ihrer Heimat, ist ein Nebeneffekt, der die Richtung bestimmt (aus der Dritten Welt in Länder der Ersten Welt), und das galt auch für das antike Rom: Insofern vermischt sich der Gedanke bei Ammian mit dem Topos von Rom als Anziehungspunkt für die ganze Welt, und liefert damit auch den Ansatzpunkt, asylum als Sammlung allen Abschaums zu sehen, was aber im Lateinischen durch faex wiedergegeben zu werden pflegt (Vgl. z.B. für Rom LUC. 7,404–407 (für die Zeit der Bürgerkriege im ersten vorchristlichen Jh.): nulloque frequentem / cive suo Romam sed mundi faece repletam / cladis eo dedimus, ne tanto in corpore bellum / iam possit civile geri). Bei Coetzee geht es vor allem um die Haltung der Aufnehmenden, in seinem Falle um die der Australier; diese spielt hier speziell im Hinblick auf die Äußerung des Constantius keine Rolle, dagegen sehr wohl im ersten Rom- exkurs. 427 Ore sereno ist sozusagen das Schlüsselwort für die Szene. Auch wenn die serenitas ein typisches Attribut kaiserlichen Auftretens in der Öffentlichkeit ist (vgl. Kommentar zur Stelle), ist die Funktion des Aus- drucks hier nicht die eines Epitheton ornans, sondern die, proleptisch wiederzugeben, wie Constantius die Szene sieht und aufnimmt; da bei serenus negative Konnotation ausgeschlossen ist, muss auch das Aus- gesagte oder Gedachte in diesem Sinne gedeutet werden; ore sereno somit gleichwertig zu ore placido (vgl. HARTKE (1951) 307 Anm. 1) „Der Parallelbericht zu Ammian bei Symm. Rel. 3,7 sagt mit vergili- schem Ausdruck: vidit placido ore delubra.“). 428 ROSEN (1982) 116 nimmt an, Constantius habe dies bei der Begegnung mit dem Senat tatsächlich gesagt („das ohne Vorbehalt zitierte Constantiuswort vom Senat als dem asylum mundi totius“). Dies ist zwar die einzige Erklärung dafür, wie der Historiker die Gedanken des Kaisers wissen kann, aber im Text Ammi- ans steht davon nichts. Da es sich um einen abgewandelten Topos handelt, sollte man hier lieber von Ammian als allwissendem Autor ausgehen als dem Vorgang irgendwelche Historizität zuzuschreiben. 429 Man mag hier auch daran denken, dass Pyrrhus ein griechischer König ist und damit angespielt wird auf die hellenophilen Gegenspieler des Constantius, nämlich Julian, der sich, hätte er denn Rom besucht, nach Ammian gewiss anders verhalten hätte als Constantius bei seinem Einzug. Vgl. zu diesem Aspekt des Pyrrhus-Kineas-exemplum ROTH (2010) 191. 430 Vgl. dazu die Kommentierungen zum folgenden Paragraphen. 431 So auch ROTH (2010) 191. Roth geht sogar noch weiter: im Senat habe Constantius nicht nur eine Ansammlung von Königen angetroffen, sondern die besten Leute des ganzen Reiches ("the best men from around the Empire") und durch das Beispiel Pyrrhus-Kineas werde der Gedanke evoziert, dass ein innerer Feind manchmal eine größere Bedrohung darstelle als ein äußerer ("an internal enemy can be more detrimental than a foreign one").

188 zu erklären: Bei Plutarch, auf dessen Formulierung Ammian sicherlich anspielt, handelt es sich um einen Überbietungstopos: Was in den hellenistischen Monarchien nur jeweils in einer Person vorhanden ist, das hat Rom in einer Vielzahl zu bieten. Ich vermute, dass es darum auch hier geht: multitudinem wird überboten durch totius mundi.432

2.5.4 Constantius und das Volk von Rom: Entsprechend der im ersten Romexkurs (14,6) gegebenen Unterteilung der Römer in patres (§6), bzw. nobiles (§21; §24) und plebs (§26) schildert Ammian nach der Begeg- nung mit dem Senat die mit der plebs; wie vorher beim Senat, so wird auch hier so getan, als sei die gesamte plebs dem Constantius entgegengezogen, und was ein punktuelles Er- eignis war, wird damit in Ammians Schilderung zu einem exemplum, das komplementär zu der vorherigen Begegnung gesehen werden soll: in Form der distributio schreibt Ammian dem Constantius hier zum ersten Male stupor zu, der sicherlich auch schon bei der Begeg- nung mit dem Senat hätte erwähnt werden können, dort aber noch verschwiegen wird, während hier das schauende Betrachten nicht mehr erwähnt zu werden braucht. Was den stupor des Constantius auslöst, ist das gleiche Phänomen433, das zur wohlgefälligen

432 Dass an dieser Stelle auch die Rhetorik eine große Rolle spielt, findet sich schon bei HARTKE (1951) 307 Anm. 2), ebenso dass es sich um ein Prunken mit Wissen handeln könnte; nur angedeutet, aber nicht ausgeführt ist bei Hartke, was ich als Überbietung bezeichnet habe [„Aber Ammian liebt es, eine Aussage mittels eines steigernden sed an eine entsprechende negative Wendung anzuschließen“]. - Die mehr als dreijährige Augustatszeit des Magnentius (18. Jan. 350–10. Aug. 353) muss in den verlorenen Büchern der Res gestae geschildert worden sein. Natürlich beruht es auf reiner Spekulation, ob dabei auch von der bei ZOSIMUS 2,49,1 erwähnten Aufforderung des römischen Senats an Constantius, abzudanken, die Rede gewesen ist (Ἀλλὰ τοῦτο βουλευομένων αὐτῶν ἧκεν Τιτιανός, εἷς τῶν ἀπὸ τῆς ἐν Ῥώμῃ συγκλήτου βου- λῆς, λόγους ἀπὸ Μαγνεντίου φέρων ὑπερηφάνους, ὃς κατὰ Κωνσταντίνου καὶ τῶν ἐξ αὐτοῦ γεγονότων ἄτοπα πολλὰ συμφορήσας, καὶ τὴν τῶν πόλεων ἀπωλείαν τῇ περὶ τὴν ἀρχὴν ἀναθεὶς ἐκμελείᾳ, τῆς ἀρχῆς ἐκέλευεν ἐκστῆναι Μαγνεντίῳ Κωνστάντιον, εἰ ζῆν αὐτῷ μετ᾿ ἀσφαλείας συγχωρήσαντα ἀγαπῶντα [„Aber während sie das berieten, kam Titianus, einer von den Senatoren aus Rom, mit hochmütigen Wor- ten von Magnentius, der viel Ungereimtes gegen Konstantin und dessen Nachkommen zusammentrug und den Untergang der Städte auf die Vernachlässigung der Herrschaft zurückführte und Constantius auf- forderte, zugunsten von Magnentius auf die Herrschaft zu verzichten, falls er sich damit zufriedengebe, ihm ein Leben in Sicherheit zu gewähren.“].). Falls der hier bei Zosimus geschilderte Vorgang historisch ist, dann wäre das Verhalten des Constantius gegenüber dem römischen Senat, wie Ammian es schildert, einigermaßen auffällig. Andererseits könnte die Reaktion des Constantius, nämlich über den damaligen Affront hinwegzusehen, ein Beleg für die politische Bedeutungslosigkeit des Senates sein, so wie das auch für Valens und den Senat von Konstantinopel nach der Usurpation des Prokop zu gelten scheint. - Der Junktur asylum totius mundi entspricht in §13 die Apposition zu Romam, nämlich imperii virtu- tumque omnium larem. Zu dieser Junktur vgl. auch MACCORMACK (1975) 137 Anm.1. 433 Zur Verwendung dieses Topos vgl. z.B. den liber spectaculorum III des Martial, wo alle Völker herbei- eilen, um Zuschauer im Kolosseum sein zu dürfen, und die witzige Umbiegung dieses Topos bei MARTI- AL. 7,30, wo Männer aus den entferntesten Völkern des Erdkreises nach Rom kommen, um mit Caelia schlafen zu können [Dazu: MICHAEL WENZEL, Befried(ig)ungspolitik eines römischen Mädchens, in: Forum Classicum 1/2007 31-35]. - Letztlich liegt dieser Topos auch der Argumentation des Prudentius in Contra Symmachum 2,343–369 zugrunde, wonach Rom in seiner Anfangszeit zunächst nur sehr wenige Heilig- tümer und Gottheiten gehabt habe und erst später, aus dem Irrglauben, die Götter der eroberten Städte und Reiche hülfen auch der Stadt Rom, von überall her diese Kulte nach Rom verpflanzt worden seien und so ein eigentlich nicht genuin römisches Pantheon in Rom entstanden sei und geradezu über Rom triumphie- re [366–67: quodcumque sacrorum est / exulat externumque inimicam venit in urbem. / Frustra igitur solitis, prava observatio, inhaeres, / non est mos patrius, quem diligis, inproba, non est.] Hierhin gehört

189 Betrachtung des Senates geführt hatte, nämlich die „Internationalisierung“ der beiden Gruppen, und somit ist auch dies ein Topos aus den laudes Romae (bzw. den laudes einer Stadt), der nichts aussagt über die wahren Empfindungen des Constantius bei diesem An- lass, und nur den Schluss zulässt, dass Ammian Constantius unterstellt, er sei mit ganz an- deren Erwartungen und Vorstellungen nach Rom gekommen (Übertragung des Motivs aus §2 auf Constantius). Dass Ammian in beiden Fällen in dem Augenblick, in dem Constan- tius zum ersten Male den beiden Gruppen begegnet, die sozusagen Rom und die Römer repräsentieren, den Constantius einen Zug an diesen Römern bemerken lässt, der eigentlich nicht genuin römisch ist, ist auffallend und bedarf einer Erklärung. Das Phänomen der „Internationalisierung“ Roms ist sicherlich nicht erst eines der Spätantike, und seine litera- rische Verwendung als Topos ist mannigfach nachzuweisen. Ich gestehe aber, dass ich hin- sichtlich der Verwendung an dieser Stelle nicht über Spekulationen hinauskomme: Ist etwa gemeint, dass alle diejenigen Gruppen, Völker u.ä., die Constantius meint, durch Kriege unterwerfen zu können, um sie im Triumph nach Rom zu führen, längst da sind, in Rom geradezu inkorporiert sind?434 Sowohl der Senat (§13) als auch das Volk (§13) werden noch einmal kurz erwähnt, jedoch mit einer geradezu auffälligen Beiläufigkeit, so dass man nachträglich den Eindruck gewinnt, dass die Aussagen, die Ammian über Senat und Volk machen wollte, mit dieser Stelle getan sind. Der Grund dürfte sein, dass abgesehen davon, dass beide Gruppen im

auch, dass es selbstverständliches Privileg der Roma ist, vom Kaiser mit Gütern aus aller Welt bedacht zu werden, vgl. SYMM. Relat. 9,2 (aus dem Spätsommer 384 an Theodosius und Arkadius): Urbem caelo et sideribus acceptam! Cui bona terrarum omnium congeste praestavistis.- Stellen, an denen der Topos in der negativen Ausprägung vorkommt, dass Rom der Sammelpunkt aller Übel sei, aufgeführt bei HARTKE (1951) 131 Anm. 1: TAC. Ann. 15,44; LUCAN. 7,405; JUVENAL 3,62; HIER. Epist. 43, wobei die Tacitusstelle insofern interessant ist, als hier metaphorisches confluere vorkommt, das bei Ammian kurz danach erscheint (TAC. Ann. 15,44 (Es geht um die Christen in Rom nach dem großen Brand unter Nero) ... repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam, quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque.) 434 Vgl. CLAUDIAN. De consulatu Stilichonis 3, 150–159a (im Lob Roms): Haec est in gremium victos quae sola recepit / humanumque genus communi numine fovit / matris, non dominae ritu civesque vocavit / quos domuit nexuque pio longinqua revinxit. / Huius pacificis debemus moribus omnes / quod veluti patriis regionibus utitur hospes; quod sedem mutare licet; quod cernere Thylen / lusus et horrendos quondam penetrare recessus; / quod bibimus passim Rhodanum, potare Orontem; / quod cuncti gens una sumus. Nec terminus umquam / Romanae dicionis erit. [„Diese ist es, die allein die Besiegten in ihren Schoß aufgenommen hat, das Menschengeschlecht durch gemeinsames Walten wie eine Mutter, nicht wie eine Herrin, gehegt hat, diejenigen, die sie bezwungen hat, zu Bürgern ernannt hat und mit frommer Bindung aus weiter Ferne an sich gebunden hat. Ihren friedenstiftenden Sitten verdanken wir alle, dass der Gast (in Rom) verweilt, wie in der Heimat, dass es erlaubt ist, den Wohnsitz zu wechseln; dass es ein Spaß ist, Thule zu sehen und einst schaurige abgelegene Gegenden zu durchdringen, dass wir überall (das Wasser) der Rhone trinken, (das) des Orontes trinken, dass wir alle ein einziges Volk sind. Und es wird niemals eine Grenze der römischen Macht geben.“] - Ich halte es auch für gewagt, diese Stelle (in Kom- bination mit der viel behandelten Stelle über die Fremdenausweisungen im ersten Romexkurs, 14,6,19) als Beleg für die Anschauung Ammians heranzuziehen, dass die Fremden aus aller Welt in Rom integriert seien, zu Römern geworden seien und damit in Rom Heimatrecht besäßen (so DEMANDT ((1965) 116 und Anm. 101).

190 ersten Romexkurs schon hinreichend behandelt sind, die entscheidende Begegnung für Constantius nicht die mit den Personen der Gegenwart ist, sondern die mit den Bauten und Denkmälern Roms.435

2.5.5 Constantius und Roms Bauwerke: Bevor es zur Begegnung des Constantius mit den Bauwerken Roms kommt, lässt Am- mian den Kaiser seinen adventus in Rom ganz nach dem sicherlich vom Zeremoniell und der Tradition vorgegebenen Ablaufschema absolvieren, wozu auch schon das Entgegen- gehen der Senatoren und des Volkes gehört hatten, wobei der Kaiser immer das Zentrum ist, er allein handelt wirklich, und nur seine Gedanken, Absichten und Empfindungen wer- den wiedergegeben. Dem widersprechen auch die beiden ἐκφράσεις über die Drachen- fahnen und die Panzerreiter nicht (s.u.), und in den beiden Fällen, in denen die Römer „zu Wort kommen“ (§9: Augustus ... faustis vocibus appellatus; §13: dicacitate plebis) ist Constantius Subjekt des Satzes und Mittelpunkt des Geschehens. Dass es dennoch nicht eine bloße Erzählung mit einer Zentralfigur oder der Bericht eines Augenzeugen über ein konkretes historisches Ereignis ist, hat mehrere Gründe: a. Während die Imperfekta insidebat, videbatur (§6), incedebat, ambiebant (§8) noch durch den durativen Aspekt begründet werden können, ist dies bei curvabat (§10) nicht mehr möglich; vielmehr hat Ammian die Schilderung des konkreten historischen Ereignisses zu einer Beschreibung erweitert, die Constantiusʼ Verhalten bei jeder Durchquerung eines Stadttores beschreibt436. Dieser iterative Aspekt des Imperfekts gilt auch für flectebat (§10), affectabat (§11) und wird bestätigt durch eine Angabe wie per omne tempus imperii (§12). b. Wie im Eingangssatz (§1 als letztes Wort triumphaturus), so glaubt auch hier Ammian die Absicht des Kaisers zu kennen (§6 tamquam ... territurus), wobei tamquam nicht diese Absicht als nur unterstellt kennzeichnen soll, sondern klarmachen soll, dass Constantius seinen terror am falschen Objekt ausübt: Was am Rhein und Euphrat437 angebracht gewe-

435 Dass dies bewusste Gestaltung durch Ammian ist, kann erst am Ende gezeigt werden. Natürlich werden durch Bauten und Denkmäler nicht nur Traditionen evoziert, sondern in Form der Erbauer, Auftraggeber oder Dargestellten auch Personen. Aber zunächst auffallend ist doch, dass bis auf Pompeius beim Pompei theatrum und zum Schluss Traian bei Traiani forum keine Namen genannt werden – beim Theater war der Name deshalb nötig, um das gemeinte Theater von anderen zu unterscheiden -, obwohl bei den Thermen Caracalla, Titus, Konstantin, Diokletian u.a., bei den Säulen Traian und Marc Aurel, beim Pantheon Hadrian, beim forum Pacis Nerva hätten genannt werden können (die Reihe ließe sich fortsetzen). 436 Da Constantius die Stadt Rom über die via Flaminia erreicht, wird er über den pons Mulvius (Ponte molle) gefahren sein und die Stadt durch die porta Flaminia (heute Porta del Popolo) betreten haben. Dass Ammian hier den Plural portas setzt, verweist ebenfalls auf den generalisierenden Charakter der Schilderung; deshalb ist es überflüssig, unter portas irgendwelche Bögen (arcus) zu verstehen, die der Kaiser durchfahren habe (so BEHRWALDT (2009) 83 „Bogenmonumente innerhalb der Stadt“; Behrwald müsste dann auch in ingressus (§13) einen Verstoß gegen die Chronologie sehen.). Zum Verhalten des Constantius beim Durchfahren des Tores s.u. 437 Ammian nennt nicht die Germanen (Alamannen; Franken) und die Perser, sondern die beiden (Grenz)

191 sen wäre, ist gegenüber Rom vollkommen unangebracht. Diese Absicht, Schrecken zu erzeugen, begründet nachträglich, warum sich die pompa wie eine Aufstellung zur Schlacht gestaltet438 und nimmt vorweg, warum das, was normalerweise zu jedem adventus eines erwünschten Kaisers gehört, hier vollkommen fehlt: Freude439 und Jubel der empfan- genden Menge oder die Aufzählung der Hoffnungen, die die Stadtbevölkerung an das Kommen des Kaisers knüpft.440 Damit ist zugleich vorgegeben, dass sowohl Prunk und Glanz des Wagens als auch die περιφράσεις über die Drachenfahnen und die Kataphrakten- reiter in diesem Sinne gesehen werden müssen, auch wenn es nicht ganz leicht fällt, im Glanz und Funkeln der Steine ein Terrorinstrument zu sehen und in der Ausführlichkeit der

Flüsse. Eine solche Personifizierung stammt wohl aus der epischen Dichtung. 16,12,57 [(nach der Schlacht von Straßburg) spumans denique cruore barbarico / decolor alveus [i.e. Rhenus] insueta stupe- bat augmenta] zeigt, wie man sich das Erschrecken eines Flusses vorstellen müsste: er müsste bleich wer- den, die Farbe verlieren, wenn das nicht seine ursprüngliche Farbe wäre. Was in der Personifikation in 16,10,6 (die Flüsse als Akkusativobjekte!) fast unauffällig ist, ist hier (alveus Subjekt!) gerade ins Groteske gesteigert [zu dieser Stelle vgl. vor allem KELLY (2004) 199 und Anm. 144). - Rhein und Euphrat stehen für zwei der Grenzflüsse, an denen um diese Zeit das Römische Reich aktuell gefährdet ist, womit auf diese Weise allein in der Nennung dieser beiden Flüsse wieder die Kritik an Constantius enthalten sein könnte, der, statt an diesen Grenzen zu kämpfen, sein Heer in Schlachtordnung in Rom einmarschie- ren lässt. Bedenkt man dann noch, dass Constantius Rom in Richtung Illyricum verlässt, weil dort an der Donaugrenze die aktuellste Gefährdung auftritt, dann hat Ammian so ganz nebenbei beschrieben, was aktuelle Aufgabe römischer Außenpolitik zu sein hätte. Gleichzeitig würde dem historisch geschulten Leser klar, dass sich somit seit der Zeit des Augustus nichts geändert hat (vgl. BRINGMANN, Augustus 175: „Damit wurde er [gemeint ist Augustus] zum Schöpfer des Römischen Reiches der Kaiserzeit, dessen Grenzen im Wesentlichen von den drei großen Strömen Rhein, Donau und Euphrat gebildet werden.“). - Könnte es dann vielleicht sein, dass auch hier eine literarische Anspielung vorliegt? Bei VERG. Aen. 8, 726–729 (in der Schildbeschreibung) ... ibat iam mollior undis / extremique hominum Morini, Rhenusque bicornis, indomitique Dahae, et pontem indignatus Araxes ist abgesehen von der Nennung der beiden Namen in gleicher Reihenfolge auch dasselbe Motiv vorhanden: der Euphrat fließt deshalb mol- lior, weil er durch die römischen Waffen erschreckt und bezwungen worden ist. [Darauf weist auch schon HARTKE (1951) 372 hin. Er möchte auch noch VERG. Georg. 3,32–33 einbeziehen; Hartke sieht auch (bei Vergil) das stilistische Element, durch Nennung der „Pole“ Osten und Westen die Gesamtheit des Römischen Reiches anzudeuten, stilisiert das dann noch zu einer „weltgeschichtliche[n] Antithese, die der Schicksalsflüsse Euphrat und Rhein.“] 438 Wenn SABBAH (2005) 392 in Bezug auf diese Stelle vom „lʼaspect menaçant, déshumanisé des ses gens dʼescorte“ spricht, dann handelt es sich genau genommen um zwei Aspekte, deren letzterer aus simu- lacra, non viros gewonnen ist. Dieser zweite Aspekt kehrt dann, und zwar in ähnlicher Formulierung, auch bei Constantius wieder (§10 tamquam figmentum hominis). Daraus kann man zwar nicht in einem Analogieschluss herauslesen, dass auch Constantius auf seinem Wagen etwas Bedrohliches darstellte, aber zumindest schließen, dass die starre und hieratische Haltung des Constantius nicht zu den Positiva dieses Herrschers zu rechnen sind (wie es normalerweise von allen Interpreten gesehen wird, so auch Sabbah an der oben herangezogenen Stelle, auch wenn dies nicht ausdrücklich von ihm gesagt ist („le portrait radieux et hiératique de l´empereur en majesté“). 439 Anders FRASCHETTI (1995) 942: „in entrambi i casi (Gemeint sind der Bericht der Excerpta Valesiana und der Ammians) cʼè naturalmente publica laetitia, come sempre la publica laetitia scoppia e deve scoppiare a Roma quando giungono gli Augusti;“ Fraschettis Verweis auf 16,10,13 ist nicht zwingend, weil Ammi- ans Ausdrucksweise hier ambivalent ist: Vielleicht ist seine Freude, nach der Aufnahme im Palast (wo er von den Römern abgeschlossen ist) Ruhe zu finden, gemeint. - Dass die Freude der Aufnehmenden ein topisches Element ist, lässt sich sehr schön aus Cyprians Ep. 61 ablesen, vgl. Anhang. 440 Die beiden einzigen Stellen, an denen davon die Rede zu sein scheint (§9: faustis vocibus; §13: favore multiplici), sprechen nicht ausdrücklich von der Freude, sondern bringen wohl eher zum Ausdruck, dass die Einstellung der Römer anders ist als die des Constantius. Außerdem spielt diese (dem Constantius unterstellte) Absicht im weiteren Verlauf keine Rolle mehr.

192 περιφράσεις nicht nur rhetorische Glanzlichter zu sehen.441 Zugleich ist damit ein Element entfallen, dass die adventus Julians bei Ammian enthalten, dass nämlich das Erscheinen des Einziehenden als das Aufblitzen / Auftauchen eines Gottes, bzw. eines Gestirns ge- schildert wird (Julians Einzug in Vienne 15,8,21: salutarem quendem genium affulsisse; Julians Einzug in Antiocheia 22,9,14: miratus (sc. Iulianus) voces multitudinis magnae salutare sidus illuxisse eois partibus acclamantis).442 c. Das Bild des allein auf seinem Wagen sitzenden, den Blick starr nach vorn richtenden, durch Nichts zu erschütternden (im wörtlichen Sinne) Kaisers443 hat Constantius den Ruf eingetragen, der erste byzantinische Kaiser gewesen zu sein444. Diejenigen Historiker, die glaubten, das aus Ammian zu gewin-

441 Der Glanz der Waffen in dieser Funktion z.B. Pan. Lat. 10[4], 14,3; 4[10], 29,5: (Konstantin) Fulget no- bilis galea et corusca luce gemmarum divinum verticem monstrat. Auro clipeus, auro arma conlucent. O quantam vim possides, Virtus, quae in hoc habitu plus terroris praeferas quam decoris!; HA, vit. Sev. Alex. 50,3; IULIAN. Orat. 1, 23C; VEGET. 2,14 (praeterea sicut centurio eligendus est, ut bene vestiti et calciati sint (sc. milites), ut arma omnium defricentur ac splendeant, similiter eligendus est decurio, ..., Plurimum enim terroris hostibus armorum splendor inportat.) und siebenmal bei AMM. (18,2,17;21,13, 15;27,2,6;27,5,3;28,5,3;29,5,15;31,10,9 (Alle Stellen aufgeführt bei MACMULLEN (1964) 441 und Anm. 28)). MacMullen zählt dies zur "passion for pure display took hold throughout the empire." - Ähnlich auch schon BAGLIVI (1995) 55 Anm. 95: „esemplare la descrizione ammianea, capace di dare, come si ve- drà, anche forte tensione polemica ai tradizionali elementi celebrativi dell´‘adventus’ in città di un impe- ratore“. - MacMullen bemerkt auch, dass diese Vorstellung nicht leicht zu verstehen ist (441: "The belief is puzzling"), und versucht eine psychologische Erklärung, dass nämlich – neben anderem – naheliege, er sei durch eine übernatürliche Macht verliehen und damit sei der glänzende Gegenstand auch mit solcher Kraft ausgestattet. - Im übrigen der „Glanz der Waffen“ natürlich ein Topos, vgl. z.B. VERG. Aen. 11, 487ff. (Turnus) iamque adeo rutilum thorace indutus aënis / horrebat squamis surasque incluserat auro / tempora nudus adhuc, laterique accinxerat ensem, / fulgebatque alta decurrens aureus arce. Dass so häufig die terror erzeugende Macht solches Glanzes betont wird, könnte dagegen ein Merkmal spätanti- ker Literatur sein (vgl. MACMULLEN (1964) 441). - Dass der Glanz der Waffen erschrecken soll, findet sich schon bei QUINTIL. 10,1,30: Neque ego arma squalere situ ac robigine velim, sed fulgorem in iis esse, qui terreat, qualis est ferri quo mens simul visusque praestringitur, non qualis auri argentique, inbellis et potius habenti periculosus. - Geradezu dem Ammian nachempfunden scheint TASSO, Gerusalemme libera- ta 17,29,4–8 (eine Abteilung Soldaten des gegen Jerusalem ziehenden Königs von Ägypten): e per guerra e per pace eran condutti, / chʼ armati a securezza ed a terrore / vengono in su i destrier possenti instrutti; / e deʼpurpurei manti e de la luce / deʼacciaio e de lʼoro il ciel reluce. 442 Vgl. auch RUFINUS HE 10,32 (Hilarius und Eusebius) velut magnifica quaedam mundi lumina ... radiarunt; Pan. Lat. 11,10,4 (Diokletian und Maximian kommen im Jahre 291 n.Chr. in Italien an) ut primum ex utrisque Alpium iugis vestrum numen effulsit, tota Italia clarior lux diffusa [Beide Stellen bei HUMPHRIES (1999) 221 Anm. 54 angeführt]. 443 Auf der Rückseite eines Goldmedaillons, das in Antiocheia geprägt wurde, ist Constantius, frontal zum Betrachter, die rechte Hand erhoben, mit einem Nimbus, hoch auf einem von vier Pferden gezogenen Wagen sitzend dargestellt. [Abbildung bei J.P.C. KENT – B. OVERBECK – A.U. STYLOW: Die römische Münze, München 1973 Tafel 148 Nr. 690]; dieses Medaillon schon bei STRAUB (1939) Tafel II zwischen 176 / 177 herangezogen und auch bei KLEIN (1979) 53 Anm. 8 zur Veranschaulichung und als Beleg für Ammians Darstellung verwendet; nach K.-O.-St., 169 darf man vermuten, dass das Medaillon anlässlich des Rombesuchs geprägt wurde und zu den bei einer Largitio des Kaisers verteilten Ehrengeschenken gehörte. Somit dürfte die Prägung und Emission dieses Goldmedaillons sicherlich früher liegen als die Abfassungszeit des Ammiantextes. - Selbst wenn man von vornherein einrechnet, dass die Abbildung stark stilisiert ist, u.a. auch darin, dass der Kaiser höher gesetzt ist, als er in Wirklichkeit saß, so ist leicht zu erschließen, wie weit Ammians Schilderung von einer wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe entfernt ist: man stelle sich nur vor, welcher Kraft es bedurft hätte, auf römischem Pflaster sich unbeweglich zu halten. 444 GREEN (1973) 29: "Ammianus portrayed Constantius as a ruler estranged from all that surrounded him; the archytype of Byzantine emperor infinitely alone at the apex of power."

193 nende Bild ConstantiusʼII. sei, aus welchen Gründen auch immer, negativ entstellt oder zumindest verzerrt, haben auch hier in dem sicherlich richtigen Gespür, dass diese Darstel- lung nicht als ein Panegyrikus auf Constantius gedacht ist, geglaubt, begründen zu müssen, warum Constantius so aufgetreten sei; als Grund wird dann auf die Zwänge des antiken Zeremoniells verwiesen445, d.h. aber, dass sie davon ausgehen, dass das von Ammian gelie- ferte Bild vollkommen zutreffend sei. Nun hat man längst gesehen, dass dieses Verhalten, sich in der Öffentlichkeit nicht zu schneuzen und nicht zu spucken, schon in Xenophons Kyropädie als eine Anweisung des Großkönigs an die persischen Großen erwähnt ist, die ihrerseits gegenüber ihren Untertanen Herrschaftsfunktionen ausüben sollen, und dass Ammian der Erwähnung dieses Zuges wohl große Bedeutung beimisst, da er ihn auch im Elogium auf Constantius erwähnt. Genau an dieser Xenophonstelle ist als ein Mittel, durch Distanzhalten446 die eigene Stellung gegenüber den Untertanen zu sichern und zu erhöhen, auch genannt, dass man sich nicht umdreht, nicht in Blickkontakt mit der Umgebung tritt. Dazu kommt, dass Tacitus von Nero erzählt, dieser habe bei seinem Theaterauftritt (be- zeichnenderweise mit ingreditur als Hauptverbum; vgl. AMM. §13: Romam ingressus) sich ganz den Gesetzen des Theaters unterworfen, sich also darum bemüht, nicht als der Kaiser zu erscheinen (vgl. AMM. §12: tamquam leges aequissimas observavit), wobei die Gesetze des Theaters als Verbote formuliert sind (ne resideret, ne ... detergeret, ut nulla ... viseren- tur ≈ AMM.: nec ... nec flectebat ... nec nutans ... nec spuens aut ... tergens vel ficans ... visus est umquam), das Verbot, sich wegen Erschöpfung zu setzen, als ein Zeichen von patientia gedeutet werden kann (AMM. §11: patientiae non mediocris indicia), der Autor feststellt, dass es sich um Verstellung gehandelt habe (TAC. Ann. 16,4,4: ficto pavore ≈

AMM. §11: quae licet affectabat), und schließlich zwei der Verbote (Sich Schneuzen und Ausspucken) die Übereinstimmung sowohl im Formalen (Formulierung mit Negation) als auch im Sachlich-Inhaltlichen so frappierend ist, dass die Verwendung des Motivs sowohl bei Tacitus als auch bei Ammian nicht durch den selbst erlebten oder übermittelten Ein- druck, sondern durch die literarische Vorlage angeregt ist. Das schließt nicht aus, dass Constantius sich tatsächlich so verhalten hat. Aber dieses

445 KLEIN (1979) 58 macht daraus einen heftigen Angriff: „So läßt sich sagen: Selbstbewußt und selbstbe- herrschend tat Constantius lediglich das, was nach allgemeiner Ansicht ihm allein zustand, nicht das, was in den Köpfen einiger Traditionalisten als längst überholte Kaiserideologie noch vorhanden war.“ - HEATHER (2005) 23 prägt hier für Constantius den Begriff "the ideal ceremonial emperor". Was immer das heißen mag, Heather ist der Ansicht, dass dieses Verhalten von Ammian gebilligt werde. Wesentlich zu- 2 rückhaltender BELLEN 3 (2016 ) 67: „wie es das Adventus-Zeremoniell erforderte“. Im übrigen gibt es hier ein Problem im Methodischen: Das hier als bestehend vorausgesetzte Zeremoniell ist im wesentlichen aus Stellen wie dieser erschlossen. Vgl. hinsichtlich dessen auch das zur „hieratischen“ Haltung des Constan- tius Gesagte. 446 Vgl. MÜLLER-RETTIG (2014) 230: „die elitär zelebrierte Distanz des Constantius“.

194 Verhalten dürfte keine Besonderheit des Constantius gewesen sein; vielmehr dürfte sich darin eine besondere Entwicklung niederschlagen, dass nämlich die bildende Kunst dieses Bild vom Kaiser entscheidend mitprägte, dadurch dass Statuen (und auch andere Kunst- werke) den Kaiser in der Öffentlichkeit vertraten und die Kaiser wiederum ihr Auftreten an den Werken der bildenden Kunst orientierten.447 Vielleicht darf man in der Interpretation dieser Stelle noch einen Schritt weitergehen:

PLIN. Paneg. 2,3 (nusquam ut deo, nusquam ut numini blandimur) setzt voraus, dass das, was Plinius nicht tun will, nämlich Traian als deus, bzw. numen vorauszusetzen, in Wirk- lichkeit schon geschieht, Plinius dem aber das auch offiziell gebilligte Modell vom opti- mus princeps entgegensetzt (zur Seite stellt (?))448, somit davon ausgeht, dass der Kaiser ein Mensch ist, und deshalb vom Panegyriker nach seinen virtutes, vom Historiker nach seinen virtutes und vitia beurteilt wird.449 Dass Ammian den Panegyrikus des Plinius gekannt hat, scheint mir außer Frage zu stehen; dass er der Überzeugung gewesen ist, dass Constantius II. nicht der optimus princeps gewesen ist, dürfte ebenfalls nicht zu bezweifeln sein. Dann könnte auch hier Ammian in der Tradition des Plinius und der damaligen Ideo- logie vom optimus princeps stehen, indem er Constantius Gesten, Handeln und Verhalten zuschreibt, mit dem dieser nicht nur seine maiestas zu befördern gedenkt, sondern beab- sichtigt, als nicht mehr nur menschlich zu erscheinen. - d. In Ammians Schilderung werden adventus und Triumphzug so untrennbar miteinander vermischt 450, dass es auch in dieser Hinsicht schwierig ist, aus Ammian Einzelheiten zu gewinnen451, die einmalig für diesen

447 Vgl. dazu MACMULLEN, Some Pictures in Ammianus, (1964) 85f. "What the description in Ammianus allows us to imagine, however, is that men who wished to emphasize their own importance did so through gestures and poses exactly resembling those of art." FONTAINE (1969) 430: „Ut pictura poesis: aussi bien que lʼimagination religieuse dʼ un Sulpice-Sévère, lʼimagination et donc lʼimagerie dʼAmmien sont tribu- taires de lʼiconographie de son temps.“ DUFRAIGNE (1994) 154: „On ne peut que répéter le rapprochement, souvent déjà fait, avec les statues ou les bustes impériaux du IVe siècle, dont les yeux immobiles et démesurément agrandis, souvent tournés vers le ciel, expriment la puissance charismatique du souverain et son contact avec le divin.“ - In die gleiche Richtung gehen Behauptungen wie die, dass das Leben die Literatur nachahme, vgl. z.B. CLAUDIO MAGRIS: Lʾinfinito viaggiare (2016 Ristampa 17) 163: „La vita, è stato detto più volte, imita la letteratura.“ 448 Vgl. WALLACE-HADRILL (1981) 312/313. 449 Vgl. WALLACE-HADRILL (1981) 313 mit dem Hinweis auf Suetons Caesares, die wohl schon 128 n. Chr. vorgelegen haben. 450 Auch dafür gibt es Vorformen, vgl. z.B. SUET. Tiber. 17,6: Triumphum ipse [gemeint ist Tiberius] distulit maesta civitate clade Variana; nihilo minus urbem praetextatus et laurea coronatus intravit positumque in Saeptis tribunal senatu astante conscendit ac medius inter duos consules cum Augusto simul sedit, unde populo consalutato circum templa deductus est. - In Bezug auf das Verhalten des Constantius HEATHER / MONCUR (2001) 117: „a judicious mixture of military and civilian behaviour“. - Damit entfällt diese Stelle auch als Beleg für eine zunehmende "Militarisierung" des adventus in der Spätantike (so LEHNEN (1997) 288f. im 3. Exkurs). - MACCORMACK (1975) 142 ist der Ansicht, dass der Adventus in der Spätantike den Triumph ersetzt habe. - In vielen Fällen für die Spätantike gar nicht mehr der Versuch gemacht, zu unterscheiden, vgl. z.B. FRASCHETTI (1995) 941. 451 So ist es z.B. wenig erfolgversprechend, die Truppeneinheiten zu identifizieren, die an der pompa teil- nehmen: Bei einem Triumphzug sollte man annehmen, es seien die Truppen, die bei Mursa und in Gallien

195 adventus wären und dazu taugten, eine historische Entwicklung zu fixieren: ALFÖLDI (1970) 103 sieht z.B. den Übergang vom Prinzipat zum Dominat unter anderem darin, dass bei einem adventus an die Stelle der un- oder nur leicht bewaffneten Prätorianer die Gardetrup- pen der scholae palatinae treten, und zwar in voller Bewaffnung, und dass deren Auftreten in der Spätantike als ganz selbstverständlich angenommen werde, und zum Beleg dafür wird dann auf diese Ammianstelle zurückgegriffen. Das ist im Prinzip sicherlich richtig.

Aber wenn Alföldi, um den Kontrast herauszustellen, für das Unbewaffnetsein PLIN. Pan. 23,3 anführt, dann ist übersehen, dass dort ebenso eine Übertreibung vorliegen kann wie hier bei Ammian, nur in der umgekehrten Richtung. Im übrigen sieht es so aus, als sei auch diese Stelle bei Ammian wie in einem Antipanegyrikus gerade vor dem Hintergrund der Pliniusstelle geschrieben. Dann hätte hier Ammian auch mit Bedacht milites durch armati ersetzt. Ob wir damit eine Entwicklung vom Prinzipat zum Dominat greifen, bleibe dahin- gestellt. - e. In fast jedem der Einzelzüge, die Ammian dem Constantius hier zuschreibt, vergleicht Ammian, ohne es immer ausdrücklich zu sagen, das Verhalten des Constantius entweder mit dessen eigenem Verhalten zu anderen Zeiten oder mit dem anderer Kaiser, wobei man den schon im ersten Teil gewonnenen Eindruck, Ammian lege alles am Verhal- ten des Constantius zu dessen Ungunsten aus, noch verstärkt empfängt, aber niemals beweisen kann, weil Ammian keine direkte Bewertung vornimmt, weil die Personen, mit deren Verhalten verglichen wird, nicht genannt werden und weil durch die Rhetorisierung vor allem in Form von Übertreibungen der Grad der Abweichung nicht mehr festzustellen ist. Der Eindruck des Einzigartigen und Außergewöhnlichen wird zudem durch die Häu- fung der negierenden Aussagen (wie sie auch schon im ersten Teil zu beobachten ist) gefördert. Wenn Constantius ganz allein auf seinem Wagen sitzt und ihn offensichtlich auch nicht verlässt, nachdem er die Stadt betreten hat, so wird damit der Vergleich mit denen provo- ziert, die in der Stadt zum Teil zu Fuß gehen, weil sie durch die Liebe ihrer Untertanen besser gesichert sind als durch ihre Leibgarde, wie es z.B. Plinius von Traian erzählt452 und

gegen Magnentius gekämpft hatten; wenn auf jeden Fall die Gardetruppen dabei waren, dann die entspre- chenden scholae palatinae (vgl. dazu auch WAAS (1971) 3 und Anm. 27). 452 PLIN. Paneg. 24,5: Ante te (gemeint ist Trajan) principes fastidio nostri et quodam aequalitatis metu usum pedum amiserant. Illo ergo umeri cervicesque servorum super ora nostra, te fama te gloria te civi- um pietas te libertas super ipsos principes vehunt; te ad sidera tollit humus ista communis et confusa principis vestigia. Ziel im Panegyrikus ist es, das Verhalten des Gepriesenen als etwas vollkommen Ex- zeptionelles darzustellen. Dies gelingt, indem mit dem Verhalten früherer Kaiser verglichen wird (bei denen es also kein „Bad in der Menge“ gab, sondern die gesuchte Distanz) und indem in ein Paradox gekleidet wird (Erniedrigung führt zur Erhöhung und sogar noch über die durch distanziertes Verhalten früherer Kaiser erreichte Höhe weit hinaus (ad sidera (!)). Dieses die Gesellschaft suchende (commu- nis !), die Distanz meidende (confusa !) und die Gleichheit (mit den Bürgern) anstrebende Verhalten ist das, was in der vom Kaiser(hof) ausgehenden Ideologie gemeinhin als civilitas bezeichnet wird [Wallace-

196 Ammian selbst, wenn auch nicht ohne Andeutung eines Tadels, von Julian berichten wird. Damit wird die später in anderem Zusammenhang erfolgende Aussage vorbereitet, Con- stantius habe niemals jemanden zum consessus mitgenommen. Diese Feststellung wiede- rum evoziert die Schilderung vom adventus Octavians nach der Einnahme von Alexandreia (30 v. Chr.), wie sie bei Plutarch geschildert ist453, und gibt gleichzeitig die Folie ab für das Verhalten Julians, wie es bei dessen Einzug in Tarsos ist.454

Hadrill weist nach, dass es civilitas als erstrebenswertes Ideal eigentlich nur beim Übergang von einer republikanischen zu einer monarchischen Staatsform geben kann, indem der Monarch durch Respektie- rung republikanischer Form, Sitten etc. die notwendige Akzeptanz bei den Bürgern zu erreichen sucht. Civilitas ist somit Teil einer Ideologie und wird in dem Augenblick, in dem die Monarchie nicht mehr in Frage gestellt ist, zu einem fast dem Kaiser klischeehaft zugesprochenen Zug. Nicht zutreffend nach mei- ner Meinung VITIELLO (2000) 553, dass civilitas die „ʻherrschertugendʼ, la prima delle virtù del principe“ sei. Vgl. auch VITIELLO (2000) 554: „la quale [gemeint ist die civilitas] rimane la virtù suprema del sovra- no“.] Inwiefern zu Pliniusʼ Zeiten das schon so empfunden wurde, ist hier nicht von Wichtigkeit. Nur gilt auch schon zu dieser Zeit, dass das „Bad in der Menge“, bzw. das Zu-Fuß-Gehen (als der Majestät abträglich auch bei Ammian, als Julian bei den Feierlichkeitn zum Jahresbeginn aufgrund des Zu-Fuß- Gehens als humilior (!) bezeichnet wird) Teil einer Inszenierung ist, die umso echter wirkt, je weniger man den inszenatorischen Charakter merkt. Genau dieselben Einzelzüge und Vorstellugen dienen auch Ammian dazu, Constantius die civilitas zunächst abzusprechen; dabei benutzt er teilweise dasselbe Voku- bular (was für ein Stereotyp oder Klischee naheliegend ist)(solus antithetisch zu communis, confusa; humus in perhumile; Streben nach Gleichheit vgl. §12: leges aequissimas), lässt aber den inszenatorischen Charakter viel stärker sichtbar werden (§9 ostendens; §10 tamquam figmentum hominis), obwohl er ihn allein schon durch die notwendigerweise andere Erzählperspektive stärker zu objektivieren scheint. Es bleibt aber der Eindruck, dass auch dieser Abschnitt, vielleicht sogar dieser Abschnitt am meisten, aus der Auseinandersetzung mit literarischen und vielleicht auch plastischen Vorbildern hervorgegangen ist, wo die Authenzität des Erlebten eine relativ geringe Rolle spielt. 453 PLUT. Anton. 80,1: Αὐτὸς δὲ Καῖσαρ εἰσήλαυνεν εἰς τὴν πόλιν, Ἀρείῳ τῷ φιλοσόφῳ προσδιαλεγόμενος καὶ τὴν δεξιὰν ἐνδεδεκώς, ἵνα εὐθὺς ἐν τοῖς πολίταις περίβλεπτος εἴη καὶ θαυμάζοιτο τιμώμενος ὑπ᾿ αὐτοῦ διαπρεπῶς. Εἰς δὲ τὸ γυμνάσιον εἰσελθὼν καὶ ἀναβὰς ἐπὶ βῆμά τι πεποιημένον, ἐκπεπληγμένων ὑπὸ δέος τῶν ἀνθρώπων καὶ προσπιπτόντων, ἀναστῆναι κελεύσας ἔφη πάσης αἰτίας τὸν δῆμον ἀφιέναι, πρῶτον μὲν διὰ τὸν κτίστην Ἀλέξανδρον· δεύτερον δὲ τῆς πόλεως θαυμάζων τὸ κάλλος καὶ τὸ μέγεθος· τρίτον δὲ Ἀρείῳ τῷ ἑταίρῳ χαριζόμενος. „Cäsar selbst fuhr in die Stadt ein, wobei er sich mit dem Philosophen Areios unterhielt, dem er die rechte Hand gegeben hatte, damit dieser sofort bei den Bürgern angesehen sei und bewundert werde, weil er von ihm ganz besonders geehrt wurde. Er ging in das Gymnasium und stieg auf eine eigens errichtete Tribüne. Während die Leute aus Furcht erschrocken sich zu Boden warfen, befahl er ihnen aufzustehen und sagte, er erlasse dem Volk jede Schuld, erstens wegen des Gründers Alexander, zweitens wegen der Schönheit und Größe der Stadt und drittens, weil er seinem Gefährten Areios einen Gefallen erweisen wolle.“ 454 22,9,13: itineribus itaque emensis cum ad Pylas venisset, qui locus Cappadocas discernit et Cilicas, osculo susceptum rectorem provinciae nomine Celsum, iam inde a studiis cognitum Atticis, adscitumque in consessum vehiculi Tarsum secum induxit [„und so, als man nach dem Durchmessen der Wege nach Pylae gekommen war, einem Ort, der die Kappadoker von den Kilikern trennt, empfing er den Leiter der Provinz namens Celsus, den er schon seit seinen Studien(tagen) in Attika kannte, mit einem Kuss, holte ihn in den consessus seines Wagens und nahm ihn mit (sich) nach Tarsus.“]. Bei ALFÖLDI (1970) 110 und Anm. 6 und 7 sind weitere Beispiele aufgeführt (Cäsar / Antonius / Tiberius (VELL. 2,114,2); Traian (SUIDA s.v. Δίων); HA vit. Sev. Alex. 4,3 (cum amicis tam familiariter vixit, ut communis ei saepe consessus), 22,6 (praesides provinciarum ... itineribus secum semper in vehiculo habuit)). Alföldi bezeichnet die Verwendung in der HA als topisch, wohl deswegen, weil keine konkrete Person genannt ist. - Entsprechend könnte die Negierung bei Constantius topisch sein. Wer hätte schon nachprüfen können, dass Constantius nie jemanden im consessus mitgenommen hat?

197 Wenn Constantius beim Durchfahren des Stadttores455 seinen Körper krümmt456, so als liefe er Gefahr, wenn er es nicht täte, wegen seiner übermenschlichen Körpergröße anzu- stoßen457, so führt Ammian dieses Verhalten in einer Reihe weiterer Gesten und Haltungen als Beweis (nam §10) dafür an, dass Constantius sich Rom gegenüber genauso zur Schau zu stellen versucht, wie er es in den Provinzen macht, um ihn schließlich mit diesem Ver- halten scheitern zu lassen, weil in Rom alles anders ist als in den Provinzen [STENGER (2012) 200]. Dabei beruht die Wirksamkeit der Argumentation auf dem vom Autor voraus-

455 BEHRWALD (2009) 83 erklärt, bei dem Versuch, nachzuweisen, dass das Überfahren des pomerium im Bericht Ammians keine einschneidende Zäsur mehr darstelle, dass mit dem Plural portae nur gemeint sein könne, dass Constantius, bevor er zum forum gelangt sei, mehrere Bogenmonumente durchfahren haben müsse. Abgesehen davon, dass porta nicht diese Bedeutung hat, ist hier übersehen, dass der Bericht an dieser Stelle ins Allgemeine ausgeweitet ist, vgl. dazu die obigen Ausführungen. 456 Nicht von Ammian ausgesprochen, aber ohne weiteres vom Hörer / Leser vorzustellen: Wenn er sich bückt, dann kann er den starren Blick geradeaus nicht mehr beibehalten; er muss nach unten blicken, so wie umgekehrt später sein Blick nach oben gehen muss (Kapitol; Colosseum). - Wie sehr die Schilderung Ammians die Vorstellungskraft der Interpreten in jeweils ganz verschiedene Richtung angeregt hat, ist aus MATTHEWS (1986) 21 zu erkennen: "we almost hear at this point the cricking of Constantius´neck as he strains upwards, that neck he had held firm, as if in a vice, in order to hold it steady and prevent the betrayal of amazement, on his first entry to Rom" [Constantius vor dem Colosseum] 457 Dass es sich nicht um eine Geste der Demut (Der Kaiser erniedrigt sich selbst) oder Ehrerbietung (Der Kaiser verneigt sich vor der Größe Roms) handelt, sondern um eine Geste, die wie die im folgenden ge- nannten die Größe und Majestät des Kaisers veranschaulichen, ist schon bei HARTKE (1951) 313ff. aus- führlich dargelegt (DUFRAIGNE (1994) 101: „Rappelons que, selon Ammien, Constance II, lors de son en- trée à Rome en 357 p.C. baissait, sans doute rituellement, la tête sous les arc de triomphe, comm sʼil était de taille surhumaine et trop grand pour les franchir autrement“; ebenso NERI (1984) 7 Anm. 15; Neri ver- merkt zusätzlich, dass sowohl die übermenschliche Größe als auch der starre Blick wesentlich zur Tragö- die gehören [so dass er hinsichtlich des starren Blickes von „tragica fissità del suo volto“ spricht], so dass Streben nach Übermenschlichkeit und Anzeichen für Aufgeblasenheit auch ist, wenn Ammian Leute als cothurnatos et turgidos ut Heraclidas illos (28,4,27) bezeichnet oder SYNES. De regn. 11 den ἀφελῶς καὶ αὑτοσκεθῶς ἔχοντες Kaisern die θυραμβικῶς καὶ τραγικῶς sich verhaltenden gegenüberstellt.). Dennoch ist es schwierig, vor allem die Modalität der Erzählintention Ammians an dieser Stelle zu bestimmen: Während die formale Einordnung in den Gang der Argumentation klar ist (corpus perhumile curvabat ist ein Beispiel für talem und die folgenden „Handlungen“ im wesentliche solche für tam immobilem (vgl. HARTKE (1951) 313 Anm. 6), hat Hartke speziell in dieser Passage eine „sarkastische Kritik“ (HARTKE (1951) 313) gesehen, und für KLEIN (1979) 57 ist es eine „polemische [...] Bemerkung [...] gegen die klei- ne Gestalt [...] des Einziehenden.“ Klein kann nur so verstanden werden, dass er annimmt, Ammian habe Constantius eine sehr kleine Statur zugeschrieben, obwohl dies nicht so gewesen sei, während HARTKE (1951) 313 ihn ausdrücklich als Knirps bezeichnet. Ob diese Interpretationen berechtigt sind, hängt somit davon ab, wie Constantius denn wirklich gewesen ist. Blockley glaubt, die Angabe des Georgios Kedre- nos (byzantinischer Chronist um 1100 n.Chr.), Constantius sei εὐμήκης gewesen (Bonner Ausgabe 1, S. 521), widerlege die Annahme, er sei klein gewesen, wohingegen KLODT (2001) 89 Anm. 89 zu bedenken gibt, dass eine Angabe aus so später Zeit in ihrem Wert höchst fragwürdig sei, vielleicht sogar ein Missverstehen der Ammianstelle vorliege. Klodt selbst zitiert aus dem Nekrolog auf Constantius (AMM. 21,16,19), allerdings nur die Hälfte, die die Kleinwüchsigkeit zu bestätigen scheint (brevissimis cruribus et incurvis), während die andere (ad usque pubem ab ipsis colli confiniis longior) auf einen im Verhältnis zu den Beinen großen Leib hinzuweisen scheint, so dass insgesamt sich eine mittlere Statur ergäbe, sicherlich kein Knirps [Da es nach meiner Meinung kaum vorkommt, dass Ammian in derartigen minu- tiae selbst an ziemlich weit auseinanderliegenden Stellen sich widerspricht, würde ich hier Blockleys Vor- schlag folgen, perhumile prädikativ zu verstehen (vgl. Kommentar zur Stelle); die pointierte Antithese zu portas celsas (KLODT (2001) 88) geht damit nicht verloren, weil diese nicht von attributiver oder prädi- kativer Auffassung abhängt, sondern allein von der Wortstellung des lateinischen Textes.]. Auch unter die- ser Annahme bleibt die Paradoxie im Gestus des Constantius (KLODT (2001) 90 Anm. 93 nennt es „be- fremdlich“), und Ammians Intention läge darin, auf diese Weise auf die unberechtigten Göttlichkeits- ansprüche des Constantius hinzuweisen, und zwar dadurch, dass Ammian (wie KLODT (2001) 92 sehr

198 gesetzten prinzipiellen Unterschied zwischen Rom und den Provinzen458, den Constantius vielleicht geahnt hat, von dem er aber keine zutreffende Vorstellung gehabt hat (immer nach Ammian; welche Vorstellungen Constantius darüber wirklich gehabt hat, ist nicht feststellbar; damit bleiben alle Spekulationen über mögliche Veränderungen in Constantius durch den Rombesuch wirklich Spekulationen). Gleichzeitig gestaltet Ammian einen der markanten Punkte eines adventus ganz im Sinne seiner Erzählintention. Dass genau dieser Punkt auch anders gestaltet werden konnte, zeigt sich beim Panegyriker, der natürlich dem Einziehenden gegenüber von vornherein positiv gegenübersteht: Pan. Lat. 8,7, 4–6 (beim Einzug Constantins in Autun im Jahre 311): cum tu, quod primum nobis signum salutis fuit, portas istius urbis intrasti, quae te habitu illo in sinum reducto et procurrentibus utrimque turribus amplexu quodam videbantur accipere.459 Wie bei Ammian die Geste des Constantius voller Bedeutung ist, so beim Panegyriker die Toranlage in ihrer symbolischen

schön interpretiert) „die Metapher [körperliche Größe = Majestät] ins Wörtliche ˊrückübersetztˋ“, aber man müsste Ammian nicht in dem Sinne interpretieren, dass er damit Constantius lächerlich machen wolle (so Hartke und ihm folgend zahlreiche andere Interpreten, u.a. auch KLODT (1951) 92; WIRTH (1978) 478 „gerade das von einem Ammian zu Unrecht persiflierte Constantiusbild“ (mit ausdrücklicher Bezie- hung auf AMM. 16,10,9); ALONSO-NUÑEZ (1975 134 „En XVI,10,1-17 le (gemeint ist Constantius) carica- turiza con una sátira."; VERA (1980 130f. "Comuni sono pure le armi cui ricorrono Ammiano e la Historia Augusta per fustigare lʼabuso: l´ironia e il paradosso nelle dispettive descrizioni dei trionfi di Gallieno et Costanzo, che risultano vieppiù evidenti in certe concordanze testuali signalate da R. Syme.“ (Ein genauer Nachweis wird nicht gegeben.; 132: „ma parimenti ridicolizzata la postura di Costanzo II in Ammiano“; HUMPHRIES (1998) 217 sieht in Hilariusʼ von Poitiers Schrift In Constantium als ein vorrangiges Ziel dieser Schrift, Constantius lächerlich zu machen ("I suggest, therefore, that those sections of the Against Constantium which read as an address to Constantius himself were intended to ridicule Constantius, whose ecclesiastical policies Hillary wanted the Gallic bishops to reject."); und jüngst auch wieder ALFÖLDI (2009) 261. Hier geht es nicht darum, zu überprüfen, ob dies richtig ist; ich möchte also diese Deutungsart nicht generell ausschließen, weil es zur literarischen Auseinandersetzung gehört und auch im 4. Jh. durchaus möglich ist.) [Ich glaube, dass Ammian seltener als von den Interpreten angenommen, etwas oder jemanden lächerlich machen will, und wenn, dass er dies meistens ausdrücklich zu erkennen gibt, vgl. dazu auch in diesem Ammiankapitel den Anspruch des Constantius, den equus Traiani zu kopieren]. Ob man dann in dieser Aussage Sarkasmus oder auch subtile Boshaftigkeit (so KLODT (2001) 93) mitsieht, bleibt dem Interpreten überlassen und hängt davon ab, wie weit man die Voreingenommen- heit Ammians gegenüber Constantius ansetzt. - Nur unter der Voraussetzung, dass Constantius tatsächlich klein gewesen ist (was zumindest aus Ammian nicht zu beweisen ist), hat Fontaines Interpretation Bestand, dass in der Darstellung Ammians die Idealität Julians auch dadurch gezeigt werde, dass er in gleichem Maße vom kleinen Wuchs des Constantius wie der Riesenhaftigkeit Jovians entfernt gewesen sei [FONTAINE (1978) 58: „et sa silhouette (gemeint ist die Julians) éloignée de la petite taille de Constance et du gigantisme de Jovien, offrait un modèles de temperantia, dans la taille aussi bien que dans les proportions trapues et harmonieuses.“] - Mit generalisierenden Aussagen, wie z.B. bei VITIELLO (2000) 558, dass Ammian in 16,10,1-17 über das hochmütige und hieratische Verhalten des Constantius ironi- siere („ironizzando sul comportamento altero e ieratico del principe“) ist wenig für den speziellen Fall zu gewinnen. - So auch schon CHARLESWORTH (1947) 36: "The only motion he allows himself is to bend his head when passing under an arch – the suggestion being the loftiness of the ruler might otherweise overtop the vault of the arch through which he is passing." 458 Es kann hier nicht erörtert werden, ob diese Annahme Ammians berechtigt ist und wie dieser Unter- schied aus der historischen Entwicklung zu erklären ist. Dass er auch zur Zeit Ammians noch besteht, wird z.B. auch bei ANDO (2000) 137 vorausgesetzt. 459 Übersetzung bei MACCORMACK (1990) 28: "When you entered the gates of this city, which was the first token of our salvation, and when the gates, curved inwards and flanked by twin towers, seemed to receive you in a kind of embrace".

199 Geste. f. Nach MATTHEWS (1989) 279–280 war Ammian der Ansicht, dass das kaiserliche Amt in seiner Zeit nicht einen Standard aus früheren Zeiten verloren hatte, sondern sich legitim und organisch im Laufe der Zeiten entwickelt hatte und ein notwendiges Mittel war, um Roms schicksalbedingte Weltherrschaft zu perpetuieren. Dazu aber war es wichtig, dass die Inhaber dieses Amtes nicht als charakterlose Automaten agierten, sondern ihre persön- lichen Qualitäten einsetzten, den Anforderungen dieses Amtes zu genügen, es unabhängig agierend mit Leben erfüllten (so auch Oʼ BRIEN (2006) 282 nach Matthews). Wenn diese Auffassung vom kaiserlichen Amt, die Matthews (OʼBrien) Ammian zuschreiben, nicht nur gerade aus diesem Kapitel Ammians gewonnen ist, dann hat Ammian in diesem Abschnitt den Kaiser „geschaffen“, wie er seiner Meinung nach gerade nicht sein sollte, damit aber setzte sich auch hier die Kritik an Constantius fort, erreichte hier schon einen ersten Höhe- punkt. An dieser Stelle ist es notwendig, den Gang der Interpretation kurz zu unterbrechen und Ammians Methode des berichtend-kommentierenden Erzählens in den Paragraphen 9 bis 12 etwas genauer zu untersuchen: ‹non› cohorruit ... ostendens (§9) ist die letzte Aussage, die ein „Ereignis“ des soundsovielten Tages im April des Jahres 357 n. Chr. beschreibt, während alle weiteren Aussagen, aus Ammians Absicht, Constantius sich zunächst gegen- über Rom so verhalten zu lassen, wie er sich sonst immer verhielt460, Aussagen allgemeiner

460 Als „Ort“ des sonstigen Verhaltens sind in §9 die Provinzen genannt, in §14 andere Städte. Beide Sprech- weisen (denen ganz allgemein ausgedrückt, die Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie zugrunde- liegt, vgl. BASSETT (2004) 49 (natürlich von Konstantinopel) "the relationship expressed was that between center and periphery") implizieren, dass es sich bei Rom um etwas ganz anderes handelt. Diese Anders- artigkeit im Sinne eines eindeutigen Vorranges wird von Ammian ohne Begründung vorausgesetzt; auf dieser (Voraus)Setzung basiert Ammians ganze „Geschichte“ vom Rombesuch des Constantius. Ob eine solche Annahme in der Zeit, in der Ammian schreibt, noch berechtigt ist, dazu ist unendlich viel geschrie- ben worden, das hier nicht wiederholt zu werden braucht; interessant ist an der ersten Stelle der Zusatz des Possessivpronomens suis: Wenn bei den Provinzen ausdrücklich hervorgehoben wird, dass sie Eigen- tum des Constantius sind, dann kann das im Umkehrschluss doch wohl nur bedeuten, dass dies für Rom nicht gilt, womit noch einmal bestätigt würde, dass Ammian Constantius wie einen Eroberer in Rom ein- ziehen lässt. Allerdings kann es sich auch um eine Floskel handeln. [Gegen einen solchen zwischen Rom und den Provinzen konstruierten Gegensatz MARY (1995) im gesamten Kapitel III (172ff.) unter der Überschrift „Un Empire en ses Provinces“.] - 27,4,14–15 wird dem Prunk und der Angabe des Bischofs von Rom die Bescheidenheit der Provinzbischöfe gegenübergestellt (antistitum quorundam provincialium vs. ostentationem rerum ... urbanarum). An dieser Stelle benutzt Ammian die vorausgesetzte Größe Roms und die damit gegebene Distanz zu den Provinzen, um das Verhalten der Bischöfe in Rom, die die Größe ihrer Lasten damit begründen, dass dies der Größe Roms angemessen sei, zu tadeln, indem er ihnen das richtige Verhalten nennt; diese Bischöfe erkennen nicht – so wie die von Ammian in den beiden Romex- kursen getadelte Bevölkerung Roms -, dass die Größe Roms nicht zu einem derartigen Verhalten berech- tigt. Hier erkennt Constantius nicht, dass die Größe Roms ein anderes Verhalten von ihm erfordert hätte, als in den Provinzen von ihm gezeigt. - Oder sollte etwa durch die Hinzufügung des Possessivprono- mens eine besondere affektische Nähe des Constantius zu den Provinzen herausgestellt werden, womit dann wiederum im Umkehrschluss Rom seine Unzufriedenheit über die Behandlung durch den Kaiser ausdrückte? Grattarola z.B. (GRATTAROLA (1986) 105: „contro gli imperatori pannonici, che vedevano Con- stantinopoli e le terre limitrofe come provincie e non più come il centro dell´ impero“) sieht in einer sol- chen Unzufriedenheit Konstantinopels mit den pannonischen Kaisern einen der Gründe, warum die Usur- pation des Prokop in Konstantinopel auf so fruchtbaren Boden fiel. - Sicherlich lässt sich aus dieser Stelle

200 Natur über Constantius oder Erklärungen des üblichen Verhaltens des Constantius oder auch Kommentare (mit angedeuteter oder auch versteckter Kritik) dieses Verhaltens sind.461 Dabei ist zunächst der aktuelle Bezug noch dadurch gewährleistet, dass Haltung und Ges- tik des Constantius462 beim Einzug in Rom so sind wie auch sonst.463 Dieser Bezug ist auch noch in der Handhabung des consessus durch Constantius gewahrt (Constantius nimmt auch bei seinem Einzug in Rom niemanden in seinen Wagen auf.), doch in der Aussage über die Kollegialität im Konsulat464 ist dieser aktuelle Bezug überhaupt nicht mehr vor- handen, sondern ersetzt durch eine Verallgemeinerung, indem etwas – wie auch schon bei consessus – als für die gesamte Imperiumszeit des Constantius gültig gesetzt wird.465

nicht der Schluss ziehen, dass hier auf die Prunksucht des Constantius hingewiesen werden solle, die zu Lasten der Provinzen gehe (so KAUTT-BENDER (1991) 104, vor allem Anm. 55). 461 Man mag diese Art der Argumentation sophistisch-rhetorisch nennen. Ich würde in Ammians von ihm nicht begründeter Annahme von der Größe Roms weder einen Mangel an historischem Verständis noch eine persönliche Überzeugung Ammians sehen, sondern wie im Begriff Roma aeterna ein tradiertes Stereotyp. 462 Zu berücksichtigen ist auch, dass es allgemein zur Erzähltechnik Ammians gehört, die nonverbalen Ges- ten (Ein umfangreicher Katalog derartiger Gesten bei NEWBOLD (1990) 191f.) sehr stark herauszustellen (NEWBOLD (1990) 192 Anm. 10 hat in diesem Abschnitt Ammians fünfzehn gezählt!), nach NEWBOLD (1990) 199 folgt Ammian damit der Neigung der Zeit zur Theatralik. 463 FLACH (1970) 337 gewinnt aus dieser Stelle folgende Aussage: „Zum Maßstab eines guten, der Würde des Herrscheramtes gerecht werdenden Regierungsstils nahm Ammian die Wahrung der Unnahbarkeit, während er Gesten der Leutseligkeit unverhohlen verurteilte und dem politischen Begriff der civilitas eine von dem frühkaiserzeitlichen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung unterlegte.“ Flach geht (nach meiner Meinung zu Unrecht) davon aus, Ammian habe die Unnahbarkeit des Constantius als Positivum gewertet. Da sich Flach in seiner Abhandlung nur hier auf AMM. 16,10 bezieht, vermag ich nicht zu sagen, wie er Ammians gesamtes zehntes Kapitel beurteilt; mir scheint jedoch, dass er nach der in den Elogien vorliegenden Teilung in vitia- und virtutes-Abschnitte in anderen Stellen Belege für das eine oder andere zu suchen scheint. Dieses Verfahren erscheint mir nicht angemessen. - Wieder anders liegt die Sache bei der civilitas: Flachs pointiertes Attribut „politische[r]“ zu „Begriff“, scheint so gemeint zu sein, als habe Ammian den Begriff entpolitisiert. Leider sagt er nicht, welche Bedeutung Ammian dem Begriff unter- legt, aber dass civilitas bei Ammian kein politischer Begriff mehr wäre, ist vollkommen falsch gesehen: Jedes Auftreten des Kaisers in der Öffentlichkeit ist per se ein politischer Akt, und so zu tun, als trete man wie ein civis auf, war politische Propaganda zu Zeiten des Augustus wie zu Zeiten Ammians. Die Frage ist nur, ob die Kaiser zu Zeiten Ammians es noch getan haben; ob nicht einfach diejenigen, die ihnen civili- tas zuschreiben, hier von der Tradition geheiligte Maßstäbe anwandten. Ich glaube nicht, dass im 4. nach- christlichen Jahrhundert vom Kaiser noch erwartet wurde, sich wie ein civis zu geben. Etwas anderes ist es hinsichtlich der Popularität, bzw. Volksverbundenheit. - Ebenso wie Flach, so sieht auch SABBAH (2010) 190f. die immobilitas des Constantius als eine Ausdrucksform der maiestas, die von Ammian als ein Positivum angesehen werde. Der ideale Kaiser zeichne sich dadurch aus, dass er maiestas und civilitas, eigentlich unvereinbare Merkmale, in sich zu vereinigen suche [„Ammien aspire donc à lʼ impossible mariage de la maiestas de lʼEmpire tardif et de la civilitas du Haut Empire.“]. Zur Auseinandersetzung mit dieser These vgl. das oben zu Flach Gesagte. 464 Ut fecere principes consecrati bezieht sich wahrscheinlich auf beide vorher genannten Verhaltensweisen; dennoch ist der Sinn des Vergleichssatzes alles andere als klar. Deshalb hier nur der Versuch einer Erklä- rung: Ablehnen des consessus und der Kollegialität mit einem privatus sind beide Zeichen fehlender civi- litas oder anders gewendet Zeichen eines Hochmutes, dass Constantius sich schon zu Lebzeiten für einen Gott hält. Doch zeigen die Beispiele der Vergangenheit, dass auch Kaiser, die civilitas gehabt, bzw. geübt haben, deshalb nicht der späteren Divinisierung verlustig gegangen sind. - Oder steckt der Schlüssel zur Erklärung in der Suetonstelle? Diese gewinnt ihre Brisanz aus dem Anspruch des Caligula, als deus prae- sens die gleiche Achtung und Ehrung oder noch höhere beanspruchen zu dürfen als die principes conse- crati. 465 Dies gilt erst recht für similia multa, quae ... der praeteritio. - Im übrigen glaube ich, dass Ammians Formulierung die Eutropstelle voraussetzt: elatus in arduum supercilium ≈ elatus est imperii fastigia –

201 Durch die praeteritio466 am Schluss dieses Abschnittes bestätigt Ammian indirekt diese „Abschweifung“ vom Thema. Die „Abschweifung“ ist notwendig, um Constantius eine Gestalt zu verleihen, die sich gegenüber Rom in allen Belangen als hohl erweisen wird. Dazu aber müssen Haltung und Handlungen des Constantius so dargestellt werden, dass sie entweder nur als tugendhaft erscheinen oder offen als Mangel oder Fehler einer für einen Kaiser notwendigen Tugend erkennbar sind: Nun ist immobilitas noch keine Tugend, aber bei Constantius führt sie dazu, dass er kein Mensch mehr ist, sondern nur noch wie ein derartiger aussieht; da dies von Constantius inszeniert ist, wie eine Statue in erhöhter Position (!) zu erscheinen, muss der Betrachter den Eindruck gewinnen, dort fahre eine Götterstatue in Stellvertretung für den Gott vorüber.467 In diesen Rahmen gehört auch die Deutung der immobilitas468 als patientia469, indem ne- leges aequissimas ≈ aequo iure, woraus folgt, dass aequissimas nicht eine besonders herausragende Ge- rechtigkeit oder Billigkeit des Gesetzes meint (so BRANDT (1999) 303 und Anm. 203), sondern dass die Gesetze für den Kaiser genauso gelten wie für jeden anderen. Während bei Eutrop angedeutet ist, dass sich für Marc Aurel daran nach der Erhebung zum Kaiser nichts geändert habe, spielt dieser Übergang bei Ammian keine Rolle, ist aber dennoch in der Partizipialkonstruktion noch enthalten, was für mich der entscheidende Hinweis auf literarische Abhängigkeit ist. Was aber bei Eutrop als bei Marc Aurel wirklich gegeben geschildert ist, das wird bei Ammian vor dem Hintergrund der Aussage Eutrops zu einer deutli- chen Kritik an Constantius: Obwohl er es immer wieder an civilitas mangeln lässt, wird seine Verhaltens- weise von ihm selbst oder von der Propaganda des Hofes – das lässt Ammian in seiner Knappheit des Vergleichs offen – so dargestellt, als entsprächen sie dem Ideal in höchstem Maße. - Zu aequitas als einer der dem Kaiser zugeschriebenen Tugenden vgl. WALLACE-HADRILL (1981) 302f.; 310 (aequitas niemals auf Münzen personifiziert) und BRANDT (1999) 302 Anm. 203. 466 Keine der üblichen praeteritiones, da als Entschuldigung nicht angeführt wird, dies führe zu weit vom Thema ab, sondern dass dies schon behandelt worden sei. 467 Die Haltung und Verhaltensweise des Constantius während des Einzugs in Rom wird in der Regel auf Constantiusʼ Habenseite verbucht (vgl. z.B. ROWELL (1964) 309f.), und diese Zuweisung dann mit 21,16,1 (aus dem Elogium auf Constantius) begründet. Gleichzeitig wird dem Julians Verhalten in Konstantino- pel (22,7,1) gegenübergestellt, das Ammian eindeutig tadelt. - Sollte meine oben gegebene Deutung richtig sein, dann wäre die Stelle im Sinne von 15,1,3 eher dahingehend zu verstehen, dass Contantius nicht zu den principes civiles zählte, was nicht heißt, dass Constantius nicht die imperatoria auctoritas hochgehalten habe, und ihm auch nicht ein Haschen nach popularitas zuschreibt, so dass man davon abrücken sollte, diese Stelle im Kontrast zu Julians Verhalten zu sehen. 468 MACMULLEN (1964) 86, der die immobilitas vor allem als aus dem Theater übernommen ansieht, nennt es dramatic immobility und sieht diese vor allem in den clibanarii verwirklicht, denen der Kaiser sein Verhalten angleicht. Dies passt zu dem Eindruck, den man aus Ammians Erzählung gewinnt, dass es sich bei einem adventus um eine sorgfältig geplante Inszenierung handelt, wobei nicht zu entscheiden ist, ob der größere Inszenator Constantius (bzw. dessen Helfer) oder der Erzähler ist. 469 Es kann außer Acht bleiben, woher patientia in den Kreis der Tugenden gelangt ist, die dem Kaiser zuge- schrieben wurden (vgl. dazu WALLACE-HADRILL (1981) passim), ob aus einem philosophischen Kontext entnommen (was ich bei Ammian nicht annehme)[vgl. z. B. WALLACE-HADRILL (1981) 302 mit dem Hin- weis auf Cic. De off. 1,61–92, wonach patientia eine species der magnitudo animi] oder aus offiziellen Texten, sondern man darf annehmen, dass am Ende des 4. Jhdts patientia eine in der Reihe der Tugenden ist, die der Kaiser alle besitzt (wie zumindest die offizielle Propaganda behauptet). Wenn dann gerade die- se Tugend, gleichgültig, ob beim Panegyriker oder beim Historiker, besonders hervorgehoben wird, wie es z.B. hier geschieht, dann trägt dies nicht dazu bei, der Individualität des Beschriebenen einen weiteren Zug hinzuzufügen, sondern es stützt die Argumentation des Beschreibenden oder trägt zur Anschau- lichkeit durch Individualisierung bei [WALLACE-HADRILL (1981) 319: "There is little concern with adverti- sing the personal attributes of the particular ruler"] . Patientia in dem Sinne in den Panegyrici z.B. für Theodosius (Pan. Lat. 2 (12) 40,3) oder Pan. Lat. 9(4),8,2 (continentia, modestia, vigilantia, patientia),

202 ben die Auftritte in der Öffentlichkeit auch der Bereich des inneren Hoflebens, der Bereich, den man am ehesten als Privatleben bezeichnen könnte, einbezogen wird, ohne dass Ammian hier konkret würde.470

Die Untersuchungen von WALLACE-HADRILL (1981) 316 haben ergeben, dass innerhalb des Rahmens der Ideologie vom optimus princeps bei Plinius im Panegyricus, aber auch bei Sueton in den Caesares, vor allem die Tugenden herausgestellt werden, die soziale Tu- genden sind, die, wenn sie denn vom princeps ausgeübt werden, vor allem eine Kontrolle

für Julian (Mamertinus, Pan. Lat. 3(11),6,1: Quae omnia obstinatam et immobilem principis maximi tan- dem vicere patientiam.), wobei hier besonders auffallend, dass die patientia als immobilis bezeichnet wird. 470 Der Hinweis auf patientia in der vita interior scheint ohne Zusammenhang, es sei denn, es ist einfach das Komplement zu dem, was sich gerade in aller Öffentlichkeit abspielt. Sollte die Deutung dieses Kapitels als Anti-Panegyrikus richtig sein und sich Ammian gerade in diesem Abschnitt an Pliniusʼ Panegyrikus orientiert haben, dann gehört auch das Privatleben dazu, wobei dieses beim princeps nicht privat sein kann, sondern von der Öffentlichkeit durchschaut werden kann, so dass sich Tugend- und Vorbild- haftigkeit des princeps gerade auch da zeigen (vgl. vor allem PLIN. Paneg. 83, 1–2; dazu ROGER REES, The Private Life of Public Figures in Latin Prose Panegyric (1998) 79–83. - Vielleicht erklärt sich von daher auch die Eusebia – Helena – Episode bei Ammian. - Auffallend auch der Bezug zu PLIN. Paneg. 56,3: Plinius rechtfertigt Trajans Übernahme eines weiteren Konsulates damit, dass den Leuten in Rom damit die Gelegenheit gegeben werde, den Kaiser samt seinen Leistungen und Tugenden selbst zu erleben und beurteilen zu können, was bisher nur den Heeren, Provinzen und auswärtigen Völkern zuteil geworden sei. - Mir scheint, dass man auch hier wieder sehen kann, wie Ammian anspielt, übernimmt, sich anregen lässt, dabei „zerlegt“ und vor allem tendenziös abwandelt: Der Bereich, der dem eigenen Erleben und Beurteilen verschlossen ist, bei Plinius Heere, Provinzen, auswärtige Völker, erscheint bei Ammian z.B. in §9 (in provinciis suis) in reduzierter Form und wird in §11 umgewandelt durch die interior vita als ein Bereich dargestellt, der nicht nur dem eigenen Erleben und Beurteilen entzogen ist, sondern der Mani- pulation unterworfen ist. Bei den Tugenden – bei Plinius stehen drei repräsentativ für alle (vgl. dazu WALLACE-HADRILL (1981) 312) – reduziert Ammian auf diejenige, die sich am besten auf reine Äußerlich- keit anwenden lässt [damit bezweifle ich, dass Ammian patientia vorbehaltlos als bonum wertet (gegen BRANDT (1999) 335); ebenso ist zu bezweifeln, dass Ammian die patientia hier deshalb hervorgehoben hat, um zu demonstrieren, wie sehr Constantius die kaiserliche Würde dadurch gewahrt habe [Dass pati- entia dazu ein Mittel ist, soll nicht bestritten werden, sondern nur, dass Ammian das mit dieser Stelle habe demonstrieren wollen (gegen BRANDT (1999) 329.] - Selbst wenn im Epilog auf Constantius von patientia die Rede wäre – was aber nicht der Fall ist -, sollte man nicht, auch wenn die Epitomatoren eine Bestätigung zu liefern scheinen, aus dieser Stelle auf wirkliche Charaktereigenschaften oder Tugenden des Constantius schließen. Trotz aller geäußerten Vorbehalte und Bedenken tut dies letztlich BARCELÒ (2004) 35 doch, auch wenn er für den Nachweis der patientia diese Stelle nicht heranzieht. Noch gewag- ter scheint mir der Versuch, durch Analogien wenigstens einige wenige Aussagen über die Jugend des Constantius zu gewinnen. - Dass man hier nicht einen individuellen Zug des Constantius erfasst, kann man dadurch wahrscheinlich machen, dass man die Stelle unter dem literarhistorischen Aspekt angeht: In der Charakteristik einer Person ist patientia (griech. καρτερία) eine der auszeichnenden Eigenschaften, die letzten Endes auf das homerische Epos zurückgeht, auf den „Dulder“ Odysseus. Von daher denn auch ein brauchbares Ingredienz in panegyrisch gefärbten Stellen, so auch in der Stelle bei Themistios, wo im übrigen auch noch zu erkennen ist, dass es bei der Auszeichnung eines Feldherrn durch patientia (καρτερία) primär um das Ertragen von Hitze und Kälte geht (wie bei Socrates über Theodosius II. auch noch ausgesprochen), wobei bei Themistios nur die Sonnenhitze geblieben ist. Bei Themistios erweist sich Valensʼ καρτερία darin, dass er den ganzen Tag bei glühender Hitze auf dem Schiff steht [Constantius sitzt während des gesamten adventus / ingressus auf dem Wagen (!)], und natürlich im Bestreben des The- mistius, Valens den Xerxes überbieten zu lassen: Stehen statt Sitzen – in heißerem Sonnenlicht als üblich statt im Schatten. Es ist nicht erkennbar, weshalb dies so sein muss und wozu das gut ist, außer dazu, Valensʼ καρτερία zu beweisen. Themistius erklärt dieses zunächst so sinnfreie Verhalten des Valens nicht, gibt aber, ganz im Sinne eines Panegyrikus, an, welche Wirkung Valens damit erzielt, nämlich einen Sieg über die Skythen (= Gothen) zu erringen, weil diese nicht gleichwertige καρτερία haben. Ammian hin- gegen gibt eine Erklärung (affectus des Constantius), sagt uns aber nicht, was Constantius mit diesem

203 der unbeschränkten Macht des princeps bedeuten, ihn davon abhalten, sie unkontrolliert anzuwenden (abstinentia, moderatio, continentia, simplicitas usw. (!)), vielmehr rational in Selbstbeschränkung die Gunst der Regierten zu gewinnen, was dazu führt, dass unter

Hadrian speziell die patientia hervorgehoben wird (vgl. WALLACE-HADRILL (1981) 316;

471 323) . WALLACE-HADRILL sieht darin das Bestreben der Eliten der damaligen Zeit, sich und ihren noch verbliebenen Einfluss zu schützen, während es daneben durchaus schon Ten- denzen gegeben habe, den Kaiser als einen Gott auf Erden zu sehen und zu verehren (so spreche Plinius selbst ihn z.B. als Aeternitas an, vgl. PLIN. Epist. 10,59; 10,41,1), was WAL-

LACE-HADRILL (1981) 317 als den charismatischen Aspekt im Kaiserbild bezeichnet. Wie- derum sieht es so aus, als habe Ammian, angeregt durch den in der literarischen Tradition erhaltenen rationalen Aspekt, der in Form der patientia auch auf Constantius übertragen wurde, hier diese Übertragung als zu Unrecht vorgenommen entlarvt, weil als nur schein- bar für Constantius gültig. Sollten die Überlegungen von Wallace-Hadrill richtig sein, so würde, was viele Untersuchungen zu bestätigen scheinen, schon für den Anfang des zwei- ten nachchristlichen Jahrhunderts die Unterscheidung zwischen Prinzipat und Dominat hinfällig sein. Dagegen würde für das Ende des vierten Jahrhunderts gelten, dass es zumindest noch bestimmte Kreise in der römischen Gesellschaft gegeben hat, bei denen die unbegrenzte Macht des Kaisers, verbunden mit der Entrückung des Kaisers aus der menschlichen Sphäre, Anstoß erregte. Dass man dies mit Argumenten zum Ausdruck brachte, die schon rund 250 Jahre vorher entwickelt worden waren, zeugt vielleicht nicht von Origi- nalität, aber davon, dass das Problem noch virulent war. - Was das für die Methode Ammi- ans besagt, ist an anderer Stelle dargelegt. Trotz der Einschränkung durch den Konzessivsatz472 und der möglicherweise darin zu sehenden Einschränkung, dass die immobilitas nicht direkt als patientia bezeichnet wird,

Verhalten Positives bewirkt hat. - Ich weiß nicht, ob diese strukturell-inhaltlich-argumentativen Parallelen ausreichen, um bei Ammian von einer Anspielung auf diese Themistiusstelle zu sprechen. Auf jeden Fall hat Ammian hier ein topisches Element einer Charakteristik mit panegyrischer Färbung in eigenartiger Weise verwendet, indem er dadurch, dass er patientia bei Constantius auf reine Äußerlichkeit beschränkt, den Wert dieser Tugend erheblich mindert, und wenn man als Folge der immobilitas des Kaisers seine incivilitas ansieht, sogar ihren Nutzen bezweifeln muss. 471 Nach MACCORMACK (1975) 138 Anm. 5 wurde während der Tetrarchie die Person des Kaisers hinter dem kaiserlichen Typus zurückgesetzt, was zur Folge hatte, dass in den Panegyriken nicht mehr so sehr die persönlichen Tugenden und der Charakter des Kaisers gepriesen wurden (wie es noch bei Plinius der Fall gewesen war), sondern solche, die nicht der persönlichen Kontrolle unterlagen, wie z.B. felicitas. Wenn dann hier bei Ammian doch mit patientia als einzige Tugend eine persönliche Tugend erscheint, so müsste man das Ammians Vorliebe für die Orientierung an klassischen Vorbildern zuschreiben. 472 Konkretes wäre wohl am ehesten aus den Nekrologen zu gewinnen; für Constantius II. könnten dass alle die Beschränkungen sein, die jemandem mit einer derartigen Machtfülle als Verzicht erscheinen müssen, z.B. Zurückhaltung und Mäßigung beim Ausleben der Sexualität. Unabhängig davon fragt man sich natürlich, woher der Historiker seine Informationen hat.

204 sondern nur Anzeichen dafür liefert, wird das Vorliegen dieser Tugend bei Constantius von Ammian nicht bestritten,473 vielmehr durch die Litotes non mediocris diese sogar als besonders qualitätsvoll bezeichnet.474 Die Einschränkung muss also darin liegen, dass man das, was man heiß begehrt, eigentlich nicht erleiden / erdulden (pati) kann – dies gilt unab- hängig davon, ob diese immobilitas echt oder gekünstelt ist.475 Damit aber liegt versteckte Kritik Ammians erst im folgenden Zusatz über die patientia, durch den die Anerkennung sofort wieder dadurch entwertet wird, dass die kaiserliche Propaganda aus dem Vorliegen der patientia bei Constantius auf die Einzigartigkeit dieses Kaisers abhebt.476 Nach der Einfahrt in die Stadt477 spielt Rom in Form seiner Plätze, Gebäude und Monu- mente als Antagonisten zum Kaiser eine zunehmende Rolle, gipfelnd in der Begegnung mit dem Trajansforum. Dabei ist es zunächst nur eine Nebenrolle: Die Plätze, Gebäude und Monumente bilden die Kulisse, vor oder in der sich die Aktionen des Kaisers in Rom ab- spielten; diese Aktionen sind immer noch das Wichtige, im Vordergrund Stehende, wenn auch der Ort, an dem sich die jeweilige Aktion abspielt, allein schon dadurch, dass er sich in Rom befindet und so geschichtsträchtig ist, dass allein schon die Nennung des Namens, ohne steigernde Attribute, genügt, große Teile von Roms Geschichte zu evozieren, genau dadurch allmählich die Hauptrolle übernimmt: zuerst das Zentrum Roms, das Zentrum des

473 Der Tugendkatalog, aus dem hier die patientia entnommen ist, ist sicherlich in seinem Kernbestand jahr- hundertealt, so dass wiederum schwer zu entscheiden ist, ob eher die Übernahme eines topischen Elemen- tes vorliegt oder doch Constantius wenigsten in einer Eigenart zu greifen ist. Das lässt sich nicht ent- scheiden. Da die patientia zur Zeit des Constantius zumindest in der kaiserlichen Propaganda noch ihren Platz zu haben scheint, ist sie auch noch „aktuell“ (vgl. dazu PABST (1989) 29: „Indem freilich in einem bestimmten Moment mit ihm [gemeint ist der Kanon kaiserlicher virtutes.] operiert wird, ist er ein aktuel- ler Wertekatalog, der, in einen sehr spezifischen Augenblick hineingestellt, in seiner scheinbaren Zeitlo- sigkeit eine zeitliche Dimension gewinnt.“). 474 VANDERSPOEL (1995) 78 meint sogar eine gewisse Bewunderung Ammians zu erkennen, zwar nicht an dieser Stelle, aber in 21,16,1 ("Ammianus here criticizes the emperorʼs attempt to make himself larger than life and to increase the dignity of the imperial station, but expresses some admiration on this point in his summary of Constantius (21.16.1)."). 475 Ich gebe zu, dass die Deutung nicht ganz befriedigt. Vielleicht muss man sich davon lösen, in der Haupt- aussage Ammians eine Kritik zu sehen. Wozu dann aber die vorhergehende Einschränkung? Wäre der fol- gende ut-Satz auf den gesamten Hauptsatz bezogen, im Sinne von „wie man uns zumindest von kaiser- licher Seite glauben machen wollte“, dann ergäbe sich der gewünschte Sinn, wenn man – ironisch zu verstehen – im Hauptsatz läse „waren das und manches andere natürlich Anzeichen ...“, aber das gibt die Satzstellung nicht her, und es ist immer mit Problemen verbunden, unvermutet in einer Erzählung Ironie anzunehmen. 476 VANDERSPOEL (1985) 79 Anm. 36 ("Ammianus has perhaps fallen prey to the view common among some pagans that the traditional empire.") scheint damit anzudeuten, dass Ammians Sicht des Constantius durch dieses Vorurteil geprägt sei. Ammian liefert sicherlich kein von Vorurteilen freies Bild des Con- stantius und bemüht sich auch gar nicht darum, aber Constantius als einen Menschen darzustellen, der immer übermenschlich erscheinen will, hat nichts mit pagan oder christlich zu tun. 477 An dieser Stelle findet sich bei Ammian kein Hinweis darauf, dass Ammian dem Constantius hier die Verletzung eines alten Brauchs habe ankreiden wollen, nämlich die Überschreitung des Pomeriums mit Bewaffneten (so STRAUB (1939) 182). Selbst wenn man Ammian unterstellt, in vielen Fällen mit anachro- nistischen Maßstäben zu messen, so wäre dies nach fast vierhundert Jahren beinahe ständiger Verletzung dieses Brauchs kaum zu überbietende Blindheit Ammians.

205 Reiches478, das Forum Romanum, und innerhalb dieses Zentrums noch einmal die Rostra ausdrücklich als Zentrum der alten Macht bezeichnet, womit nur die Zeiten der Republik gemeint sein können; die Rostra also der erste Fixpunkt für Constantius in Rom und gleichzeitig der Ausgangspunkt für den Versuch des Constantius, dieses Rom wenigstens mit seinem Blick zu „erobern“.479 Dabei überlässt Ammian es den Hörern / Lesern, zu ent- scheiden, ob Constantius durch die an der Rostra angebrachten Trophäen vor Augen gehal- ten werden soll, dass es sich damals um einen Sieg über wirkliche Feinde handelte, oder ob die Rostra als Rednertribüne als Symbol für politische Auseinandersetzung und Machtaus- übung steht. Es folgen dann Curia und Tribunal, ganz auf ihre Funktion reduziert, ebenso das palatium, und beim Circus maximus ist der Name nicht einmal genannt, sondern hier steht die Funktionalität ganz im Vordergrund, nämlich der Ort zu sein, an dem sich die Kommunikation zwischen dem Kaiser und dem Volk abspielt.480 478 Ammian konstatiert hier, dass Constantius die Heimstatt (= Zentrum) des Reiches und der Tugenden betrete; er äußert sich nicht dazu, ob auch Constantius es so gesehen habe, obwohl man annehmen sollte, dass derjenige, der dieses Reich verkörpert, Rom als seine Heimat ansehen sollte und müsste. Das ist anders bei Claudian. Zwar erfährt man auch bei ihm nicht, wie die Einstellung des Kaisers zu dieser Frage ist, aber aus der Frage Agnoscisque tuos, princeps venerande, penates? [„Erkennst du, verehrter Kaiser, deine Penaten?“](V. 53) geht hervor, dass er bei Honorius eine solche Einstellung voraussetzt oder sie ihm zumindest nahezulegen sucht. - Damit dürfte bei Ammian und Claudian das gleiche Problem behan- delt sein, das der Entfremdung von Kaiser und „Hauptstadt“, und somit dürfte auch hier wieder eine Kri- tik Ammians an Constantius vorliegen, indem Constantius aus dem, was die „Rückkehr“ in die Heimat sein sollte, einen Triumphzug macht. - Zu Beginn der Kaiserzeit kann es natürlich eine solche „Entfrem- dung“ überhaupt nicht gegeben haben, auch wenn erste Ansätze dazu schon unter Tiberius erkennbar sind. Es bedürfte allerdings einer diachronisch angelegten Untersuchung, um die Gründe für diesen Prozess und die einzelnen Phasen zu erkennen. 479 Dass der Mythos „Rom“, als Ammian und Claudian schrieben, schon so mächtig war, dass er ihnen den Blick auf die Realitäten verstellte, mag man aus derartigen Stellen erschließen; da aber sowohl Constan- tius als auch Honorius Rom tatsächlich besucht haben, kann eine Lösung des Problems nicht allein in der körperlichen Präsenz der Kaiser in Rom gelegen haben; Ammian hat also vielleicht mit seiner Kritik auch noch an etwas anderes gedacht, dass Constantius in Rom hätte erfahren können, was wirkliche virtutes sind (natürlich könnte man dem sofort entgegen halten, dass Ammian dazu nicht nach Rom zu kommen brauchte; aber als er selbst nach Rom ging, muss er geglaubt haben, dort etwas zu finden, was es anders- wo nicht gab; diese Denkweise übertrug er auch auf seine Ansprüche an die Kaiser). Bei Claudian ist nicht auszuschließen, dass ähnliche Denkweisen galten, aber auch das literarische Spiel, hier die „Ausein- andersetzung“ mit Ammian, eine Rolle spielten. - Solange dieses Bedauern, dass Rom nicht mehr die Anerkennung und Würdigung finde, die es eigentlich verdiene, nicht mit restaurativen Forderungen (z.B. ständiger Präsenz des Kaisers in Rom) verbunden wird, sollte man sowieso im Urteil über Ammians und Claudians politische Einsichtsfähigkeit vorsichtiger sein. 480 Ist der Constantius im Circus maximus wirklich ein anderer als der, der kurz vorher im Wagen saß? Wenn sowohl die Unnahbarkeit als auch die Kommunikation mit dem Volk im Zirkus Instrumente der Machtausübung sind, warum sollte Constantius dann nicht in der Lage sein, beide „Instrumente“ bei Gele- genheit zu handhaben, ohne dass man deshalb einen zwiespältigen Charakter annnehmen müsste; erst recht besteht keinerlei Anlass, weil man annimmt, einen solchen Menschen könne es nicht geben, auf eine constantiusfreundliche und eine constantiusfeindliche Quelle zu schließen. - Etwas anders die Argumen- tation von VERA (1980) 124, wonach z.B. die Schilderung der ungewohnt liberalen Haltung des Constan- tius und seines Auftretens als civis, nicht als dominus, nur jemand habe liefern können, der Verbindungen zu den Kreisen in Rom gehabt habe, die derartige Anschauungen vertraten. Aber auch in diesem Falle muss es sich nicht um eine Quelle für Ammian handeln. Warum sollte Ammian nicht aus eigenen Über- legungen zu einer solchen Auffassung gekommen sein? - Noch anders MACCORMACK (1972) Anm. 96, die annimmt, dass die ganze Strenge des Zeremoniells nur für den eigentlichen adventus gegolten habe, somit beim Aufenthalt in der Stadt eine Lockerung zu verzeichnen sei. Man fragt sich allerdings, warum

206 Schon der Weg vom Stadttor zum Forum Romanum ist nur noch retrospektiv in cum venisset ohne jede Einzelheiten angedeutet481, er spielt von diesem Augenblick an keine Rolle mehr, damit aber lässt Ammian (bewusst) beiseite, dass der adventus als Triumphzug begonnen hatte. Zwar wäre es hier noch möglich, die Strecke zu rekonstruieren; aber dann müsste man sich Gedanken darüber machen, wo bei der Rostra der Triumphzug geblieben ist, von wann an der Kaiser nicht mehr Triumphator, sondern Besucher ist usw. Spätestens seit der Stelle, an der vom ingressus die Rede ist, wäre es geradezu widersinnig, das Itine-

ausgerechnet bei der Einfahrt in die Stadt es ein besonders strenges Zeremoniell gegeben haben soll. - Im oben genannten Sinne die Deutung bei RONNING, CHRISTIAN: Herrscherpanegyrik unter Trajan und Kon- stantin, Tübingen (2007) 267: „Wie die spätantiken Herrscher beide Register verbanden [gemeint ist, princeps civilis zu sein und „orientalische“ Rituale der Distanz anzuwenden], zeigen exemplarisch und besonders eindrücklich die Beschreibungen, die Ammianus Marcellinus vom Einzug Constantiusʼ II. und Pacatus vom Adventus TheodosiusʼI. in Rom geben. Entrückung und Leutseligkeit werden jeweils in einer Kette symbolischer und ritueller Handlungen miteinander verbunden.“ Ronning geht also davon aus, dass das Auftreten des Constantius wie des Theodosius inszeniert ist, er berücksichtigt jedoch nicht, dass auch die Darstellungen bei Ammian wie bei Pacatus „inszeniert“ sein können. - Ich würde gern den Zusatz zu plebis, nämlich nec superbae nec a libertate coalita desciscentis in einem über die Stelle hinausgehenden Sinne interpretieren, vermag jedoch keine Sicherheit hinsichtlich des mit den Attributen Gemeinten zu gewinnen. Nec superbae sieht so aus, als hätte ein anderer in gleicher Lage nicht so gehandelt, wäre also superbus / superba gewesen, aber wer sollte das sein? Libertas, in Symbiose mit der plebs Romana, könnte natürlich die bloße Redefreiheit (παρρησία) sein; dennoch scheint mir, dass auch die libertas im politischen Sinne gemeint ist (wegen des durch den Ort automatisch evozierten Bildes der römischen Republik). Sollte es so sein, dass in §12 (leges aequissimas) an das gedacht ist, was im Grie- chischen ἰσονομία ist, dann läge hier in sehr verhüllter Form eine Anspielung auf Gedanken vor, die sich bei Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen finden: Εἰς ἑαυτόν I,14,2: (Lehren des Severus für Marc Aurel) καὶ τὸ δι᾿ αὐτὸν γνῶναι Θρασέαν, Ἑλβίδιον, Κάτωνα, Δίωνα, Βροῦτον καὶ φαντασίαν λαβεῖν πολι- τείας ἰσονόμου, κατ᾿ ἰσότητα καὶ ἰσηγορίαν διοικουμένης καὶ βασιλείας τιμώσης πάντων μάλιστα τὴν ἐλευθερίαν τῶν ἀρχομένων [„und durch ihn [gemeint ist Severus] Thraseas, Helvidius, Cato, Dion und Brutus kennenzulernen und eine Vorstellung von einem isonomen Staat zu bekommen, der nach Gleich- heit und gleichem Recht zur Rede regiert wird, und von einem Kaisertum (einer Königsherrschaft), die am allermeisten die Freiheit der Beherrschten schätzt“](Hinweis auf diese Stelle ist entnommen TASSI (1967) 179). Es kommt hier nicht darauf an, ob es sich womöglich schon bei Marc Aurel um ein Konglo- merat von Vorstellungen aus früheren Zeiten handelte, die zwar Bildungsgut waren, aber ohne dass fest- zustellen wäre, dass sie von Marc Aurel später verwirklicht oder beachtet wurden. Dass Ammian Con- stantius daran „misst“, könnte ein ebensolcher Anachronismus sein, wie es das schon in Zeiten Marc Aurels vielleicht war. - PABST (1989) 151 hält die Verbindung von Redefreiheit und libertas für einen Topos und führt dafür neben SYMMACH. orat. 2,29 an: SUET. Tib. 28; IUL. or. 1,17b; Pan. Lat. 11 (3), 23,4; 12(2),2,4; THEM. or. 9,123b; LIB. or. 49,32f.; AMM. 20,4,11; TAC. Agr. 3. Eine Prüfung dieser Stellen ergibt, dass nur in der Suetonstelle ein Zusammenhang zwischen libertas im politischen Sinne und Redefreiheit besteht (sed et adversus convicia malosque rumores et famosa de se ac suis carmina firmus ac patiens subinde iactabat in civitate libera linguam mentemque liberas esse debere), wobei dies nicht die Be- schreibung eines Zustandes ist, sondern eine raffinierte Argumentation: Gäbe es keine Rede- und Gedan- kenfreiheit, dann wäre es sinnlos, überhaupt von einer civitas libera zu reden. Wenn also eine civitas libera existiert, muss es dort auch Rede- und Gedankenfreiheit geben. Indem nun Tiberius Zweifel daran, dass die civitas libera ist, gar nicht aufkommen lässt, könnte man fast von Zynismus sprechen. - Alle an- deren von Pabst angeführten Stellen haben nichts mit der Freiheit im politischen Sinne zu tun, so dass man den Eindruck gewinnt, dass in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts es über Freiheit im politi- schen Sinne keinen ernsthaften Diskurs mehr gibt. Sollte also, wie oben behauptet, bei Ammian auch noch an die Freiheit im politischen Sinne gedacht sein, dann wäre das auffallend und wohl auch eher literarische Reminiszenz denn Wirklichkeitsbeschreibung. - SABBAH (2010) 191 („Le même respect sʼex- prime aussi au présent, au moment unique où se reconnaissent Constance et le peuple romain, lʼempereur et la plèbe, où celle-ci retrouve, par le miracle de Rome éternelle, sa liberté de parole congénitale – libertate coalita -, celle de sujets redevenant citoyens.“) scheint davon auszugehen, dass die libertas zwar der Plebs angeboren war, aber normalerweise nur latent vorhanden war, somit erst durch dieses wunder-

207 rar des Constantius in Rom und einen Zeitplan für diesen Besuch zu rekonstruieren, auch wenn Ammian natürlich die Fiktion aufrecht erhält, er schildere als Historiker diesen Besuch. Bevor die zweite Etappe in Constantiusʼ Romaufenthalt genauer untersucht wird, seien hier einige Bemerkungen eingeschoben, die die Historizität der Ereignisse in der Kurie und auf dem Tribunal betreffen. Entsprechend der alten Dualität senatus populusque Romanus sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Constantius genau an den Orten, an denen in den Zeiten der Republik die entscheidenden politischen Reden gehalten wur- den, ebenfalls jeweils eine Rede hält. Dass wir hier und auch sonst nichts über den Inhalt dieser Reden erfahren, mag darin begründet sein, dass der Historiker, aber auch die Archi-

bare Aufeinandertreffen in actu war. Vermag ich Ammians Text nicht zu entnehmen. Ammians Erzählung ist sicherlich darauf angelegt, an und vielleicht auch in Constantius unter dem Eindruck Roms Wandlun- gen zu sehen, aber ob aus nec superbae zu entnehmen ist, dass die Plebs die Majestät des Constantius respektiert, wage ich zu bezweifeln. - BROWN (1992) 126 spricht von libertà (allerdings in Anführungs- zeichen) Roms, bzw. der römischen plebs in einem ganz speziellen Sinne, dass nämlich Rom wegen seiner Größe und gewaltigen Einwohnerzahl und der dem nicht angepassten Infrastrukturen eigentlich unregierbar gewesen sei, somit die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung immer prekär gewesen sei („questa città allargatasi a macchia dʼolio, con una popolazione che non accennava a diminuire [...] poneva un problema di ordine pubblico che esse [Damit sind die Regierenden und die Aristokratie gemeint.] preferivano non affrontare direttamente. Lʼossequio ufficiale alla «libertà» di Roma erat dovuto in larga misura a questa decisione prudenziale. Roma era come un gigantesco congegno nucleare, eredi- tato da unʼera più prospera e previdente; doveva essere trattata con la massima attenzione proprio perché le autorità avevano deciso di abbandonarla senza poter però rischiare, per trascuratezza, di farla esplo- dere.“ In diesem Sinne handelt es sich um eine genuin politische Freiheit, die weit über die bloße Rede- freiheit hinausgeht. Ich wage nicht zu entscheiden, ob man dieses durch Zeit und Ort gebundene Detail benutzen darf, um die von Brown kontantierte „Freiheit“ Roms, bzw. der römischen plebs aus Ammian zu belegen und ob Ammian einer solchen Deutung zugestimmt hätte. - Schließlich könnte man in diesem Zu- sammenhang auch LACT. De mort. persecut. 17,2: Quibus sollemnibus celebratis cum libertatem populi Romani ferre non poterat [sc. Diocletianus], impatiens et aeger animi prorupit ex urbe impendentibus Kalendis Ianuariis, quibus illi nonus consultatus deferebatur anführen. Auch hier muss mit libertas mehr gemeint sein als die Redefreiheit: Selbst wenn der Grund für Diokletians fluchtartiges Verlassen Roms von Laktanz erfunden sein mag, so halte ich es für unwahrscheinlich, dass Lactanz angenommen hat, Diokletian habe es nur deshalb getan, weil die Römer ein loses Mundwerk hatten. - Wenn man einmal davon absieht, wie die libertas damals aussieht, sondern nur in den Blick nimmt, dass Ammian hier be- hauptet, die Freiheit sei mit dem römischen Volk verwachsen, sei ihm sozusagen angeboren, dann findet sich dieses Motiv, nur bezogen auf die facultas orandi, im Panegyricus des Pacatus auf Theodosius: Pa- catus kommt als Redner nach Rom und trifft dort Leute, denen die facultas orandi nicht nur angeboren ist, sondern die sie zudem noch geerbt haben. Während aber Pacatus sich dieser Fähigkeit der Römer bewusst ist und daraus die Schwierigkeit seiner Aufgabe in Rom ableitet, scheint Constantius diese Eigenschaft der Römer erst in Rom kennenzulernen. - Natürlich kann man noch weiter gehen, indem man den Zirkus nicht nur als den Ort der Kommunikation zwischen Volk und Kaiser ansieht, sondern als den Ort, an dem das Volk wie früher in den Volksversammlungen an politischen Entscheidungen beteiligt sei, wenn auch nur in Form von Akklamationen [ein Beispiel dafür bei CRACCO RUGGINI (1977) 449/450: Im Jahre 384 n. Chr. sei die consecratio Theodosiusʼd.Ä. erst durch den Senat erfolgt und per Akklamation durch das Volk im Circus Maximus bestätigt worden.], vgl. CRACCO RUGGINI (1977) Anm. 89: „Sugli spet- tacoli del circo nel IV s. come quadro di vere e proprie assemblee politiche, nel corso delle quali il popolo esprimeva formalmente voti, petizioni, lamentele, acclamazioni, etc., registrati dal prefetto urbano e poi trasmessi periodicamente all´imperatore come acta populi o acta diurna, cfr. [...].“ Ob dies tatsächlich so gewesen ist [Cracco Ruggini scheint selbst Bedenken zu haben, weil sie nur von come quadro spricht.], spielt für die Ammianstelle keine Rolle. 481 Genauso zu bewerten auch cum venisset in §17.

208 vare des Hofes, wegen der politischen Bedeutungslosigkeit solche Konglomerate aus Flos- keln und Stereotypen diese nicht des Erhalts für würdig hielten. Andererseits ist es nicht gut vorstellbar, dass ein Kaiser, vor allem einer, der in allem den Anspruch erhob, götter- gleich zu sein, sich ohne Not in Konkurrenz zu den Panegyristen begeben haben sollte. Daher halte ich es für durchaus möglich, dass es sich in beiden Fällen um Erfindungen Ammians handelt, um einen Constantius zu zeigen, der in Rom unter dem wachsenden Einfluss Roms nicht anders kann, als diesem Rom seine Reverenz dadurch zu erweisen, dass er dort geübte Bräuche in seine Zeit transponiert.482 Die Anregung mag Ammian dabei von einer bildlichen Darstellung gekommen sein, zum Beispiel der des Konstantinsbo- gens.483 Auffallend auch, dass man im Jahre 313 schon nichts mehr vom Inhalt der 312 von Konstantin vor dem Senat gehaltenen Rede weiß484 und von Theodosius nicht gesagt wird, dass er in der Kurie und von der Rostra gesprochen habe, eine Rede gehalten habe, son- dern nur berichtet wird, wer (wie) er dort gewesen sei.

482 Das hier zu Constantiusʼ Reden in der Curia und auf dem Tribunal Gesagte gilt dann entsprechend für Prokops Erhebung in Konstantinopel (26,6,18). - Zu dieser Methode Ammians vgl. auch SABBAH (2010) 190 zu 23,5,22 (Julian verspricht, für seine Regierungstätigkeit Rechenschaft abzulegen): „Mais, à son époque encore, prêter à Julien l´intention républicaine de renoncer à toute prérogative souveraine et de ʿrendre des comptesʾ, comme les magistrats dʼautrefois, à la fin de son exercice du pouvoir, pouvait inviter discrètement ses successeurs à sʼengager dans cette voie.“ - Hält man die jeweils beiden Auftritte, sowohl des ConstantiusʼII. in Rom als auch des Prokop in Konstantinopel, für von Ammian korrekt ge- schildert, dann muss man annehmen, dass auch im 4. Jh. n. Chr. republikanische Traditionen im politi- schen Leben noch durchaus wirksam waren, so z.B. PABST (1986) 439 Anm. 741) „Das [gemeint ist die Gründung eines zweiten Senates in Konstantinopel] sollte davor warnen, den zumindest ideellen Wert der „republikanischen“ Tradition zu gering zu veranschlagen.“ Pabst versucht nachzuweisen, dass Konstan- tinopel von Anfang an Rom ist. Ob dieser Nachweis gelungen ist, steht hier nicht zur Debatte. Für den senatus bedarf es schon wegen der Namensgleichheit sowohl der Institution als auch des Versammlungs- ortes keines besonderen Nachweises. Für den populus ist dies schon schwieriger. An den populus gerich- tete Reden wurden in den comitia gehalten. Solche aber lassen sich für das 4. Jh. n. Chr. nur schwer rekonstruieren [ob der Versuch von Pabst, aus der Mobilität der comitia jede Gruppe zu einem möglichen comitium zu machen, gelungen ist, steht hier nicht zur Debatte]. Auf jeden Fall führt die Annahme der Historizität dazu, dass es nicht nur um den ideellen Wert republikanischer Traditionen geht, sondern prak- tische Auswirkungen vorliegen [vgl. auch ELBERN (1990) 22]. Demgegenüber braucht bei Annahme der Fiktionalität ein solcher Nachweis nicht geführt zu werden. Sollte die Annahme richtig sein, dass Ammi- ans Geschichtsschreibung immer wieder das Rekurrieren auf “klassische“ Vorbilder erkennen lässt, dann hat die Annahme der Fiktionalität die größere Wahrscheinlichkeit für sich. - Im übrigen ist es für die Interpretation der Geschichte unerheblich, ob man Historizität oder Fiktionalität annimmt, wohl aber wichtig für die Vorstellungen von der Arbeitsweise Ammians als Geschichtsschreiber. 483 MAYER (2002) 201 bezeichnet diese Szene auf dem Konstantinsbogen als „ungewöhnliche Darstellung“, erklärt allerdings nicht, worin das Ungewöhnliche besteht; nach meiner Meinung ist es nicht die Form der Darstellung – diese ist von Darstellungen der adlocutiones des Kaisers an das Heer genommen -, sondern die Tatsache, dass das Dargestellte ungewöhnlich ist, weil es wirkliche contiones der Kaiser mit dem Volk nicht mehr gegeben hat. Nach L. GIULIANI, Des Siegers Ansprache an das Volk: Zur politischen Brisanz der Frieserzählung am Constantinsbogen, in: Rede und Redner (Hrsg. C. NEUMEISTER, W. RAECK, Möhne- see 2000) 269-287, soll die Szene in Analogie zu einer adlocutio an das Heer, die Eintracht mit Senat und Volk zum Ausdruck bringen, den consensus universorum und damit das Ende des Bürgerkrieges beschwö- ren. Dann kann die Szene selbst durchaus auch schon für Constantin zum Zwecke der Darstellung einer bestimmten Ideologie erfunden sein. 484 MACCORMACK (1981(1990)) 34 dazu: "in view of the unusualness of the occasion, this [dass nichts bekannt ist] may have been a deliberate omission by the court". Aber warum?

209 Unter diesem Gesichtspunkt muss man dann zunächst auch die zweite Phase des Be- suchs, die eigentliche Sight-seeing-tour sehen485: Sie beginnt beim Jupitertempel auf dem Kapitol (§14), dem dann in einer formalen und inhaltlichen Antiklimax486 eine Reihe weite- rer Bauwerke folgt, formal eine Antiklimax, indem die Attribuierungen kürzer werden, zum Schluss ganz wegfallen und in einem belanglosen „usw.“ (aliaque) enden, inhaltlich, indem in den Attributen, die den Grad der Eminenz der Bauwerke bestimmen, dem ersten Bauwerk durch die Gegenüberstellung von divina und terrena der höchstmögliche Grad der Differenz zugewiesen wird487, während bei den nächsten drei Bauwerken jeweils durch einen hyperbolischen Ausdruck [Bäder in modum procinciarum exstructa; das amphi- theatrum (Flavium) ad cuius ... conscendit; das Pantheon velut ... fornicatam] noch ein sehr hoher Grad zugewiesen wird. Schließlich sind auch die Säulen noch herausgehoben [Sie tragen Bilder / Statuen früherer Kaiser], dann folgen drei Bauwerke, die zumindest noch ein Genetivattribut erhalten [Urbis – Pacis – Pompei; doppelter Chiasmus (1)], und am

485 BELLEN (2003) 68 nennt es ein „Besichtigungsprogramm“. DUFRAIGNE (1992) 505: „parcourant la Ville en touriste“. Zur Problematik dieser Begriffe vgl. die folgende Interpretation. - Eine interessante Bemerkung zu Sight-seeing-touren in der Zeit Ammians bei Pacatus Pan. Lat. 2(12),21,1: Sed quod facere magnas urbes ingressi solemus, ut primum sacras aedes et dicata numini summo delubra visamus, tum fora atque gymnasia et pro suis extenta porticibus ambulacra miremur, ita in laudibus tuis sanctos Palatii ritus et priscis aequanda caerimoniis instituta venerati gradum ad illa proferimus quae in medio constituta et ad publicos usus patentia non parti sed in commune conducunt, nec parietibus sed orbe clauduntur, nec tecto sed caelo operiuntur. - Abgesehen davon, dass Ammian und Pacatus im Anfangs- und Endpunkt der „Sight-seeling-tour“ übereinstimmen, dass beide visere und mirari, bzw. stupere in gleicher Weise „ver- teilen“, ist vor allem anzumerken, dass sowohl Ammian als auch Pacatus das Motiv der Fahrt durch die Stadt nicht um seiner selbst willen benutzen (obwohl bei Constantius II. wie bei Theodosius I. eine solche wirkliche Fahrt zumindest sehr wahrscheinlich ist), sondern Ammian damit Roms Wirkungsmacht auf Constantius II. demonstriert und Pacatus damit ein Vergleichsobjekt für die Darstellung des Auftretens des Kaisers sowohl im Palast wie in der Öffentlichkeit gewinnt. Einige der dabei verwendeten Motive finden sich ebenfalls bei Ammian, wenn auch in anderer Form und mit anderer Intention verwendet: Das Motiv vom princeps clausus (im Palast) ist bei Ammian in 16,10,11 im Ausdruck in citeriore vita ange- deutet, die Befolgung der sancti ritus et instituta in 16,10,12 in similia multa tamquam aequissimas leges observavit ebenfalls vorhanden, während andere Motive im umgekehrter Form erscheinen: Dass nützli- ches Handeln des Kaisers in horizontaler Richtung erst an den Grenzen des orbis und in vertikaler Rich- tung erst am Himmel endet, erscheint bei Ammian geradezu als Parodie hinsichtlich des Eintretens des Pferdes in seinen „Stall“ und die Heiligkeit der Riten des Palastes und damit wohl auch seines Bewohners wird von Ammian für Constantius II. durch Verschweigen negiert. Eine eingehendere Analyse würde wahrscheinlich noch weiteres zu Tage fördern, so dass ich vermute, dass entweder Ammian den Text des Pacatus gekannt hat oder umgekehrt Pacatus den Ammians, es sei denn, es handelte sich in allen Fällen in den Grundzügen um Topoi aus der Rhetorenschule. - Vgl. auch das Kapitel „Wovon Ammian nicht spricht“. - Wie Ammian von dem Verhalten des Constantius erfahren hat, das die indicia für die außer- gewöhnliche patientia geliefert hat, wird von einem antiken Geschichtsschreiber nicht problematisiert; Tacitus z.B. konstatiert einfach: ann. 1,10,5 nec domesticis abstinebatur; entsprechend PLIN. Pan. 83,1: habet hoc primum magna fortuna, quod nihil tectum, nihil occultum esse patitur.[Stellen schon bei SINCLAIR (1995) 232 Anm. 14 angeführt.] 486 Anders MATTHEWS (1986) 21 ("in a sequence of figures of mounting hyperbole"), der allerdings nur die ersten vier Glieder betrachtet. 487 Dieselbe Argumentationsform, nur dass das absolute Maß die Stadt Rom ist, 22,9,3 (über das vom Erd- beben zerstörte Nicomedia) Nicomediam ... urbem antehac inclutam, ita magnis retro principum amplifi- catam impensis, ut aedium multitudine privatarum et publicarum recte noscentibus regi quaedam urbis aestimaretur aeternae.

210 Ende zwei ohne jegliches Attribut (Odeum – Stadium].488 So gelingt es Ammian durch Ein- schalten der doppelten Antiklimax trotz der Unvergleichlichkeit des Jupitertempels beim Trajansforum doch wieder Einzigartigkeit zu attribuieren (vgl. dazu das folgende Kapitel). Dass das Trajansforum am Ende dieser Reihe steht, mag darin begründet sein, dass es zu Ammians Zeiten und in Ammians Augen tatsächlich das auffallendste Bauwerk Roms war. Es mag aber auch hinzukommen, dass Ammian klar erfasst hatte, welchen Zweck die Erbauer des Trajansforums mit dieser Anlage verfolgten, nämlich den vergöttlichten Kaiser und seine Truppen zu glorifizieren,489 und daraus schloss, dass dies der geeignete Ort sei, um den Constantius, der mit den gleichen Ansprüchen nach Rom gekommen war, scheitern zu lassen.490 Es seien hier noch einige Bemerkungen angefügt, die die literarische Abhängigkeit von

CLAUDIAN. Paneg. de sexto cons. Honorii 39–52 und 494–602, wo eigentlich erst vom Rombesuch berichtet wird, von Ammians Bericht betreffen: Aus dem Iupiter Tarpeius wird

488 Hiermit ist nicht der Anspruch erhoben, durch Kennzeichnung als Antiklimax die Funktion der Reihe in Ammians Erzählung vollständig beschrieben zu haben. Ohne einen inneren Zusammenhang erzwingen zu wollen, seien hier noch angeführt: a. Bevorzugung der Dimension der Höhe (in Antithese zu der der Weite in den lavacra) [aber gerade nicht beim palatium]. Dadurch dass die Höhe der Säulen durch elatos her- ausgestellt wird, wird natürlich auch deren Höhe der elatio des Constantius entgegengestellt. b. Der Be- trachter bleibt am Boden (wie vorher schon auf dem Forum), anders bei Claudian (vom Palatin aus) c. Nur ein Bauwerk aus spätrepublikanischer Zeit; die zu Zeiten Ammians herausragenden Bauwerke eben erst in der Kaiserzeit entstanden. Auswahl hat nichts mit Ammians Einschätzung der Erbauer zu tun. Zum Fehlen der christlichen Kirchen vgl. Abschnitt Wovon Ammian nicht berichtet.. d. Fehlen spätantiker Monumente, wie z.B. Maxentiusbasilika und Konstantinsbogen [STENGER (2012) 202 Anm. 59]- Ich hoffe, dass damit hinreichend gezeigt ist, dass auch diese Stelle nicht frei ist von Rhetorisierung und Stilisierung (anders TOMEI (1972) 91: „Solo di fronte ai più grandi munumenti di Roma Ammiano, libero dai toni retorici che spesso gli sono così cari, riesce ad essere istintivamente commosso dallʼopera dʼarte, pur senza nessuna coscienza estetica“ [Dass Ammian kein ästhetisches Bewußtsein gehabt habe, ist durch nichts zu beweisen.]) und dass es sich hier bei Ammian nicht um eine Beschreibung Roms handelt (anders DUFRAIGNE (1994) 177: „la description de Rome, qui suit, chez Ammien, lʼentrée de Constance II, en 357“), dürfte ebenso klar sein. 489 Formulierung nach BAUER (1996) 129: „Die im Trajansforum auf mehreren Ebenen geschehende Glorifi- zierung des vergöttlichten Kaisers und seiner Truppen und die Einbindung des Betrachters in eine Archi- tektur, die jeden darin befindlichen Besucher zum Spielball imperialer Repräsentation macht, ließen das Trajansforum und seine Bildpropaganda zu einem in der spätantiken Zeit überaus wirkungsvollen Monu- ment werden. Es entsprach ganz den Anforderungen, die in der Spätantike an einen idealen Herrscher gerichtet und die in der spätantiken Bildersprache beständig wiederholt wurden: Sieghaftigkeit und Über- menschlichkeit.“ Vgl. auch 131: „so war das Trajansforum in seiner Größe, regelmäßigen Gestalt seines Erbauers Trajan ausgerichtet, der sich hier nicht nur als siegreicher Eroberer darstellte, sondern sich nach seinem Tod auch als gottgleich verehren ließ.“ 490 Alle diese Überlegungen sind natürlich überflüssig, wenn man von der Historizität der ammianeischen Schilderung bis in die Details der Besichtigungstour hinein ausgeht: Dann kam Constantius irgendwann bei seinem Rombesuch auch am Trajansforum vorbei. - Statt des von mir benutzten Verbs „scheitern“ findet sich auch, unter Wechsel der Perspektive, die Interpretation, Rom habe Constantius besiegt, so z.B. bei GRIG/KELLY (2012) 235 Anm. 29, wenn auch in Anführungszeichen: „Kelly also notes, among other topics, the way that Rome ʽdefeatsʼ Constantine, who ist dumbstruck, and mostly by pagan temples.“ [Konstantin statt Constantius muss ein Versehen sein.] Diese Deutung ist natürlich die konsequente Fortsetzung der Deutung, dass Constantius mit einem Heer in Rom einziehe, weil er die Stadt besiegen wolle. Dann wäre der Weggang des Kaisers aus Rom so etwas wie die Flucht eines Besiegten, der Abzug eines Geschlagenen.

211 die rupes Tarpeia, wobei, so wie bei Ammian dieser für den Iupiter Capitolinus steht, diese bei Claudian nicht nur den speziellen Ort am Kapitolshügel meint, sondern den gesamten Hügel. Ammians Anspielung auf die Giganten in den gigantei contextus wird von Claudian dahingehend umgewandelt, dass die Giganten als personifizierte Säulen erscheinen, wäh- rend aber bei Ammian der Vorgang des Mythos, dass die Giganten durch Anhäufen von Steinen den Himmel zu erreichen suchten, nur mit einiger Mühe vielleicht darin gesehen werden kann, dass das Trajansforum als structura und contextus bezeichnet wird, also als etwas planvoll Errichtetes und Zusammengefügtes (was gerade eine Umdeutung der nur auf die Höhe ausgerichteten Tätigkeit der Giganten wäre), wobei das Erreichen des Him- mels (zumindest an dieser Stelle) ausgeklammert ist, wird bei Claudian die menschliche Tätigkeit des Bauens ausdrücklich erwähnt (manus), mit der der Giganten verglichen (cu- mulare) und zusätzlich als die Natur kompensierend hingestellt, womit der ammianeische Gedanke, dass die Höhe der Bauwerke das Streben des Menschen, den Himmel zu errei- chen, symbolisiere, aufgenommen ist, andererseits aber Ammians Warnung, man solle das nicht mehr versuchen, ignoriert wird. Hyperbolische Wendungen bei der Beschreibung der Bauwerke finden sich ebenso bei Claudian, meist in knapperer Form (immanibus; innu- meros), einmal noch gesteigert gegenüber Ammian (mediisque volantibus signa nubibus); die personificatio des Blickes erscheint in acies ebenfalls als Subjekt und konzentriert den sich wiederholenden stupor des Constantius nach Übertragung auf einen allgemeinen Be- trachter (vgl. unpersönliches iuvat in V.44) auf den Glanz der Metalle und des Goldes (die bei Ammian bei den Bauwerken nicht mehr auftreten, weil sie für den Wagen des Constantius „verbraucht“ waren). Ammians miraculorum densitate praestrictus geht unter exakter Beibehaltung der Vorstellung bei Claudian in einen anderen Bereich über, so dass geradezu ein Paradox entsteht (densum stipantibus aethera templis: die hochaufragenden Tempel machen den Äther, ein leichtes, durchsichtiges Element, „dicht“). Abgesehen da- von, dass sowohl bei Ammian als auch bei Claudian es in diesem Bereich nur um das Se- hen geht, sollte man auch die strukturellen Unterschiede nicht übersehen: Während bei Ammian Constantius seine Eindrücke während einer linearen Fortbewegung gewinnt (erst im Trajansforum tritt eine Kreisbewegung hinzu) und als Betrachter immer „unten“ bleibt,491 ist Claudians Betrachter von vornherein in einer erhöhten Position, nämlich auf dem Palatin, also da, wo in der Kaiserzeit das Zentrum des Reiches ist, und fast auf glei-

491 GRIG/KELLY (2012) 34: „Constantiusʼ view, meanwhile, is, in its ovn way, almost too good to be true. This impossibly lofty perspective can be profitably paralleled with the birdʼs-eye view in visual art.“ Ich be- zweifle, dass es sich beim Blick des Constantius wirklich um eine Vogelperspektive handelt (die in der Antike sowieso nur imaginär sein könnte).

212 cher Höhe mit den Heiligtümern (bei Ammian vom Palatin nur ganz beiläufig die Rede; bei Claudian kommt an dieser Stelle Ammians Zentrum, das Forum Romanum, nicht vor.). Da- zu kommt ein weiterer prinzipieller Unterschied, der allerdings nur dann zu erkennen ist, wenn man den Rahmen bei Claudian miteinbezieht: Claudian sagt, dass so wie Delphi nur dann ein besonderer Ort ist, wenn der Gott Apollo dort weilt [und nicht bei den Hyperbo- reern ist], so lebe Rom nur dann wirklich, wenn der Kaiser dorthin komme und auf dem Palatin weile [Das ist nicht ausdrücklich gesagt, aber sicherlich gemeint], und deshalb ist der Glanz, den Rom ausstrahlt, auch vom Glanz des Kaisers abhängig. Bei Ammian ist es dagegen so, dass die Größe Roms vollkommen unabhängig von der des Kaisers ist. Ammi- an wie Claudian gehen also davon aus, dass der Kaiser normalerweise nicht in Rom ist. Während aber bei Ammian der Besuch des Kaisers zu einer Auseinandersetzung mit der Stadt führt, die er besucht, „korrigiert“ Claudian dies, indem er auf vielfältige Weise darstellt, wie die Stadt Rom durch den Besuch des Kaisers gewinnt. Von anderer Qualität ist die Attribuierung der haec decora mit urbis aeternae: Es ist immer schon als auffallend bemerkt worden, dass in diesem Teil der Erzählung allein die Bauwerke für die Roma aeterna ständen, und als Begründung wurde dann angeführt, dass Ammian die Leute, die er in den beiden Romexkursen so scharf kritisiere, nicht gut habe nehmen können, und außerdem sei dies in Ammians ganz nach rückwärts gewandter Weltanschauung begründet.492 Da es bei Roma aeterna, bzw. Urbs aeterna um die Idee, den Mythos geht, andererseits

492 DEMANDT (1965) 116 zitiert in diesem Zusammenhang AUGUST. Sermo 81,9 [PL 38,505]: Roma enim quid est nisi Romani? Non enim lapidibus et lignis agitur, de excelsis insulis et amplissimus moenibus. An dieser Stelle wendet sich Augustinus sicherlich gegen eine Auffassung, nach der Rom nur aus seinen Mauern und Bauwerken besteht (was nach Demandt Teil der Romidee ist). Ob Augustinus Ammian zu den Verfechtern dieser Auffassung gezählt hätte, darüber kann man nur spekulieren. Hier kann man nur feststellen, dass sich das Attribut aeterna vor allem in den Bauwerken materialisiert; dass dies nur ein Teil der Romidee oder des Mythos ist, ist an Junkturen wie Romam ... imperii virtutumque omnium larem (§13) erkennbar; dass aber die Bauwerke, die immobilia, dabei eine gewichtige Rolle spielen, ist verständlich in einer Zeit, in der die Macht und das politische Zentrum einer ständigen translatio unterliegen und offen- sichtlich Bestrebungen im Gange sind, auch die Idee, den Mythos zu verpflanzen. - TURCAN (1983) 25–27 unterscheidet einen in griechisch-römischer Mentalität entstandenen aeternitas-Begriff einer Perpetu- ierung ohne bekanntes Ende (27: „une sorte de perpétuité sans limite connue“) scharf vom Begriff der absoluten Ewigkeit des Christentums (27: „Cette pérennité nʼa strictement rien à voir avec lʼabsolu de lʼéternité chrétienne.“). Ob diese scharfe Scheidung berechtigt ist, steht hier nicht zur Debatte, da bei Ammian urbs aeterna fast schon ein Stereotyp ist und bei Ammian nie auszuschließen ist, dass sein Den- ken auch christliche Einflüsse aufgenommen hat. Für diese Stelle hier (16,10,14 Ende) spielt es auch kei- ne Rolle (anders in §16). Wohl aber scheint es mir wichtig, dass, wenn es nur auf die Perpetuierung an- kommt, es auch ein zwischenzeitliches „Sterben“ und „Wiedergeborenwerden“, also einen zyklischen Verlauf geben kann und, ohne die Perpetuierung zu stören, eine lokale Transformation, und es sogar zu einer translatio imperii kommen kann. Wenn aber Ammian hier von den Bauten und Denkmälern der Ewigen Stadt spricht und nicht umgekehrt von der Ewigkeit der Stadt mit ihren Bauten und Denkmälern, dann scheint gerade eine solche translatio ausgeschlossen, In diesem Sinne wäre dann diese Stelle eine Absage an alle diejenigen, die in Konstantinopel eine Νέα Ῥώμη sehen wollen, aber auch eine Absage an Überlegungen „Rom ist dort, wo der Kaiser ist“.

213 der Schauende ein materielles Objekt haben muss, ist es naheliegend, die Idee der Ewigkeit durch das zu repräsentieren, was aufgrund seiner Erhaltung durch Jahrhunderte am ehesten geeignet ist, nämlich die Bauwerke. Im übrigen ist es nicht so, dass die Menschen in die- sem Zusammenhang nicht vorkommen. Als Grund für Constantiusʼ stupor waren sie in der Erzählung Ammians schon Thema (§§ 5/6), und auch dort geht es allein schon in der Duali- tät senatus – plebs mehr um die Idee, dass Roms Größe in der Kombination senatus popu- lusque Romanus begründet ist, als um eine Beschreibung der den Constantius nach Rom begleitenden Leute. Dieser formal-kompositorische Aspekt scheint zunächst im Widerspruch zu dem zu ste- hen, als was die Reihe der Bauwerke im Erleben und Verarbeiten der Eindrücke in Con- stantius fungiert: Schon zu Beginn der „Besichtigung“, so unterstellt Ammian dem Con- stantius, habe sich bei Constantius der überwältigende Eindruck ergeben, was er gerade sehe, könne nicht mehr übertroffen werden (doch der nächste Eindruck, so muss man her- auslesen, musste zu einer Korrektur dieses Urteils führen, weil etwas noch Herausragende- res folgte; der Grund muss darin gesucht werden, dass auch hier Constantius mit falschen Erwartungen herangeht und nicht die für Rom besonderen Beurteilungsmaßstäbe besitzt, während sie der Erzähler durchaus besitzt: Er vermag die „Wunder“ Roms in eine Ordnung zu bringen (s.o. die Wertigkeit der Attribute493). Damit wird auch der Widerspruch aufge- löst, sofern man zusätzlich auch noch beachtet, dass streng genommen von einer Besichti- gungstour durch die Stadt bei Ammian zunächst nicht die Rede ist494 – Dieser Eindruck stellt sich automatisch ein, wenn man collustrare (§14) mit „besichtigen“ übersetzt, und er ist natürlich auch nicht falsch, wie man aus dem späteren venisset (§15) entnehmen kann; aber die Akzentuierung wird dadurch falsch gesetzt: im Vordergrund stehen allein das Se- hen, Schauen (collustrans – viderat – visio humana) und die Eindrücke und Erlebnisse des Constantius. - Damit dürfte aber auch für diesen Teil der Erzählung klar sein, dass wir aus Ammian für den Besuch des Constantius in Rom nichts erfahren, was man nicht auch sonst hätte wissen können, und gerade diese Stelle, in der sich so vieles findet, was man genau-

493 Dies setzt voraus, sowohl alle Beschreibungsmerkmale der Bauwerke als auch die expliziten wie impli- ziten Wertungen als auktorial anzusehen, nicht als Ansichten, Beschreibungen bzw. Urteile des Constan- tius. 494 Um den Aspekt des Historischen ist die Besichtigungstour erweitert, wenn man wie KOLB (2002) 26 sagt: „Als der christliche Kaiser Constantius II. im Jahre 354 [wohl ein Druckfehler] die Stadt besuchte, besichtigte er sie gewissermaßen wie ein Freilichtmuseum.“ Derselbe Gedanke schon bei ARNALDI (1967) 118, kombiniert mit dem Hinweis, dass, obwohl Ammian in Rom schreibe, er gleichsam wie von außen beschreibe: „Salvo la prospettiva, ché questa Roma assurda e folle non è vista dal di dentro come nellʼAquinate [damit ist Juvenal gemeint], ma dal di fuori, anche se Ammiano Marcellino quelle pagine le scrive a Roma, come in unʼisola strana, un peso morto per lʼ Impero, una specie di museo di tutte le sue glorie (cf. 16,10,1-17)“

214 estens lokalisieren, auch heute noch visualisieren oder verifizieren kann und was wohl des- halb den Eindruck der Authentizität par excellence erweckt,495 enthält in dem, was die Schwerpunkte der Erzählung496 sind (Reaktionen des Constantius; Auswahl, Anordnung und Bewertung der Bauwerke), entweder Aussagen, die selbst ein noch so sorgfältiger Au- genzeugenbericht nicht enthalten hätte497 oder die rein auktoriale Äußerungen498 oder Kon- struktionen sind. Wenn hier bestritten wird, dass es sich hier um die authentischen Eindrücke, Erfahrun- gen, Gedanken und Äußerungen ConstantiusʼII. bei seinem Rombesuch handelt, dann liegt es nahe, zumindest hinsichtlich der Eindrücke und Erfahrungen anzunehmen, dass Ammian selbst sie so oder ähnlich gehabt und gemacht habe, als er nach Rom gekommen ist. So hätte man – sofern man anzweifelt, dass der bei LIBANIOS Epist. 1063 genannte Μαρκελ- λῖνος mit dem Geschichtsschreiber identisch ist – zumindest einen indirekten Beweis dafür, dass Ammian überhaupt in Rom gewesen ist. Allerdings funktioniert dieser Beweis nur dann, wenn man zeigen kann, dass dieses Kapitel (und die beiden Romexkurse) nur

495 KELLY (2003) 599 schreibt genau zu dieser Stelle: "As so often the historian controls his character´s thoughts." und führt in Anm. 53 aus Ammian noch an 20,4,1;22,5,4;25,7,2 und 26,5,11. Er macht keine Aussage dazu, was das für die Historizität bedeutet, aber die Formulierung lässt keinen anderen Schluss zu, als dass zumindest Manipulation im weiteren Sinne vorliegt. - HARTO TRUJILLO (1996–2003) 247: „si leemos sus páginas como hacemos nosotros, nos sentimos espectadores de un drama histórico o de una epopeya en la que aparecen personajes heroicos, cómicos, dramáticos, malvados ...24 Siempre se ha citado en este sentido la descripción de la llegada de Constancio a Roma (XVI,10), una llegada a la que asis- timos y en la que nos sentimos realmente como espectatores que vamos contemplando los gestos y actitu- des del emperador, de la gente que lo recibía, de su séquito, los monumentos por los que iba pasando ...“ 496 Einziges Prädikat des Hauptsatzes ist sperabat (!); die Aufzählung nimmt über die Hälfte des Paragra- phen ein. 497 Ich glaube, dass die Bezeichnung als Sight-seeing-tour (vgl. BLOCKLEY (1980) 33: "What follows (13 – 15) is a tour of the sights of Rome, written by one who had seen them."), vielleicht unbewusst, vor allem auch dadurch bedingt ist, dass man bei SYMMACH. Relat. 3,7 dies viel deutlicher ausgedrückt findet (per omnes vias aeternae urbis laetum secutus (sc. Constantius) senatum vidit placido ore delubra, legit inscripta fastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines est, miratus est conditores.). - Damit ist hier keine Aussage darüber getroffen, ob Ammian die Symmachusstelle gekannt hat. Ich glaube (aufgrund anderer Stellen), dass Ammian die relationes des Symmachus gekannt hat, halte es aber für die Interpretation des Ammiantextes zunächst für irrelevant, über die sogenannte Quellenfrage Aussagen zu treffen. VERA (1980) 120, gestützt auf BARNES (1935) 87, bezweifelt an dieser Stelle Abhängigkeit Ammi- ans von Symmachus (was VITIELLO (1989) 402 Anm. 128 „non dipendenza“ nennt), geht aber nach meiner Meinung von einer falschen Arbeitsweise Ammians aus, die einer Überprüfung nicht standhält: „quando disponeva di tutta una serie di informazioni: le testimonianze dei testimoni oculari, i racconti dei commi- litoni che avevano scortato l´imperatore, resoconti scritti molto dettagliati, tra cui, per esempio, le copie dei minutissimi acta populi e acta senatus.“ - So sehr es die Anschaulichkeit fördert, wenn man versucht, Constantiusʼ Weg(e) durch Rom auf einer Karte einzutragen, so wenig ist damit nach meiner Meinung für die Interpretation Ammians gewonnen. Dies gilt ebenso für den Versuch von Foster (FOSTER, FRANCES: Virgilising Rome in Late Antiquitiy: Claudian and Servius, in: New Voices in Classical Reception Stu- diens 8 (2013) 65-78) 70f., wo aus Servius und Vergil der Weg des Euander und des Aeneas vom Tiber zur regia des Euander und aus Claudian der Weg des Honorius beim adventus in Rom rekonstruiert und auf Karten veranschaulicht sind. 498 So vor allem für den so wichtigen stupor des Constantius öfter angenommen, vgl. z.B. NOY (2000) 32: "perhaps a reference to the impression which Rome made on Ammianus himself rather than on Constan- tius."

215 jemand geschrieben haben kann, der selbst in Rom gewesen ist. Wie es damit für die Rom- exkurse steht, bedürfte einer nochmaligen Untersuchung. Aus Kapitel 16,10 kann nach meiner Meinung der Nachweis nicht zwingend erbracht werden.499 Für die Interpretation ist das meines Erachtens auch nicht wichtig, höchstens wäre Ammians Arbeitsweise sehr er- schwert gewesen, weil die Befragung von Augenzeugen in Rom, die Einsichtnahme in die acta diurna und die Arbeit im Tabularium entfallen wären (wobei ich auch hier bezweifle, dass Ammian regen Gebrauch davon gemacht hat), und die weißen Stellen in Ammians Biographie würden noch umfangreicher.

2.5.6 Constantius und das Forum des Trajan: Trotz der Kapiteleinteilung (sowohl im Ammiantext als auch in dieser Arbeit) und trotz der Andeutung einer Fahrt, die jetzt ein neues Besichtigungsobjekt erreicht hat, muss der Besuch des Trajansforums in engstem Zusammenhang mit dem vorhergehenden Blicken und Staunen des Constantius gesehen werden. Nach dem konventionell klingenden Satz mit der Angabe des nächsten Objekts weicht Ammian schon bei der Apposition, mit der er das Trajansforum belegt, in ungewöhnlicher Weise von der Form eines reinen Berichtes ab, indem er ein Werturteil über dieses Bau- werk gibt, das in dieser Form – singularem vorangestellt (!) - keinen Zweifel lässt, wie hoch er dieses Bauwerk einschätzt. Warum aber sollte er dieses Werturteil sofort danach durch ut opinamur wieder abschwächen?500 Dagegen ist es verständlich, dass Ammian die folgende Attribuierung – die im übrigen durch den Perspektivenwechsel sub omni caelo (Ammian sagt nicht ubique terrarum) schon angedeutet ist -, nämlich dass das Trajans- forum „bewundernswert auch wegen der Zustimmung der Götter“ sei, als seine Meinung kennzeichnet. Ut opinamur gehört also zum zweiten Attribut. Natürlich wüsste man gern, woraus Ammian die Zustimmung der Götter zu diesem Bauwerk abliest.501 Wie schon auf dem Forum Romanum, so kann auch jetzt der Kaiser nicht mehr weiter- gehen – Bewegung gibt es nur noch in seinen Augen, bzw. in seinem Inneren -, wobei Ammian in der Beschreibung des gleichen Vorgangs (Stehenbleiben) aufgrund der gleichen Einwirkung des Geschauten (stupor) sprachlich gegenüber der früheren Stelle steigert, indem er haerebat hinzufügt und in attonitus einen weitaus stärkeren Ausdruck wählt als

499 Roselles pointierte Formulierung (ROSELLE (1976) 28f. „Rome did not disappoint his [gemeint ist Am- mian] aspirations (16. 10. 14-17); its inhabitants did (14. 6. 18)“) bietet zwar eine in ihrer Kürze unüber- treffliche Erklärung für den (scheinbaren) Widerspruch zwischen Romexkursen und 16,10, aber sie basiert auf der Annahme, man könne auch aus Stellen der Res gestae, in denen direkt nicht von Ammian die Rede ist, die weißen Stellen in Ammians Biographie etwas verkleinern. 500 So SEYFARTH 1,179 durch vorangestelltes „Nach unserer Meinung“. Ebenso ROLFE (1935) 251. 501 So richtig DE JONGE (1972) 132 "admirable also on the basis of the evident approval of the gods"; GALLETIER (1968) 167 „à mon avis admirable“; VEH (1974) 113.

216 vorher mit praestrictus (in §17 wird dies in multis ... cum stupore visis horrendo noch einmal gesteigert).502 Erneut ist damit für Ammian ein Anlass gegeben, den Auslöser dieses Zustandes, das Trajansforum, zu beschreiben; das geschieht wiederum in ungewöhnlicher Form: abgesehen davon, dass formal und inhaltlich alle Elemente der ersten Beschreibung, wenn auch variiert und teilweise gesteigert, wiederkehren (Traiani forum ersetzt durch den Plural giganteos contextus; structura durch contextus; das vorangestellte Attribut singula- rem durch das vorangestellte giganteos, das nachgestellte mirabilem durch nachgestelltes nec effabiles nec ... appentendos; sub omni caelo klingt an in dem Poetismus mortalibus usw.), so ist das letzte Attribut nec rursus mortalibus appetendos nicht nur wieder ein auk- toriales Werturteil, sondern es enthält zudem einen auktorialen Imperativ (oder Prohibi- tiv): „die von Sterblichen nicht angestrebt werden soll(t)en“, vielleicht sogar „die von Sterblichen nicht angestrebt werden dürfen“. Wer ist Ammians Quelle für den stupor des Constantius? Jemand, der im Jahre 357 Augenzeuge gewesen ist und ca. 25 bis 30 Jahre später Ammian in Rom davon erzählt hat, und zwar vor allem auch vom stupor des Constantius? Das ist nicht auszuschließen.503 Ammians Zutat mochte dann die besondere Betonung der Intensität des stupor sein, indem

502 In diesem durch Schauen hervorgerufenen stupor hat man das wichtigste Bindeglied zum vorher- gehenden Text: Dieses Paar schon bei der ersten Begegnung noch vor den Toren mit der für Ammian typischen distributio, indem contemplans für den Senat und stupebat für die Plebs gewählt ist (§§ 5/6), aber komplementär zu verstehen ist. Dann auf dem Forum sich fortsetzt (§13 obstipuit und quo se oculi contulissent) und hier zu seinem vorläufigen Höhepunkt kommt. - Daneben ist der Anschluss über die Bauwerksreihe gegeben: Jupitertempel – Antiklimax – Trajansforum, und schließlich über verum: Obwohl Constantius jedesmal glaubte, jetzt gebe es kein Überbieten mehr, trat dies beim Erreichen des Trajans- forums doch wieder ein. 503 So die communis opinio; stellvertretend seien hier genannt: MOREAU ( in RAC) „Vom 28. April / 29. Mai 356 besuchte Constantius zum ersten Male die Stadt Rom. Diese Reise machte Epoche. Die ˏWunder Romsˊ machten auf den nüchternen Constantius einen großen Eindruck u. bewogen ihn zur Gewährung der alten Privilegien heidnischer Kulte (Amm. Marc. 16,10,13/20; Symmach. rel. 3,7,28f. Seeck)“; BAUER (1996) 129: „Es ist bezeichnend, wie sehr bei Konstantius II. und seinen Begleitern der von den Planern dieses Kaiserforums intendierte Effekt zum Tragen kam. Sie waren beeindruckt durch die gewaltigen Ausmaße des Trajansforums und bemerkten auch sofort das zentrale Reiterstandbild Trajans [...]. Dar- überhinaus faßte Konstantius II. sofort den Plan einer Imitation: offensichtlich entsprach das trajanische Monument den in der Spätantike geltenden Kriterien herrscherlicher Selbstdarstellung.“; COARELLI (2000) zum Trajansform: „Das Ergebnis dieser Unternehmung [gemeint ist der Bau des Trajansforums] war so außerordentlich, daß man noch zweieinhalb Jahrhunderte später die Anlage bewunderte. Als Constantius II. 357 nach Rom kam, das seine Hauptstadtfunktion längst an Konstantinopel abgegeben hatte, erregte das Trajansforum seine Bewunderung. Vor allem die Reiterstatue in der Mitte des Platzes beeindruckte ihn so sehr, daß er erwog sie als Vorbild für seine eigene Statue zu benutzen, die in Konstantinopel aufge- stellt werden sollte.“ SEELENTAG (2004): „Diese Passage soll dem folgenden Kapitel voranstehen, denn sie reflektiert wie kaum ein anderes Zeugnis die Ehrfurcht eines antiken Betrachters [gemeint ist Constantius II.] angesichts dieser gewaltigen Anlage.“ - Bei der von mir vorgeschlagenen Deutung dieser Stelle ent- fällt natürlich der von Moreau vorgeschlagene Kausalnexus, dass nämlich aufgrund dieses Staunens Con- stantius seine antipagane Gesetzgebung geändert habe. Moreaus Behauptung jüngst spezifiziert bei CONTI (2009) 286: „Costanzo, che nel 356 aveva emanato editti contro i sacrifici e per la chiusura dei templi36, contemplò ammirato i monumenti pagani della capitale37, si occupò addirittura di affidare cariche sacer- dotali a eminenti cittadini38. La visita a Roma non segnò però , come è stato spesso sostenuto, un cambia- mento nella politica religiosa di Costanzo (che in seguito non emise più leggi contro i pagani).“

217 eigene Erlebnisse und Erfahrungen des Autors mit einflossen504. Mir scheint eine andere Erklärung näher zu liegen: Dass ein Wunder Staunen (oder Erschrecken) hervorruft, weil es über den gewöhnlichen Menschenverstand hinausgeht, und damit auf göttliche Einwir- kung oder Herkunft schließen lässt, ist ein Topos der Aretalogie505, schon in klassischer Zeit in vielfältiger Form verwendet, z.B. in der im Kommentar zitierten Stelle aus Metamorphosen, in der der Staunende nur irgendein Akteur in der Geschichte ist, und schon vorher in der ebenfalls zitierten Stelle aus Vergils Äneis, wo der stupor, wie bei Am- mian, beim Hauptakteur ausgelöst wird, zwar nicht allein durch ein Bauwerk, aber durch Abbildungen an dem hervorstechenden Bauwerk der Stadt, einer Stadt, in der Äneas als Fremder und Flüchtling ankommt, wie denn auch Ammian Constantius zumindest zeitwei- lig wie einen Fremden in der Stadt Rom erscheinen lässt506. Im folgenden setzt Ammian beim Leser als selbstverständlich bekannt voraus, dass imperiale Bau- und Kunstpolitik darauf zielt, zum Glanz der bedachten Stadt beizutragen, aber vor allem zum Ruhme des Kaisers, dass auch Constantius nach Rom gekommen ist, um ein Bauwerk zu hinterlassen, das zu seinem Ruhme beiträgt, und dass er alle Vorgänger zumindest in einer Hinsicht übertreffen möchte (so auch das Trajansforum in der Reihe der Kaiserfora aufzufassen).507 Ammian unterstellt nun dem Constantius, er habe vorgehabt, das Trajansforum zu überbieten (zu erschließen aus dem Abl. abs. omni spe ... deiecta), obwohl er hätte erkennen müssen, dass wegen der Einzigartigkeit des Bauwerks auf Erden, das zudem den Segen der Götter hat, Menschen gar nicht erst versuchen sollten (oder dürften)508, es nachzuahmen, weil das – das spricht Ammian nicht aus! - Hybris wäre. Viel- leicht aufgrund einer gewissen Einsicht (circumferens mentem), hauptsächlich aber auf- grund der durch den überwältigenden sinnlichen Eindruck eingetretenen Erstarrung „re- duziert“ Constantius seinen ursprünglichen Plan509 („reduziert“ in Anführungszeichen, weil

504 Vgl. FONTAINE (1969) 423: „Lʼémerveillement de Constance dans sa visite à Rome se charge sans doute la ferveur éprouvée par Ammien lui-même.“ 505 Vgl. dazu HARTKE (1951(1972)) 26 mit dem Hinweis auf R. Reizensteins Abhandlung Hellenistische Wundererzählungen. 506 Zu Vergil bei Ammian vgl. HAGENDAHL (1921) 1–15 im Kapitel de Ammiano Vergilii imitatore; BAEHRENS (1925) 69–70; HARTKE (1951) 75f.; 87–90; KELLY (2004) 13–30; 296–298; O´BRIEN (2006) passim. 507 Vgl. dazu MAYER (2002) 17; für die Kaiserfora in Rom vor allem P. ZANKER, Der Kaiser baut fürs Volk, Opladen (1997) 37ff. - Dass auch die Errichtung des Obelisken im Zirkus Maximus Übertreffen der Vorgänger vor Ort bedeutete, ist daraus ersichtlich, dass z.B. Augustus einen kleineren Obelisken auf dem Euripus der Rennbahn hatte aufstellen lassen, vgl. MAYER (2002) 204. 508 So auch SABBAH (1979) 29 „ne doivent pas chercher à reproduire“. - Meist wird das Gerundiv nur ohne das modale Moment übersetzt, vgl. z.B. FONTAINE (1969) 422: „à travers ces constructions gigantesques qui défient la description et que les hommes ne chercheront plus à reproduire“. Ich glaube, dass dadurch verloren geht, dass der Autor auch hierin dem Kaiser an Wissen und Einsicht voraus ist (Selbstbewusst- sein Ammians (!)). 509 Ähnlich STENGER (2012) 197 Anm. 41: „Constantius [...]lässt den Plan, etwas dem Trajansforum Ver- gleichbares zu errichten, fallen“. In der unmittelbaren Fortsetzung („und beschränkt sich darauf, im Cir-

218 man zeigen kann, dass der Verzicht, den Gesamtkomplex zu kopieren und die Beschrän- kung auf das Reiterstandbild nur scheinbar eine Reduktion darstellt), wobei Constantiusʼ Aussagen ... imitari se velle et posse fast wie in einer Trotzreaktion gesprochen klingen.510 Um die sich anschließende Szene mit Hormisdas verstehen zu können, muss man an- nehmen, dass der Plan des Constantius, das Trajansforum nachzubauen, seinem Gefolge nicht bekannt war – bei Ammian ist nicht davon die Rede, dass er den Plan verkündet, son- dern nur, dass er sofort beim Anblick des Trajansforums jegliche Hoffnung aufgibt -, und man muss zunächst erklären, warum die Absicht, das Reiterstandbild nachzuahmen511,

cus Maximus einen Obelisken aufzustellen“) ist der Plan, das Reiterstandbild nachzuahmen, übergangen. 510 Auch an dieser dem Constantius in den Mund gelegten Bermerkung kann man erkennen, wie wenig Ammian an bestimmten Stellen sich um die Historiziät gekümmert hat: In der Nähe der Curia gab es im Jahr 357 schon ein monumentales Reiterstandbild des Constantius (vgl. Kommentar zu §15). Wenn man sicher sein kann, dass das Standbild des Trajan zu Ammians Zeiten noch vorhanden war, dann gibt es keinen Grund, warum dies für das des Constantius nicht gegolten haben sollte. Die Basisinschrift beweist, dass es ebenfalls den Sieg über Magnentius verherrlichen sollte. Dann aber wäre es wenig originell gewe- sen, dies durch ein weiteres Reiterstandbild noch einmal zu tun; da ist die Idee mit dem Obelisken wirk- lich origineller. 511 Im Kommentar zu 16,10,15 sind zwei weitere Stellen aus Ammian angegeben, an denen von dem Wunsch, bzw. dem Streben, jemanden nachzuahmen, die Rede ist. In diesen Fällen muss man annehmen, da es sich um ein bewusstes Nachahmen handelt, dass der Nachahmende sein Objekt kennt, d.h. dass Julian gewusst hat, auf welchem Weg Silvanus vorgegangen ist, und dass Maximinus gewusst hat, wie die Brahmanen schreiten oder tanzen. Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, dass Julian genau am selben Ort in der genau gleichen Schwierigkeit wie Silvanus gewesen ist und Silvanusʼ Unternehmungen über- haupt bis in solche Einzelheiten hinein studiert hat, aber beides ist möglich. Im Falle des Maximinus je- doch dürfte es sich um eine von Ammian konstruierte und dem Maximinus nur unterstellte imitatio han- deln. Dies dürfte auch für die zahlreichen Stellen gelten, an denen Ammian die Nachahmung als eine historische Tatsache schildert (vor allem an den Stellen, an denen das ppp imitatus erscheint: 14,6,25; 14,9,6;16,12,41 ((Julian) imitatus veterem Sullam; 21,9,2: (Julian) imitatus egregium illud Cyri veteris dictum; 22,16,16;24,4,27 ((Julian) Alexandrum imitatus et Africanum); 26,3,4;27,7,7;28,1,46 (Busirim ve- terem et Antaeum imitatus et Phalarim); 29,1,39), besonders wenn der oder das Nachgeahmte ausdrück- lich als in weitem zeitlichen Abstand zur Gegenwart sich befindet. Damit aber ist das nachahmende Han- deln nichts anderes als ein sich an exempla orientierendes Handeln und letztlich ein ahistorisches Element in Ammians Geschichtsschreibung, durch das es Ammian jedoch gelingt, Konstanten über Zeiten und Räume hinweg in der Geschichte zu veranschaulichen. Da es jedoch dazu nicht erforderlich wäre, be- stimmte Handlungen in Nachahmungshandlungen zu verwandeln, muss eine weitere Intention Ammians hinzukommen. Da es Ammian sicherlich nicht nur darum geht, die eigene Fähigkeit herauszustellen, Zusammenhänge und Ähnlichkeiten zu erkennen oder Konstanten menschlichen Handelns zu zeigen, dürfte es Ammian auch darum gehen, die Anschaulichkeit durch Dramatisierung zu steigern. Damit unter- scheiden sich manche der oben aufgeführten Stellen nicht von solchen, an denen Gegenstände oder gar Abstrakta personifiziert nachahmen, auch wenn es nur um Ähnlichkeiten geht (14,1,9: ubi (in Antiocheia) pernoctantium luminum claritudo dierum solet imitari fulgorem; 17,4,7: (vom nach oben sich verjüngen- den Obelisken) utque radium imitetur, gracilens paulatim; 30,4,10: horum obstinatione libertatem temeri- tas, constantiam audacia praeceps, eloquentiam inanis quaedam imitatur affluentia loquendi). Damit aber lohnt es nicht, zu untersuchen, ob tatsächlich einmal ein bewusstes Nachahmen vorgelegen hat. Bezogen auf die hier vorliegende Stelle vom Aufenthalt des Constantius im Trajansforum heißt das aber: Selbst wenn hier die Absicht des Constantius, das Pferd des Trajan nachzuahmen, unbezweifelbar scheint, da Constantius sie vor genügend Ohrenzeugen geäußert hat und das Objekt der Nachahmung durch genü- gend Augenzeugen gesichert ist, so dürfte die sonstige Verwendung von imitari und imitatus durch Ammian es nahelegen, dass diese Absicht des Constantius eine Konstruktion Ammians ist. Im übrigen gibt es eine Stelle in den Res gestae, an der Ammian dies noch weiter treibt, indem er behauptet, in einem Falle habe Julian nur geglaubt, er ahme etwas nach, bzw. jemanden nach, während Ammian dann nach- weist, dass dies ein Irrglaube war (22,5,4: (Julian) saepeque dictitabat: "Audite me, quem Alamanni audi- erunt et Franci" imitari putans Marci principis veteris dictum.

219 nicht wirklich eine Reduzierung darstellt: Der equus Traiani steht mitten auf dem Forums- platz512 im Freien, so als sei der von gedeckten Räumen umgebene Platz das offene Atrium eines Hauses.513 Wenn Hormisdas vorschlägt, Constantius solle zunächst den Bau eines Stalles in Auftrag geben, und zwar eines solchen, (ut) late succedat, ut iste quem videmus, dann faßt er die das Atrium umgebenden Gebäude, also vor allem die Basilica Ulpia in despektierlicher Form als den Stall für das Pferd auf, das aber im Freien stehen muss, weil es in diesen Stall nicht hineinpasst. Succedere heißt nicht „ausschreiten“514, und late mit „reichlich“ wiederzugeben, ist sehr gewagt.515 Vielmehr ist ein Stall ein Gebäude mit Dach, somit ist gemeint, dass der Stall so weit sein muss, dass das Pferd, wenn es denn gehen könnte, in seiner ganzen Breite unter dieses Dach daruntergehen könnte, während der „Stall“ für das Trajansforum in dieser Hinsicht zu klein ist, in der Disproportionalität für Hormisdas somit ein Mangel des Trajansforums vorliegt. Genau darin aber liegt für Hor- misdas der Ansatzpunkt, wie Constantius ein Überbieten schaffen könnte. Zunächst jedoch noch einmal zurück zur angeblichen Reduzierung: Die letzten im Trajansforum durchge- führten Grabungen haben ergeben, dass man die Fundamentgrube für den equus Traiani in- zwischen lokalisieren kann und auch die Ausmaße des Fundamentrechtecks rekonstruieren kann. Daraus und aus einem Vergleich mit der Reiterstatue des Marc Aurel ergibt sich, dass das Standbild bis zur Scheitelhöhe des Reiters einschließlich Postament ca. 11,5m hoch war und damit zur Zeit der Aufstellung alle Reiterstandbilder weit übertraf. Somit enthält Constantiusʼ Wunsch, dieses Standbild zu kopieren, keine Reduzierung.516 Dass dieser Plan dennoch nicht nur Ausführung kommt, dass Hormisdas, offensichtlich unberührt von stupor und mit scharfem Blick für einen „Mangel“ des trajanischen Bauwerks, daraus die oben genannte Möglichkeit herleitet, somit das vorschlägt, was Constantius nicht mehr für möglich hält, liegt daran, dass für Constantius die Entscheidung schon gefallen war. Damit

512 Archäologische Untersuchungen haben ergeben, dass dies nicht ganz stimmt: Er stand auf der Achse, die durch Eingangshalle – Forum – Basilica – Trajanssäule gebildet wird, etwas nach Südosten verschoben, bildete aber immer noch das optische Zentrum des Platzes. 513 BLOCKLEY (1980) 36: "Note the unusual use of atrium here." 514 Es hilft auch nichts, wenn man wie BLOCKLEY (1980) 36 behauptet, es sei "military terminology = inva- dat, progrediatur". - Nach EDBROOKE (1975) 415 fordere Hormisdas Constantius auf diese Weise dazu auf, seine militärischen Anstrenungen nach Osten gegen Persien zu richten. Eine solche Interpretation lässt sich zwar aus der dem Hormisdas unterstellten Absicht, im Falle eines römischen Sieges König in Persien zu werden, begründen (Eigeninteresse (!)), hat aber absolut keinen Bezug zum Trajansforum. Das heißt nicht, dass der Gegensatz Römisches Reich – Persien bei Ammian keine Rolle spiele, im Gegenteil, er ist eines der die Res gestae durchziehenden Hauptmotive [vgl. MARY (1995) 668–672: „La Perse et Rome, lʼespace – temps de contentieux“], aber eben nicht an dieser Stelle. 515 So WITTCHOW (2001) 303 Anm. 228; SEYFARTH 1, 179 übersetzt wörtlich mit „breit“ und trifft auch inso- fern den Sinn, als der Stall dem Pferd Platz geben muss, liegt aber bei succedere falsch, obwohl es gerade auf die Junktur late succedat ankommt. 516 Nur gegenüber dem eigenen ursprünglichen Plan, von dem aber die Zuhörer nichts wissen.

220 aber sind, ohne dass Ammian dies noch eigens erwähnen müsste, beide Projekte gestorben, weil Forumsbauten und Reiterstandbild so aufeinander bezogen sind, dass das eine ohne das andere keinen Sinn ergäbe.517 Es bedarf noch einer Erläuterung, warum vor der eigentlichen Szene Hormisdas mit einem relativ umfangreichen Rückverweis versehen wird und worin sein astus gentilis be- steht: Abgesehen davon, dass der Rückverweis dazu dient, die Glaubwürdigkeit der folgen- den Geschichte zu erhöhen (Hormisdas als schon bekannte historische Figur) – im übrigen meiner Meinung nach ein Indiz dafür, dass sich Ammian der Fiktionalität durchaus be- wusst war -,518 soll zunächst einfach ein Hinweis darauf gegeben werden, was mit gentilis gemeint ist, nämlich Herkunft aus Persien; aber wenn astus als Eigenschaft einer Person Schläue ist, deren Ergebnis eine List, bzw. ein Trick ist, mit dem der betreffende täuschen will, dann ist das sicherlich keine exklusiv persische Eigenschaft; vielmehr ist Distanz zu Rom samt all seinen Einrichtungen, Menschen und seiner Geschichte erforderlich, um in Rom, im Kreise hochstehender „Römer“ das Trajansforum als Stall zu bezeichnen und sich sarkastisch über die Römer zu äußern. Die Schläue aber liegt darin, dass Hormisdas zu succedat das Adverb late hinzufügt: Der gesamte Bericht Ammians ist darauf angelegt, zu zeigen, dass für Constantius, der nach Rom gekommen ist, um seine Überlegenheit zu zei- gen, die sich am besten in der Errichtung eines an Höhe alle anderen übertreffenden Bau- werkes zeigen könnte, zumindest in Rom der Weg nach oben objektiv versperrt ist (vgl. die immer wiederkehrende Betonung der Höhe in der Reihung). Hormisdas hat das begriffen und glaubt mit einem Bauerntrick [Wenn es mit der Höhe nichts ist, dann gehen wir eben in die Breite.] diese objektiven Hindernisse aushebeln zu können und damit gleichzeitig noch ein nützlicher Ratgeber zu sein. Hormisdasʼ Vorschlag, sorgfältig jedes Wort des Constantius aufnehmend (Relativsatz qui ... vehit ≈ Relativsatz quem ... disponis; velle ≈ disponis; posse ≈ si vales; Ort in atri medio ≈ Ort stabulum), aber das Objekt ersetzend, ge- tarnt als ein das Ausmaß des Strebens des Constantius wohl ins Kalkül ziehender Vor- schlag eines Mannes, der doch darum weiß, dass er für Constantius nicht durchführbar ist.519

517 Dass Hormisdas von dieser Einsicht ausgeht, zeigt ante als erstes Wort seiner Antwort. 518 CAMERON (1989) 428 gibt einen formalen Grund an ("He positioned his digressions artfully, not only to decorate or diversify his narrative, but to build suspense or mark a change of scene or theme."). 519 Ich bin der festen Überzeugung, dass auch die folgende Antwort des Hormisdas auf die ihm im Fol- genden gestellte Frage nicht der Kommentar eines Außenstehenden zum Thema „Ewiges Rom“ ist, son- dern auch mit der vorhergehenden Äußerung zu tun hat, gestehe aber, dass ich die Verbindung bisher nicht gefunden habe. Auffallend, dass die Kommentare und Übersetzungen keinen Aufschluss geben: Einzig VIANSINO (2001), 289 fügt hinter „gli uomini“ in eckigen Klammern ein „che non sono dei come ci si spetterebbe dai palazzi di Roma“, d.h. er notiert eine Diskrepanz zwischen den Bauwerken und deren Bewohnern. Das hat mit der Roma aeterna zu tun, liefert aber nicht den Zusammenhang mit dem Forum Traiani. - Der Eindruck, hier sei ein Bruch in der Geschichte, wird verstärkt durch den Übergang in die indirekte Rede. EDBROOKE (1975) 416 hat dafür eine Erklärung ("and he may not have had a direct witness

221 Wohl niemand wird heute noch den anekdotischen Charakter dieses Teils der Erzählung bestreiten; dennoch möchte ich anhand von zwei Punkten versuchen nachzuweisen, dass auch einige der „Ingredienzien“ der Anekdote, die man in der Regel für historisch hält, Konstruktionen Ammians sein dürften: a. In der Anekdote geht Ammian davon aus, Con- stantius sei mit der Absicht nach Rom gekommen, ein Bauwerk zu hinterlassen, mit dem er das Trajansforum übertreffen könne, also ebenfalls eine solche Anlage zu errichten.520 Nur durch den stupor und die erst vor Ort gewonnene Erkenntnis, dass dies gar nicht möglich

to this statment, which may have been made at a different time, and so did not quote directly"; im übrigen ein bisschen inkonsequent, da EDBROOKE (1975) 412 gesagt hatte, Ammian könne diese Gespräche auch erfunden haben.); dies setzt aber voraus, dass tatsächlich ein solcher Austausch spitzer Bemerkungen stattgefunden hat (und bezeugt ist (?)). - Unterstellt man, dass Ammian manchmal rein assoziativ ver- führe, könnte man auch hier noch einmal EDBROOKE (1975) 416 anführen: "that the eastern officer could be impressed by Rome´s grandeur but not so impressed by Rome´s inhabitants." Aber wo steht, dass Hor- misdas ähnlich beeindruckt ist wie Constantius? - Die hier vorgelegte Deutung der Geschichte geht zwar auch davon aus, dass Ammian mit dieser Geschichte mehr sagen will, als der bloße Wortlaut hergibt, vermeidet es aber, mit verschiedenen Deutungsebenen zu arbeiten, bzw. sie rein symbolisch aufzufassen; und sie enthält implizit auch die Abweisung bestimmter Deutungen anderer. Dazu sei hier, weil es mir für die Interpretation der Res gestae wichtig zu sein scheint, einiges aufgeführt: a. WITTCHOW (2001) 302 „An- gesichts der Großartigkeit der Traiansforen muß Constantius seinen Wunsch, sich mit einem ähnlich ehr- geizigen Bauprojekt zu verewigen, aufgeben. Seine Absicht, wenigstens das Pferd der Reiterstatue ̔nach-schaffen̕ zuwollen,wirktnurnochlächerlich.DieseLächerlichkeitgibteinenHinweisaufdieinnereLo-gikderAnekdote.“WittchowsiehtindemLächerlichmachendesConstantiusintegralenBestandteilAnekdorte.Ergehtdavonaus,dassdasPferdohnedenReitermeine(siehedazuAusführungenoben).IndiesemFallekönntemanvielleichtvonsprechen;dannaberistweitereDeutung(303),erauchaneinerimitatioTraianischeiternlasse,hinfällig.Imübrigenhoffeich,obengezeigthaben,SchaffungReiterstatuewieequusnichtslächerlichUnbedeutendesdarstellt.Dazugiltesbedenken,Ammian,wennetwasoderjemandenmachenwill,diesRegelsagt,seidennganzeGeschichteträgtsatirischeZüge,wasbeidiesernirgendsFallist.DassEinziehenKopfesbeimDurchfahrenToressogedeutethat(Hartke„derKnirpsConstantius“)meinerMei-nungnachebenfallsSachevorbei,scheinthierFortsetzungbeigetragenhaben.-b.Kelly(2003)601:"andHormisdasishintingatfuturevictories.Underthecloakofhisadulation,hepressesforownends:promotionConstantinopleandaggressionRomanpolicytowardsPersia."GemeintmitBemerkungHormisdas,solleerstStallfürbauen.Miteindirek­terBezugzumVerhältnisrömischenReichesimJahre357Persiengegeben;außerdemwürdeJuliansPerser­feldzugalsDenkenHor-misdasentsprechendeVerhalteneinzuschätzenseinundsomitindirektgerechtfertigt.Diessetztallerdingsvoraus,TrajansforumTeilRömischenauffasst,Trajanhinzugewonnenhatte,entsprechendInterpretationKellys,AmmiangesamtenAb-schnittvomTheodosiusʼBaupläneKonstantinopelziele,bedeutenwür-de,Konkurrenzprojekterrichtenwäre.Erstereserscheintmirkompliziert,umwirklicherkanntwerden,müsste nach- schaffen ̔nach-schaffen̕ zu wollen, wirkt nur noch lächerlich. Diese Lächerlichkeit gibt einen Hinweis auf dieinnereLo-gikderAnekdote.“WittchowsiehtindemLächerlichmachendesConstantiuseinenintegralenBestandteilAnekdorte.Ergehtdavonaus,dassdasPferdohnedenReitermeine(siehedazuAusführungenoben).IndiesemFallekönntemanvielleichtvonLächerlichkeitsprechen;dannaberistweitereDeutung(303),erauchaneinerimitatioTraianischeiternlasse,hinfällig.Imübrigenhoffeich,obengezeigtzuhaben,SchaffungReiterstatuewieequusnichtslächerlichUnbedeutendesdarstellt.Dazugiltesbedenken,Ammian,wennetwasoderjemandenmachenwill,diesRegelsagt,seidennganzeGeschichteträgtsatirischeZüge,wasbeidiesernirgendsFallist.DassEinziehenKopfesbeimDurchfahrenToressogedeutethat(Hartke„derKnirpsConstantius“)meinerMei-nungnachebenfallsSachevorbei,scheinthierFortsetzungbeigetragenhaben.-b.Kelly(2003)601:"andHormisdasishintingatfuturevictories.Underthecloakofhisadulation,hepressesforownends:promotionConstantinopleandaggressionRomanpolicytowardsPersia."GemeintmitHinweisBemerkungHormisdas,solleerstStallfürbauen.Miteindirek­terBezugzumVerhältnisrömischenReichesimJahre357Persiengegeben;außerdemwürdeJuliansPerser­feldzugalsDenkenHor-misdasentsprechendeVerhalteneinzuschätzenseinundsomitindirektgerechtfertigt.Diessetztallerdingsvoraus,TrajansforumTeilRömischenauffasst,Trajanhinzugewonnenhatte,entsprechendInterpretationKellys,AmmiangesamtenAb-schnittvomaufTheodosiusʼBaupläneKonstantinopelziele,bedeutenwür-de,Konkurrenzprojekterrichtenwäre.Erstereserscheintmirkompliziert,umwirklicherkanntwerden,müsste̔nach-schaffen̕wollen,wirktnurnochlächerlich.DiesegibtLo- gik der Anekdote.“ Wittchow sieht in dem Lächerlichmachen des Constantius einen integralen Bestandteil der Anekdorte. Er geht davon aus, dass Constantius das Pferd ohne den Reiter meine (siehe dazu die Ausführungen oben). In diesem Falle könnte man vielleicht von Lächerlichkeit sprechen; dann aber ist die weitere Deutung (303), dass er Constantius auch an einer imitatio Traiani scheitern lasse, hinfällig. Im übrigen hoffe ich, oben gezeigt zu haben, dass die Schaffung einer Reiterstatue wie des equus Traiani nichts lächerlich Unbedeutendes darstellt. Dazu gilt es zu bedenken, dass Ammian, wenn er etwas oder jemanden lächerlich machen will, dies in der Regel auch sagt, es sei denn die ganze Geschichte trägt satirische Züge, was aber bei dieser Geschichte nirgends der Fall ist. Dass man auch das Einziehen des Kopfes beim Durchfahren des Tores so gedeutet hat (Hartke „der Knirps Constantius“) geht meiner Mei- nung nach ebenfalls an der Sache vorbei, scheint aber hier zu dieser Fortsetzung beigetragen zu haben. - b. KELLY (2003) 601: "and Hormisdas is hinting at future victories. Under the cloak of his adulation, he presses for his own ends: the promotion of Constantinople and aggression in Roman policy towards Persia." Gemeint ist mit dem Hinweis die Bemerkung des Hormisdas, Constantius solle erst einen Stall für das Pferd bauen. Mit dieser Deutung ist ein direkter Bezug zum Verhältnis des römischen Reiches im Jahre 357 zu Persien gegeben; außerdem würde Julians Perserfeldzug dann als das dem Denken des Hor- misdas entsprechende Verhalten einzuschätzen sein und somit indirekt gerechtfertigt. Dies setzt allerdings voraus, dass man das Trajansforum als den Teil des Römischen Reiches auffasst, den Trajan in Persien hinzugewonnen hatte, und entsprechend der Interpretation Kellys, dass Ammian mit dem gesamten Ab- schnitt vom Trajansforum auf des Theodosiusʼ Baupläne in Konstantinopel ziele, was aber bedeuten wür- de, dass das Konkurrenzprojekt zum Stall in Konstantinopel zu errichten wäre. Ersteres erscheint mir zu kompliziert, um wirklich erkannt zu werden, außerdem müsste man bei Ammian eine recht lückenhafte Kenntnis der Geschichte annehmen, oder bewusste Ausblendung der Tatsache, dass Trajans Eroberungen in Persien kurz danach wieder verloren gegangen sind (im Gegensatz zum Bauwerk); letzteres kollidiert mit den Rahmenbedingungen der Geschichte: es geht um das, womit Constantius sich in Rom verewigen will. - c. EDBROOKE (1975) 415 "The words astu gentili may be a signpost that more is meant by Ammia- nus in recording this conversation than just a sarcastic comment on the population of Rome. The emperor was to return to the East and to continue his policy of frequently using eastern or love-born officials in high officies in the Empire. In spite of some attempts at reconciliation with the western aristocracy, the outcome of the 357 visit to Rom was a continuation of Constantius´primary concern with the East and Constantinople." - Das mag im großen und ganzen im Hinblick auf Constantius richtig gesehen sein (ob- wohl dieser den Westen des Reiches mit einem Mann mit dem höchstmöglichen Rang eines Cäsar „ver- sorgt“ hatte und während der Zeit des Gallus die Gewichtung umgekehrt gewesen war), und kann auch gut als Denkart eines Mannes angesehen werden, der aus dem Osten nach Rom gekommen ist, aber im

222 sei, kommt es zur „Reduzierung“ und durch Hormisdas zur Planänderung; es sieht also so aus, als sei erst in diesem Augenblick Constantius die Idee gekommen, den Obelisken im Zirkus Maximus errichten zu lassen.521 Das aber ist äußerst unwahrscheinlich: Für ein der- artiges Projekt dürfte vorausschauende Planung unabdingbar gewesen sein522, zumal da es auch für Constantius eine Motivation beinhaltete, die nicht in erster Linie mit Rom zusam- menhing, nämlich sich gegenüber seinem Vater zu profilieren, indem er etwas vollendete, was dieser nicht geschafft hatte.523 b. Es ist oben dargelegt, dass der Vorschlag des Hor- misdas nicht in der Absicht geäußert ist, Constantius lächerlich zu machen, sondern eine

Mittelpunkt dieser Geschichte stehen Rom und Constantius, und aus der Sicht eines Romgläubigen wäre die Aufforderung, ein Reich wie das Trajans durch Eroberung Persiens zu bauen, gleichzeitig aber Rom nicht zu vernachlässigen aufgrund zu großer Ostorientierung irgendwie paradox. - d. SABBAH (1978) 331 „En effet, cʼest lʼadmiration quʼil avait ressentie devant la création de son illustre compatriote qui avait dû fortifier en Théodose, lʼintention de rivaliser par delà les siècles avec Trajan, en élevant à Constantinople, la capitale du nouvel Empire chrétien, un ensemble arcitectural encore plus «gigantesque», qui devait être le Forum Tauri38.“ Sabbah geht davon aus, dass Theodosius bei seinem Besuch in Rom vor dem Trajans- forum genauso empfunden habe wie Constantius und dass seine Pläne für Konstantinopel aus dem glei- chen Bestreben heraus, nämlich Trajan zu übertreffen, entstanden seien. Sabbah schließt daraus, dass Am- mian mit seiner Erzählung vom Besuch des Constantius in Rom und seinem Scheitern, dem Trajansforum etwas Gleichwertiges zur Seite zu stellen, habe zeigen wollen, dass alle Versuche, ein zweites Rom zu er- schaffen, zum Scheitern verurteilt seien (332: „Ainsi se trouvent condamnées non seulement lʼorgueil- leuse enptreprise architecturale de Théodose40, mais l´illusion politique quʼelle symbolise, et presque la démesure sacrilège dʼune entreprise «titanique».“ So auch SABBAH (1979) 29). Ich werde auf diese Deutung an späterer Stelle zurückkommen. Hier sei nur vermerkt, dass es für das Erlebnis des Theodosius in Rom keine Belege gibt, dies eher von Sabbah aus Ammian im Analogieschluss übertragen zu sein scheint, man aber sehen kann, wie Einzelheiten in der Geschichtsschreibung bei bestimmten Ereignissen zustandekommen. Wichtiger für die Hauptthese scheint mir zu sein, wann Theodosiusʼ Planungen für den Ausbau Konstantinopels bekannt geworden sind: Geht man von den Daten der Entstehung der einzelnen Bücher der Res gestae aus, wie DEMANDT (1965) 152 sie angibt, dann wäre das 16. Buch 386/87 entstan- den. Es ist durchaus möglich, dass die Planungen für Konstantinopel bald nach der Ernennung zum Augustus (379), also zur Zeit der Abfassung des 16. Buches längst bis nach Rom bekannt geworden wären (ob da schon bewusste Konkurrenz zu Rom eine Rolle spielte, muss offen bleiben). Dann aber könnte das „Erlebnis“ des Rombesuchs noch keine Rolle gespielt haben für die Planungen des Theodo- sius. Dies würde die angenommene Erzählintention Ammians nicht unglaubwürdiger machen, höchstens die Historizität des Erlebnisses noch weniger wahrscheinlich machen – wie dies nach meiner Meinung genauso für den stupor des Constantius gilt. - SABBAH (1979) geht davon aus, dass Ammian 16,10 nach den Erfahrungen des Rombesuchs des Theodosius im Jahre 389 n. Chr. gestaltet habe (Dies steht zwar nicht ausdrücklich bei Sabbah, aber SABBAH (1979) 29 („si Ammien a imaginé la situation de Rome en 357 sur un modèle strictement contemporain, celui de la visite de Théodose à Rom en 389“) lässt dies als ziemlich sicher erscheinen.) 520 Die heutige Sicht und Deutung dieser Bestrebungen, eine Stadt „auszustatten“, sehr gut wiedergegeben bei BASSETT (2004) 49 (Ausstattung von Konstantinopel): "[...] not only brought material wealth to the city but also put together threads of space and time to make Constantinopel a museum of empire. It was this far-reaching enterprise that give testimony to the absolute power of the state. Resplendent against the city ´s classical architectural armature the collection described not only the control of material goods and resources, but also, through that control, the desire for power of territory, time, and civilization itself that lay at the heart of the imperial interprise. The evocative power of spolia gave visual life not only to the longing for mastery but also to its realization." 521 Reine Spekulation die Überlegungen von EDBROOKE (1975) 57, die Errichtung des Obelisken sei vielleicht als Ausgleich für die Entfernung des Victoriaaltars gedacht gewesen. 522 Ammian selbst schildert die Schwierigkeiten, mit denen der Transport verbunden war (17,4,13–14). 523 Dabei spielt es keine Rolle, dass Konstantin durch den Tod daran gehindert war, den Plan zu vollenden. - Die Motive des Constantius für die Planänderung gegenüber den Plänen Konstantins spielen für die Inter- pretation dieser Stelle keine Rolle, vgl. dazu MAZZARINO, S.: Aspetti sociali del quarto secolo. Ricerche di storia tardo-romana, Roma (1951) 126; VERA (1980) 113; BAGLIVI (1995) 56f.

223 indirekte Form der Schmeichelei darstellt, womit sich Hormisdas nicht von den Leuten im Gefolge des Constantius unterscheidet524, wie sie Ammian immer und immer wieder dar- stellt. Wenn aber Hormisdas im Beisein anderer in der Öffentlichkeit das Vermögen des Constantius anzweifelt – Anders kann der Kondizionalsatz si vales nicht verstanden wer- den. -, dann ist das eine Ungeheuerlichkeit525, wie sie zu dem Bild, das Ammian sonst liefert, nicht passt. Diese Äußerung eines Vorbehaltes setzt auch eine andere Einstellung voraus als die im Zirkus dem Kaiser gegenüber geübte dicacitas der plebs, weil sie nicht an die Anonymität der Masse gebunden ist. Hormisdas verhält sich hier wie jemand, der dem absoluten Herrscher gegenüber eine für diesen unangenehme Wahrheit aussprechen kann, weil er entweder mit diesem auf gleicher Stufe steht oder so weit unter ihm, dass er nichts zu verlieren hat und wenig zu befürchten braucht. Damit aber wird er zu einer Mischung aus einem Ratgeber des Königs (zahlreiche Geschichten bei Herodot) und einem König in Abhängigkeit von einem anderen König (Krösus – Kyrus, wiederum bei Herodot)526 und ist, zumindest in dieser Anekdote, mehr eine Schöpfung Ammians als eine historische Figur.527

524 Nach meiner Meinung ist es vollkommen abwegig, Hormisdas, nur weil er ein Perser ist, als „ennemi atavique de Rome“ (so SABBAH (1979) 29) zu bezeichnen. 525 Hormisdas wird nicht gefragt; dennoch antwortet er (respondit §18), - Nach EDBROOKE (1975) 415 "a gentle jab", von Ammian gesetzt, als Reverenz gegenüber seinem römischen Publikum. Möglich, aber natürlich nicht zu beweisen. - Nach KELLY (3) 600 "a cynical reply". Dies gilt meiner Meinung nicht für die erste Antwort (auf die Kelly sich bezieht): astus hat zunächst nichts mit Zynismus zu tun. Dies könnte für die zweite Antwort gelten, unter der Voraussetzung, dass man placuisse liest. - Dazu lässt sich nur feststellen, dass diese zweite Antwort uns Hormisdasʼ Einstellung zum „Kontrahenten“ liefern soll und dass für Hormisdas die aeternitas Roms sich nur in den Bauwerken dokumentiert. Wie man diesen Ausspruch dann zu bewerten hat, hängt davon ab, ob man wie Edbrooke den Hormisdas als jemanden sieht, in dem Ammian einen Fehlgriff des Constantius anprangern will, oder als jemanden, der Wahr- heiten von einer anderen Perspektive als der üblichen (römischen) hier ausspricht. In letzterem Falle könnte dies eine Andeutung sein, dass Ammian sehr wohl zwischen Rom als Realität (Was die Menschen betrifft, eine Stadt wie jede andere) und Rom als Idee, als Mythos ewig, aber nicht in deren Menschen), zu unterscheiden wüsste. Damit aber würde es schwierig, aus Ammians Äußerungen über Rom heraus- zulesen, dass er in der Verkennung der Realität gedacht habe, Rom könne auch wieder zum machtpoliti- schen Zentrum des Reiches werden (vgl. dazu vor allem WIRTH (1980) 117 und 118, Anm. 165). - SABBAH (2003) 65 sieht in 16,10,15–16 „the ironical round-off of the chapter“. Es mag sein, dass der Satz über das Sterben der Menschen ironisch gemeint ist. Aber die ganze Episode so zu sehen? Außerdem wird auch dadurch keine Verbindung zwischen dieser Äußerung und der über das Trajansforum hergestellt. 526 Ich glaube, dass aus diesem Grunde vorher ausdrücklich auf seine königliche Abkunft verwiesen ist. 527 SABBAH (2003) 65 Anm. 67: „The Persian prince Hormisdas is Ammianus´ mouthpiece [...].“ Nach obiger Interpretation ganz unwahrscheinlich. - Zur Nichtauthentizität der im Kommentar angeführten Ammian- stelle mit der Äußerung des Dagalaifus vor der Erhebung des Valens zum Mitaugustus vgl. PASCHOUD (1992) 74 Anm. 3; BLECKMANN (1995) 90; LIZZI TESTA (1997) 143 Anm. 1. Lizzi Testa geht (gegen Pa- schoud) von der Authentizität aus und versucht den Nachweis durch weitere Beispiele von „estrema par- rhesia“, wozu sie dann vor allem die Erörterungen im Konsistorium zählt. Zwar ist es sogar wahr- scheinlich, dass in den inneren Zirkeln der Macht viel offener gesprochen wurde, als dies jemals in der Öffentlichkeit geschah, aber das konnte nur gefahrlos für die Sich-Äußernden geschehen, wenn möglichst nichts davon an die Öffentlichkeit drang. Der Historiker müsste also in diesem Falle darlegen, wie diese Äußerung des Dagalaifus an die Öffentlichkeit gelangt ist. Sowohl für die Hormisdas- wie für die Daga- laifus-Episode ist es nach meiner Meinung vollkommen irrelevant, sich darüber Gedanken zu machen, weil Ammian einfach der allwissende Erzähler ist. Damit aber kommt es, abgesehen davon, dass der Rah- men stimmig sein muss, nur noch auf das an, was Ammian jeweils mit der Episode aussagen will: Dann sind in beiden Episoden zahlreiche vergleichbare Elemente festzustellen: Einer aus dem engsten Kreis des

224 Angefügt sei hier noch ein weiterer Versuch einer Deutung der Worte des Hormisdas (16,10,16: ibi quoque homines mori). Aufgrund der Reihung in §14 und des Abschlusses dieses Paragraphen mit urbis aeternae könnte man den Eindruck gewinnen, in Rom sei al- les ewig. Demgegenüber bedeutet Hormisdasʼ Feststellung eine Einschränkung: Die Ewig- keit gilt nur für die Bauwerke, nicht für die Menschen. Wenn man absieht von der Frage, warum Ammian dies den Hormisdas sagen lässt und ob diese „Abwertung“ Roms durch eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt nicht bestritten werden kann, auch vom Autor vertre- ten wird oder nur als „Rhetorik“ innerhalb des Dialogs zu betrachten ist, dann könnte man hier folgende Vermutung anstellen: Tacitus lässt Tiberius zu den nach dessen Meinung überzogenen Trauer- und Beleidsbekundungen beim Begräbnis des Germanicus sich u.a. folgendermaßen äußern (TAC. Ann. 3,6,3): principes mortales, rem publicam aeternam es- se.528 Man setze für res publica urbs, für die principes homines, und man hat, nur mit distributio, den taciteischen Gedanken in derselben Struktur mit anderen Inhalten. Nimmt man dazu Ammians Aussage in 14,6,3 (victura, dum erunt homines, Roma), wo die per- petuitas, bzw. aeternitas Roms im Vergleich zum Leben der Menschen gesehen wird, vor allem aber von einer Bedingung abhängig gemacht wird (anders ist dum erunt homines nicht zu verstehen), dann wird die Aussage des Hormisdas zu einer Warnung: Weil die Menschen nicht unsterblich sind, die Ewigkeit Roms aber davon abhängig ist, dass Virtus und Fortuna weiterhin einträchtig für Rom wirken, ist Roms Fortbestehen dann gesichert, wenn es immer wieder Männer gibt, die diese virtus verkörpern. Hormisdas, dem an der Größe und Ewigkeit Roms nicht gelegen ist, deutet mit allem Zynismus an, wie Rom untergehen könnte, der Autor, der weiß, dass der Mann, der die virtus verkörperte, tatsäch- lich tot ist und keinen Erben hinterlassen hat, scheint so andeuten zu wollen, wie es hätte gehen müssen (vgl. dazu die Interpretation der Eusebia-Episode). Dazu kommt dann ein weiteres: In der für Ammian typischen Form der Ringkompo- sition wird Hormisdas als mit astus gentilis ausgestattet eingeführt und am Ende der Episode lässt Ammian Hormisdas sagen, er habe in Rom gelernt (quod didicisset). Das aber bedeutet, dass er anders ist als Constantius: Dieser hat im wahrsten Sinne des Wortes auf das falsche Pferd gesetzt. Mag Roms Ewigkeit in seinen Bauten und Denkmälern sicht-

herrschenden Kaisers stellt mit kaum verhüllter „insolenza“ (LIZZI TESTA a.a.O.) die Planung des Kaisers in Frage. [Vollkommen richtig gesehen ist von Lizzi Testa (a.a.O.), dass Ammian in der Dagalaifus-Epi- sode auf Julian anspielt: „Gettando discredito su un criterio dinastico apparentemente dominante nellʼ esercito, essa tuttavia poteva voler alludere a un preciso stile di governo «giulianeo», in quanto proprio quellʼ imperatore aveva rinunciato a designare Procopius come suo successore, lasciando che altri sce- gliessero il migliore“.] 528 Vgl. dazu TURCAN (1983) 17.

225 baren Ausdruck finden, wenn man nicht erkennt, dass Menschen mit virtus (und die Götter, bzw. die Fortuna) allein den Erhalt von Generation zu Generation perpetuieren, dann nützt alles Staunen über die Bauwerke nichts.

2.5.7 Constantius und Trajan Trajan wird von Ammian einmal als derjenige bezeichnet, dem in Arabia, d.h. im Land der Nabatäer, das gelang, was in Vergils Äneis das Vermächtnis des Anchises an seinen

Sohn Äneas und damit an die Römer ist: AMM. 14,8,13 hanc (gemeint ist Arabia) provin- ciae imposito nomine rectoreque attributo obtemperare legibus nostris Traianus compulit imperator incolarum tumore saepe contunso, cum glorioso Marte Mediam urgeret et Par- thos.529 Damit gehört Trajan für Ammian zu den Kaisern, die in höchstem Maße geeignet sind, zumindest in bestimmten Bereichen (Leistungen im Krieg; Erweiterung des Römi- schen Reiches) als Maßstab herangezogen zu werden.530 Dies würde dem entsprechen, was man als Bild Trajans im vierten nachchristlichen Jahrhundert erschließen kann, wobei natürlich die panegyrischen Äußerungen und Dokumentationen dieses Bild bestimmen; aufgrund der ihm zugeschriebenen fortitudo und civilitas (oder auch πρᾳότης ≈ clementia) zählt er zu den „guten“ Kaisern.531 Inwieweit Ammian, indem er den in Kriegen errungenen Ruhm herausstellt, vom „Durchschnittsbild“ abweicht, kann mangels Vergleichmöglichkei-

529 „Dieses [gemeint ist Arabien] zwang der Kaiser Trajan, nachdem er ihm die Bezeichnung „Provinz“ auferlegt hatte und ihm einen Lenker zugewiesen hatte, unseren Gesetzen zu gehorchen, nachdem der trotzige Stolz der Bewohner oft zerschmettert worden war – (und das leistete er,) während er Medien und die Parther bedrängte.“ 530 Gemeint ist die Eingliederung von Arabia als römische Provinz im Jahre 105 oder 106 n.Chr., während die Schaffung der Provinz Armenia im Jahre 114 und der Provinz Mesopotamia im Jahre 115 n.Chr. hier übergangen sind, aber sozusagen Voraussetzung für das weitere Vordringen nach Media und Persia sind. - Dass Trajan letzten Endes im Krieg gegen die Parther nicht erfolgreich war, spielt für Ammians (indi- rekte) Einstufung Trajans keine Rolle. In 25,8,5, wo Trajan und Severus als bellicosi principes bezeichnet werden, könnte davon eine Spur erhalten sein. 531 EUTROP. Brev. 8,2,1: rem publicam ita administravit, ut omnibus principibus merito praeferatur, inusitatae civilitatis et fortitudinis. IULIAN. Caes. 328a/b: ἐπέδεικνυεν τό τε Γετικὸν καὶ τὸ Παρθικὸν τρό- παιον ... καὶ τὸ Γετῶν ἔθνος ἐξεῖλον, οἳ τῶν πώποτε μαχιμώτατοι γεγόνασιν ... πρᾷος μὲν πρὸς τοὺς ὑπη- κόους, φοβερὸς δὲ πρὸς τοὺς πολεμίους διαφερόντως γενόμενος ... ὁ Τραϊανὸς ... ἐδόκει τῇ πρᾳότητι πάντων κρατεῖν. AMM. 30,9,1 (im Elogium auf Valentinian) durch die Zusammenstellung mit Marc Aurel. [vgl. dazu auch SEYFARTH 4, 356 Anm. 115; SCIVOLETTO (1970) 26; R. LAQUEUR: Das Kaisertum und die Gesellschaft des Reiches, in: Probleme der Spätantike, Stuttgart (1930) 1–34, spez. 12 und 33; HARTKE (1951) 324–351; LIZZI (1990) 671; WITTCHOW (2001) 301–304. - Im engeren Sinne ist bei Ammian der „gute“ Kaiser der princeps civilis (vgl. 15,1,3 vom Anspruch des Constantius, ad aemulationem civilium principum formare vitam moresque suos, ut praedicabat, diligentia laborabat enixa. - Abstriche Epit. de Caes. 48,10 (über Theodosius) illa tamen, quibus Traianus aspersus est, vinolentiam scilicet et cupidinem triumphandi, usque eo detestatus, ut ...; sicher auch AMM. 27,3,7: quo vitio (auf viele Bauinschriften den eigenen Namen zu setzen) laborasse Traianus dicitur princeps. - Das Bild ist keineswegs nur positiv, vgl. Epit. de Caes. 48,10 (oben zitiert); aber im hier relevanten Bereich gibt es kaum Einschränkungen, vor allem bei Ammian: die Tatsache, dass er über die Parther nicht wirklich gesiegt hat, was bei IULIAN. Caes. deutlich ausgesprochen wird, ist zwar bei Ammian nicht verschwiegen, aber zumindest „versteckt“ – urgebant kann alles Mögliche bedeuten. Ebenso könnte man einwenden, dass Ammian die „Höchst- wertung“ für Traian aus einem Nebenschauplatz gewinnt.

226 ten nicht festgestellt werden, ist aber auch für das hier interessierende Problem nicht relevant: Impliziert die Tatsache, dass Ammian den Höhepunkt dieser Geschichte im Trajansforum stattfinden lässt, dass er hier nicht nur Constantiusʼ Gabe an die Stadt Rom mit der Baupolitik Trajans vergleicht, sondern Constantius selbst an Trajan misst?

Für KELLY (2003) 600 steht es außer Frage, dass Constantius Trajan nicht nur in dessen Bauwerk habe nachahmen wollen, sondern auch in dessen Eroberungen habe übertreffen wollen.532 Diese Aussage, die etwas ganz Wesentliches über Constantius beinhaltet, ist nur dann möglich, wenn man die Geschichte vom Trajansforum für authentisch bis in die Einzelheiten hinein hält. Damit würde sich obige Frage von vornherein erledigen, da wir eine historische Tatsache hätten. Nach den vorhergehenden Ausführungen ist das jedoch ganz unwahrscheinlich, so dass die Frage zunächst weiter offen bleibt. Wenn der Kaiser sich in einer Reiterstatue darstellen lässt, dann geht es darum, ihn als Sieger im Krieg zu verherrlichen.533 Wenn Ammian also Constantius äußern lässt, er wolle die Reiterstatue Trajans nachahmen, dann lässt er Constantius damit den Anspruch erhe- ben, auf dem Gebiet des Krieges und der Eroberungen in Konkurrenz zu Trajan zu treten und ihn auch übertreffen zu können; insofern ist seine Ankündigung imitari se velle weit- aus mehr als die Zusage eines weiteren decus für die Stadt Rom. Wenn aber Trajan vorher schon als das Non-plus-ultra auf diesem Gebiet gesetzt worden ist, dann bedeutet Constan- tiusʼ Ankündigung, dass er aus dem stupor, den das Trajansforum, das Non-plus-ultra unter den Bauwerken, nichts gelernt hat, er wechselt einfach auf ein anderes Gebiet über, auf

532 Kelly sieht in Constantiusʼ Wunsch, wenigstens die Reiterstatue nachzuahmen, eine Anspielung des Constantius auf seine hervorragenden Fähigkeiten im Reiten [„Doubtless he was alluding to his own well-known excellenc at horsman-ship, for which he was praised in the panegyrics of Julian (11B-C) and Libanius (Or. 59.122), and by Ammianus in his obituary (21.16.7)“]. Beides hat nichts miteinander zu tun. 533 Da Ammian bezweifelt, dass Constantius berechtigt sei, sich so feiern zu lassen, ist es nur konsequent, Constantius in dieser Bestrebung scheitern zu lassen. VITIELLO (1999) 379 sieht den Grund dafür, die Be- schreibung der Errichtung des Obelisken aus der Adventus-Beschreibung herauszunehmen und nach hin- ten zu verschieben, darin, dass damit die Verbindung zum Triumph gelöst wurde und der von Constantius allein beabsichtigte Zweck für die Errichtung des Obelisken, nämlich an seinen Sieg zu erinnern, "um- funktioniert" werden konnte, nämlich ihn zu einem Geschenk des Kaisers zur Förderung des decus der Stadt Rom zu machen. Vitiello (nach Vera) ist der Ansicht, dass Ammian diese Sicht aus dem Kreis um Symmachus bezogen habe. Da Triumph und adventus nicht zu trennen sind und zum adventus die largitio und munificentia des Einziehenden gehören, ist kaum zu beweisen, dass Constantius in dem Obelisken nur ein Denkmal seiner Siege gesehen haben sollte. - Im übrigen geht es bei Ammian in 16,10 auch bei dem Pferd zunächst nur um die Absicht des Constantius. Die Verwirklichung wäre nur dann ein Teil der Geschichte gewesen, wenn sie während des Rombesuchs stattgefunden hätte. - Im Kommentar ist er- wähnt, dass der Senat von Rom im Jahre 384 beschlossen hatte, Theodosius sen. durch Reiterstandbilder zu ehren. In der Formulierung des Symmachus (Rel. 9,4) werden diese Reiterstandbilder ausdrücklich als Mittel der consecratio bezeichnet. Sollte Ammian das 16. Buch um 386 n.Chr. geschrieben haben, dann wäre das Thema, da die Errichtung eines solchen Reiterstandbildes sicherlich nicht von heute auf morgen möglich war, sogar aktuell und eine weitere Kritik an Constantius, weil er sich selbst schon zu Lebezeiten zu konsekrieren versuche. Ob daneben auch noch eine Bewertung Theodosiusʼsen. daraus abgelesen werden kann, ist reine Spekulation. Zu den Verbindungen zwischen römischem Senat und Theodosius iun. zu dieser Zeit vgl. vor allem VERA (1979) passim.

227 dem er aber genauso wird scheitern müssen. Damit ist aber auch hier wieder Julian im Hintergrund, von dem schon gesagt war, er sei auf diesem Gebiet dem Trajan simillimus. Ob Ammian zusätzlich damit habe andeuten wollen, dass, wenn Constantius den Versuch mache, Trajan zu übertreffen, dies nur in einem Krieg gegen Persien geschehen könne, lässt sich allein aus dem folgenden Auftreten des Persers Hormisdas nicht beweisen.534 Der Perser Hormisdas entspricht auch einem Gestaltungsprinzip der ammianeischen Geschichten: Ein bestimmtes Motiv durchzieht eine ganze Geschichte, ohne in dieser Geschichte vorherrschend zu sein; vielmehr steht es neben anderen Motiven: §6 in der Erwähnung des Euphrat; vielleicht §8 in den cataphracti equites; dann hier bei Hormisdas e Perside und §21 in den Friedensverhandlungen mit den Persern und der Absendung des Ursicinus samt Begleitern in orientem. Ähnliche Motivketten: Bedeutung des Schildes für Julians Geschichte; die verschie- denen Bekrönungsmittel bei Julian; die „Bestialisierung“ des Prokop (vgl. SALEMME (1989) 99–102). Kann man auch aus derartigem auf Aktualität des hinter dem Motiv stehenden Diskurses schließen? Vorsicht ist geboten. Einerseits war die Auseinandersetzung mit Per- sien stets aktuell (auch wenn sie z.B. unter Theodosius I. nicht stattgefunden hat: Symma- chus spricht z.B. nur davon, Theodosius würde einen großartigen Triumph über Persien feiern, wenn er den Krieg gegen Persien führte; aber es ist kaum möglich zu entscheiden, ob nicht auch die Geschichtsschreiber aus Tradition (weil schon Herodot es zu einem großen Thema der Historiographie gemacht hat) ihm mehr Bedeutung beimessen, als es zu dieser Zeit gehabt hat. Im übrigen zeigt sich auch an dieser Episode, wenn man nur die Historizität aufgibt, wie sorgfältig Ammian seine Geschichten konstruiert hat535.

534 Trajansforum und das Reiterstandbild Trajans verweisen natürlich eindeutig auf Trajans Dakerkriege. Dieser Zusammenhang müsste zwar auch zu Ammians Zeiten noch bekannt gewesen sein, aber es stand Ammian sicherlich frei zu übertragen. 535 Wenn dabei nicht alle offenen Fragen hinsichtlich des Aufbaus der Geschichte gelöst sind, so liegt das meiner Meinung daran, dass noch nicht die passende Interpretation für den Ammiantext gefunden ist. Dies gilt z.B. für die Szene, in der Hormisdas gefragt wird, was er von Rom halte: Hormisdas antwortet mit einer Banalität. Diese zunächst beiseite gelassen, ist die Antwort nur dann einigermaßen sinnvoll, wenn man daraus erschließt, dass ihm alles andere an Rom nicht gefallen habe, und da es bei den Men- schen um die Tatsache des Sterbens geht, muss gemeint sein, dass das andere in Rom (Das sind in diesem Text die Bauwerke.) nicht stirbt, eben ewig ist. Das aber wäre eine ganz eigenartige Verwendung eines Topos, nämlich dass auch Städte sterben (und ganze Völker untergehen) können (vgl. SEN. Epist. 91,9: frequenter nobis nuntiati sunt totarum urbium interitus, et nos inter quos ista frequenter nuntiantur, quota pars omnium sumus?; SEN. nat. quaest. 6,1,14: non homines tantum, qui brevis et caduca res nascimur – urbes oraeque terrarum et litora et ipsum mare in servitutem fati venit; LUKIAN. Charon 23: ἀποθνῄσ- κουσι γάρ, ὦ πορθμεύ, καὶ πόλεις ὥσπερ ἄνθρωποι; und vor allem RUTILIUS NAMATIANUS 1,409–414 (beim Anblick der Ruinen von Populonia): agnosci nequeunt aevi monumenta prioris, / grandia consumpsit moenia tempus edax; / sola manent interceptis vestigia muris, / ruderibus latis tecta sepulta iacent. / non indignemur mortalia corpora solvi: / cernimus exemplis oppida posse mori). Dieser Topos wird häufiger in der Trostliteratur in der Form angewendet, dass der Mensch als hinfällige Sache sich nicht beklagen

228 2.5.8 Eusebia und Helena Die Geschichte von der Kaiserin, die dadurch, dass sie ihrer Schwägerin Gift verab- reicht, damit der Konkurrent ihres Mannes keine Nachkommen haben wird, für die Zu- kunft bei ihrer Schwägerin Fehlgeburten auslöst, hat immer schon Anstoß erregt536, und zwar vor allem deshalb, weil eine Eusebia erscheint537, die in krassem Widerspruch zu dem Bild steht, dass Julian im Panegyricus auf Eusebia538 und in der Epist. ad Athen. liefert, aber auch nur schwer mit den sonstigen Aussagen Ammians über Eusebia zu vereinbaren

dürfe, dass er sterbe, da selbst Bauwerke aus Stein und Städte stürben (vgl. die oben zitierte Stelle aus Rutilius Namatianus; aber auch AUSONIUS 35,9f.: miremur periisse homines? Monumenta fatiscunt: / mors et iam saxis nominibusque venit). Gerade das aber, dass eine Stadt sterben kann, würde für Rom nicht gelten, Rom auch in seiner materiellen Substanz urbs aeterna. Damit wäre der Topos von Ammian in einem Teil fast ins Gegenteil verkehrt. An der Banalität der Antwort des Hormisdas ändert das nichts. Oder ist Hormisdas einfach ein Zyniker? Was nützt die Ewigkeit der Bauwerke, wenn die Menschen auch in Rom sterben wie andernorts? Was aber hat Hormisdasʼ Äußerung dann mit dem Rest der Geschichte zu tun? - FONTAINE (1969) 422f. bezeichnet die Antwort des Hormisdas als „une boutade insolente et maus- sade“, als einen frechen und geschmacklosen Scherz / Geistesblitz, der Ammians Gefühl ausdrücke ("le sentiment profond dʼ Ammien devant lʼirrémédiable déchéance de la société romaine"). Damit wird durch einen einzigen Satz aus vier Wörtern der gesamte erste Romexkurs in die Geschichte hineingenommen, es entsteht eine gedankliche Antithese, wie sie nicht zugespitzter sein könnte. Aber darf die Sterblichkeit des Menschen als unheilbarer moralischer Niedergang verstanden werden? [Vorausgesetzt, dass ist richtig, dann ist der Zusammenhang zum ersten Romexkurs ohne weiteres gegeben, indem beide Geschichten sich sozusagen komplementär ergänzen. Dies setzt jedoch die pessimistische Deutung des ersten Romex- kurses voraus, wie sie für FONTAINE (1969) 433 für die gesamten Res gestae gelten: „[...] Ammien tente bien de retrouver le sens profond ce ce quiʼil a vécu, comme individu et comme membre dʼune immense société qui court inéluctablement à sa perte .“(Unterstreichung von mir)]. - SABBAH (1979) 29 bezeichnet Hormisdasʼ Worte als „la nasarde [Nasenstüber / Verweis] que lʼhistorien laisse à Hormisdas [...] le soin dʼadministrer à Constance“ und sieht in dessen Worten, dass auch dort Menschen stürben, zusammen- genommen mit urbs aeterna, „la réunion mystérieuse des contraires apparents dans le mot dʼHormisdas, véritable symbole de foi en Roma aeterna“, wobei „le grand mystère: lʼéternité de Rome et la mortalité de ses habitants, la réalité du triomphe de la mort et la transcendante réalité de Rome éternelle“ kurz vorher bezeichnet ist. - Ich habe zu zeigen versucht, dass es sich bei Hormisdasʼ Antwort nicht um einen Verweis handelt. Was das große Geheimnis betrifft, so kann ich mir nicht gut vorstellen, dass Ammian so gedacht hat (Ich weiß, dass dies keine Widerlegung Sabbahs ist; denn es könnte sein, dass Ammian hier ein Text gelungen ist, der eine symbolische Deutung zulässt, ohne dass diese vom Autor beabsichtigt wäre.). Sabbah hat allerdings als Arbeitshypothese für 16,10, dass es sich um einen symbolischen Text handele (SABBAH (1979) 22: „sur la signification dʼun grand texte symbolique (16,10) qui rayonne sur lʼensemble des Res gestae“). 536 Ich habe bisher nur eine kurze Geschichte gefunden, die zumindest entfernt zum Thema dieser Episode passt: In der Epitome de Caesaribus (aus der Zeit von ca. 395 bis ca. 408 n.Chr.) heißt es in Epit. de Caes. 14,8: Huius [gemeint ist der Kaiser Hadrian] uxor Sabina, dum prope servilibus iniuriis afficitur, ad mortem voluntariam compulsa. Quae palam iactabat se, quod immane ingenium probavisset, elaborasse, ne ex eo ad humani generis perniciem gravidaretur. Was die Historizität dieser Episode angeht, so braucht man nur HA vit. Hadr. 23,9 (quando quidem etiam Sabina uxor non sine fabula veneni dati ab Hadriano defuncta est) zu vergleichen. Im übrigen werden die folgenden Darlegungen über die von Ammian berichtete Episode erweisen, dass hinsichtlich der Historizität Ammian sich nicht allzu sehr vom Autor der Historia Augusta und dem der Epitome unterscheidet. - Manche Kommentatoren notieren nur den Widerspruch, vgl. z.B. MOONEY (1954) 87f.: "Indeed, Ammianus thinks very highly of Eusebia, although his high praise of her character (21.6.4) ignores her unhumane treatment of Helena, sister of Constantius and wife of Julian (16.10.18-19)." 537 NEUMANN (1987) 123f.: „zwielichtige Rolle“. 538 Vgl. jedoch TOUGHER (1998) 122: "For instance the image of the influential, kind-hearted and philanthro- pic Eusebia is often taken at face value, but to an extent this is no more than an encomiastic creation of Julian."

229 ist, vor allem mit dem Enkomion im Miniformat539 in 21,6,4540. Dies auf die Verwendung einander widersprechender Quellen zurückzuführen, ist nach allem, was die Untersuchung von Ammians Arbeitsweise betrifft, nicht die richtige Erklärung und deshalb zu recht auf- gegeben worden. Auch in diesem Falle scheint es so zu sein, dass Ammian hinsichtlich der Tatsachen alles, bis auf die hier geschilderte Episode, aus Julian entnommen hat und unter Verwen- dung topischer Elemente (die aber auch schon bei Julian selbst vorliegen können) vor allem in den den handelnden Personen unterstelllten Motiven in seinem Sinne gestaltet hat. Damit ergibt sich für Eusebia das Bild einer Kaiserin, die in zwei für Julian entscheidenden Situationen sich für diesen einsetzt, wobei man im ersten Falle nicht den Grund für diesen Einsatz erfährt, im zweiten dagegen dieser darin zu suchen sei, dass sie das dynastische Prinzip vertreten habe541 (was dann auch auf den ersten Fall zurückprojiziert werden kann: hätte Julian die gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen nicht entkräftet, hätte ihn das gleiche Schicksal wie Gallus getroffen. Damit wäre eine Nachfolge in der Dynastie nicht möglich gewesen.). Aus der Sicht Ammians bedeutet das, dass Eusebia eine große Tat für den Staat vollbracht hat, indem sie den besten Mann „gerettet“ hat;542 genau das aber wird im Enkomion in Miniaturformat ihr entsprechend angerechnet. Dieses Handeln mag gut und lobenswert sein; es setzt aber beim Handeln keine besonderen moralischen Qualitäten voraus (die als Alternative angegebene Begründung für Julians Erhebung zum Caesar, dass dann sie und Constantius nicht eine so weite Entfernung hätten überwinden müssen, ist moralisch eher negativ zu bewerten). Dann aber muss sich die alle anderen weit überra- gende pulchritudo morum Eusebias in Handlungen gezeigt haben, von denen Ammian überhaupt nicht spricht. Zwar hat man beobachtet, dass nicht alle in den Elogien einer Per- son zugeschriebenen Eigenschaften auch aus den erzählenden Partien der Res gestae zu belegen sind, dass die Elogien vielmehr teilweise zur Erzählung ein Komplement bilden, aber mit diesem Prinzip gelingt es nicht, den sich hier ergebenden Widerspruch zwischen dem Elogium und dem Handeln Eusebias in Rom zu beseitigen: Zwar qualifiziert Ammian hier nur Julian in moralischer Hinsicht, aber gerade daraus geht hervor, dass Eusebias Han-

539 Begriff übernommen aus KARAU (1971) 41. Vgl. auch WIEBER-SCARIOT (1999) 265 Anm. 364. 540 Vgl. dazu auch SELEM (1972) 80. 541 Nicht ganz zutreffend FLACH (1972) 343, Eusebia sei „in entscheidendem Augenblick mit Nachdruck für Julian und die Wahrung seiner dynastischen Ansprüche eingetreten“. Ob Julian selbst derartige Ansprüche erhoben hat, wird bei Ammian nirgends angedeutet, würde auch nicht zu seiner Schilderung passen, wie Julian Cäsar und Augustus geworden ist. 542 Zur Formulierung vgl. DRINKWATER (1983) 367: "to the protection of the empress Eusebia, which proved to be his salvation". - Dies meist auch als Grund dafür angegeben, warum sie überhaupt mit einem Elo- gium versehen wird [vgl. ALONSO-NUÑEZ (1975) 134].

230 deln ein bewusstes Schaden ist, und auch die Kindestötung ist nicht anders zu bewerten.543 Dieser Widerspruch bleibt544, ist aber nicht entscheidend zum Verständnis der hier ge- schilderten Episode. Zunächst der Versuch, zu verstehen, warum Eusebia so handelt: Es ist vermutet worden, es sei der Konkurrenzdruck im Kaiserhaus gewesen.545 Aber die Beseiti- gung der Kinder Julians schafft keine eigenen Kinder, und selbst wenn ein vor einem Sohn der Eusebia geborener Sohn Julians dagewesen wäre, hätte Constantius wohl nie gezögert, seinem eigenen Sohn die Nachfolge zu sichern546; wenn es aber um ihre eigene Stellung am Hofe gegangen sein sollte, dann war die Gefahr, dass Constantius sich wegen „Erfolg- losigkeit“ von ihr scheiden ließ, nicht dadurch gebannt, dass man Julians Kinder tötete. Es bleibt meines Erachtens als Motiv nur der Neid und der Hass auf die Erfolgreicheren.547

543 SABBAH (1992) 97: „Ammien, en 16.10.18, sans rendre explicitement Eusébie responsable de la mort du fils dʼ Hélène à la naissance“ ist meiner Meinung nach nicht richtig: Subjekt zu perdidit kann nur Eusebia sein. Vgl. auch DI SPIGNO (1962) 453. - Bezogen auf Eusebias Handeln in Rom ist es durchaus denkbar, dass Ammians beiläufige Bemerkung, Constantius habe der Diözese von Pontus zu Ehren seiner Gattin Eusebia den Beinamen Pietas gegeben (17,7,6: dioecensin ..., quam Constantius ad honorem uxoris Eusebiae Pietatem cognominarat) mit einer guten Portion Sarkasmus hinzugefügt ist (so GARÍA RUIZ (2008) 62). 544 GARCÍA RUIZ (2008) passim vertritt die These, im Vergleich zu dem Bild Eusebias, das Julian entwerfe und überliefere, sei das bei Ammian keineswegs positiv, obwohl sich auch bei Ammian noch positive Züge erhalten hätten, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die von Ammian geschätzten Brüder der Eusebia, Hypatius und Eusebius. Speziell die Aussage von der pulchritudo morum versucht sie jedoch dadurch für ihre These nutzbar zu machen, indem sie mit dem für Hypatius gewählten Ausdruck (29,2,16: virtutum pulchritudine) vergleicht und in der Wahl von mores statt virtutes eine Abwertung sieht. Ich bezweifle, dass diese Auslegung möglich ist. - So auch FLACH (1972) 343. PASCHOUD (1967) 39. - FLACH a.a.O. be- zeichnet es als „mißliche Verworrenheit“ und listet zahlreiche weitere Mängel des ammianeischen Geschichtswerkes auf. An den hier relevanten Stellen liegt keine lückenhafte oder korrupte Überlieferung vor; die Stellen gehören nicht zu den sprachlich schwierigen, sind inhaltlich vollkommen eindeutig, so dass bei der von mir angenommenen Sorgfalt Ammians in der Konstruktion seiner Geschichten, aber auch in der Vernetzung über weit auseinander liegende Bereiche hier eine echte crux vorliegt. Fehlte die Hele- na-Eusebia-Episode, so könnte man das Elogium als Komplement ansehen, indem nach epischem, aber auch altrömischem Vorbild eine musterhafte Kaiserin erscheint, von deren pulchritudo morum man nur deshalb nichts erfährt, weil sie für die von Ammian berichteten Vorgänge nicht relevant ist, einfach nicht vorkommt. Andererseits ist nicht zu erkennen, aus welchem Grunde jemand die Helena-Eusebia-Episode eingefügt haben sollte, während mehrere Episoden, in denen Frauen die Hauptrolle spielen (Frau des Hormisdas in der Prokopusurpation; Cyria, Schwester des Firmus beim Firmusaufstand) innerhalb der jeweiligen Geschichte so wirken, als habe sich Ammian verpflichtet gefühlt, eine solche Szene mit weib- licher Protagonistin als Pendant zu den männlichen Hauptakteuren hinzuzufügen (nach epischem Vorbild (?)). 545 Nach DI SPIGNO (1962), dem sich BLOCKLEY (1972) 446 anschließt, hätte ein Sohn Julians Julians eigene Position gestärkt, und um dies zu verhindern, hätte Eusebia der Helena Gift gegeben. Ich vermag nicht zu erkennen, wieso dies so sein sollte. Siehe dazu die weiteren Überlegungen oben. 546 GREEN (1973) 43 meint, ein Sohn Julians würde Julian einen Grund geben, Constantius zu beseitigen und sich und seinem Sohn das imperium zu sichern, d.h. Eusebia hätte eine akute Bedrohung gesehen, die akut geblieben wäre, solange Helena Kinder bekommen konnte, womit die Sterilisierung Helenas Sinn ergäbe. 547 So schon R. ANDREOTTI, Il regno dell´imperatore Giuliano, Bologna 1936, 19-20, wenn er Eusebia vor al- lem als „una donna dal carattere intrigante e calcolatore“ beschreibt. Dann auch SABBAH (1992) 97, der bei Eusebia „une jalousie féminine particulière“ sieht. Vgl. auch DI SPIGNO (1962) 445f., der ihr Handeln ganz von politischem Kalkül bestimmt sein lässt. Siehe dazu oben. - ENJUTO SÁNCHEZ (2002) 741: „Si Juliano pasa por alto estos hechos, podemos pensar que o bien esta actuatión es fruto de una maquinación entre el hijo de Julio Constancio [gemeint ist Julian] y la emperatriz, en la que se trata de eliminar cualquier heredero al estar viviendo un momento sumamente delicado en su trayectoria política y por lo tanto no era prudente presentar un futuro heredero; o bien conocedor de los acontescimientos mas non comulgando

231 Damit wird der Widerspruch zum Elogium noch evidenter.548 Trotzdem ist damit das Hauptproblem dieser Stelle noch nicht einmal angedeutet: Wie passt diese Episode in den Rombesuch des Constantius? Die einfachste Antwort wäre natürlich: Weil sie sich so in Rom im Jahre 357 abgespielt hat. Genau da jedoch gibt es erhebliche Zweifel. Zwar wird sich nicht beweisen lassen, dass es nicht so gewesen ist; und es wird auch nicht möglich sein, zu beweisen, dass dies stattgefunden hat. Dass man jedoch die Motive der betref- fenden Personen niemals kennen wird und sich deshalb kein für uns schlüssiger Gesche- hensverlauf ergibt, kann man zumindest durch einige Auffälligkeiten wahrscheinlich ma- chen. Hier sei nur kurz aufgeführt, worin die Zweifel begründet sind: a. Das Gift muss so gewesen sein, dass es nicht zur Unfruchtbarkeit führte, sondern bei jeder erfolgten Em- pfängnis eine Fehlgeburt auslöste. Was für ein Gift sollte das sein?549 b. Die Bestechung erfolgte von Mailand aus (oder dem Ort, an dem Eusebia sich jeweils befand). c. Wenn die Zuneigung unter den Geschwistern der Grund war, Helena kommen zu lassen, dann wäre es viel einfacher gewesen, sie nach Mailand kommen zu lassen. d. Es ist ganz unwahr- scheinlich, dass sowohl die Bestechung der Hebamme als auch der Giftanschlag anders denn als Gerücht gehandelt wurden.550 Damit aber ist zu überlegen, ob man überhaupt für

con esta decisión, pero sin poder ir en contra de la voluntad de su protectora, oculta los hechos.“ Der erste Teil der Alternative lässt sich genauso wenig beweisen wie der zweite; wenn man trotzdem einmal an- nimmt, so sei es gewesen, dass es ein Einverständnis zwischen Julian und Eusebia gegeben habe, dann müsste man daraus schließen, dass Julian in der Verfolgung bestimmter Ziele vollkommen skrupellos gewesen ist; das kann natürlich so gewesen sein; es kann aber nicht die Intention Ammians gewesen sein, ihn so darzustellen. Nebenbei: man müsste auch „un momento sumamente delicado“ genauer benennen können; nach der Schlacht von Straßburg eher denkbar als zu diesem Zeitpunkt. - Nach BAGLIVI (1995) 126 könnte sich eine Rechtfertigung aus folgender Überlegung ergeben: Das Leben des Kaisers ist mit allen Mitteln zu schützen. Da ein Sohn Julians auf jeden Fall eine Gefahr für das Leben des Constantius darstellt, handelt Eusebia dementsprechend. 548 SABBAH (1992) 98 versucht den Widerspruch dadurch aufzulösen, dass er Eusebias Handeln in Rom (und vorher in Gallien) als ein (einmaliges) Abweichen von „sa nature authentique et profonde“ erklärt, wie sie im Elogium gegeben sei. Meiner Meinung nach setzt das voraus, dass man sich Julians Panegyricus und Epistula ad Athenienses hinzudenken muss, um überhaupt einen Beweis für die „edle Eusebia“ des Elogiums zu haben. Berücksichtigt man zunächst nur, welches Gewicht die Aussagen über Eusebia inner- halb der Res gestae haben, dann gibt es keine Stelle, durch die die morum pulchritudo der Eusebia bewie- sen würde. 549 WIEBER-SCARIOT (1999) 235 nimmt an, dass an dieser Stelle Ammians Text unklar sei (248 nennt sie dies „narrative(n) Widersprüche des ammianeischen Textes“), weil sie davon ausgeht, dass es ein solches Gift kaum gegeben haben kann, somit wohl eher das verabreichte Gift zur völligen Sterilität geführt haben müsse. Ammians Text ist jedoch eindeutig: Weil es aber unwahrscheinlich ist, dass es ein solches Gift gegeben hat, sehe ich die Stelle als ein Indiz für die Nicht-Historizität des Geschehens an. Zu diesem Ergebnis kommt zwar auch WIEBER-SCARIOT (1999) 235 („Ob sich die Konkurrenz zwischen den beiden Frauen des Kaiserhauses tatsächlich in einem Giftattentat und einem Kindesmord entlud oder nicht, kann somit aufgrund der narrativen Widersprüche des ammianeischen Textes, die auch die herangezogenen Parallelquellen nicht entkräften, nicht beantwortet werden.“), aber meines Erachtens aus einer falschen Prämisse. 550 Insofern durchaus vergleichbar dem Vorwurf, Julian habe Helena getötet, indem er ihr durch einen Arzt Gift verabreichen ließ; nur dass Libanios in der oratio ad Polyclem dies auch nur als etwas behandelt, das erzählt wurde, weshalb er in dieser Rede (oder besser Schrift) den Versuch unternimmt, zu beweisen, dass es gar nicht geschehen sein kann (vgl. LIBAN. Orat. 37, spez. 37,3 und 37,6).

232 die bei Ammian erwähnten Handlungen der Eusebia verifizierbare Nachrichten hat, die nicht auf Aussagen Julians zurückgehen.551 Die Episode daraufhin für eine auf Hofklatsch basierende Erfindung Ammians zu halten552, trifft vielleicht das richtige in der Hinsicht, auf welche Weise die Episode in die Res gestae gekommen ist, erklärt aber nicht, was sie zu der Geschichte beiträgt, in die Ammian sie gestellt hat; denn hätte sie darin keinerlei Funktion, dann hätte Ammian sie sicherlich weggelassen.553 Ich schicke vorweg, dass es sich im Folgenden nur um den Versuch einer Einordnung in den Kontext handelt554: a. Julian ist vom Anfang an als Folie in der Geschichte präsent555. Ihm, der es im Gegen-

551 Entschließt man sich, die gesamte Episode für eine Erfindung Ammians zu halten, dann wird man auch manches von dem, was Ammian an den anderen Stellen, an denen Eusebia vorkommt (15,2,7-8; 15,8,1-3; 17,7,6; 18,3,2), kritisch prüfen müssen; dazu hier nur ein Hinweis: In 18,3 (Hinrichtung des Barbatio und seiner Frau Assyria, weil Barbatio Usurpationsabsichten unterstellt werden) wird die Befürchtung der Assyria, ihr Mann könne nach dem Gelingen der Usurpation sie verstoßen, um Eusebia zu heiraten, da- durch als berechtigt angesehen, dass Eusebia eine besonders schöne Frau sei. Die Schönheit der Herr- scherin, an sich schon ein topisches Element (Daran wird auch nichts geändert, dass Ammian dies für Eusebia von Julian übernommen hat, und diese Schönheit auch sonst belegt ist .), dient hier zur Begrün- dung eines möglicherweise eintretenden Vorgangs, der innerhalb der Geschichte nur als ein Märchen- oder Mythenmotiv angesehen werden kann, dass nämlich der neue König die Königinwitwe zur Frau nimmt (Ödipus und Jokaste (?)). Damit sollen keine Zweifel am historischen Geschehen geäußert werden, aber an der Historizität fast aller „Zutaten“. Natürlich kann Ammian die tatsächliche Schönheit der Eusebia als hervorragend zu seiner Geschichte passend genommen haben, aber wenn es abgesehen von dieser Stelle, keinen (unabhängigen) Beleg gibt, könnte es auch hier topische Verwendung sein. - TOUGHER (1998) 122 ("Ammianusʼs allegation that Eusebia effected the childlessness of Julianʼs wife Helena should not be lightly dismissed."] äußert sich nicht klar, meint aber wohl, dass die Nachricht wahr ist. Die Begründung wird aber nicht durch ein Parallelzeugnis gegeben, sondern daraus, dass das positive Bild der Eusebia reine Konstruktion Julians gewesen sein könne. Dies ist sogar sehr wahrscheinlich; dann aber bleibt zumindest der Widerspruch in Ammians Äußerungen zu Eusebia. 552 So z.B. BULLA (1983) 29: „böse(n) Verunglimpfung“; VOGLER (1979) 44: „Ammien se fait par exemple lʼécho de ratots assiz invraisemblables sur lʼimperatrice Eusébie.“ 553 Sollte die Geschichte so etwas wie ein Antipanegyrikus auf Constantius sein, dann hätte auch die Kaise- rin darin nach den rhetorischen Vorschriften eines Panegyrikus ihren Platz, und ihr Handeln würde mit dem des Constantius korrespondieren. Vgl. MENAND. Rhet. Dazu auch RUSSELL (1998) 32. - Arbeitet man mit der Hypothese, es sei Hofklatsch gewesen (so z.B. VALENSI (1957) 83), dann muss Ammian sich den Vorwurf gefallen lassen, er habe Hofklatsch nicht als solchen erkennen können, oder habe um seiner Erzählintention willen bewusst eine Fälschung in Kauf genommen. - Geradezu abenteuerlich scheint mir die Auffassung von AUJOULAT (1983) 87, dass alle von Ammian berichteten Vorgänge so stattgefunden hät- ten, dass aber Julian von all dem nichts mitbekommen habe (Er erklärt damit die Tatsache, dass Julian den Panegyrikus auf Eusebia hält, obwohl die Tötung des erstgeborenen Sohnes durch die Hebamme schon stattgefunden haben musste.). 554 BAGLIVI (1995) passim hat als Hauptthese seines Buches, dass Ammian von Julian die These übernom- men habe, dass einer der Hauptverantwortlichen für die negative Entwicklung des Römischen Reiches seit den 30iger Jahren des 4. nachchristlichen Jahrhunderts Konstantin d. Gr. sei. Einer der maßgebli- chen Faktoren sei die „politica matrimoniale e dinastica“ (BAGLIVI (1995) 46) Konstantins: „Essa fu per- petuata da Costanzo II, forse, con Gallo e Costantina, certamente con Giuliano ed Elena“. Zwar hat nach Ammian das Ausbleiben der Nachkommenschaft Julians äußerst negative Konsequenzen für das Reich, aber dafür ist in diesem Falle nicht die Ehepolitik Constantiusʼ II. verantwortlich, sondern das Handeln der Eusebia. Zur These Bagliavis vgl. auch die Interpretation von 26,6–10. 555 Unter dem Gesichtspunkt von Ammians Arbeitsweise, nämlich innerhalb einer Geschichte Bezüge zu an- deren Geschichten in den Res gestae zu schaffen und so auf in den Res gestae erst später folgende Ge- schichten zu verweisen, dadurch aber auch nachträglich eine vertiefte Deutung der früheren Geschichte an-

233 satz zu Constantius aufgrund seiner Leistungen (fortissimus(!)) verdient hätte, sich fortzu- pflanzen, wird ausgerechnet in der Ewigen Stadt diese Form der Verewigung durch eine Tat aus niedrigen Beweggründen verwehrt. b. Das Besondere am adventus des Constantius ist, dass Constantiusʼ Auftreten in vielen Punkten dem widerspricht, wie das Auftreten vor- bildhafter principes gewesen ist, und dass er beim Durchsetzen oder Verwirklichen be- stimmter Ansprüche in Rom deshalb scheitert, weil er Rom falsch einschätzt. Bei Plinius im Panegyrikus auf Trajan (22,3) liest man: Feminas etiam tunc fecunditatis suae maxima voluptas subiit, cum cernerent cui principi cives, cui imperatori milites pepe- rissent. Zwar ist bei Plinius nicht gesagt, der zurückkehrende Kaiser sei der Frucht- barkeitserzeuger, aber er ist zumindest der Anreger, er steigert die voluptas der Frauen, fruchtbar zu sein. Constantius bringt auch das nicht fertig. Seine Frau, selbst das Gegenteil von fecunditas, unterbindet, dass der, der der beste Soldat ist (fortissimus)(!), solche her- vorbringt.556 Damit aber wäre auch diese Episode vorrangig eine Anspielung, erkennbar an sterilis als oppositum zu fecunditas und fortissimus als Kennzeichnung des guten Soldaten (milites).557

zudeuten, dürfte die im Kommentar zu 16,10,15 angeführte Stelle 16,2,4-5 interessant sein: imitari mag- nopere nitebatur ≈ imitari velle et posse – viri fortis ≈ fortissimi viri – percurso eodem itinere ≈ trans- curso Ocriculo (in 16,10 wird das eigentliche Ziel, Rom, letztlich doch nur eine Durchgangsstation) – catafractis solis et ballistariis ≈ catafracti equites (Ammians Kommentar, dass catafracti et ballistarii eigentlich wenig geeignet seien, den Feldherrn zu schützen, ist eine etwas seltsame Art fidentius auda- ciam zu begründen. Sollte vielleicht darauf verwiesen werden, dass Constantius so in Rom einzog, als müsse er geschützt werden?) - ne qua interveniat mora vs. ut otio puriore frueretur et voluptate. 556 Beim Rombesuch Theodosiusʼ I. im Jahre 389 n.Chr. sagt Pacatus hinsichtlich der Bedrohung des Römi- schen Reiches: Principum senior [Damit ist Gratian gemeint.] in tanta bella non sufficit; alter [damit ist Theodosiusʼ zweiter Sohn Honorius gemeint, der ebenfalls anwesend ist], etsi futurus sit aliquando fortis- simus, adhuc tamen parvus est (Pan. Lat. 2(12),11,5). Könnte vielleicht Ammian auch hier ein Motiv auf- genommen und in bezeichnender Weise (Was bei Theodosius noch möglich ist, ist bei Julian von vornher- ein verhindert worden.) abgewandelt haben? 557 Fortissimus sicherlich kein Epitheton ornans (Trotz der Nähe von Ammians Erzählungen zum Epos scheint es zumindest bei Personen derartiges nicht zu geben.). - Nur auf die oben dargelegte Weise ist zu erklären, warum Julian hier ausgerechnet als fortissimus bezeichnet wird. Nachweise für Julians fortitudo bei BRANDT (1999) 210. - Auffallend, dass in einer Erzählung der Res gestae, in der Julian nicht der Prota- gonist ist – Das sind Constantius und Rom. -, er als „(größter) Held“ bezeichnet wird. Da bezogen auf die Komposition der Res gestae Rombesuch des Constantius und Schlacht von Straßburg sicherlich als „gleichzeitig“ angesehen werden können, ist dieses Urteil Ammians kein Anachronismus. Ob man aller- dings gerade diese Stelle, an der am ehesten bezogen auf Julian das lateinische Äquivalent für das vor- kommt, was man ins Deutsche mit „(größter) Held“ übersetzt, dazu ausreicht, das von modernen Inter- preten immer wieder geäußerste Urteil zu begründen, Julian sei für Ammian „sein Held“ (Natürlich müss- te man zunächst untersuchen, ob diese Bezeichnung bei modernen Interpreten nicht eher im Sinne von Protagonist gemeint ist.), scheint mir deshalb nicht angebracht, weil Julian zwar für Ammian auch nach der Erhebung zum Augustus der unbestrittene Protagonist bleibt (was sich natürlich schon daraus ergibt, dass die Res gestae die Nähe zur Kaiserbiographie nicht verleugnen können), aber die Stellen, an denen Ammian ihn als echten Helden zeichnet, ganz selten sind. - In dem hier gesetzten Superlativ (fortissimus) liegt natürlich auch eine Idealisierung. Ob diese allerdings auf neoplatonisch – platonisches Denken bei Ammian schließen lässt, bezweifle ich, möchte eher an die übliche rhetorische αὔξησις glauben [anders, allerdings nicht zu dieser Stelle, sondern allgemein zu Ammian TASSI (1967) 1968: „esso [gemeint ist das „substrato filosofico“ bei Ammian] è anche allʼorigine dellʼammirazione entusiastica dello storico per Giuliano, il vero «eroe» delle «Storie», che nasceva prima di tutto dal carattere e dai costumi del

234 Der wichtigste Punkt an der Aussage Ammians ist aber, dass durch Eusebias Handeln Julian die Möglichkeit genommen ist, Nachkommenschaft zu haben (von der anzunehmen wäre, dass sie genauso wie er wäre). Um zu dieser Feststellung zu gelangen, bedürfte es jedoch keines Romaufenthaltes des Constantius und der Eusebia, so dass man daraus fast wieder ein Argument für die Historizität der Episode gewinnen könnte, nur wäre sie nicht an den Ort gebunden, sondern Ammian könnte sie in seiner Erzählung deswegen unterge- bracht haben, weil Helena in Rom begraben war.(Vgl. 21,1,5.)558 Aus der Passivform navabatur darf sicherlich geschlossen werden, dass es sich nicht nur um Bestrebungen der Eusebia handelte, sondern dass die Vereitelung der suboles Julians auch ein Anliegen des Constantius gewesen sei, dass Eusebia bei der Tötung des Kindes mit dem Einverständnis des Constantius gehandelt habe. Dann aber wäre die Episode ein Beispiel dafür, dass Con- stantius in Rom doch nicht alles misslungen sei, denn die suboles-Vereitelung sei gelun- gen, gelungen tropisch zu verstehen, weil Constantius (und Eusebia) sich das falsche Ob- jekt ausgesucht hatten. So gesehen aber wäre diese Episode sogar noch eine Steigerung gegenüber der Hormisdas-Episode: Rom bildet dann zwar nur die Kulisse, die eigentliche Erzählintention Ammians läge ganz in Richtung des Verhaltens des Constantius; aber wenn Constantius trotz dieser Kulisse so falsch und unverantwortlich handelt (weil er Rom und dem römischen Reich die Möglichkeit nimmt, auch nach Julian wieder einen vir fortissi- mus als Regenten zu erhalten), dann kann sich nicht besser zeigen, wie ungeeignet Con- stantius eigentlich ist.

principe“]. 558 Ammian hätte sich also bei der Einfügung der Episode in die Erzählung durch eine zu seiner Erzählinten- tion nicht notwendig gehörende Assoziation leiten lassen. Ich halte diese Form der Erklärung für eine schwache Argumentation, sehe darin immer nur einen Notbehelf. Dennoch ist nicht von der Hand zu wei- sen, dass Ammians späterer Aufenthalt in Rom ihn darauf gebracht haben könnte. - Die Nachricht in 21,1,5, dass Helena neben ihrer Schwester Constantina in Rom bestattet wurde, könnte Ammian somit in Rom erhalten haben. - Dass Helena in Rom begraben wurde, ergibt sich damit aus der Tatsache, dass dort das Mausoleum ihrer Schwester schon vorhanden war. Dass diese sich das Mausoleum auf kaiserlichem fundus an einer Stelle errichten ließ, an der sie vorher eine Kirche (St. Agnese) gestiftet hatte, ist in sich nichts Besonderes, auffallend aber insofern, als es zumindest ansatzweise eine Familiengruft werden sollte, woraus man erschließen kann, dass es in den frühen 50ger Jahren des 4. Jhs. noch enge Beziehun- gen der konstantinischen Familie zu Rom gegeben haben muss. Zum Mausoleum an der Via Nomentana als Anbau an die Kirche SantʼAgnes(e) vgl. SZIDAT (1981) 70f. (mit weiterführender Literatur); DEN BOEFT u.a. (1991) 9. - SABBAH (1992) 98: „Morte, elle [gemeint ist Helena] est renvoyée à Rome par Julien, comme un message politique de rupture, Ammien [...].“ Wenn ich diese Bemerkung Sabbahs richtig verstehe, hätte Helena eigentlich anderwo begraben werden sollen (wahrscheinlich in Konstantinopel), Julian aber habe sie zum Zeichen des Bruches mit Constantius II. in dem Teil des Römischen Reiches begraben lassen, den er beanspruchte. Wenn sich , wie im vorhergehenden Absatz gesagt, das Mausoleum der Constantina in Rom befand, ist diese Erklärung nicht zutreffend. Dass Ammian überhaupt davon berichtet, wo Helena begraben wurde, scheint mir allerdings für die Interpretation Ammians wichtig zu sein: Es ist ein Vorverweis auf die Stelle in den Res gestae, an der Ammian von Julians Begräbnisort spricht (25,10,4–5), und damit ein indirekter Beleg für den Versuch Ammians, die romanitas Julians zu belegen [Julian hat seine verstorbene Gattin in Rom begraben lassen; somit wäre dies sicherlich auch der von ihm für sich gewünschte Begräbnisort gewesen.].

235 Ich füge hier noch, ausgehend von einer sprachlichen Beobachtung, eine Spekulation über Ammians Erzählintention an: Ammian ist der Ansicht, dass manche der Entwicklun- gen, die zur Katastrophe von Adrianopel geführt haben, von den Römern, speziell den Kai- sern verschuldet sind.559 An drei Stellen (15,5,19;16,10,19;31,4,5) drückt dies Ammian durch fast formelhaftes dabatur diligens opera aus, wobei Ammians Intention, an einem entscheidenden Punkt der römischen Geschichte die Schuld für die Entwicklung den Römern selbst zu geben, sich in der Perversion des ciceronischen rei publicae operam dare ausdrückt, wozu es allerdings notwendig ist, die eröffnende Floskel als voller Sarkasmus geäußert zu erkennen, in 16,10,19 zusätzlich gesteigert durch pathetisches tanta. Dabei führen in allen drei Fällen die Bemühungen zu einem ähnlichen Ergebnis: Entweder es wird jemand vernichtet, der für den Erhalt des Staates, bzw. Galliens notwendig ist (im ersten Falle in der Alternative Ursicinus oder Silvanus) oder es wird verhindert, dass jemand geboren wird, der sicherlich verhindert hätte, dass die Geschichte die Entwicklung nehmen würde, die sie dann nahm, oder man holte sich selbst diejenigen, die später die Vernichtung bewerkstelligen werden. Dazu mag dann vor allem in 16,10,19 kommen, dass neben den Befürchtungen hinsicht- lich der Folgen solch unverantwortlichen Handelns auch die „nostalgia del pasado“ (GAR-

CÍA RUIZ (2008) 58 nach BARNES (1990) 82–84) herausgehört werden kann, indem ein ein- ziges Wort (suboles), auch wenn es zu Ammians Zeiten nicht mehr exklusiv poetisch ist, an Vergil (egal ob an die Szene aus dem 4. Buch der Äneis oder an die 4. Ekloge (so García Ruiz a.a.O.) erinnert (im ersten Falle analogische Verwendung bei Ammian: Auch Dido hat keinen Sohn; im zweiten in Umkehrung oder Abwandlung: Da das Kind erst noch geboren wird, besteht zumindest die Hoffnung, es würde das Goldene Zeitalter wiederkehren.560).

559 Ein zumindest entfernt ähnlicher Gedanke als Schlusssatz der vita des Alexander Severus in HA Alex. Sev. 68,4: hi [gemeint sind die guten Freunde eines Kaisers] sunt, qui bonum principem suum fecerunt, et item amici mali, qui Romanos pessimos etiam posteris tradiderunt suis vitiis laborantibus. Die Stelle ist allein schon deshalb nur mit Bedenken heranzuziehen, weil im ersten Teil die Lesart von P und Σ suum umstritten ist und stattdessen Syrum oder Surum konjiziert worden ist („die guten Freunde sind es, die (sogar) einen Syrer zu einem guten Kaiser gemacht haben“ vs. „die guten Freunde sind es, die ihren Kai- ser zu einem guten Kaiser gemacht haben“) und weil im zweiten Teil die Argumentation nicht konzinn verläuft: bei Annahme von Syrum würde man erwarten: „und ebenso sind es die schlechten Freunde, die (sogar) römische Kaiser zu ganz schlechten Kaisern gemacht haben“, und bei Beibehaltung der Überliefe- rung ebenso. Stattdessen kommt ein neuer Gedanke, dass die ganz schlechten römischen Kaiser (?) an ihren eigenen Fehlern leiden und sich dies sogar auf künftige Generationen auswirkt, oder dass die Römer, ganz schlecht geworden (?), die Auswirkungen ihrer eigenen Fehler zu spüren bekommen. 560 Da der Hörer /Leser weiß, dass Julian längst tot ist und in der Zeit seit dem Romaufenthalt des Constan- tius und seinem Tod keine Nachkommen mehr bekommen hat, könnte Ammians Bericht eine Anspielung auf Vergils 4. Ekloge in der Form sein, dass hier nicht einmal mehr die Hoffnung auf die Zukunft besteht, wie sie noch bestanden hatte, als Vergil die 4. Ekloge publizierte, dass es sich hier vielmehr um ein Doku- ment der Endgültigkeit und der Hoffnungslosigkeit handelt. - Implizit geht es auch um das Thema der Nachfolge, auch dies eines der Hauptthemen in Vergils Aeneis, vgl. dazu auch TOLL, KATHARINE: Making Roman-ness and the Aeneid, in: Classical Antiquity 16 (1997) 34-56, spez. 43,

236 2.5.9 Noch einmal: Constantius und Rom

So wie am Anfang der Wunsch des Constantius stand, Rom zu sehen, so steht am En- de561 sein Wunsch (cupiens in betonter Anfangsstellung (!)), länger zu bleiben, wobei die dem Constantius von Ammian unterstellte Absicht, in Rom Ruhe und Frieden zu genie- ßen562, einem ganz natürlichen Bedürfnis entspringt; und doch mag auch das nicht ganz frei sein von versteckter Polemik: für den Kaiser, dessen Bild die Panegyrici zeichnen, gibt es eigentlich kein otium, da er für das Wohl des Reiches und seiner Bewohner rastlos tätig sein muss.563 Könnte es sein, dass trotz der in der Regel positiven Konnotation des Begriffs otium gemessen an diesem Bild des idealen Kaisers wiederum auch gesehen werden soll, dass Constantius zumindest einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt? Dass Ammians Erzählung auch hier in einen Antipanegyrikus übergeht?564 Vielleicht ist es aber auch ein-

561 Die Abgrenzung der Geschichte gegenüber dem übrigen Text des 16. Buches ist nicht problematisiert, sondern ergibt sich aus der Kapiteleinteilung. Sowohl die Kapiteleinteilung als auch die Kapitelüber- schriften gehen nicht auf Ammian zurück, sondern auf Adrien de Valois. Für Amm. 16,10 (wie für fast alle Kapiteleinteilungen) darf man jedoch annehmen, dass die Einteilung nicht Ammians Intentionen widerspricht, und die relative Abgeschlossenheit dieser Geschichte innerhalb der Res gestae wird im Folgenden nachgewiesen. [Vgl. KELLY, GAVIN: Adrien de Valois and the Chapter Headings in Ammianus Marcellinus, in: Classical Philology 104 (2009) 233 - 242] 562 Nach DUVAL (1970) 304 hätte Constantius eine neue Konsekrierung seiner Macht (und seiner Familie) im Sanktuarium des Reiches, d.h. in Rom, gebraucht „Constance avait besoin de cette nouvelle consécration de son pouvoir – et de celui de sa famille – dans le sanctuaire de l´Empire.“] Kommt diese allein durch einen Besuch in Rom zustande? 563 Dies manifestiert sich einerseits in „dem Gefühl permanenter Sorge um das Wohl des Staates“ (PABST (1986) 84), woraus sich dann „die aktive Sorgetätigkeit für alle die Gemeinschaft tangierenden Belange“ (PABST (1986) 84) ergibt. So vor allem schon im Panegyricus des Plinius auf Trajan (bei PABST (1986) 323 Anm. 415) die folgenden Stellen aufgeführt: PLIN. paneg. 7,3;44,4;48,1;77,6;80,3;86,2; Ep. 3,20,12; DION CHRYS. or. 1,21;3,62; Pan. Lat. 11(3),13,3; SYMM. Orat. 2,6; HA vit. Comm. 5,3; FELIX ep. an Zeno 17,3 (S. 276 THIEL); CASS. Var. 1,30,1;3,20;1;10,2,2; CORIPP. Iust. 2,178ff. - Wie man in einem Panegyricus auch dann noch, wenn der Gepriesene dieses Postulat erfüllt, ein Übertreffen konstruieren kann, zeigt SYM- MACH. Orat. 1,16 für Valentinian: Nachdem der Redner mehrere Beispiele aufgeführt hat, dass selbst die angesehendsten Feldherrn und Kaiser der Römer vor entscheidenden Unternehmungen sich Muße an einem bestimmten Ort gegönnt haben, sagt er von Valentinian: Tibi nullae sunt feriae proeliorum, maxi- meque hoc in Galliis delegisti, quod hic non licet otiari. Tibi nullas necessitas remittit indutias. [„Du hast keine Ferien von den Schlachten gehabt, und an Gallien hast du dir vor allem das ausgesucht, dass man hier keine Muße haben darf. Dir hat die Notwendigkeit keinen Waffenstillstand eingeräumt.“]. Genauso verhält es sich mit Constantius, nur dass allein der Wunsch, es anders haben zu wollen, schon einen Ver- stoß gegen die dem Kaiser auferlegten Pflichten darstellt. - Was von mir oben sehr vorsichtig formuliert ist, ist bei STENGER (2012) 210 Anm. 97 so formuliert: „Nachdem er sich anfangs unnahbar gezeigt hat, wandelt sich Constantius, insofern er durch Veranstaltung von Spielen dem Volk näherkommt (16,10,13) und sich schließlich so sehr anpasst, dass er ähnlich wie die Römer über otium und voluptas beinahe die gravierenden Probleme des Reiches vergisst (16,10,20).“ 564 Vgl. Pan. Lat. 8 (5), 20 und RUSSEL (1998) 46. - Bei denjenigen, die das Grenzkaisertum gegen das Zen- tralkaisertum (Begriffe nach PABST (1989) 243–246) verteidigen oder einfach auch nur akzeptieren, wird Rom zur Stätte „von ignavia, luxuria, deliciae, avaritia, otia“ (PABST (1989) 245) [PABST (1989) 205 und Anm. 165 führt das Bild des Gallienus in der Geschichtsschreibung an: „suchten sie einen mitten im Frie- den Italiens lebenden princeps als feigen Schwächling zu diffamieren“.] In den Augen der Hardliner einer solchen Anschauung wäre dann natürlich allein der Wunsch, länger in Rom zu bleiben, zu beanstanden. Geht man dagegen vom Ergebnis aus, dass nämlich Constantius im Falle der Not an den Grenzen Rom sofort verlassen hat, dann kann dem Constantius sein Handeln nur als Positivum angerechnet werden. Die hier vorliegende Geschichte könnte dann auch als die Veranschaulichung des Dilemmas betrachtet wer- den, dass sich aus den faktischen Zwängen zu einem Grenzkaisertum und den von historischer Tradition

237 fach wieder die besondere Stellung Roms (In dieser Stadt herrscht Friede.), die in Con- stantius diesen Wunsch erweckt.565 Wie die Absicht, über Magnentius einen Triumph zu feiern, Constantius nach Rom geführt hatte, so führt ihn jetzt der Zwang, neuerliche Bedrohungen abzuwehren, von Rom fort, so dass er, wobei, wie auf dem Weg nach Rom eine Zwischenstation (Ocriculum) genannt war, jetzt Tridentum genannt ist, mit der für den Kaiser typischen Eile (sicherlich auch eine Steigerung gegenüber transcurso (§4)) ins Illyricum kommt. Die Ringkomposi- tion ist an dieser Stelle nicht zu übersehen.566 Die Präferenz der literarischen Gestaltung wird auch dadurch gestützt, dass zwei Elemente in diesem Teil der Erzählung, wenn man nur auf den Geschehensverlauf achtet, schwierig zu erklären sind: Die Nennung der Zwi- schenstation Tridentum ist sachlich funktionslos567, außer dass der Weg in die Raetiae über Tridentum führt. Von den drei Völkerschaften, die in den nördlichen Provinzen des Römi- schen Reiches plündern, ist in anderen Quellen nur von den Quaden und Sarmaten eben- falls die Rede, während die Sueben zu dieser Zeit in den Quellen fast nicht existieren.568

bedingten Ansprüchen der Zentrale auf den Kaiser ergibt. Constantius wäre dann zumindest als eine Notlösung dieses Dilemmas zu sehen, während es während Valentinians fast zwölfjähriger Herrschaft nicht einmal dazu gekommen ist (vgl. dazu PABST (1989) 243–256). - Es sei hier ausdrücklich betont, dass damit kein aktueller Bezug für AMM. 16,10 gefunden ist, es sei denn man würde Ammian als radikalen Verfechter des Zentralkaisertums sehen. 565 An dieser Stelle ganz deutlich der Gegensatz Rom (als Zentrum des römischen Reiches) – Grenzen des römischen Reiches, wie er schon in weiten Teilen im Werk des Tacitus vorhanden ist, nur dass zur Zeit des Tacitus Rom wirklich noch das Zentrum der Macht ist, weil der Hof dort residiert. Von Ammian dann übertragen auf den Gegensatz kaiserlicher Hof – Grenzen des römischen Reiches, hier nochmals in der alten Konstellation zugrundegelegt. Damit auch in dieser Hinsicht ein Element der Ringkomposition (vgl. Erwähnung von Rhein und Euphrat in §6). 566 Bis in Kleinigkeiten hinein zu erkennen: §2 Trikolon mit -que et verbunden; §20 (längeres Trikolon) mit derselben Verbindung. 567 VOGLER (1979 39 Anm. 116 behauptet, Constantius habe von Tridentum aus den Befehl an Ursicinus nach Gallien geschickt, sich in Sirmium einzufinden. Das ist durch nichts zu belegen. - Zur „Erfindung“ von geographischen Angaben in der Geschichtsschreibung vgl. auch BLECKMANN/STEIN 2 (2015) 310 mit Verweis auf BLECKMANN/STEIN 1 (2015) 90-92. 568 Soweit ich sehe, werden die Sueben als nach Gallien einbrechend für die Jahreswende von 406 nach 407 2 erwähnt: JONES (1968 ) 76: „In the winter of 406–07 swarms of Siling Vandals, Asding Vandals, Alans, Sueves and Burgundians swarmed over the Rhine, whose garrisons had been depleted in order to reinfor- ce the army of Italy, and created desolation in Gaul.“ BELLEN (2003)194: „Vom Rhein kam die Nachricht, dass sich um die Jahreswende 406/07 eine Völkerlawine über den Fluss nach Gallien gewälzt habe. Van- dalen, Alanen und Sueben hatten sich mit einer Vielzahl von Völkerschaften zusammengetan, um in neue Lebensräume vorzustoßen. [...] (HIERON. ep. 123,7)“. HIERON. ep. 123,16 (123,7 bei Bellen muss ein Verse- hen sein): Innumerabiles et ferocissimae nationes universas Gallias occupaverunt. Quidquid inter Alpes et Pyrenaeum est, quod Oceano et Rheno includitur, Quadus, Wandalus, Sarmata, Halani, Gipedes; Heruli ....Hier kommen die Sueben gar nicht vor. OROS. 7,15,8: nam cum insurrexissent gentes immanitate barbarae, multitudine innumerabiles, hoc est Marcomanni Quadi Vandali Sarmatae Suebi atque omnis paene Germania (Es folgt die Erzählung des Regenwunders.); 7,38,3: praeterea gentes alias copiis viri- busque intolerabiles, quibus nunc Galliarum Hispaniaeque provinciae premuntur, hoc est Alanorum, Sueborum, Vandalorum ipsoque simul motu inpulsorum Burgundiorum, ultro in arma sollicitans, deterso semel Romani nominis metu suscitavit (sc. Stilicho). 7,40,3;7,41,8;7,43,14. Diese Suebi sind später bis in 2 den Nordwesten Spaniens (Galizien) gezogen (JONES (1968 ) 78).[In Prosperi Tironis epitoma chronicon [MGH AA9 S. 465] zum Jahr 406 sind die Sueben nicht erwähnt: CCCLXXIX. Arcadio VI et Probo conss. Wandali et Halani Gallias traiecto Rheno ingressi II k. Ian.; ebensowenig in Additamenta ad Prosp. HAUN

238 Außerdem nennt Ammian selbst für dieses Gebiet als Grenznachbarn die Juthungen, mit einem Angriff auf die Raetiae für das Jahr 358 (17,6,1).569 Wenn es sich bei den Sueben, wie Drinkwater vermutet, um weiter aus dem Landesinneren kommende Scharen gehandelt hat, dann müssen die Juthungen diesen Leuten zumindest den Durchzug erlaubt haben, auf die Gefahr hin, genau dafür von den Römern zur Rechenschaft gezogen zu werden. Derar- tiges ist aber für das Jahr 358 nirgends erwähnt, ebensowenig werden Gegenmaßnahmen des Constantius für das Jahr 357 erwähnt. Zwar macht Ammian in allen drei Fällen über- haupt keine Angaben dazu, was Constantius in diesem Jahr an der Donau unternommen habe; aber da das Vorgehen gegen die Sueben oder, weil diese, als Constantius kam, längst wieder zurückgekehrt waren, gegen die Juthungen vor seiner Ankunft in Sirmium gewesen sein muss, ist Ammians Schweigen doch recht auffallend. Ich vermute, dass a. der Wunsch des Constantius, länger in Rom zu bleiben, eine bloße Vermutung Ammians ist570, b. dass er aber dann, wenn er ihm diesen Wunsch unterstellte, sein Verlassen Roms nicht mit dem „Terminkalender“ des Constantius begründen konnte, c. dass aber auch die üblichen raids nicht ausreichten – im Jahre 358 zieht er, obwohl die Juthungen da offensichtlich mehr als ein raid planen (was natürlich Übertreibung von Seiten der Römer sein kann) nicht selbst ins Feld, sondern schickt den Barbatio -, als Begründung für den Abgang aus Rom entge- gen dem eigenen Wunsche, Ammian dramatisierend und damit gleichzeitig stilistische Vollkommenheit anstrebend, ein drittes Krisengebiet erfunden hat und d. diesem dann auch

[MGH AA9 S. 299] zum Jahre 406: Arcadio et Probo consulibus. Wandali rege Tunderico transito Reno totam Galliam crudeli persecutione vastant collocatis secum in comitatu Alanis gente moribus et fero- citate aequali.] - Suebi ist in den Quellen des ersten nachchristlichen Jhdts. bis zur Mitte des zweiten nachchristlichen Jhdts. ein Sammelname für verschiedene germanische Völker. Dieser verschwindet um die Mitte des zweiten Jhdts. aus den Quellen und taucht erst wieder gegen Ende des 4. nachchristlichen Jhdts. auf. Somit wäre die Ammianstelle der erste Beleg für die Wiederverwendung des Namens. Dann aber ist es wahrscheinlich, dass Ammian ihn in einer literarischen Quelle wiederentdeckt hat, vielleicht sogar in Tacitusʼ Germania, und wenn er bei der Vielzahl der germanischen Völker, die sich entweder selbst zu den Suebi rechneten oder von den Römern / Griechen als solche bezeichnet wurden, hier ein raid der Suebi bevorstehen ließ, dann konnte er eigentlich nichts falsch machen. Ungeklärt bleibt dabei, warum die Bezeichnung Suebi mehr als 200 Jahre nicht in den Quellen auftaucht, obwohl, wenn mit der bei Orosius so bezeichneten Gruppe die Donausueben, d.h. die Quaden gemeint sind, die geographische Nähe zum Römischen Reich immer gegeben war. 569 Dies ist allerdings nicht allgemein anerkannt (vgl. SEECK (1906) 505: Seeck hält die Zeitbestimmung für unsicher, setzt die Kämpfe in den Anfang des Jahres 357. Dagegen spricht Ammians Einordnung im 17. Buch.). Doch dürfte Ammians Einordnung das Richtige treffen. Auffallend dann jedoch, dass sich im 17. Buch kein Hinweis findet, dass dasselbe Gebiet knapp ein Jahr vorher geplündert worden sein sollte. - BARCELÒ (1981) 184 und Anm. 258 schließt aus der Angabe bei Ammian, dass die Juthungen versucht hät- ten, auch befestigte Städte zu erobern, dass es sich nicht um eines der üblichen raids gehandelt habe, sondern weitergesteckte Ziele vorgelegen hätten. 570 Damit ist auch hinfällig, aus dieser Stelle abzulesen, dass Constantius ein besonders gewissenhafter Herrscher gewesen sei, wie es BLOCKLEY (1980) 41 tut ("In fact Constantius seems to have been an extremly conscientious ruler, a characteristic which enters only incidentally into Ammianusʼaccount, as the Emperor hurries away from Rom to face raiders on the middle Danube, although he wishes to remain longer in the city."). Im übrigen ist hier anzumerken, dass es fraglich ist, ob Ammian zufällig derartige Zuweisungen unterlaufen.

239 den Weg angeglichen hat. Um diesen aus den Paragraphen 4 und 20 gebildeten Ring ist sozusagen außen der aus den Paragraphen 1 und 21 gebildete gelegt, durch den die Geschichte vom Rombesuch des Constantius nach rückwärts und nach vorwärts in die Geschichte an den Grenzen des römi- schen Reiches eingebunden ist, wobei die Geschichte am östlichen Rand des Reiches im Text unmittelbar davor geschildert ist (16,9), während die am westlichen Rand, etwas wei- ter zurückliegend, den Anlass für den Rombesuch bildet (§1 Triumph über Magnentius), so dass in Paragraph 21 der Ring auch doppelt schließt, indem mit der Abberufung des Ursicinus aus Gallien und der Entsendung des Severus nach Gallien die westliche Grenze kurz angedeutet ist und in 16,11 ausführlich die dortigen Ereignisse behandelt werden, während mit der Entsendung des Ursicinus (und Ammians) in den Osten per eoas partes des Paragraphen 1 (also chiastische Anordnung) aufgenommen wird und mit einer Ab- sichtserklärung (impleturi) zwar auf den späteren Teil verwiesen, aber dieser zunächst nicht weiter ausgeführt wird.571 Dennoch ist dieser letzte Teil, der schon gar nicht mehr in Rom, sondern weit entfernt in Sirmium spielt, derjenige, der zu Ammians Auffassung vom Rombesuch des Constantius noch ein entscheidendes Detail liefert: Fast alles, was beim Rombesuch des Constantius eine Rolle spielt, enthält, manchmal nur als Beigabe, manch- mal sogar als Essenz, eine Art von Unangemessenheit: Rom als Schauplatz eines Trium- phes über den Gegner im Bürgerkrieg; der Prunk und Glanz des Zuges des Constantius bei diesem Anlass; die despektierlichen Bemerkungen des Hormisdas über das Trajansforum und Rom im allgemeinen; das Handeln der Eusebia in Rom. Vor allem aber die Handlun- gen und Erwartungen des Constantius: nur so ist sein immer wiederkehrendes Staunen zu erklären, dass seine Vorstellungen von Rom und allem, was es dort gibt, unangemessen waren, was er in seiner Klage über die Fama denn auch ausspricht; nur ein einziges Mal sagt Ammian, dass das Verhalten des Constantius in Rom angemessen gewesen sei, näm- lich im Zirkus (wobei hier bezeichenderweise auch das Wort modus auftaucht (§12)). MAT-

THEWS (1986) 21f. hat bei der Deutung dieser Szene herausgestellt, dass Ammian das Grundproblem von Tacitusʼ Annalen, das Verhältnis von libertas und Autokratie, hier in dem Sinne löse oder als gelöst betrachte, dass der Kaiser zum Beschützer der libertas werde572. Zwar ist genau an dieser Stelle die Rede davon, dass die plebs Roms mit der

571 Ein weiteres Beispiel kunstvoller Komposition von Geschichten bei Ammian das von WEISWEILER (2015) 126f. behandelte: Geschichte des Craugasius und seiner Frau und der Belagerung von Amida (AMM. 18,9 – 19,9,9). 572 SABBAH (1979) 28 bezeichnet das als „harmonie“. Wenn man bei Constantius eine Entwicklung von Feindseligkeit zu einem „principe libéral“ (SABBAH (1979) 28) annimmt, dann müsste in diesem Paragra- phen das Zentrum der Geschichte liegen. Für mich schwer vorstellbar, noch weniger aber, dass in der

240 libertas verwachsen sei, und da nach Ammians Auffassung in Rom das ganze Imperium präsent ist, auch hier die plebs Roms repräsentativ für das Volk des ganzen Reiches stehen könnte, ist Matthews Folgerung durchaus plausibel. Ich glaube dennoch, dass man die Szene auch unter einem anderen Aspekt sehen kann: Im zweiten Romexkurs (28,4,31) soll das Verhalten derer, die nachts nicht schlafen, weil sie den Wagenrennen am nächsten Tag entgegenfiebern, vor allem bedeuten, dass die Interessen der Römer sich auf ein Gebiet verschoben haben, von dem das Wohl und Wehe des Reiches nicht abhängt, dass dieses vielmehr durch diese Vernachlässigung gerade gefährdet ist. Wenn also Constantius genau auf diesem Gebiet den Römern ihre Freiheit lässt, dann ist sein angemessenes Verhalten im Zirkus letztlich doch wieder unangemessen. Dagegen werden in den Paragraphen 20–21 die Gebiete genannt, wo die eigentlichen Aufgaben eines Kaisers zu bewältigen sind. Con- stantius begibt sich zwar dorthin; aber es sieht so aus, als habe Ammian mit Bedacht nichts davon gesagt, was er tatsächlich dort geleistet hat, während die eigentlich in diesem Sinne Handelnden Ursicinus und .... Ammian sind573, so dass der unangemessenen Absicht des Constantius am Anfang (§1) die angemessenen, weil auf das Wohl des Staates abzielenden Absichten des Ursicinus und des Ammian die Erzählung beschließen (§21).574 Wenn aber gesamten Geschichte Ammians „espoir dʼune renovatio imperii et dʼune reparatio temporum“ zum Aus- druck komme. Es mag zwar sein, dass Ammian diese Hoffnung gehabt hat, aber bei Constantius wäre er damit gescheitert. 573 Hier wird versucht, das Einbringen der eigenen Person innerhalb dieser Geschichte zu deuten und zu bewerten. Daneben kann man auch beschreiben, was es bedeutet, wenn der Autor eigenes Erleben in ein Geschichtswerk einbringt. MATTHEWS (1983) 34 deutet an, dass dies eine Besonderheit Ammians sei, die ein wenig verstörend wirke: "Yet the prominence of the personal memoir indulged in by Ammianus is dis- concerting. His exploits, often resembling tales of excitement and adventure reminiscent of a Hollywood screenplay rather than solemn Roman history, are something of an idiosyncrasy even among those ancient historians who, like Polybius, allow themselves to make a personal appearances in their works." - Im übrigen ist die Literatur zu den Stellen in Ammians Res gestae, an denen Ammian von sich in der ersten Person Sing. oder Plur. spricht, inzwischen fast unübersehbar. Hier sei deshalb nur hingewiesen auf VOGT (1963) 812–813; KELLY (2008) 31–158; MARY (2008) 225–246. 574 Vergleichbar das Handeln des comes Iulius nach der Schlacht von Adrianopel, als dieser durch die Tö- tung der Goten in seinem Gebiet nach Ammians Ansicht die östlichen Provinzen von einer großen Gefahr befreit (31,16,8: quo consilio prudenti sine strepitu vel mora completo orientales provinciae discrimi- nibus ereptae sunt magnis). [Für das Heranziehen dieser Stelle als Parallele spielt es keine Rolle, dass die Schilderung des Vorgehens des Julius nach einem historischen Vorbild gestaltet zu sein scheint, der Ermordung der Römer in Kleinasien durch Mithradates, und dass es nicht die Beseitigung aller Gothen, nicht einmal aller gotischen Soldaten im Ostteil des Reiches betroffen haben kann, sondern es wahr- scheinlich um von den Gothen gestellte Geiseln ging. Auffallend ist dagegen, dass Ammian das Vorgehen des Julius ohne jegliche Rücksicht auf moralische Kategorien schildert, so wie beim Vorgehen des Ursici- nus und Ammians gegen Silvanus in Köln. Diese Stelle wiederum ist in der Struktur der in Paragraph 21 zugrundeliegenden gleich, dass nämlich in den für den Bestand des römischen Staates entscheidenden Krisen der Kaiser auf die absolute Loyalität seiner Generäle angewiesen ist (und diese wiederum auf die der Untergebenen der nächsten Ebene), vgl. dazu auch 31,10,19, wonach selbst ein überragender Kaiser wie Marc Aurel ohne diese Loyalität Schwierigkeiten gehabt hätte, bestimmte Krisen zu überstehen [MAT- THEWS (1986) 22f.]. - Daneben darf man nicht außer Acht lassen, dass bei den Stellen, an denen Ursicinus in der Rolle des absolut loyalen Heerführers (und Politikers) geschildert ist, Ammian nachzuweisen sucht, dass die nach dem Silvanusunternehmen gegen Ursicinus erhobenen Vorwürfe der Illoyalität unbegründet waren. Insofern ist selbst diese so harmlos erscheinende Stelle von der Entsendung des Ursicinus und des Ammian in den Osten neben dem zum Ausdruck kommenden Selbstbewusstsein Ammians auch von die-

241 auf diese Weise angedeutet wird, wohin die acies instructa eigentlich hätte marschieren müssen und worin die wichtigste Aufgabe eines Kaisers besteht, dann wird nicht nur die am Anfang stehende Absicht als in ihrer Verwirklichung kaum zu überbietender Missgriff gedeutet, sondern auch der Wunsch des Constantius, länger in Rom zu bleiben, nachträg- lich als unangemessen diskreditiert, weil es ein Wunsch zum falschen Zeitpunkt ist. Das letzte Wort der Erzählung, impleturi, verweist, wie oben schon erwähnt, einerseits auf den Anfang der Geschichte zurück, andererseits enthält es als Partizip Futur einen Ver- weis auf später noch zu Erzählendes, womit die Geschichte offen gehalten wird. Die Pflichterfüllung Ammians und seiner Kollegen unter den protectores domestici geschieht im Kampf um Amida, von Ammian in den Büchern 17 und 18 der Res gestae erzählt. Die Ereignisse in und um Amida präfigurieren Julians Perserfeldzug, in den Büchern 22 bis 25 der Res gestae erzählt. Somit auch im letzten Wort der Erzählung ein Hinweis auf Julian. Nach Ammian spielen sich dort für ihn selbst, für Julian und damit für das Römische Reich die entscheidenden und wichtigen Ereignisse ab, sozusagen das wahre Leben, so dass aus der Rückschau vom Besuch des Constantius vor allem der schöne Schein bleibt.

2.5.10 Was Ammian nicht berichtet. Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, alle Informationen, die es zum Besuch des Constan- tius gibt, zusammenzutragen, um auf diese Weise möglichst lückenlos das Geschehen wäh- rend der dreißig Tage aufzulisten. Insofern ist es zunächst gar nicht nötig, das zu berück- sichtigen, was es neben Ammians Bericht an Informationen über den Rombesuch gibt. Das gilt ebenso in Bezug auf die in dieser Arbeit durchaus interessierende Frage, woher Ammi- an seine Informationen hat. Da sich aber bei der vorausgehenden Interpretation schon mehrfach herausgestellt hat, dass an der Historizität mancher Details der Erzählung erheb- liche Zweifel angebracht sind, dass alles, was Ammian die am Geschehen beteiligten Per- sem Interesse bestimmt. Was nun den Ausdruck des Selbstbewusstseins betrifft, so rückt die Stelle hier wiederum nahe an die Szene des comes Iulius: denn auf diese folgt unmittelbar die berühmte Sphragis am Schluss der Res gestae (31,16,9), wo ut miles quondam et Graecus auch als Ausdruck des Selbstbewusst- seins zu deuten ist (vgl. die Interpretation zu 20,5,2). - Wie der comes Iulius nach der Schlacht von Adri- anopel, so handelt Ursicinus (mit seinen Untergebenen) für den Staat. Obwohl selbstverständlich ist, dass er nach den Befehlen des Constantius handelt, wird ausdrücklich nur ihm von Ammian als Motiv das Wohl des Staates hier zugeschrieben. Schließt man sich den Schlussfolgerungen von MATTHEWS (1986) 23f. und 28 an, dass 14,6,3 (victura, dum erunt homines, Roma) so zu deuten sei, dass bei Ammian die aeternitas Romae gebunden sei an die Existenz von Menschen mit dem Willen und dem Bemühen, sich für diesen Staat einzusetzen, dann muss man Leute wie den comes Iulius oder Ursicinus zu denen rech- nen, die für den Fortbestand des Römischen Reiches nicht die Garanten sind, aber unerlässlich, wenn dieser gesichert werden soll (Matthews denkt dabei vor allem an Julian.) [Matthewsʼ Deutung hat den Nachteil, dass an der betreffenden Stelle nur homines steht (und nicht etwa viri, das prägnant als „wahre Männer“ verstanden werden könnte) und keine der erforderlichen Tugenden wie prudentia, patientia oder fortitudo genannt ist.] Ob Ammian geglaubt hat, dass dies gelingen könne, ist eine andere Frage. Dass er das Römische Reich ernsthaft gefährdet gesehen hat, dürfte feststehen und kann auch mit seinem Glauben an die Ewigkeit Roms nicht widerlegt werden.

242 sonen sagen lässt, kaum Authentizität beanspruchen kann und dass vor allem die dem Con- stantius zugeschriebenen psychischen und mentalen Vorgänge (Absichten, Reflexionen, Wertungen) jeglicher Nachprüfung entzogen sind, kann das, was aus anderen Quellen erschlossen werden kann, wovon Ammian aber nicht berichtet, durchaus dazu beitragen, Ammians Auswahl und Erzählintention besser zu verstehen.575

2.5.11 Rede des Themistius Die den Titel Πρεσβευτικὸς (sc. λόγος) ὑπὲρ Κωνσταντινουπόλεως führende dritte Rede des Themistios kann, wenn sie tatsächlich in Rom gehalten worden ist576, nur in der Zeit

575 Hier ist bewusst nicht als Überschrift gewählt „Was Ammian verschweigt.“ (im Englischen als silence bezeichnet, vgl. z.B. in Form einer Frage bei ROWELL (1964) 273: "What are the devices, the patterns, the silences which are peculiarly Ammianus´own and which we should recognize as parts of his literary seal?"). Verschweigen setzt voraus, dass Ammian davon gewusst hat, was für den Fall, dass es um Details geht, in vielen Fällen nur schwer nachzuweisen sein dürfte. In anderen Fällen geht der Interpretierende von einer nur scheinbar vollständigeren Kenntnis eines Ereignisses aus, indem er verschiedene Quellen „zusammensetzt“; auf diese Weise wird dann das Verschweigen gern zum Nachweis einer bestimmten Tendenz in Ammians Denken oder seiner Geschichtsdarstellung gedeutet. So vor allem BARNES (1998), der daraus herleitet, dass die Res gestae an vielen Stellen pagane Polemik gegen das Christentum seien.- Hier sei vorweggeschickt, dass es nicht darum geht, Ammian durch eine Liste von „Versäumnissen“ Unvollkommenheit seines Geschichtswerkes nachzuweisen. Wenn es zunächst darum geht, vom Text Am- mians ausgehend die Geschlossenheit dieser Geschichte zu beweisen, dann ist eine Aufzählung dessen, wovon nicht berichtet wird, irrelevant. Genauso das Vorgehen Camerons, nur in größerem Rahmen, ge- genüber dem Gesamtwerk Prokops (CAMERON (1986) 64: "A list of omissions in Procopius´ work would be long. He did not give a whole picture – never mentioning for instance, the great Ecumenical Council of 553 or the decade of polemic that preceded it, or the ferment of easterners and westerners in Constan- tinople, come to take one side or the other, who all too often ended up in prison or in exile." Unterstrei- chung von mir). - Die Problematik, mit dem zu argumentieren, was Ammian nicht schreibt, sei für dieses Kapitel an zwei Beispielen veranschaulicht: a. MACCORMACK (1972) 736f. vermerkt, dass im Gegensatz zu den adventus-Schilderungen Ammians für Julian dieser Bericht nirgends zeige, dass Constantius als Gott (oder göttlich) begrüßt worden sei ("Ammianus´ account nowhere indicates that Constantius – like Julian – was welcomed as in any sense divine.") und schließt daraus, unter der Voraussetzung, dass Ammian wahrheitsgetreu berichte, dass dieses Element deshalb nicht vorkomme, weil es sich um einen christlichen Kaiser handelte. b. In der Regel war ein adventus mit materiellen Vorteilen für die Bürger der besuchten Stadt verbunden (die nicht nur in den Spielen, die natürlich vom Kaiser finanziert wurden, und in den Bauten bestanden. Während das z.B. auf dem Konstantinsbogen dargestellt ist, ist hier bei Ammian nicht davon die Rede. Darf man daraus schließen, dass dies entweder zu Ammians Herabsetzung des Constan- tius beitragen sollte oder gar, wenn es largitio in dieser Form wirklich nicht gegeben hat, sich Constantius einen bewussten Affront der Römer geleistet hat? 576 Nach meiner Meinung kann sich die Behauptung, Themistios sei im Frühjahr 357 in Rom gewesen und habe diese Rede gehalten, nur auf die zum Titel hinzugefügte Bemerkung ῥηθεὶς ἐν Ῥώμῃ („gesprochen in Rom“) und implizit den Titel selbst (Wenn es die Rede eines Gesandten, bzw. einer Gesandtschaft ist, müssen dieser, bzw. diese irgendwohin geschickt worden sein.) stützen. Beides aber kann aus der Rede selbst als spätere Zutat hergeleitet sein und beweist somit nichts. Im übrigen scheinen mir die Argumente von Scholze (SCHOLZE (1911)) durch Vanderspoel (VANDERSPOEL (1995)) und Errington (ERRINGTON (2000)) nicht widerlegt; und im Gegensatz zu Portmanns Behauptung in Zum Datum der ersten Rede des The- mistios, in Klio 74 (1992) 411–412, S. 416 Anm. 36: „Zweifel daran , daß Themistius beim Vortrag von or. 3 persönlich in Rom gewesen ist, können nur entstehen, wenn or. 4 nach or. 3 datiert wird. Dazu be- steht jedoch keine Notwendigkeit (vgl. PORTMANN, Geschichte der spätantiken Panegyrik, Frankfurt/Main etc 1988, 266)“ scheint mir die Einschätzung in: THEMISTIOS, Staatsreden, Übersetzung, Einführung und Erläuterungen von Hartmut Leppin und Werner Portmann, Stuttgart 1998, Einleitung zur 3. Rede „Oratio 3 ist eine Rede, die Themistios als Gesandter des Senats von Konstantinopel in Rom vor Constantius II. gehalten hat. Zumindest fingiert Themistius einen persönlichen Vortrag in Rom.“ beim derzeitigen Stand der Diskussion angemessener. „Nur der Fiktion nach in Rom gehalten“ PABST (1986) 200. - DUVAL (1970) 300 nimmt an, die Rede sei in Konstantinopel gehalten (ohne Beweis (!)).So auch VOGLER (1979) 54,

243 des Besuchs des Constantius gehalten worden sein. Selbst wenn es aufgrund des Inhalts der Rede und der Tatsache, dass weder Symmachus noch Ammian einen an Chronologie und Stadtgeographie ausgerichteten Ablauf des Besuchs geben wollen, schwierig ist, sich einen Ort und einen konkreten Anlass vorzustellen, bei dem eine solche Rede gehalten worden sein könnte (Vor welchem Publikum?), so ist es einfach so, dass diese Panegyrici als Ereignis in der Geschichtsschreibung nicht vorkommen. Dagegen könnte dieser Πρεσ- βευτικὸς λόγος eine Rolle spielen hinsichtlich des Problems, ob Ammians Erzählung vor dem Hintergrund der Rolle gesehen werden muss, die Konstantinopel zur Zeit des Con- stantius und bei Constantius, d.h. zeitgleich zum Erzählten, wie bei Ammian, den Römern und auch Theodosius (?), d.h. zeitgleich zum Erzählen, gespielt hat. Abgesehen davon, dass auf diesem Gebiet nur mit argumenta ex silentio gearbeitet werden kann (Ammian erwähnt Konstantinopel im 10. Kapitel des 16. Buches kein einziges Mal.), käme als erst noch zu beweisen hinzu, ob Ammian diese Rede des Themistios gekannt hat.

2.5.12 Constantius als pontifex maximus577

Nach SYMMACH. Rel. 3,7 (decrevit nobilibus sacerdotia) habe Constantius in seiner

Funktion als pontifex maximus vakante Priesterämter besetzt.[PIGANIOL (1972) 110]. Sollte die hier vorgelegte Deutung der ammianeischen Erzählung richtig sein, dann würde diese „Tätigkeit“ des Constantius Ammians Erzählintention konterkarieren; denn dann hätte Constantius hierin richtig gehandelt.

2.5.13 Entfernung des Viktoria-Altars aus der Curia Nach dem Zeugnis des Ambrosius (Epist. 18,32) und des Symmachus (Relat. 3, 6–7) hat Constantius II. den Viktoria-Altar während seines Rombesuchs aus der Kurie entfernen lassen, weil er sich, wenn er ihn ansehe, beflecke.578 Falls man von dem Aufsehen, das die erneute Entfernung des Altars auf Anordnung Gratians im Jahre 382 auslöste, nämlich eine Senatsgesandtschaft zum Kaiser nach Mailand zu schicken, schließen darf, dass im Jahre 357 es ähnlich gewesen sein muss579, dann erstaunt Ammians Übergehen dieses Ereignisses

HEATHER / MONCUR (2001) 117–125. - DUFRAIGNE (1992) 504 und ELM (2012) 96f. ohne jeden Zweifel. - ANDO (2000) 180 geht nicht nur davon aus, dass Themistios in Rom gewesen ist, sondern dass diese Gesandtschaft auch das aurum coronarium anlässlich der vicennalia des Kaisers überbracht habe. Keine Belege aus den Quellen, reiner Analogieschluss. 577 Vgl. dazu zuletzt DIEFENBACH (2015) 354 Anm. 7. 578 AMBROS. Epist. 18,32: Constantius augustae memoriae nondum sacris initiatus mysteriis contaminari se putavit, si aram illam videret. Iussit auferri. 579 Die Bedeutung des Ereignisses wird beträchtlich relativiert, wenn man bedenkt, dass es bei Constantius nur diese eine Maßnahme gewesen ist, während es bei Gratian ein ganzes Bündel war, das zudem durch die finanziellen Beschneidungen dem Heidentum einen Teil der ökonomischen Basis entzog, so dass die Bemühungen des Symmachus und des Senats vielleicht nicht allein aus ideellen Gründen genährt wurden.

244 einigermaßen, zumal da er Kenntnis der Vorgänge der Jahre 382 und 384 (Gesandtschafts- reise des Stadtpräfekten Symmachus zum Kaiser Valentinian II. in dieser Angelegenheit; Briefe 17 und 18 des Ambrosius) gehabt haben muss, die Vorgänge von 382 und 384 sogar in Rom erlebt haben muss.580 Jeder Versuch einer Erklärung ist reine Spekulation581; denn das Verschweigen oder Übergehen passt in die verschiedenen Deutungmuster, sei es dass man der Ansicht ist, dass Ammian grundsätzlich religionspolitische Dinge nicht zur Erklärung heranziehe582, sei es dass er für eine Duldung des Heidentums auf indirektem Wege plädiere. Vielleicht war es einfach nicht opportun, davon zu schreiben, da aufgrund der Ereignisse von 382 und 384 das Thema noch brisant war. Nach Cod. Theod. 16,10,2 hatte Constantius 341 n.Chr. ein Opferverbot und nach Cod. Theod. 16,10,4 355/56 n. Chr. die Schließung aller Tempel verfügt. Eine Änderung dieser rigorosen antiheidnischen Politik soll durch den überwältigenden Eindruck seines Rom- besuchs eingetreten sein (so MOREAU, RAC 166; NOETHLICHS (1971) 65; BLIEMBACH (1976)

Es kommt ein weiteres hinzu, das es erschwert, die Wertigkeit des Ereignisses nur annähernd zu be- stimmen: Nach der Entfernung durch Constantius muss der Altar wieder an seinen Platz gestellt worden sein. Nach allgemeiner Ansicht ist dies unter Julian geschehen (im Zuge seines Versuchs der Wieder- erweckung der heidnischen Kulte) [Vgl. z.B. BELLEN 3, 153]. Nur Ambrosius spricht überhaupt davon: Iussit auferri, non iussit reponi. Diese pointierte Formulierung ist eigentlich nur dann sinnvoll, wenn der Altar noch unter Constantius wieder an seinen Platz gestellt worden ist, aber nicht auf seinen Befehl. Ambrosius hat vorher gesagt, ihn sehen zu müssen, habe Constantius gestört. Könnte es nicht sein, dass er vorübergehend entfernt worden ist (auch wenn das nicht die Absicht des Constantius war), dass einige Leute in Rom rabulistisch argumentiert haben, Constantius habe nicht befohlen, ihn nicht zurückzustel- len. Dies würde dem Ereignis viel von seiner Bedeutung nehmen und einen auch der Notwendigkeit ent- heben, einen Grund zu finden, warum er trotz zahlreicher geradezu heidenfreundlicher Maßnahmen (nach Symmachus) an dieser Stelle die Konfrontation suchte. 580 Nach DEMANDT (1965) 152 liegen beide Ereignisse vor der Abfassung des 16. Buches. 581 Interessant und bedenkenswert die Erklärung bei VITIELLO (1999) 402, wobei der zentrale Gedanke von VERA stammt: Symmachus entwerfe in seiner relatio von Constantius ein relativ positives Bild (um unter Berufung auf diesen die Wiederherstellung zu erreichen). Dieses Bild eines heidenfreundlichen Constan- tius (VERA: „immagine paganeggiante“) wäre aber beschädigt worden, wenn Ammian von der Entfernung des Viktoriaaltars berichtet hätte. - Ich glaube nicht, dass Ammian sozusagen das Sprachrohr des Symma- chuskreises war. Auch wenn solche Überlegungen keinen logisch zwingenden Schluss ersetzen können, aber wo in seinem Bericht hätte er dieses Detail unterbringen können? Als Relativsatz bei der Erwähnung der curia? Vgl. auch die Vorbemerkung zu diesem Kapitel, wonach es allemal gefährlich ist, aus Auslas- sungen allzu weitgehende Schlüsse zu ziehen (was VITIELLO (1999) 402 auch für Symmachus tut, dass die- ser nämlich in Paragraph 7 nicht die Errichtung des Obelisken erwähne). - SELEM (1972) 82 behandelt Ammians Nichterwähnung der 3. relatio des Symmachus („il silenzio sulla celebre Relatio III sullʼara della Vittoria“) unter dem Gesichtspunkt des vieldiskutierten Problems, welcher Art und wie eng Ammi- ans Beziehungen zu Symmachus und anderen Adelsfamilien Roms gewesen seien. Dann aber hat dies nichts mit 16,10 zu tun, sondern wäre ein Desiderat an den Stellen, an denen Ammian von Symmachus spricht, z.B. 21,12,24;27,3,3-4. Zur Nichterwähnung des Faktums der Entfernung des Altars vgl. SELEM (1972) 85. 582 So z.B. ZARINI (1999) 176: „il nʼévoque pas ici la question religieuse, sur laquelle il se montre, du reste, généralement assez neutre.“ Die anschließend dafür gegebene Begründung, Ammian folge darin der Forderung des Tacitus nach Objektivität, überzeugt nicht, weil Ammian im Grunde laufend Stellung bezieht und trotz aller Beteuerungen in dieser Hinsicht sich bewusst gewesen sein muss, dass z.B. seine Beurteilungen der Kaiser nicht das Non-plus-ultra an Objektivität sind (wobei er natürlich nicht von Objektivität spricht, sondern von der Wahrheit).

245 27). Nach Moreau habe Constantius anlässlich dieses Besuchs dem Heidentum die alten

Privilegien wieder gewährt (nach SYMM. Rel. 3,7). Nach meiner Meinung gibt die Symma- chusstelle dies nicht her (Nihil ille (gemeint ist Constantius) decerpsit sacrarum virginum privilegiis, decrevit nobilibus sacerdotia, Romanis caerimoniis non negavit impensas.). Nur die Zuteilung der Priesterämter kann als positive Maßnahme gesehen werden; in den anderen beiden Fällen kann es auch sein, dass er einfach gar nichts verfügte, also alles beim Alten ließ. Was nun das Beeindrucktsein des Constantius betrifft, so ist davon bei Symmachus nicht die Rede (miratus est hat als Objekt nur die Erbauer der Tempel; wenn also z.B. an das Pantheon gedacht ist, dann bezöge sich die Bewunderung nicht auf die heidnische Reli- gion, sondern auf einen seiner Vorgänger. Der Schluss ist somit erst möglich, indem man den stupor der Ammianstelle mit den Aussagen des Symmachus kombiniert. Wie historisch aber der stupor des Constantius ist, hängt davon ab, welche Glaubwürdigkeit man Ammian in diesem Falle zubilligt. Vgl. die entsprechende Stelle der Interpretation.

2.5.14 Die christlichen Basiliken in Rom

Nach BEHRWALD (2009) 84–86 ist für Ammian das einzige Auswahlkriterium für die Bauwerke, die er aufzählt, die Pracht und Größe dieser Bauwerke (was notwendigerweise zur Folge hat, dass es bis auf das Theater des Pompeius kaiserzeitliche Bauwerke sind), und wenn man die dadurch gegebene Reihe mit einer Tugend in Zusammenhang bringen wolle, so gehe es um die liberalitas, an der Constantius gemessen werden solle. Eine anti- christliche Stoßrichtung sei hierin nicht zu erkennen. Außerdem spiele das historische Moment keine Rolle. Wäre dies richtig, dann würde das Fehlen von z.B. Alt-Sankt-Peter oder San Giovanni in Laterano doch einigermaßen erstaunen583, da beide Bauwerke hin- sichtlich der Pracht und Größe es bestimmt mit dem Jupitertempel auf dem Kapitol aufneh- men konnten und Constantins liberalitas ein treffliches Maß für Ammian ergeben hätte, um Constantius scheitern zu lassen. Dann aber wäre das Verschweigen fast schon ein Beweis für die antichristliche Stoßrichtung. Nicht richtig scheint mir zu sein, dass Behrwald bestreitet, dass bei Ammian das histori-

583 Soweit heutzutage noch feststellbar: Alt-Sankt-Peter am 18. Nov. 326 von Papst Silvester geweiht, 349 n.Chr. der Bau vollendet; S. Giovanni in Laterano um 313 als Salvator-Basilika begonnen; S. Maria Maggiore: angeblich am 5. Aug. 352 der Traum des Papstes Liberius; möglicherweise die Kirche erst unter Sixtus III. (432 – 440) erbaut; S. Lorenzo fuori le mura: um 330 n.Chr. unter Konstantin eine drei- schiffige Basilika; S. Paolo fuori le mura: 386 n.Chr. Stiftung der Kaiser Valentinian, Theodosius und Arkadius; zwischen 400 und 410 unter Honorius vollendet (Grundriß und Ausmaße wie bei der Basilika Ulpia des Trajansforums (!)), kommt also nicht in Betracht.

246 sche Moment keine Rolle spiele: Zwar ist es so, dass Pracht und Größe (vor allem Höhe und Weite) eine große Rolle spielen (Wie sollte auch anders der stupor des Constantius immer weiter gesteigert werden?), aber indem Ammian sie insgesamt als decora urbis aeternae bezeichnet, muss die zeitliche Dimension notwendigerweise dazugedacht werden. Da aber wäre es auffallend, in einer Auswahl Bauten aufzuführen, die in jüngerer Vergan- genheit erst vollendet worden sind und noch keinen wesentlichen „Beitrag“ zur aeternitas Roms geleistet haben.584 Im übrigen gibt es einfachere Erklärungen: Ammian schildert keine Besichtigungstour und setzt bei Constantius kein antiquarisches Interesse voraus (wie man es bei der Schil- derung des Symmachus annehmen kann). Vielmehr ist seine Reihe der Bauwerke eine höchst artifizielle Konstruktion, die darauf ausgerichtet ist, dem Göttlichkeits- und Ewig- keitsanspruch des Constantius etwas entgegenzusetzen, was wirklich göttlich und ewig ist. Das aber ist repräsentiert in Roms Bauten, wobei Anfang und Ende der Reihe sicher nicht willkürlich gewählt sind, alles Dazwischenliegende aber vor allem aus rhetorisch-argumen- tativen Gründen gewählt sein kann, wobei die Grundlage durchaus eine Descriptio urbis Romae gewesen sein kann, in der die Kirchen Roms noch nicht vorkamen.

585 In eine andere Richtung zielt die Bemerkung von MATTHEWS (1986) 24 , mit der er auf die kaum vorstellbare Abwesenheit des Christentums im gesamten Bericht vom Rombe- such des Constantius verweist. Findet man dafür keine plausible Erklärung, dann ist Am- mians Bericht nicht nur tendenziös und unausgewogen, sondern auch unvollständig586. Dass Ammians Bericht tendenziös ist, dürfte auch schon die bisherige Interpretation zur Genüge beweisen. Angenommen, Constantius hätte nur ein Viertel der in Rom verbrachten Zeit für die Behandlung kirchlicher Angelegenheiten verbraucht, dann wäre der Bericht Ammians unvollständig und auch ein Verstoß gegen den von ihm propagierten Grundsatz,

584 Damit erledigt sich auch jeglicher Versuch, aus dem Vorkommen bestimmter Bauten und dem Fehlen anderer in der Reihe hier eine Stütze für Ammians angeblich anachronistische Sichtweise zu sehen (Curiosum am Rande: Ich glaube, aus Stellen wie dieser hier ist Mutschlers Kennzeichnung des ammi- aneischen Stils als „museal“ gewonnen [FRITZ-HEINER MUTSCHLER, Erzählstil und Propaganda in Caesars Kommentarien, Heidelberg 1975, 200f. Anm. 5]). 585 "But it is hard to believe that, in general, Constantius spent more in the Forum and on the Capitol than he spent in the great Constantinian churches, especially St. Peter´s and St. John Lateran." - Ähnlich, nur in anderer Formulierung, alle diejenigen Interpreten, die sagen, Ammian ignoriere in diesem Bericht das Christentum (in Rom), z.B. ZARINI (1999)170 („mais nos auteurs païen ignorent évidemment les monuments chrétiens“ [neben Ammian sind Claudian und Rutilius Namatianus gemeint]). 586 So auch NOY (2000) 144f. über Edwards: "Edwards (1996,97-8) shows that Ammianus is far from giving a realistic description of the city as it existed of the time, since he conspicuously omits any reference to Christian monuments, but the sense of wonder can still be taken as genuine." - Geradezu als Mangel im Geschichtsdenken und Geschichtswerk Ammians bezeichnet bei TASSI (1967) 170: „Tuttavia lʼindif- ferenza per i contrasti religiosi, se indica una liberalità di princìpi per cui lo scrittore vedeva nella religi- one un fatto di libera scelta, costituisce una debolezza della sua storiografia, che talora gli rende impos- sibile una approfondita comprensione degli avvenimenti del tempo.“

247 unter Weglassung der minutiae von den wichtigsten Dingen wahrheitsgetreu zu berichten. Ich glaube, dass man unter anderem gerade an diesem Punkt beispielhaft zeigen kann, dass die Anwendung des genannten Grundsatzes durch Ammian nicht am Maßstab von Ge- schichte als Wissenschaft im modernen Sinne gemessen werden darf. Was nun den Aufenthalt auf Forum und Capitol587 betrifft, so sind beide damit zu begründen, dass sie vorrangig der Repräsentation dienen, somit eine wesentliche Form der Herrschaftsausübung darstellen. Es ist aber fraglich, ob dies zum damaligen Zeitpunkt für einen ungetauften Kaiser in einer christlichen Kirche überhaupt möglich gewesen wäre, wenn er an der Messe gar nicht teilnehmen konnte.588 Ob es aber damals schon Besuche christlicher Kirchen, egal welcher Personen, aus antiquarischem oder kunsthistorischem Interesse gegeben hat, vermag ich nicht zu beurteilen589, ebensowenig, ob es bei Constan- tius irgendein Interesse gegeben hat, an den Gräbern der Apostel zu beten590, was im übrigen 587 Von einem Aufenthalt auf dem Capitol ist allerdings bei Ammian gar nicht die Rede (gegen Matthews). Der Gang zum Kapitol und das dortige Opfer, bis zu Konstantins Zeiten End- und Höhepunkt eines Tri- umphzuges, ist natürlich für einen christlichen Kaiser gar nicht möglich. Dazu im Widerspruch steht auch nicht, dass Constantius noch den Titel eines pontifex maximus innehat. Der Titel war längst bloßes durch die Tradition erhaltenes Relikt ohne Bedeutung. Constantius dürfte sich allerdings gehütet haben, die Funktion eines pontifex maximus, die an Rom gebunden war, dort auszuüben [CALDERONE (1973) 264f.]. 588 Falls die von Pacatus (Pan. Lat. 2(12), 21,1 für einen Stadtbesuch vorgegebene Reihenfolge (erst Heiligtümer des höchsten Gottes, dann Profanbauten) auch für die Kaiser Gültigkeit besessen hätte, dann hätte Constantius II., wäre er 389 n.Chr. nach Rom gekommen, zuerst eine der großen christlichen Kir- chen besuchen müssen, und Theodosius I. müsste es eigentlich wirklich getan haben. Sowohl für Con- stantius II. als auch für Theodosius I. ist der Nachweis, dass es so geschehen wäre oder geschehen ist, nicht möglich. Wenn Pacatus nicht davon spricht, dann könnte das mit dem literarischen Genos zusam- menhängen (Beten am Grab eines Apostels Stoff für einen Panegyricus?). Für Ammian aber gilt das nicht (s.o.). Andererseits haben wir keine Garantie dafür, dass Pacatusʼ Reihenfolge nicht doch ein rhetorisches Konstrukt ist, das auf die Wirklichkeit nicht angewendet werden kann. 589 Anders Stenger (2012) 197 Anm. 39: „Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Constantius auf eine Besich- tigung der Kirchen und des Konstantinsbogens verzichtet haben soll.“ 590 Soweit ich sehe, wird etwas Vergleichbares zum ersten Mal in einer Predigt des Augustinus erwähnt (FRANÇOIS DOLBEAU: Nouveaux sermons de saint Augustin pour la conversion des païens et des donatistes, in: Revue des études augustiniennes, 27 (1991) 37–78; 261–306): Jüngst sei der Kaiser nach Rom gekom- men und habe an der memoria Petri gekniet und sein Diadem zum Zeichen seiner Demut abgesetzt: S. 76 §26: Veniunt, ut dicere coeperam, reges Romam. … Ibi est sepulcrum piscatoris, ibi templum est impera- toris. Petrus ibi est in sepulcro, Hadrianus ibi est in templo. Templum Hadriani, memoria Petri. Venit im- perator. Videamus quo currerit, ubi genua figere voluit: in templo imperatoris, an in memoria piscatoris? Posito diademate, pectus tundit ubi est piscatoris corpus, cuius merita cogitat, cuius coronam credit, per quem cupit pervenire ad deum, cuius orationibus se adiuvari sentit et invenit. Aus veniunt modo reges Romam in §25 und venit imperator in §26 schließt Dolbeau, dass es sich um den Besuch des Kaisers Ho- norius handele, der zum Antritt seines 6. Konsulates an der Jahreswende von 403 nach 404 n. Chr. in Rom weilte (vgl. CLAUDIAN. De sexto consulatu Honorii). Aus dieser Augustinusstelle ist sicherlich zu ent- nehmen, dass die memoria Petri seit langem das Ziel christlicher Rompilger ist, und damit ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch ein christlicher Kaiser diesen Ort als Pilger besuchte. Da jedoch Augustinus nicht Augenzeuge war, auch nicht in Rom zu dieser Zeit sich aufhielt, da außerdem vor allem im Paragra- phen 25 mehrere Formulierungen sich finden, die aus Adventus-Schilderungen übernommen sind [Dies bedürfte einer eigenen Untersuchung.], kann die eigentliche Episode Erfindung des Augustinus sein, um zu demonstrieren, wie der piscator Petrus nicht nur den Kaiser des Römischen Reiches „gefischt“ hat, sondern sogar dazu gebracht hat, sich an der memoria Petri zu demütigen und so die Hoheit Christi anzu- erkennen. - Nach FRASCHETTI (1995) 940f., der überzeugt ist, dass Dolbeaus Beziehung der Augustinus- stelle auf den Rombesuch des Honorius im Jahre 403/4 richtig ist, und dass auch der Besuch der me- moria Petri historisch ist, ergibt sich somit, dass wir für den Gang eines Kaisers zur Peterskirche im Rah-

248 auch nicht der Repräsentation gedient hätte. Damit wäre ein Grund gefunden, dass Ammi- an dies nicht berichtet hat, weil es für ihn kein geschichtlich bedeutsames Ereignis war. Es bleibt jedoch, worauf sich MATTHEWS (1986) 24 bezieht und was er "a notable absentee from the narrative of the visit of Constantius to Rom in 357"nennt.591

Nach WOODS (1999) 156–165 hätte während des Besuchs des Constantius in Rom im Circus Maximus eine Parade (und dann vielleicht ein Schaukampf) der schola scutariorum clibanariorum unter dem Kommando des Hormisdas stattgefunden. Dabei seien im Zirkus beidseitig beschriftete und bemalte Plakate aufgestellt worden, auf denen ein Sieg der Römer über Barbaren dargestellt wurde, und auf einem sei dargestellt gewesen, wie die Hand Gottes die Barbaren in die Flucht schlug und auf der anderen, wie die Barbaren vor Gott flohen. Woods gewinnt dieses Ergebnis durch eine Neuinterpretation des Fragments 68 des Eunapius [nach der Zählung von Blockley] (Diese Interpretation erscheint mir in sich schlüssig, auch wenn einige von Woods selbst angeführte Punkte sie als sehr gewagt erscheinen lassen.). Woods folgert daraus, dass die Feier des Triumphes oder zumindest Teile dieser Feier christliches Gepräge gehabt habe. Genau das aber habe Ammian ver- schwiegen, damit wäre aus diesem Eunapiusfragment eine weitere Bestätigung für das gefunden, was Matthews als Abwesenheit des Christentums bezeichnet hatte. Da Eunap die Episode benutzt, um das Christentum lächerlich zu machen, dürfte seiner Erzählung ein wahrer Kern zugrundeliegen [Das muss nicht unbedingt heißen, dass es

men eines adventus in Rom ein Zeugnis besitzen, dass knapp 100 Jahre älter ist als das bisher als zeitlich frühestes angesehene Zeugnis vom Rombesuch des Theoderich im Jahre 500 n. Chr. in den Excerpta Valesiana (vgl. im Kommentar zu 16,10 den Anhang 10 a)). - FRASCHETTI (1995) 943 zieht daraus eine weitere Folgerung: Wenn der Heide Claudian, der in allen Einzelheiten über den Rombesuch des Hono- rius im Jahre 403/4 berichte („il quale si diffonde su ogni particolare di quell´adventus“), den Besuch in St. Peter übergehe, dieser Besuch aber durch die Augustinusstelle gesichert werde, dann könne es durc- haus auch sein, dass der Heide Ammian einen solchen Besuch des Constantius verschweige. In Fraschet- tis Argumentation spielt eine wesentliche Rolle, dass Claudian von jeder Einzelheit dieses Besuchs be- richte und dass sowohl Ammian als auch Claudian Heiden seien. In ersterem ist nicht berücksichtigt, dass auch Claudian, und zwar vielleicht noch in größerem Maße als Ammian, in einer literarischen Tradition steht, in letzterem liegt die unzulässige Unterstellung, ein heidnischer Autor wolle, könne, dürfe oder berichte einfach nicht über Christliches. 591 Die Erklärung für diese „Leerstelle“ in Ammians Geschichtswerk ist einfach, wenn man, ausgehend von der These Rikes [RIKE, R.L.: Apex Omnium. Religion in the Res Gestae of Ammianus, Berkeley 1987], Ammian sei ein militanter Pagane gewesen, daraus schließt, wie es Barnes tut (BARNES (1990) 76f.), dass Ammian das Christentum bewusst ignoriert habe (77: „Ammianus chose to include omens and portents,80 but to ignore Christianity wherever he could. It was a conscious choice.“). - Setzt man das als bewiesen voraus, dann ist dem Geschichtsschreiber Ammian natürlich als ein Mangel anzurechnen, dass er einen für die Geschichte dieser Zeit äußerst wichtigen Faktor ausgeblendet hat, obwohl er ihn gesehen hat und wohl auch hinsichtlich seiner Bedeutung erkannt hat. - Darüber fundiert zu entscheiden, ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Hier sei nur auf Folgendes hingewiesen: Nach SOCRAT. Hist. eccl. 5,14,7f. ist Theodosius I. bei seinem Rombesuch im Jahre 389 n. Chr. auch mit Papst Siricius und Leontius, dem Bischof der als rechtgläubig anerkannten Novatianergemeinde zusammengetroffen [ENSSLIN (1953) 500]. Davon, wie überhaupt vom Christentum, ist im Panegyricus des Pacatus nicht die Rede. War also Paca- tus ein militanter Pagane und hat dies bewusst weggelassen?

249 beim Rombesuch geschehen ist.], und wenn bei der Triumphfeier des Constantius tatsächlich die Hand Gottes irgendwie vorgekommen ist, dann sollte dies auch Ammian bekannt- gewesen sein. Dass er sie weglässt, ist einfach damit zu erklären, dass sie nicht in sein Konzept passt (Sollte es sich nicht um eine Einzelheit gehandelt haben – Eunap deutet an, dass alle Bilder gleichermaßen zum Lachen reizten -, dann bleibt natürlich, wie oben schon erwähnt, eine gewisse Verwunderung beim Hörer / Leser, oder nur der Schluss, dass darin Absicht liegt). Woods aber geht entschieden weiter, indem er Ammian unterstellt, er habe es aus Verärgerung unterlassen, davon zu berichten.592 Dies ist jedoch durch nichts zu beweisen, und Ammians Verschweigen dieser Episode ist nicht geeignet, Erkenntnisse über seinen seelischen Zustand bei der Konzeption seiner Geschichte zu gewinnen.593

2.5.15 Auseinandersetzungen um den Bischofsstuhl von Rom Im Jahre 357 war Liberius der Bischof von Rom.594 Er war allerdings vom Ende des Jahres 355 bis etwa Herbst 358 aus Rom verbannt (Liber Pontificalis 1, 207–210, Anm. 4), aufgrund seiner Weigerung, der Absetzung des Athanasius zuzustimmen, worüber Ammian 15,7,6-10 berichtet, jedoch ohne zu erwähnen, dass darauf die Verbannung folgte.595 Wäh- rend dieser Zeit war Felix II. Bischof von Rom. Nach THEODORET. h.e. 2,17 suchte eine Ab- ordnung vornehmer Damen Roms den Constantius auf und reichte ein förmliches Gesuch

596 597 um Rückberufung des Liberius ein , und nach CASPAR (1930) 1,188 wurde auch vom Volk im Zirkus Maximus in Anwesenheit des Constantius die Rückrufung verlangt598, was

599 nach LEHNEN (1997) 210 die Plebs auch erreichte , wovon dann RUF. h.e. 11,27 und SOCR. h.e. 2,37 berichteten. Von einer im Zirkus Maximus geäußerten Rückberufungsforderung des Volkes ist in den antiken Quellen nicht die Rede600. Der andere Teil der bei Theodoret

592 WOODS (1999) 164: "In brief, Ammianus was no less angered than Eunapius that Constantius had credited his victories to the support of the God of the Christians rather than to the strength of his soldiers, but he chose to express this anger differently." 593 Woods gibt natürlich durch sein einleitendes Zitat von Barnes (T.D. BARNES (1993) 68: ‘it is his silences that reveal his apologetical or polemical intentions more than his explicit cirticisms of Christianity’) zu erkennen, dass es ihm um mehr geht, als Ammians seelischen Zustand beim Schreiben des 10. Kapitels des 16. Buches zu beschreiben, nämlich mit seinem Beitrag eine Stützung von BarnesʼThese zu leisten, dass Ammian ein entschiedener und polemisch agierender Gegner des Christentums sei. Aber das leistet sein Beitrag selbst dann noch nicht, wenn Ammian tatsächlich aus Verärgerung verschwiegen hätte. 594 Liberius war vom 17.5.352 bis zum 29.9.366 Bischof von Rom (Liber Pontificalis 1,207-210; Handbuch der Kirchen Roms 1,105). 595 Bei Ammian ist nur gesagt, man habe ihn heimlich aus Rom fortbringen müssen, weil er beim Volk so beliebt war (15,7,10). 596 VENNING (2011) 671: „Constantius […] is lobbied on behalf of Bishop Liberius.“ 597 ERICH CASPAR, Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft, Erster Band, Römische Kirche und Imperium Romanum, Tübingen 1930. 598 So auch KOHNS (1961) 85. 599 So auch schon ELBERN (1990) 45. 600 In der Collectio Avellana 1,3 findet sich: post annos duos venit Romam Constantius imperator; pro Liberio rogatur a populo, qui mox annuens ait: „habetis Liberium, qui, qualis a vobis profectus est,

250 erzählten Geschichte (Gesuch der vornehmen Frauen) enthält ebenso anekdotische Züge601, so dass sie nur mit großen Vorbehalten dazu benutzt werden sollte, das aufzulisten, was damals in Rom stattgefunden hat, wovon aber Ammian nicht berichtet hat. Constantius II., geb. am 7. Aug. 317 n.Chr., war im Juli des Jahres 326, somit kurz vor der Vollendung seines neunten Lebensjahres, in dem Jahre also, als er zum ersten Male Konsul war, mit seinem Vater, als dieser seine Vicennalien feierte, in Rom gewesen. Am- mians Erzählung ist nicht zu entnehmen, ob dieser weit zurückliegende Besuch irgendwie Constantius bei seinem Besuch im Jahre 357 beeinflusst hat. Ammian schildert Constan- tius als jemanden, der zum ersten Male nach Rom kommt. Das ist Voraussetzung für alle dem Constantius zugeschriebenen Reaktionen während seines Besuchs. BARCELÒ (2004) 39 behauptet, Constantius sei durch den damaligen Rombesuch vor allem hinsichtlich seines Glaubens für sein ganzes Leben geprägt worden. Ob das tatsächlich so gewesen ist und Ammian das, wenn es denn Auswirkungen auf den Rombesuch im Jahre 357 gehabt hat, bewusst ausgeklammert hat, ist nicht mehr festzustellen. In reine Spekulation kommt man, wenn man behauptet, Ammian habe bewusst ausge- lassen, dass Constantius nicht habe zum Kapitol gehen wollen (so VERA (1980) 126).

2.5.16 Ammians Erzählintention und die historische Glaubwürdigkeit Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Ammians Erzählung vom adventus und Auf- enthalt des Constantius II. in Rom zu verstehen, ist die, dass Rom, vorsichtig ausgedrückt, in vieler Hinsicht immer noch das Zentrum des Römischen Reiches ist, zwar nicht mit dem Römischen Reich identisch ist, aber es in vieler Hinsicht repräsentiert, dadurch eine Exklu- sivität genießt,wie es sie sonst im Römischen Reich nicht gibt, wozu auch die Ewigkeit

melior revertetur. […] tertio anno redit Liberius. Cui obviam cum gaudio populus Romanus exivit. Da die Kommunikation zwischen Kaiser und Volk vor allem im Zirkus stattfand, dürfte Caspar wohl diese Stelle im Auge gehabt haben. Vielleicht liegt aber auch bei Caspar ein Missverständnis vor: Bei Theodoret ist gesagt, dass ein Brief des Constantius im Zirkus verlesen wurde, in dem dieser einer Rückkehr des Libe- rius unter der Bedingung zustimmt, dass Felix als Bischof in Rom bleibe, die Kirche Roms somit von zwei Bischöfen gelenkt würde, worauf das Volk mit dem pointierten εἷς θεός, εἷς Χριστός, εἷς ἐπίσκοπος eine Doppelherrschaft abgelehnt habe (Vgl. zu derartigen Formulierungen SUET. Calig. 22,1: cum audiret forte reges, qui officii causa in urbem advenerant, concertatis apud se super cenam de nobilitate generis, exclamavit: Εἷς κοίρανος ἔστω, εἷς βασιλεύς [HOM. Il. 2,204f.]. Somit würde die Szene im Zirkus, falls sie überhaupt historisch ist, ConstantiusʼAbwesenheit von Rom voraussetzen und am ehesten in die Zeit der Synode von Sirmium gehören, wo nach SOZOM. H.E. 4,15 die Rückkehr des Liberius verhandelt wurde. - Jüngst wieder von der Anwesenheit des Constantius ausgehend, somit während des Rombesuchs, CONTI (2009) 285 Anm. 34: „Nel circo invece di acclamarlo la popolazione lo criticò per aver nominato un secondo vescovo di Roma (Felice) dopo aver esiliato Liberio“. Die Stelle der Collectio Avellana ist bei BLECKMANN/STEIN 2 (2015) 279f. als „historische Notiz“ bezeich- net, „derzufolge Constantius II. selbst während seines Rombesuchs vom Volk um die Rücksendung des Liberius gebeten worden sein soll“ [Unterstreichung von mir]. Ich würde noch weiter gehen und hinsicht- lich der Historizität die Stelle der des Theodoret gleichsetzen. 601 Die Geschichte könnte natürlich einen historischen Kern insofern enthalten, als es speziell in Rom offen- sichtlich adlige Familien gab, in denen die Männer noch Heiden, die Frauen dagegen Christen waren.

251 gehört602, dass dagegen der derzeit regierende römische Kaiser, Constantius II., der hin- sichtlich der Macht ebensolche Exklusivität genießt und für sich den Anspruch erhebt, das Römische Reich zu repräsentieren, vielleicht sogar zu sein, und sich in allem und durch alles verewigen möchte, nicht nur nicht sich immer irgendwo anders aufhält, sondern auch mit unzureichenden Vorstellungen von Rom nach Rom geht, sich somit in Rom fast wie ein Fremder in Raum und Zeit verhält603 und dementsprechend öfter unangemessen handelt, die durch die unzureichenden Vorstellungen gegebene Distanz zu Rom und den Römern nur vorübergehend überwindet, in dem, womit er sich in Rom zu verewigen gedenkt, scheitert und dennoch nicht wirklich mit neuer Erkenntnis und gewandelt Rom verlässt604. Damit ist gleichzeitig schon eine der Erzählintentionen Ammians in den Grundzügen wiedergegeben. Eine weitere betrifft die Geschichte unter einem ganz anderen Aspekt: Einfach ausgedrückt: Ammian will eine gute und interessante Geschichte erzählen.605 Dazu 602 Die Attribuierung Roms als aeterna am Ende des §14 kann – abgesehen davon, dass damit ein rhetorisch wirksamer Abschluss der Reihe gegeben ist - zunächst nur so verstanden werden, dass die Bauwerke sichtbarer Beweis für die Ewigkeit Roms sind (womit zunächst wiederum ein traditioneller Gedanke aufgenommen wäre: bei Horaz stehen dafür die Pyramiden Ägyptens [Horaz selbst bezweifelt dies, um so die Ewigkeit des Ruhms der Dichter dagegensetzen zu können; aber sein Gedanke wirkt nur dann, wenn die traditionelle Ansicht gilt, dass die Pyramiden ewige Bauwerke seien.]), d.h. für Ammian ist Roma aeterna nicht nur ein Mythos, sondern es gibt eine materielle Grundlage dafür, wobei dadurch nicht aus- geschlossen ist, dass Ammian auch an den Mythos glaubt. 603 Der Grund dafür, dass sich Constantius in Rom wie ein Fremder verhält, liegt nicht darin, dass er ein Orientale von Geburt war (so SABBAH (1979) 28 (Constantius ist nach Rom gekommen, „animé des intentions les plus malveillantes à lʼégard de la Ville [...] et fondamentalment hostile à tout ce quʼelle représente, en sa double qualité dʼoriental de naissance et de chrétien convaincu“)) oder auch wie Am- mian selbst orientalisch gefühlt habe (so SABBAH (1979) 28, der damit den stupor des Constantius begrün- det („Ammien qui prête à Constance ses propres sentiments dʼ«oriental» émerveillé par les splendeurs architecturales de Rome“)), sondern einfach darin, dass er es verabsäumt hat, sich vorher entsprechend zu informieren. Was den stupor betrifft, so mag es durchaus sein, dass Ammian gleichartig empfunden hat, als er zum ersten Mal nach Rom gekommen ist. Aber das trägt nicht zur Erklärung der Geschichte bei, die Ammian erzählt, sondern liefert höchstens eine psychologische Erklärung dafür, wodurch Ammians Darstellung neben Ammians Lektüre noch angeregt sein könnte. Was das „Orientale von Geburt“ betrifft, so ist der Begriff viel zu vage und wohl auch historisch nicht korrekt (Constantius im Illyricum geboren (!)). Wenn Sabbah kurz danach (SABBAH (1979) 28: „Constance, dont lʼorigine, lʼattitude hiératique, les principes de gouvernement sont «byzantins»“) ihn als byzantinisch (in Anführungszeichen) bezeichnet, so scheint mir das einfach falsch zu sein und nur zu erklären aus dem Streben Sabbahs, Ammian 16,10 ganz als Auseinandersetzung mit Theodosiusʼ Baupolitik für Konstantinopel zu interpretieren. Damit aber ergibt sich ein grundsätzliches Problem für die Interpretation von Ammian 16,10: Alle Interpreten und auch diejenigen, die aus Ammian 16,10 einen Abschnitt für bestimmte Zwecke entnehmen, befassen sich nie mit dem gesamten Kapitel. Das ist sicherlich bei speziellen Fragestellungen auch nicht nötig, aber gerade bei Sabbahs symbolischer Interpretation müsste dies berücksichtigt werden. 604 Es sei auch hier gesagt, dass man über die wirklichen Empfindungen des Constantius in Rom und even- tuelle „Lernprozesse“ nichts sagen kann. Das heißt natürlich auch, dass man nichts darüber sagen kann, ob Constantius sich durch den Rombesuch gewandelt hat. Vgl. hierzu auch STENGER (2012) 210f. und Anm. 97. 605 So auch CAMERON (1989) 428: "Literary considerations were all-important to Ammianus." ... "Ammianus liked to spread himself when he had a good story to tell [...]". Meine Position unterscheidet sich von der Camerons insofern, dass ich glaube, dass Ammian oft aus einem Stoff eine gute Geschichte macht, indem er „erfindet“, während Cameron davon auszugehen scheint, dass Ammian nicht wesentlich „erfindet“, seine Leistung vielmehr darin bestehe, zu erkennen, wo sich ein gute Geschichte abgespielt hat, und diese dann entsprechend darzustellen. - Hier wäre auch die viel diskutierte Frage zu behandeln, an welche Leser / Hörer sich Ammian wendet und in welchem Maße seine Erzählungen davon beeinflusst sind. HARTO

252 aber gehört bei diesem Thema, sowohl den Glanz der Einziehenden als auch den Glanz der Stadt Rom gebührend herauszustreichen, vor allem den Hauptakteur besonders plastisch darzustellen, einen Rhythmus zu finden, in dem Ruhe und Bewegung, Bedeutendes und Weniger Bedeutendes sich immer wieder so abwechseln, dass Raum für Dramatisierung bleibt, dass die Geschichte zumindest einen Höhepunkt hat und dass sie bei aller Geschlos- senheit doch ein offenes Ende hat, um im Gesamtwerk der Res gestae nicht isoliert zu wirken. Interessant bedeutet, dass die Geschichte nicht nur durch die Form ansprechend sein musste, sondern auch vom Inhalt her. Will man nicht annehmen, dass Ammian nur darauf abzielte, Ruhm bei der Nachwelt zu finden, vielleicht geradezu damit kokettierte, in der Gegenwart verkannt zu werden, dann musste es eine Geschichte werden, die am Ende des 4. nachchristlichen Jhs., etwas genauer, im vorletzten Jahrzehnt dieses Jhs., während der Regierung des Theodosius Hörer und Leser fand, die neben einem notwendigerweise vor- auszusetzenden antiquarischen Interesse in Ammians Geschichte zumindest einige der The- men fanden, von denen der Diskurs unter den Gebildeten und unter den Eliten des Reiches in dieser Zeit geprägt war. Eine weitere Erzählintention Ammians würde dann dahin gehen, in diesen Diskurs mit einer Klarstellung des eigenen Standpunktes einzugreifen. Die The- men des Diskurses können insofern genauer umgrenzt werden, als es um Stellung und Erscheinung des Kaisers gehen muss.606 Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang, dass Auslöser zu seiner Darstellung unter anderen auch ein ähnliches Ereignis in seiner Zeit gewesen sein könnte: Gratians Rombesuch um den 24. Aug. 376607 liegt ungefähr ein

TRUJILLO (1996–2003) 245 behauptet z.B., er wolle unterhalten „a un público que, en su mayoría es incul- to, que desconoce el pasado, teme y se siente muy lejos de los poderosos de presente, y no se preocupa mucho del futuro.“ Ich glaube, dass dies alles aus dem Werk selbst herausgelesen ist; da wir keine davon unabhängigen Aussagen besitzen, außerdem anzunehmen ist, dass Ammian nicht nur für ein Publikum der Gegenwart schreibt, kommt man hier nicht über Spekulationen hinaus und ist immer in der Gefahr von Zirkelschlüssen. 606 Da die zunehmende "Byzantisierung" des Kaisertums sicherlich eine Entwicklung war, die zu Ammians Zeiten nicht unterbrochen, geschweige denn umgekehrt wurde [auch nicht unter Julian], war dies sicher- lich einer der Diskurse, der in den letzten Jahren des 4. Jds. auch kritisch von bestimmten Seiten geführt wurde. Was dies betrifft, so erweckt Ammians Darstellung den Eindruck, als sei dies ein besonderer Zug des Constantius gewesen; dann kann dies aber nur als Teil eines Gegenwartsdiskurses betrachtet werden, wenn man die Zunahme in der „Byzantisierung“ bis zu Theodosiusʼ Zeiten belegen könnte. - Was den in den letzten Jahrzehnten des 4. Jhs. wegen der Baupolitik des Theodosius für Konstantinopel hoch- aktuellen Diskurs um die Rivalität zwischen Konstantinopel und Rom betrifft, siehe weiter unten. 607 Der Rombesuch Gratians im Jahre 376 n. Chr. ist nur durch die 13. Rede des Themistius belegt (Die entsprechenden Stellen der Rede sind aufgeführt bei Seeck (SEECK in: RE VII,2 Gratianus 3) Flavius G. 1831–1839) col. 1835).: Dieser Ἐρωτικὸς περὶ κάλλους βασιλικοῦ sei von Themistius beim Einzug des Kaisers vor der Stadt oder nach dem Einzug im Senat gehalten worden. Als Datum wurde der 24. Aug. 3 vermutet (KIENAST (2004 ) 333 mit Fragezeichen; CRACCO RUGGINI (1972) 184), weil man wie bei Constan- tius II. annahm, dass der Rombesuch mit einer Jubiläumsfeier verbunden war, in diesem Falle den Decen- nalia des Kaisers (Gratian war am 24. Aug. 367 zum Augustus erhoben worden.) und die Notiz der Para- staseis Syntomoi Chronikai (= Breves enarrationes chronicae; vgl. I. BEKKER, Corpus scriptorum origi- num Constantinopolitanarum I, Leipzig (1901) 19–73; Constantinople in the early eighths century. The

253 Jahrzehnt vor der Abfassung des 16. Buches, Theodosiusʼ triumphaler Einzug in Rom am 13. Juni 389 dagegen wohl nach der Abfassung des 16. Buches.608 Hier ist somit kein aktu- eller Auslöser zu finden. Auch hinsichtlich irgendwelcher Stellungnahmen Ammians zu aktuellen Diskursen sind somit in der Regel nur Spekulationen möglich. Sieht man in der Erwähnung der zahlreichen Bauwerke und Örtlichkeiten Roms eine indirekte Form der laudes Romae609 und das Scheitern der Baupläne des Constantius für

Parastaseis Syntomoi Chronikai / introd. transl. & comm. ed. by CAMERON AVERIL & HERRIN J.; in conjunc- tion with Cameron Alan, Cormack R. & RouechʼCh., New York, Leiden 1984) 50 (p. 178) Bekker: Γρα- τιανὸς μετὰ τὸ γῆμαι ἐν Ῥώμῃ παρεγένετο. Da Gratian am 15. Aug. noch in Trier gewesen sein muss (Cod. Theod. 8,5,3;11,10,2; vgl. SEECK Regesten 248; CRACCO RUGGINI (1972) 184f. Anm. 16), kann er wohl kaum am 24. Aug. in Rom gewesen sein. Auch die Rekonstruktion der Vorgeschichte (Themistius sei als Gesandter des Valens nach Trier geschickt worden und von dort mit Gratian nach Rom gereist.) beruht nur auf Hinweisen in den Reden des Themistius (SEECK, a.a.O. col. 1835). Selbst wenn man die Historizität des Besuches des Gratian nicht anzweifelt (dazu s.u.), bleiben erhebliche Bedenken hinsicht- lich aller aus der Rede des Themistius erschlossenen Umstände (Die von CRACCO RUGGINI (1972) 185f. aus Themistiusʼ Reden 5 und 13 erschlossenen Aussagen über den römischen Senat bedürften meiner Mei- nung nach einer genaueren Überprüfung: vor allem das in 177d unvermutet auftauchende ὑμῖν (an einer Stelle, die in der Konstituierung des Textes mir noch nicht klar zu sein scheint) auf die Senatoren zu beziehen, scheint mir nicht sicher, und die Seligpreisung in 178d ὦ μακάριοι kann sicher keine offizielle Anrede ersetzen). Während hinsichtlich eines Romaufenthaltes des Themistius im Jahre 357 n. Chr. dieser Aufenthalt nur aus Themistiusʼ dritter Rede zu erschließen ist, ConstantiusʼII. Aufenthalt in Rom aber sicher aus anderen Quellen belegt werden kann (s.o.), ist dies für Gratians Aufenthalt nicht anders mög- lich: LIPPOLD in: DKP s.v. Gratinaus 2) 870f. führt als Belege neben der Themistiusrede noch SYMM. Ep. 10,2 und Cod. Theod. 10,19,8 und 15,1,19 an: Der Symmachusbrief (gerichtet an Gratian) enthält nicht den geringsten Hinweis, und beide Gesetze enthalten im Eschatokoll lecta in senatu und bedeuten damit, dass die Gesetzgeber gerade nicht in Rom gewesen sind. Barnes (T.D. BARNES: Constans and Gratian in Rom, in: Harvard Studies in Classical Philology 79 (1975) 325–333) 328 und Anm. 25 führt die oben zitierte Stelle aus den Parastaseis Syntomoi Chronikai an und datiert ins Jahr 376 oder 377 n. Chr. Die Parastaseis sind aus dem achten oder dem Anfang des neunten Jahrhunderts und von äußerst zweifel- haftem Wert. Es ist somit auffallend, dass dieser Rombesuch Gratians nicht in den Chroniken verzeichnet ist und dass auch Ammian ihn in den Res gestae nicht erwähnt. Natürlich kann es sein, dass dieser adven- tus im Vergleich zu den Ereignissen an den Grenzen des Imperiums und den Auseinandersetzungen mit den Goten und hinsichtlich der Ausstattung und der mit dem Besuch verbundenen politischen Bedeutsam- keit auch im Vergleich zum Besuch ConstantiusʼII. fast unbedeutend war oder von Ammian im Vergleich dazu zu den minutiae gerechnet wurde, aber auch dann bleibt die Nichterwähnung auffallend, selbst wenn man für Ammian einrechnet, dass es nach 16,10 nicht einfach gewesen wäre, auf dieses Kapitel nicht einen billigen Abklatsch mit demselben Thema folgen zu lassen (Ich traue Ammian allerdings zu, dass er die Erzählung bestimmter Ereignisse aus „literarischen“ Gründen unterlassen hat.). - Sicherlich nicht beweiskräftig, aber zumindest auffallend: In den Consularia Constantinopolitana sind der Rombesuch des Constantius (s.o.) und auch der des Theodosius im Jahre 389 n. Chr. vermerkt (MGH AA9 S. 245: 389. Timasio et Promoto conss. 1. His conss. introivit Theodosius Aug. in urbem Romam cum Honorio filio suo die iduum Iuniarum et dedit congiarium Romanis (von daher übernommen: Fasti Vind. priores (MGH AA9 S. 298: Timasio et Promoto. His cons. Theodosius Romam introivit cum Honorio idus Iunias et exivit inde III. kl. Septemb.); Chronicon Paschale: Ἐπὶ τούτων τῶν ὑπάτων εἰσῆλθεν Θεοδόσιος ὁ βασιλεὺς ἐν Ῥώμῃ μετὰ τοὺ υἱοῦ αὐτοῦ Ὡνορίου, καὶ ἔστεψεν αὐτὸν ἐκεῖ εἰς βασιλέα), während zum Jahre 376 kein entsprechender Eintrag erfolgt. - Der Eintrag bei Seeck in den Regesten 248 („Roma. Gratian reist mit Themistius nach Rom, wo ihm dieser orat. XIII hält. Seeck, Die Briefe des Libanius S. 303“) führt nicht weiter, da auch dort zum Beleg nur die Stellen aus den Reden des Themistios angegeben sind. - Bei ELBERN (1990) 44 nicht aufgeführt. Anders ENSSLIN (1953) 504. Vgl. auch BELLEN 3 (2003) 133; GRIG/KELLY (2012) 19 Anm.76: „The suggestion that Gratian visited in 376 is, however, dubious.“ 608 Wäre Ammians 16. Buch nach dem Rombesuch des Theodosius geschrieben, dann könnte alle Kritik an Constantius, die dieses Kapitel implizit und explizit enthält, auf Theodosius übertragen werden, vor al- lem, dass es der triumphale Einzug nach einem Sieg in einem Bürgerkrieg war [Juli 389 Siege über

254 Rom als in die Zukunft weisendes exemplum, dann wäre610 dies ein Bezug auf Konstantino- pel in doppelter Hinsicht: Rom hat im Übermaß, was Konstantinopel noch lange nicht hat; und so, wie Constantius in Rom gescheitert ist, so wird oder könnte Theodosius in Konstan- tinopel scheitern; selbst wenn er seine Pläne verwirklicht, wird Konstantinopel Rom nicht erreichen. Zwar ist es durchaus möglich, dass Theodosiusʼ Baupolitik für Konstantinopel nach sei- nem ersten adventus in Konstantinopel als Kaiser (24. Nov. 380 n.Chr.) einsetzte und so- mit, als Ammian das 16. Buch schrieb, längst in Rom bekannt sein konnte, und das kann auch für die Elemente gelten, bei denen einigermaßen gesichert ist, dass man in Konstanti- nopel an römische Traditionen anknüpfte: Obelisk im Hippodrom (392), Theodosius-Fo- rum (393 geweiht), Theodosius-Säule (Baubeginn 386), wohlgemerkt, dass das Vorhaben und die Planungen bekannt waren, aber heißt das, Ammian habe die diesen drei Bauwerken korrespondierenden in Rom nur deshalb in seine Beschreibung aufgenommen, um auf Konstantinopel anspielen zu können? Das aber würde bedeuten, - immer nach Ammian -, Theodosius versuche in Konstantinopel gerade etwas, was notwendigerweise scheitern müsse, weil man es nicht nachahmen könne. Äußerst gewagt für einen Geschichtsschrei- ber, nicht Geschichte zu schreiben, sondern Prophezeiungen abzugeben. Es kommt ein weiteres Problem hinzu: Sollte das 16. Buch in den Jahren 386/87 ge- schrieben sein611 (und nicht von einer späteren Überarbeitung auszugehen sein), d.h. in der Zeit, in der Theodosius faktisch noch gar keinen Einfluss in Rom hatte und auch keines-

Magnus Maximus bei Siscia und Poetovio]. - Anders DUFRAIGNE (1994) 78f.: „Il est fort possible par ail- leurs, comme on lʼa soutenu [..], quʼAmmien, qui nʼavait pas assisté à la cérémonie de 357, car il se trou- vait en Gaule à ce moment-là, se soit inspiré, pour la décrire dʼun autre adventus, dont il fut le témoin oculaire, celui de Théodose à Rome en 389, après sa victoire sur Maxime.“ (so auch schon DUFRAIGNE (1992) 506) Eine Entscheidung wird sich nicht finden lassen, da die Abfassungszeit der Res gestae nicht präzise zu bestimmen ist. - Vgl. auch DUFRAIGNE (1994) 209: „Si les visites aux monuments font penser à lʼadventus de Constance II en 357, vu par Ammien, qui lʼa sans doute reconstitué dʼaprès celui de 389,“. 609 Damit ist nicht gesagt, dass 16,10 ein Panegyrikus auf Rom ist, sondern nur, dass in diesem Kapitel zur Kennzeichnung Roms Ammian immer wieder Elemente aus den laudes Romae verwendet. So nach mei- ner Meinung auch CRACCO RUGGINI (1972) 249 Anm. 150 zu verstehen („lʼappassionato panegirico di Roma in AMMIANO (XVI,10,20: augustissima omnium sedes)“) 610 Der Konjunktiv II hier bewusst gewählt: Es gibt diejenigen, die fast die gesamte Geschichte als unter Be- zugnahme auf Konstantinopel erzählt ansehen (z.B. Kelly und Sabbah) und diejenigen, die dies verneinen (z.B. ZARINI (1999) 173: „Quant à la «concurrence» de Constantinopel, elle est superbement ignorée par nos textes.“). 611 Diese Annahme ist überhaupt nur möglich, wenn man von einer konstant gleichförmigen Arbeitsweise Ammians und einer gleichmäßig sukzessiven Herausgabe seiner Bücher ausgeht. Große Bedenken gegen die Berechtigung einer solchen Annahme bei SYME (1968) 22f. - Syme (23) weist im übrigen gerade im Hinblick auf dieses Kapitel der Res gestae darauf hin, dass auch das Heranziehen aktueller Ereignisse, um Datierungsfragen zu lösen, indem man annimmt, dass z.B. der Rombesuch des Theodosius vom Jahre 389 Ammians Darstellung beeinflusst habe (womit 389 t.p.q. für das 16. Buch würde), mit größter Vorsicht zu behandeln sind, da es durchaus sein könne, dass ein vergleichbares Ereignis zufällig nach dem Abfassen einträte ["Moreover, time in its course may quickly enact something marvellously appropriate to a text that has already been written."].

255 wegs abzusehen war, dass er ihn jemals gewinnen würde, dann fragt man sich, wen außer Theodosius selbst eine Warnung in Form des exemplum des Constantius II. eigentlich inter- essiert hätte, bzw. wer überhaupt verstanden hätte, dass es sich um eine Warnung an Theo- dosius handelt. In diesem Punkt sind somit sowohl über Ammians Erzählintention als auch hinsichtlich des Publikums, für das Ammian schrieb, nur Spekulationen möglich. Dagegen glaube ich, dass man hinsichtlich der historischen Glaubwürdigkeit einige Aussagen machen kann, die zwar nicht stringent zu beweisen sind, aber hohe Plausibilität besitzen: a. Constantius II. hat, über Ocriculum kommend und von der Bevölkerung Roms schon vor den Toren der Stadt empfangen, einen triumphalen Einzug, auf einem Wagen fahrend und wobei Trup- penkontingente vorauszogen, in Rom gehalten; zu Ehren des Triumphes hat er dem Volk von Rom Wagenrennen im Zirkus Maximus gegeben und ist dabei anwesend gewesen. Ebenfalls zur Erinnerung an den Triumph hat er im Zirkus Maximus einen Obelisken auf- stellen lassen. Nach etwa dreißig Tagen hat er am 29. Mai Rom in Richtung Sirmium ver- lassen. Dazu kommt einiges, was Ammian erwähnt, aber nicht konkret benennt, wie z.B. Einfahrt durch die Porta Flaminia und Wohnen im Palast auf dem Palatin, Aufenthalt in Begleitung der Kaiserin Eusebia und Besuch bestimmter Stätten in Rom. Alles, was in Am- mians Erzählung darüber hinausgeht, unterliegt gewissem Vorbehalt, weil es inventio Am- mians sein kann, somit aus stilistischen, kompositorischen oder auf die Erzählintention zie- lenden Gründen hingefügt sein kann: so etwa eine Einzelheit wie der mit Edelsteinen be- setzte Wagen, so die hyperbolischen Ausdrücke hinsichtlich der Höhe der Gebäude (vgl. die entsprechenden Stellen der Interpretation), so fast alle Angaben über den Weg des Kai- sers sowohl außerhalb als auch innerhalb Roms. b. Alle Handlungen, Überlegungen, Ab- sichten, Worte und Gefühlsäußerungen des Constantius, sofern sie nicht nach dem üblichen Schema und Zeremoniell eines adventus selbstverständlich waren, sind meiner Meinung nach das Ergebnis der inventio Ammians. Natürlich kann Ammian in Rom von einem Augenzeugen berichtet bekommen haben, wie Constantius laufend vom stupor erfasst wor- den sei, oder wie er beim Durchfahren des Tores den Kopf eingezogen habe, und letzteres hätte ebenso wie das Nicht-Schneuzen und Nicht-Ausspucken eine Marotte des Constan- tius gewesen sein können, die man also bei jedem anderen seiner adventus auch hätte se- hen können; aber wenn bei den meisten dieser Details der Nachweis möglich ist, dass Ammian sie so oder ganz ähnlich in der Literatur finden konnte und dass es zudem Details gibt, von denen zu wissen für Ammian ganz unwahrscheinlich war (dazu weiter unten), dann scheint mir Ammians Erzählung eher ein Produkt der Literatur als die Ausgestaltung

256 eines Augenzeugenberichtes.612 c. Für Ammian hatte Constantius zwei Gründe für seinen Rombesuch, nämlich Rom zu sehen und dort seinen Triumph über Magnentius zu feiern. Letzteren Grund konnte Ammian aus der Widmung am Obelisken entnommen haben, ers- teren spezifiziert er nicht näher, konnte auch gar nicht wissen, ob Constantius überhaupt diesen Wunsch hatte – es sei denn, es hätte irgendwo ein Zeugnis dafür gegeben. Außer- dem konnte er das aus Symmachus entnommen und umgestaltet haben. Da ein Rombesuch, wie oben schon dargelegt, ein Herrschaftsinstrument war, war er wohl eher aus politischer Notwendigkeit angeraten. Ob es daneben noch andere Gründe gegeben hat, wissen wir nicht: Ammian nennt jedenfalls keine weiteren. Auf jeden Fall aber stellt er an den Anfang ein Motiv, das einerseits die Richtung der Erzählung eindeutig bestimmte, andererseits aber kaum zu belegen war und über das wohl auch Ammian nichts Genaueres wissen konnte. Viel weitergehend und Grundsätzliches betreffend ist die Frage, ob Kap. 10 des 16. Buches der Res gestae einen entscheidenden Beitrag dazu liefert, ConstantiusʼII. Einstel- lung zu Rom und vor allem zum Verhältnis Rom – Konstantinopel zu liefern. WES (1967) 14f.613 glaubt diese erkennen zu können: Constantius sei „von der Größe, die Rom im Lau- fe der Zeit erlangt hatte, beeindruckt [gewesen, habe] sie jedoch als definitiv vergangen [betrachtet] und selbst neue Wege gehen [wollen]“. Selbst wenn es wahrscheinlich ist, dass Wes hier Richtiges erschlossen hat, so gibt es Bedenken gegen die Methode, wie es er- schlossen worden ist: 1. Sowohl Ammians Text als auch Symmachusʼ Aussage, Constan- tius habe inscripta fastigiis deum nomina gelesen, sind als authentisch genommen (Wer hätte 384 n. Chr. dieses Detail aus dem Jahre 357 bezeugen können?614), und gerade durch das Zitieren Ammians und des Symmachus wird der Eindruck erweckt, als sei die Sache

612 Ich bin mir bewusst, dass dies eine gewagte These ist, vor allem im Hinblick auf die communis opinio derer, die Ammians Werk rein aus der Sicht des Historikers angehen. So sucht z.B. VERA (1980) 120f. seine Ablehnung der These, für 16,10 habe Ammian relat. 3 des Symmachus als Quelle benutzt, damit zu stützen, dass Ammian über weitaus bessere Quellen verfügt habe: „quando disponeva di tutta una serie di informazioni: le testimonianze dei testimoni oculari, i racconti dei commilitoni che avevano scortato lʼimperatore, resoconti scritti molto dettagliati, tra cui, per esempio, le copie dei minutissimi acta populi e acta senatus.“ Es ist nicht möglich, zu widerlegen, dass Ammian diese Informationsmöglichkeiten gehabt hat. Aber wo ist der Beweis, dass er sie auch genutzt hat? - Vgl. auch SYMM. Relat. 24,1: per vices mensi- um singulorum ad perennitatis vestrae scrinia senatus ac populi acta mittuntur. Auch hieraus ist nicht zu entnehmen, dass diese Berichte „dettagliati“ waren. - Nur anders formuliert so auch schon MOMIGLIANO (1974) 1406: “Even the famous page on the hieratic attitude of Constantius II during his visit to Rome (16,10ff.) has to be appreciated as an imaginative and convincing piece of reconstruction of something Ammianus never witnessed.“ 613 M.A. WES: Das Ende des Kaisertums im Westen des Römischen Reiches, aus dem Holländischen über- tragen von K.E. MITTRING, ´s Gravenhage 1967 614 Im übrigen halte ich gerade diese Aussage des Symmachus, Constantius II. habe die Inschriften an den fastigia der Tempel gelesen, für die Umgestaltung eines aus der epigraphischen Literatur entnommenen Motivs, vgl. z.B. das Epigramm des Cornelius Gallus: Fata mihi, Caesar, tum erunt mea dulcia, quom tu / maxima Romanae pars eris historiae / postque tuum reditum multorum templa deorum / fixa legam spolieis deivitiora tueis [R.D. ANDERSON – P.J. PARSONS – R.G.M. NISBET: Elegiacs by Gallus from Qasr Ibrîm, «JRS» 69, 1979, pp. 125 - 155]

257 sogar in doppelter Weise gesichert. 2. Die Entfernung des Victoriaaltars aus der Kurie macht WES (a.a.O. 15) zu einem „ungeheuer wichtigen Detail“ und damit Ammians Ver- schweigen zu einem „sehr beredten Beweis“. 3. Die „wahren“ Absichten des Constantius sind weder aus Ammian noch aus Symmachus ohne weitgehende Spekulation zu gewin- nen. - Wie schon gesagt, Wesʼ Schlüsse können durchaus richtig sein und man könnte sie sogar zur Stützung der hier vorgelegten Interpretation von 16,10 heranziehen615, aber sie speziell aus dieser einen Ammian- und dieser einen Symmachusstelle abzuleiten, scheint mir gewagt und methodisch nahe an einem Zirkelschluss. - d. Über alles, was Constantius im Verlaufe des Rombesuchs gesagt haben soll, braucht hier nicht mehr gehandelt zu werden, da es nach den Genosregeln der Geschichtsschreibung zur inventio gehört; über die Reden im Senat und vor dem Volk ist auch schon einiges gesagt, hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass hier die Voraussetzungen der republikanischen Zeit Roms über- tragen scheinen, ohne dass sich natürlich beweisen ließe, dass wirklich ein Anachronismus vorliegt. - e. Die Szene am Trajansforum wird von den meisten Interpreten als Anekdote betrachtet, so dass hier nicht noch einmal über die Historizität gehandelt zu werden braucht. - f. Man ist immer wieder überrascht, wieviele in heutigen (wissenschaftlichen) Abhandlungen zu findende Aussagen vor allem darauf beruhen, dass man den stupor des Constantius vor den Bauwerken Roms, der meiner Meinung nach einer der treffendsten Beweise für Ammians Methode der Anspielung auf in Vergils Dichtungen dargestellte Er- eignisse ist, als historisches Phänomen nimmt: F. Coarelli (COARELLI (2000) 122) erschließt die Außerordentlichkeit des Trajansforums zur Zeit des Trajan daraus, dass es noch zwei- einhalb Jahrhunderte danach den stupor des Constantius erregt. Cameron (CAMERON (1970) 361) versucht Constantiusʼ stupor damit zu erklären, dass er als jemand, der aus dem Osten des Reiches kam, so etwas wie die Pracht Roms im Osten nicht habe erleben können (was im übrigen genauso für Ammian und Olympiodor gegolten habe) und Mayer (MAYER (2002) 136f.) schließt entsprechend auf die Armseligkeit des damaligen Konstantinopel (Wäre Konstantinopel nicht so armselig gewesen, hätte Constantius nicht derartigen stupor in Rom gezeigt, muss seine Überlegung sein.). Am weitesten geht Moreau, der sogar eine Änderung in der Politik des Constantius daraus hergeleitet sieht (vgl. dazu unten). - Ähn- lich verhält es sich hinsichtlich des Wortwechsels zwischen Constantius und Hormisdas

615 Wenn man sich Wesʼ Feststellung, dass Constantius II. habe neue Wege gehen wollen, zu eigen macht, dann kann dies hinsichtlich der von Constantius verfolgten Aufwertung Konstantinopels natürlich auch eine Vernachlässigung oder bewusste Abwertung Roms bedeuten. Ammians Erzählung ließe sich dann als ein Versuch deuten, dem Kaiser klarzumachen, dass eine solche Politik falsch sei, weil sie den Wert Roms verkenne. Aber auch in diesem Falle wird die Argumentation ganz wesentlich durch ein argumentum ex silentio gestützt, dass nämlich Konstantinopel in Ammians Erzählung überhaupt nicht vorkommt.

258 vor dem equus Traiani: wenn MENEGHINI (o.J.) 254 schreibt: „è possibile immaginare che, compreso un plausibile basamento e la figura dellʼimperatore, lʼEquus Traiani fosse alto intorno ai dieci o dodici metri (fig.5), giustificando pienamente le ammirate parole di Am- miano Marcellino nella descrizione del celebre episodio dello scambio di battute fra lʼim- peratore Costanzo II e il principe persiano Ormisda che si svolse nel 357 davanti alla statua stessa“, dann geht er von der Historizität der Szene bis zur Wörtlichkeit des Gesagten aus. - f. Hierher gehört auch alles dasjenige, was Ammians tendenziöse Darstellungsweise be- trifft; denn seine Art der Darstellung als tendenziös zu bezeichnen, setzt per se voraus, dass er die Ereignisse nicht so darstelle, wie ein unvoreingenommener Beobachter sie darge- stellt hätte.616 Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem, was generell in aller antiken Geschichtsschreibung zu finden ist, was hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Geschichts- schreibung durch die jedem von ihnen zugestandene inventio zu den Fakten hinzugefügt wird, und dem Grad oder Umfang, in dem derartige Hinzufügungen erscheinen, was, wenn wirklich feststellbar, ein Kriterium lieferte, um z.B. Ammians Res gestae gegenüber der

616 In der Regel wird das in der Forschung nur konstatiert, in manchen Fällen implizit auch eine Begründung mitgeliefert, vgl. z.B. WHITBY (1999) 77: "Ammianusʼ attachment to Ursicinus meant that he (gemeint ist Ammian) was a jaundiced observer of the events such as Constantiusʼ grand entry into Rome in 357 or the persecution of Magnentiusʼ followers (16.10;14.5), which contribute to his assessment of the emperor (gemeint ist Constantius II.)", bzw. HUNT / DRIJVERS (1999) 1 über Thompson: "Thompson was the first to abandon reverential insistence on the reliability and impartiality (Gibbonʼs ‘accurate and faithful guide’) of a narrative earlier applauded by Mackail as that of ‘officer and a gentleman’, in favour of more critical analysis of the prejudices and pressures which shaped Ammianusʼcoverage on contemporary events. Through a lively examination of selected episodes in the narrative, Thompson exposed not only the extent to which the sympathies of the ‘middle-class’ curialis from Antioch (who became a Roman army officer) coloured the substance of what he wrote, but also the political constraints which he believed to coercive regime of the emperor Theodosius I imposed upon the composition of the last part of the work (Thom- pson regarded Books 26–31 as a later product than the rest)." - Grundsätzlich anders die Herangehens- weise der Interpreten, die davon ausgehen, die Selbstverpflichtung Ammians, immer die Wahrheit zu schreiben, stehe vor allem anderen, vgl. z.B. ROWELL (1964) 313: "To it was wed a high esteem for educa- tion and the cultivated mind, a hatred of injustice and, above all, a passionate and unswerving love of the truth which impelled him to describe events and to judge men as he saw them – impartially." - Zur ten- denziösen Darstellungsweise gehört auch, dass die Geschichtsschreibung, bzw. die einzelnen Geschichts- schreiber Elemente aus der Panegyrik und der Invektive übernehmen (vgl. dazu THERESA URBAINCZYK, Vice and Advice in Socrates and Sozomen, 1988, 300). Ein Ziel meiner Arbeit ist es, zu untersuchen, wieweit Ammian durch das Einarbeiten dieser Elemente in seine Darstellung „verfälscht“, vorausgesetzt, dass wir überhaupt erfahren können, wie das ausgesehen hat, was er „verfälscht“. Dabei halte ich es jedoch für einen Irrweg, alles, was Ammian über Julian schreibt, für Panegyrik zu halten, und alles, was er über die anderen Kaiser schreibt (außerhalb der Epiloge), für Invektive, wie es z.B. URBAINCZYK (1998) 318 tut ("Such adulation of Julian might in itself be unremarkable, but the portraits Ammianus gives of all the other emperors are simply invective."), woraus sich dann für Urbainczyk ergibt (auch wenn sie dies nicht ausdrücklich sagt), dass sie die in ihrer Abhandlung behandelten Kirchenhistoriker für weniger tendenziös hält als Ammians Darstellung (denn anders kann ihr vorletzter Satz der Abhandlung (318: "It might seem surprising to note that we still learn our history from Ammianus, although his extant work covers such a short period, only about twenty-five years,37 not from the church historians.38") in dem Zusammenhang, in dem er steht, wohl kaum verstanden werden. Dabei besteht der Irrweg nicht so sehr darin, dass Urbain- czyk die Attraktivität Ammians auf seine Darstellungsweise zurückführt, als vielmehr darin, dass sie das, was sie Ammian bestreitet, nämlich sich Historiker nennen zu dürfen, den Kirchenhistorikern wohl ohne weiteres zugesteht.

259 Historia Augusta oder auch den Kirchenhistorikern abzuheben. Bei ersterem interessieren vor allem die Details, aus denen etwas für einen adventus der Mitte des vierten Jhs. Typisches aus Ammians Darstellung zu gewinnen wäre, vor allem aber alles das, was es einem ermöglichte, wenigstens Einzelheiten vom Auftreten des Con- stantius in der Öffentlichkeit besser zu verstehen und daraus – mit aller Vorsicht – auf sein Wesen zu schließen.617 Von letzterem dagegen hängt entscheidend ab, welcher Wert der Erzählung Ammians für die Kenntnis der Zeit des Constantius zukommt. Ich glaube, dass für historische Details eines adventus die Erzählung Ammians zu dem, was man z.B. aus den Abbildungen der Monumente entnehmen kann618, nichts von Bedeutung hinzufügt619,

617 So z.B. BARCELÒ (2004) 38: Den „hieratischen Charakter“ des Constantius glaubt er aus den trauma- tisierenden Erfahrungen der Jugendzeit (Beseitigung seines Halbbruders und seiner Mutter durch den eigenen Vater) erklären zu können. Dabei muss er den hieratischen Charakter aus der hieratischen Hal- tung erschlossen haben, von der nur hier an dieser Ammianstelle die Rede ist (indirekt vielleicht auch noch im Epilog). - Grundsätzlich dazu LEPPIN (2003) 232 über Theodosius: „Als Persönlichkeit ist Theo- dosius, trotz des Optimismus mancher moderner Forscher, mit dem Quellenmaterial, das dem Althistori- ker zur Verfügung steht, kaum zu fassen. Wir besitzen keine Selbstzeugnisse, sondern lediglich Beurtei- lungen anderer oder allenfalls offizielle Texte, die in seinem Umkreis entstanden sind. Besonders schwer einzuschätzen ist die zentrale Frage seiner Religiosität. [...] Oft hört man, Theodosius sei leutselig gewesen, doch kann es sich dabei ebenfalls um eine Selbstinszenierung gehandelt haben, wie sie unter antiken Herrschergestalten verbreitet war.“ 618 Vgl. dazu vor allem für den adventus KOEPPEL, GERHARD: Profectio und Adventus, in: Bonner Jahrbücher 169 (1969) 130–194. Koeppel beschränkt sich zwar auf die monumentalen Staatsreliefs der Zeit zwischen 90 und 180 n. Chr., aber vor allem im letzten Teil der Arbeit sind immer wieder auch Ausblicke auf andere Gattungen und Monumente aus späteren Zeiten. 619 Man nehme die starre Haltung und den geradeaus gerichteten Blick, der über die Menge hinweggeht: Beides findet sich schon in der Kolossalstatue Konstantins, aber auch im Goldmedaillon des Constantius, ist somit keine Eigenart des Constantius. - Eine Bemerkung zum Methodischen: LʼORANGE (1984) 79: „Ahnen wir nicht hinter solchen Bildern den hohen rituellen Stil in der persönlichen und lebendigen Erscheinung des Kaisers? Sehen wir nicht die zeremonielle Symmetrie um die göttlich erhöhte unbeweg- liche Gestalt des Kaisers, um das funkelnde caeleste miraculum´290 (Eusebius, Vita Constantini), von dem die gleichzeitigen literarischen Quellen zu berichten wissen? Ammianus Marcellinus (16,10) hat ein oft zitiertes Bild von Constantius II. bei seinem Einzug in Rom gezeichnet: ein Bild von dem lebendigen Kaiser, das mit dem kaiserlichen Porträttypus, den wir hier studieren, zusammengesehen werden muß. »Er sah so steif vor sich hin, als ob er ein eisernes Band um den Hals hätte und wandte das Gesicht weder gegen rechts noch links, er war nicht wie ein Lebendiger, sondern wie das Bild eines Menschen«. Velut ... hominis. Diesen hieratischen Kaiserstil, der als Ausdruck der divina majestas in gleicher Weise Palast, Bild und lebendige Wirklichkeit prägt, verfolgen wir über Byzanz bis in das heilige russische Kaisertum." LʼOrange schreibt dies nicht etwa zu einem Bild / einer Statue ConstantiusʼII., sondern zum Kolossal- standbild Konstantins, um zu belegen, dass der τύπος ἱερός des spätantiken und frühmittelalterlichen Herrscherbildes (S. 78) seine Entsprechung in der Wirklichkeit gefunden habe. LʼOrange geht dabei davon aus, dass Ammians Beschreibung auf dem Erleben (eines Gewährsmannes des Ammian) beruht. Es soll hier gar nicht bestritten werden, dass Constantius II. so in der Öffentlichkeit aufgetreten ist; wenn aber die Ammianstelle als Beleg dafür genommen wird, dass die Wirklichkeit dem in der Kolossalstatue Konstantins ausgedrückten τύπος ἱερός entspricht, dann handelt es sich nicht um eine individuelle Eigen- art ConstantiusʼII., sondern es ist mehr ein Zufall, weil von Constantius II. nun einmal Ammians Be- schreibung vorliegt. Damit aber wird auch hier sehr wahrscheinlich, dass Ammians Beschreibung keines- wegs den Erlebnisbericht eines Gewährsmannes voraussetzt, sondern eine im wesentlichen von Ammian konstruierte Geschichte ist. - Vgl. auch D. HUNT, The Outsider Inside, 53f. zu figmentum hominis: "exu- ding rigid dignity at the centre of the majestic procession which accompanied him into Rome on his cere- monial visit in the spring of 357 (16.10.10). Such an expression of the fixed impregnability of the impe- rial office was taken for granted by Ammianus (this was the way the emperor was customarily seen ʻin his provincesʼ) and later endorsed in the obituary section concluding the Constantius books." Hunt vertritt die These, dass das Hofleben in der Spätantike letztlich eine große Inszenierung ist, bei der jeder seine

260 dass alles, was diesem adventus (oder Triumphzug) Einzigartigkeit zu verleihen scheint, entweder in der Darstellungstechnik Ammians begründet ist oder in der von Ammian vor- ausgesetzten Einzigartigkeit der Stadt Rom620 (eine solch einzigartige Stadt erfordert einen einzigartigen Kontrapart samt einzigartiger Ausstattung). Was das Auftreten des Constan- tius und sein Wesen betrifft, so dürfte das Ergebnis hier nicht anders sein, nur dass die Er- klärung deutlich komplizierter wird: Ammian schreibt hier so etwas wie einen Antipane- gyrikus gegen Constantius.621 Dabei holt er sich seine Anregungen mehrfach aus dem Pan- egyrikus des Plinius auf Trajan (ob direkt von Plinius oder über Vermittlung, indem vieles zu Topoi panegyrischer Literatur (auch schon vor Plinius) geworden war, spielt nicht unbe- dingt eine Rolle). Damit aber ergibt sich ein doppeltes Problem: Sollte es, wie von einigen angenommen, tatsächlich einen beträchtlichen qualitativen Unterschied zwischen Prinzipat und Dominat gegeben haben, dann hätte Ammian den falschen Maßstab angelegt.622 Außer- dem gilt es zu bedenken, ob nicht die Umsetzung des panegyrischen Prinzips in den ψόγος ebenfalls zu Verzerrungen führt. Dazu kommt der schon immer konstatierte unausge- sprochene Vergleich mit Julian (dessen Bild bei Ammian aus den verschiedensten Gründen ebenso „verzerrt“ ist).623 Auf jeden Fall ist aus dieser Geschichte für die Biographie des Constantius höchstens die hieratische Haltung in der Öffentlichkeit zu gewinnen, die aber, wie schon gesagt, nur durch diese Stelle bei Ammian belegt ist und die in dieser extremen Ausprägung eine Kombination aus Anregungen der bildenden Kunst624 und durch Ammi-

bestimmte Rolle spielt. Hieße in letzter Konsequenz, dass das Ganze nicht immer ernst zu nehmen ist. - Die immer wieder geäußerte Ansicht, diese Haltung sei vom Protokoll vorgeschrieben worden (so zuletzt wieder FUENTES HINOJO (2011) 300: „Contancio marchó, tal y como exigía el protocolo, al Foro romano“; 302) beruht auf einem Zirkelschluss, da dieses Protokoll aus Ammian rekonstruiert ist. 620 Vgl. MACCORMACK (1972) 726: "Such victorious arrivals could be celebrated in any city of the empire, but Rom continued to possess a certain dignity, which set it apart from other cities." 621 GRIG/KELLY (2012) 20 Anm. 77: „Amm. 14.6.2-6 and 16.10 for praises of Rome, 14.6.7-26 and 28.4 for invective (though the noun invective is anachronistic, it usfully covers the technique of vituperatio or psogos, which rhetorical handbooks treated as the exact opposite of panegyric.)“ ist prinzipiell richtig, nur dass Ammians Anliegen mit 16.10 nicht allein „praises of Rome“ ist. 622 In diese Richtung die Vorwürfe von Straub und Klein an die Adresse Ammians, Constantiusʼ Verhalten sei durch das Zeremoniell erzwungen gewesen. - Ich glaube auch, dass hinsichtlich des Abstandes zwi- schen Herrscherhaus und allen sonstigen Beherrschten kein großer Unterschied zwischen z.B. Trajan und Constantius besteht, dass jedoch Panegyrici wie der des Plinius dazu beigetragen haben, indem sie den real gegebenen großen Abstand durch stetige Betonung der civilitas des Herrschers oder wenn er ein Bad in der Menge nimmt, verschleiert haben. - Hinsichtlich der entscheidenden Phänomene macht es keinen Unterschied, ob sich Ammian mit den zeitgenössischen Panegyrikern auseinandersetzt oder auf Plinius rekurriert. 623 Vgl. vor allem FONTAINE (1978) passim. Zur Einstellung Julians gegenüber Rom vgl. ATHANASSIADI-FOWDEN (1981) 89– 120; ELBERN (1990) 33f. 624 So auch schon ROSEN (1982) 102: „Mit den gleichsam in Szene gesetzten Details wollte Ammian in besonderem Maße die Bildhaftigkeit seiner Darstellung erreichen, die ἐνάργεια der antiken Stil- lehre. […] Die literarische μίμησις Ammians weist bemerkenswerte Verwandtschaft mit der bil- denden Kunst auf.“

261 ans Erzählintention gelenkte inventio sein könnte625: Plinius betont in seinem Panegyricus auf Trajan ganz besonders, dass er dem Trajan nicht wie einem Gott schmeichle (PLIN. Paneg. 2,3: nusquam ut deo, nusquam ut numini blandiamur), was positiv gewendet bedeutet, dass er Trajan als Mensch sieht.626 Genau das aber, so unterstellt Ammian dem Constantius, tut dieser nicht: sein ganzes Auftreten zielt darauf, schon zu Lebzeiten als Gott angesehen zu werden, was am besten in der hierati- schen Haltung sichtbar wird. Wenn man annimmt, dass Constantius danach gestrebt habe, dann könnte diese hieratische Haltung ein Akt der entsprechenden Selbstinszenierung sein, was dann aber ein schlagender Beweis dafür zu sein scheint, dass Constantius sie tatsäch- lich gehabt hat. Daran ändert zunächst auch nichts, sondern es scheint die Beweiskraft noch zu verstärken, dass man für das vierte nachchristliche Jahrhundert beobachtet hat, dass Sti- lisierungen in der Kunst ins Leben übernommen und dort nachgeahmt worden sind.627 Soll- te es so gewesen sein, hätte es natürlich nicht der inventio Ammians bedurft, und wenn Constantius der Erfinder oder erste Anwender und Ausnutzer der hieratischen Haltung ge- wesen ist, dann hätte Ammian mit seiner Erzählung einen wichtigen Punkt der Geschichte erfasst und eine ganz entscheidende Erkenntnis über das Wesen des Constantius geliefert. Letzteres aber, dass Constantius danach gestrebt hat, und zwar in einem weitaus größeren Maße als alle seine Vorgänger, ist nicht zu beweisen, und dass er einmal in hieratischer Haltung geschildert wird, kann, abgesehen von immer einzurechnender amplificatio Zufall der Überlieferung oder „Schreibtischarbeit“ sein, besonders wenn man bedenkt, auf wie weit zeitlich zurückliegende exempla Ammian sich bezieht.628

625 Ganz anders, auch heute noch HENCK, NICK: Constantius ὁ Φιλοκτίστης? In: Dubarton Oake Papers, No. 55, Washinton, D.C. (2002) 279-304 S. 304: „It is highly probable, therefore, that an emperor who paid so much attention to deteil when it came to court ceremony in general and an imperial Adventus in particu- lar, who took care not to spit or wipe his face in public and to bew as he passed under arches, also took great pains with the stage upon which he acted or the backdrop against which the scene was set. Constan- tius was, after all, a master of ceremony.“ 626 Die negative Formulierung, verbunden mit der Anapher, bedeutet natürlich, dass auch zu Trajans Zeiten die Tendenz vorhanden ist, den Kaiser schon zu Lebzeiten als Gott anzusehen. 627 Vgl. zu diesem interessanten Phänomen MACMULLEN (1964) passim. 628 Anders natürlich diejenigen, die davon ausgehen, Ammian befolge den Grundsatz, immer die Wahrheit zu schreiben, allein schon deshalb, weil er Geschichtsschreiber – und nicht Panegyriker oder Dichter – sei, vgl. z.B. MAC CORMACK (1972) 736 Anm. 95 unter Berufung auf Straub zur Übereinstimmung mit Xenophon: "As Straub says, the fact that the account of Ammianus bears striking resemblances with Xe- nophon, Cyropaedia VIII, 1,40–42 (cf. I,2,16; 3,2), need not detract from Ammianusʼ veracity. Similar occurrences evoke similar descriptions." Wenn es so einfach wäre, dann verböte sich bei jedem Ge- schichtsschreiber, der den Anspruch erhebt, immer die Wahrheit zu schreiben, jegliche kritische Untersu- chung. - Vgl. auch MACCORMACK (1972) 739: "Claudianʼs accounts are not, and were not intended to be, factual in the same sense as e.g. those of Ammianus, or any historian, or, indeed, those of a prose panegyricist."

262 2.5.17 Fazit Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, neue Erkenntnisse über den adventus des Kaisers Constantius II. im Frühjahr des Jahres 357 in Rom zu gewinnen oder aus diesem Bericht irgendwelche neuen Details zur Person des Kaisers hinzuzufügen; es geht auch nicht darum, ob nicht Ammian hinsichtlich der beiden „Hauptakteure“629, Constantius und Rom, bei ersterem von unbegründeter Voreingenommenheit und bei letzterem von einer anachro- nistischen Verkennung der gegenwärtigen Bedeutung ausgegangen ist – Ammian ist gegen- über Constantius voreingenommen; aber die vorliegende Geschichte soll gerade unter an- derem den Beweis erbringen, dass seine Voreingenommenheit begründet ist. Ammian ist der Ansicht, dass Rom der Mittelpunkt der Welt ist und dass es immer noch wirkmächtig ist, was nicht bedeutet, dass er nicht wüsste, dass fast alle militärischen Entscheidungen die Grenzen betreffen. - und es geht auch nicht darum, aufzulisten, welche Defizite die Erzäh- lung aufweist, wenn sie im Werk eines Geschichtsschreibers erscheint, wiewohl es durch- aus zur Klärung von Ammians Erzählintention beiträgt, darüber nachzudenken, was er noch hätte berichten können und warum er das wohl nicht getan hat. Vielmehr ist es darum gegangen, den Nachweis zu erbringen, dass Ammian mit seiner Darstellung eines denkwürdigen, weil äußerst seltenen Ereignisses in einer zunächst auf einen Höhepunkt zusteuernden, dann auf das folgende Geschehen verweisenden Geschich- te dieses Geschehen nicht nur in einer angemessenen Form darstellen will, sondern als jemand, der an die Wirkungsmacht der Roma aeterna glaubt, aber in der Zeit, in der er schreibt, Entwicklungen beobachtet, die zu einer Beeinträchtigung dieser Wirkungsmacht führen könnten, an einem schon der Vergangenheit angehörenden historischen Ereignis exemplifiziert, wie der Kaiser, der schon zu Lebzeiten Anspruch auf Ewigkeit erhebt630, da- durch dass er seinen adventus in unangemessener Form inszeniert, an der Stadt, die ewig ist, und deren Wirkungsmacht scheitert, und ihn dabei als jemanden darstellt, der ohne

629 Dies gilt auch und in besonderem Maße für die Einstellung des Constantius zu Rom. Allerdings ist das, was man aus anderen Quellen daraus erfährt (vgl. z.B. AUREL. VICT. Caes. 28,2: adeo in dies cura minima Romanae urbis), bzw. aus seiner Politik zur Förderung der Stadt Konstantinopel erschlossen hat (vgl. z.B. ELBERN (1990) 32), ebenso zurückhaltend zu bewerten. 630 In 15,1,3 (quo ille [gemeint ist Constantius] studio blanditiarum exquisito sublatus immunemque se dein- de fore ab omni mortalitatis incommodo fidenter existimans confestim a iustitia declinavit ita intempe- ranter, ut „Aeternitatem meam“ aliquotiens subsereret ipse dictando scribendoque propria manu orbis totius se dominum appellaret;) tadelt Ammian Constantius dafür in äußerst deutlicher Form; dabei haben die Untersuchungen von Moore (MOORE (1894) 56] ergeben, dass es die aeternitas Augusti seit den Flaviern gibt, dass sie schon bei Trajan und vor allem auch bei Hadrian zum offiziellen Sprachgebrauch gehört und daraus bis zur zweiten Hälfte des 4. Jhds. auch keineswegs verschwunden ist. Wenn also Am- mian den Constantius II. dafür tadelt (und nur diesen), dann kann das nur in seiner Voreingenommenheit diesem gegenüber begründet sein, (es sei denn, der Vorwurf in 15,1,3 liege darin, dass er dies eigenhändig unter Schriftstücke setzte).

263 tiefere Einsicht in den Grund seines Scheiterns bleibt, vielleicht nicht einmal merkt, dass er scheitert, und somit Rom verlässt, ohne von da an ein anderer zu werden.631 Was so aussieht, wie die detail- und ereignisreiche Schilderung eines im Leben des Constantius und in der Geschichte der Stadt Rom einmaligen Vorgangs, wobei im Hörer / Leser die Illusion erzeugt wird, als begleite er Constantius bei seiner Fahrt durch Rom632, als erlebe er seine Reaktionen auf die miracula dieser Stadt633 und als nehme er teil an den Erfahrungen, die Constantius an verschiedenen Stellen der Stadt gemacht habe, und habe vor allem auch die hieratische Starre des Kaisers erlebt, und vor allem, was diesem Bericht so individuelle Züge zu verleihen scheint, dass man spontan sagt, das müsse schon deshalb wahr sein, weil man es so gut kaum erfinden könne (das Sich-Bücken beim Durchfahren des Stadttores; die Fahrt durch die Stadt; der starre Blick geradeaus; das Beeindrucktsein am Trajansforum), das erweist sich als ein raffiniertes Konstrukt Ammians, wobei die Ein- zelteile dieses Konstruktes entweder nicht aus durch unmittelbare Anschauung gewonnen

631 Ich war zunächst davon ausgegangen, es handele sich bei dieser Geschichte um eine besondere Form der laudes Romae. Dabei aber ist die Rolle des Constantius überhaupt nicht berücksichtigt. Im Laufe der Arbeit bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es Ammian vor allem um Constantius geht, dass aber Ammian sein Ziel, die „Demontage“ des Constantius, dadurch erreicht, dass er eine dramatische Ausein- andersetzung zwischen Constantius und Rom daraus gemacht hat. Dies im übrigen auch bei Cameron vorausgesetzt: CAMERON (1989) 428: "The unifying theme of 16.10 is perhaps less the impact of Constan- tius on Rome than the impact of Rome on Constantius." - Es würde einer eigenen Abhandlung bedürfen, Ammians Voreingenommenheit gegenüber Constantius II. zu erklären, weil dies verlangte, Ammians Ge- schichtsauffassung, vor allem die Rolle, die die Vergangenheit darin spielt, genauestens zu analysieren. Hier seien nur drei Erklärungsversuche genannt, die aus modernen Interpretationen des 10. Kapitels des 16. Buches genommen sind: 1. Ammian setzt Constantius herab, um dadurch Julian umso heller erschei- nen zu lassen. [Es bedarf keiner Nennung von Namen: Angedeutet bei all denen, die Ammian von Julian als seinem Helden o.ä. sprechen lassen.] 2. Ammian als paganer Autor kann oder will den christlichen Kaiser Constantius nicht angemessen beschreiben [so vor allem Klein]. 3. Ammian ist aufgrund seiner reaktionären Einstellung (dazu gehört auch, dass er kein Christ ist) nicht in der Lage, seine Zeit zu verstehen und richtig zu beurteilen (vgl. DUVAL (1970) 304: „A force de tout juger à lʼaune de lʼAntiquité, ce vieux Romain féru de livres devient incapable de comprendre et de juger son époque.“). - Sofern dies beim modernen Interpreten nicht dazu führt, dass er glaubt, Constantius gegenüber Ammian rehabilitieren zu müssen, ist dies für die Interpretation dieser Geschichte unerheblich. Sollte dies jedoch der Fall sein (so sicher bei Klein und Duval, aber in abgemilderter Form auch bei Barceló, in dem Versuch, manches an Constantius – sozusagen gegen Ammian – besser zu verstehen), dann geschieht das in Regel so, dass man meint, weil Ammian die fast einzige Quelle (für diese Geschichte) ist, Ammian Widersprüche nach- weisen zu können oder Fälschungen [Klein benutzt das Wort zwar nicht, aber was er tut, ist nichts ande- res.]. Das aber lässt sich kaum beweisen; ebensowenig aber hilft die Annahme einer reaktionären Haltung in der Erklärung von Ammians Geschichte(n) weiter. Sollte es tatsächlich die Absicht des Constantius gewesen sein, neben dem Triumph (und vlelleicht auch der Feier der Vicennalien) und der Herrschafts- repräsentation, die Zweck jedes adventus ist, auch sozusagen die Richtlinien der künftigen christlichen Politik den paganen Kreisen Roms zu verdeutlichen (so Duval), dann wäre das Verschweigen der Entfer- nung des Viktoriaaltars aus der Kurie bei einem paganen Autor eine Form der Missbilligung, aber nicht Folge reaktionärer Einstellung. - Ich habe darauf verzichtet, zu diesem Phänomen Stellung zu beziehen, weil ich glaube, dass zum Verständnis der ammianeischen Darstellung anderes wichtiger ist, z.B. zu ergründen, warum Ammian so detailversessen ist und warum er durch seine Form der Darstellung sich so weit von einer nach Objektivität strebenden Form entfernt. 632 Vgl. BLOCKLEY (1980) 23: "Constantius enjoyed a month of sightseeing." 33: "What follows (13–15) is a tour of the sights of Rome, written by one who had seen them." 633 KÖNIG (2007) 22: „So beeindruckt Constantius von der Pracht Roms war, vor allem vom Forum Traiani, dem Capitol und dem Flavischen Amphitheater, ...“.

264 begriffen werden können, sondern als aus der Literatur teilweise weit zurückliegender Zeiten angeregt gesehen werden müssen, so dass sie vor allem nicht das Historisch-Einma- lige, Unverwechselbare der Person des Constantius und der Mitte des 4. Jhds. repräsentie- ren. Für die meisten Zwecke, für die man gerade das zehnte Kapitel des sechzehnten Bu- ches der Res gestae Ammians (meist allerdings nur in Ausschnitten) benutzt hat, ist diese Geschichte Ammians nur bedingt und mit Vorbehalt zu verwenden: Aus ihr kann nicht herausgelesen werden, dass Constantius an der Vergangenheit Roms besonders interessiert gewesen sei, dass ihn der Rombesuch so beeindruckt habe, dass er in bestimmten Fällen sogar seine Politik geändert habe, dass er der erste byzantinische Kaiser gewesen sei634, dass ein adventus eines Kaisers in Rom sich wesentlich von einem in einer anderen Groß- stadt des Reiches unterschieden habe usw., vor allem aber erscheint mir zweifelhaft, dass dieser Rombesuch des Constantius, abgesehen von der Funktion, Herrschaftsausübung in praxi zu zeigen, wie es für jeden adventus galt635, so bedeutend war, dass er auch heute noch in jedem Standardwerk zur Geschichte der Spätantike in hervorgehobener Form, meist sogar mit längeren Abschnitten als Zitat erscheint, und zwar einerseits deshalb, weil nicht abzuschätzen ist, wieviel die Einmaligkeit während des Zeitraumes von Konstantins letztem Besuch bis zum Rombesuch Gratians beigetragen hat, andererseits weil auch kaum abzuschätzen ist, wieviel Ammians Glaube von der Einmaligkeit der Roma aeterna dazu beigetragen hat, die Darstellung zu etwas Besonderem zu machen. Diese Besonderheit der

634 MOREAU (1959) 166: „Diese Reise machte Epoche. Die ‚Wunder Roms’ machten auf den nüchternen Constantius ein großen Eindruck u. bewogen ihn zur Gewährung der alten Privilegien heidnischer Kulte (Amm. Marc. 16,10 13/20; Symmach. rel. 3,7, 281, 31f. Seeck; Geffken, Ausg. 100).“ - LIPPOLD (1968) 16: „Vor allem von 353 an ging Constantius auch scharf gegen die Heiden vor. Beim Besuch der Stadt Rom im Jahre 356 vom alten Glanz tief beeindruckt schlug er aber wieder einen gemäßigteren Kurs ein.“ - Ließe sich Lippolds Aussage ((1968) 78 „Ein Erlaß des nach dem Zeugnis des spanischen Dichters Prudentius von der Stadt [Gemeint ist Rom. Es geht um Theodosiusʼ Rombesuch im J. 389] tief beein- druckten Kaisers besagt zwar, ...“) durch die von ihm in Anm. 144 angegebene Prudentiusstelle (c. Sym- machum 1, 501ff.) wirklich belegen [Ich kann an dieser Stelle nichts Derartiges entdecken.], dann hätte man eine weitere Bestätigung für den topischen Charakter. - Wie weitgehend die Annahme der Histori- zität dieser Haltung des Constantius ist, zeigt die Aussage von WIRTH (1986) 292 („Die berühmte Verwun- derung des Constantius bei seinem Rombesuch spricht Bände für eine solche Wirklichkeit.“). Gemeint ist, dass bestimmte Kreise in Rom, vor allem Symmachus, zur Imperiumswirklichkeit den Bezug verloren hatten, indem sie aus ihrer idealisierten Romidee Postulate herleiteten, die mit der aktuellen Situation des Imperium nicht zu vereinbaren waren. Wirth bzeichnet das als ein „Sichhineinsteigern in eine nicht mehr existierende Welt“ (292). [Es mag sein, dass Wirth diese Haltung und diese Anschauungen dieser Leute und vor allem des Symmachus zutreffend beschreibt, aber ob das Staunen des Constantius, einmal gesetzt, es wäre historisch, sich darauf bezieht, wage ich zu bezweifeln. Gerade der erste Auslöser des Staunens, der Anblick des Senates, passt dazu überhaupt nicht, es sei denn, die anschließende Äußerung des Con- stantius über den Senat hätte mit seinem Sehen überhaupt nichts zu tun.] - Zum Byzantinismus des Con- stantius vgl. auch die kurze Bemerkung bei KAEGI (1993) 52. 635 Vgl. hierzu vor allem MCCORMICK (1986) 232–252, wo auch herausgearbeitet ist, was ein adventus des Kaisers und Siegesfeiern für alle Städte des Reiches, in denen sie stattfanden, bedeuteten, wodurch deut- lich wird, dass die Betonung der Sonderstellung Roms und der Einzigartigkeit des Besuches des Constan- tius ganz erheblich ein Konstrukt Ammians sind.

265 Darstellung aber ergibt sich allgemein aus der für jeden Geschichtsschreiber der Antike gültigen Forderung des prodesse et delectare und speziell in diesem Fall aus der Absicht Ammians, so etwas wie einen Antipanegyrikus auf Constantius zu schreiben. An dieser Stelle fühlt man sich veranlasst, darüber zu spekulieren, woher Ammians Voreingenom- menheit gegenüber Constantius rührt und ob sie überhaupt berechtigt ist. Das aber ist hier nicht das Thema, sondern wäre eher in einer Biographie Ammians oder des Constantius zu behandeln. Wem dieses Ergebnis zu wenig ist, der mag in eine ganz andere Richtung einen Schritt weiter gehen: Als Ammian in 25,10 berichtet, wie Jovian eilends in den Westen des Rei- ches zieht, um seine Herrschaft zu sichern, und nur in Tarsos kurz Halt macht, um Julians

Begräbnis vorbereiten zu lassen, da schließt er mit einer Anspielung auf VERG. Aen. 8,62– 64 in einer melancholischen Klage, Julian hätte eigentlich in Rom begraben werden sol- len.636 Vordergründig gesehen hat man hier ein weiteres Beispiel für die oft von Ammian verwendete Methode, ein bei Libanios gefundenes Motiv abzuwandeln637, in diesem Falle geradezu zu korrigieren: Libanios hatte gemeint, Julian hätte nicht in Tarsos, sondern in Athen in der Akademie beigesetzt werden sollen.

638 O´BRIEN (2006) passim zeigt, dass Ammian Julian mit seiner Ernennung zum Caesar durch Constantius die Metamorphose zum Römer und zum Helden im vergilischen Sinne beginnen lässt, der sich dann wie Äneas bewährt, aber letztlich dem Schicksal unterliegt, so dass er zum tragischen Helden wird. Damit ergibt sich bei Ammian das Paradox, dass derjenige römische Kaiser, der innerhalb eines mehr als fünfzigjährigen Zeitraumes als

636 Eingehende Interpretationen dieser Stelle bei KELLY (2004) 296–317; O´BRIEN (2006) 297–298. 637 LIBAN. Orat. 18 (Epitaphios),306: τοῦτον ἐδέξατο μὲν τὸ πρὸ Ταρσῶν τῆς Κιλικίας χωρίον, εἶχε δ᾿ ἂν δι- καιότερον τὸ τῆς Ἀκαδημίας πλησίον τοῦ Πλάτωνος, ὥστ᾿ αὐτῷ παρὰ τῶν ἀεὶ νέων τε καὶ διδασκάλων ἃ καὶ τῷ Πλάτωνι τελεῖσθαι [„Diesen nahm der Platz vor (den Toren) von Tarsos in Kilikien auf; besser (eher passend) wäre der in der Akademie in der Nähe von Platons (Grab) gewesen, so dass ihm von den jeweiligen jungen Leuten und Lehrern die (Toten)Ehren erwiesen worden wären, die auch Platon erwie- sen werden.“] 638 OʼBrien ist nicht der Erfinder dieser Interpretationsmethode. Sie findet sich auch schon unter dem Stich- wort „romanizzazione di Giuliano“ bei SELEM (1979) 160. Bei Selem auch schon gesehen, dass dies natür- lich auch etwas mit der Glaubwürdigkeit Ammians zu tun hat: „Ci troviamo indubbiamente di fronte ad un tentativo di trasformare secondo i paradigmi di un exemplar romano Giuliano, tentativo che sembra sufficiente a farci nutrire dubbi sulla veridicità dellʼ esposizione ammianea.“ (SELEM (1979) 161) - Wie- derum unter einem anderen Aspekt schon bei LACOMBRADE (1960) 138. Nach Lacombrade ließen vor allem die späten Schriften Julians erkennen, dass er nach seiner Erhebung zum Augustus sich in aller Eile durch Lektüre darum bemüht habe, sich dem römischen Wesen anzunähern [„Les écrits de Julien Auguste, en revanche, témoignent à l´endroit des ces dernières d´un intérêt très vif. Il semble que par des lectures hâti- ves, par une information fiévreusement poursuivie, dont les initiateurs se laissent reconnaître, le nouvel empereur se soit soudain voué à ce «Génie du Peuple Romain», dont il représentait dès lors, par le choix des ses légions, la vivante effigie.“ (Mit Génie du Peuple Romain muss der genius publicus aus AMM. 20,5,10 gemeint sein. Wie man die Erscheinung des genius publicus an dieser Ammianstelle zu bewerten hat, ist in der Interpretation von 20,4-5 dargelegt. Für die von Lacombrade angenommene geistige Ent- wicklung Julians ist die Stelle nur dann zu verwerten, wenn man annimmt, dass Julian tatsächlich vom genius publicus gesprochen habe.)

266 einziger Kaiser Rom besucht hat, als derjenige dargestellt wird, der Rom nicht versteht und deshalb auch kein wirklicher Kaiser des römischen Reiches gewesen sein kann, während derjenige, der Rom nie besucht hat639 und aus dessen eigenen Werken sich kein Anhalts- punkt ergibt, dass er danach gestrebt hätte, es zu tun 640, so dargestellt wird, als hätte er mit seiner Erhebung zum Caesar die Wandlung zum echten Römer eingeleitet und wäre in sei- nen Taten als Caesar (und Augustus) zur Verkörperung (alt)römischer virtutes geworden (O

641 ´BRIEN (2006) 290), so dass er es verdient gehabt hätte, in Rom begraben zu werden.

639 Dieses Paradox auch schon gespürt bei ATHANASSIADI-FOWDEN (1981) 51: "Later, the Roman emperor, who never saw Rome conferred ...". Nicht als Paradox gesehen, sondern einfach konstatiert schon bei DE FRAN- CISCI, P.: Arcana imperii III, Teil 2, Roma 1970 (unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1947/48) 115 Anm. 6: „Giuliano non aveva mai visto Roma: i suoi amici appartenevano tutti alle regioni greco-ori- entali: egli parlava greco e greca era la sua cultura.“ - In der Forschung im übrigen gerade Julian inzwi- schen als byzantinischer Kaiser bezeichnet, vgl. z.B. MAC CORMACK (1975) 145: „In this sense [gemeint ist: „that the emperor had a Tyche which placed him outside a strictly human frame-work“] Julian was a very Byzantine emperor“. 640 Vgl. auch MACCORMACK (1975) 144: "Julian a Greek from Constantinople, felt no particular link with the city of Rome"; allgemeiner (und in dieser Verallgemeinerung wohl auch nur z.T. richtig) LACOMBRADE (1960) 156: „la désaffection de Julien à lʼégard du monde latin est manifeste.“ - Ich habe im erhaltenen Werk Julians nur eine Stelle gefunden, wo von der Ewigkeit Roms die Rede ist, und auch da wird der Na- me der Stadt gar nicht erwähnt und die Ewigkeit erscheint nicht in direkter Attribuierung: JULIAN. In So- lem reg. 157B: (Gebet Julians zu Helios) Ταῦτά τε οὖν ἡμῖν, ὅσα μικρῷ πρόσθεν ηὐξάμην, δοίη, καὶ ἔτι κοινῇ μὲν τῇ πόλει τὴν ἐνδεχομένην ἀϊδιότητα μετ᾿ εὐνοίας χορηγῶν φυλάττοι, ἡμῖν δὲ ἐπὶ τοσοῦτον εὖ πρᾶξαι τά τε ἀνθρώπινα καὶ τὰ θεῖα δοίη, ἐφ᾿ ὅσον βιῶναι ξυγχωρεῖ, ζῆν δὲ καὶ ἐμπολιτεύεσθαι τῷ βίῳ δοίη ἐφ᾿ ὅσον αὐτῷ τε ἐκείνῳ φίλον ἡμῖν τε λώιον καὶ τοῖς κοινοῖς Ῥωμαίων συμφέρον πράγμασιν. [„Al- les das also, worum ich kurz vorher gebeten habe, möge er [gemeint ist Helios] uns geben, ferner möge er „öffentlich“ der Stadt die mögliche Ewigkeit wohlwollend „liefern“ und bewahren, uns aber möge er ge- währen, dass es den göttlichen wie den menschlichen Dingen gut geht, so lange, wie er uns gestattet, zu leben und im Leben politisch tätig zu sein, soweit es ihm selbst beliebt, für uns vorteilhafter ist und den gemeinsamen Interessen der Römer dient.“] - Dem scheint ATHANASSIADI-FOWDEN (1981) 84 ("Indeed Ro- me, with its thousand-years-old tradition, and not Constantinople, was to his [gemeint ist Julian] mind the true capital of the empire.") zu widersprechen. Athanassiadi-Fowden verweist vor allem auf Julians Pan- egyricus auf Constantius (Εἰς Κωστάντιον 5b: ἡ βασιλεύουσα τῶν ἁπάντων πόλις) und Julians Εἰς τὴν μητέρα τῶν θεῶν 161b (ἐν τῇ κρατίστῃ καὶ θεοφιλεῖ Ῥώμῃ). Dabei ist nicht beachtet, dass Julian vorher selbst darauf verweist, dass nach den Vorschriften der Panegyristik der Geburtsort, die Heimat (griech.: ἡ πατρίς) und die Vorfahren (griech.: οἱ πρόγονοι), wenn sie lobenswert sind, zum Lob beitragen. Constan- tius II. war wahrscheinlich in Sirmium geboren; aber damit war im Vergleich zu mehreren anderen Städten des Römischen Reiches kein Staat zu machen, so dass Julian äußerst geschickt darauf verweist, dass Rom für Constantius die geistige Heimat und sozusagen die geistige Mutter gewesen sei (in der Fortsetzung der oben zitierten Stelle heißt es: μήτηρ οὖσα σὴ καὶ τροφὸς καὶ τὴν βασιλείαν σοι μετὰ τῆς ἀγαθῆς τύχης παρασχοῦσα). Das aber sind Topoi aus den laudes Romae und der Kaiserideologie, geäußert von Julian zu einer Zeit, wo Constantiusʼ Rombesuch noch in relativ frischer Erinnerung war. Sie sagen kaum etwas darüber aus, welche Bedeutung Rom für Julian hatte, als er tatsächlich die Macht hatte. 641 Es ist nicht leicht, in Ammian weitere Belege für diese von Ammian vorgestellte Verbindung Julians mit Rom zu finden. Nach MACCORMACK (1975) 136f. gab es seit Augustus das Paar „Augustus und sein Geni- 4 us“ (mit kultischer Verehrung) [vgl. dazu KIENAST, DIETMAR: Augustus 2009 , 202–214 und 253 (leider ohne Belege)] und (mit Verbindung im Kult zu dem ersten Paar) das Paar „Augustus und die lares compi- tales“. Dazu kam im Laufe der Kaiserzeit das Paar „Kaiser und Roma“. Gegen den Kult des Lar und den des Genius richtet sich Theodosiusʼ Gesetz vom 8. Nov. 392 n. Chr. (Cod. Theod. 16,10,12). Damit dürf- ten die betreffenden Kulte aufgehört haben. In der Literatur sind die Paare aber weiterhin vorhanden, vgl. CLAUDIAN. VI. Consulat. Hon. 611–612 (O quantum populo secreti numinis addit / imperii praesens genius) [Hier geht es nicht um den genius des Kaisers, sondern um das Paar „Römisches Volk und sein Genius“. Das entspricht in AMM. 20,5,10 dem Paar „Julian und der genius publicus“], CLAUDIAN. VI. Consul. Hon. 39f. (non alium certe decuit rectoribus orbis / esse Larem), 407-8 (Quem precor ad finem laribus seiuncta potestas / exulat, imperiumque suis a sedibus errat?), SIDON. Carm. 2,522-3 (Geminas

267 Sollte sich nicht der Nachweis erbringen lassen, dass diese Stilisierung Julians durch Am- mian wenigstens teilweise oder ansatzweise aus anderen Quellen oder aus Julians eigenem Werk zu belegen ist642, dann wäre Ammians Schilderung und Deutung des Verhaltens und der Denkweise des Constantius nicht nur aus seiner Voreingenommenheit gegenüber Con- stantius begründet, sondern in dem Bestreben, Julian in dem oben beschriebenen Sinne erscheinen zu lassen, hätte er Constantius in stärkerem Maße, als es die Wirklichkeit zuließ, zur Kontrastfigur gestaltet. Seiner Glaubwürdigkeit als Historiker täte weniger sei- ne Darstellung des Constantius Abbruch als die Julians, wobei es durchaus so sein könnte, dass Ammian sich dessen bewusst war, dass er einen Julian schuf, den es so nicht gegeben hatte643, dass er in ihn hineinprojizierte, wie er ihn gern gehabt hätte, wobei das Ergebnis nicht nur eine Idealisierung Julians war, sondern auch das Aufzeigen eines entscheidenden Mangels bei den anderen Kaisern, dass diese eben nicht die Metamorphose zu einem wah- ren Römer erlebten, schafften oder auch nur anstrebten.644 Bezogen auf das zehnte Kapitel des sechzehnten Buches der Res gestae heißt das, dass man das von Constantius II. hier entworfene Bild durchgehend auf das Bild beziehen muss, das Ammian vor allem in diesem Buch von Julian entwirft (Das ist längst gesehen worden, somit nichts Neues.645), dass aber, wenn dieses Bild, in dem Ammian Julian zu et-

iunxit Concordia partis, / electo tandem potitur quod principe Roma) [Alle Stellen aufgeführt bei MAC CORMACK (1975) 142. Warum die Paare in der Literatur überleben, ist hier nicht von Belang. Vgl. dazu MACCORMACK (1975) 142-144.]. Bei Claudian ist deutlich ausgesprochen, dass der Kaiser in Rom sein sollte, da wo das imperium seinen Wohnsitz hat und die Laren sind. Sollte also in AMM. 16,10,13 lar nicht nur bloße Metapher für sedes sein und der genius publius als in enger Verbindung mit dem Lar stehend gedacht sein, dann enthielte der Tadel des genius publicus in 20,5,10 implizit die Aufforderung an Julian, nun endlich nach Rom zu gehen, und Ammian hätte auch hier versucht, Julian, zumindest potentiell, zu einem Römer zu machen. Zugleich wären beide Stellen Beweis für Ammians Bestreben, auf klassische Vorbilder zurückzugreifen. 642 KAEGI (1965) 229: „He [gemeint ist Christian Lacombrade in JULIEN, Œuvres complètes, II,2 (Paris 1964)] de- monstrates that in this satire [gemeint ist der Misopogon Julians] Julian pursued the serious political aim of depicting himself as the reincarnation and legitimate custodian of the ancient Roman heritage.“ Es ist hier nicht der Raum zu überprüfen, inwieweit Lacombrades Annahme richtig ist. Angenommen es wäre so, dann bleibt dennoch bestehen, dass ein spezielles Interesse Julians für die Stadt Rom nicht feststellbar ist und dass für seine Auffassungen von der Bewahrung des alten römischen Erbes Rom selbst keine be- sondere Rolle spielt. - CRISCUOLO (1998) 271 „In breve, Giuliano imperatore volle appartenere alla romani- tà e non poteva esse altrimenti“ steht nicht im Widerspruch zu dem oben Gesagten; denn in dem, was man heute wohl als Mentalität bezeichnen würde, ist Julian auch für Criscuolo „prevalentemente ʽellenoʼ“. 643 Vgl. auch schon ARNALDI (1967) 105: „un imperatore così appassionatamente, esclusivisticamente greco come Giuliano“. 644 Wie weit man hier schon im Bereich der Spekulation ist, kann man daran ermessen, dass diese Deutung nur dann Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann, wenn Julian, bevor er zum Cäsar gemacht wurde, so un- politisch und „griechisch“ gewesen ist, wie er selbst es darstellt. Ein besonderer Reiz dieser Deutung liegt allerdings darin, dass sich eine Begründung für Ammians Wahl, in Rom zu leben und Lateinisch zu schreiben, aus der Parallelisierung mit Julian ergäbe, indem er erkannt hätte, dass eine solche Deutung Ju- lians nur in Anspielungen an den Klassiker Vergil und somit in lateinischer Sprache gegeben werden konnte; und man hätte ein weiteres Beispiel für das Selbstbewusstsein Ammians, dass er selbst, wenn auch auf anderem Gebiet, diese Metamorphose geschafft hatte. 645 Vgl. z.B. ARNALDI (1967) 109: Wenn er Ammians 16. Buch als „il libro della gloria di Giuliano“ bezeich- net, dann ist gemeint, dass man auch das zehnte Kapitel, in dem so deutlich von Constantius die Rede zu

268 was Einzigartigem in der Reihe der Kaiser des vierten nachchristlichen Jahrhunderts macht, eine Schöpfung Ammians ist, die in Einzelheiten wie z.B. dem Begräbnisort in Auseinan- dersetzung mit zeitlich vorausgehenden Julianbildern entstanden ist und in seiner Gesamt- heit nur aus Ammians Orientierung an klassischen Vorbildern zu verstehen ist, auch eine Wechselwirkung zwischen diesen beiden Bildern angenommen werden muss, womit ein weiteres Indiz dafür gegeben ist, dass in diesem Bericht nicht das Protokoll eines Staats- besuches aufgearbeitet ist, sondern ein Geschichtsschreiber, der, vielleicht ein gebürtiger Grieche, sich entschieden hat, aus dem Osten des Römischen Reiches nach Rom zu gehen und dort die Geschichte der römischen Kaiserzeit in lateinischer Sprache zu schreiben, den Kaiser, der innerhalb eines langen Zeitraumes als einziger nach Rom gekommen ist, an seiner Vorstellung eines idealen Kaisertums misst, das wesentlich geprägt ist durch einen Rückgriff auf klassische Vorbilder. Wenn dieser Geschichtsschreiber, der als ein Fremder nach Rom gekommen ist, be- schreibt, dass dieser Kaiser ebenfalls wie ein Fremder nach Rom gekommen ist646, sich in vielem dort auch so verhalten hat und Rom auch wieder verlassen hat, ohne gewandelt zu sein, und wenn der Geschichtsschreiber geradezu den Nachweis führt, dass manches von dem, was Constantius falsch macht, in seiner Unwissenheit begründet ist, dann zeigt der Geschichtsschreiber allein dadurch, dass er dies so schreiben und darstellen kann, dass auch für einen Fremden in Rom anderes möglich ist und für Constantius möglich gewesen wäre. Wenn das kein Selbstbewusstsein647 und Überzeugtsein von den eigenen Fähigkeiten ist!648

sein scheint, immer auch auf Julian beziehen muss. - Wenn er aber von diesem zehnten Kapitel sagt „così volutamente statico e con tratti da mosaico bizantino“, dann scheint mir eine Verwechslung von Darstel- lung und Inhalt der Darstellung vorzuliegen: In der Beschreibung des Constantius ist meiner Meinung nach nichts Statisches, und das Bild, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen kann, ist kein Mo- saik. 646 Vgl. NOY (2000) 144f.: "Nearly 400 years later [nach Dionysios von Halicarnassus], it was still equally plausible for a writer who was himself an outsider to describe another outsider being impressed by the scale of the city, in this case Ammianus describing Constantius IIʼs first visit to Rom in 357." [Unterstrei- chungen von mir] 647 MOMIGLIANO (1974) 1399 glaubt Ammianusʼ Selbstbewusstsein allein schon aus seinem Stil herauslesen zu können: “The self-confidence which is apparent in his style seems to confirm this success [damit ist der Erfolg seiner Lesungen in Rom gemeint.].“ Ebenso KELLY (2008), der es vor allem aus Ammians lite- rarischer Technik sich entwickeln sieht. 648 Unter anderem Aspekt und bezogen auf die Sphragis am Ende des Werkes schon ARNALDI (1967) 128: „È un arco [gemeint ist der von der Geschichte Nervas zu der des Valens] che nella storia del mondo ha avuto unʼimportanza grandissima, e si sente nella clausola sobria l ʼ orgoglio di averlo delineato, dʼesser stato qualcosa di più che il degno continuatore di Tacito." [Unterstreichung von mir] – Ähnlich, wenn auch ohne Anspielung auf das Selbstbewusstsein, DAVIES (2004) 260: „the key authority on religion in Ammianus is, consistently with our previous subjects, the author himself“.

269 2.5.17 Anhang

TASSO: Gerusalemme liberata 17, 10–11: (Der König von Ägypten): Egli in sublime soglio, a cui per cento / gradi eburnei sʼascende, altero siede: / e sotto lʼombra dʼun gran ciel d´argento / porpora intesta dʼor preme coʼl piede, / e ricco di barbarico ornamento / in abito regal splender si vede: / fan torti in mille fascie i bianchi lini / alto diadema in nova forma a i crini. / Lo scettro ha ne la destra, e per canuta barba appar venerabile e severo; / e da gli occhi, chʼetade ancor non muta, / spira lʼardire e´l suo vigor primiero, / e ben da ciascun atto è sostenuta / la maestà de gli anni e de l´impero. / Apelle forse o Fidia in tal sembiante / Giove formò, ma Giove allor tonante.

CYPR. Ep. 61,4: Atque utinam nunc facultas daretur, frater charissime, ut interesse illic vobis re- gredientibus possemus, qui vos mutua charitate diligimus, ut adventus vestri laetissimum fructum praesentes cum caeteris ipsi quoque caperemus! Quae illic exultatio omnium fratrum, qui concur- sus atque complexus occurrentium singulorum! Vix osculis adhaerentium potest satisfieri, vix vul- tus ipsi atque oculi plebis possunt videndo satiari. De adventus vestri gaudio cognoscere illic fra- ternitas coepit, qualis et quanta sit secutura Christo veniente laetitia, cuius quia cito appropin- quabit adventus, imago iam quaedam praecessit in vobis.

Coll. Avell. 1,3: Tertio anno redit Liberius, cui obviam cum gaudio populus Romanus exivit.

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