Nr. 01/ März 2021

Was kostet Corona? Die Pandemie und die Landeskasse

Rückblick Überblick Ausblick 75 Jahre Die Finanzlage Pandemie-Experten Landtag im Norden schauen nach vorne DER LANDTAG 01/2021 Ausgabe 457 seit 1965

Meldungen Personalien, die neue Behin­ Anhörung: 03 14 dertenbeauftragte Michaela Pries, 24 Landtag befragt Corona-Experten Interview mit Gebärdensprach- Was kostet Corona? dolmetscher Raffael Canal

Zahlen aus Wirtschaft Im Zentrum: 05 und Staatshaushalt 16 Zahlen, Daten, Fakten und Tabellen zur Finanz- Haushalt 2021: Land macht lage in Land und Bund 06 Schulden und investiert

Green Deal, Dispozinsen, Wirt- Der Lübecker Infektiologe 08 schaftshilfen, Renten, Hilfe Prof. Jan Rupp schilderte seine Sicht auf die Pandemie für Studenten und Profisport

Rückblick 1946: 75 Jahre Ausschüsse: Debatte über 10 erster Landtag – Gedanken von 26 „Notparlament“, Ausbau Ex-Landtagspräsident Karl Ratz des Schienenverkehrs, neuer NDR-Staatsvertrag

Leichte Sprache: Impfen Corona: kleines Virus, große Auswir- 28 und Testen gegen Corona kungen auf die öffentlichen Kassen Bücher: Corona und die Plenum: Mehrere Sondersit- 29 Verfassung, Blick auf die 18 zungen zu den Beschlüssen der Grünen, Plädoyer für Schwarz- Ministerpräsidentenkonferenz, Rot-Gold, Impressum Sportvereine in Not, Nachwuchs für den Justizvollzug gesucht, Im Porträt: Johannes Callsen Der erste Landtag traf sich im Kieler mehr Einheitlichkeit im Schul- 30 (CDU), Doris von Sayn- Stadttheater system, Hilfe für Heim-Opfer, Wittgenstein (fraktionslos) neuer Glücksspielstaatsvertrag, Das Quiz zum Jubiläum Aktionsplan gegen Rassismus Ins Bild gerückt: 12 31 Zu Besuch im Landeshaus Die Seite für das Ehrenamt Gedenken an die Auschwitz- 23 Termine, Termine, Termine 13 Befreiung und die „Cap Arcona“ 32

ZÄHLBARES Der Schnappschuss 14.689.832.800 Knapp 14,7 Milliarden Euro will Kerzen in der Dunkelheit als Zeichen das Land im laufenden Jahr ausgeben. der Erinnerung und des Mitgefühls: Der Mehr zu dem Zahlenwerk Landtag unterstützte Ende Januar die Aktion ab Seite 5 #lichtfenster für die Opfer der Corona- Pandemie, die Bundespräsident Frank- Walter Steinmeier ins Leben gerufen hatte.

2 DER LANDTAG 01/2021 MELDUNGEN

Landtag trauert um Corona-Opfer Wortwörtlich

„Ich bin überzeugter Transatlantiker, und trotz der Trump-Präsidentschaft und anderer Entwick- lungen sollten wir Deutsche dankbar sein für die Verantwortung, die Amerika bei der Befreiung von der Nazi-Diktatur und beim Aufbau und Schutz unseres Landes wahrgenommen hat. Trotzdem halte ich ein strategisches Konzept, das auf wechselseitiger atomarer Bedrohung basiert, im Jahr 2021 für grundfalsch.“ (Ralf Stegner, SPD) • • • „Wenn wir den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, bedeutet das in letzter Konse- quenz, dass Deutschland auf die nukleare Teil- Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie in „Wir sind bei allen, die aufgrund der Pandemie habe verzichtet und die NATO-Staaten insge- Deutschland hat der Landtag Ende März der Opfer um die Gesundheit ihrer Lieben, um ihre wirt- samt auf ihre Nuklearstrategie verzichten sollten. gedacht und all jenen gedankt, „die durch ihren schaftliche Existenz oder um die Zukunft ihrer Ich stelle die Frage: Glauben Sie wirklich, dass die Einsatz im Gesundheitswesen, in den Pflege-, Kinder bangen“, so Schlie. „Die Pandemie Welt dadurch sicherer würde?“ Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, im mutet uns allen Ungeheures zu“, sagte der (Tobias von der Heide, CDU) • • • Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsdienst und in Landtagspräsident. Er dankte den Menschen „Ein Beitritt ist für uns sowohl eine moralische als der Forschung dafür sorgen, dass unser Gemein- im Lande „für ihre Disziplin und ihre Solida- auch eine politische Verpflichtung. Meine Damen wesen weiter funktioniert“. Landtagspräsident rität mit den Schwachen, den Gefährdeten“. und Herren, die Sprengkräfte, die jetzt mit den Klaus Schlie erinnerte daran, dass der erste Auch in dieser „Zeit großer Unsicherheit, Atombomben zur Verfügung stehen, werden ein deutsche Corona-Tote ein Mann aus dem Kreis großer Sorgen und oft voller Einsamkeit“ Vielfaches an Menschenleben zerstören.“ Herzogtum Lauenburg war, der im März 2020 gebe es aber „einen deutlichen Lichtstreif am (Andreas Tietze, Grüne) während eines Ägypten-Urlaubs starb. Horizont“. • • • „Eine deutsche Unterschrift unter dem Verbots- vertrag würde vor allem eines deutlich machen: 75 Jahre Landtag: Keimzelle der Auf Deutschland können sich unsere europäischen Partner und Nachbarn nicht mehr verlassen.“ (Stephan Holowaty, FDP) schleswig-holsteinischen Demokratie • • • „So wünschenswert der Verzicht auf Atomwaffen Die Eröffnung des ersten ernannten Landtages Vizepräsidentin zum Beginn der Plenarsitzung. ist, so unrealistisch ist dieser vor dem derzeitigen im Jahr 1946 war „der wichtigste erste Schritt Das nördlichste Bundesland wurde schließlich Hintergrund. Atomwaffen sind Teil des Abschre- Schleswig-Holsteins auf dem Weg zu einem im August 1946 ins Leben gerufen. Mit Blick ckungspotentials von uns und unseren Verbün- demokratischen Neubeginn in einer äußerst auf die Corona-Pandemie betonte Touré: „Wir deten. Ein Verzicht wäre nur denkbar, wenn alle schwierigen Zeit“. Darauf hat Landtagsvize- können in der enormen politischen, wirtschaft- Staaten ihr Bedrohungspotential abbauen wollen.“ präsidentin Aminata Touré am 26. Februar, dem lichen und gesellschaftlichen Aufbauleistung (Lars Harms, SSW) • • • 75. Jahrestag der ersten Landtagssitzung nach von damals einen Ansporn sehen, den gegen- „Die Voraussetzungen für den Beitritt zu diesem dem Krieg, hingewiesen. Das Treffen der dama- wärtigen gewaltigen Herausforderungen unserer Vertrag sind faktisch noch nicht gegeben. Denn ligen Abgeordneten im Kieler Stadttheater habe Gesellschaft mit Selbstvertrauen zu begegnen.“ zuvor müssen die in Deutschland stationierten zudem „die Weichen für ein eigenständiges Land Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden.“ Schleswig-Holstein gestellt“, unterstrich die Mehr zum Landtagsjubiläum ab Seite 10 (Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht, Grüne) Clearing-Stelle zum Windkraft-Ausbau beim Landtag Aus der Debatte am 25. Februar über die Frage, Eine sogenannte Clearing-Stelle beim Landtag Vorgesehen ist eine auf drei Jahre vom Landtag ob Deutschland dem internationalen Atomwaf- soll künftig Konflikte über den Ausbau der Wind- gewählte Führungskraft, die ähnlich unabhängig fenverbotsvertrag beitreten sollte. Der Vertrag ist energie auf kommunaler Ebene entschärfen. agiert wie die Bürger- oder der Behindertenbe- Ende Januar in Kraft getreten. 51 Staaten haben Das hat das Parlament Ende Februar einstimmig auftragte. Das heißt auch: Die neue Stelle ist ihn bisher unterzeichnet, Deutschland und die fünf Atommächte USA, Russland, Großbritan- beschlossen. Die neue Stelle soll unabhängige Behörden gegenüber nicht weisungsbefugt. nien, Frankreich und China jedoch nicht. Beratung anbieten und für mehr Akzeptanz der Neben der Leitung wird der Posten mit einer Windkraft bei Bürgern und Gemeinden werben. Stellvertretung und einer Bürokraft ausgestattet.

DER LANDTAG 01/2021 3 MELDUNGEN

„Minority Safepack“ abgewiesen: scharfe Kritik an Brüssel

Die EU-Kommission hat es Mitte Januar abgelehnt, Forderun- Ende März hat der Landtag die EU-Kommission einstimmig aufge- gen der Volksinitiative „Minority Safepack“ nach mehr Rechten fordert, sich erneut mit der Initiative zu befassen und deren Anliegen für nationale und sprachliche Minderheiten nachzukommen. „mindestens schrittweise“ umzusetzen. Landes- und Bundesre- Die Landespolitik reagierte enttäuscht. gierung wurden aufgerufen, in Brüssel Druck zu machen. Zudem erneuerte das Parlament die Forderung nach einem EU-Minderhei- Die von der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ tenkommissar und nach der Verankerung des Minderheitenschutzes (FUEV) in Flensburg angestoßene Kampagne fordert europaweit im Grundgesetz. Es gehe um die Rechte von 100 Millionen Menschen verbindliche Minderheitenrechte, etwa in den Bereichen Bildung, in der EU, die 340 autochthonen Minderheiten angehörten und die Kultur und politische Teilhabe. 1,12 Millionen Unterzeichner in der 60 Regional- oder Minderheitensprachen verwendeten, heißt es in ganzen EU wie auch Landtag und Landesregierung haben das Vorhaben einem überfraktionellen Antrag. Ministerpräsident Daniel Günther unterstützt. Die EU habe jedoch „keine allgemeine Gesetzeskompe- (CDU) kündigte ein Gespräch mit Kommissionspräsidentin Ursula tenz“ in diesem Bereich, heißt es in der Stellungnahme aus Brüssel. von der Leyen an.

Mehr Berufschancen für Behinderte gefordert

Menschen mit Behinderung brauchen ein breiteres Angebot an Zudem betonen die Beauftragten: „Der immer noch anzutreffenden beruflichen Perspektiven. Das haben die Behindertenbeauftragten Gleichsetzung einer Behinderung mit einer Leistungseinschränkung von Bund und Ländern Mitte März bei ihrem jährlichen Treffen in sollte aktiv durch verstärkte Beratungsangebote entgegengewirkt Berlin gefordert. Derzeit würden Menschen mit Behinderung „in werden.“ Lehrkräfte an Berufsschulen müssten entsprechend aus- bestimmte Berufe und Maßnahmen gedrängt, die angeblich für sie und fortgebildet werden. Die fortschreitende Digitalisierung biete besonders geeignet sind“, betonen die Beauftragten in einer gemein- die Chance, „Arbeitsplätze auf die Bedürfnisse von Menschen mit samen Erklärung. Um gegenzusteuern, sollen Betriebe, die keine Behinderung adäquat auszurichten und mit Hilfe technischer Infra- Behinderten beschäftigten, höhere Ausgleichszahlungen entrichten struktur barrierefrei einzurichten“. Aktivitäten in diesem Bereich müssen als bisher. Aktuell müssen Arbeitgeber, bei denen Menschen seien derzeit dringend erforderlich, denn behinderte Menschen seien mit Behinderung weniger als fünf Prozent der Belegschaft ausma- in Folge der Corona-Pandemie besonders stark von Arbeitslosigkeit chen, bis zu 320 Euro im Jahr für jede nicht besetzte Stelle zahlen. bedroht.

EU-Reform: Landesparlamente wollen mitreden

Die „Konferenz zur Zukunft Europas“ soll bis Ende 2022 Vorschläge gemeinsamen Erklärung. Notwendig sei auch „die Einrichtung eines für eine Weiterentwicklung der EU erarbeiten. Die EU-Kommis- regelmäßigen Runden Tisches der Präsidentinnen und Präsidenten sion will dafür Bürger und Politik zusammenbringen. Bei diesem mit dem Steuerungsgremium der Konferenz“, um den „ergebnis- Prozess müssen die Interessen der Regionalparlamente beachtet offenen Prozess zu möglichen Vertragsänderungen“ zu begleiten. werden – darauf pochen die Präsidenten der deutschsprachigen Die Landesparlamente seien „die unentbehrlichen Fundamente für Landtage aus Deutschland, Österreich, Belgien und Südtirol. Die den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, betonte Landtagspräsident Parlamentsoberhäupter kamen Anfang Februar in einer Videokonfe- Klaus Schlie, der derzeit den Vorsitz der deutschen Landtagspräsi- renz zusammen. Insbesondere Budgethoheit und „Verfassungsiden- dentenkonferenz innehat. tität“ der ­Gebietskörperschaften seien zu wahren, heißt es in einer

Brodehl ist den LKR beigetreten

Der im vergangenen September aus der AfD-Fraktion und auch ­Abspaltung von wirtschaftsliberalen und konservativen Kräften aus der Partei ausgetretene Parlamentarier Frank Brodehl hat sich aus der AfD entstanden. Die Partei ist auch mit zwei Abgeordneten der Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) angeschlossen. Das im Landtag von Hannover, mit zwei Parlamentariern im gab Brodehl Mitte Januar bekannt. Die LKR sind die siebte Partei sowie mit einem in der Bremer Bürgerschaft vertreten. Brodehl hatte im aktuellen Landtag und die insgesamt 15. Partei, die seit 1946 die AfD nach eigener Aussage wegen der Radikalisierung der Partei im Landesparlament vertreten ist. Die LKR waren 2015 aus einer verlassen.

4 DER LANDTAG 01/2021 CORONA-KOSTEN Corona ist teuer …

… für den Staat … für die Wirtschaft

Im ersten Corona-Jahr 2020 haben Bund und Länder Das deutsche Bruttoinlandsprodukt brach im Jahr 54 Milliarden Euro weniger an Steuern einge- 2020 um 5 Prozent ein. Das ist der größte Rückgang nommen als im Jahr 2019. Das ist ein Rückgang von seit der Finanzkreise 2009. Die Exporte sanken 8 Prozent. Bund, Länder, Kommunen und Sozial- um 9,9 Prozent, die Importe um 8,6 Prozent und versicherungen gaben 158 Milliarden Euro mehr der private Konsum um 6 Prozent. In der schleswig- aus, als sie einnahmen. Deutschland verzeichnete holsteinischen Industrie lag das Minus bei 5,5 Prozent. erstmals seit 2011 wieder ein Haushaltsdefizit. Mit Einige Branchen traf es besonders hart. So lag der Umsatz einem Minus von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr des deutschen Gastgewerbes 2020 um 39 Prozent rutschte die Bundesrepublik sogar erstmals seit 2010 unter dem Wert von 2019. Schleswig-Holsteins Hotels wieder unter die in der EU maximal erlaubte Defizit- und Pensionen verzeichneten im Dezember 2020 rund quote von minus 3 Prozent. 90 Prozent weniger Gäste als im Vorjahr.

Wie die schleswig-holsteinische Landespolitik auf diese Entwicklungen reagiert, steht auf den folgenden Seiten.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundeswirtschaftsministerium, Statistikamt Nord

DER LANDTAG 01/2021 5 Land macht neue Schulden und will in die Zukunft investieren

Die Corona-Pandemie prägt den Landeshaushalt 2021. Das Land nimmt Notkredite in den Nachtragshaushalten des Vorjahres viele Milliardenhöhe auf und steigert gleichzeitig die Ausgaben – Investitionen in ­Bildung, ihrer Forderungen durchsetzen können. Einen Digitalisierung und Verwaltung sollen die Folgen der Krise abmildern. In der ganz­ Anspruch auf „Nachschlag“ gebe es nicht. tägigen Haushaltsdebatte stimmten Ende Februar die Jamaika-Fraktionen und der SSW für den 14-Milliarden-Euro-Etat. Die SPD enthielt sich, die AfD votierte ­dagegen. „Hohe Verschuldung soll Wegen der besonderen Lage beschloss das Parlament den Haushalt erst im Februar ­Ausnahme bleiben“ und nicht wie sonst üblich im Dezember des Vorjahres. Lasse Petersdotter (Grüne) stellte sich gegen Im vergangenen Jahr hatte der Landtag mit aber gelungen, inhaltliche Schwerpunkte zu Forderungen des Landesrechnungshofes, breiter Mehrheit einen Kreditrahmen von setzen, unterstrich der Christdemokrat, etwa in staatliche Ausgaben angesichts der Pandemie 5,5 Milliarden Euro gebilligt, um die Folgen den Bereichen energetische Gebäudesanierung, dauerhaft herunterzufahren: „Das Land gibt von Corona abzufedern. Davon fließt nun innere Sicherheit und Kita-Reform. richtig Geld aus, macht keinen Sparhaushalt, eine Milliarde Euro in den Haushalt 2021. und das ist auch richtig.“ Er warf die Frage Hinzu kommen rund 260 Millionen Euro an „Meine Fraktion ist sich ihrer Verantwortung auf, wo denn konkret Personal eingespart konjunkturell bedingten Schulden und 287 in dieser Zeit bewusst“, betonte Oppositi- werden solle: „Beim UKSH? Bei der Polizei? Millionen an Altlasten aus der HSH Nordbank. onsführer Ralf Stegner. Die SPD trage die In den Schulen? Bei der Steuerverwaltung?“ Die Gesamtverschuldung des Landes steigt auf Grundlinie des Haushalts mit. Er verwies Der Haushalt begegne aktuellen Herausfor- 32,3 Milliarden Euro. Trotz der Belastungen darauf, dass die Sozialdemokraten bei den derungen, blicke aber auch auf kommende aus der Corona-Krise sind 800 neuen Stellen vier Nachtragshaushalten des vergangenen Generationen. Wer im Jahr 2060 die heutigen vorgesehen. So sollen hunderte Lehrerstellen Jahres stets zugestimmt hätten. Viele posi- Kredite zurückzahle, der solle nachvollziehen erhalten bleiben oder neu geschaffen werden, tive Akzente hätte es ohne die SPD nicht können, wofür das Geld ausgegeben wurde, und auch das Personal bei Polizei und Justiz gegeben, sagte Stegner. Beispiele seien ein so Petersdotter: „Klimaschutz, Infrastruktur, wird aufgestockt. Schulbaufonds, Hilfen für die Innenstädte, Bildung und Digitalisierung.“ mehr Geld für bezahlbares Wohnen und Streit um zusätzliche Mittel für die Kurzzeitpflege. In Der „Krisenhaushalt“ sei zwar von Corona „Nachschlag“ für die SPD den aktuellen Haushaltsberatungen habe er geprägt, er verliere die Generationengerech- sich aber mehr Gemeinsamkeit gewünscht, tigkeit aber nicht aus den Augen, hob auch Die Milliardenkredite müssten „die absolute so Stegner. Er beklagte „großzügige Zuwen- FDP-Fraktionschef Christopher Vogt hervor: Ausnahme“ bleiben, hob CDU-Fraktionschef dungen an Lieblingsprojekte einzelner Koaliti- „Somit können auch die künftigen Jahrgänge Tobias Koch hervor. Die Möglichkeit, in Krisen- onspartner“. Es sei kein Geld da, um Senioren politisch handlungsfähig bleiben.“ Vogt zeiten mehr Schulden zu machen, dürfe „nicht kostenlos zu den Impfzentren zu fahren, aber betonte, die hohe Neuverschuldung solle eine zu einer Laissez-faire-Politik verleiten“, mahnte es gebe Zuschüsse für Lastenfahrräder, was Ausnahme bleiben: „Überschuldete Staats- Koch, denn die Schuldenbremse in der Landes- die Klientel der Grünen befriedigen solle, haushalte gefährden das Gemeinwesen und verfassung sei nach wie vor in Kraft. Trotz der rügte Stegner. CDU-Mann Koch wies Steg- treffen in erster Linie die Schwächeren der angespannten Lage sei es der Jamaika-Koalition ners Forderungen zurück: Die SPD habe in Gesellschaft.“ Wichtig sei nun eine Stärkung

Tobias Koch (CDU): „Die Schuldenbremse bleibt Ralf Stegner (SPD): „Wir reichen der Koalition Lasse Petersdotter (Grüne): „Weitere Herausfor- in Kraft“ die Hand“ derungen neben Corona“

6 DER LANDTAG 01/2021 CORONA-KOSTEN

Christopher Vogt (FDP): „Auf kommende Gene- Jörg Nobis (AfD): „Viel Luft im Haushalt“ Finanzministerin (Grüne): rationen achten“ „­Jamaika bewährt sich“ der wirtschaftlichen Basis, so Vogt. Er zeigte rung gerichtet. Kreditaufnahmen seien in gehen: „Es wäre die falsche Antwort, sich sich erfreut, dass es trotz Krise eine hohe diesem Jahr unausweichlich, an notwendigen jetzt im Schneckenhaus zu verkriechen.“ Investitionsquote von 10,5 Prozent gibt. Investitionen in die Infrastruktur dürfe nicht Den 5,5 Milliarden-Notkredit lobte Heinold gespart werden, sagte Nobis. Aber „Lieblings- als „großartigen parlamentarischen Schulter- Kritik an kostspieligen projekte der Öko-Bourgeoisie“ gehörten auf schluss“, der auch die Handschrift von SPD „­Lieblingsprojekten“ den Prüfstand. Nobis forderte die Streichung und SSW trage. Die Einrichtung hunderter von Mitteln für Klimaschutz, Tierschutz sowie neuer Stellen im öffentlichen Dienst sei nötig, Lars Harms hob hervor, dass sein SSW diverse für die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die frak- „weil wir überzeugt sind, dass ein gut aufge- Anträge erfolgreich in den Haushalt einbringen tionslose Abgeordnete Doris von Sayn-Witt- stellter und handlungsfähiger Staat die richtige konnte. Er freue sich, „dass die Zuschüsse für genstein monierte, der Haushalt „überdehnt Antwort auf die Krise ist“. die Dänen, die Friesen sowie die Sinti und Roma den Begriff der Notlagenverschuldung“. für die nächsten Jahre gesichert sind“. Zudem Weitere Zahlen zum Haushalt profitierten weitere „sehr wertvolle Angebote“ „Starker Staat gegen die Krise“ auf den Seiten 16 und 17. von den SSW-Anträgen – etwa die Förderung der Regional- und Minderheitensprachen in Trotz der derzeitigen Unsicherheiten sei der Schulen und Kitas, die Landesstelle für Sucht- Haushalt 2021 von „Entschlossenheit, Mut fragen und das Zentrum für selbstbestimmtes und einer klaren Ansage“ geprägt, strich Leben für Menschen mit Behinderung. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) heraus. Es sei die richtige Zeit, die großen „Sie missbrauchen die Corona-Notkredite“, Herausforderungen Klimaschutz, Digitali- sagte Jörg Nobis (AfD) an die Landesregie- sierung, Infrastruktur und Bildung anzu-

Stichwort: Dritte Lesung

Der Landtag hat das Haushaltsbegleitgesetz in drei Lesungen beraten. Dieses Vorgehen ist laut Geschäftsordnung möglich, wird aber nur sehr selten angewen- det. Üblich sind zwei Lesungen.

Es war erst das dritte Mal seit 1946, dass eine dritte Lesung im Plenum erforderlich war. Grund: Die Landesregierung hatte verschiedene Gesetzesänderungen nachträglich eingebracht. Betroffen waren etwa die Landeshaushaltsordnung, das Besoldungsgesetz und das Kindertagesförderungsgesetz. Die Änderungsentwürfe hatte der Landtag in der zweiten Lesung Anfang Februar in die Beratungen aufgenommen. Zum ersten Mal gab es eine dritte Lesung im Januar 1962, ebenfalls bei der Verabschiedung des Landeshaushalts. Der zweite „Dreierpack“ war das Glücksspielgesetz im Jahr 2011 (siehe aus Seite 22).

Lars Harms (SSW): „Eigene Ideen eingebracht“

DER LANDTAG 01/2021 7 Nach Corona: Milliardenprogramm mit Klima-Schwerpunkt

Beim wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pan- demie sollen in Europa die Umwelt, die Energiewende und der Klimaschutz im Zentrum stehen. Das sieht der Plan „Next ­Generation EU“ vor, den die Mitgliedsstaaten und das EU-Parla- ment im Dezember beschlossen haben. Gesamtvolumen: rund 750 Milliarden Euro.

Der „European Green Deal“ setzt zudem das Ziel, die Klimagas-Emis- sionen in Europa bis 2050 auf null zu setzen. Im Landtag gab es Ende Januar weitgehende Zustimmung für die Pläne. Um die Folgen des „sozialökologischen Wandels“ abzufedern, hat Brüssel den „Just Tran- sition Fund“ aufgelegt. Europaminister Claus Christian Claussen (CDU) Um „möglichst viel Nachhaltigkeit“ zu erreichen, so Heiner Rickers (CDU), kritisierte allerdings, dass die Gelder aus diesem Topf in Deutschland müssten „alle Bereiche in unserem täglichen Leben“ neu ausgerichtet ­werden – privater Konsum, Landwirtschaft und Industrie. nur in die Stein- und Braunkohleregionen fließen sollen. Schleswig- Holstein wäre dann außen vor.

„Eine wirtschaftliche Erholung ist nur möglich, wenn auf Nachhal- tigkeit und Erneuerbarkeit gesetzt wird“, betonte Eka von Kalben (Grüne). Stephan Holowaty (FDP) war da skeptischer. Corona zeige, wie wichtig den Menschen „Fahren, Reisen, Autonomie in der Lebens- führung und Freude am Leben“ seien: „Nach dem Corona-Lockdown direkt in den Klima-Lockdown, das wird schlicht nicht funktionieren.“ Jette Waldinger-Thiering (SSW) unterstrich, der Green Deal dürfe „keine leere Worthülse“ sein: „Die Menschen wollen wissen, wie sie individuell konkret davon profitieren.“ Volker Schnurrbusch (AfD) warnte davor, die Wirtschaft „den Zielen einer ideologisch motivierten Klimapolitik unterzuordnen“. Der Europa- sowie der Umwelt- und Je ambitionierter die Klima-Ziele seien, desto wichtiger sei es, die Agrarausschuss beraten das Thema weiter. Auswirkungen des Strukturwandels in der Arbeitswelt mitzudenken, mahnte Regina Poersch (SPD).

Rote Zahlen auf dem Konto: Wirtschaftshilfen: Diskussion über Dispo-Zinsen deutliche Kritik an Berlin

Vielen Menschen bricht wegen der Corona-Einschränkungen das Der Bund hat Hilfsprogramme aufgelegt, um strauchelnden Unternehmen Einkommen weg, und ihr Konto rutscht in die Miesen. Deswegen in der Corona-Pandemie unter die Arme zu greifen. Das Geld kommt jedoch forderte die SPD im Januar einen gesetzlichen Deckel für Dispo-Zinsen. nur schleppend an. Grund ist ein Software-Fehler im Bundeswirtschafts- Die Zinsen auf Überziehungskredite sollen nach Vorstellung der Sozial­ ministerium. Vor diesem Hintergrund richtete die schleswig-holsteinische demokraten nur noch sechs Punkte über dem Basiszinssatz liegen, der Landespolitik Ende Januar heftige Vorwürfe an die Bundesregierung. Die aktuell bei null Prozent liegt. Arbeit an der Software habe zweieinhalb Monate gedauert, klagte Wirt- schaftsminister Bernd Buchholz (FDP), und die „Vollzugshinweise“ des Zurzeit würden einige Banken aber bis zu 14 Prozent verlangen, so Beate Bundesfinanzministeriums seien „bürokratischer Wahnsinn“. Raudies (SPD). Die Dispo-Belastung liege in Deutschland „doppelt so hoch wie im Rest Europas“. Das sei oft hart für Menschen, für die Demgegenüber sei Schleswig-Holstein bei der Umsetzung der Hilfen „am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist“. Lasse Petersdotter „relativ fix dabei“, betonte Buchholz. Von 8.000 Anträgen zu den (Grüne) verwies darauf, dass 15 Prozent der Bevölkerung, also zwölf Novemberhilfen seien binnen zehn Tagen 5.000 „endbearbeitet“ Millionen Menschen, „teilweise knietief“ in Dispo-Zinsen steckten. worden. Insgesamt seien mehr als 45 Millionen Euro an Abschlagszah- Deren Höhe sei „mehr als unanständig“. lungen rausgegangen. Dies sei ein „sensationelles Ergebnis“.

Der SPD-Antrag greife drastisch in den Markt ein, monierte dagegen Serpil Midyatli (SPD) rief die Landesregierung auf, „in Vorleistung zu Ole Plambeck (CDU). Annabell Krämer (FDP) nannte den SPD-Vorstoß gehen“ und Gelder aus der landeseigenen Mittelständischen Beteili- populistisch. Der Dispo-Kredit solle „ganz kurzfristig überbrücken“ gungsgesellschaft (MBG) oder dem Beteiligungsfond als Zuschüsse zu und sei „nicht zur dauerhaften Inanspruchnahme gedacht“. Bei einem zahlen, bis das Geld aus Berlin vollständig da ist. Das Land dürfe „nicht niedrigen Dispo-Zins von sechs Prozent drohe jedoch der Weg in die in das Antragsverfahren hineingrätschen und ein zweites aufmachen“, „Verschuldungsfalle“. Das Thema beschäftigt nun den Finanzausschuss. erwiderte Joschka Knuth (Grüne).

8 DER LANDTAG 01/2021 CORONA-KOSTEN

Nullrunde für Rentner als Folge von Corona

Das Lohnniveau ist im Corona-Jahr 2020 gesunken, deswegen steht den Wolfgang Baasch (SPD) verwies auf die im Januar eingeführte Grund- Rentnern in Westdeutschland voraussichtlich eine Nullrunde bevor. rente zur Aufbesserung kleiner Renten. Marret Bohn (Grüne) stellte Der SSW fordert deswegen einen Extra-Zuschuss aus Bundesmitteln. den Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Rente heraus. Es gehe nicht darum, „üppige Geschenke“ zu verteilen, um Rentner Männer bekämen im Schnitt 982 Euro, Frauen lediglich 557 Euro – 35 einseitig besserzustellen, betonte der SSW-Abgeordnete Lars Harms Prozent weniger. Ende Februar. Aber eine Rentenerhöhung trage zur Förderung des Konsums bei und stütze damit die Wirtschaft. Zudem müsse die Der SSW-Vorschlag sei „unredlich“, monierte Annabell Krämer (FDP). Politik verhindern, dass „zur zunehmenden sozialen Isolation auch Eine „systemwidrige Rentenerhöhung“ würde Rentner besserstellen noch materielle Entbehrung dazukommt“. Der Vorschlag stieß im als alle anderen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere die jüngere Landtag auf wenig Zuspruch. Redner aller Fraktionen betonten jedoch, Generation: „Da wird die Generationengerechtigkeit mit Füßen dass es im Rentensystem diverse Baustellen gebe. getreten.“ Das Ziel müsse es sein, so Sozialminister Heiner Garg (FDP), gezielt soziale Härten zu bekämpfen und das Rentenniveau abzusichern Eine Nullrunde sei zwar schmerzlich, so Werner Kalinka (CDU). Aber ohne die Beitragszahler zu überlasten. „Ich bin gespannt, wie das gehen auch die Einnahmen in der Rentenkasse würden in den kommenden wird“, so Garg. Das Thema wird im Sozialausschuss weiter beraten, Jahren zurückgehen. Dies gelte es abzufedern, ohne die Beiträge zu dort ist eine Anhörung geplant. erhöhen und ohne das Rentenniveau von derzeit 48 Prozent zu senken.

Mehr Geld für psychologische Handball, Drittliga-Fußball: Hilfen an den Unis im Lande mehr Hilfen angemahnt

Die psychologische Hilfe für Studenten an Schleswig-Holsteins Viele Profisportvereine leiden wegen Corona unter weggebrochenen Unis wird wegen der Corona-Pandemie aufgestockt. Für 75.000 Euro Zuschauereinnahmen und sinkenden Sponsorengeldern. Der Bund aus dem Härtefallfonds des Landes sollen 35 zusätzliche Beratungs- hat das Programm „Coronahilfen Profisport“ aufgelegt. Es enthält stunden pro Woche bei den Studentenwerken in , Lübeck und 200 Millionen Euro, die Bundesligisten im Handball, Basketball und Flensburg ermöglicht werden. Die Wartezeit auf eine Erstberatung Eis­hockey sowie Clubs der 3. Fußballliga beantragen können. Die betrage derzeit bis zu zehn Wochen, so Lasse Petersdotter (Grüne). Jamaika-Koalition begrüßte Ende März das Programm, sah aber „erhebli- Das sei „nicht mehr zumutbar“. „Viele junge Menschen sind an ihrer chen Nachsteuerungsbedarf“. So könnte Fußball-Drittligist VfB Lübeck psychischen Belastungsgrenze“, merkte Bildungsministerin Karin nicht von den Hilfen des Bundes profitieren. Hintergrund: Der VfB hat Prien (CDU) an. Der Antrag von CDU, Grünen und FDP wurde bei im Vergleich zum Jahr 2019, als er noch in der Regionalliga spielte, keine Enthaltung der AfD angenommen. Auch die SPD stimmte zu, forderte Mindereinnahmen – dafür aber deutlich höhere Kosten. Die Landes­ aber eine Aufstockung um 150.000 Euro. Der Jamaika-Antrag greife regierung soll nun in Berlin aktiv werden. Das Land hat zudem aus zu kurz, sagte der Sozialdemokrat Heiner Dunckel, denn die Koalition eigenen Mitteln den Handballteams des THW Kiel, der SG Flensburg- wolle das Geld nur für das laufende Jahr bewilligen. Das werde der Handewitt, des VfL Lübeck-Schwartau und des TSV Nord Harrislee dramatischen Lage und den strukturellen Problemen beim Studen- unter die Arme gegriffen. Die SPD forderte weitere Zuschüsse aus der tenwerk nicht gerecht. Landeskasse. Der Innen- und Rechtsausschuss berät das Thema weiter.

DER LANDTAG 01/2021 9 VOR 75 JAHREN

Was hat die Landespolitik in früheren Zeiten bewegt?

In dieser Serie blicken wir ins Archiv und spüren nach, was den Landtag in vergangenen Zeiten beschäftigt hat. Im Februar 1946 traf sich der erste Landtag nach dem Krieg.

1946: „Selbstverwaltung“ statt „Führerprinzip“ Am Dienstag, den 26. Februar 1946, kam im Kieler Stadttheater in der Holtenauer Straße Zonen und an deren Spitze der Kontrollrat der erste Schleswig-Holsteinische Landtag nach Ende des Zweiten Weltkriegs zusam- der Alliierten Mächte als Oberste Regie- men. Dem Parlament gehörten 55 Männer und sechs Frauen an, die von der britischen rungsgewalt. Die Landesbehörden arbeiteten Besatzungsmacht ernannt worden waren. Die Zeremonie begann um 11:00 Uhr und dau- zunächst ohne oberste Spitze auf Anweisung erte eine Dreiviertelstunde. Neben britischen Offizieren war Oberpräsident Theodor und unter Kontrolle der Militärregierungen Steltzer der einzige deutsche Redner. Er nannte den Aufbau demokratischer Struktu- weiter. Die verwaltungsorganisatorische ren sowie „Arbeitsbeschaffung“, „Seßhaftmachung der Flüchtlinge“ und „Wohnungs- Verbindung zwischen Landesbehörde und beschaffung“ als zentrale Aufgaben. Das neue Landesparlament hatte nur begrenzten unteren Verwaltungsbehörden wie auch in Einfluss, und es tagte lediglich bis zum September 1946. Dann folgte ein zweiter er- erster Zeit die tatsächlichen Verkehrsverbin- nannter Landtag, bevor mit der ersten Landtagswahl im Mai 1947 die Volksvertretung dungen zwischen diesen Verwaltungen waren demokratisch legitimiert war. Dennoch hat der erste ernannte Landtag eine Reihe von weitgehend lahmgelegt. Die Landräte, Ober- Weichenstellungen für ein demokratisches Schleswig-Holstein geschaffen. Darauf wies bürgermeister, Bürgermeister usw. hatten die Landtagspräsident Karl Ratz bereits Anfang 1948 hin. Seine Anmerkungen wurden dem Befehle der Militärregierung auszuführen und Protokoll der Premierensitzung beigefügt. Wir zitieren seinen Beitrag in Ausschnitten. waren im übrigen mehr oder weniger auf sich selbst angewiesen. „ Die Idee der landschaftlichen Selbstver- ters bis zu den politischen Körperschaften des waltung blickt in Schleswig-Holstein auf eine vergangenen und unseres Jahrhunderts führt Landkreise, Parteien, Flücht- jahrhundertelange, an Erfolgen wie Rück- ein gewundener, aber in seiner Richtung klar linge und „politisch interes- schlägen reiche Überlieferung zurück. Von den zu überschauender Weg. (…) sierte Frauen“ waren dabei Deichverbänden der geschichtlichen Frühzeit über die Ständevertretungen des Mittelal- Diese freiheitlich-demokratische Überlie- Das immer größer werdende Bedürfnis nach ferung hat sich noch verstärkt, seit auch die einer gegenseitigen Fühlungnahme der Land- alte Hansestadt Lübeck, dieses Zeugnis besten räte und Oberbürgermeister führte alsbald deutschen Bürgertums und freier Selbstver- nach der Kapitulation – also noch im Jahr waltung, dem Verbande Schleswig-Holsteins 1945 – zur Einberufung einer ersten Landrä- angehört. tekonferenz, an der der damalige Oberst und jetzige Brigadier Henderson als Militärgouver- Als das Land zu Preußen kam, wurde wie in neur von Schleswig-Holstein teilnahm. Dieser anderen Provinzen auch in Schleswig-Holstein ersten Landrätekonferenz folgten dann noch ein Provinziallandtag gebildet. Er besaß in den einige weitere, bis im Februar 1946 durch die Angelegenheiten der überörtlichen Selbstver- britische Militärregierung ebenso wie in den waltung gewisse, wenn auch eng umgrenzte Gemeinden und Kreisen auch für den Bereich Befugnisse und teilte im Jahr 1933 das Schicksal Schleswig-Holsteins eine neue Vertretungs- der übrigen deutschen Landtage und Provinz- körperschaft errichtet wurde: Der Landtag: parlamente. Die nationalsozialistische Regie- Dieser erste Landtag sollte nach dem Willen rung errichtete einen Provinzialrat – eine der Militärregierung in seiner Zusammen- ernannte Körperschaft, die nur beraten, nicht setzung etwa einen Querschnitt durch die entscheiden durfte. Man konnte sie weder nach gesamte Bevölkerung Schleswig-Holsteins der Art ihrer Zusammensetzung noch nach darstellen. Ein Teil dieser insgesamt 60 Abge- ihren Wirkungsmöglichkeiten als ein wahres ordneten war als Vertreter der 21 Stadt- und Selbstverwaltungsorgan ansehen. Landkreise Schleswig-Holsteins anzusehen. Neben diesen Abgeordneten hatte die Militär- Mit dem Zusammenbruch und der bedin- regierung Vertreter der politischen Parteien Der Autor dieses Textes: Karl Ratz (1897 bis gungslosen Kapitulation der Hitlerdiktatur und Gewerkschaften, politisch interessierte 1961) war Landtagspräsident von Dezember verschwand jede deutsche Regierungsgewalt Frauen und solche Persönlichkeiten, die auf 1946 bis Mai 1950. Der SPD-Politiker aus im Reich wie in den Ländern. An ihre Stelle dem Gebiet der Jugenderziehung, in freien Kiel wurde in der NS-Zeit mehrmals inhaftiert und war Häftling in den Konzentrationslagern traten die Militärregierungen der einzelnen Berufen und in der Wirtschaft tätig waren, ­Neuengamme und Sachsenhausen.

10 DER LANDTAG 01/2021 IM RÜCKBLICK

berufen. Auch die Flüchtlinge, deren gewal- Die Abgeordneten des ersten Schleswig- tung mußten diesen Ausschüssen vorgelegt tiger Zustrom das Gesicht Schleswig-Holsteins Holsteinischen Landtages hatte die Mili- werden. Die Fachbeamten der Ämter waren völlig verändert hatte, waren hier bereits durch tärregierung also ernannt, aber es war von von vornherein an die Richtlinien des Land- mehrere Abgeordnete vertreten. vornherein als Ziel vorgesehen, daß der tages und seiner Ausschüsse gebunden. Hier- Landtag – ebenso wie die Kreisvertretungen – durch war für den Bereich der allgemeinen in naher Zukunft seinen Charakter ändern Verwaltung das bisher geltende Führerprinzip sollte. Gewählte Vertreter sollten sobald wie durch den Grundsatz gemeinschaftlicher nur möglich die ernannten Persönlichkeiten Verantwortung ersetzt. (…) ersetzen, um damit den Schleswig-Holstei- nischen Landtag zu einer wirklich demokra- Der erste Landtag bildete alsdann aus seiner tischen Vertretungskörperschaft zu machen. Mitte heraus ein Kabinett. Sein Leiter war der damalige Oberpräsident Steltzer, seine weiteren Aus den Ausschüssen Mitglieder die Vorsitzenden der vorerwähnten des Landtages gingen die Hauptausschüsse für die Fachämter. Dieses ­Ministerien hervor Kabinett sollte als erstes die Richtlinien für die Verwaltung Schleswig-Holsteins aufstellen und Der Landtag sollte ursprünglich ausschließ- darüber wachen, daß sie befolgt würden. Das lich beratende Funktionen und keine Gesetz- Kabinett war dem Landtag von seiner Bildung gebungsbefugnisse haben. Dagegen konnte er an voll verantwortlich. sich bereits auch mit allen Verwaltungsfragen befassen, die im Bereich des damaligen Ober- Dieser ernannte erste Schleswig-Holsteini- präsidiums der Provinz Schleswig-Holstein sche Landtag trat in der Folgezeit unter seinem von den einzelnen Ämtern dieser Behörde Präsidenten Paul Husfeldt (CDU) insgesamt bearbeitet wurden. Damit war ihm ein neunmal zusammen, und zwar am wesentlicher Teil der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung praktisch unterstellt. Für 26. Februar 1946, die einzelnen Ämter des damaligen Oberprä- 13. März 1946, sidiums (Amt für Inneres, für Finanzen, für 11. April 1946, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für 6. und 7. Mai 1946, Theodor Steltzer (1885 bis 1967) war Schles- Schulen und Erwachsenenbildung) wurden 12. und 24. Juni 1946, wig-Holsteins erster Ministerpräsident nach dem als Kontrollorgan die sogenannten „Haupt- 10. Juli 1946, Krieg. Der in Trittau (Kreis Stormarn) geborene ausschüsse“ als Vorläufer der späteren Minis- 30. Juli 1946, CDU-Politiker war von November 1945 bis April 1947 Regierungschef – zunächst mit dem terien gebildet. Sie hielten enge Fühlung mit 20. August 1946 und Titel Oberpräsident. Steltzer hatte während des den zugeordneten Verwaltungszweigen der 10. und 13. September 1946. (…) “ Krieges Verbindungen zum Widerstand. In den Provinzbehörde und sicherten dem Landtag 1950er Jahren war er unter anderem Präsident einen ständigen Einfluss auf die Führung der Landtagspräsident Karl Ratz der deutschen UNESCO-Kommission. laufenden Verwaltung. Fragen grundsätzli- im Februar 1948 cher Art und allgemeiner politischer Bedeu-

Eröffnung des ersten ernannten Landtages am 26. Februar 1946 in Kiel: Abgeordnete und Gäste betreten das Stadt- theater. Zuerst nahmen die Deutschen ihre Plätze ein, dann folgten rund 70 britische Offiziere und schließlich die „VIPs“ – die Kommandanten der Besatzungsmacht.

DER LANDTAG 01/2021 11 IM RÜCKBLICK 75 JAHRE LANDTAG 1946 – 2021

Das Quiz Sieben Begebenheiten aus 75 Jahren: Zu jeder Antwort gehört ein Buchstabe, und die richtigen Buchstaben ergeben das Lösungswort.

Paul Husfeldt war der erste Im Juni 1956 war Willy Brandt (li.) zu Gast im Landtagspräsident nach dem Landeshaus und traf sich mit Landtagspräsident Krieg, er war von April bis No- Walter Böttcher (re.) und Vizepräsident Hans vember 1946 im Amt. Welchen von Herwarth (Mitte). Welches Amt hatte Brandt Beruf hatte der CDU-Politiker? ­damals inne?

a) Rechtsanwalt S a) Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses A

b) Landwirt T b) Regierender Bürgermeister Berlins E

c) Tischler B c) Bundeskanzler O

d) Pastor M d) SPD-Vorsitzender U

Am 26. Januar 2000 traf sich der Landtag zum ersten Mal nach der Am Wahlabend des 13. April 1975 ­Jahrtausendwende. Welches Thema hatte die allererste Landtagsdebatte berichtete ein Fernsehjournalist des 21. Jahrhunderts? für das ZDF aus dem Landeshaus,­ der später als Moderator der a) „Umstellung von D-Mark auf Euro“ K ARD-„Tagesthemen“ berühmt b) „Abschlussbericht des ‚Pallas‘-Untersuchungsausschusses“ N wurde. Wer war es?

c) „Neuland für uns alle – Wird sich das Internet durchsetzen?“ L a) Wolf von Lojewski B

d) „Verbot von Feuerwerk in der Silvesternacht“ F b) Klaus Bednarz E

c) Hans-Joachim Friedrichs D

d) Ulrich Wickert R Zwischen 1954 und 1958 saß eine Gruppierung im Landtag, die sich als Vertre- tung der „Einheimischen“ und als Gegenpol zu den Heimatvertriebenen und zu den dänisch gesinnten Schleswig-Holsteinern betrachtete. Wie hieß sie?

a) Schleswig-Holstein-Partei V

b) Schleswig-Holstein-Block A

c) Schleswig-Holstein-Bund I

d) Schleswig-Holstein-Union P

Am 22. Februar 2005 führte ein verkleideter Komiker Am 12. Juni 2012 endete die Amtszeit von Ministerprä- Interviews zum Wahlausgang, hier mit der damaligen sident Peter Harry Carstensen (CDU). Sein Nachfolger SPD-Bundestagsabgeordneten Cornelie Sonntag- Torsten Albig (SPD) machte ihm im Plenarsaal ein Wolgast. Wer war der Spaßvogel? Abschiedsgeschenk. Welches?

a) Ein Exemplar des Buches „Dr. Lampes a) Karl Dall W Bienenzucht“ aus dem Jahr 1909 E

b) Hape Kerkeling T b) Ein selbstgemaltes Bild, das den Schimmel- reiter vor dem Kieler Landeshaus zeigt S c) Otto Waalkes S c) Eine Flasche trockenen Weißwein von d) Dieter Hallervorden N einem Weingut auf der Insel Föhr A

d) Eine Eintrittskarte für das „Wacken Open Air“ L Auflösung: Seite 29

12 DER LANDTAG 01/2021 GEDENKEN

Gedenken an „Cap Arcona“, Aufruf zum „Schutz der Schwächsten“

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Janu- Denn die Briten hätten geglaubt, auf den Schiffe Verbrechen nichts gewusst, seien unzutref- ar hat Landtagspräsident Klaus Schlie hätten sich deutsche Soldaten befunden. Sie fend. Denn auch in zahlreichen KZ-Außen- an die Opfer der nationalsozialistischen hätten nichts von den hilflosen KZ-Häftlingen stellen seien Erniedrigung, Misshandlung und Gewaltherrschaft erinnert. „Die Corona- an Bord gewusst. „Und die deutschen Bewa- Ermordung von Menschen „für jeden und Pandemie macht es uns leider nicht mög- cher hatten diese Verwechslung gezielt mit jede erkennbar“ gewesen. „Diese Erkenntnis lich, diesen Tag heute so zu begehen, wie einkalkuliert“, so der Parlamentspräsident. verpflichtet uns zugleich dazu, niemals es notwendig wäre und wie es der Bedeu- Die Tragödie sei von den Nazi-Schergen wegzusehen, wenn sich Diskriminierung und tung dieses Tages eigentlich zukommt“, geplant worden, sie trügen die Schuld an Hass, Rassismus und Antisemitismus auch sagte er zu Beginn der Landtagssitzung. diesem Verbrechen. Schlie kündigte an, dass heute wieder in ihren unsäglichen Anfängen eine wegen Corona abgesagte Ausstellung im zeigen – wehren wir Demokratinnen und „In diesem Jahr hätten die schrecklichen Ereig- Landtag zur Katastrophe in der Neustädter Demokraten gemeinsam den Anfängen!“ nisse vom 3. Mai 1945 in der Neustädter Bucht Bucht nachgeholt werden soll. im Zentrum des Gedenkens gestanden“, sagte Wachsamkeit sei heute nötiger denn je, betonte Schlie. An Bord des Passagierdampfers „Cap Gegen Diskriminierung und der Landtagspräsident. „Der Wunsch einer wach- Arcona“ und des Frachtschiffes „Thielbek“ „simple Parolen“ senden Zahl von Menschen, hier in Deutschland, waren damals bei einem britischen Bomben- aber auch anderswo in Europa und der Welt, angriff mehr als 7.000 Menschen gestorben. Der Gedenktag erinnert an die Befreiung des komplexe Herausforderungen auf allzu simple Die meisten der Opfer waren zuvor Häft- Vernichtungslagers Auschwitz vor 76 Jahren. Formeln und Parolen zu reduzieren, wird leider linge verschiedener NS-Konzentrationslager „Der Holocaust, der massenhafte und indust- größer und hat leider auch unsere Parlamente gewesen. „Wenige Tage vor dem Kriegsende, rialisierte Mord an Juden, Sinti und Roma, an erreicht.“ das die Rettung dieser gequälten Menschen sowjetischen Kriegsgefangenen, Homosexu- gewesen wäre, mussten sie doch noch ellen, an Menschen mit Behinderung und an In die Bewältigung der Corona-Krise müssten ihr Leben lassen“, sagte Schlie. „Dass die politischen Gegnern des Nationalsozialismus Lehren der Vergangenheit einfließen und Bomben und Raketen, die beide Schiffe in der fand zu einem großen Teil in den Konzent- das sei auch der Fall, stellte Schlie fest. Von Neustädter Bucht versenkten, von britischen rationslagern statt, die außerhalb, aber auch Beginn an sei der Schutz der gesundheitlich Piloten abgeschossen wurden, ist der bis heute innerhalb Deutschlands standen“, so Schlie. schwächsten Mitbürger stets das entschei- besonders tragische Aspekt des 3. Mai 1945.“ Aussagen, so viele Menschen hätten von den dende Kriterium für die Vorgehensweise der Bundes- und Landesregierungen gewesen. „Der ethische Maßstab ist ein integraler Bestandteil unseres staatlichen Handelns, und das ist eine der wohl wichtigsten Lehren aus unserer Vergangenheit.“

Höchste politische und gesellschaftliche Prio- rität müsse der Schutz jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein und in ganz Deutschland haben, sagte Schlie. Der Landtag gedachte mit einer Schweigeminute der Opfer des National­ sozialismus.

Landtagspräident Klaus Schlie: „Wir setzen uns mit unserer historischen Verantwortung auseinander, und wir ziehen immer wieder wichtige Schlüsse.“

DER LANDTAG 01/2021 13 Parlamentarisches Kontrollgremium: Das Gruppe des SSW je einen Sitz in dem Gremium. Runde Geburtstage Parlamentarische Kontrollgremium, das die Nun sitzt im sogenannten G10-Gremium, Aktivitäten des Verfassungsschutzes über- benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes, Klaus Klingner aus Bad Oldesloe, von wacht, ist erstmals während einer laufenden kein AfD-Vertreter mehr. Die AfD protestierte 1971 bis 1996 für die SPD im Landtag, Legislaturperiode neu gewählt worden. Konse- gegen die Neuregelung und bezeichnete sie als Justizminister von 1988 bis 1996, hat quenz: Die Abgeordneten der AfD stellen kein politisch motiviert. Dem Gremium gehören an: am 14. Dezember seinen 85. Geburtstag Mitglied mehr in dem Gremium. Alle anderen Tobias Koch (CDU), Ralf Stegner (SPD), Burk- gefeiert. Mitglieder wurden bestätigt. hard Peters (Grüne), Christopher Vogt (FDP) und Lars Harms (SSW). Stellvertreter sind Hans- Ute Bress aus Pinneberg, von 1987 bis 1988 Bislang war es rechtlich nicht möglich, Mitglieder Jörn Arp (CDU), Birgit Herdejürgen (SPD), Eka für die FDP im Landtag, hat am 15. Februar des Gremiums während einer laufenden Legis- von Kalben (Grüne), Oliver Kumbartzky (FDP) ihren 85. Geburtstag gefeiert. laturperiode abzuwählen. Erst seit vergangenen und Christian Dirschauer (SSW). November kann der Landtag auf Antrag von zwei Karl-Heinz Stegemann aus Strande Fraktionen oder von 18 Abgeordneten die Zahl Claus Christian Claussen, Minister für Justiz, bei Kiel, von 1984 bis 1987 für die CDU der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Europa und Verbraucherschutz sowie CDU- im Landtag, hat am 7. Februar seinen Arbeitsweise des Kontrollgremiums im Verlauf Landtagsabgeordneter, hat zum Jahresbeginn 85. Geburtstag gefeiert. einer Wahlperiode mit Zwei-Drittel-Mehrheit für das Land Schleswig-Holstein den Vorsitz der neu bestimmen. Dies ist Ende Januar geschehen. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) Roswitha Müllerwiebus aus Hasloh Die Neuregelung war von CDU, SPD, Grünen, übernommen. Schleswig-Holstein hat den Vorsitz (Kreis Pinneberg), von 1998 bis 2000 und von FDP und SSW angestoßen worden, nachdem für ein Jahr inne. Sofern die Pandemie-Entwick- 2004 bis 2005 für die SPD im Landtag, hat die AfD ihren Fraktionsstatus mit dem Austritt lung es zulässt, soll die Hauptkonferenz der VSMK am 23. Januar ihren 75. Geburtstag gefeiert. des Abgeordneten Frank Brodehl verloren hatte. im Mai in Westerland auf Sylt stattfinden. Ursprünglich hatte jede Fraktion sowie die Ernst-Dieter Rossmann aus Elmshorn, von 1987 bis 1998 für die SPD im Landtag und seitdem im Bundestag, Landtags- Blickpunkt Bundestag 2021 vizepräsident von 1992 bis 1996, hat am Landtagsfraktionschef Ralf Stegner steht auf Platz drei der SPD-Landesliste. Platz 16 auf 4. Februar seinen 70. Geburtstag gefeiert. dieser Liste hat die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Fedrowitz. +++ Die ehemaligen Landtagsabgeordneten Luise Amtsberg und stehen auf den Herzlichen Glückwunsch! Plätzen 1 und 2 der Grünen-Landesliste. Trauer um Ulf von Hielmcrone, Anke Gravert und Konrad Nabel Mit Schweigeminuten hat der Landtag dreier Verstorbener gedacht.

Am 14. Dezember ist Ulf von Hielmcrone im Am 23. Januar verstarb Anke Gravert im Alter Am 25. März erreichte den Landtag die Nach- Alter von 76 Jahren gestorben. Der „Husumer von 85 Jahren. Die Hauswirtschaftslehrerin aus richt vom Tod Konrad Nabels. Der Realschul- mit Leib und Seele“, so Landtagspräsident Kronshagen bei Kiel gehörte der CDU-Fraktion lehrer aus Ahrensburg, der der SPD-Fraktion Klaus Schlie, gehörte dem Landtag von 1996 von 1983 bis 1992 an. Die gebürtige Nordstran- zwischen 1987 und 2009 angehörte, wurde 70 bis 2005 an. Ulf von Hielmcrone habe nicht derin sei eine „herausragende, unserer Heimat Jahre alt. Konrad Nabel sei „über viele Jahre nur als Journalist und Rechtsanwalt in seiner Schleswig-Holstein und ihrer niederdeutschen das Gesicht sozialdemokratischer Umwelt- „Heimat- und Herzensstadt“ gewirkt, sondern Kultur tief verbundene Politikerin“ gewesen, politik in Schleswig-Holstein“ gewesen, so auch als Stadtverordneter, Bürgervorsteher sagte Landtagspräsident Schlie. Als eine der Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré. Auch sowie als Vorstandsmitglied in mehreren Gründungsmütter der Frauen-Union und als als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Natur- gemeinnützigen Vereinen. Im Landtag war der erste Frau im Amt der Bürgervorsteherin von schutz habe Konrad Nabel ein „bleibendes Sozialdemokrat neun Jahre lang Vorsitzender Kronshagen habe sie sich von den „Wider- Vermächtnis“ hinterlassen. des Bildungsausschusses. ständen jener Zeit“ nicht beeindrucken lassen.

14 DER LANDTAG 01/2021 PERSONALIEN

Michaela Pries wird neue Behindertenbeauftragte Viel Lob für Vorgänger Ulrich Hase

Nach 25 Jahren scheidet Ulrich Hase als promovierte Hörgeschädigten-Pädagoge das Beauftragter für Menschen mit Behinde- Amt geprägt. Der Posten war zunächst beim rung im April aus dem Amt. Seine Nach- Sozialministerium angesiedelt und wechselte folge tritt die Kieler CDU-Politikerin später zum Landtag. Hases Amtszeit endet Michaela Pries an. Ihre Wahl fiel Ende am 21. April. Landtagspräsident Klaus Schlie Januar einstimmig aus. dankte ihm im Namen aller Abgeordneten für sein langjähriges Engagement: „Sie haben Michaela Pries wurde auf Vorschlag der Koali- Standards verankert, die die Lebensqualität tionsfraktionen gewählt. Die Amtszeit der und die politischen und die gesellschaftlichen Landesbeauftragten beträgt sechs Jahre. Ihre Partizipationsmöglichkeiten von Menschen Aufgabe ist es, sich für umfassende Teilhabe mit Behinderung entscheidend verbessert am gesellschaftlichen Leben und gleichwer- haben.“ So sei es Hases Einsatz zu verdanken, tige Lebensbedingungen für Menschen mit dass die Zahl der kommunalen Behinderten- Behinderung einzusetzen. Pries wird den beauftragten im Lande von zwei auf mehr als Landtag und die Landesregierung beraten, und 50 gestiegen sei. Den Landesaktionsplan für Michaela Pries ist staatlich anerkannte Erzieherin sie arbeitet mit zahlreichen gesellschaftlichen Behinderte und das Behindertengleichstel- und Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen. Die 55-Jährige arbeitet seit 2010 in der Stiftung Gremien zusammen. Ihr Vorgänger Ulrich lungsgesetz habe Hase mitgeprägt, so Schlie, Drachensee und ist dort aktuell für die Abteilung Hase (65) scheidet nach mehr als 25 Jahren und der alljährliche „Krach-Mach-Tach“ auf der „Neues Wohnen“ zuständig. Von 2003 bis 2018 aus dem Amt. Seit 1995 hatte der Jurist und Kieler Woche gehe auf Hases Initiative zurück. war sie Mitglied der Kieler Ratsversammlung. „Die Gebärde für Pandemie ist neu“ Gebärdensprachdolmetscher Raffael Canal im Gespräch

Bei der Wahl der neuen Landesbeauftrag- Sie arbeiten seit zehn Jahren als Wie übersetzen Sie spontan Wörter, ten für Menschen mit Behinderung war Gebärdensprachdolmetscher. Wie die Sie vorher noch nie gehört haben? Raffael Canal als Gebärdensprachdol- sind Sie zu diesem Beruf gekommen? metscher im Einsatz, und auch bei zahl- „In diesem Fall muss ich die Wörter per reichen Pressekonferenzen übersetzt der „Bei mir ist es eine persönliche Motivation Fingeralphabet buchstabieren. Ich bereite 28-jährige Kieler das Gesagte für Men- gewesen. Mein älterer Bruder ist taub, und ich mich aber sehr intensiv vor.“ schen mit Höreinschränkungen. Unsere habe die Gebärdensprache als Muttersprache Social-Media-Redakteurin Anna Gellner gelernt. Später habe ich diese Kenntnisse dann Ein Beispiel wäre der Name Biontec/ hat ihn am Rande der Januar-Sitzung zum professionalisiert.“ Pfizer. Wie würden Sie das spontan Interview getroffen. übersetzen, wenn es in einer Sitzung Haben Sie in Zeiten von Corona mehr erwähnt wird? Aufträge als vorher? „Dann muss ich buchstabieren. Und ich würde „Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, die vorher gucken, welche Gebärden in diesem Auftragslage hat sich verschoben. Es gibt Zusammenhang wichtig sind, etwa Impfung deutlich mehr Anfragen nach Telefonkonfe- oder Firma.“ renzen und für Teamsitzungen über Video- tools. So bin ich ja auch beim Landtag angefragt Wie bereiten Sie sich auf Ihre Ein- worden. Insgesamt glaube ich aber, dass sich sätze im Landtag oder auf Pressekon- die Auftragslage eher verschlechtert hat.“ ferenzen vor?

Was sind die wichtigsten Gebärden „Ich folge den einschlägigen Netzwerken. im Zusammenhang mit Corona? Man muss sehr aktiv sein in der Gebärden- sprachszene, um alle aktuellen Begriffe „Das sind etwa Pandemie, das ist eine wirklich mitzubekommen, auch international. Man neue Gebärde, oder Coronavirus, da orientiert muss immer am Ball bleiben, um wirklich alle sich die Gebärde an der Form des Virus, oder Begriffe parat zu haben, wenn sie dann fallen. Mund-Nasen-Schutz oder Impfung.“ Da sind mindestens eine oder zwei Stunden Raffael Canal übersetzte die Wahl der Behinder- Vorbereitung auf eine Pressekonferenz nötig.“ tenbeauftragten in Gebärdensprache.

DER LANDTAG 01/2021 15

Diskussion am Rande der Sitzung (v. li.): Finanzministerin Monika Heinold (Grüne), Sozialminister Heiner Garg (FDP), Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)

Das Corona-Tagebuch Einschränkungen, Öffnungen und wachsender „Frust“

Die Konferenzen der Landeschefs mit Bundeskanzlerin 20. Januar: (CDU) geben den Takt in der Corona-Politik Der Norden setzt auf einen „P erspektivplan“ vor. Anschließend sind die Ergebnisse Thema im Landtag. Im Kampf gegen Corona kommen weitere „harte Wochen“ auf 5. Januar: die Menschen zu, und das liege insbesondere an den neuen ­Virusmutationen. Kanzlerin Merkel und die Regierungschefs der Länder einigen sich auf eine Verlängerung der ursprünglich bis zum 10. Januar verein- Diese Erkenntnis gehöre zu den „Frusterlebnissen“ der vergangenen barten Lockdown-Regeln bis zum Monatsende. Zudem sollen Treffen Tage, bekennt Ministerpräsident Günther. Um die Corona-Politik nur noch mit einer weiteren Person, die nicht zum eigenen Haushalt transparenter zu gestalten, wollen Bund und Länder konkrete Stan- gehört, möglich sein. dards für den Rückbau der Einschränkungen erarbeiten, unterstreicht der Regierungschef: „Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz 7. Januar: haben wir einen Perspektivplan und einen Stufenplan.“ „Treffen Sie sich mit niemandem!“ 10. Februar: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wirbt im Landtag für Disziplin in den kommenden Wochen. Bund und Länder verlängern die meisten Einschränkungen bis zum 7. März. Ausnahmen: Kitas und Grundschulen sollen ab dem „Treffen Sie sich in den nächsten drei Wochen möglichst mit 22. Februar in den Regelbetrieb gehen. Im Lande soll dies allerdings niemandem“, so Günthers Appell. Es gehe jetzt darum, „alles Mögliche nicht für fünf Kreise mit hohen Corona-Zahlen gelten. Frisöre dürfen zu tun, damit wir ab Anfang Februar Menschen in Schleswig-Holstein ab 1. März öffnen. wieder eine Perspektive geben können“. Ziel sei eine Inzidenz von weniger als 50 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohner binnen einer 11. Februar: Woche. Am Morgen der Debatte liegt der Wert im Lande bei 79. „Die Der Norden macht wieder auf Lage in den Krankenhäusern wird dramatischer“, mahnt Günther: „In den ersten neun Monaten der Pandemie hatten wir genauso viele Ministerpräsident Günther kündigt darüber hinaus eine Reihe Tote wie in den letzten fünf Wochen.“ von Öffnungsschritten für Schleswig-Holstein an. Zoos, Wild- parks, Gartencenter und Blumenläden sollen zum 1. März öffnen. Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) unterstützt „ausdrücklich die Prioritätensetzung“ der Landesregierung. Er prangert aber die schlep- Diese Maßnahmen seien „sorgsam und mit Augenmaß“ beschlossen pende Vergabe der Impftermine per Telefon an: „Dieses Verfahren worden, so der Regierungschef, und sie könnten notfalls auch wieder sorgt für enormen Frust. Das gefährdet die Impfbereitschaft.“ einkassiert werden. Weitere Lockerungen sind laut Bund-Länder- Beschluss erst ab einem Inzidenzwert von weniger als 35 vorgesehen. 19. Januar: Am Morgen der Debatte liegt der Wert im Lande bei 60.

Ein erneuter Bund-Länder-Gipfel beschließt, die Einschränkungen Das Gipfel-Ergebnis sei „wirklich bescheiden“, und vom schleswig- bis zum 14. Februar fortzusetzen. In Geschäften und in Bus und Bahn holsteinischen „Perspektivplan“ sei wenig übriggeblieben, so Oppo- sollen medizinische Masken getragen werden. sitionsführer Stegner.

18 DER LANDTAG 01/2021 PLENUM

Fragen an die Regierung: Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD)

26. Februar: 24. März:

Wenige Tage vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Nach heftigen Protesten gesteht Kanzlerin Merkel ein, die Vorgabe stellt Günther im Landtag Lockerungen für den Einzelhandel, für zu den „Ruhetagen“ zu Ostern sei ein persönlicher „Fehler“ gewesen, private Treffen, für die Gastronomie und für die Schulklassen 5 und denn die Regelung sei rechtlich nicht umsetzbar. 6 in Aussicht. Er strebe ein bundesweit einheitliches Regelwerk, zumindest aber eine norddeutsche Verständigung an. 24. März: Ein Rückzieher und viel Kritik am „Flickwerk“ 3. März: Wenige Stunden nach der Kurskorrektur bekundet Minister- Die Bund-Länder-Runde will den Lockdown bis 28. März verlän- präsident Günther im Landtag seinen „großen Respekt“ für die gern. Ab 8. März sollen private Treffen von zwei Haushalten mit Kanzlerin. bis zu fünf Personen wieder möglich sein. Je nach Inzidenz gibt es Lockerungen für Einzelhandel und Sport. Der Richtwert 35 wird Der „Fehler“ sei gemeinsam mit allen Ministerpräsidenten beschlossen wieder abgeschafft, die Schwellenwerte liegen jetzt bei den Inzi- worden, betont Günther: „Auch ich habe dem am Ende zugestimmt.“ denzzahlen 50 und 100. In Schleswig-Holstein sollen die Einschränkungen bis zum 11. April weitgehend so bleiben, wie sie sind. Ab dem 12. April kündigt der 4. März: Regierungschef eine Öffnung der Außengastronomie in Kreisen mit Auch der Einzelhandel darf an den Start gehen einer Inzidenzzahl von weniger als 100 an. Landesweit liegt der Wert am Tag der Debatte bei 58. Auch Oppositionsführer Stegner zollt der Die Einigung vom Vorabend habe Schleswig-Holsteins Erwar- Kanzlerin Respekt: „Es ist aller Ehren wert, dass sie die Verantwortung tungen „gut erfüllt“, sagt Ministerpräsident Günther, und er für diese 180-Grad-Wende übernimmt.“ Den Ministerpräsidenten kündigt noch weitergehende Schritte an. fordert Stegner auf, „weniger anzukündigen und mehr einzuhalten“. Er erinnert an Günthers Versprechen, den Osterurlaub im Lande zu Ab dem 8. März darf im Norden der gesamte Einzelhandel wieder ermöglichen und die Außengastronomie bereits Anfang April zu öffnen. öffnen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, „dass wir glauben, wir CDU-Fraktionschef Tobias Koch wirft der SPD im Gegenzug eine seien in Sicherheit“, mahnt Günther. Er verweist auf die eingebaute „irrsinnige Argumentation“ vor: „Von verantwortungsvollem und „Notbremse“. Bei steigenden Zahlen drohen neue Beschränkungen. gemeinsamem Handeln bleibt bei Ihnen nicht viel übrig.“ Die Öffnung des Handels ist an eine stabile Corona-Inzidenz unter 50 geknüpft. Am Tag der Debatte liegt der Wert im Lande bei knapp Heftige Kritik gibt es am Krisenmanagement von Bund und Ländern. 48. Der Regierungschef stellt zudem Lockerungen für Gastronomie Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben nimmt das jüngste Treffen aufs und Hotels in Aussicht: Es gebe seinerseits „keine Absage an Reisen Korn: „Das Ergebnis hilft wenig, die entnervte Bevölkerung an Bord zu zu Ostern“. Sollte die Corona-Inzidenz im Lande Ende des Monats halten. Es wurde mit heißer Nadel gestrickt, und das ergibt eben nur Flick- unter 100 liegen, werde die Außengastronomie wieder öffnen können. werk.“ „Katastrophal“, lautet das Urteil von FDP-Fraktionschef Christo- pher Vogt. Die stetige Verlängerung eines pauschalen Lockdowns führe 23. März: zu Frust in breiten Teilen der Bevölkerung: „Nach mehr als einem Jahr Pandemie ist es Zeit für mehr intelligente und differenzierte Lösungen.“ Wegen steigender Inzidenzzahlen beschließt ein Bund-Länder- Lars Harms (SSW) sieht das ähnlich: Dass eines der reichsten Länder Gipfel, der bis 3 Uhr morgens tagt, den Lockdown bis zum 18. April zu seine Bevölkerung nicht schnell genug impfen könne, obwohl hier der verlängern. Über Ostern sollen verschärfte Kontaktbeschränkungen beste Impfstoff entwickelt worden sei, könne man niemandem erklären. gelten, Gründonnerstag und Ostersonnabend sollen als „Ruhetage“ Und AfD-Vertreter Jörg Nobis spricht von einer „Bankrotterklärung“ gelten. der Kanzlerin. Der Osterruhe-Plan sei blanker Aktionismus gewesen.

DER LANDTAG 01/2021 19 Sportvereine rutschen ins Minus: Land will helfen

Mitgliederschwund, laufende Kosten, unklare Perspektiven: Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) warb für das Hilfs- Die Corona-Einschränkungen treffen viele Sportvereine hart. angebot des Landes: „Zusammen mit den Hilfen des Bundes für Profi­ Das Land hat im vergangenen Frühjahr ein Hilfspaket aufge- clubs können wir allen im Sport, ob klein, ob groß, ob Breiten- oder legt, nun wurden weitere 2,5 Millionen Euro bereitgestellt. Der Leistungssport, so einen Teil der finanziellen Sorgen von den Schultern Landtag unterstrich Ende Januar die gesellschaftliche Bedeu- nehmen.“ Lars Harms (SSW) kritisierte, dass das Landesprogramm tung des Sports. auf 2,5 Millionen Euro gedeckelt sei, und dass die Förderung für jeden einzelnen Verein gekürzt werden solle, falls das Geld nicht ausreicht. An dieser Stelle müsse „nachgesteuert werden“.

Ein Hauptproblem: Insbesondere größere Vereine verlieren Zulauf. Vielerorts wurde die Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren gesteigert, indem neben traditionellen Sportarten auch Kurse in Yoga, Jazztanz oder Rückengymnastik angeboten wurden. Zahlreiche Neumitglieder springen nun wieder ab, weil die Kurse wegen Corona ausfallen. Die Identifikation mit dem Verein sei bei Groß-Clubs „oft geringer als bei den kleineren Vereinen“, merkte Joschka Knuth (Grüne) an. In ihrem Wahlkreis seien insbesondere die Städte betroffen, berichtete Kathrin Bockey (SPD). „Jedes zehnte Mitglied“ sei verloren gegangen.

Vor diesem Hintergrund sei es notwendig, den Vereinen rasch Pers- pektiven für eine Öffnung zu bieten, forderte Barbara Ostmeier (CDU): „Je länger der Sport im Lockdown bleiben muss, desto gravierender werden die Verluste.“ Bei der Öffnung müssten Kinder und Jugend- liche Vorrang haben, mahnte Jörg Hansen (FDP): „Sie leiden unter der Isolation, und die Folgen gesellschaftlicher Abschottung für ihre Entwicklung sind enorm.“ Flutlicht aus und keine Volltreffer im Netz: Seit Monaten befindet sich der Vereinssport in Schleswig-Holstein im Stillstand.

Justizvollzug: „Superman und 115 Millionen Euro für den Superwoman“ statt „Schließer“ Straßen- und Radwegebau

In den kommenden fünf Jahren muss das Land 281 Stellen im Justiz- Trotz Corona-Pandemie hat Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr vollzugsdienst neu besetzen. Darauf hat Justizminister Claus Christian 21 Millionen Euro mehr in das Straßennetz investiert als ursprüng- Claussen (CDU) im Januar hingewiesen. Zum einen müssten etwa 20 lich geplant. Insgesamt 115 Millionen Euro seien verbaut worden, Altersabgänge pro Jahr aufgefangen werden, zum anderen ergebe sich berichtete Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) im Januar. Davon ein zusätzlicher Bedarf von 60 Stellen aus neuen Arbeitszeitreglungen sind nach Ministeriumsangaben knapp 3,5 Millionen Euro in den Bau im Wechselschichtdienst. Schließlich habe eine Bedarfsanalyse zum neuer Radwege geflossen. Nach Darstellung von Buchholz wurden Ergebnis geführt, dass weitere 121 Stellen in diesem Bereich notwendig mit dem Geld im vergangenen Jahr 157 Kilometer Fahrbahn und 58 seien. In den kommenden zwei Jahren sollen 60 davon im Haushalt Kilometer Radwege saniert. Er lobte ausdrücklich die Mitarbeiter des verankert werden. Nun gehe es darum, geeignete Bewerber zu finden, Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr: „Ich bin stolz darauf, was so der Minister: „Auch der Vollzug muss um gute Leute kämpfen.“ die Kolleginnen und Kollegen dort im letzten Jahr geleistet haben.“

Entscheidend sei es, öffentliche Klischeebilder vom „Schließer“ oder Zudem wurden laut Verkehrsministerium im vergangenen Jahr 93,6 „Wärter“ im „Knast“ geradezurücken, betonte Claussen. Neben einem Millionen Euro Bundesmittel in die Erneuerung der Bundesstraßen in höheren Einstiegsgehalt und einer modernen Führungskultur soll dazu Schleswig-Holstein investiert, darunter 1,8 Millionen Euro für Radwege. auch eine „positive Öffentlichkeitsarbeit“ beitragen. Abgeordnete aller Das waren 24,3 Millionen Euro mehr als geplant. Zudem wurde Straßenbau Fraktionen unterstrichen, wie dringend dieses Anliegen sei. Bewerber in den Kommunen mit 26 Millionen Euro gefördert. Davon waren 3,5 müssten Lebenserfahrung mitbringen und „charakterlich überaus Millionen Euro für Radwege. Kai Vogel (SPD) warf der Regierung Eigenlob gefestigt“ sein, merkte Burkhard Peters (Grüne) an. JVA-Mitarbeiter vor. Oft scheitere der Straßenbau daran, dass die Kommunen ihren Eigen- sollten körperlich fit, empathisch und sprachgewandt sein: „Wir suchen anteil von 50 Prozent nicht leisten könnten. Und: „Radwege haben nur eigentlich Superman und Superwoman.“ dann eine Chance, wenn die Straße parallel zum Radweg saniert wird.“

20 DER LANDTAG 01/2021 PLENUM

16 Bundesländer auf dem Weg zum gemeinsamen Schulsystem?

Die Unterschiede zwischen den Schulsystemen der 16 Länder könne „ein Quantensprung sein, um den Bildungsföderalismus für die stoßen deutschlandweit auf Kritik. Die Kultusministerkonferenz Zukunft aufzustellen“, lobte Tobias von der Heide (CDU). (KMK) hat im vergangenen Oktober die „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens“ vorgelegt, Die anderen Fraktionen waren skeptischer. Martin Habersaat (SPD) die nun den Weg zu einer größeren Einheitlichkeit ebnen soll. Das sah bei vielen Punkten den „Geist der Vergangenheit“ am Werk. Er Papier stieß im Landtag Ende Februar auf ein geteiltes Echo. forderte mehr Ganztagsangebote, digitales Lernen, Inklusion und die „Schule im eigenen Takt“ – die es jedem Schüler ermöglichen soll, im Die „Ländervereinbarung“ soll das „Hamburger Abkommen“ aus dem eigenen Tempo zum Abschluss zu kommen. „Die Menschen haben Jahr 1964 ablösen. Kernziel: Schüler sollen bei einem länderübergrei- die Nase voll vom Hin und Her und von den Unterschieden in der fenden Schulwechsel „ihre Bildungslaufbahn bruchlos fortsetzen Bildungspolitik der Länder“, merkte Ines Strehlau (Grüne) an. Der können“. In der Grundschule soll es deswegen einheitliche Stan- Bund müsse sich inhaltlich und finanziell stärker einbringen können. dards für sprachliche und mathematische Kompetenzen geben. Im Auch Anita Klahn (FDP) verwies auf die „große Unzufriedenheit“ bei Sekundarbereich I soll das Namenswirrwarr aus Gemeinschaftsschule, Schülern, Eltern und Lehrern“, etwa über die marode Ausstattung der Hauptschule, Realschule oder Stadtteilschule sowie aus unterschied- Schulen und die schleppende Digitalisierung. Sie forderte ebenfalls lichen Abschlüssen verschwinden. Die Zahl der Wochenstunden soll eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes, denn Länder und vereinheitlicht werden. Die Länder verpflichten sich, ab 2023 die Hälfte Kommunen seien „arm dran“. der Abi-Aufgaben in Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch aus gemeinsamen Aufgabenpools zu nehmen. Ab 2025 soll das auch für Jette Waldinger-Thiering (SSW) bezeichnete den deutschen Bildungs- Biologie, Chemie und Physik gelten. föderalismus hingegen als „große Stärke“, denn er gestatte den däni- schen Schulen im Lande eine eigenständige Entwicklung. Der frakti- Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sprach von einem „großen onslose Abgeordnete Frank Brodehl (LKR) fordert eine „Orientierung Erfolg“. Die KMK habe auf die „berechtigten und notwendigen Rufe an den Stärksten“ und verwies auf die „Erfolge“ in Bayern und Baden- nach mehr Transparenz im deutschen Bildungswesen“ reagiert. Dies Württemberg.

Hilfsangebot für Heim-Opfer wird ausgeweitet

Menschen, die in schleswig-holsteinischen Kinderheimen und an das Landesamt für soziale Dienste in Neumünster gerichtet werden. Kliniken misshandelt wurden oder Opfer von Medikamenten- „Mit keiner Summe kann diesen Menschen das zurückgegeben werden, versuchen waren, sollen bis 2030 Entschädigungszahlungen was ihnen genommen wurde“, betonte Sozialminister Heiner Garg ­beantragen können. Das hat der Landtag Ende Februar ein- (FDP): „Was wir aber können, ist sie zu sehen, ihnen zuzuhören und stimmig beschlossen. Bislang waren Zahlungen der Stiftung die ausgestreckte Hand zu ergreifen.“ An­erkennung und Hilfe bis Juni dieses Jahres befristet. Zudem stellt das Parlament weitere 6,2 Millionen Euro zur Verfügung.

Tausende Menschen wurden bis in die 1970er Jahre in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen Opfer von Gewalt und Erniedrigung. Im Lande geschah dies beispielsweise in Schleswig und Glückstadt. Die Opfer erhielten erst durch Medienberichte in den vergangenen Jahren öffentliche Aufmerksamkeit. „Dass den Menschen lange nicht geglaubt wurde, tat ihnen besonders weh“, so Werner Kalinka (CDU). Marret Bohn (Grüne) appellierte an die Pharmakonzerne, die die Medikamen- tenversuche veranlasst hatten, ihre Schuld anzuerkennen und ihren Teil zur Wiedergutmachung beizutragen. Und auch die Kirchen seien in der Pflicht, hieß es in der Debatte.

Der Sozialausschuss und das Sozialministerium boten den Betrof- fenen im November 2018 ein Forum, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Ein Lübecker Forscherteam hat das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet. Aus den Mitteln der Landesstiftung können ehemalige Heimbewohner bis zu 9.000 Euro Entschädigung beantragen. Weitere November 2018: Opfer der Gewalt in schleswig-holsteinischen Heimen 5.000 Euro können gezahlt werden, wenn Betroffene arbeiten mussten, und Kliniken informieren im Plenarsaal Politik und Öffentlichkeit über ihre Erlebnisse. ohne dass dafür Rentenbeiträge entrichtet wurden. Die Anträge können

DER LANDTAG 01/2021 21 PLENUM

Glücksspiel: „Den Markt regulieren, um Spieler zu schützen“

Schleswig-Holstein macht den Weg frei, „Wir müssen Onlinespiele in geordnete Bahnen über den Markt haben. Über einen „Safe Server“ um Online-Casinos und Internet-Sport- lenken und den Markt ordnen und überwa- hat die Behörde Zugriff auf alle Daten, die bei wetten deutschlandweit zu erlauben. Der chen“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin- den Glücksspielunternehmen gespeichert sind. Landtag hat Ende März den gemeinsamen Waack (CDU). Glücksspiel im Internet lasse Glücksspielstaatsvertrag aller 16 Bun- sich nicht verbieten, aber es lasse sich regu- SPD: „Der Spieler verliert immer“ desländer mit großer Mehrheit durch- lieren, so die Ministerin. Der CDU-Abge- gewunken. Lediglich die SPD stimmte ordnete Hans-Jörn Arp (CDU) betonte: „Seit „Das Haus gewinnt immer, der Spieler verliert dagegen und protestierte vehement. Jahrzehnten wird der Markt illegal betrieben, immer“, fasste Kai Dolgner die SPD-Vorbehalte wir wollen ihn kontrollieren.“ Künftig soll es zusammen. Die Glücksspielbranche sei darauf Ziel ist es, einen engen rechtlichen Rahmen für bei Online-Angeboten ein monatliches Limit aus, die Spieler aufs Glatteis zu führen. An den die Branche zu schaffen und damit die Spiel- von 1.000 Euro pro Spieler geben. Zwischen Mechanismen von Anreiz und Nervenkitzel, sucht einzudämmen. Stimmen alle anderen 6:00 und 21:00 Uhr soll ein Werbeverbot für die am Ende zur Sucht führen könnten, ändere Landesparlamente auch zu, tritt der Vertrag Glücksspiel in Rundfunk und Internet gelten. auch der Staatsvertrag nichts. „Ein generelles zum 1. Juli in Kraft. Dann endet nach zehn Gefährdete Zocker werden in einer Sperrdatei Verbot hilft weder dem Spielerschutz noch dem Jahren der schleswig-holsteinische Alleingang erfasst. Eine neue zentrale Glücksspielbehörde Jugendschutz noch dem Suchtschutz“, erwi- in diesem Bereich. mit Sitz in Sachsen-Anhalt soll die Aufsicht derte Jan Marcus Rossa (FDP). Er rief die Sozi- aldemokraten auf, eigene Lösungen anzubieten und verwies darauf, dass auch SPD-geführte Länder den Staatsvertrag unterzeichnet hätten.

Das Anbieten von Online-Glücksspielen war bislang in großen Teilen Deutschlands verboten. Nur Schleswig-Holstein hatte Lizenzen vergeben. Das Gesetz der damaligen schwarz- gelben Koalition aus dem Jahr 2011 wurde nach der Landtagswahl 2012 von der neuen SPD-Grünen- SSW-Koalition wieder aufgehoben, aber die bereits vergebenen Lizenzen blieben in Kraft. Vertreter der ehemaligen SPD-Partner vertei- digten ihren Kurswechsel. „Das Totalverbot ist krachend gescheitert“, sagte Lasse Petersdotter (Grüne). Der illegale Schwarzmarkt sei auf jähr- lich eine Milliarde Euro angewachsen. „Es geht um Prävention und um ein klar begrenztes Spiel“, sagte Lars Harms (SSW). Künftig würden Spieler geschützt, und Betreiber müssten Abgaben zahlen, die etwa in Suchtprävention und soziale Projekte fließen. Koalitionsvertreter kündigten an, den Glücksspielmarkt weiter zu beobachten Roulette im Internet: bald nicht nur für „Personen mit gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig- und, falls nötig, rechtlich nachzusteuern. Holstein“, wie es derzeit in der Werbung heißt

Aktionsplan gegen Rassismus angekündigt

Mit einem umfangreichen „Landes­ Zudem würden die Demokratiebildung zu einer Bewerbung für den Landesdienst aktionsplan“ will die Landesregierung und die rassismuskritische Aufklärung im ermutigen. Für die Verwaltung wird ein gegen rassistische Denkmuster vorgehen. Bildungsbereich gestärkt. Dazu gehöre die „Leitfaden zu rassismuskritischer Sprache“ Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack Aufarbeitung der schleswig-holsteinischen erarbeitet. Außerdem sind Veranstaltungen (CDU) stellte Ende März die Schwer- Kolonialgeschichte. der politischen Bildung geplant, gemeinsam punkte vor, das Gesamtkonzept soll noch mit dem Landesbeauftragten für politische vor den Sommerferien folgen. „Wir er- Das Thema solle auch verstärkt in die Aus- Bildung, Christian Meyer-Heidemann. Der setzen den Rassebegriff in Gesetzen und und Fortbildung von Lehrern einfließen. Plan stieß im Landtag auf breiten Zuspruch. Verordnungen“, kündigte die Ministerin Um einen „vielfältigen Öffentlichen Dienst“ „Wir müssen als Staat mehr tun, um dem an. Dort seien noch „Denkmuster aus zu schaffen, sollen „Werbebotschafter“ Grundrecht, rassismusfrei zu leben, gerecht längst vergangenen Zeiten“ erkennbar. alle Bevölkerungsgruppen ansprechen und zu werden“, so Aminata Touré (Grüne).

22 DER LANDTAG 01/2021 EHRENAMT

Meldungen für das Ehrenamt Viele Beschlüsse, die der Landtag fasst, haben direkte Auswirkungen auf Kommunal­politik, Vereins­ arbeit und Bürger­initiativen.

Auf dieser Seite finden ehren­amtlich engagierte ­Bürger diese Themen im Überblick.

Wahlgesetz: Das schleswig-holsteinische Plenum im Januar einen Antrag der Jamaika- „Runder Tisch“ Tierheime: Ein „Runder Wahlgesetz wird mit Blick auf die Corona- Koalition, der die Landesregierung bittet, Tisch“ soll die Finanzprobleme der schleswig- Pandemie ergänzt. Ein fraktionsübergrei- einen Gesetzentwurf zur Helfergleichstellung holsteinischen Tierheime angehen. Das fender Entwurf wurde Ende März einstimmig von Einsatzkräften der nicht-polizeilichen hat der Umwelt- und Agrarausschuss im beschlossen. Die Wahl von Kandidaten und die Gefahrenabwehr vorzulegen. Ein entspre- Februar angeregt, das Landtagsplenum folgte Aufstellung von Landeslisten sind nun auch ohne chendes Papier werde im Innenministerium diesem Antrag einstimmig. SPD und SSW die bisher notwendige körperliche Anwesenheit bereits vorbereitet, hieß es. hatten die Debatte angestoßen. Die Idee: der Delegierten und Parteimitglieder möglich. Die Landesregierung soll sich mit Vertretern Wenn der Landtag mit Zwei-Drittel-Mehrheit Laut Landeskatastrophenschutzgesetz sind von Kommunen und Tierheimen sowie der eine „Notlage“ feststellt, können Kandidaten- Arbeitnehmer, die während der Arbeitszeit an Tierschutzbeauftragten Katharina Erdmann vorschläge sowie die Vorstellungsreden der Einsätzen und Ausbildungsveranstaltungen zusammensetzen. Bis zum Sommer soll dann Kandidaten per Videokonferenz erfolgen. Die teilnehmen, freigestellt und bekommen das ein Konzept entstehen. endgültige Abstimmung über die Bewerber Arbeitsentgelt weitergezahlt. Der Arbeitgeber soll dann „im Wege der Urnenwahl, der Brief- kann eine Erstattung beantragen. Doch der „Tierheime waren schon vor der Corona- wahl oder einer Kombination aus Urnen- und Anspruch besteht bisher nur für bestimmte Pandemie strukturell unterfinanziert“, betonte Briefwahl“ stattfinden. Dies soll sowohl für Einheiten, und er gilt nur für den Dienst im Kata- Stefan Weber (SPD). Durch Corona habe sich Landtagswahlen als auch für Kommunalwahlen strophenschutz. Für andere Hilfsorganisationen, die Situation noch einmal verschärft, weil gelten. Das Ende der „Notlage“ stellt der Landtag etwa das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter weniger Spenden bei den Heimen eingingen. dann wiederum mit Zwei-Drittel-Mehrheit fest. oder den Malteser Hilfsdienst, gilt die Regelung Hinzu komme, so Weber, „dass die Vermitt- Die nächste Landtagswahl ist turnusmäßig für bisher nicht. Das soll sich nun ändern. lungstätigkeit derzeit pandemiebedingt stark Frühjahr 2022, die nächste Kommunalwahl für eingeschränkt ist.“ Joschka Knuth (Grüne) Frühjahr 2023 geplant. „Lassen Sie uns gemeinsam diese Gerechtig- wies darauf hin, dass die Unterbringung keitslücke schließen“, sagte Innenministerin von Fundtieren kommunale Aufgabe sei. Es Außerdem können Volksinitiativen während Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Landtag. Sie bestehe „kein Zweifel, dass hier teilweise einer „epidemiologischen Notlage“ eine Frist- wies zugleich darauf hin, dass die gesetzliche erhebliche Lücken klaffen“. verlängerung von drei Monaten beantragen, Freistellungsverpflichtung „einen erheblichen um auch unter erschwerten Bedingungen Eingriff des Staates in die Rechte der Arbeit- Ein wachsendes Problem in den 19 Tierheimen ausreichend Unterstützer zu finden. Die Frist geber“ darstelle. Die entstehenden Kosten im Norden ist das „Animal Hoarding“, die kann mehrmals verlängert werden, solange müsse das Land übernehmen. „Das sollte uns Tiersammelsucht. In manchen Fällen werden die Notlage besteht. Die Entscheidung trifft das auch Wert sein“, so die Ministerin. in einer Wohnung mehr als 100 Katzen, der Landtagspräsident. Ein weiterer Punkt: Hunde, Hamster oder Vögel geborgen, die Im Wahlgesetz wurde festgeschrieben, dass Einig war sich der Landtag, dass die Helfer- dann im Tierheim landen. Dort stößt man an das Aufhängen von Wahlplakaten nur noch gleichstellung ein wichtiger Schritt zur Förde- Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommt: Die Heime unter sehr strengen Bedingungen untersagt rung des Ehrenamtes sei. Tim Brockmann erhalten nur in den ersten 28 Tagen Geld von werden darf. Lediglich aus „herausragenden“ (CDU) führte in diesem Zusammenhang das den Kommunen, um die Tiere zu füttern und Gründen des Denkmal- oder Naturschutzes Beispiel Bayern an. Dort gebe es seit Jahren medizinisch zu versorgen. Annabell Krämer oder zur Wahrung der Verkehrssicherheit die Helfergleichstellung. Im dortigen Haushalt (FDP) forderte, „dass den Tierheimen die dürfen Gemeinden die Wahlwerbung sechs seien 100.000 Euro eingestellt. „Auf Schleswig- Unterbringungskosten entsprechend des Wochen vor dem Wahltermin und zwei Holstein runtergebrochen sind das aber deut- Aufwandes erstattet werden“. Dafür seien Wochen danach verbieten. Ansonsten gehe lich weniger Mittel“, so Brockmann. Beate „90 Tage ein guter Richtwert“. die „überragende Bedeutung“ der Wahl für Raudies (SPD) mahnte an, auch die Kosten die Demokratie vor. für Kinderbetreuung, psychosoziale Notver- sorgung oder zur Hinterbliebenenversorgung Helfergleichstellung: Der Landtag will zu erstatten. Lars Harms (SSW) forderte, auch eine Regelungslücke im Katastrophenschutz Helfer während Blutspendenaktionen mit in schließen. Einstimmig verabschiedete das die Helfergleichstellung zu nehmen.

DER LANDTAG 01/2021 23 Einer von elf Experten, die per Video- schaltung oder persönlich im Plenarsaal auftraten: der Kieler Virologe Prof. Helmut Fickenscher. Er sah für den Sommer gute Chancen auf mehr Kontakte. Berichte, wo- nach Virus-Varianten sehr viel ansteckender seien als das Original, seien übertrieben. Sozialwissenschaftler fordern Corona-Lockerungen, Mediziner sind skeptisch Erneute Expertenanhörung im Plenarsaal

Wie soll es in der Corona-Pandemie wei- Prof. Jan Rupp, Direktor der Klinik für Infektio- einem Drittel der Kinder seien psychische Prob- tergehen? Elf Fachleute aus den Berei- logie und Mikrobiologie am UKSH in Lübeck, leme diagnostiziert worden. Wenn das Erlebnis chen Gesundheit, Soziales, Wirtschaft kritisierte diese Formulierung: „Ich bin gegen von Gemeinschaft weiter ausbleibe, dann seien und Recht haben Mitte Februar ihre Posi- solche Kraftausdrücke, weil sie Angst schüren.“ Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung und tionen erläutert. Die Inzidenzzahlen auf null zu senken, sei nicht der emotionalen Intelligenz zu befürchten, die möglich. „Es wird immer ein Restrisiko geben, wohl erst im Erwachsenenalter sichtbar würden. Der Landtag hatte bereits im vergangenen das wir tragen müssen“, so Rupp. Prof. Helmut Die Professorin rief die Schulen auf, die Ängste November eine derartige Fragerunde für alle Fickenscher, Leiter des Instituts für Infekti- der Schüler im Unterricht anzusprechen. Abgeordneten angesetzt (s. Landtagszeit- onsmedizin an der Kieler Uni, blickte auf den schrift 04/2020). „Ihre Einschätzungen sollen vorigen Sommer und Herbst zurück. Der dama- Eine weitere stark betroffene Gruppe, die oft uns als fachlich-wissenschaftliche Grundlage lige Auslandstourismus sei „die echte Ursache „außer Acht gelassen“ werde, seien die 17,8 des politischen Handelns dienen“, sagte Land- für die zweite Welle gewesen“. Den von Millionen Single-Haushalte in Deutschland, tagspräsident Klaus Schlie zur Eröffnung. Die Bundesgesundheitsminister Spahn angeprie- merkte Jauch-Chara an. Die Fälle von Einsam- Erkenntnisse der fünfstündigen Veranstaltung senen Schnelltests bescheinigte er aktuell eine keit, Depressionen und Angststörungen seien sollen vor allem in die weiteren Beratungen „mäßig gute Qualität“. Die Tests seien „nichts während des Lockdowns stark gestiegen. der Fachausschüsse einfließen. für Laien“, sagte er unter Hinweis auf den tiefen Jauch-Chara wies darauf hin, dass es auch mehr Nasenabstrich. Prof. Klaus Rabe, Ärztlicher häusliche Gewalt und mehr Suizidversuche Warnung vor dritter Welle, Direktor der „LungenClinic Großhansdorf“, gebe. Ihre Forderungen: Kultureinrichtungen Zweifel an Schnelltests unterstützte Fickenscher: „Die Begeisterung für sollten wieder öffnen dürfen, die Kontakt­ Testungen ist politischer Natur.“ Die oftmals regeln sollten auf zwei Haushalte ausgeweitet „Durch die Lockerung der Kontaktbeschrän- falsch positiven Ergebnisse verursachten viel werden, und Kinder und Jugendliche sollten kungen läuten wir die dritte Welle ein“, unnötige Arbeit in den Laboren und könnten wieder Sport in Gruppen treiben dürfen. mahnte Alexandra Barth, Leitende Amts- das System überfordern, so Rabe. ärztin des Gesundheitsamts Neumünster. Frank Roselieb, Direktor des Krisennavi- Es sei zu riskant, wieder Treffen von bis zu Massive psychische Folgen bei gator-Instituts für Krisenforschung in Kiel, zehn Personen aus mehreren Haushalten zu ­Kindern und Singles rief die Politik auf, in einer klaren Sprache erlauben. Dies sieht der „Perspektivplan“ mit den Menschen zu kommunizieren. Die der Landesregierung vor. Sie forderte, die Schulen und Kitas müssten „je eher desto besser“ Kommunikation der schleswig-holsteini- privaten Beschränkungen bis in den Herbst in den normalen Modus zurückkehren, ansonsten schen Landespolitik habe „Hand und Fuß“, aufrechtzuerhalten, etwa mit der Regel „fünf drohten erhebliche psychische Folgen bei Kindern so Roselieb. Demgegenüber sei der Schwenk Personen aus zwei Haushalten“. Es gehe und Jugendlichen. Darauf wies Prof. Kamila der Bundesregierung auf eine Inzidenz von darum, die dritte Welle so flach wie möglich Jauch-Chara, Direktorin der Klinik für Psycho- 35, ab der Lockerungen möglich sein sollen, zu halten: „Wir müssen aufpassen, dass es somatik und Psychotherapie am UKSH Kiel, nicht nachvollziehbar. „Ändern Sie bitte nicht kein Tsunami wird.“ hin. 80 Prozent der Kinder fühlten sich deutlich mitten in der Krise Ihre Spielregeln wie die in ihrer Lebensqualität eingeschränkt, und bei Bundespolitik“, riet er den Abgeordneten.

24 DER LANDTAG 01/2021 ANHÖRUNG

Freiräume und Angebote für junge Menschen gefordert

Auch die Vorsitzende des Jungen Rates Kiel, Emma-Louisa Döhler, machte deutlich, dass Kinder und Jugendliche besonders stark von der Pandemie betroffen seien: „In unserer Lebenswelt fällt gerade so gut wie alles weg.“ Gleichzeitig würden junge Menschen wenig eingebunden und fühlten sich nicht ernst- genommen. Daher brauche es mehr Beteili- gungsmöglichkeiten. Döhler forderte weniger Prüfungen, einen erleichterten Schulabschluss und mehr außerschulische Angebote wie ein wöchentliches Freizeitangebot für alle Kinder Kinder und Jugendliche müssten in den Fokus der Corona-Politik rücken, mahnte und Jugendlichen. Prof. Kamila Jauch-Chara: „UNICEF spricht bereits jetzt von einer verlorenen Kinder-Generation.“

Gunda Voigts, Professorin für Soziale Arbeit der Berechnungen gewählt, würden „auch Verwaltungsgerichts. Grundrechte dürften an der Hochschule für Angewandte Wissen- die Unternehmer bedacht“. nur dann eingeschränkt werden, wenn schaften in Hamburg, stellte fest: „Das Wohl es absolut erforderlich sei. Eine definitive der Kinder und Jugendlichen muss Vorrang Die Pandemie wirke sich für die Branchen Antwort sei aber erst möglich, so die Kieler haben.“ Das sei in der UN-Kinderrechtskon- sehr unterschiedlich aus. Gewinner sei etwa Jura-Professorin Kerstin von der Decken, vention klar verankert. „Wir Erwachsenen die Medizintechnik, Verlierer kämen aus der „wenn jeder ein Impfangebot hatte und können abwarten, das ist bei Jugendlichen Veranstaltungsbranche, der Gastronomie wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass und Kindern ganz anders“, betonte sie. Voigts und dem Tourismus. In diesen Branchen eine geimpfte Person keine Gefahr mehr für mahnte zudem, Schulen nicht nur als Lernort gebe es zudem „kaum Nachholeffekte“. Ein andere darstellt“. zu betrachten. Die Schule sei vielmehr ein Ort, Hotel könne in der Sommersaison nicht mehr um sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. als die vorhandenen Betten vergeben. „Die Die in Flensburg zwischenzeitlich ausgeru- „Das geht nicht nur zuhause, Kontakte außer- Unternehmen werden an der Preisschraube fene Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr halb der Familie sind wichtig“, so Voigts. Kinder drehen“, sagte Felbermayr. Eine steigende sei „in der Tat eine sehr hart eingreifende bräuchten Freiräume, Erlebnisse und Spaß. Inflation könne die Folge sein. Maßnahme“, so von der Decken. Rechtlich sei dies aber für den Zeitraum von einer Woche Dramatische Schäden in einigen Juristen gegen sofortige möglich, „wenn alle anderen Maßnahmen Branchen und Inflationsgefahr ­Sonderrechte für Geimpfte nicht gefruchtet haben“. Theis fragte: „Wie weit wollen wir denn noch gehen? Wollen Auch aus ökonomischer Sicht müssten Schulen Dürfen die Grundrechte von Menschen, wir alle einsperren?“ Lob gab es von den schnellstmöglich für alle Klassenstufen wieder die gegen Corona geimpft sind, weiterhin beiden Juristen für den Stufenplan der Landes­ öffnen, sagte Prof. Gabriel Felbermayr, Präsi- eingeschränkt bleiben? Die Frage nach regierung. Angesichts der langen Dauer der dent des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. „Sonderrechten“ berge „gesellschaftspo- Pandemie sei es angebracht, die Corona-Politik Starke Einschränkungen im schulischen litisches Sprengmaterial“, mahnte Achim präzise zu formulieren und auch Perspektiven Bereich wirkten sich „auf das Erwerbspotential Theis, Richter am Landesverfassungsgericht für Lockerungen zu eröffnen. der Menschen bis zur Rente aus“. Pro Schuljahr, und Präsident des Schleswig-Holsteinischen das nicht regulär stattfinden könne, sinke das zukünftige Einkommen. Das bedeute „gigan- tische ökonomische Belastungen“ über das gesamte Erwerbsleben der heutigen Schüler.

„Wir brauchen ein funktionierendes Kompen- sationssystem“, sagte der Ökonom mit Blick auf die Belastungen der Unternehmer. Schleswig-Holstein verliere in der Pandemie monatlich eine halbe Milliarde Euro an Wert- schöpfung. Felbermayr kritisierte das aktuelle System der Wirtschaftshilfen. Dieses basiere auf den Umsätzen der Unternehmen und deren Betriebskosten. Das helfe „nicht den Unternehmern, sondern den Banken und Immobiliengesellschaften.“ Würden statt der Die Juristin Prof. Kerstin von der Decken lobte den „Perspektivplan“ der Landesregierung und riet, Fixkosten die Betriebsüberschüsse als Basis ihn noch stärker am Bundesinfektionsschutzgesetz auszurichten.

DER LANDTAG 01/2021 25 „Notausschuss“ eingerichtet – Streit um hybride Sitzungen

Wie kann der Landtag handlungsfähig bleiben, auch wenn ein Großteil der Abgeord- fähigkeit des Landes während der Notlage neten nicht ins Landeshaus kommen kann – wegen einer Krisenlage wie Corona? Der zu sichern. Die Befugnis, dem Minister­ Innen- und Rechtsausschuss diskutierte Ende Januar kontrovers mit Experten über präsidenten das Misstrauen auszusprechen, die Einrichtung eines „Notausschusses“. Wahlen vorzunehmen oder die Verfassung zu ändern, steht ihm nicht zu. Wenn der Landtag Die Idee eines elfköpfigen „Notausschusses“, sei „zentrale Voraussetzung für demokratisch wieder in voller Stärke zusammenkommt, im November von allen Fraktionen vorgelegt, legitimierte Entscheidungen“. Er wies auf die sollen die Not-Beschlüsse außer Kraft treten stieß bei mehreren Fachleuten auf Skepsis: Gefahr von Täuschungen durch „Deep Fakes“ – außer, der Landtag bestätigt sie. Anstatt einen Mini-Landtag einzuberufen, im Internet hin – täuschend echte digitale sei es besser, virtuelle oder hybride Sitzungen Kopien von realen Personen. Anna-Bettina „Wir machen unsere Demokratie damit zu veranstalten, hieß es. Digitale Sitzungen Kaiser, Professorin an der Humboldt-Univer- krisenfest“, betonte der CDU-Fraktionsvor- entsprächen zwar „nicht dem parlamentari- sität Berlin, merkte an, dass bei virtuellen sitzende Tobias Koch. Sein SPD-Amtskol- schen Ideal“, so Prof. Florian Becker von der Sitzungen viele Abgeordnete „nicht stabil lege Ralf Stegner wies darauf hin, dass der Kieler Uni, aber es müsse darum gehen, auch online“ sein könnten. Möglicherweise sei es Schleswig-Holsteinische Landtag das erste in einer Notsituation die Rechte aller Abge- besser, eine Sitzung zu verschieben, anstatt das deutsche Parlament sei, das eine solcher Absi- ordneten möglichst weitgehend zu erhalten. Notparlament einzuberufen, so der ehemalige cherung für den Notfall beschließe. „Unsere Christoph Brüning, Präsident des Landesver- FDP-Bundesjustizminister Edzard Schmidt- frei gewählte Volksvertretung ist kein Luxus, fassungsgerichts, betonte, der Landtag sei Jortzig. auf den man mal ein paar Wochen verzichten auch während der Pandemie „nicht an seine kann“, so Stegner. Leistungsgrenze gekommen“ und habe stets Die Erkenntnisse aus der Anhörung tagen können. Falls aber eine große Zahl an flossen Ende März in die Verfassungs­ Das Notparlament soll allerdings erst dann Abgeordneten an Covid-19 erkranken oder änderung ein, die der Landtag mit großer einberufen werden, wenn auch hybride in Quarantäne sein sollte, dann sei „natür- Mehrheit beschloss. Sitzungen nicht möglich sind. Umstritten blieb, lich Digitalisierung die Lösung“. Auch DAX- ob derzeit die technischen Voraussetzungen für Konzerne und Gemeindevertretungen kämen Die Kernpunkte: Der „Notausschuss“ gibt hybride Landtagssitzungen vorliegen, an denen so zu Beschlüssen, betonte Brüning. die Stärken der Fraktionen wieder. Falls mehr alle Abgeordneten störungsfrei und sicher als elf Abgeordnete anwesend sind, wird der teilnehmen können. Landtagspräsident Klaus Prof. Utz Schliesky, Verwaltungsjurist und Ausschuss nach einem Verteilungsschlüssel Schlie bezeichnete Tagungen, in denen ein Teil Direktor der Landtagsverwaltung, sah das aufgestockt. Der Notausschuss darf nur der Abgeordneten aus der Ferne dabei ist, als anders. Eine Debatte mit Rede und Gegenrede Maßnahmen treffen, um die Handlungs­ „letzten Notanker“. Der persönliche Austausch sei ein zentrales Element der Debatte. Der Grünen-Abgeordnete Andreas Tietze, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, sagte dagegen: „Digitale Sitzungen sind nicht unbedingt schlechter als Präsenzsitzungen.“ Er forderte mehr Mut zur Digitalisierung und weniger „Pessimismus und Bürokratismus“. Jan Marcus Rossa (FDP) wies darauf hin, dass jeder Abgeordnete das Recht habe, gegen einen Beschluss des „Notausschusses“ vor das Landesverfassungsgericht zu ziehen. Der Parla- mentsbeschluss tritt erst dann in Kraft, wenn die Schleswiger Richter ihre Zustimmung gegeben haben. Die fraktionslose Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein monierte, dass Parlamentarier ohne Fraktionszugehörigkeit bei der Regelung nicht vorgesehen seien. Sie deutete rechtliche Schritte an: „Das werde ich nicht hinnehmen.“ Sayn-Wittgenstein und die AfD-Abgeordneten stimmten als einzige gegen die Verfassungsänderung.

Abstands- und Hygieneregeln vor dem Plenarsaal: Der Landtag will auch in der Pandemie arbeitsfähig bleiben, notfalls mit Hybridsitzungen oder über einen „Notausschuss“.

26 DER LANDTAG 01/2021 AUSSCHÜSSE

Große Pläne für das Bahnnetz im Lande

Mehr Strecken, mehr Züge, mehr Ober- leitungen, mehr Fahrgäste: Der schles- wig-holsteinische Bahnverkehr könnte bis 2035 massiv ausgebaut werden. Die Vorlage liefert das Gutachten „Optimie- rung des Schienenverkehrs“, das Mitte März Thema im Wirtschaftsausschuss war. Das Verkehrsministerium hatte das Papier bei mehreren Instituten in Auftrag gegeben, Grundlage war ein Landtags­ beschluss aus dem Jahr 2019. Vertreter der Koalition sprachen von einem gro- ßen Wurf, während die SPD argwöhnte, Jamaika habe politischen Einfluss auf das Gutachten genommen.

Einige Kernpunkte: Stillgelegte Strecken sollen wieder in Betrieb gehen. In Frage kommen Uetersen-Tornesch-Barmbek, Niebüll-Flens- burg, Geesthacht-Bergedorf und Neumünster- Eines der Ausbauprojekte: Die S-Bahnlinie 4 soll bis Bargteheide und Bad Oldesloe verlängert werden. Ascheberg. Weitere Strecken sollen zweigleisig werden. Die Elektrifizierung des Bahnverkehrs ­eingerichtet werden, wenn die Linie Kiel- Der mögliche Ausbau der Strecke Niebüll- soll von derzeit 30 auf 90 Prozent steigen. Hamburg mal wieder am Nadelöhr Elmshorn- Flensburg „mit Anbindung der Innenstadt“ So sollen die Marschbahn nach Sylt und die Pinneberg stocken sollte. Bei der Elektrifi- sei besonders erfreulich, so Kay Richert (FDP). Strecke Lübeck-Puttgarden Oberleitungen zierung solle „erneuerbare Energie aus regi- Auf die täglich 12.000 Grenzpendler nach bekommen oder mit Batterie-Triebwagen onaler Produktion“ fließen: „Es geht darum, Dänemark wies Christian Dirschauer (SSW) befahren werden. Die Züge sollen schneller Verkehrsziele und Klimaziele zu verbinden.“ hin. Diese seien „meist mit dem Pkw unter- werden, auf einigen Strecken sind 160 km/h Wirtschaftsstaatssekretär Thilo Rohlfs wegs“. Der SPD-Abgeordnete Thomas Hölck möglich. Derzeit erreicht der Regionalver- kündigte an, die Ergebnisse des Gutachtens forderte einen dichteren Takt der Hamburger kehr im Lande an einem durchschnittlichen in den neuen Landesnahverkehrsplan aufzu- S-Bahnlinie 1 nach Wedel. Schulwerktag 73.000 Fahrplankilometer. nehmen, der im Herbst vorliegen soll. Nun Dieser Wert soll auf 116.000 Fahrplankilo- müsse eine politische Priorisierung folgen, Kai Vogel (SPD) monierte, dass das Gutachten meter steigen. Statt derzeit 229.000 sollen im und die Vorschläge der Fachleute müssten zum Zeitpunkt der Ausschusssitzung noch Idealfall täglich 336.000 Passagiere per Bahn „mit einem Preisschild versehen“ werden. nicht vorgelegen habe, und er äußerte den unterwegs sein. Verdacht, dass Koalitionsabgeordnete einen Lukas Kilian (CDU) lobte die „Elektrifizie- „Wissensvorsprung“ gegenüber der Oppo- Gutachter Andreas Gille von der Ingenieur­ rungsoffensive“ mit heimischem Windstrom: sition hätten und eigene „Wahlkreispro- gesellschaft für Verkehrs-und Eisenbahn- „Wir haben Überschussstrom, und trotzdem jekte“ in das Papier hineinverhandelt hätten. wesen in Hannover hob den zweigleisigen fahren immer noch Dieselloks durchs Land.“ Jamaika-Vertreter wiesen den Vorwurf als Ausbau der Strecke Neumünster-Bad Oldesloe Andreas Tietze (Grüne) regte an, auch die haltlos zurück. hervor, denn dort könne auch eine Umleitung­ Strecke Kiel-Preetz zweigleisig auszubauen.

Mehr regionale Sprachen im NDR-Programm

Im Radio- und Fernsehprogramm sowie im Lars Harms (SSW) nannte es einen „Riesen- mern und Niedersachsen wollen den 15 Jahre Online-Angebot des Norddeutschen Rund- erfolg“, dass künftig nicht nur Niederdeutsch, alten NDR-Staatsvertrag modernisieren. Die funk sollen die Regional- und Minderheiten- sondern auch die weiteren Regionalsprachen Neufassung enthält auch die geschlechterpari- sprachen künftig eine größere Rolle spielen. erwähnt werden sollen. Auch Tim Brockmann tätische Zusammensetzung des Rundfunkrats Laut Entwurf des neuen NDR-Staatsvertrags (CDU) sprach von einem „guten Signal“. Der und des Verwaltungsrats, mehr Rechte für sind Plattdeutsch, Dänisch, Romanes und Frie- gesamte Landtag habe sich immer wieder für eine freie Mitarbeiter sowie das Ziel der Nachhal- sisch „in den Angeboten des NDR regelmäßig Aufwertung der Regionalsprachen eingesetzt. tigkeit in Betrieb und Programm. Der Staats- und angemessen zu berücksichtigen“. Das vertrag muss von den vier Landesparlamenten stieß Mitte Februar im Innen- und Rechts- Die Landesregierungen von Schleswig- ratifiziert werden und soll spätestens zum ausschuss auf breiten Zuspruch. Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpom- 1. September in Kraft treten.

DER LANDTAG 01/2021 27 LEICHTE SPRACHE

Der Land-Tag in Leichter Sprache

Alle Menschen sollen verstehen was im Land-Tag gesagt­ wird. Hier stehen Texte in Leichter Sprache. Denn: Viele Menschen haben Probleme­ mit dem Lernen, Lesen und ­Verstehen.

Viele Menschen können auch nicht so gut Deutsch. Deswegen werden schwere Wörter erklärt. Die Macher ­von dieser Seite versuchen nach den Regeln für Leichte Sprache zu schreiben.

Testen und Impfen hilft gegen Corona

Die Corona-Pandemie ist eine große Belastung für alle Claus Schaffer ist von der AfD. Er sagt: Das Impfen darf Menschen. Aber wir können etwas dagegen tun. Das kein Zwang sein. Denn viele Menschen haben Angst sagen die Leute im Land-Tag. vor der Impfung. Sie meinen dass sie den Impf-Stoff schlecht vertragen. Jeder Mensch kann jetzt einen Corona-Test machen. Und zwar ein Mal in der Woche. Manchmal ergibt der Katja Rathje-Hoffmann von der CDU sagt: Das Impfen Test dass ein Mensch Corona hat. Dann muss er alleine ist frei-willig. Es gibt keinen Zwang. bleiben. Damit er keine anderen Menschen ansteckt. Corona ist für alte und kranke Menschen besonders Heiner Garg ist der Minister für Gesundheit. Er sagt: Die gefährlich. Deswegen bekommen alte und kranke Tests sind wichtig. Wenn wir viele Menschen testen dann Menschen zuerst eine Impfung. In den Heimen für brauchen wir irgend-wann keine Masken mehr. Und alle alte und kranke Menschen haben schon fast alle eine Menschen können sich wieder treffen und besuchen. Impfung.

Dennys Bornhöft ist von der FDP. Auch er findet die Marret Bohn ist von den Grünen. Sie sagt: Jetzt müssen Tests wichtig. Er sagt: Auch Konzerte kann es wieder Ärzte und ihre Mit-Arbeiter mit dem Impfen dran geben. Und Gast-Stätten können wieder öffnen. kommen. Denn auch sie treffen viele andere Menschen.

Katja Rathje-Hoffmann ist von der CDU. Sie sagt: Lehrer und Kinder-Gärtnerinnen müssen oft den Corona-Test machen. Denn sie treffen viele andere Menschen.

Birte Pauls ist von der SPD. Sie sagt: Auch Kranken- Schwestern und Pfleger müssen oft den Corona-Test machen.

Jette Waldinger-Thiering ist vom SSW. Sie sagt: In Dänemark klappt das Testen sehr gut. Dort kann schon lange jeder Mensch einen Test machen. Ohne dafür Geld zu bezahlen.

Außerdem ist das Impfen wichtig gegen Corona. Wer eine

Impfung hat der ist gut geschützt vor der Corona-Krankheit. Ein Arzt impft einen Mann mit einer Spritze.

28 DER LANDTAG 01/2021 BÜCHER

Dokumentation zum BÜCHERECKE t ist! Alten­parlament erschienen

Die Dokumentation des Altenparla- Aktuell: Bitte informieren Sie sich telefonisch, wann die Bibliothek geöffne ments, das im vergangenen September im Landtag zusammenkam, ist nun erschienen. Der 360 Seiten starke Band Die Landtagsbibliothek ist eine Service-Einrichtung für Abgeordnete und für enthält die Aussprache im Plenum sowie Die Bibliothek Mitarbeiter aus Fraktionen und Verwaltung. Aber sie steht auch der Öffent- alle Beschlüsse der Altenparlamentarier, lichkeit zur Verfügung. Interessierte Bürger sind im zweiten Stock des Landes­ ebenso wie die Stellungnahmen aus den des Landtages hauses herzlich willkommen. Dort stehen 25.000 ­Bände aus den Gebieten Recht, ­Politik, Verwaltung, Sozialwissen­schaften, ­Geschichte und Landes­ Fraktionen, aus der Landesregierung und lädt ein kunde. Als Appetithappen stellen die Mitarbeiter der Bibliothek in dieser Serie von den schleswig-holsteinischen Bundes- Werke vor, die in den Räumen der Bibliothek eingesehen werden können. tagsabgeordneten. Außerdem ist der Fach- Interessiert? Die Bibliothek ist von Montag bis Freitag zwischen 8:30 Uhr und vortrag des Berliner Sozialwissenschaftlers 12:00 Uhr sowie zwischen 13:00 und 16:00 Uhr geöffnet. Bitte bringen Sie Ihren Personalausweis mit. Weitere ­Informationen gibt es unter den Telefon- Rainer Fretschner zum Thema „Wir sind nummern 0431/988-1110 und 0431/988-1111. alt, und ihr seid jung!“ nachzulesen. Bei der Büchersuche hilft der Online-Katalog auf der Website des Landtages: www.sh-landtag.de, „Service“, Rubrik „Landtagsbibliothek“. Die Publikation kann kostenlos bestellt werden: [email protected]

Kersten, Jens; Rixen, Stephan: Der Verfassungsstaat in der Corona- Krise. München: Beck 2020. 181 S. Impressum Versagt unsere Verfassung während der Corona-Krise? Dieser Frage gehen die beiden Staatsrechtler Jens Kersten und Stephan Rixen Herausgeber: Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages nach und stellen klar: Auch jetzt gilt das Grundgesetz, an dem alle Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsakte zu messen sind, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel die von Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung für die Bekämpfung Johannes Utzolino (V.i.S.d.P.) der Pandemie eingesetzt werden. Bei jedem Grundrechtseingriff ist Tel. 0431/988-1268, [email protected] daher zu fragen, ob er verhältnismäßig ist. Kersten und Rixen zeigen Karsten Blaas (Redakteur) Tel. 0431/988-1125, [email protected] sachlich, informiert und ausgewogen auf, was in der Pandemie geht Yvonne Windel (stellv. Redakteurin) und was auch in der Notsituation dem Gesetzgeber verwehrt bleibt. Tel. 0431/988-1122, [email protected] Fotos: Regina Baltschun, Thomas Eisenkrätzer, Michael August, Avantgarde oder angepasst? Die Grünen – eine Bestandsaufnahme. Karsten Blaas, Yvonne Windel, Detlef Ziep, Janine Wergin, Hrsg.: Michael Wedell, Georg Milde. Berlin: Ch. Links Verlag 2020. 352 S. Anna Gellner, Archiv des Landtages, Landesarchiv Schleswig, dpa-Bildfunk, Ch. Links Verlag, Siedler-Verlag, Beck-Verlag, Sind die Grünen eine Verbotspartei oder eine Ermöglichungspartei? Thommy Weiss/pixelio.de, Adobe Stock Nr. 341730140 Fühlen sie sich wohler in der Opposition oder regieren sie lieber? Wie Konzept: sehen sie sich selbst? Der Politikwissenschaftler Georg Milde und Stamp Media im Medienhaus Kiel, Ringstraße 19, 24114 Kiel, www.medienhaus-kiel.de der Partner der Unternehmensberatung Brunswick Group, Michael Titelseite: Wedell, haben Antworten zur Frage der Wahrnehmung und Selbst- Amatik, Boninstraße 63, 24114 Kiel wahrnehmung der Grünen zusammengetragen: Ein breites Autoren- Gestaltung, Layout: Stamp Media im Medienhaus Kiel, Ringstraße 19, 24114 Kiel, spektrum von den Grünen selbst, von der politischen Konkurrenz www.medienhaus-kiel.de sowie aus Medien, Wirtschaft, Verbänden und Kirchen beleuchtet Herstellung, Druck: in diesem Sammelband, wo die Grünen herkommen, wie sie sich AlsterWerk MedienService GmbH Billstraße 103, 20539 Hamburg verändert haben und was ihre neue Rolle sein könnte. Bezug der Landtagszeitschrift: (Abonnement und Versand kostenfrei) Landtag Schleswig-Holstein, Ref. f. Öffentlichkeitsarbeit, Brissa, Enrico: Flagge zeigen! Warum wir gerade jetzt Schwarz-Rot- L1415, Postfach 7121, 24171 Kiel, Telefon 0431/988-1639, Gold brauchen. München: Siedler 2021. 287 S. Fax 0431/988-1119, [email protected] Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef zweier Bundespräsidenten Die Zeitung wird auf umweltschonend hergestelltem, chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. und seit 2016 Leiter des Protokolls des Deutschen Bundestages, geht Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 30. März 2021 der Frage nach, warum unsere Flagge so viele Aggressionen auf sich Der Landtag im Internet: www.sh-landtag.de zieht. Er fragt weiter, warum es hingenommen wird, dass die Symbole unserer Republik zunehmend von der extremen Rechten besetzt und umgedeutet werden. Schwarz-Rot-Gold steht für unsere freiheitliche Verfassung und damit für das Fundament unserer offenen Gesellschaft. Lösungswort des Quiz auf Seite 12: Brissa wirbt für einen gelebten Verfassungspatriotismus und zeigt auf, MANDATE warum wir gerade in Krisenzeiten unsere Staatssymbole brauchen.

DER LANDTAG 01/2021 29 IM PORTRÄT Abgeordnete Johannes Callsen, CDU persönlich geboren am 14. April 1966 in Langdeel, Gemeinde Mohrkirch (Kreis Schleswig-Flensburg), Diplom-Verwaltungswirt, evangelisch, zwei Kinder

Doris von Sayn-Wittgen- Welches Erlebnis hat Sie dazu gebracht, stein, fraktionslos, in die Politik zu gehen? geboren 1954, „Ich habe mich schon als Jugendlicher intensiv mit der Rechtsanwältin Geschichte meiner Heimatregion befasst. Daraus entstand der Wunsch, auch die zukünftige Entwicklung mitzugestalten. So bin ich als Gemeindevertreter in meiner Heimatgemeinde Welches Erlebnis hat Sie dazu gebracht, Mohrkirch angefangen und habe später im Kreistag mitgewirkt, in die Politik zu gehen? unter anderem als Vorsitzender der Kulturstiftung des Kreises „Ich war bereits Mitte der achtziger Jahre für einige Zeit in Schleswig-Flensburg. Hier konnte ich viele Jahre Erfahrungen der CDU. Damals gaben Männer wie Stoltenberg und Dregger in der ehrenamtlichen Kommunalpolitik sammeln, die auch als den Ton dort an. Aus beruflichen und familiären Gründen Landtagsabgeordneter für mich wichtig und hilfreich sind.“ habe ich seinerzeit meine Aktivitäten aber eingestellt. Die Politik der offenen Grenzen von Frau Merkel im Jahr 2015 und Was wollten Sie als Kind werden? die sich daraus andeutenden Veränderungen für unser Land „Jedenfalls nicht die typischen Berufe, die Jungs gerne haben mich veranlaßt, mich der Alternative für Deutschland zu­geschrieben werden. Mir hat das Schreiben schon immer anzuschließen.“ Spaß gemacht, außerdem habe ich auf dem Trecker gern bei der Feldarbeit auf unserem Hof geholfen.“ Was wollten Sie als Kind werden? „Schon als Kind wollte ich Rechtsanwältin werden und bin Was war in der Schule Ihr Lieblingsfach? seit 1983 zugelassene Rechtsanwältin.“ „Meine Lieblingsfächer waren ganz klar Geschichte und Deutsch. Mathe hat mir da eher Magengrummeln bereitet.“ Was war in der Schule Ihr Lieblingsfach? „In meiner Familie werden mehrere Sprachen gesprochen, Was war Ihr allererster Job? und so habe ich in der Schule versucht, meine Kenntnisse in „Als Jugendlicher habe ich schon begonnen, nebenbei – und Russisch, Französisch und Englisch auf ein solides Fundament nach Schulschluss – Texte für die regionale Zeitung zu schreiben zu stellen. Im Russischen ist mir das aber leider nicht so sehr und wurde relativ früh ‚fester freier Mitarbeiter‘, um über gelungen. Deswegen hatte ich im vergangenen Jahr einen mehr- Gemeinderatssitzungen, Vereinsaktivitäten oder besondere wöchigen Sprachurlaub in Rußland geplant; leider ist dann aber Ereignisse in der Region zu berichten, später kam dann eine Corona dazwischengekommen.“ freie Mitarbeit bei Radio Schleswig-Holstein hinzu. Meine erste Ausbildung habe ich in der Verwaltung bei der Stadt Kappeln Was war Ihr allererster Job? gemacht.“ „Meinen ersten Job hatte ich als Studentin beim Internati- onalen Suchdienst, heute ‚Arolsen Archives‘, in Arolsen. Ich Was macht Sie wütend? habe dort Karteikarten von Menschen in Konzentrationsla- „Für mich zählt der sachliche Austausch – auch in der Politik. gern in Händen gehalten. Das hat mich sehr beeindruckt und Deswegen sind mir gute Argumente und Überzeugungskraft bewegt, denn hinter jeder dieser Karten stand ja ein schlimmes wichtiger als Unterstellungen und Halbwahrheiten.“ menschliches Schicksal.“ Was muss besser werden in Schleswig-Holstein? Was macht Sie wütend? „Schleswig-Holstein ist nach meiner Überzeugung auf einem „Man muß versuchen, Problemen auf einer sachlichen Ebene guten Weg. Die größte Herausforderung ist jetzt natürlich die zu begegnen. Dabei sind negative Gefühle nicht hilfreich.“ Bewältigung der Corona-Pandemie, wozu wir übrigens alle mit Solidarität beitragen können, um als Gesellschaft, aber auch Was muss besser werden in Schleswig-Holstein? mit Blick auf die Wirtschaft, gut durch diese Krise zu kommen. „Auf alle Fälle muß der Lockdown ein Ende haben. Darüber Für die Zukunft wird es darum gehen, aus diesen Erfahrungen hinaus wünsche ich mir ein Bewußtsein für Tradition und die richtigen Schlüsse zu ziehen: Stärkung des Mittelstandes, Bewährtes. Bei unseren jungen Menschen sollte Bildung stärker Chancen der Digitalisierung oder schnellere Planungs- und das Musische und Künstlerische fördern.“ Genehmigungsverfahren sind da nur einige Beispiele.“

30 DER LANDTAG 01/2021 BESUCHER

Zu Besuch im Landeshaus

Geschäftsleute aus Gastronomie und Einzelhandel demonstrierten im Winter wöchentlich vor dem Landeshaus. Die Forderung: Öffnungsperspektiven und eine raschere Auszahlung der Corona-Hilfen.

Emma-Louisa Döhler vom Jungen Rat der Stadt Kiel warnte Mitte Februar Die Oberhäupter der deutschsprachigen Landesparlamente aus Deutsch- vor den psychischen Folgen der Corona-Einschränkungen für Kinder und land, Österreich, Belgien und Südtirol waren Anfang Februar per Video- Jugendliche. Mehr: Seiten 24/25 konferenz zusammengeschaltet. Landtagspräsident Klaus Schlie (re.) und Landtagsdirektor Utz Schliesky vertraten Schleswig-Holstein bei der „­Europakonferenz“. Mehr: Seite 4

Die Politik habe beim Thema Frauenhäuser „das Pferd von hinten aufgezäumt“, Der ehemalige FDP-Bundesjustizminister Ed- beklagten Demons trantinnen während der Haushaltsdebatte Ende Februar – zard Schmidt-Jortzig (von 1996 bis 1998 im und brachten einen Vierbeiner mit. Amt) war einer der Experten, die im Innen- und Rechtsausschuss zum Plan eines „Notparla- ments“ in Krisenzeiten Stellung nahmen. Mehr: Seite 26

DER LANDTAG 01/2021 31 Nr. 01/2020 C 2086 Falls Empfänger-Anschrift nicht mehr zu­treffend, bitte diesen Abschnitt abtrennen und korrigiert zurücksenden an: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Referat für ­Öffentlichkeitsarbeit, L1415, Postfach 7121, 24171 Kiel

Termine, Termine, Termine …

Comic-Ausstellung ab Juni 1.700 Jahre jüdisches Leben: Sprechtage der Veranstaltungen auch im Norden Bürgerbeauftragten Die zunächst für den vergangenen November angekündigte Ausstellung zur schleswig- Anlässlich des Festjahres „1700 Jahre Jüdisches Die Bürgerbeauftragte für soziale Ange- holsteinischen Comic-Kultur soll nun am Leben in Deutschland“ hat der Landtag Ende legenheiten, Samiah El Samadoni, plant 9. Juni eröffnet werden und bis zum 29. August Februar Antisemitismus und die wachsende auch im Frühjahr Außensprechtage. Ob im Landeshaus zu sehen sein (s. Landtags- Gewalt gegen Juden scharf verurteilt und sich die Termine tatsächlich stattfinden oder ob zeitschrift 3/2020). Gezeigt werden Werke zu der dauerhaften Verpflichtung bekannt, wegen der Corona-Pandemie stattdessen von den US-amerikanischen „Katzenjammer jüdisches Leben in Schleswig-Holstein zu Online-Sprechtage wahrgenommen werden Kids“, deren Schöpfer aus Dithmarschen fördern. Der Landesbeauftragte für politische können, steht aktuell im Internet: stammte, über die Erfolgsfigur „Werner“ bis Bildung, Christian Meyer-Heidemann, plant www.sh-landtag.de, hin zu neuen Arbeiten aus dem Lande. mehrere Veranstaltungen zu dem Thema. Rubrik „Beauftragte“. Aktuelles auf www.sh-landtag.de Am 1. Juni wird der Kölner Publizist Alex Feuerhardt zu einer Lesung erwartet, am 23. Geplant sind folgende Termine: August ist eine Lesung mit dem Journalisten „Fehmarnbelt Days“ als Ronen Steinke, Redakteur der „Süddeutschen Dienstag, 20. April: Heide ­Hybridkonferenz Zeitung“, geplant, und am 7. November soll Donnerstag, 6. Mai: Lübeck in Lübeck eine Lesung mit Konzert unter dem Dienstag, 18. Mai: Heide Der Bau der festen Fehmarnbeltquerung wird Titel „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ Donnerstag, 3. Juni: Lübeck die Region Ostholstein verändern, und die stattfinden. Mehr unter Dienstag, 15. Juni: Heide skandinavischen Nachbarn rücken näher an www.politische-bildung.sh/1700jahre Donnerstag, 1. Juli: Lübeck Schleswig-Holstein heran. Die „Fehmarnbelt Days“ sollen am Montag, den 31. Mai, Pers- Termine in Lübeck bei der Deutschen pektiven aufzeigen. Das ursprünglich geplante Roger de Weck liest im Landtag Rentenversicherung Nord, Ziegelstr. 150, Bürgerfest in Weißenhäuser Strand wurde 10:00 bis 16:00 Uhr. Termine in Heide wegen der Corona-Pandemie abgesagt, aber In seinem Buch „Die Kraft der Demokratie“ im Bürgerhaus, Neue Anlage 5, 11:00 bis eine hybride Konferenz unter dem Motto „Our gibt Roger de Weck „eine Antwort auf die 15:00 Uhr. region, our future. Stronger together“ bietet autoritären Reaktionäre“. Die Schwäche Fachleuten und Öffentlichkeit die Möglich- der Demokraten sei viel gefährlicher als die Zu den Terminen ist eine Anmeldung erfor- keit zum Dialog. Ab 9:15 Uhr geht es etwa Lautstärke ihrer Gegner, warnt der Schweizer derlich. Telefon: 0431/988-1240. Zudem ist um Verkehr, Arbeitsmarkt, Umweltschutz, Publizist, ehemaliger Chefredakteur der eine persönliche Beratung in der Dienststelle Tourismus und Kultur. Zu den Diskussions- Wochenzeitung „Die Zeit“. Demokraten im Karolinenweg 1 in Kiel in Einzelfällen nach teilnehmern gehören Ministerpräsident Daniel müssten gemeinsam an der Demokratie von telefonischer Anmeldung möglich. Und: Günther, Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, morgen arbeiten, „damit Gestrige nicht die Zwischen 9:00 Uhr und 15:00 Uhr sowie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschent- Zukunft kapern“. Am 18. Mai um 19:00 Uhr mittwochs bis 18:30 Uhr gibt es weiterhin scher sowie der dänische Transportminister liest Roger de Weck im Landtag aus seinem eine Beratung am Telefon – zu Fragen des Benny Engelbrecht und EU-Verkehrskommis- Buch. Je nach Pandemielage wird die Veran- Sozialrechts wie auch zu den weiteren Zustän- sarin Adina Vălean. Auch der Europaausschuss staltung hybrid oder ausschließlich online digkeiten der Bürgerbeauftragten (Polizeibe- und weitere Abgeordnete sind dabei. stattfinden. auftragte, Antidiskriminierungsstelle und Mehr auf fehmarnbeltdays.com Aktuelles unter www.sh-landtag.de Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche).

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