Zur Belastung Der Strände Der Inseln Mellum Und Minsener Oog Mit Müll
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64 Zur Belastung der Strände der Inseln Mellum und Minsener Oog (südliche Nordsee) mit Müll in den Jahren 1991–2002. Von Thomas Clemens und Eike Hartwig 1. Einleitung 250 ha große künstliche Insel - entstan- Metall, Glas, Fischereigerät, Bekleidung, den als Strombauwerk und durch Sand- Nahrungsmittel, Holz) eingeteilt. Die Berichte über angespülten Abfall und Müll aufspülungen aus dem Jadefahrwasser. Hauptkategorien sind in weitere Unterka- an Stränden liegen inzwischen beinahe tegorien eingeteilt. „Sonstiges“ bezeich- weltweit vor (z.B. COLEMAN et al. 1984, Die Inseln Mellum und Minsener Oog sind net in den Hauptkategorien solche Teile, BENTON 1991, GABRIELIDES 1995, CONVEY, Brut- und Rastgebiete für See- und die keinen Unterkategorien zugeteilt wer- BARNES & MORTON 2002, DERRAIK 2002, Küstenvögel von internationaler Bedeu- den konnten, z.B. Nägel und Bolzen unter KUSUI & NODA 2003). Hauptquelle dieser tung (HECKROTH & HARTWIG 2002, HART- „Metall“, Bauhelme und Mützen unter Verschmutzung ist zum überwiegenden WIG & HECKROTH 2004); sie liegen im „Bekleidung“. Zusätzlich gibt es die Haupt- Teil die Seeschifffahrt (z.B. SCHREY 1987, Nationalpark „Niedersächsisches Wat- kategorie „Sonstiges“. Darin wurden HARTWIG 1994). Auch die Deutsche Bucht tenmeer“. Strandfunde vermerkt, die keiner der 8 ist erheblich durch Müll von Schiffen bela- Hauptkategorien zugeordnet werden stet, wie dies z.T. schon langjährige Unter- Die Zählstrecken an den untersuchten konnten, z.B. Baustoffe, Kohlen, Putz- suchungen an Stränden auf Scharhörn, Strandabschnitten waren durch Pflöcke lappen, Damenbinde, Autorad, Tierkada- Helgoland, Norderoogsand, Juist, Mellum, am Dünenfuß gekennzeichnet. Während ver, in einigen Fällen auch Paraffin- und Minsener Oog und am Seedeich des des Untersuchungszeitraumes kam es zu Teerklumpen. Bei Teer und Öl handelt es Hauke-Haien-Koogs in Nordfriesland keinen Änderungen in den Kontroll- sich nicht um Müll im eigentlichen Sinne, belegen (CLEMENS 1992, 2003, CLEMENS strecken. sondern um illegale Einleitung. Paraffin- et al. 2002, GERLACH 1994, 1999, NAS- einleitungen sind leider legal. Größere SAUER 1981, VAUK et al. 1989, HARTWIG & 2.1 Erfassungszeiträume und Ölmengen und Paraffinfunde wurden nicht CLEMENS 1999, HARTWIG 2000, 2001a, b). Anzahl der Zählungen in die Auswertung aufgenommen. Die vorliegenden Ergebnisse über die Müllbelastung der Inseln Mellum in den Der Erfassungszeitraum und damit die Nach der Registrierung wurde der Müll so Jahren 1991-2002 und Minsener Oog in Anzahl der Müllerfassungen im Zähl- am Rand von Dünen abgelegt, dass er den Jahren 1995-2002 wurden im Rah- gebiet schwanken von Jahr zu Jahr. Für bei höheren Wasserständen nicht doppelt men des vom Umweltbundesamt Berlin Mellum-Nord und Mellum-Süd schwan- gezählt werden konnte. Gebinde mit Öl finanzierten F&E-Vorhabens „Untersu- ken sie zwischen 52 und 71 Zählungen, oder anderen wasserverschmutzenden, chung der Verschmutzung der Spülsäume entsprechend dem unterschiedlichen Zeit- giftigen Stoffen wurden in luftdicht verrie- durch Schiffsmüll an der deutschen Nord- raum der Besetzung und Betreuung der gelbaren Kunststofftonnen ans Festland seeküste“ (FLEET 2003) ausgewertet. Gebiete. Zu Beginn der Müllerfassung auf zu Sondermülldeponien geschaffen. Muni- Mellum im Jahre 1991 wurden lediglich tionsfunde verblieben an Ort und Stelle 27 Zählungen durchgeführt (CLEMENS oder wurden von der Wasserschutzpoli- 2. Material und Methode 1992). Aus dem Jahre 1995 liegen keine zei entsorgt. Eine vollständige Entsorgung Daten vor. An einigen Zählterminen konn- des gesammelten Mülls von der Insel, die In den Jahren 1991 bis 2002 wurden auf ten keine Müllerfassungen durchgeführt nach Studien in Amerika zu hohen Kosten der Insel Mellum (53º 43’N, 8º 09’E) am werden, da entweder die Inseln nicht zu Lasten des Gemeinwesens führt (OFI- Weser exponierten Nordstrand und am besetzt waren oder z.B. Sturmfluten keine ARA & BROWN 1999), war aus logistischen Jade exponierten Südstrand an einem Zählung zuließen. Die Müllerfassung Gründen nicht möglich. jeweils 100 m langen Strandabschnitt wurde in ca. 7.200 Std. ehrenamtlicher systematische Müllzählungen durchge- Arbeit von Naturschutzwarten des Mel- Bei allen Zählungen handelt es sich um führt. Mellum ist eine etwa 750 ha große lumrates erbracht. Mindestwerte, da z.B. ein zwischendurch Düneninsel an der Spitze des Hohe-Weg- höher auflaufendes Hochwasser auch Watts, die ohne Anleger oder Küsten- 2.2 Durchführung der Erfassung bereits abgelagerte Müllteile wieder weg- schutzbauten ausschließlich natürlicher spült. Zu berücksichtigen ist außerdem, Dynamik unterliegt. Auf Mellum erfolgten die Zählungen in dass natürlich nur schwimmender bzw. 3-tägigem Abstand (etwa jedes 6. Niedrig- treibender Müll angeschwemmt wird. Es In den Jahren 1995 bis 2002 wurden wasser), auf der Minsener Oog wöchent- kann zudem auch zum Einsanden und ebenfalls auf der Insel Minsener Oog lich. Dabei wurde der Müll nach Anzahl Ausspülen von zuvor angespültem Müll (6 km nordwestlich von Mellum) am zum der Teile und Gewicht (auf die Wieder- kommen, wie Untersuchungen von WIL- Seegatt „Blaue Balje“ exponierten West- gabe und Diskussion der Ergebnisse aus LIAMS & TUDOR (2001) an gekennzeich- strand (Rückseitenwatt der Ostfriesischen der Gewichtsanalyse wird hier verzichtet, neten Müllteilen eindrucksvoll belegen. Inseln) an einem 100 m langen Strand- da sie generell wenig über das Ausmaß abschnitt systematische Müllzählungen der Müllbelastung aussagen) erfasst und Zur Auswertung gelangten alle Erfassun- durchgeführt. Minsener Oog ist eine etwa in acht Hauptkategorien (Plastik, Papier, gen, die kontinuierlich, i.d.R. im Zeitraum Natur- und Umweltschutz (Zeitschrift Mellumrat) • Band 3, Heft 2 • November 2004 65 März bis Oktober eines jeden Jahres, gistriert. Von Jahr zu Jahr schwankt der ein Maximum an Teilen aus „Plastik/Sty- erhoben wurden. Lediglich auf Minsener Anteil der Müllteile erheblich, unabhängig ropor/ Schaumgummi“ registriert. Eine sta- Oog wurde in 2001 bereits im Februar mit von der Anzahl der Zählungen. So wur- tistische Überprüfung mit Rank-Korrelati- der kontinuierlichen Erfassung begonnen. den 1991 bei lediglich 27 Zählungen ons-Tests lässt über den Sonderzählungen, z.B. anlässlich der 1.665 Teile, 1999 bei 52 Zählungen aber Untersuchungszeitraum bis 2002 keinen Wasser- und Watvogelzählungen zum nur 352 Teile erfasst. Trend erkennen (FLEET 2003). Jahreswechsel, wurden nicht in die Aus- wertung aufgenommen. 3.1.1 Müllteile auf Mellum-Nord Die Unterkategorie „Plastiktüten, Planen u. Folien“ stellt im Mittel mit 59,5 % den Die mittlere prozentuale Zusammen- deutlich größten Anteil des Kunststoffmülls 3. Ergebnisse setzung des Mülls nach Anzahl je Kate- (Abb. 2), gefolgt von „Styropor, Schaum- gorie über den Untersuchungszeitraum gummi“ (10,9%) „Schnüren“ (8,2 %) und Die Ergebnisse der Untersuchungen im von 1991 bis 2002 zeigt zunächst, dass „Sonstiges Verpackungsmaterial“ mit 7 % Jahre 1991 am Nord- und Südstrand der „Plastik/Styropor/Schaumgummi“ mit etwa und „Becher, Geschirrteile“ mit 4,5 %. Insel Mellum wurden bereits publiziert 69 % die Masse des Strandmülls stellt. Es „Sonstiges“, d.h. der Anteil nicht den (CLEMENS 1992). Der Übersichtlichkeit hal- folgen „Holz“ (16 %), etwa gleichstark Unterkategorien zuzuordnender Kunst- ber werden die Daten von 1991 in diese „Fischereigerät“ (4,6 %) und „Glas/Por- stoffteile, betrug 5,4 %. Der Anteil Plastik- Auswertung übernommen und in die Beur- zellan“ (4,5 %). Die Kategorien Flaschen betrug 2,9%. Die Anteile von teilung einbezogen. Ebenso wurde mit „Papier/Pappe“ stellen 1,9 %, „Metall“ 1,1 „Eimer“, „Kanister“ und „Spielzeug“ lagen den bereits publizierten Ergebnissen der %, „Bekleidung“ 0,9 % und „Nahrungs- unter 1 %. - Wie bereits in der Gesamt- Müllbelastung der Insel Minsener Oog in mittel“ 0,6 % des Strandmülls. Unter „Son- kategorie ergeben sich auch innerhalb der den Jahren 1995 bis 2000 (CLEMENS et al. stiges“ fielen 1,4 % des Mülls (Abb. 1). Unterkategorien z.T. deutliche Schwan- 2002) verfahren. kungen im Untersuchungszeitraum Die Kategorie „Plastik/Styropor/ (s. Abb. 2): 1991 und 1994 lag der Anteil 3.1 Mellum-Nord Schaumgummi“ stellte in 10 von 11 Jah- von Kunststoffmüll pro Zählung mit 21,6 ren den Hauptanteil des Strandmülls. Bis bzw. 18,6 Teilen/Zählung am höchsten. In den Jahren 1991 bis 2002 wurden auf auf das Jahr 1991 mit lediglich 35 % lag Ab 1996 liegt der Wert deutlich niedriger. der Zählstrecke am Nordstrand der Insel der Anteil dieser Kategorie am Müllauf- Mellum insgesamt 10.456 Müllteile mit kommen immer über 65 %, in 3 Jahren „Holz“ stellte im Mittel mit insgesamt einem Gesamtgewicht von 2.058 kg re- sogar über 80 %. Mit 88 % in 1999 wurde 16% den zweitgrößten Müllanteil (Abb. 1). Abgesehen von 1991 mit 51% schwankt 1% der Anteil dieser Kategorie am Gesamt- 16% PLASTIK, STYROPOR, SCHAUMGUMMI müllaufkommen von Jahr zu Jahr sehr 1% stark. Lediglich in drei von 11 Jahren lagen PAPIER, PAPPE die Werte deutlich unter 10% (1999: 4%, 1% METALL 2000: 2,7% und 2002: 1%). Die Betrach- 5% GLAS, PORZELLAN tung der tatsächlich gezählten Müllteile FISCHEREIGERAT sowie ein Vergleich der Anzahl Holzteile 4% BEKLEIDUNG je Zählung und Jahr lassen eine deutliche 1% Abnahme von Holz am Müllaufkommen NAHRUNGSMITTEL 2% erkennen; diesen negativen Trend be- 69% HOLZ stätigt auch die statistische Überprüfung SONSTIGES (FLEET 2003). Abb. 1: Mittlere prozentuale Verteilung der Müll-Kategorien am Nordstrand der Insel „Fischereigerät“ ist mit insgesamt 4,6% Mellum in den Jahren 1991 - 2002 nach Anzahl.