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72 Orn. Rundbrief Meckl.-Vorp. Bd. 45, Sonderheft 1, S. 72–83, 2006 Strandvermüllung im Bereich der südlichen Nordsee, Mellum und Minsener Oog 1991-2002 Thomas Clemens und Eike Hartwig Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft Der Mellumrat e.V., Zum Jadebusen 179, D-26316 Varel-Dangast; E-Mail: [email protected] 1. Einleitung als deutscher Beitrag zur Müll erfassung im Es liegen inzwischen weltweit Berichte über Geltungsbereich des Oslo-Paris-Abkommens/ angespülten Abfall und Müll an Stränden vor OSPAR (FLEET 2003), ausgewertet. (z. B. COLEMAN et al. 1984, BENTON 1991, GABRIELIDES 1995, CONVEY et al. 2002, KUSUI & 2. Material und Methode NODA 2003). Dabei wird immer wieder deut- Es wurden in den Jahren 1991 bis 2002 auf der lich, dass die Hauptquelle dieser Verschmut - Insel Mellum (53°43’N, 08°09’E) am Weser ex- zung zum überwiegenden Teil die Seeschiff - ponierten Nordstrand und am Jade exponier- fahrt ist (z. B. SCHREY 1987, HARTWIG 1994, ten Südstrand an einem jeweils 100 m langen DERRAIK 2002). Auch die Deutsche Bucht ist er- Strandabschnitt systematische Müllzählun - heblich durch Müll von Schiffen belastet, wie gen durchgeführt. Mellum ist eine etwa 750 dies z. T. schon langjährige Untersuchungen ha große Düneninsel an der Spitze des Hohe- an Stränden auf Scharhörn, Helgoland, Weg-Watts, die ausschließlich natürlicher Norderoogsand, Juist, Mellum, Minsener Oog Dynamik unterliegt (Abb. 1). und am Seedeich des Hauke-Haien-Koogs in Nordfriesland belegen (NASSAUER 1981, VAUK et In den Jahren 1995-2002 wurden ebenfalls auf al. 1989, CLEMENS 1992, 2003, GERLACH 1994, der Insel Minsener Oog (6 km nordwestlich 1999, HARTWIG & CLEMENS 1999, HARTWIG 2000, von Mellum) am zum Seegatt „Blaue Balje“ 2001a, b, CLEMENS et al. 2002). Für die vorlie- exponierten Weststrand (Rückseitenwatt der gen de Arbeit wurden die Ergebnisse über die Ost friesischen Inseln) an einem 100 m langen Müllbelastung der Inseln Mellum in den Jah - Strandabschnitt systematische Müllzäh lun - ren 1991-2002 und Minsener Oog in den Jah- gen durchgeführt. Minsener Oog ist eine etwa ren 1995-2002 im Rahmen des vom Umwelt - 250 ha große künstliche Insel - entstanden als bundesamt Berlin finanzierten For schungs- Strombauwerk und durch Sandaufspülungen und Entwicklungs-Vorhabens „Unter suchung aus dem Jade fahrwasser. Beide Inseln, die im der Verschmutzung der Spül säume durch Nationalpark „Nie der sächsi sches Watten- Schiffsmüll an der deutschen Nordseeküste“, meer“ liegen, sind Brut- und Rastgebiete für See- und Küstenvögel von inter- nationaler Be deutung (HART WIG & HECKROTH 2004, HECKROTH & HARTWIG 2004). Zur Auswertung für diese Unter - suchung gelangten alle Erfas - sungen, die kontinuierlich, i.d.R. im Zeitraum März bis Oktober eines jeden Jahres, er- hoben wurden. Lediglich auf Minsener Oog wurde in 2001 bereits im Februar mit der konti- nuierlichen Erfassung begon- nen. Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes. Clemens, T. & E. Hartwig: Strandvermüllung 73 Die Anzahl der Müllerfassungen des Erfas - auflaufendes Hochwasser auch bereits abgela- sungszeitraumes im Zählgebiet schwanken gerte Müllteile wieder wegspült. Es ist zu be- von Jahr zu Jahr, entsprechend dem unter- rücksichtigen, dass natürlich nur schwim- schiedlichen Zeitraum der Besetzung und mender bzw. treibender Müll angeschwemmt Betreuung der Gebiete. Für Mellum-Nord und wird. Es kann zudem auch zum Einsanden Mellum-Süd schwanken sie zwischen 52 und und Ausspülen von zuvor angespültem Müll 71 Zählungen. Zu Beginn der Müllerfassung kommen, wie Untersuchungen von WILLIAMS auf Mellum im Jahre 1991 wurden lediglich & TUDOR (2001) an gekennzeichneten Müll- 27 Zählungen durchgeführt (CLEMENS 1992). teilen eindrucksvoll belegen. Aus dem Jahre 1995 liegen keine Daten vor. Die Müllerfassung wurde in ca. 7.000 h ehren- 3. Ergebnisse amtlicher Arbeit von Naturschutzwarten des Für das Untersuchungsjahr 1991 wurden die Mellumrates erbracht. Ergebnisse vom Nord- und Südstrand der Insel Mellum bereits publiziert (CLEMENS 1992). Der Auf Mellum erfolgten die Zählungen in drei- Übersichtlichkeit halber werden die Daten tägigem Abstand (etwa jedes sechste Niedrig - von 1991 in diese Auswertung übernommen wasser), auf der Minsener Oog wöchentlich. und in die Beurteilung einbezogen. Ebenso Dabei wurde der Müll nach Anzahl der Teile wurde mit den bereits publizierten Ergebnis- und Gewicht (auf die Wiedergabe und Dis - sen der Müllbelastung der Insel Minsener Oog kussion der Ergebnisse aus der Gewichts - in den Jahren 1995-2000 (CLEMENS et al. 2002) analyse wird hier verzichtet, da sie generell verfahren. wenig über das Ausmaß der Müllbelastung aussagen) erfasst und in acht Hauptkategorien 3.1 Mellum-Nord (Plastik, Papier, Metall, Glas, Fischereigerät, Auf der Zählstrecke am Nordstrand der Insel Bekleidung, Nahrungsmittel, Holz) eingeteilt. Mellum wurden in den Jahren 1991-2002 ins- Die Hauptkategorien sind in weitere Unter - gesamt 10.456 Müllteile mit einem Gesamt - kategorien eingeteilt. Zusätzlich gibt es die gewicht von 2.058 kg registriert. Der Anteil Hauptkategorie „Sonstiges“. Darin wurden der Müllteile schwankt von Jahr zu Jahr er- Strandfunde vermerkt, die keiner der acht heblich, unabhängig von der Anzahl der Hauptkategorien zugeordnet werden konn- Zählungen. So wurden 1991 bei lediglich 27 ten, z. B. Baustoffe, Kohle, Putzlappen, Auto- Zählungen 1.665 Teile, 1999 bei 52 Zählun - räder, Tierkadaver, in einigen Fällen auch gen aber nur 352 Teile erfasst. Paraffin- und Teerklumpen. Die mittlere prozentuale Zusammensetzung Nach der Registrierung wurde der Müll so am des Mülls nach Anzahl je Kategorie über den Rand von Dünen abgelegt, dass er bei höheren Untersuchungszeitraum von 1991-2002 zeigt, Wasserständen nicht doppelt gezählt werden dass „Plastik/Styropor/Schaumgummi“ mit konnte. Gebinde mit Öl oder anderen wasser- etwa 69 % die Masse des Strandmülls stellt. verschmutzenden, giftigen Stoffen wurden in Es folgen „Holz“ (16 %), etwa gleichstark luftdicht verriegelbaren Kunststofftonnen ans „Fischereigerät“ (4,6 %) und „Glas/Porzellan“ Festland zu Sondermülldeponien geschafft. (4,5 %). Die Kategorien „Papier/Pappe“ stellen Munitionsfunde verblieben an Ort und Stelle 1,9 %, „Metall“ 1,1 %, „Bekleidung“ 0,9 % oder wurden von der Wasserschutzpolizei ent- und „Nahrungsmittel“ 0,6 % des Strandmülls. sorgt. Eine vollständige Entsorgung des ge- Unter „Sonstiges“ fielen 1,4 % des Mülls (Abb. sammelten Mülls von der Insel, die nach 2). Studien in Amerika zu hohen Kosten zu Lasten des Gemeinwesens führt (OFIARA & Auf die einzelnen Untersuchungsjahre bezo- BROWN 1999), war aus logistischen Gründen gen stellt die Kategorie „Plastik/Styropor/ nicht möglich. Schaumgummi“ in zehn von elf Jahren den Hauptanteil des Strandmülls. Bis auf das Jahr Bei allen Zählungen handelt es sich um Min - 1991 mit lediglich 35 % lag der Anteil am destwerte, da z. B. ein zwischendurch höher Müllaufkommen immer über 65 %, in drei 74 Orn. Rundbrief Meckl.-Vorp. Bd. 45, Sonderheft 1, S. 72–83, 2006 Abb. 2: Mittlere prozentuale Verteilung der Müll-Kategorien am Nordstrand der Insel Mellum in den Jahren 1991-2002 nach Anzahl. Jahren sogar über 80 %. Mit 88 % in 1999 „Fischereigerät“. Nach Teilen/Zählung lässt wurde ein Maximum an Teilen aus „Plastik/ sich für den Nordstrand der Insel Mellum kei- Styro por/Schaumgummi“ registriert. Eine sta- ne Abnahme von „Fischereigerät“ erkennen, tistische Überprüfung mit Rank-Korrelations- was auch die statistische Überprüfung ergibt Tests lässt über den Untersuchungszeitraum (FLEET 2003). Für den Anteil „Netze“ konnte bis 2002 keinen Trend erkennen (FLEET 2003). dagegen eine statistisch abgesicherte Zunah- me festgestellt werden. Abgesehen von 1991 mit 51 % schwankt der Anteil „Holz“ am Gesamtmüllaufkommen Für die Kategorie „Glas/Porzellan“ lässt so- von Jahr zu Jahr sehr stark. Lediglich in drei wohl die prozentuale, als auch die mengen- von 11 Jahren lagen die Werte deutlich unter mäßig Verteilung im Untersuchungszeitraum 10 % (1999: 4 %, 2000: 2,7 % und 2002: 1 %). eine Abnahme erkennen. Dieser Trend wird Die Betrachtung der tatsächlich gezählten anhand der Teile/Zählung besonders deutlich Müllteile sowie ein Vergleich der Anzahl Holz - und ist signifikant nach Überprüfung mit teile je Zählung und Jahr lassen eine deutliche Rank-Korrelations-Tests (FLEET 2003). Flaschen Abnahme von Holz am Müllaufkommen er- und Gläser können für Fische oder andere ma- kennen; diesen negativen Trend bestätigt rine Organismen zur Todesfalle werden auch die statistische Überprüfung (FLEET (HARTWIG et al. 1992); obwohl hierzu nur rela- 2003). tiv wenige Funde vorliegen, dürfte die Dunkelziffer aber erheblich sein. Glasscher - Auch beim „Fischereigerät“ sind auffallende ben bergen potenziell Verletzungsgefahr für Schwankungen von Jahr zu Jahr zu verzeich- Mensch und Tier. Auffallend ist innerhalb der nen, z. B. 0,3 % in 1999 und 9,5 % 1992. Auch Kategorie „Glas/Porzellan“ der hohe Anteil hier ist die Betrachtung der realen Müllmenge noch vollständig erhaltener Flaschen und von Bedeutung. Nur in zwei von elf Jahren Gläser. Eine statistische Überprüfung von waren es weniger als zehn Teile Fischerei - FLEET (2003) mit Rank-Korrelations-Tests ergab gerät/Jahr. In sechs Jahren waren es über 30 für Glasflaschen einen negativen, d. h. abneh- Teile/Jahr. In 1992 wurde mit 119 Teilen ein menden Trend in den jährlichen Erfassungen. Maximum festgestellt. Es stellen „Taue“ und „Netze“ mit 44,3 % bzw. 43,7 % den deutlich Die Anteile von „Papier/Pappe“, „Beklei - größten Anteil innerhalb der Kategorie dung“ und „Nahrungsmittel“ sind am