MONTAG, 26. FEBRUAR 2018 KREIS 21

LESERBRIEFE Flüchtlinge gleichsam adoptiert Zu »Parkplatz am Bahnhalt dauert noch«, Ausgabe 15. Februar Ausländerbeirat: Preis für Menschlichkeit geht an Ulrike Weißhaar sowie an Karl und Renate Denk Sich beschweren 2015 war sie wieder gefragt, als Von unserem Redakteur erneut Flüchtlinge nach Haibach JOSEF PÖMMERL bringt nichts kamen. Sie hat damals die Paten- Überfall in Großostheim: Ein Tatverdäch- schaft für eine Flüchtlingsunter- Der Ausspruch am Ende des Ar- tiger wurde festgenommen. Foto: R. Hettler KREIS ASCHAFFENBURG. Ein Rent- kunft übernommen. Dort waren 15 tikels »Die Masse, die hier fährt, nerehepaar hat eine syrische Fa- Asylbewerber untergebracht, von ist zufrieden und äußert sich milie praktisch adoptiert, eine Be- denen sie drei heute noch betreut. nicht« hat mich doch sehr »erhei- Spielcasino rufsschullehrerin kümmert sich Insgesamt kümmert sich Ulrike tert«. Ich denke eher, man hat es um afghanische Jugendliche: Der Weißhaar um zehn junge Erwach- in Heigenbrücken aufgegeben, in Großostheim Preis für Menschlichkeit und Völ- sene aus Afghanistan. sich zu beschweren, da es sowieso kerverständigung des Aschaffen- nichts bringt. In verschiedenen überfallen burger Ausländerbeirats ging in »Hoffnungsvolle Menschen« Sachen habe ich einen Leserbrief Sechs von »ihren Jungs«, wie sie verfasst und Briefe an die Ge- diese nennt, waren auch zur meinde geschrieben, geändert hat Festnahme: Täter Einwanderung Preisverleihung ins Landratsamt sich nichts. mit Pistole bewaffnet & Integration Ulrike Weißhaar im Kreise von vier ihrer afghanischen »Jungs«: Mohib Qaderi, Wasim gekommen. Ulrike Weißhaar Aber nun zum aktuellen The- Ahmadi, Habib Qaderi und Asadullah Haidari (von links). Fotos: Stefan Gregor schilderte die Karrieren ihrer ma: Ich bin Rentnerin und geh- GROSSOSTHEIM. Ein Mann hat am Schützlinge in Deutschland. Teil- behindert. Ich bin Inhaber des Samstagvormittag eine Spielothek diesem Jahr an Deutsche, die sich weise gehen sie heute auf die Re- Rentnertickets und könnte somit in der Dieselstraße in Großost- für Flüchtlinge einsetzen. alschule oder hätten ein Prakti- kostenfrei Bahn und Busse im heim überfallen. Der Täter war Renate und Karl Denk aus kum mit der Note eins abge- VAB-Gebiet benutzen. Dies war nach Angaben der Polizei mas- haben eine syrische schlossen. Einer mache inzwi- für mich beim alten Bahnhof auch kiert und mit einer Pistole be- Familie mit vier Kindern quasi schen ein Praktikum in der Firma möglich, da er für uns zu Fuß gut waffnet. adoptiert. Im Sommer 2016 ihres Mannes. zu erreichen war. Theoretisch Die Ermittlungen haben erge- kam die syrische Flüchtlingsfami- Weißhaar: »Es sind lauter hoff- wäre es jetzt auch noch möglich, ben, dass der Mann gegen lie mit damals zwei Kindern in nungsvolle Menschen, die wir bit- wenn man sich auf den Zubrin- 10.15 Uhr das Casino betrat und Blankenbach an, ein drittes Mäd- te nicht abschieben sollten.« Auch gerbus verlassen könnte. offenbar eine silberfarbene chen kam später nach, ein viertes in der Berufsschule kümmert sich Dies ist leider nicht der Fall, Schusswaffe aus seiner Hosenta- Kind wurde jetzt im Dezember ge- Ulrike Weißhaar um Flüchtlinge. und wer möchte schon eine Stun- sche zog. Anschließend griff er in boren. Wöchentlich führt sie sechs Klas- de in der Kälte stehen und auf den die Kasse und stahl daraus einige sen im Wechsel zu unterschiedli- nächsten Zug warten, falls der Bus hundert Euro. Er verließ die Spie- Bei Einschulung begleitet chen Institutionen, vom Kinder- es nicht schafft, pünktlich zu sein? lothek und flüchtete mit einem Begonnen hat alles damit, dass Das Ehepaar Denk aus Blankenbach mit der von ihr betreuten syrischen Familie garten bis zum Friedhof, von der Oder bei der Rückfahrt sehen, Motorroller in Richtung Stock- Karl Denk Fahrräder für Flücht- Alzamel/Alnatur: (von links) Hala, Maha Alnatur sowie Youssef, Hanin, Renate und Polizei bis ins Seniorenheim dass der Bus schon wieder weg ist, stadter Weg. linge repariert hat. Dabei sahen Karl Denk, Leen und Naji Alzamel. und erklärt ihnen unsere Gesell- falls der Zug Verspätung hat? So, Bei der Fahndung nach dem ihm öfters Flüchtlingskinder zu: schaft. dann wäre noch die Möglichkeit Täter setzte die Polizei einen »Ich war immer von bis zu 20 Kin- Dabei hat sie viel Positives er- mit dem Auto zum Bahnhof zu Hubschrauber und Spürhunde ein. dern umgeben«, erzählt er. Die lebt, aber auch viele Dramen. Sie fahren. Aber der Parkplatz ist so »Mittlerweile haben wir einen ersten Fahrräder hat er noch an schildert, wie sie einen minder- weit weg, dass es mir mit meiner Verdächtigen festgenommen«, Flüchtlinge in Wiesen abgegeben, jährigen Flüchtling, in dessen Pass Gehbehinderung schwerfällt, die sagte Polizeisprecher Björn »dabei hätte ich sie bald selber ge- ein falsches Geburtsdatum einge- Strecke zu bewältigen. Also hänge Schmitt am Sonntag. »Weitere In- braucht«. tragen war, aus der Asylbewer- ich hier in Heigenbrücken fest. formationen folgen nach einer Als das Mädchen Hala einge- berunterkunft »entführt« hat, um Mein Mann fährt täglich mit Absprache mit der Staatsanwalt- schult wurde, und die Eltern we- ihn in eine Unterbringung für Ju- dem Fahrrad zur Bahn (wo die schaft.« mci gen ihrer Sprachkurse nicht dabei gendliche zu bekommen. Letztlich nötigen Fahrradabstellplätze sein konnten, hat Renate Denk sei der Jugendliche auf die schiefe ebenfalls noch fehlen) und stellt gesagt: »Man kann das Kind doch Bahn geraten, aber, so Weißhaar: immer wieder fest, dass Fußgän- nicht alleine dort hingehen las- »Warum sollten sie anders sein als ger über die Lindenallee zur neu- sen«, und ist selber mitgegangen. unsere deutschen Jungs und Mäd- en Zufahrt hin und zurück unge- Ehrenabend Seitdem kümmern sich Renate und chen?« schützt, da ein Bürgersteig fehlt, in der Bachgauhalle Karl Denk sehr intensiv um die an der vielbefahrenen Straße Kinder, betreuen sie, wenn die El- Lob von Zenglein entlang unterwegs sind – und das GROSSOSTHEIM. Die Marktge- tern nicht da sind, machen mit ih- Verleihung des Preises für Menschlichkeit und Verständigung: (von links) Roland Stellvertretender Landrat Andreas im Dunkeln. Heigenbrücken hat meinde Großostheim veranstaltet nen die Hausaufgaben und besor- Solatges (Vorsitzender Ausländerbeirat), die drei Preisträger Ulrike Weißhaar, Karl Zenglein, der die Auszeichnungen durch den neuen Bahnhalt einiges am Freitag, 2. März, um 19.30 Uhr gen alles Nötige wie Schulsachen und Renate Denk sowie stellvertretender Landrat Andreas Zenglein. überreichte, bezeichnete Weiß- verloren. Unter anderem ein in der Bachgauhalle einen Ehren- oder Fahrräder. Ihre Motivation: haar als »einen Leuchtturm in un- Bahnhofsgebäude, das einem abend. Dabei treten örtliche Sport- »Es macht viel Spaß.« Bei ihren Bemühungen haben Ulrike Weißhaar kümmert sich serer Gemeinde«. Er war damals Schutz vor Kälte und Nässe bot. und Gesangsgruppen auf. Zur sie positive und negative Erleb- sehr intensiv um afghanische als Haibacher Bürgermeister sel- Heigenbrücken hat nun einen Unterhaltung spielt die Band Viola Geldbeutel für Kinder geleert nisse gesammelt. Negative vor al- Flüchtlinge. Damit hat sie schon ber in die Bemühungen von Ulrike Bahnhalt ohne Parkplätze, und da Tamm. Eintritt: frei. bh Auch den Eltern der Familie ha- lem mit Behörden, etwa als es da- vor 20 Jahren begonnen, als die Weißhaar involviert. glauben Sie ernsthaft, Herr Bür- ben sie geholfen, etwa bei Behör- rum ging, wer die Mittagsbetreu- ersten Flüchtlinge hier eintrafen. Zu den Geehrten sagte er: »So germeister Englert, dass die Masse dengängen oder beim Umzug nach ung der Kinder bezahlt. Ein posi- Heute noch regt sie sich über eine stellen wir uns die Personen vor, zufrieden ist? Mein Mann und ich Johannesberg, wo sie heute leben. tives Beispiel war, als sie bei ei- Unterschriftenaktion damals in die diesen Preis bekommen sol- sind es nicht. Zum Schluss noch Als der Vater ernsthaft erkrankt nem Fest in jemandem Haibach auf, als es hieß, »Wenn len.« Er habe es selber erlebt, für etwas Positives: Der Bahnhof ist Produktionsredakteure für den ist, standen sie ihm auch in der von ihren Bemühungen erzählten. die Flüchtlinge kommen, könne seine Bemühungen bekomme man behindertengerecht, der Zugein- Lokalteil heute: Nina-Anna Frankfurter Klinik und bei den Der leerte darauf seinen ganzen wir nicht mehr unsere Wäsche von den Flüchtlingen »viel Liebe stieg nun kein Problem mehr. Beckmann (nab), Stefan Fuchs (fu), Nachuntersuchungen bei. Geldbeutel »für die Kinder«. draußen aufhängen.« und Anerkennung zurück«. Käthi Kchirid, Heigenbrücken Kathrin Wollenschläger (kwo).