Vorwort Des Herausgebers
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Vorwort des Herausgebers Der 150. Geburtstag einer wissenschaftlichen Gesellschaft bietet AnlaB, sich mit ihrer Entstehung und ihrer Geschichte zu befassen. Aus den verschiedenartigen und verstreuten Informationen sollte deshalb hier ein Bild zusammengefugt werden, das zeigt, wie die Physikalische Gesellschaft gewachsen ist, was ihre Bedeutung ist und wie sich ihre Aufgaben gewandelt haben. Es zeichnen sich dabei in naturlicher Weise drei Hauptperioden von jeweils etwa funfzig Jahren ab: die Zeit der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin von 1845 bis zur Umwandlung in die Deutsche Physikali- sche Gesellschaft im Jahre 1899 durch Max Planck, die Periode der ,,modernen” Physik bis zum Kriegsende 1945 und schliel3lich die Nachkriegszeit, die bis zur Gegenwart fuhrt. Daraus ergab sich folgender Plan: Die ersten hundert Jahre sollten nach Aufarbeitung der Quel- len durch Fachhistoriker dargestellt werden. Diese Aufgabe ubernahmen die Herren W. Schreier und M. Franke fur die ersten funfzig Jahre und A. Hermann fur die Folgeperiode bis 1945. Als Quellen sind zwar Sitzungsbucher der Gesellschaft und Einzeldokumente verfugbar, aber insge- samt ist dieses Archivmaterial sehr luckenhaft, so da13 umfangreiche Recherchen notig waren. Fur die zweite Periode fuhrte Herr M. Ratering eine besondere Quellen- und Bildrecherche durch, die als Grundlage des Artikels von A. Hermann diente. Fur die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ein anderes Konzept zugrunde gelegt. Es leben noch viele Zeitzeugen der gesamten Periode oder doch wenigstens eines groBeren Teils davon. Aul3erdem fuhrt uns dieser Zeitraum direkt in die Gegenwart. Deshalb wurde hier nicht versucht, eine zusammenfassende historische Darstellung durch einen Fachmann zu geben. Statt dessen wurden Einzelthemen ausgewahlt, die nach Moglichkeit von am Geschehen direkt Beteiligten ausgearbeitet wurden. Diese Darstellungen enthalten naturlich personliche Sichtweisen. Chronologisch beschrieben wurde nur die unmittelbare Nachkriegsperiode durch W. Walcher. Ein Teil der weiteren Entwicklung spiegelt sich in dem Beitrag von I. Peschel, dem Interviews mit ehe- maligen Prasidenten zugrunde liegen. Die ubrigen Artikel haben wichtige Entwicklungen oder grol3ere Einzelprojekte der DPG zum Gegenstand, namlich das Physikzentrum Bad Honnef (S. Methfessel), die Publikationsorgane (E. Dreisigacker und H. Rechenberg), die W. E.-Heraeus- Stiftung (W. Buckel), die offentlichen Stellungnahmen der DPG (H. Rollnik) und schliel3lich das Magnus-Haus (Th. Mayer-Kuckuk). Eine Sonderstellung nimmt der Artikel uber die Geschichte der Physikalischen Gesellschaft der DDR ein. Der Autor, D. Hoffmann, hat als Wissenschaftshistoriker selbst in der DDR gelebt. Ihm standen unter anderem die Dokumente aus der Geschaftsstelle der Physikalischen Gesellschaft der DDR zur Verfugung. Die Teilung Deutschlands spiegelt sich auch in dem Beitrag von H. Nel- kowski wider, der die Nachkriegsentwicklung in Westberlin noch einmal gesondert behandelt. Der Herausgeber mochte an dieser Stelle den Autoren fur die gute Zusammenarbeit sehr herz- lich danken. Manche Manuskripte muBten in einer fur die Verfasser schmerzlichen Weise gekurzt werden, weil die vielen erarbeiteten Details den Text uberfrachtet hatten. Die Miihe ist jedoch nicht verloren. Die Zeit ist gekommen, ein systematisches Archiv der DPG anzulegen, und was von den vielen jetzt zu Tage gekommenen historischen Fakten nicht in der Festschrift erscheinen kann, wird im Archiv Eingang finden. Dank gebuhrt auch der Siemens AG, die durch finanzielle Unterstutzung zwei fur die Festschrift wichtige wissenschaftshistorische Kolloquien ermoglicht hat, und vor allem Herrn Dr. E. Dreisigacker, der die Beitrage mit grol3er Miihe und Sorgfalt redaktionell bearbeitet hat. Herausgeber und Autoren teilen die Hoffnung, dal3 mit der hier vorgelegten Festschrift ein lebendiges Bild der Geschichte unserer Gesellschaft und auch ihrer gegenwartigen Aufgaben ent- standen ist. Th. Mayer-Kuckuk Berlin im Dezember 1994 F-5 Geleitwort Zum 150jahrigen Bestehen hat die Deutsche Physikalische Gesellschaft erstmals Gelegenheit zu einer Festschrift. Das 50jahrige und das 100jahrige Jubilaum standen unter keinem guten Stern. Die Feier zum 50jahrigen Bestehen murjte wegen des Todes von Helmholtz, Kundt und Heinrich Hertz um ein Jahr verschoben werden, und die Hundert-Jahr-Feier fie1 1945 in die letzten Kriegs- monate. Vor hundert Jahren glaubten wir, alles verstanden und im Griff zu haben. Bald darauf kamen Relativitatstheorie, Atomphysik, Quantenmechanik und Kernphysik. Auch vor funfzig Jahren ent- stand wiederum Neues. Es kamen Teilchenphysik, Quantenoptik und Halbleiterphysik. Auch heute konnen wir nicht wissen, welche Spriinge die Zukunft bringen wird, wir sind aber frei von dem Vorurteil, alles verstanden zu haben. Wir werden die Herausforderungen unserer Zeit offen auf- greifen und unsere Kreativitat auch uber Fachgrenzen hinweg sinnvoll einsetzen. Diese Schrift berichtet im Zusammenhang mit der Geschichte unserer Gesellschaft iiber die wichtigsten Abschnitte der Physik in Deutschland. Dabei wird deutlich, darj die Entwicklung unse- rer Wissenschaft in jedem Abschnitt ihrer Geschichte durch die Grenzen und Kontinente ubergrei- fende Wechselwirkung vieler Wissenschaftler vorangetrieben wurde. Obwohl wir unsere Welt immer besser verstehen, verstehen wir es immer weniger, mit ihr umzugehen. Diese Erfahrung hat viele Physiker dazu gebracht, besonders in reiferen Jahren iiber ihr Fach hinauszublicken und auch Losungen existentieller Fragen anzugehen. Dadurch ist die DPG stets mehr als eine reine Vertretung fachwissenschaftlicher Belange gewesen. Sie war und ist mit ihren Organen und Zentren auch der Ort fur Reflexionen iiber die Entwicklung von Wissen- schaft und Gesellschaft. Dafur haben wir heute als willkommenes Erbe unserer Geschichte zwei Treffpunkte - das Bad Honnefer Physikzentrum und das traditionsreiche Magnus-Haus in Berlin. Die Festschrift berichtet iiber diese Einrichtungen ebenso wie uber die W. E. Heraeus-Stiftung, die offentlichen Stellungnahmen der DPG und vieles andere mehr. Zweimal in unserer Geschichte gab es eine Trennung - zuerst eine fachliche in Grundlagen und Anwendung, spater eine politische in Ost und West. Wir haben beide hoffentlich auf Dauer iiber- wunden. Nutzen wir diese gunstigen Voraussetzungen, um die vor uns liegenden Aufgaben zum Vorteil unserer Wissenschaft und unserer Gesellschaft zu meistern. Ich wunsche Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, Vergniigen und Erkenntnis. H. G. Danielmeyer Prasident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft F-6 Physik - gestern, heute, morgen GruBwort von Victor F. Weisskopf Der 150. Geburtstag der Deutschen Physikalischen Gesellschaft tieft und verallgemeinert haben. Seine Erkenntnisse der Gravita- gibt uns Gelegenheit zu betrachten, was in dieser Zeitspanne tion als Kriimmung des Raurn-Zeit-Kontinuurns gehort gewiB zu alles geschehen ist, in der Physik, in der Kultur und leider auch den grorjten Leistungen des rnenschlichen Geistes. Irn ersten in der Politik. Viertel des Jahrhunderts schuf eine Gruppe von jungen begei- In der Physik und in anderen Naturwissenschaften ist unge- sterten Physikern die Quantentheorie, die die Grundlage aller heuer vie1 Positives geleistet worden, so auch in der Kunst und Naturwissenschaften in einer revolutionaren Weise neu erschuf Literatur. Man kann da wohl an das Zitat von Dickens denken: und viele Probleme und Widerspriiche der klassischen Physik ,,Es war die beste und schlimmste aller Zeiten”, wenn man diese mit einern Schlag loste. Fast plotzlich konnte man die Existenz positiven Ergebnisse rnit den politischen Ereignissen vergleicht. und die Eigenschaften der Atorne und Molekiile verstehen und Die zweite Halfte des 19. Jahrhunderts war in jeder Hinsicht die Vorgange in unserer Umwelt irn Prinzip erfassen und eine aurjerst produktive Periode. In der Physik denke man an die erklaren: Diese Erkenntnisse haben das ganze Weltbild der Elektrodynarnik von Maxwell, Hertz und Marconi; die Ent- Naturwissenschaft von Grund auf verandert, befestigt und ver- deckung des Elektrons, die Theorie der Warrne, die Erhaltung tieft und auch zu umwalzenden technischen Anwendungen der Energie, die Entwicklung der Elektrotechnik, die Ent- AnlaB gegeben. deckung der Rontgenstrahlung und so vieles andere; die klassi- Es ist interessant, daB diese Entwicklungen fast alle in sche Physik wurde vollendet. Die Erfolge der anderen Naturwis- Europa vor sich gingen mit einer uberwiegenden Beteiligung senschaften sollen nur angedeutet werden: die Entdeckung von deutschsprachiger Gelehrter. Deutsch war damals die gelaufige neuen Elernenten in der Chernie, Darwins Ideen zur Entwick- Sprache der neuen theoretischen Physik. Arnerikanische Physi- lung der Lebewesen, die Fortschritte der Medizin und noch vie- ker, die zu Hause eine Rolle spielen wollten, karnen nach Euro- les rnehr. pa zum Studieren. Das hat sich aufgrund der tragischen Ereig- In den Kiinsten sah man die Entstehung des Irnpressionis- nisse in Deutschland in den dreiBiger Jahren vollig geandert, die rnus, der eine neue Weise die Welt zu sehen, darstellt, die Ent- einen wesentlichen Teil der aktiven deutschen Physiker zur wicklung des Romans in der Literatur und den ungeheuren Auswanderung zwangen. Die Vereinigten Staaten wurden neben Reichturn, den die Musik der Menschheit darnals brachte. England die fiihrende Nation in der neuen Physik, aber nicht nur Natiirlich gab es lokale Kriege und politische Urnwalzungen, infolge der Einwanderung deutscher Wissenschaftler