Heinrich Lammasch
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p^-<M q ex- LIBRIX A • Digitized by the Internet Archive in 2018 with funding from Duke University Libraries https://archive.org/details/heinrichlammasch01lamm Heinrich Lammasch Seine Aufzeichnungen, sein Wirken und seine Politik Herausgegeben von Marga Lammasch und Hans Sperl Mit Beiträgen von: Hermann Bahr, Schriftsteller, Salzburg, Prof. Friedrich Foerster, Bern, Prof. Herron, Amerika, Marga Lammasch, Assistentin im Völkerbund¬ bureau, Genf, Prof. Otfried Nippold, Präsident des Obersten Gerichts¬ hofes in Saarlouis, Prof. Josef Redlich, Finanzminister a. D., Wien, Prof. Theodor Rittler, Innsbruck, Jonkheer A. F. de Savornin-Loh- man, Minister des Innern a. D., Haag, Präsident Franz Schumacher, Innsbruck, Prof. Hans Sperl, Wien Wien und Leipzig Franz Deuticke 1922 Verlags-Nr. 2694 Buchdruckerei der Manzschen Verlags- und Universitäts-Buchhandlung in Wien. INHALTSVERZEICHNIS. Seite Vorwort von Hans Sperl.IV Marga Lammasch, Mein Vater . 1 Hermann Bahr, Sein Wesen. 5 Heinrich Lammasch, Aus meinem Leben.10 — Zweite Haager Konferenz (1907). 32 — Haager Schiedssprüche: 1. Der Venezuelafall 1903—1904 . 59 2. Der Maskatfall.68 3. Das Orinoko-Schiedsgericht.74 — Erzherzog Franz Ferdinand.77 — Friedensversuche mit Präsident Wilson.96 A. F. de Savornin-Lohman, Heinrich Lammasch als Präsident des Maskat- und des nordatlantischen Fischerei-Schiedsgerichtes.103 Theodor Rittler, Lammasch als Strafrechtslehrer.106 Otfried Nipp old, Heinrich Lammasch als Völkerrechtsgelehrter und Friedens¬ politiker .118 Josef Redlich, Heinrich Lammasch als Ministerpräsident .154 Prof. Herron, Heinrich Lammasch’s Suggestion for peace in Bern 1918 . 186 Franz Schumacher, Lammasch in Saint Germain.198 Hans Sperl, Im akademischen Leben. 204 Friedrich Foerster. Meine Erinnerung an Heinrich Lammasch .... 215 Marga Lammasch, Seine letzten Lebenstage.219 Verzeichnis der Veröffentlichungen von Heinrich Lammasch.221 305307 VORWORT. Einige ^Vochen vor Weihnachten 1919 schrieb mir Heinrich Lammasch, er fühle seinen Tod nahe, ich möge bei der Ordnung der von ihm zurückgelasscnen Angelegenheiten seinen Ange¬ hörigen zur Seite stehen. In Erfüllung dieser Freundespflicht übergebe ich, gemeinsam mit der Tochter des Entschlafenen, Fräulein Marga Lammasch, vorliegend seine hinterlassenen Schriften der Öffentlichkeit. Sie sind durchwegs von ihm selbst druckfertig gestellt und für die Veröffentlichung nach seinem Tode bestimmt worden. Der Wortlaut ist unverändert geblieben, wie er von der Hand des Verstorbenen herrührt; dem von ein¬ zelnen Seiten geäußerten Wunsche, aus politischen Gründen bestimmte Stellen zu unterdrücken, habe ich nicht entsprochen. Auf Anregung seitens der beiden Herausgeber haben sich in dankenswerter Weise Freunde und Verehrer des verewigten Staatsmannes bereit gefunden, sein Wesen und Wirken in kurzen Beiträgen darzustellen, insbesondere auch seine politische Tätig¬ keit seit dem Kriege. Das Buch sollte hiedurch sowie dui'ch Lammasch’ letzte Mitteilungen an seine Zeitgenossen über den Rahmen eines biographischen Werkes hinausgehen und als Dokument der jüngsten Zeitgeschichte Bedeutung erlangen. Wien, am 1. November 1921. Hans Sperl Universität Wien. MEIN VATER. Von Marga Lamniasch. Mein lieber Vater war nur selten dazu zu bewegen, von sich selbst zu erzählen. Angeborene Zurückhaltung und über¬ große Bescheidenheit, die die eigenen Verdienste, die eigene (li’öße nie in den Vordergrund stellen wollte, eine wunderhare Feinfühligkeit, die niemandem seine enorme Überlegenheit an Geistestiefe und Charaktergrößc im Geringsten empfinden lassen wollte, waren die Ursache dieser Schweigsamkeit iiber ein Leben, so reich an hohen, reinen Idealen, an Schaffensfreude und Arbeitskraft. Es mag wohl wenig Menschen geben, die so hohe Geistesgaben, einen so durchdringend klaren Verstand mit so viel Gide, Wohlwollen, Milde, Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit vereinen, die ihren Idealen ein ganzes Leben lang unentwegt, im Großen und Kleinen, mit stiller emsiger Ausdauer, im äußersten Falle aber auch mit flammen¬ dem Zorne und eiserner Beharrlichkeit gefolgt sind, wie er seinen Leitsternen: der Gerechtigkeit uml dem Frieden. Wenn Papa von seiner Kindheit erzählte, so galt diese Er¬ innerung in erster Linie immer seinem Vater, an dem er mit un- eudlieher Liebe und Verehrung gehangen. Dr. Heinrich Lammasch war Notar in Seitenstetten, als Papa am 21. Mai ISöd gehören wurde, kam aber bald darauf nach Wien, wo Papa lieranwuchs. Als elfjähriges, körperlich schwaches und schmäch¬ tiges Bürschlein, mit umso reger aufgewecktem Geiste, kam er ins Wiener Schottengymnasium, das gerade in jener Zeit in be¬ sonderer Blüte stand und viele in späteren Jahrzehnten berühmte Männer zu seinen Schülern zählte. Auch Paiia knüpfte dort l'reundschaften fürs Leben. Mit zwölf Jahren traf Papa einer der schwersten und schmerzlichsten Schicksalsschläge, den er das ganze Leben hin¬ durch betrauerte. Er verlor seinen heißgeliebten, selten edlen, llpinricli Lamiiiascli. 1 305307 o charaklorvolk'u Vater, der einem tückischen Lnngenleidcn in jnngcn Jahren erlag, tragischerweise in jenem Augenblicke, als er größte Anssicht halte, zum Bürgermeister von \Yicn gewählt zu werden. Die kurzen, aber nmso tiefer gehenden Worte eines .Vbschiedshriefes waren es, die an Stelle der väterlichen Leitung es vermochten, dem Heranreifenden in allen Stürmen der Jugendzeit sicheren Hall zu geben. Die Mahnungen und das Bild des Verstorbenen waren ihm heilig bis zu seinem eigenen Tode. Ihn überaus reger Briefwechsel mit seinem Freunde Alfrect Berger, dem nachmaligen Burgtheaterdirektor, aus der Zeit der Universitätsstudien und aus den ersten Monaten nach deren Beendung, die Papa zu einer Studienreise nach Deutschland, Holland und namentlich England benützte, zeigt die unendlich vielseitigen' Interessen für Ihteratur, Kunst, Philosophie und für alle intellektuellen Probleme, die seinen begeisterungsfähigen, aber zu jener Zeit auch übermäßig kritischen und skeptischen Sinn bewegten. Schon bei seinem Studienaufenthalte in England waiKlte er sein besonderes Interesse der Gerichtspraxis und dem Gefängniswesen zn. Nach Wien zurückgekehrt, trat er für einige .Monate in den Gerichtsdienst ein, bevor er den Entschluß faßte, sich dem Strafrecht zuzuwenden. War er früher stets ein eifriger Student, der alle seine Prüfungen mit Auszeichnung bestand, so begann er dann seit seinen ersten Publikationen mit wahrem sachlichen Interesse, mit emsigem, nie erkaltenden Eifer und mit hingehender Liebe zu seinem Berufe zu arbeiten. Er hatte eine Tätigkeit gefunden, die sein Interesse vollständig in Anspruch nahm und ihm volle Befriedigung gewährte, ln jener Zeit begann auch sein kritischer Sinn sich zu mildern, er wurde immer ruhiger, gütiger und wohlwollender. Viel mag dazu auch das häusliche Glück und die stille tierzensharmonie beigetragen haben, die ihn mit seiner Gattin Nora, geborenen Gemeiner, verband. Der Lebensbimd war än den Soinmerferien 188G in der schöneii Kirche von St. Wolfgang geschlossen worden. Dann folgte ihm die treue Gattin nach Innsbruck, wo er das Jahr zuvor die Lehrkanzel des Strafrechtes übernommen hatte. Das glückliche Heim, das sie ihm bereitete, trug in den folgenden Jahren viel dazu bei, daß sich seine immer schwankende Gesundheit zusehends kräftigte. 3 188.0 folglo er dei’ Ileruluiig aui' die Slelle seines verelirlen Lehrers Wahlherg an die Wiener Universiläl, wo er in den ersten .Jahren sehwer unter der tüekisclien Hekaniprung von .Seite einiger jüdischer Kollegen zu leiden halle. Papa in seiner Sludierslube, am Sehreihliseh, ernst und sinnend, das ist das Bild, das mir seil meiner Kindheit am tiefsten und teuei'sten eingegraben isl in die Seele. leb wußte es Ja, wenn Paj)a arbeitet, dürfe er nicht gestört werden, aber wenn manchmal doch ein kleiner Slörefried leise die 'rür öffnete und sachte hineinschlich einen Kuß zu erbetteln, dann traf ihn kein strafender Bliek, zwei grundgütige, milde Augen lächelten ilim zu und der kleine Slörefried halle sein Ziel erreiclU nnd schmiegte sich an das schon so früh silbern schimmernde Haar des leuern Vaters, .la, Papa war nieht l)loß Belehrter, Professor, Schiedsrichter imd Staatsmann, <‘r war vor allem ein idealer Mensch, ein aufrichtiger, offener Charakter, ein Mann, der Lnergie nnd Verstandeskraft zu vereinen wußte mit eelil christ- lieber Liehe, mit schonungsvollem Verstehen für menschliche .Schwäche und tiefem, mildtätigen Krharmen für jegliehes T.eid, ein Mann, der sein gerades, offenes Wesen, dem jede Ver- .slellung und Schmeichelei unmöglieh war, in liai’iuonischen hänklang zu bringen verstand mit unendlich feinem Taktgefühl, dem es seihst weh getan liälle, andere zu verletzen. Als die Arbeiten zur Vorbereitung des Strafgeselzenlwurfes begannen, war für Papa die arbeitsreichste Periode seines I,ehens gekommen. Sein Eifer und seine I'reude an der Arbeit erkalteten auch dann nicht, wenn die Aussichten auf Erfolg sehr gering waren. Dieses schmerzlictie Schicksal sich ohne Erfolg gemüht zu haben, war iluu ja zur Genüge heschieden Ikm dem Slraf- gesclzenlwurf, dem er länger als ein .lahrzelmt seine ganze .\rheilskrafl gewidmet hatte. Tis wurde ihm Ix'schieden l)ei seinem unermüdlichen Eintreten für Erieden, Völkerverständigung und internationale Schiedsgerichlsharkeil und endlieh hei jenem schwersten Opfer seines Lehens, als er die Verpflichtung fühlte, in entseheidender, schicksalsschwerer Stunde, dem Bufe des Kaisers Eolge zu leisten, wenngleich er erkannte, daß es für Hilfe schon zu spät war. Die einzige T'rholung, die Papas rastloser T'leiß sich gönnte, waren unsere